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Wolfgang Tietze · Fabienne Becker-Stoll · Joachim Bensel · Andrea G. Eckhardt Gabriele Haug-Schnabel · Bernhard Kalicki · Heidi Keller · Birgit Leyendecker (Hrsg.) NUBBEK Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit Fragestellungen und Ergebnisse im Überblick

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Wolfgang Tietze · Fabienne Becker-Stoll · Joachim Bensel · Andrea G. Eckhardt

Gabriele Haug-Schnabel · Bernhard Kalicki · Heidi Keller · Birgit Leyendecker (Hrsg.)

NUBBEKNationale Untersuchung

zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit

Fragestellungen und Ergebnisse im Überblick

Mit dieser Broschüre legen die NUBBEK-Studienpartner einenkurz gefassten Überblick über Anlage und Hauptergebnisseihrer Studie vor. Wir wollen damit vorab einem Informations-bedürfnis entgegenkommen, das von vielen Seiten an unsherangetragen wurde.

Diese Broschüre kann nicht die Lektüre des ausführlichenForschungsberichts ersetzen, der im Herbst dieses Jahres er-scheinen wird.1 Darüber hinaus wird es vertiefende Analysenzu verschiedenen speziellen Fragestellungen geben, die inden entsprechenden wissenschaftlichen Zeitschriften veröf-fentlicht werden sollen. In einem späteren Schritt werden dieDaten auch anderen Forschern außerhalb der Gruppe derStudienpartner zur Verfügung stehen. Es braucht daher nichtbesonders betont zu werden, dass mit den hier vorgelegtenErgebnissen der Informationsgehalt der NUBBEK-Studie kei-nesfalls ausgeschöpft ist.

Wir möchten an dieser Stelle den zahlreichen Menschenund Instanzen danken, ohne die NUBBEK nicht möglich ge-wesen wäre.

An erster Stelle gilt unser Dank den rund 2000 Kindern undFamilien, die wir jeweils für mehrere Stunden für Tests undInterviews zu Hause aufgesucht haben, den Erzieherinnenund Leitungskräften in Kindergärten, Krippen und altersge-mischten Gruppen sowie den Tagespflegeeltern, deren päda-gogische Arbeit wir jeweils über mehrere Stunden beobach-ten konnten, und die sich zu ausführlichen Interviews und zuumfangreichen Einstufungen des Bildungs- und Entwicklungs-standes der von ihnen betreuten Kinder bereitfanden.

Wir danken ebenfalls den zahlreichen Menschen in Träger-verbänden und Jugendhilfeverwaltungen, die uns bei derDurchführung der Untersuchung unterstützt haben, wie auchden nicht wenigen Mitarbeitern in unseren Instituten, die ander Vorbereitung und Untersuchung fortlaufend oder zu be-stimmten Zeiten an einzelnen Schwerpunkten mitgewirkthaben.

Nicht zuletzt gilt unser Dank den Förderern der NUBBEK-Studie, dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ), der JacobsFoundation und der Robert Bosch Stiftung sowie den Bun-desländern Bayern, Brandenburg, Niedersachsen und Nord-rhein-Westfalen, die durch ihr finanzielles Engagement NUB-BEK überhaupt erst möglich gemacht haben.

Die HerausgeberBerlin, im April 2012

1. Das deutsche Früherziehungssystem im Umbruch

2. Wie ist die NUBBEK-Studie angelegt?

3. Wie stellen sich »Betreuungsgeschichte« und aktuelle Betreuungssituation der Kinder dar?

4. Wie stellt sich die pädagogische Qualität in den außerfamiliären Betreuungsformen dar?

5. Wie stellt sich die pädagogische Qualität im Betreuungssetting Familie dar?

6. Welche Zusammenhänge ergeben sich zwischender außerfamiliären Betreuung (bzw. deren Qualität)und der Qualität des Familiensettings einerseitsmit dem Bildungs- und Entwicklungsstand derKinder andererseits?

7. Gibt es Besonderheiten in der Bildung, Betreuungund Erziehung von Kindern mit Migrationshinter-grund?

8. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Bildnachweis:

Titelbild: Archiv aus: Angelika von der Beek: Bildungsräume für Kinder von Null bisDrei./Bildungsräume für Kinder von Drei bis Sechs. verlag das netz, Weimarund Berlin

Fotos: S. 7 Archiv IFP MünchenS. 11, 12, 14 Archiv Universität Osnabrück – nifbe

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Vorwort Inhalt

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1 Tietze, W., Becker-Stoll, F., Bensel, J., Eckhardt, A. G., Haug-Schnabel, G., Kalicki, B., Keller, H., Leyendecker, B. (Hrsg.) (in Vorbereitung). NUBBEK –Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit. Forschungsbericht. Weimar/Berlin: verlag das netz.

Kein Bereich im deutschen Bildungssystem hat in den letzten20 Jahren einen so starken Umbruch erfahren wie die Bil-dung, Betreuung und Erziehung im frühen Kindesalter. Diesgilt zunächst in quantitativer Hinsicht. Seit der Rechtsan-spruch auf einen Kindergartenplatz für jedes Kind im Altervon drei Jahren bis zum Schuleintritt Anfang der 1990er Jahrebeschlossen und Mitte des Jahrzehnts umgesetzt wurde, hatsich der Anteil der Kindergartenkinder im Alter von drei Jah-ren bis zum Schuleintritt in den alten Bundesländern nach-haltig erhöht. Eine erhebliche Steigerung gab es besondersauch beim Ganztagsangebot. Mit dem Tagesbetreuungsaus-baugesetz TAG (2005) begann der gezielte Ausbau von Plät-zen auch für unter dreijährige Kinder. Das Kinderförderungs-gesetz (KiföG) 2008 sieht für das Jahr 2013 einen Rechtsan-spruch auf einen Platz (in einer Einrichtung oder in einer Kin-dertagespflegestelle) auch für Kinder im Alter von ein bisunter drei Jahren vor.

Der Umbruch gilt auch in qualitativer Hinsicht. In den letztenzehn Jahren haben alle Bundesländer Bildungspläne und Cur-ricula für den vorschulischen Bereich entwickelt. Ebenfallswurden Sprachförderprogramme aufgelegt, um Kindern ausbildungsfernen Familien und Kindern mit Migrationshinter-grund einen erfolgreichen Schulstart zu ermöglichen. Darüberhinaus hat die akademische Ausbildung pädagogischer Fach-kräfte einen nachhaltigen Schub erfahren; Trägerorganisatio-nen von Kindertageseinrichtungen haben Anstrengungen imQualitätsmanagement unternommen.

Von einer qualitativ guten Bildung, Betreuung und Erziehungim frühen Kindesalter erwarten wir positive Impulse für dasWohlbefinden und die Persönlichkeitsentwicklung von jun-gen Kindern und für ihre Bildungskarriere bis weit ins Schul-und Jugendalter, ja bis ins Erwachsenenalter hinein.

