Wolfram Bäumer Vor 75 Jahren – Triebwagen bei Kleinbahnen...weiteren 90.000 M/km für die...

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Das Jahr 1927 kann man als eines der ruhigen in der sonst eher unruhigen Weimarer Zeit bezeich- nen. Zwar bestätigte Reichspräsident Hindenburg, der im Laufe des Jahres seinen 80. Geburtstag fei- ern konnte, zu Jahresbeginn eine neue Reichsregie- rung, aber Reichskanzler blieb Wilhelm Marx (Zentrum), der erstmals in der Weimarer Republik sogar „1.000 Tage im Amt“ feiern konnte (am 25. 12. 1927). Die neue Reichsregierung wurde gebil- det aus bürgerlichem Lager Zentrum, DVP (Deut- sche Volks-Partei), BVP (Bayerische Volks-Partei) sowie rechtsstehender DNVP (Deutschnationale Volks-Partei). Der Eintritt der DNVP in die Reichsregierung sowie die ersten Redeauftritte Hit- lers nach seiner Haftentlassung riefen Anhänger der sozialdemokratischen und kommunistischen Lager auf den Plan, und es kam zu vereinzelten Auseinandersetzungen auf der Straße. Auch nam- hafte Politiker verneinten 1927 die deutsche Schuld am (Ersten) Weltkrieg, und am 18. 9. enthüllte Hindenburg im ostpreußischen Hohenstein das Tannenberg-Denkmal zu Ehren des Sieges 1914 über die russischen Truppen. Die wirtschaftliche Lage war 1927 verhältnismäßig gut: Zwar gab es am 13. 5. an der Berliner Börse einen „schwarzen Freitag“ mit Kurseinbrüchen bis 80 %, doch beurteilte die Industrie die Konjunktur- entwicklung als günstig und wies z. B. Krupp einen erheblichen Gewinn aus. Auch den Reparations- zahlungen gemäß des Dawes-Planes kam das Deut- sche Reich in vollem Umfang nach. Zum 1. 10. trat das Gesetz über die Arbeitslosenversicherung in Kraft. Zwar fehlte für den Weiterbau des Mittel- land-Kanals das Geld, aber die Lufthansa nahm neue Fluglinien auf und verdoppelte ihre Fluggast- zahlen auf 100.000. Der Reichsverkehrsminister hieß Dr. Krohne. Autoindustrie und motorisierter Straßenverkehr hatten den Wandel von einem adligen Spielzeug zum Wirtschaftszweig geschafft und mußten ernst genommen werden. Am 20. 2. forderte der ADAC, dessen Mitgliederzahl 1927 von 50.000 auf 70.000 anstieg, die Abschaffung der einstmals als Luxus- Steuer angelegten Kfz-Steuer, da das Auto ein „mittlerweile notwendiges Verkehrsinstrument“ geworden sei. Tatsächlich verabschiedete das Ka- binett gegen Ende des Jahres einen Entwurf, blieb jedoch bei der verbrauchsunabhängigen Kfz-Steu- er. In Köln wurde am 20. 5. die erste IAA (Interna- tionale Automobil-Ausstellung) eröffnet, und ab 1. 9. gab es reichsweit einheitliche Straßenverkehrs- zeichen Sie waren aus den Farben rot und weiß in drei Gruppen gestaltet: dreieckige Gefahrenzei- chen, pfeilförmige Sperrschilder und viereckige Geschwindigkeitstafeln. Am 1. 10. setzte der ADAC seinen ersten motorisierten Straßenhilfs- dienst (später „gelbe Engel“) in Fahrt. Die Eisenbahn war 1927 insgesamt noch die Nr. 1 unter den Verkehrsmitteln und damit wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Aber auch die Filmkunst orien- tierte sich noch an der Eisenbahn: Am 4. 4. wurde mit dem Film „Der General“ mit Buster Keaton in Berlin einer der besten Eisenbahn-(Freunde-)Filme erstaufgeführt, am 22. 9. folgte die Uraufführung der Verfilmung von „Mord im Orient-Expreß“. Die Deutsche Reichsbahn beschäftigte 1927 gut 700.000 Mitarbeiter, beförderte 1,9 Mrd. Personen und 489 Mio t Güter und erlöste gut 5 Mrd. Mark. Sie war in 30 Reichsbahndirektionen gegliedert: Alt (Altona), Aug (Augsburg), Bln (Berlin), Bsl (Breslau), Dre (Dresden), Efd (Elberfeld), Erf (Er- furt), Esn (Essen), Frt (Frankfurt/Main), Frankfurt/ Oder, Hl (Halle/Saale), Han (Hannover), Kar (Karlsruhe), Ksl (Kassel), Köl (Köln), Kbg (Kö- nigsberg), Lhn (Ludwigshafen/Rhein), Mag (Mag- deburg), Mz (Mainz), Mst (Münster), Mü (Mün- chen), Nür (Nürnberg), Old (Oldenburg), Oppeln, Rbg (Regensburg), Sch (Schwerin), Stn (Stettin), Stg (Stuttgart), Tr (Trier), Wüb (Würzburg). Zwar waren mit der Inflation die Schulden wertlos geworden, doch da der Reichsbahn die Erwirt- schaftung der Reparationsverpflichtungen von fast 1 Mrd. Mark auferlegt war, litt sie unter Kapital- mangel für die notwendigen (Ersatz-)Investitionen. Sie führte am 15. 5. die 24-Stunden-Zählung ein, nahm am 1. 6. den 12 km langen Hindenburgdamm nach Sylt sowie im Lauf des Jahres die ersten Loks der BR 80, E 95, erste Serientriebwagen ET 85 und ET 165 für die Berliner S-Bahn sowie erste Diesel- triebwagen in Betrieb, nahm mit der E 75 letztma- lig stangengekuppelte E-Loks in Einsatz und be- stellte letztmalig Abteilwagen. Knapp 1.000 km Streckenlänge war elektrifiziert, und die Berliner S-Bahn sowie die Strecke (Görlitz –) Hirschberg – Breslau waren zwei bedeutsame Elektrifizierungsvorhaben. Letzteres schlug mit 90.000 M/km für die Streckenausrüstung sowie weiteren 90.000 M/km für die Beschaffung elektri- scher Triebfahrzeuge zu Buche. Die Mechanisie- rung der Gleisunterhaltung forderte vier Men- schenleben, als am 27. 4. bei Ahlen/Westf. ein D- Zug in eine Gleisbaurotte raste, die aufgrund des Maschinenlärms die Gefahr nicht erkannt hatte. Am 23. 7. eröffnete das erste „Reichsbahnhotel“, das den westlichen Trakt des zu groß neugebauten Stuttgarter Bahnhofsgebäudes statt gedachter Bü- ros nutzte. Am 15. 12. nahm die MITROPA moder- nere Schlaf- und Speisewagen in Betrieb und be- diente damit die Strecken Berlin/Emmerich/Frank- furt – Chur/Lugano/Interlaken. Am 25. 4. trat ein neuer Lohntarifvertrag mit schär- feren Überstundenregelungen in Kraft, und zum 1. 10. erließ sich die Reichsbahn neue Unfall-Melde- Vorschriften, die die Benachrichtigungswege und Entscheidungsstränge klarer definierten. Die Klein- und Privatbahnen beschäftigten 38.248 Mitarbeiter, beförderten gut 170 Mio Personen und 83 Mio t Güter und erlösten 235 Mio Mark. Auch sie litten sehr unter der Kapitalknappheit nach der Inflation und merkten schon deutlich die aufge- kommene Konkurrenz durch den Individualverkehr mit Pkw, Motorrad und Fahrrad und durch den Straßengüterverkehr mit Lkw. Sie waren näher als die große Reichsbahn am Verteilerverkehr inner- halb der Städte sowie auf dem Lande beteiligt und somit auch eher der Straßenkonkurrenz ausgesetzt. Diese durch Anpassung (1927 betrieben 217 Stra- ßen-, 48 Klein- und 33 Privatbahnen eigene Bus- verkehre mit 880 Bussen auf 3.704 km Linienlän- ge) überflüssig zu machen bzw. ihr durch eine Qualitäts- und Leistungsoffensive zu begegnen, war zentrales Thema bei der Zusammenkunft von 95 Betriebsleitern am 27. 10. in Hannover. Neben internen Themen zur Pensionskasse, Kesselstein und Rauchkammereinsätzen ging es im wesentli- chen um die Auswirkungen und Gegenmaßnahmen des Autoverkehrs. Besprochen wurden die techni- sche Sicherung von Bahnübergängen durch Blink- lichtanlagen, die Einrichtung einer Kraftverkehrs- gruppe im Hauptverein, ja es gab sogar den TOP 3f: „Bekämpfung des Kraftwagenwettbewerbs“. Zwei umfassende Vorträge gab es über Beschaf- fung und Betriebserfahrungen mit Verbrennungs- triebwagen, die es damals zwar schon seit mehr als einem Jahrzehnt gab, die bis dahin die Dampflok aber so gut wie gar nicht in ihrer Bedeutung einge- grenzt hatten. Die beiden Vorträge stellen Benzol- triebwagen nicht mehr als Spielerei dar, sondern als prinzipiell geeignetes Mittel zur Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsverbesserung, indem Züge be- schleunigt und zugleich mehr Züge angeboten wer- den können bei geringeren Kosten. Im Folgenden seien die beiden Vorträge – textlich gekürzt aber bildlich erweitert – angeboten, da das Interesse unter DME-Lesern für solche Themen mittlerweile deutlich geworden ist. Das wird er- gänzt um einen weiteren Beitrag zur Krefelder Ei- senbahn von 1926 sowie zur 1927 geplanten Über- nahme von Gebrauchtfahrzeugen durch die West- fälische Landes-Eisenbahn, die zwar letztlich nicht zustande kam aber Vorgehensweise und Interes- senslage von zwei Privatbahn-Gesellschaften wie- derspiegelt. 12 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Kleinbahn-Geschichte Wolfram Bäumer Vor 75 Jahren – Triebwagen bei Kleinbahnen 1902 1927 1952 1999 Fläche Deutschland 540.742 468.718 353.180 356.854 qkm Einwohner 56,4 64,0 69,2 82,1 Mio Arbeitslose 0 1,3 1,7 4,1 Mio Strecken Staatsb. 51.964 53.545 45.058 37.525 km Strecken Klein- u. Privatb. ? 14.579 ca. 4.500 3.865 km Anzahl Kfz 0 0,7 ca 3,5 42,3 Mio St. Oben: Titel und Rücktitel des Tagungsberichtes mit einer Omnibusanzeige der Waggonfabrik Uerdingen (heute SIEMENS) bzw. der HAWA Unten: Kursbuchkarte von 1936 mit markierten Verkehrs- gebieten der im folgenden beschriebenen Benzoltriebwagen