Erstaunlicherweise wissen wir allerdings wenig über diepädagogische Qualität, die Kinder in Kindergarten- und Krip-pengruppen, in altersgemischten Gruppen oder in Kinderta-gespflege – und auch in ihren Familien – erfahren. Dies be-trifft zum einen die Steuerungsinstanzen bei Trägern, Verwal-tung und Fachpolitik: So besitzen kaum ein Träger, Jugend-amt oder Ministerium valide Daten über die pädagogische

Qualität von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespfle-gestellen im eigenen Verantwortungsbereich. Das bedeutet,dass elementare Daten für die Qualitätssteuerung fehlen.Das Informationsdefizit betrifft aber nicht minder auch denwissenschaftlichen Bereich. Es gibt in Deutschland – andersals im anglo-amerikanischen Kontext – bislang keine über-greifend angelegten Untersuchungen zur pädagogischenQualität in den verschiedenen Betreuungsformen, zu ihrenVoraussetzungen wie auch zu Zusammenhängen mit dem Bil-dungs- und Entwicklungsstand der Kinder in verschiedenenDomänen. Ebenfalls wissen wir wenig darüber, wie sich derBetreuungsalltag von Kindern aktuell darstellt, wie verschie-dene Betreuungsformen, einschließlich der familiären, zu-sammenwirken, wie sich die »Betreuungsgeschichte« derKinder und ihre kumulierten Betreuungserfahrungen in ihrernoch jungen Biografie darstellen. Es ist wenig darüber be-kannt, wie Eltern Betreuungsangebote wahrnehmen und wel-che Wahlmotive für sie bedeutsam sind. Wir wissen wenigdarüber, wie sich Aspekte der Betreuungsqualität in den Fa-milien darstellen, die ja neben allen außerfamiliären Betreu-ungsformen als Betreuungsinstanz erhalten bleiben, undspeziell, wie die Betreuungsqualität in den außerfamiliärenBetreuungsformen beschaffen ist. Nicht zuletzt gibt es weniggesichertes Wissen darüber, wie sich die frühe Bildung, Be-treuung und Erziehung für Kinder mit Migrationshintergrunddarstellt.

Die Studienpartner der NUBBEK-Studie waren und sind derAuffassung, dass es gemeinsamer Anstrengungen bedarf, um– gerade auch in einem im Ausbau befindlichen System frü-her Bildung – entsprechende Fragen breit angelegt und aufeiner hinreichend großen Datenbasis zu untersuchen. Wirhaben uns als eine Gruppe von Studienpartnern zusammen-geschlossen, um in einer multizentrischen Studie nach einemwechselseitig abgestimmten Forschungsplan zentrale Fragenhinsichtlich der Qualität in unserem Früherziehungssystem zuuntersuchen. Auch die Förderung der Studie erfolgte als ko-operative Anstrengung: durch das Bundesfamilienministeri-um (BMFSFJ), die Jacobs Foundation und die Robert BoschStiftung sowie die Länder Bayern, Brandenburg, Niedersach-sen und Nordrhein-Westfalen.

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1. Das deutsche Früherziehungssystem im Umbruch

Untersuchungskonzeption

Die NUBBEK Untersuchung orientiert sich an einer sozialöko-logischen und ökokulturellen Konzeption von Bildung undEntwicklung. Bildung und Entwicklung eines Kindes werden,wie in der Abbildung 1 dargestellt, als abhängig von verschie-

denen Faktoren und Systemebenen betrachtet. Die außerfami-liäre Betreuungsform eines Kindes wird dabei als ein Settingverstanden, das durch verschiedene Merkmale der Orientie-rungs-, Struktur- und Prozessqualität sowie der Qualität desFamilienbezugs gekennzeichnet ist.

Die Prozesse von Bildung, Betreuung und Erziehung derKinder sowie die Prozesse des Familienbezugs (beides Out-put) werden als abhängig von vorgelagerten Inputfaktorender Orientierungsqualität (z.B. pädagogische Konzeption) undder Strukturqualität (z.B. Ausbildung des pädagogischen Per-sonals, Erzieher-Kind-Schlüssel) betrachtet. Zusammengenom-men wird von den vier Qualitätsbereichen ein Einfluss auf diekindliche Bildung und Entwicklung angenommen (Outco-mes), ebenso auf die Familiensituation.

Analog zu den außerfamiliären Betreuungsformen wird dasfamiliäre Betreuungssetting der Kinder in der NUBBEK-Studie

konzipiert: Auch in den Familien lassen sich Merkmale derOrientierungs-, Struktur- und Prozessqualität sowie des Be-zugs zur (nun) außerfamiliären Betreuungsform identifizieren,die sich auf die kindliche Bildung und Entwicklung auswir-ken. Familiäre und außerfamiliäre Betreuungsformen spielendabei im Alltag der Kinder und Familien zusammen und es

bestehen mannigfache Wechselwirkungen. Familiäre und au-ßerfamiliäre Betreuungsformen sind in ökokulturelle und so-ziale Kontexte eingebettet, von denen NUBBEK speziell denMigrationshintergrund (türkisch und russisch) sowie die Un-terscheidung in alte und neue Bundesländer berücksichtigt.

Erhebungen in Familien und außerfamiliären Betreuungsformen

In der NUBBEK-Studie wurden zwei Erhebungsformate realisiert: • eine mehrstündige Familienerhebung mit einem ausführli-

chen Mütterinterview, schriftliche Fragebögen für Mütterund Väter, schwerpunktmäßig zu Fragen der Orientierungs-,Struktur- und Prozessqualität im Familiensetting sowie Kind-testungen und Einschätzungen des kindlichen Bildungs-und Entwicklungsstandes durch die Mütter;

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2. Wie ist die NUBBEK-Studie angelegt?

Abbildung 1. Untersuchungskonzeption für außerfamiliäre Betreuungssettings (Betreuungssetting Familie analog)

• eine Erhebung im institutionellen Setting bzw. der Kinder-tagespflege jedes Zielkindes mit jeweils mehrstündigen Be-obachtungen zu pädagogischen Prozessen, Interviews undFragebögen zu Aspekten der Orientierungs- und Struktur-qualität und zur Einschätzung des Bildungs- und Entwick-lungsstandes der Zielkinder in verschiedenen Bereichendurch die pädagogischen Fachkräfte.

Bei der Auswahl der einzelnen Untersuchungsinstrumentewurde Wert auf Anschlussfähigkeit zu anderen Untersuchun-gen gelegt; ebenfalls wurden zum Teil ausführliche Prätes-tungen vorgenommen. Die Mütterinterviews erfolgten alscomputergestützte Befragung.2 Familien mit russischem undtürkischem Migrationshintergrund erhielten alle Studienmate-rialien in zweisprachiger Ausführung und wurden von mutter-sprachlichen Interviewern befragt.

Stichprobe von Betreuungsformen (Settings) und Kindern/Familien

In die Studie wurden alle relevanten öffentlich gefördertenaußerfamiliären Betreuungsformen einbezogen: • Kindergartengruppen: mit Kindern im Alter ab drei Jahren

bis zum Schuleintritt,• altersgemischte Gruppen: mit sowohl zwei- als auch vier-

jährigen Kindern,

• Krippengruppen: mit Kindern bis zum Alter von drei Jahren,• Tagespflegestellen: mit Kindern im Alter unter drei Jahren.

Als weitere Betreuungsform wurde die ausschließlich familiä-re Betreuung bei zweijährigen Kindern einbezogen.

Die Stichprobengewinnung erfolgte in einem mehrstufigenVerfahren. Auf einer ersten Stufe wurden 32 Gebietseinheitenaus acht Bundesländern ausgewählt, die für das Bundesge-biet insgesamt als repräsentativ gelten können. Innerhalbder Gebietseinheiten wurden im nächsten Schritt nach Zufalldie verschiedenen Betreuungssettings ausgewählt und ineinem dritten Schritt Zielkinder (Zwei- und Vierjährige) inner-halb dieser Settings identifiziert. Ausschließlich familiär be-treute Kinder (Zweijährige) und Kinder mit russischem undtürkischem Migrationshintergrund wurden auf weiteren We-gen (u.a. auch mit Unterstützung durch Einwohnermeldeäm-ter) hinzugewonnen. Für die Kinder mit russischem und tür-kischem Migrationshintergrund wurde eine überproportionaleRepräsentanz angestrebt.