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Das Jahr 1927 kann man als eines der ruhigen inder sonst eher unruhigen Weimarer Zeit bezeich-nen. Zwar bestätigte Reichspräsident Hindenburg,der im Laufe des Jahres seinen 80. Geburtstag fei-ern konnte, zu Jahresbeginn eine neue Reichsregie-rung, aber Reichskanzler blieb Wilhelm Marx(Zentrum), der erstmals in der Weimarer Republiksogar „1.000 Tage im Amt“ feiern konnte (am 25.12. 1927). Die neue Reichsregierung wurde gebil-det aus bürgerlichem Lager Zentrum, DVP (Deut-sche Volks-Partei), BVP (Bayerische Volks-Partei)sowie rechtsstehender DNVP (DeutschnationaleVolks-Partei). Der Eintritt der DNVP in dieReichsregierung sowie die ersten Redeauftritte Hit-lers nach seiner Haftentlassung riefen Anhängerder sozialdemokratischen und kommunistischenLager auf den Plan, und es kam zu vereinzeltenAuseinandersetzungen auf der Straße. Auch nam-hafte Politiker verneinten 1927 die deutsche Schuldam (Ersten) Weltkrieg, und am 18. 9. enthüllteHindenburg im ostpreußischen Hohenstein dasTannenberg-Denkmal zu Ehren des Sieges 1914über die russischen Truppen.

Die wirtschaftliche Lage war 1927 verhältnismäßiggut: Zwar gab es am 13. 5. an der Berliner Börseeinen „schwarzen Freitag“ mit Kurseinbrüchen bis80 %, doch beurteilte die Industrie die Konjunktur-entwicklung als günstig und wies z. B. Krupp einenerheblichen Gewinn aus. Auch den Reparations-zahlungen gemäß des Dawes-Planes kam das Deut-sche Reich in vollem Umfang nach. Zum 1. 10. tratdas Gesetz über die Arbeitslosenversicherung inKraft. Zwar fehlte für den Weiterbau des Mittel-land-Kanals das Geld, aber die Lufthansa nahmneue Fluglinien auf und verdoppelte ihre Fluggast-zahlen auf 100.000. Der Reichsverkehrsministerhieß Dr. Krohne.