Die resultierenden Stichproben von Settings und Kindern/Familien mit auswertbaren Daten sind in der Tabelle 1 wie-dergegeben.

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Tabelle 1. Gesamtstichprobe: Kinder und Betreuungssettings

Anmerkungen: o.MH = ohne Migrationshintergrund, t.MH = mit türkischem Migrationshintergrund, r.MH = mit russischem Migrationshintergrund

Betreuungs-setting

Zweijährige Vierjährige Gesamt

o.MH r./t.MH o.MH r./t.MH

Kindergartengruppe: 3-6 Jahre 146 - - 322 124 446

Krippengruppe: 0-3 Jahre 118 323 54 - - 377

altersgemischte Gruppe 139 135 52 179 89 455

Kindertagespflege 164 235 5 - - 240

Familienbetreuung - 234 204 - - 438

Gesamt 567 927 315 501 213 1956

2 Wir danken TNS-Infratest für die Unterstützung bei Entwicklung und Durchführung.

Inanspruchnahme inner- und außerfamiliärer Betreuung

Die retrospektiven Angaben der Mütter zur Betreuungsge-schichte ihrer vierjährigen Kinder zeigen: 90 Prozent der El-tern unserer Studie betreuten im ersten Lebensjahr ihre Kin-der alleine (66 Prozent) oder nutzten zusätzlich Ressourcender erweiterten Familie, in der Mehrheit Großeltern (24 Pro-zent). Krippe bzw. Tagespflege spielten zu diesem Zeitpunktnoch eine geringe Rolle. Das Eintrittsalter für die Tagespflegelag im Mittel bei 13 Monaten, das für die institutionelle Be-treuung bei 27 Monaten. Bereits im zweiten Lebensjahr kamdie rein elterliche Betreuung nur noch bei 41 Prozent der Kin-der vor, im Gegenzug stieg die Inanspruchnahme von Kinder-tagespflege und vor allem von institutioneller Betreuungstark an. Dieser Trend setzte sich für die institutionelle Be-treuung im dritten Lebensjahr weiter fort: Bei 60 Prozent derKinder der Stichprobe wurde diese Betreuungsform fürdurchschnittlich 25 Stunden in der Woche genutzt.

Familiäre nicht-elterliche Betreuung (überwiegend durchGroßeltern) wurde im zweiten bis vierten Lebensjahr in im-merhin rund einem Drittel der Familien für etwa acht Stundenin der Woche genutzt. War die erweiterte Familie nach An-sicht der Mütter eher verfügbar, wurde sie generell auchmehr in Anspruch genommen und die institutionelle Betreu-ung in geringerem Umfang genutzt. Es muss allerdings offenbleiben, was hier Ursache und was Wirkung ist.

Betreuungsmuster in den alten und neuen Bundesländern

In den neuen Bundesländern werden Kinder nach wie vor frü-her, häufiger und länger außerfamiliär betreut als in denalten Bundesländern. Das durchschnittliche Eintrittsalter inaußerfamiliäre Betreuung lag bei den untersuchten Kindernin Ostdeutschland bei 21 Monaten, in Westdeutschland bei29 Monaten. Während die Kinder in den neuen Bundeslän-dern besonders gehäuft um den ersten und zweiten Geburts-tag in die institutionelle Betreuung starteten, begannen Kin-der in den alten Bundesländern am häufigsten mit dem drit-ten Geburtstag. Auch wurden die Kinder in den neuen Bun-desländern deutlich mehr Stunden in der Woche betreut, derUnterschied betrug im dritten Lebensjahr zehn Stunden (30gegenüber 20 Stunden) und selbst im vierten Lebensjahr lagdie Differenz noch bei sechs Stunden (31 gegenüber 25 Stun-den). Die gefundenen Unterschiede haben auch nach Kon-trolle von familiären Hintergrundvariablen Bestand und dürf-ten damit auf das unterschiedliche Platzangebot und die Tra-ditionen im Umgang mit Tagesbetreuung zurückzuführensein. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die »Betreuungs-

geschichten« der Kinder in Ost und West im Zuge des Platz-ausbaus in den alten Bundesländern angleichen werden.

Betreuungsnutzung durch die Migrantengruppen

Kinder aus Familien mit (russischem und türkischem) Migra-tionshintergrund wichen in ihrer Betreuungsgeschichte vonKindern ohne Migrationshintergrund ab: Die Familien mit Mi-grationshintergrund brachten ihre Kinder später in institutio-nelle Betreuung, nahmen weniger Stunden in Anspruch undnutzten Tagespflege so gut wie gar nicht. Insbesondere beiden Familien mit türkischem Migrationshintergrund ver-schwand dieser Effekt jedoch nach Berücksichtigung vonStruktur- und Orientierungsvariablen. Türkische Familien, indenen die Mütter erwerbstätig waren, einen höheren Bil-dungsabschluss aufwiesen und weniger traditionelle Rollen-einstellungen pflegten, unterschieden sich in ihrer Nutzungvon institutionellen Betreuungsangeboten von vergleichba-ren Familien ohne Migrationshintergrund nicht.

Hintergründe für das Nutzungsverhalten der Familien

Unter den gegenwärtigen Zugangsbeschränkungen bei Plät-zen für Kinder unter drei Jahren (primär für Kinder mit er-werbstätigen oder auszubildenden Eltern) ist es wenig ver-wunderlich, dass der Erwerbs- und Bildungsstatus der Mutterbei den untersuchten Zweijährigen den größten Teil an Vari-anz des Betreuungsumfangs erklärt (30 Prozent). Danebensteht das Nutzungsverhalten mit Betreuungspräferenzen derMütter in Verbindung. Allerdings hatte ein Viertel (26 Pro-zent) der außerfamiliär betreuten Zweijährigen in unsererStudie weder eine erwerbstätige noch eine in Ausbildung be-findliche Mutter. Detaillierte Analysen ergaben, dass Mütter,die weniger traditionelle Rollenmodelle vertraten und dieKitas und Tagespflege eine höhere Verantwortung für Bildungund Erziehung der Kinder zuschrieben, mehr außerfamiliäreBetreuung in Anspruch nahmen. Offensichtlich gelang es El-tern auch unter den restringierten Bedingungen des Platzan-gebots für die unter Dreijährigen, ihre Erziehungs- und Be-treuungspräferenzen bis zu einem gewissen Grad zum Aus-druck zu bringen.

Wahrgenommene Betreuungsmöglichkeiten

Das vorhandene Betreuungsangebot wurde von den Familienals unterschiedlich verfügbar wahrgenommen. Die Verfügbar-keit eines Betreuungsplatzes steigt in der Wahrnehmung derMütter mit ihrem Bildungsstand und ihrem sozioökonomi-schen Status. Dies gilt gleichermaßen für Krippe, Tagespflege,

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3. Wie stellen sich »Betreuungsgeschichte«

und aktuelle Betreuungssituation der Kinder dar?

Babysitter oder soziale Netzwerke. Aufschlussreich ist derVergleich zwischen Müttern von nur familiär betreuten Kin-dern mit Müttern, deren Kinder zusätzlich außerfamiliär be-treut werden. Bei Kontrolle familiärer Hintergrundvariablenberichteten die Mütter von rein familiär betreuten Kindernüber deutlich weniger verfügbare außerfamiliäre Betreuungsowie Möglichkeiten der Betreuung durch die Großeltern. Siesahen also insgesamt weniger Betreuungsressourcen inihrem Umfeld.

Mütter aus den neuen Bundesländern berichteten über mehrVerfügbarkeit der außerfamiliären Betreuung, gleichzeitig je-doch über deutlich weniger verfügbare großelterliche Betreu-ung. Familien mit Migrationshintergrund unterschieden sichauch nach Kontrolle des sozioökonomischen Status und demBildungsstand der Mütter erheblich von den Familien ohneMigrationshintergrund bezüglich der als verfügbar wahrge-nommenen Betreuungsmöglichkeiten. Sowohl bei der außer-familiären als auch bei der familiären nicht-elterlichen Be-treuung sahen sie weniger Betreuungsressourcen als gege-ben an als die Mütter ohne Migrationshintergrund.

Motive der Familien für außerfamiliäre bzw. ausschließlich familiäre Betreuung

Die Mehrheit der Mütter, deren zwei- bzw. vierjährige Kinderin außerfamiliärer Betreuung waren, versprach sich davoneinen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Kindes, ge-folgt von der Motivation die eigene Erwerbstätigkeit (wieder)aufzunehmen.

Die überwiegende Mehrzahl der Mütter, die ihre Kinder aus-schließlich familiär betreuten (nur Zweijährige), äußerte, dassdie familiäre Betreuung ihren persönlichen Erziehungsvorstel-lungen besser entsprach. Allerdings gab auch ein Drittel derBefragten an, dass sie keinen Platz bekommen hatten, mehrals ein Viertel fand die Kosten für außerfamiliäre Betreuungzu hoch. Darüber hinaus wurden noch praktische Gründe,wie unpassende Öffnungszeiten, zu große Entfernung oderzu großer Aufwand erwähnt. Diese Befunde zeigen, dass dieGruppe der Mütter der nur familiär betreuten Kinder recht he-terogen ist, und dass sehr unterschiedliche Motive zu dieserSituation beitragen. Die Daten legen nahe, dass es auch in-nerhalb der Gruppe der nur familiär betreuten Kinder eine er-hebliche Anzahl von Müttern gibt, die sich auch für eine au-ßerfamiliäre Betreuung entscheiden würden, wenn die Bedin-gungen hierfür besser wären.

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Zentrale Untersuchungsinstrumente

Die Merkmale der Struktur- und Orientierungsqualität wurdenüber Fragebögen und Interviews mit Gruppenerzieherinnenund Einrichtungsleiterinnen sowie Tagespflegepersonen er-fasst, teilweise auch durch direkte Beobachtungen. Als wei-tere Quelle dienten Angaben zu den (schriftlichen) pädagogi-schen Konzeptionen sowie zu persönlichen Merkmalen undErziehungszielen der Pädagoginnen.

Die pädagogische Prozessqualität wurde über die IntegrierteQualitäts-Skala (IQS) erhoben: in den Kindergartengruppenüber die revidierte Kindergarten-Skala und ihre Zusatzmerk-male (KES-RZ) sowie über ihre speziell auf die Bildungsbe-reiche Literalität, Mathematik, Naturwissenschaft und inter-kulturelles Lernen zielende Erweiterung (KES-E); in den Krip-pengruppen über die revidierte Krippen-Skala (KRIPS-R), inden altersgemischten Gruppen über dieses gesamte Instru-mentarium und in den Tagespflegestellen über die revidierteTagespflege-Skala (TAS-R). Zusätzlich wurde in allen Betreu-ungssettings die Caregiver Interaction Scale (CIS) zur Erfas-sung des Interaktionsklimas sowie ein Aktivitätsfragebogenzu verschiedenen Aktivitäten mit den einzelnen Kindern(AKFRA) eingesetzt. Den Qualitätseinstufungen in den einzel-nen Settings lagen jeweils mehrstündige Beobachtungendurch geschulte Beobachter zugrunde.

Rahmenbedingungen der Struktur- und Orientierungsqualität

Die Ergebnisse zeigen eine bemerkenswerte Variabilität inden Rahmenbedingungen der verschiedenen Betreuungsfor-men. Zusätzlich ist jeder Betreuungstypus durch eine be-achtliche Heterogenität gekennzeichnet, die sich in hohenStandardabweichungen der Merkmalsausprägungen aus-drückt. Wie zu erwarten, lassen sich zahlreiche Unterschiedezwischen Tagespflegestellen und den institutionellen Betreu-ungsformen feststellen. Für zweijährige Kinder sind die fürjüngere Kinder erforderlichen günstigeren Rahmenbedingun-gen in den Krippengruppen besser erkennbar als in den al-tersgemischten Gruppen. Die Vor- und Nachbereitungszeitfür die pädagogische Arbeit liegt bei den Erzieherinnen ausden Kindergarten- und altersgemischten Gruppen allerdingshöher als bei denen aus Krippengruppen. Die Werte der All-gemeinen Depressionsskala (ADS) liegen bei keiner Pädago-gin im klinischen Bereich, jedoch weisen die Tagespflegeper-sonen deutlich höhere Werte des Wohlbefindens auf als dieErzieherinnen in den Einrichtungen. Innerhalb der Einrich-tungen drücken die Erzieherinnen, die mit jüngeren Kindernarbeiten, höheres Wohlbefinden aus als die mit älteren Kin-dern.

Pädagogische Prozessqualität

Jeweils über 80 Prozent der außerfamiliären Betreuungsfor-men liegen hinsichtlich der pädagogischen Prozessqualität(KES-RZ, KRIPS-R, TAS-R) in der Zone mittlerer Qualität(Werte zwischen 3 und 5). Gute pädagogische Prozessquali-tät kommt dabei in jedem der Betreuungssettings in wenigerals 10 Prozent der Fälle vor; unzureichende Qualität dagegen– mit Ausnahme der Tagespflege – in zum Teil deutlich mehrals 10 Prozent der Fälle (vgl. Abbildungen 2 und 3). In derauf die Bildungsbereiche Literalität, Mathematik, Naturwis-senschaft und interkulturelles Lernen bezogenen KES-E kom-men über 50 Prozent der untersuchten Kindergarten- und al-tersgemischten Gruppen in den Bereich unzureichender Qua-lität zu liegen. Die Durchschnittswerte auf den jeweils 7-stu-figen Skalen liegen für die KES-RZ bei M = 3,9; für die KES-E bei 2,8; für die KRIPS-R bei 3,8 und für die TAS-R bei 4,0.

Die Differenzierung nach Betreuungsformen zeigt, dass dieKinder in altersgemischten Gruppen eine niedrigere Prozess-qualität erfahren als wenn sie in altershomogenen Gruppen(Kindergarten- bzw. Krippengruppen) betreut werden. Das Er-gebnis gilt für Kinder im Kindergarten- und Krippenalter ingleicher Weise und bleibt bestehen, wenn für Faktoren derStruktur- und Orientierungsqualität kontrolliert wird.

Bei einem höheren Anteil von Kindern mit Migrationshinter-grund in den Gruppen zeigen sich in allen IQS-Maßen (KES-RZ, KES-E, KRIPS-R) – unter Berücksichtigung verschiedenerKontrollfaktoren – niedrigere Werte der pädagogischen Pro-zessqualität. Bei offener Arbeit ergibt sich für die Kinder imKindergartenalter eine höhere Prozessqualität (KES-RZ) alsbei gruppenbezogener Arbeit; dies gilt nicht für die Gruppenmit Kindern im Krippenalter.