Autoindustrie und motorisierter Straßenverkehrhatten den Wandel von einem adligen Spielzeugzum Wirtschaftszweig geschafft und mußten ernstgenommen werden. Am 20. 2. forderte der ADAC,dessen Mitgliederzahl 1927 von 50.000 auf 70.000anstieg, die Abschaffung der einstmals als Luxus-Steuer angelegten Kfz-Steuer, da das Auto ein„mittlerweile notwendiges Verkehrsinstrument“geworden sei. Tatsächlich verabschiedete das Ka-binett gegen Ende des Jahres einen Entwurf, bliebjedoch bei der verbrauchsunabhängigen Kfz-Steu-er. In Köln wurde am 20. 5. die erste IAA (Interna-tionale Automobil-Ausstellung) eröffnet, und ab 1.9. gab es reichsweit einheitliche Straßenverkehrs-zeichen Sie waren aus den Farben rot und weiß indrei Gruppen gestaltet: dreieckige Gefahrenzei-chen, pfeilförmige Sperrschilder und viereckigeGeschwindigkeitstafeln. Am 1. 10. setzte der

ADAC seinen ersten motorisierten Straßenhilfs-dienst (später „gelbe Engel“) in Fahrt.

Die Eisenbahn war 1927 insgesamt noch die Nr. 1unter den Verkehrsmitteln und damit wesentlicherWirtschaftsfaktor. Aber auch die Filmkunst orien-tierte sich noch an der Eisenbahn: Am 4. 4. wurdemit dem Film „Der General“ mit Buster Keaton inBerlin einer der besten Eisenbahn-(Freunde-)Filmeerstaufgeführt, am 22. 9. folgte die Uraufführungder Verfilmung von „Mord im Orient-Expreß“.

Die Deutsche Reichsbahn beschäftigte 1927 gut700.000 Mitarbeiter, beförderte 1,9 Mrd. Personenund 489 Mio t Güter und erlöste gut 5 Mrd. Mark.Sie war in 30 Reichsbahndirektionen gegliedert:Alt (Altona), Aug (Augsburg), Bln (Berlin), Bsl(Breslau), Dre (Dresden), Efd (Elberfeld), Erf (Er-furt), Esn (Essen), Frt (Frankfurt/Main), Frankfurt/Oder, Hl (Halle/Saale), Han (Hannover), Kar(Karlsruhe), Ksl (Kassel), Köl (Köln), Kbg (Kö-nigsberg), Lhn (Ludwigshafen/Rhein), Mag (Mag-deburg), Mz (Mainz), Mst (Münster), Mü (Mün-chen), Nür (Nürnberg), Old (Oldenburg), Oppeln,Rbg (Regensburg), Sch (Schwerin), Stn (Stettin),Stg (Stuttgart), Tr (Trier), Wüb (Würzburg).

Zwar waren mit der Inflation die Schulden wertlosgeworden, doch da der Reichsbahn die Erwirt-schaftung der Reparationsverpflichtungen von fast1 Mrd. Mark auferlegt war, litt sie unter Kapital-mangel für die notwendigen (Ersatz-)Investitionen.Sie führte am 15. 5. die 24-Stunden-Zählung ein,nahm am 1. 6. den 12 km langen Hindenburgdammnach Sylt sowie im Lauf des Jahres die ersten Loksder BR 80, E 95, erste Serientriebwagen ET 85 undET 165 für die Berliner S-Bahn sowie erste Diesel-triebwagen in Betrieb, nahm mit der E 75 letztma-lig stangengekuppelte E-Loks in Einsatz und be-stellte letztmalig Abteilwagen.

Knapp 1.000 km Streckenlänge war elektrifiziert,und die Berliner S-Bahn sowie die Strecke (Görlitz–) Hirschberg – Breslau waren zwei bedeutsameElektrifizierungsvorhaben. Letzteres schlug mit90.000 M/km für die Streckenausrüstung sowieweiteren 90.000 M/km für die Beschaffung elektri-scher Triebfahrzeuge zu Buche. Die Mechanisie-rung der Gleisunterhaltung forderte vier Men-schenleben, als am 27. 4. bei Ahlen/Westf. ein D-Zug in eine Gleisbaurotte raste, die aufgrund desMaschinenlärms die Gefahr nicht erkannt hatte.

Am 23. 7. eröffnete das erste „Reichsbahnhotel“,das den westlichen Trakt des zu groß neugebautenStuttgarter Bahnhofsgebäudes statt gedachter Bü-ros nutzte. Am 15. 12. nahm die MITROPA moder-nere Schlaf- und Speisewagen in Betrieb und be-diente damit die Strecken Berlin/Emmerich/Frank-

furt – Chur/Lugano/Interlaken.

Am 25. 4. trat ein neuer Lohntarifvertrag mit schär-feren Überstundenregelungen in Kraft, und zum 1.10. erließ sich die Reichsbahn neue Unfall-Melde-Vorschriften, die die Benachrichtigungswege undEntscheidungsstränge klarer definierten.

Die Klein- und Privatbahnen beschäftigten 38.248Mitarbeiter, beförderten gut 170 Mio Personen und83 Mio t Güter und erlösten 235 Mio Mark. Auchsie litten sehr unter der Kapitalknappheit nach derInflation und merkten schon deutlich die aufge-kommene Konkurrenz durch den Individualverkehrmit Pkw, Motorrad und Fahrrad und durch denStraßengüterverkehr mit Lkw. Sie waren näher alsdie große Reichsbahn am Verteilerverkehr inner-halb der Städte sowie auf dem Lande beteiligt undsomit auch eher der Straßenkonkurrenz ausgesetzt.

Diese durch Anpassung (1927 betrieben 217 Stra-ßen-, 48 Klein- und 33 Privatbahnen eigene Bus-verkehre mit 880 Bussen auf 3.704 km Linienlän-ge) überflüssig zu machen bzw. ihr durch eineQualitäts- und Leistungsoffensive zu begegnen,war zentrales Thema bei der Zusammenkunft von95 Betriebsleitern am 27. 10. in Hannover. Nebeninternen Themen zur Pensionskasse, Kesselsteinund Rauchkammereinsätzen ging es im wesentli-chen um die Auswirkungen und Gegenmaßnahmendes Autoverkehrs. Besprochen wurden die techni-sche Sicherung von Bahnübergängen durch Blink-lichtanlagen, die Einrichtung einer Kraftverkehrs-gruppe im Hauptverein, ja es gab sogar den TOP3f: „Bekämpfung des Kraftwagenwettbewerbs“.

Zwei umfassende Vorträge gab es über Beschaf-fung und Betriebserfahrungen mit Verbrennungs-triebwagen, die es damals zwar schon seit mehr alseinem Jahrzehnt gab, die bis dahin die Dampflokaber so gut wie gar nicht in ihrer Bedeutung einge-grenzt hatten. Die beiden Vorträge stellen Benzol-triebwagen nicht mehr als Spielerei dar, sondernals prinzipiell geeignetes Mittel zur Qualitäts- undWirtschaftlichkeitsverbesserung, indem Züge be-schleunigt und zugleich mehr Züge angeboten wer-den können bei geringeren Kosten.