Abhängigkeit der Prozessqualität von Rahmen-bedingungen der Struktur- und Orientierungsqualität

Je nach Kriteriumsmaß werden bei der Prozessqualität (KES-RZ, KES-E, KRIPS-R, CIS) zwischen 11,2 Prozent (CIS-Kindergar-tenalter) bis 32,0 Prozent (KES-E) der Unterschiedlichkeit (Kri-teriumsvarianz) durch die berücksichtigten Rahmenbedingun-gen der Struktur- und Orientierungsqualität bestimmt. Prak-tisch durchgängig bei allen Kriterien der pädagogischen Pro-zessqualität zeigt sich, dass diese bei bestimmten Persönlich-keitsmerkmalen der Erzieherinnen (Extraversion) höher aus-fällt, ebenso wenn weniger Kinder mit Migrationshintergrundin der Gruppe sind, wenn keine Altersmischung gegeben istund wenn offene Gruppenarbeit praktiziert wird. Nach wie vorspielt die Variable Ost/West eine Rolle für die Prozessqualität.Auch bei Kontrolle anderer Faktoren weisen die Kindergrup-

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4. Wie stellt sich die pädagogische Qualität

in den außerfamiliären Betreuungsformen dar?

pen in Westdeutschland eine höhere Prozessqualität auf alsdie in Ostdeutschland. Bei den Tagespflegestellen wird mit3,2 Prozent (TAS-R) und 6,2 Prozent (CIS) weniger Kriteriums-varianz durch die Rahmenbedingungen erklärt. Eine bessereProzessqualität (TAS-R, CIS) ergibt sich, wenn die Tagesmüttereinen höheren Wert des Wohlbefindens (ADS) aufweisen.Ost/West-Differenzen in der pädagogischen Prozessqualität derKindertagespflege waren nicht gegeben.

Keine langzeitlichen Veränderungen in der pädagogischenProzessqualität im Kindergartenbereich

Die Werte der pädagogischen Prozessqualität für den Kinder-gartenbereich erlauben einen Vergleich mit entsprechendenDaten, die Mitte der 1990er Jahre erhoben wurden. Danachhat sich die pädagogische Prozessqualität in dem gut 15-jäh-

rigen Zeitraum zwischen beiden Messungen nicht verändert.Für den Krippen- und den Tagespflegebereich liegen keine Ver-gleichsdaten vor.

Pädagogische Prozessqualität im nationalen/internationalen Vergleich

Die ermittelten Werte der Prozessqualität stimmen in derGrößenordnung gut überein mit Werten, die in anderen aktu-ellen Qualitätsuntersuchungen in Deutschland mit denselbenInstrumentarien gefunden wurden. Vergleichswerte aus aus-ländischen Untersuchungen zeigen sowohl Abweichungennach unten wie nach oben, letztere besonders, wenn die Ein-richtungen durch eine Phase der Qualitätsentwicklung ge-gangen sind.

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Abbildung 2. Kindergartengruppen nach KES-RZ- und KES-E-Gesamtwert (Häufigkeit in Prozent)

Abbildung 3. Krippengruppen nach KRIPS-R- und Tagespflegestellen nach TAS-R-Gesamtwert (Häufigkeit in Prozent)

Zentrale Untersuchungsinstrumente

Analog zu den außerfamiliären Betreuungssettings wurdeauch im Betreuungssetting Familie nach den Bereichen Struk-tur-, Orientierungs- und Prozessqualität unterschieden. DieMerkmale der Strukturqualität, wie Zusammensetzung der Fa-milien, Bildungsstatus der Mütter, sozio-ökonomischer Statuswurden über die Interviews in den Familien erfasst, Persön-lichkeitsmerkmale der Mütter wie die BIG FIVE, AllgemeineDepressivität (ADS) über Fragebögen; ebenso wurden dieMerkmale der Orientierungsqualität, wie Rolleneinstellungender Mütter und Betonung bestimmter Erziehungsziele (Gehor-sam, Autonomie, prosoziales Verhalten) über Mütterfragebö-gen erhoben. Merkmale der Prozessqualität wie das mütter-liche Interaktionsklima mit dem Kind (CIS) und der Anre-gungsgehalt, den das Kind in der Familie erfährt (HOME),wurden über Beobachtungen der Erheber, Aktivitäten mitdem Kind (AKFRA) und die Mutter-Kind-Beziehung (PIANTA)über Fragebögen erfasst.

Unterschiede bei der Struktur- und Orientierungsqualität

Die Rahmenbedingungen der Struktur- und Orientierungsqua-lität variieren bei den teilnehmenden Familien deutlich. Diesgilt im Hinblick auf Einkommen, sozio-ökonomischen Status,Bildungsstand, Familienzusammensetzung und Erwerbstätig-keit ebenso wie im Hinblick auf das Wohlbefinden der Mütter(ADS), Rollenmuster und Erziehungsziele. Das familiäre Be-treuungssetting stellt sich damit für die untersuchten Kinderund Familien individuell sehr unterschiedlich dar.

Unterschiede bei Kindern und Familien mit und ohneMigrationshintergrund

Bei den Familien ohne Migrationshintergrund liegt der sozio-ökonomische Status höher, ihr Haushaltsnettoäquivalenzein-kommen ist gut eineinhalb mal so hoch, ihr Anteil an Arbeits-losengeld II-Empfängern macht im Vergleich nur ein Drittelaus. Die Kinder sind häufiger Einzelkinder und die Mütter sel-tener verheiratet, jedoch doppelt so häufig erwerbstätig. DieMütter aus Familien ohne Migrationshintergrund haben imVergleich eine weniger traditionelle Einstellung zur mütterli-chen Erwerbstätigkeit und betonen weniger das Erziehungs-ziel »Gehorsam«.

Unterschiede in der Prozessqualität

Die Kinder erfahren in ihren Familien eine unterschiedlichausgeprägte Prozessqualität. Wiederum treten Unterschiedezwischen den Familien mit und ohne Migrationshintergrundin Erscheinung. Am stärksten ausgeprägt sind diese Unter-schiede im Hinblick auf die häusliche Entwicklungsumgebung(HOME). Unterschiede in der beobachteten Interaktionsquali-tät (CIS), der von der Mutter wahrgenommenen Beziehungs-qualität (PIANTA) und der Häufigkeit von entwicklungsfördern-den kindlichen Aktivitäten (AKFRA) sind dagegen geringer.Unterschiede bestehen zum Teil auch zwischen den Familienmit russischem und türkischem Migrationshintergrund, diesesind jedoch geringer ausgeprägt.

Abhängigkeit der Prozessqualität von Rahmenbedin-gungen der Struktur- und Orientierungsqualität in den Familien

Je nach Maß für die pädagogische Prozessqualität könnenzwischen 11 Prozent (CIS, Zweijährige) und 34 Prozent(HOME, Vierjährige) der Kriteriumsvarianz durch Bedingun-gen der Struktur- und Orientierungsqualität erklärt werden.Die Erklärungsmöglichkeit liegt damit in derselben Größen-ordnung wie bei der Prozessqualität in den institutionellenSettings.

Als übergreifendes Muster zeigt sich, dass – bei wechselsei-tiger Kontrolle der verschiedenen Faktoren – die Prozessqua-lität in den verschiedenen Maßen höher ausfällt, wenn dieMütter einen höheren Bildungsstand aufweisen, depressiveSymptome und Neurotizismus geringer ausgeprägt sind, einPartner im Haushalt lebt und weniger Geschwisterkinder vor-handen sind (Ausnahme: Mutter-Kind-Beziehung, PIANTA)und die Verantwortung für Bildung und Entwicklung der Kin-der weniger bei außerfamiliären Instanzen gesehen wird.Russischer bzw. türkischer Migrationshintergrund steht nachKontrolle aller übrigen hier berücksichtigten Faktoren im Zu-sammenhang mit geringer ausgeprägten Merkmalen der Pro-zessqualität.

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5. Wie stellt sich die pädagogische Qualität

im Betreuungssetting Familie dar?

Vorbemerkung

Wir sprechen bei dieser Fragestellung bewusst und ein-schränkend von Zusammenhängen und nicht von kausalenAuswirkungen. Solche lassen sich im Rahmen einer Quer-schnittsuntersuchung nicht methodisch gesichert nachwei-sen. Um die Gefahr von »Scheinzusammenhängen« möglichstauszuschließen, haben wir in den komplexen statistischenAnalysen einen breiten Kranz möglicher Einflussgrößen aufden zu untersuchenden Zusammenhang kontrolliert. Wenn indiesem Rahmen – wie auch weiter oben – von »Abhängigkei-ten« und »Erklärungen« (erklärte Varianzen) gesprochenwird, handelt es sich um statistische, modellimmanente Grö-ßen, nicht um substanzwissenschaftliche Aussagen.

Zentrale Untersuchungsinstrumente

Zusätzlich zu den aus den voranstehenden Abschnitten be-kannten Kindmerkmalen (Alter, Geschlecht), Merkmalen derBetreuungsgeschichte (aktuelle außerfamiliäre Betreuungs-form, Eintrittsalter in die außerfamiliäre Betreuung, Betreu-ungsdosis), den Merkmalen der pädagogischen Qualität imfamiliären wie im außerfamiliären Setting (jeweils Orientie-rungs-, Struktur- und Prozessqualität) und den sozial- undökokulturellen Variablen (Migrationshintergrund und Ost/West) werden für die vorliegende Frage verschiedene Bil-dungs- und Entwicklungsmaße der zwei- und vierjährigenKinder herangezogen: • Maße der sprachlich-kognitiven Kompetenz (Peabody

Picture Vocabulary Test, PPVT; HAWIVA-Mosaiktest), • der sozial-emotionalen Kompetenz (Infant Toddler Social

Emotional Assessment (ITSEA) bei Zweijährigen; SocialSkills Improvement Rating System (SISS) bei Vierjährigen),

• Problemverhalten (Child Behavior Check List, CBCL) sowiekommunikations-, motorische und alltagsbezogene Fertig-keiten im Urteil von Erzieherinnen und Müttern (VinelandAdaptive Behavior Scale, VABS).

Bei den einzelnen Verfahren handelt es sich zum Teil umTests, zum Teil um sogenannte Reportverfahren, bei deneneine dem Kind nahestehende Person in einer standardisier-ten Befragung Auskunft über das Kind gibt. Im konkreten Fallwaren das die Mütter (für alle Kinder) und die Erzieherinnenbzw. Tagesmütter zusätzlich für die Kinder in außerfamiliärerBetreuung.

Unterschiedlich starke Zusammenhänge mit dem Bil-dungs- und Entwicklungsstand der Kinder

Die untersuchten Zusammenhänge sind in Abhängigkeit vonden gewählten Bildungs- und Entwicklungsmaßen unter-schiedlich stark ausgeprägt. Je nach Maß werden zwischen 15Prozent und über 50 Prozent der Unterschiede (Kriteriumsva-rianz) in den Bildungs- und Entwicklungsmaßen der Kindererklärt. Beim HAWIVA-Mosaiktest, bei dem eine vergleichs-weise geringe Beeinflussung durch Umweltfaktoren zu erwar-ten ist, werden relativ geringe 15 Prozent erklärt, beim rezep-tiven Wortschatz mit seiner starken Abhängigkeit von Lernge-legenheiten rund 50 Prozent. Dieses Muster gilt für zwei- undvierjährige Kinder in gleicher Weise.

Insgesamt gesehen können die Unterschiede im Bildungs-und Entwicklungsstand der Kinder in den zugrunde gelegtenAnalysemodellen gut erklärt werden.

Der Bildungs- und Entwicklungsstand der Kinder hängtstärker mit Merkmalen der Familie als mit Merkmalender außerfamiliären Betreuung zusammen

Diese Aussage gilt praktisch für jeden der untersuchten Bil-dungs- und Entwicklungsbereiche. Die Zusammenhänge mitden Familienmerkmalen sind z. T. um ein Vielfaches stärkerals die mit den Merkmalen der außerfamiliären Betreuung.

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6. Welche Zusammenhänge ergeben sich zwischen der außerfamiliären Betreuung (bzw. deren Qualität) und der Qualität des Familiensettings einerseits mit dem Bildungs- und Entwicklungsstand der Kinder andererseits?

Die Zusammenhänge des Bildungs- und Entwicklungs-standes mit (Qualitäts-)Merkmalen der außerfamiliärenBetreuung sind für vierjährige Kinder stärker ausge-prägt als für zweijährige Kinder

Für Zweijährige sind die Zusammenhänge sehr schwach aus-geprägt, bzw. es zeigen sich überhaupt keine statistisch ge-sicherten Zusammenhänge. Der Befund dürfte die Tatsachewiderspiegeln, dass die einbezogenen Zweijährigen im Regel-fall nur vergleichsweise kurze Erfahrungen in ihrer außerfami-liären Betreuungsform sammeln konnten im Gegensatz zuden Vierjährigen, die im Durchschnitt eine außerfamiliäre Be-treuungsdauer von 29 Monaten aufwiesen.

Kein Unterschied im Bildungs- und Entwicklungsstandzwischen außerfamiliär und ausschließlich familiär betreuten zweijährigen Kindern

Bei Kontrolle der übrigen Faktoren konnte kein statistisch ge-sicherter Unterschied in den Bildungs- und Entwicklungsma-ßen festgestellt werden in Abhängigkeit davon, ob ein Kindausschließlich familiär oder zusätzlich auch außerfamiliär be-treut wurde. Eine Ausnahme bildete das Problemverhalten(CBCL), das von den Müttern der auch außerfamiliär betreu-ten Kinder als leicht weniger ausgeprägt eingestuft wurde alsvon den Müttern der nur familienbetreuten Kinder. Man wirdbei diesem generellen Befund fehlender Unterschiede die –wie bereits erwähnt – bis dahin geringe Besuchsdauer derzweijährigen Kinder in Rechnung stellen müssen (im Durch-schnitt: 16 Monate).

Früherer Beginn außerfamiliärer Betreuung mit höheremBildungs- und Entwicklungsstand in bestimmten Bereichen verbunden

Unabhängig von der pädagogischen Qualität in Familie undaußerfamiliärer Betreuung sowie von weiteren Kontrollfakto-ren geht ein früherer Eintritt in die außerfamiliäre Betreuungbei den zweijährigen Kindern mit besseren Entwicklungs-kennwerten in den Bereichen Kommunikationsverhalten(Mütter- und Erzieherurteil) und Alltagsfertigkeiten (Mütterur-teil) einher.

Bei den vierjährigen Kindern steht ein früherer Eintritt ebenfallsmit besseren Werten im rezeptiven Wortschatz (PPVT) und im

Kommunikationsverhalten (Erzieherurteil) sowie mit geringeremProblemverhalten (Mütterurteil) in Zusammenhang.

Migrationshintergrund von Kindern mit ungünstigeremBildungs- und Entwicklungsstand im Bereich deutsch-sprachlicher Kompetenz verbunden

Wenig überraschend angesichts der berichteten Familienspra-che zeigen sich auch bei Kontrolle der übrigen Faktoren aus-geprägte Unterschiede in der deutschsprachlichen Kompe-tenz zu Ungunsten der Kinder mit Migrationshintergrund,speziell mit türkischem Migrationshintergrund. Die Unter-schiede bestehen im deutschsprachlichen rezeptiven Wort-schatz wie auch in den von den Erzieherinnen eingeschätztenKommunikationsfertigkeiten. Die Unterschiede sind bei denZweijährigen mit ihrer noch kurzen außerfamiliären Betreu-ung deutlich größer als bei den Vierjährigen, erweisen sichallerdings auch hier noch als bedeutsam.