Im Folgenden seien die beiden Vorträge – textlichgekürzt aber bildlich erweitert – angeboten, da dasInteresse unter DME-Lesern für solche Themenmittlerweile deutlich geworden ist. Das wird er-gänzt um einen weiteren Beitrag zur Krefelder Ei-senbahn von 1926 sowie zur 1927 geplanten Über-nahme von Gebrauchtfahrzeugen durch die West-fälische Landes-Eisenbahn, die zwar letztlich nichtzustande kam aber Vorgehensweise und Interes-senslage von zwei Privatbahn-Gesellschaften wie-derspiegelt.

12 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Kleinbahn-Geschichte

Wolfram Bäumer

Vor 75 Jahren – Triebwagen bei Kleinbahnen

1902 1927 1952 1999

Fläche Deutschland 540.742 468.718 353.180 356.854 qkmEinwohner 56,4 64,0 69,2 82,1 MioArbeitslose 0 1,3 1,7 4,1 MioStrecken Staatsb. 51.964 53.545 45.058 37.525 kmStrecken Klein- u. Privatb. ? 14.579 ca. 4.500 3.865 kmAnzahl Kfz 0 0,7 ca 3,5 42,3 Mio St.

Oben: Titel und Rücktitel des Tagungsberichtes mit einerOmnibusanzeige der Waggonfabrik Uerdingen

(heute SIEMENS) bzw. der HAWA

Unten: Kursbuchkarte von 1936 mit markierten Verkehrs-gebieten der im folgenden beschriebenen Benzoltriebwagen

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 13

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14 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Beschaffung und Betrieb.Als in der Nachkriegszeit und vor allem in der In-flationszeit die privaten Neben- und Kleinbahnenmit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zukämpfen hatten, und eine Herabminderung derZugleistungen auf ein ganz bescheidenes Maß vor-nehmen mußten, wurde von Fachleuten und Laienals Heilmittel die Einführung von Triebwagen em-pfohlen. ... Wenn man auch den Mut aufbrachte,der Beschaffung von Triebwagen näher zu treten,so war die ... Beschaffung der nötigen Geldmitteloft unmöglich zu lösen, zumal es sich um Versuchehandelte, deren günstiges Ergebnis nicht unbedingtfeststand. Man sagte vielfach, zu derartigen Ver-suchsbetrieben sind die Privat- und Kleinbahnennicht berufen, das muß der soviel größeren Reichs-bahn überlassen werden. ...

Da der Aufsichtsrat der Dessau-Wörlitzer Eisen-bahn sich sehr für die Triebwagenfrage ins Zeuglegte und die Geldbeschaffung zu angemessenenBedingungen durch ein Staatsdarlehn zu ermögli-chen war, entschloß ich mich Ende 1923, einenTriebwagen mit Anhänger bei der Dessauer Wag-gonfabrik in Bestellung zu geben. ...

Der wagenbauliche Teil der Wagen sollte so ausge-führt werden, daß bei einer möglichsten Herab-drückung des Eigengewichtes die Wagen auch inDampfzüge eingestellt werden konnten. Sollte sichder Triebwagenverkehr nicht bewähren, hätte mannach Herausnehmen des Maschinensatzes Wagen... für Dampfzüge. ... In der Konstruktion solltensie möglichst leicht, aber trotzdem großräumig undstabil sein. Die Wagen sind ganz aus Eisen gebauteinschließlich des Daches, sie wirken also gegenZusammendrücken wie eine Röhre. Innen sind siedurch eichenes Sperrholz verkleidet.

Als Antriebskraft entschied ich mich für Benzolund wollte auch nur eine Konstruktion nehmen, diebereits vollkommen erprobt war. Die NAG hatteunter Zugrundelegung des 4-zylindrigen Lastkraft-motors von ca. 50 PS durch Anhängung eines 5.und 6. Zylinders einen 75-PS-Motor auf den Marktgebracht. Das war etwas bereits Bewährtes, undÜberraschungen waren dabei so gut wie ausge-schlossen. Ebenso wählte ich das von der NAGkonstruierte Wechsel- und Wendegetriebe, das be-reits im Auslande genügend erprobt war. ...

Entsprechend den steigungslosen Streckenverhält-nissen sind die Wagen zweiachsig gebaut, nur eineAchse ist Triebachse, mit der vollkommen auszu-kommen ist. Der Triebwagen sollte einen Anhän-ger und noch einen kleinen Post- und Gepäckwa-gen befördern mit ... 40 km/St.

Nachdem der Triebwagen jetzt ca. 3 Jahre im Be-trieb ist und ca. 120.000 Zug-km durchlaufen hat,kann ... festgestellt werden, daß sowohl der wagen-bauliche Teil als auch die maschinelle Ausrüstungsich in durchaus einwandfreiem Zustande befindenund daß die von der Dessauer Waggonfabrik gelie-ferte Konstruktion und Ausführung sich in jederWeise bewährt haben. ... Beanstandungen, welcheauf Materialfehler oder ... Werkstattsarbeit hätten

zurückgeführt werden können, waren nicht zuerheben...

Erfahrungsgemäß werden die häufigsten Versagerbei Triebwagen durch kleinere Störungen verur-sacht, deren rechtzeitiges Erkennen und Abstellenfür den Betrieb von allergrößter Wichtigkeit ist.Um von vornherein hierin die größtmöglichste Si-cherheit zu haben, wurden die ... Lokomotivführerin den letzten 6 Wochen ... der Waggonfabrik alspraktisch mitarbeitende Hilfsmonteure zur Verfü-gung gestellt. Durch diese Art der Ausbildung wur-den die Führer von Anfang an mit allen Konstrukti-onsarbeiten aufs beste vertraut und erhielten ... dienötige Erfahrung und Fähigkeit, kleine Mängel so-fort zu erkennen und abzustellen. Dies Verfahrenhat sich ... gelohnt und kann ... empfohlen werden.... Das Interesse der Führer wird geweckt und wirktsich außerdem in verständnisvollem Umgehen mitdem Betriebsstoff aus. Ohne irgendwelche Einwir-kungen wird der maschinelle Teil sehr gut unter-halten und pfleglich behandelt. Die Bedienungdurch die Fahrer ist ... so einfach, daß das Personallieber auf der Lokomotive fährt, weil da mehr zutun und (es) ... abwechslungsreicher ist. Es wärenoch die Frage zu beantworten, ob man als Fahrergelernte Schlosser oder anders vorgebildete Leutebeschäftigen soll. Ich halte gelernte Schlosser fürdie zweckmäßigen Fahrer, da ... eine ... Reihe Ver-richtungen fachmäßige Vorbildung voraussetzen, z.B. Nachprüfen der Bremse, Erkennen von Schä-den, die nicht mit dem Motor zusammenhängen, z.B. Auswechslung der Kupplungselemente in denGetriebeteilen.

Die Bremsung des Triebwagens geschieht am be-sten durch Luftdruckbremse. Da die Schaltung desWechsel- und Wendegetriebes durch Luftdruck be-wirkt wird und ein Luftkompressor also vorhandensein muß, wird dieser zweckmäßig für die Bremsemitbenutzt. Man hat dann auch eine Gefahrbremse,die vom ganzen Zug aus bedient werden kann. Aus40 km/St Geschwindigkeit beträgt der normaleBremsweg bei Betriebsbremsungen 60 m. DieBremszeit beträgt 11 – 12 Sekunden. Bei Schnell-bremsung entsprechend weniger. Mit Rücksicht aufdie unbewachten Übergänge ist eine schnell wir-kende Bremse von großem Vorteil.

Die Beheizung des Triebwagens geschieht ... durchdas Kühlwasser, das in Kupferschlangen durch denWagen geleitet wird. Die Anhängewagen haben ei-ne Warmwasserheizung, der kleine Heizkessel istim Wagen untergebracht und wird mit Koks ge-heizt. Wegen Platzmangels müssen wir den Anhän-gewagen im Winter nachts im Freien aufstellen.Der Heizkessel wird dann abends mit Koks vollge-füllt und brennt bis zum anderen Morgen ohneWartung durch. Das Letztere ist ohne jeden Bedie-nungsaufwand möglich. Die Beheizungskostenstellen sich pro Stunde auf etwa 3 Pf. Störungen inder Beheizung haben nicht stattgefunden.

Die Beleuchtung der Triebwagen und Anhängergeschieht am besten durch kleine elektrische Lam-pen, deren Stromverbrauch nicht allzu hoch zu be-messen ist. Da elektrische Kraft für den Anwurf-motor und Bedienung des Luftkompressors für die

Luftdruckschaltung vorhanden ist, kann der not-wendige Lichtstrom ohne weiteres bereitgestelltwerden. Reicht der Strom bei Verwendung mehre-rer Anhängewagen nicht aus, so ist eine zweiteBatterie vorzusehen. ... Da im Winter ... mehrStrom verbraucht wird, als in die Batterie hineingeschickt wird, wechseln wir die Batterie im Win-ter alle 6 Wochen gegen eine frisch aufgeladeneaus. ... Der Kühler, der beiderseitig am Kopf desWagens liegt, wird im Winter durch eine Holzhau-be geschützt. Ein Einfrieren hat bis jetzt nicht statt-gefunden.

Der Brennstoffbehälter faßt 150 l und reicht für300 Nutz-km aus, eine Auffüllung ist daher nuralle 2 bis 3 Tage nötig, entsprechend der täglichenZugleistung. Zum Betriebe und zur Wartung desTriebwagens sind daher nur geringe Arbeitszeitenaufzuwenden. Die Wartung ist einfach und billig,der Triebwagenzug ist stets betriebsbereit, sofernnur der Führer zur Stelle oder erreichbar ist.

Die Hauptsache ist ... die pflegliche und aufmerk-same Unterhaltung durch das Fahrpersonal und ei-ne gute Überwachung durch einen tüchtigen Be-triebswerkmeister. Daß der oberste Betriebsleiterdie nötigen maschinellen Kenntnisse haben muß,ist dabei eine selbstverständliche Voraussetzung.Wenn in Krankheitsfällen ein angelernter Aushilfs-führer verwendet werden muß, dessen ... Ausbil-dung zu wünschen übrig läßt, kann man sichersein, daß irgend etwas in Unordnung kommt, wenner nicht gar unterwegs liegen bleibt. Aber das sollja auch im Lokomotivbetrieb vorkommen.

Unterhaltung in der Betriebwerkstatt. ... Größere Reparaturen sind während des Betriebesbisher nicht vorgekommen. Es sind die laufendenkleinen Sachen z. B.: An der Heizung ist einFlansch undicht, die Batterie muß ausgewechseltwerden, das Kühlwasser wird von Zeit zu Zeit ...durch frisches ersetzt, in den Getriebekästen sinddie Bremsbacken der Kupplungen neu zu belegen,die Luftdruckbremse muß nachgestellt werden, einSchmierrohr ist verstopft u. a. m.

Zwei Reparaturen sind vorgekommen, die je einenTag Betriebsunterbrechung hervorgerufen haben,ein Benzolzuführungsrohr war durchgefressen, unddie Trommel des 4. Gang war zerrissen. Sie wurdeverschweißt und hat bis jetzt gehalten. ... Es sindalso alles keine Reparaturen von Bedeutung, beieinem Dampfzug ist jedenfalls viel mehr zu repa-rieren. Durch Triebwagen, die gut und sachgemäßunterhalten werden, tritt jedenfalls keine nennens-werte Belastung der Betriebswerkstatt ein.

... (Es) wurde der Triebwagen, nach ... ca. 70.000km ... gelegentlich des Nachdrehens der Radreifenüberholt. Da bei Lokomotiven nach dieser Leistungebenfalls eine Überholung stattfindet, wurde dieGelegenheit benutzt, um die maschinelle Anlagegründlich zu untersuchen, um ggf notwendige Re-paraturen auszuführen. Es wurde alles ... unter-sucht, und das Ergebnis war, daß keine nennens-werten Arbeiten auszuführen waren. Sie nahmen

Reg-Baumeister a. D. Uflacker (Anhaltische Landeseisenbahn-Gesellschaft)

Erfahrungen mit Benzoltriebwagen bei einer normalspurigen Nebenbahn im Flachlande

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 15

keine längere Zeit in Anspruch, als das Abdrehenund Einbauen der Achsen erforderte. ...

Selbstverständlich ist es sehr zu empfehlen, einederartige Untersuchung von Zeit zu Zeit vorzuneh-men, damit Schäden rechtzeitig erkannt und repa-riert werden können. Man sollte mindestens alle 2Jahre, besser noch nach einer Leistung von 40.000bis 50.000 km eine derartige gründliche Untersu-chung vornehmen. ...

Anforderungen an die Motorleistungen.Da der Triebwagen ... häufig anhalten soll bei kur-zer Stationsentfernung, ist die Anfahrbeschleuni-gung von ausschlaggebender Bedeutung. Man soll-te nicht unter 0,14 m/s2 Beschleunigung herunter-gehen, da sonst zuviel Fahrzeit für das Anfahrengebraucht wird. Der Zugwiderstand für die Anfahr-beschleunigung entspricht einem Widerstand von14,3 kg/t (= Steigungswiderstand 1 : 70). ... Bei ...Rollenlagern ... beträgt ... der Eigenwiderstand ein-schließl. Windwiderstand 2,4 kg/t bei ... V = 40km/St. Für Bahnen im Flachlande wie der DWE istmit einem größten Zugwiderstand von 14,3 + 2,4 =16,7 kg/t zu rechnen.