Keine Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern

Zusammenhänge zwischen der Herkunft der Kinder aus denneuen oder alten Bundesländern und ihrem Bildungs- undEntwicklungsstand konnten bei Kontrolle der übrigen Fakto-ren nicht festgestellt werden.

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Kinder aus zugewanderten Familien stellen einen substanziel-len und zunehmend größeren Anteil der heranwachsendenGeneration dar. Etwa ein Drittel aller Familien in Deutschlandhaben einen Migrationshintergrund, insofern als mindestensein Elternteil nicht in Deutschland geboren ist. Dieser Anteilist mit 32 Prozent in den alten Bundesländern höher als inden neuen (15 Prozent einschließlich Berlin). Die Zahlenschwanken sehr, in großen Städten liegt der Anteil schon beirund 44 Prozent. Die beiden größten Kindergruppen mit Zu-wanderungshintergrund aus Familien mit türkischen Wurzelnund aus der früheren Sowjetunion haben wir überproportio-nal in die Stichprobe aufgenommen, um die Betreuungssitua-tion dieser Kinder und ihrer Familien gezielt zu untersuchen.

Kinder und Familien mit russischem Migrationshintergrundund türkischem Migrationshintergrund unterscheiden sich inverschiedenen Hinsichten; ebenfalls gibt es innerhalb derbeiden Migrationsgruppen eine beachtliche Heterogenität.Hinzu kommt, dass die Lebenssituation dieser Kinder und Fa-milien stark mit regionalen Faktoren verwoben ist. Vor die-sem Hintergrund kann es sich bei den folgenden Ergebnissennur um Durchschnittsaussagen handeln mit starken Abwei-chungen im Einzelfall.

Die im Folgenden zusammengetragenen Ergebnisse wurdenzum Teil schon oben als Einzelbefunde in den jeweiligenFragekontexten berichtet. Sie werden hier noch einmal zu-sammenfassend unter dem Gesichtspunkt von Kindern undFamilien mit Migrationshintergrund gegenüber solchen ohneMigrationshintergrund dargestellt.

Späterer Eintritt in außerfamiliäre Betreuung und weniger Betreuungsressourcen in der Wahrnehmungder Mütter

Bei den vierjährigen Kindern, deren Geschichte außerfamiliä-rer Betreuung die Mütter retrospektiv beschrieben, beganndie außerfamiliäre Betreuung bei den Kindern mit türkischemMigrationshintergrund im Durchschnitt im Alter von 35 Mona-ten, bei den Kindern mit russischem im Alter von 31 und beiKindern ohne Migrationshintergrund im Alter von 23 Mona-ten. Die Kinder mit türkischem bzw. russischem Migrations-hintergrund haben damit deutlich weniger an außerfamiliärenBetreuungserfahrungen in ihrer Biografie als ihre Altersge-nossen ohne Migrationshintergrund.

Die Mütter sahen weniger reale außerfamiliäre Betreuungs-möglichkeiten, aber auch weniger Möglichkeiten für familiärenicht-elterliche Betreuung (Großeltern). Für die Mütter vonzweijährigen Kindern mit Migrationshintergrund stellen derKostenfaktor und die mangelnde Wohnungsnähe der Einrich-tungen Barrieren für die Inanspruchnahme außerfamiliärerBetreuung dar.

Niedrigere Prozessqualität in Gruppen mit hohem Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund

Kinder, die Gruppen mit höheren Anteilen von Kindern mitMigrationshintergrund besuchen, erfahren eine vergleichs-weise schlechtere Prozessqualität. Dies gilt für die Gruppenmit Kindern im Kindergartenalter und im Krippenalter in glei-cher Weise. Das Ergebnis zeigt, dass gerade diejenigen Grup-pen in unserer heranwachsenden Bevölkerung, für die einequalitativ hochwertige Betreuung besonders wichtig ist, einegeringere Chance hierzu haben.

Niedrigere Prozessqualität in Familien mit Migrationshintergrund

Die Qualität der pädagogischen Prozesse stellt sich in den Fa-milien mit Migrationshintergrund ungünstiger dar als in denFamilien ohne Migrationshintergrund. Dabei ist zu berücksich-tigen, dass die pädagogische Prozessqualität in den Familien(generell) mit vorgelagerten Bedingungen der Orientierungs-und Strukturqualität verbunden ist. Familien mit Migrations-hintergrund weisen hier in vielerlei Hinsicht ungünstigere Aus-gangsbedingungen auf (z. B. Einkommen, Bildungsstand) alsFamilien ohne Migrationshintergrund. Allerdings bleiben dieZusammenhänge zwischen geringerer Prozessqualität und Mi-grationsstatus auch bei Kontrolle der Struktur- und Orientie-rungsvariablen erhalten. Die Zusammenhänge mit den ver-schiedenen Maßen der Prozessqualität sind richtungskonsis-tent und vergleichsweise stark ausgeprägt.

Bildungs- und Entwicklungsstand von Kindern in be-stimmten Bereichen bei Migrationshintergrund geringer

Die Variable russischer bzw. türkischer Migrationshintergrundeines Kindes ist bei breiter Kontrolle von Faktoren der Orien-tierungs-, Struktur- und Prozessqualität in Familien und au-ßerfamiliären Betreuungssettings mit einer geringerendeutschsprachlichen Kompetenz verbunden. Der im Test er-hobene rezeptive deutsche Wortschatz fällt geringer aus,ebenso die von den Erzieherinnen eingeschätzten Kommuni-kationsfertigkeiten der Kinder, was angesichts der berichte-ten Familiensprachen wenig überrascht. Demgegenüber schnei-den die Kinder mit Migrationshintergrund im Test der sprach-unabhängigen Intelligenz (HAWIVA) zum Teil besser ab. DieZusammenhänge sind bei den zweijährigen Kindern mit ihrengeringeren außerfamiliären Betreuungserfahrungen ausge-prägter als bei den Vierjährigen, bleiben aber auch hier sub-stanziell.

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7. Gibt es Besonderheiten in der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern mit Migrationshintergrund?

In dieser Zusammenfassung konnten nur einige übergreifen-de Ergebnisse der NUBBEK-Studie vorgestellt werden. Vordiesem Hintergrund müssen sich auch die Schlussfolgerun-gen und Empfehlungen an dieser Stelle auf einige Kernaus-sagen beschränken.

Die Qualität pädagogischer Prozesse in den Einrichtungen ist unbefriedigend und sollte verbessert werden

Das im Durchschnitt nur mittelmäßige Niveau pädagogischerProzessqualität in Einrichtungen und Kindertagespflege beibemerkenswerten Anteilen von Gruppen mit unzureichenderQualität kann nicht befriedigen. Die Befunde rufen nach Ver-besserungen. Es bedarf eines breit gefächerten fachöffentli-chen Verständigungsprozesses, welches Niveau an pädagogi-scher Prozessqualität als unverzichtbar gelten muss und wiedieses gesichert wird.

Gruppen, Einrichtungen und Tagespflegestellen mit unzureichender Prozessqualität vorrangig verbessern

Träger, Verwaltung und Fachpolitik wissen (vermutlich) nicht,welche Gruppen, Einrichtungen und Tagespflegestellen unzu-reichende bzw. grenzwertige Qualität der pädagogischen Pro-zesse aufweisen. Dies verweist auf Informations- und Steue-rungsdefizite der verantwortlichen Instanzen. Die entspre-chenden Settings sollten erkannt werden und bedürfen einervorrangigen Qualitätsverbesserung.