Die erforderliche Motorleistung muß also sein: (Gtx 16,7 x 20) / 270 = Ne oder Ne = 1,237 Gt bei ei-ner Höchstgeschwindigkeit von 40 km/St und einermittleren Geschwindigkeit von 20 km/St währendder Anfahrperiode. Nimmt man den Wirkungsgraddes Getriebes von der Motorwelle bis Radumfangmit 85 % an, so ist für jede t Zuggewicht 1,237/0,85 = 1,455 PS erforderlich. Mit einem Motor mit75 PS würde man ein Zuggewicht von 75/1,455 =

51,5 t im Betriebe verwenden können.

Hieraus ergibt sich, daß man das Eigengewicht desTriebwägens klein halten muß, um nicht einen zugroßen Motor zu benötigen, der dann während derFahrt zu gering ausgenutzt wird. Unser Triebwa-genzug bestand bis vor kurzem aus 3 Wagen zu je2 Achsen, und zwar: VT 41 mit 17,3 t, VB 42 mit13,6 t und einem PwPost mit 8,8 t, zusammen mit39,7 t Eigengewicht, 118 Sitzp- und 36 Stehplät-zen, entsprechend einer Nutzlast von 144 x 75 kg =10,8 t Bruttolast also 39,7 + 10,8 = 50,5 t. Der Mo-tor ist also während der Anfahrzeit voll ausgenutztaber auch ausreichend.

Neuerdings verwenden wir statt des PwPost einenAnhängewagen CPwPost mit 13,6 t Eigengewicht,so daß sich das Zuggewicht auf 44,5 t erhöht. DieNutzlast erhöht sich für ca. 190 Personen auf14,5 t, so daß die Bruttozuglast 44,5 + 14,5 = 59 tim Höchstfalle wird. Die Beschleunigung sinkt ...auf 0,11 m/s2, und dementsprechend werden 25 sFahrzeit für das Anfahren zugesetzt. Man kann dasbei einzelnen vollbesetzten Zügen mit in den Kaufnehmen, oder bei regelmäßigem Vorkommen ent-sprechend etwas größere Fahrzeit für den betref-fenden Zug geben.

Wenn auch unbedingt das Leergewicht klein ge-halten werden muß, so darf das Bestreben m. E.doch nicht dazu führen, das Eigengewicht zu weitherabzudrücken. ... Es muß ... berücksichtigt wer-den, daß der Wagen im Eisenbahnbetriebe Ver-wendung finden soll und daß eine Berührung mitanderen Betriebsmitteln nicht gleich zu schwerenBeschädigungen des Triebwagens führen darf. Einleichter Zusammenstoß darf nicht bewirken, daßder Triebwagen wie ein Kartenhaus zusammenfällt.

Der seit kurzem von unsverwendete 3-Wagen-Triebwagenzug (44,5t)hat ... Nutzfläche 76,2 m2

für 190 Personen, Ge-päck 7,7 m2, Post 5,7 m2,zus.: 89,6 m2. (Es) ... be-trägt die Motorstärke: 1,7PS/t Eigengewicht, 0,85PS/m2 Nutzfläche und0,34 PS/Person. Das sind... Zahlen ... für unsereVerhältnisse ... Immerhinkönnen sie einen Anhaltgeben für die Anforde-rungen, die man an Kon-struktion und Motor stel-len kann. ...

Betriebsunkosten.... Im folgenden ist ... von den Kosten (die Rede),die durch das Fahren selbst entstehen. Sie bestehenaus den Personalausgaben für Führer, Zugbegleiter,Wagenreiniger, Putzer usw einschl. Nebenbezügeund Sozialausgaben, den Ausgaben für Betriebs-stoffe, Oberbau- und Betriebsmittelunterhaltung.... Bei den Oberbaukosten sind für Materialausga-ben die Rücklagen in den Erneuerungsfonds alsGrundlage genommen und diese Ausgaben auf dieeinzelnen Betriebsarten im Verhältnis der gefahre-nen Bruttotonnenkilometer verteilt. Bei den Mate-rialausgaben für Betriebsmittelunterhaltung sindden einzelnen Betriebsmitteln die Beträge ange-rechnet, die in den Erneuerungsfonds dafür zurück-zulegen sind. Bei den Löhnen sind die ... entstan-denen Löhne des letzten Jahres den Beträgen ange-rechnet, trotzdem darin eine Hauptreparatur enthal-ten ist, die nur alle 2 Jahre auszuführen ist.Nach diesen Grundsätzen sind für 1 Triebwagen-Zug-Nutz-km folgende Ausgaben entstanden:

Führer 13,93 PfZugbegleiter 11,25 PfWagenreiniger, Putzer usw. 1,86 Pf Personalausgaben 27,04 Pf

Brennstoff 22,67 PfÖl 0,92 PfSonstiges 0,53 Pf Betriebsstoffe 27,04 Pf

Löhne 10,40 PfMaterial 7,41 PfOberbauunterhaltung: 17,81 Pf

Löhne 7,00 PfMaterial 8,76 PfBetriebsmittelunterhaltung 15,76 Pf

im ganzen 84,73 Pf

Verzinsung u. Amortisation d. Anlage-kapitals 8,33 % von 61.000 Mk. 15,27 Pf

Summe 100,00 Pf

Als Brennstoff wurde reines Benzol, Benzolge-misch und neuerdings Shell-Dynamin mit gutemErfolge verwandt...

Triebwg. Dampfzug

Verbrauch für 100 km 48,8 kg 832,5 kgPreis (Benzol/Kohle) 46,5 Pf/kg 3,7 Pf/kg

Es betrugen im Jahre 1926 bei der DWE für 1 Zug-km die Ausgaben für

Triebwg. Dampfzug

Personalausgaben 27,04 Pf 46,81 PfBetriebsstoffe 24,12 Pf 37,09 PfBahnunterhaltung 17,81 Pf 43,75 PfBetriebsmittel 15,76 Pf 38,19 Pf

zus. 84,73 Pf 165,84 Pf

für Kapitaldienst 15,27 Pf

im ganzen 100,00 Pf 165,84 Pf

Man erzielt bei Triebwagen eine Ersparnis von ca.66 % an Fahrtkosten. Dieses Ergebnis ... ermäßigtsich (durch) ... die Grundkosten, die bei uns 1,30M/Zug-km betrugen und ... beide Betriebsarten ...belasten. Die Gesamtbetriebsausgaben betrugenmithin 2,30 M/Twkm ... gegenüber 2,95 M/Dampf-zug-km.

Die Anzeige der DessauerWaggonfabrik aus der

Sonderausgabe der Verkehrs-technik von 1926 geht auf das

Produkt Benzoltriebwagennicht ein. Das mag an der

Zielgruppe liegen: Das Heftrichtete sich an den VereinDeutscher Straßenbahnen,

Kleinbahnen und Privat-Eisenbahnen, der damals von

den städtischen ÖPNV-Betrie-ben dominiert wurde.

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16 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Nach diesem Ergebnis wäre es ... am richtigsten,man führe nur noch Triebwagenzüge und erzieltedie angegebene Ersparnis. ... Dagegen müssen dieZüge, die dem Ausflugverkehr ... und dem Berufs-verkehr ... dienen, als Dampfzüge gefahren wer-den, außerdem ... wenn Güterwagen beigegebenwerden... Man ist also nicht ganz frei in der Ver-wendung der Triebwagenzüge. Im Jahresdurch-schnitt 1926 haben wir bei dem Bestreben, mög-lichst viele Züge mit Triebwagen zu fahren, dochnur 41 % der dem Personenverkehr dienenden Zü-ge mit Triebwagen (32.600 Tw-km, 47.400Dampfzug-km, zus: 80.000 Zug-km, WB) gefah-ren. Wir hoffen aber, in diesem Jahre auf 50 % zukommen.

Da die Grundkosten für den Personenverkehr imgroßen und ganzen konstant bleiben und ziemlichunabhängig von der Größe der Fahrleistung sind,kann man bei Einführung von Triebwagen ver-schiedene Ziele verfolgen:

1. Welche Ersparnisse sind bei Einführung vonTriebwagen bei gleichbleibenden Zugleistungenzu erzielen?

2. Wie groß ist die mögliche Steigerung der Zug-leistungen bei gleich bleibenden Ausgaben fürFahrtkosten?

3. Um wieviel steigen die Kosten, wenn bei gleich-bleibender Dampfzugleistung die Fahrtleistungum die Triebwagenleistung gesteigert wird?

... Die Gesamtfahrtkosten haben ... 106.140 M be-tragen. An Dampfzug-km hätten ... 106.140 M /1,66 M/km = 64.000 km geleistet werden können.Die (tatsächlich 80.000 km betragende, WB) Zug-leistung konnte also um 25 % gesteigert werden,ohne daß eine Mehrausgabe entstand.

... Hätte man auf die Leistungssteigerung verzichtet(und setzt die Zugleistung mit 64.000 km fest,WB), so wären zu leisten 37.800 Dampfzug-kmund 26.200 Tw-km, man hätte dann eine Ersparnisvon 21.000 M erzielt.

Hätte man die Dampfzugleistung von 64.000 bei-behalten und nur die Zug-Mehrleistung von 25 %durch Triebwagen steigern wollen, so würden dieMehrausgaben für Fahrtkosten 12,8 % betragenhaben, also 13 800 M.

Diese 3 Beispiele dürften dargetan haben, welcherNutzen von Einführung der Triebwagen zu erwar-ten und welcher wirtschaftliche Nutzen gegebenen-falls zu erzielen ist.

Auf unseren ganz speziellen Fall bezogen, konnten

1. bei gleichbleibenden Zugleistungen 20 % erspartwerden,

2. bei gleichbleibenden Ausgaben die Zugleistun-gen um 25 % gesteigert werden,

3. bei gleichbleibender Dampfzugleistung und Stei-gerung der Fahrtleistung um 25 % würden12,8 % Mehrausgaben ... entstanden sein.

Wir sind nach Fall 2 verfahren und das wird in denmeisten Fällen wohl gewählt werden. ... Vergleichtman die gesamten Fahrtkosten, so ergibt sich fol-gendes Bild:

Triebwg. Dampfzug

Kosten je km 84,73 Pf 165,84 PfKosten je t-km 2,20 Pf 1,61 Pf Kosten je PS/h 82,38 Pf 49,80 PfKosten Nutzfl. / km 1,23 Pf 1,68 Pf

Aus diesen Zusammenstellungen ergibt sich ... einerheblicher Vorteil gegenüber dem Dampfzugbe-trieb ... nur ..., wenn man bei gleicher Nutzlast daszu befördernde Bruttotonnengewicht möglichstklein hält, möglichst wenig PS/h verbraucht undeine möglichst große Nutzgrundfläche auf 1 t Zug-gewicht hat, denn ein PS/h kostet für Benzolantriebüber das Doppelte an Betriebsstoffen...

Die Dampflokomotive wird immer überlegen sein,wenn es sich darum handelt, schwere Zuglasten zubefördern...

Zusammenfassung.

a. Die ganze Konstruktion des Triebwagens mußmöglichst einfach sein. Es sind nicht mehrTriebachsen vorzusehen, als die Zugkraft für dieStrecke erfordert. Die Apparatur ist auf das un-umgänglich notwendige Maß zu beschränken.Außer den Apparaten für die Luftdruckbremsegenügen ... Gashebel, Schalthebel und Ge-schwindigkeitsmesser. Jede Vermehrung derKonstruktionsteile vergrößert die Möglichkeitfür Störungen.

b. Der Wagen muß möglichst leicht gebaut sein je-doch so kräftig, daß die Sicherheit der Reisendenbei leichten Zusammenstößen nicht gefährdetwird und daß die notwendige Festigkeit bei Be-rührung mit anderen Betriebsmitteln der Eisen-bahn vorhanden ist. Als Anhaltspunkte beiFlachlandstrecken mag einschl. Antriebskraftund Betriebsvorräte das Eigengewicht gelten

Triebwg. Anhängewg

kg je qm Nutzfl. 570 – 600 450 – 500 kg je Person 230 – 250 180 – 200

c. Die Motorenstärke muß den Betriebsverhältnis-sen genau angepaßt sein, damit der Wirkungs-grad, der schon an sich bei den wechselndenVerhältnissen des Eisenbahnbetriebes sehr un-günstig ist, nicht unnötig noch weiter herabge-setzt wird. Der hohe Benzolverbrauch je km darfnicht nutzlos noch höher werden.

d. Mit Rücksicht auf eine zweckmäßige Anfahrbe-schleunigung von 0,14 m/s2 und einer Höchstge-schwindigkeit von 40 km/St ... ist für 1 t eineMotorenstärke von 1,4 bis 1,5 PS vorzusehen.

e. Die Konstruktion des Wagens und der maschi-nellen Einrichtung muß den Strecken und Be-triebsverhältnissen genau so angepaßt werden,wie das bei Lokomotivkonstruktionen von jehergefordert ist. Universaltriebwagen für alle mög-lichen Strekken und Betriebsverhältnisse sindabzulehnen. Vor Bestellung ist von der Betriebs-leitung genau festzulegen, was der Triebwagenleisten soll und was man von ihm verlangen will.Hierbei ist auf die Wesensart der Antriebskraft,die nicht in gleicher Weise wie die Dampfloko-motive überlastbar ist, unbedingt Rücksicht zunehmen ist.