Erprobte Ansätze systematischer Qualitätsentwicklungnutzen

Bei der Qualitätsentwicklung in den Einrichtungen sollte vor-rangig auf Verfahren mit anerkannten Standards für besteFachpraxis und erprobte Methoden der systematischen Qua-litätsentwicklung zurückgegriffen werden. Im Rahmen der Na-tionalen Qualitätsinitiative des BMFSFJ wurden ein NationalerKriterienkatalog für beste Fachpraxis entwickelt und erfolg-reiche Methoden der systematischen Qualitätsentwicklung inKindertageseinrichtungen erprobt und vielfach angewendet.Insofern stehen konkrete erfolgreiche Methoden zur Verfü-gung.

Faktoren der Struktur- und Orientierungsqualität fürverbesserte Prozessqualität nutzen

Der substanzielle Zusammenhang der Prozessqualität mitvorangehenden Bedingungen der Struktur- und Orientie-rungsqualität macht deutlich, dass Verbesserungen nicht nurdurch direkte Interventionen auf der Handlungsebene, son-dern auch indirekt über die Verbesserung der Rahmenbedin-gungen angestrebt werden können. Es gibt allerdings dabeinicht eine einzelne Rahmenbedingung und damit keinen Kö-nigsweg (z. B. Erzieher-Kind-Schlüssel), über den die Quali-tät pädagogischer Prozesse allein angehoben werden kann.Politisch gewollte Verbesserungen auf der Ebene vorgelager-ter Bedingungen der Struktur- und Orientierungsqualität be-nötigen eine evidenzbasierte Neujustierung mehrerer Stell-schrauben.

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8. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die Verbesserung der Rahmenbedingungen ist kostspieligund bedarf des politischen Willens.

Qualität der Kindertagespflege weiter untersuchen

Die Qualität der pädagogischen Prozesse in der Kindertages-pflege erwies sich nicht schlechter als die in den institutio-nellen Settings für unter Dreijährige (Krippe, altersgemischteGruppen). Das vergleichsweise gute Abschneiden der Tages-pflege ist vermutlich mitbedingt durch den Auswahlprozess,der zur Repräsentanz von eher großen Tagespflegestellenund Tagespflegestellen mit höherer pädagogischer Qualifizie-rung der Tagespflegeeltern in der Studie geführt hat. Insofernsollte die Wertung vorsichtig erfolgen in dem Sinne, dass diepädagogische Prozessqualität in der Kindertagespflege zu-mindest unter guten Bedingungen gleichwertig sein kann zuder in institutionellen Settings. Die Qualität der Tagespflege-betreuung sollte weiter untersucht werden, besonders wenndiese, wie geplant, rund ein Drittel der Betreuungsplätze fürunter dreijährige Kinder abdecken soll.

Kinder mit Migrationshintergrund brauchen besondersgute Betreuungsqualität

Kinder aus zugewanderten Familien gehören zu den Bevölke-rungsgruppen, für die eine optimale Förderung vor Schulbe-ginn besonders wichtig ist, insbesondere wenn für sieDeutsch eine Zweitsprache ist. Jedoch weisen gerade diejeni-gen Einrichtungen mit vielen Kindern mit Migrationshinter-grund eine besonders niedrige Prozessqualität auf. Im Rah-men kommunaler Bildungsplanung sollte der zunehmendenSegregation im Bildungswesen entgegengewirkt werden. AlsLösung hierzu bietet sich an, gerade diese Einrichtungen be-sonders zu fördern, durch hoch qualifiziertes Personal undgünstige Rahmenbedingungen, wie z. B. einen verbessertenErzieher-Kind-Schlüssel.

Frühen Eintritt von Kindern mit Migrationshintergrundin außerfamiliäre Betreuung fördern

Kinder mit Migrationshintergrund kommen vergleichsweisespät in ein außerfamiliäres Betreuungssetting, das ihneneinen deutschsprachlichen Kompetenzerwerb ermöglicht. Diedeutschsprachliche Förderung der Kinder kann dabei mitmuttersprachlicher Förderung verbunden werden. Es sollten

politische Maßnahmen entwickelt werden, die Familien mitMigrationshintergrund gezielt ansprechen, aufklären, anwer-ben und ggf. für sie auch materielle Anreize setzen. SolcheAnsätze setzen allerdings ein quantitativ hinreichendes Platz-angebot mit guter Zugänglichkeit voraus. Politische Maßnah-men, die frühe bildungsrelevante Erfahrungen von Kindernmit Migrationshintergrund und von anderen Kindern mit be-denkenswerten Lebenslagen behindern, sind kontraindiziert.

Familien als Partner gewinnen

Die pädagogische Qualität in den Familien mit ihrem Anre-gungsgehalt für die Kinder variiert erheblich und ist eng mitdem Bildungs- und Entwicklungsstand der Kinder verbunden.Die öffentliche Verantwortung für Bildung, Betreuung und Er-ziehung kann sich daher nicht ausschließlich auf die außer-familiären Betreuungsformen der Kinder richten, sondernmuss Familien und ihr Umfeld als ihre Erziehungspartner stär-ker als bisher einbeziehen. Öffentliche Kampagnen, direkteAnsprache von Familien, Aufbau sozialraumbezogener Netz-werke und darauf bezogene Funktionserweiterungen von Kin-dertageseinrichtungen (z. B. in Form von Familienzentren) soll-ten im Rahmen kohärenter politischer Maßnahmen systema-tisch erprobt werden.

Allgemeines Qualitätsmonitoring einführen

Qualitative Mängel (wie auch Stärken) des Früherziehungs-systems bleiben unentdeckt bzw. erfahren nicht die gebüh-rende Aufmerksamkeit, solange systematische Qualitätsunter-suchungen die Ausnahme bilden. Um die Qualitätsfrage inden Aufmerksamkeitshorizont von Verantwortlichen auf denverschiedenen Ebenen des Früherziehungssystems wie auchder Öffentlichkeit allgemein zu heben, bedarf es einer Dau-erbeobachtung im Sinne eines Qualitätsmonitorings. Durch-führung, Organisation und Ergebnisdarstellung sollten dabeiunabhängig von den Handelnden in Trägerorganisationen,Verwaltung und Fachpolitik sein, aber so ausgelegt sein,dass Entscheidungsträger wie auch die allgemeine Öffentlich-keit über den qualitativen Zustand und über longitudinaleEntwicklungen im Früherziehungssystem hinreichend diffe-renziert informiert werden. Das Qualitätsmonitoring darf sichnicht nur auf strukturelle Aspekte beziehen, sondern musszentrale Indikatoren der Struktur-, Orientierungs- und speziellauch der Prozessqualität beinhalten.

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Die NUBBEK-Studie wurde gefördert durch

sowie durch die Bundesländer

Bayern BrandenburgNiedersachsenNordrhein-Westfalen

NUBBEK-Studienpartner:

PädQUIS gGmbH, Kooperationsinstitut der Freien Universität Berlin (Koordination)Malteserstr. 74-10012249 Berlin www.paedquis.de

Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI)Nockherstr. 281541 München www.dji.de

Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM)Obere Dorfstr. 7 79400 Kandernwww.verhaltensbiologie.com

NUBBEK ArbeitsgruppeUniversitäten Bochum/OsnabrückRuhr-Universität BochumUniversitätsstraße 15044801 Bochumwww.ruhr-uni-bochum.de

Universität Osnabrück – nifbePostfach 44 6949069 Osnabrück www.uni-osnabrueck.de

Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP)Eckbau NordWinzererstraße 980797 München www.ifp.bayern.de

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