f. Die normale Motorleistung soll bei etwa 900 –1.100 Umdrehungen geleistet werden. Die imAutomobilbau übliche ... Erhöhung ... auf dasDrei- bis Fünffache der normalen Umdrehungenist für die Eisenbahnen unzweckmäßig. BeiÜbertragung der Kraft von Motorwelle auf An-triebsachse ist danach zu streben, den Winkelder Kardanwelle möglichst klein zu halten.

g. Bei Auswahl des Kraftstoffes ist darauf zu ach-ten, daß bei Motorlagerung im Innern der Wagenkeine Kraftstoffe verwendet werden, die übelrie-chende Abgase entwickeln. Im übrigen kann je-des Benzolgemisch verwandt werden. Mit Rück-sicht auf das spezifische Gewicht und die Wär-meeinheiten sind alle Gemische gleich teuer.Benzol ist am besten, aber teurer und nicht im-mer zu haben.

h. Die Frage, ob als Antriebsstoff Öl oder Benzolam besten ist, ist dahin zu beantworten, daß derStoff am günstigsten ist, für den Betriebsstoff-ausgaben und Aufwendungen für Verzinsungund Amortisation des Anlagekapitals am gün-stigsten sind.

i. Der Betriebsstoffverbrauch für Flachlandbahnenbeträgt umgerechnet auf reines Benzol von 0,87spez. Gewicht bei 150 C 420 – 460 g/Zugkm, 11– 12 g/t-km, 410 – 450 g/PS/h...

k. Für mittlere Verhältnisse bei Flachlandbahnensind an Fahrtkosten zu rechnen ... 85 Pf/km.Hierzu treten als Grundkosten gleichmäßig fürTrieb- und Dampfzüge noch 130 Pf so daß dieGesamtausgabe für 1 Nutzkm. 2,15 Mark betra-gen. Bei einem Fassungsvermögen von 193 Per-sonen (ausschl. Post- und Gepäckraum) betragendie Selbstkosten bei 55 % Raumausnutzung 2 Pfje Personen-km.

l. Reservetriebwagen sind nur ... nötig, ... wenn ...keine Lokomotiven erforderlich sind. Die Regelwird sein, daß Güterzuglokomotiven oder vor-handene leichte Lokomotiven im Notfall als Re-serve dienen können.

m. Pflegliche Unterhältung und Wartung der Trieb-wagen durch geeignetes Fahr- und Aufsichtsper-

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sonal ist Vorbedingung für einwandfreien Be-trieb mit Triebwagen. Wo solches nicht vorhan-den ist, sollte man von der Einführung absehen.

n. Für kleinere Eisenbahnverwaltungen ist die Ein-führung der Triebwagen nur dann von wirt-schaftlicher Bedeutung, wenn ein erheblicherTeil der Betriebsleistungen mindestens 30 bis 50% der Gesamtleistung von den Triebwagen über-nommen werden können. Nur dann ist es mög-lich, bei gleichbleibenden Betriebsausgaben dieZugleistungen fühlbar zu steigern oder beigleichbleibenden Zugleistungen finanzielle Er-leichterungen zu erreichen.

o. Der Benzoltriebwagen ist zur Beförderung gro-ßer Zuglasten ungeeignet und unwirtschaftlich.Die Betriebsstoffkosten für 1 PS/h sind um 100% größer als bei Dampfbeförderung.

Zum Schluß: Ein richtig konstruierter Triebwagen,der sich den Strecken und Betriebsverhältnissen injeder Weise anpaßt, ist bei guter Wartung und Be-aufsichtigung mit großem Vorteil für private Ne-benbahnen zu verwenden. Fehlschläge werden ver-mieden, wenn diese Vorbedingungen vor Einfüh-rung der Triebwagen technisch sorgfältig geprüftwerden und wenn nach Einführung den Triebwa-gen von der Betriebsleitung das nötige technischeVerständnis entgegengebracht wird.

Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 17

Vorige Seite und oben: Die AEG verwendete für ihre ZweckeAufnahmen einer Fahrt mit dem Triebwagen DWE T 41 unddem angehängten Beiwagen DWE VB 42 für ihre Werbung,aus einem Prospekt von 1925, Slg.: Wolf-Dietrich Groote

Mitte: Ob einer der abgebildeten Herren wohl der AutorUflacker ist? Foto: Slg. Günter Fiebig

Unten: Die 1927 gelieferten drei Beiwagen 43 – 45 sind beider Dessau-Wörlitzer Eisenbahn eingetroffen,Foto: Slg. Günther Fiebig

Dessau-Wörlitzer Eisenbahn

VT 41 1A-bm Dessau/NAG 19241925 in Betrieb genommen1. 1. 50 in DR VT 135 503, Bw Wittenbergca. 55 Umb. im Raw Dessau, Diesel-Motor

Johannisthal 1 SM 4-10, 90 PS31. 8. 63 abg. im Bw Prenzlau19. 4. 66 z-gestellt22. 5. 68 ausgemustert9. 10. 68 zerlegt

VB 42 Ci Dessau 19241925 in Betrieb genommen, sollte urspr.

zum VT motorisiert werden1950 DR VB 140 512, Bw Wittenberg1963 zu Bahndienstwagen, ev. seit 581988 zerlegt

43 BCi 19271950 in DR 39.564, in DR 310-825

44 BCi 19271950 in DR 98.792

45 CPwi 19271950 in DR 99.357

46 CPw 1932 als Tw, 150-PS-Mayb Diesel1941 ex Raum Hamburg1950 in DR als Rzw 98 793

47 C4i 1942 DWK-VT1945 übernommen von ?1950 in DR 79 524

48 Rzw 4 1942 als Tw gebaut1945 übernommen von ?1950 in DR 79 525

Günther Fiebig, Auf der Schiene von Dessau nach Wör-litz, Dessau 1982Günther Fiebig, Reisezug- u. Triebwagen der NebenbahnDessau – Wörlitz, Modelleisenbahner 5/82, S. 135 – 138Ebel, Knipping, Quill, Stange, Die „6000“er derDeutschen Reichsbahn, Freiburg 2001

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... (Ich werde darlegen) ... den Benzolbetrieb ... imHügelland zugleich aber auch im Vorortverkehrder Großstädte ... weil ... seit 1 1/2 Jahren die Erfah-rungen mit dem Benzolbetrieb auf der Vorgebirgs-bahn Köln – Bonn, ... seit 30 Jahren solche desDampfbetriebes dieser Bahn und seit 21 Jahren ...des elektrischen Betriebes der Rheinuferbahn zurVerfügung stehen, ferner im ... Normal-Personen-zugbetrieb unserer Linie Köln – Hermülheim –Berrenrath.

... Wie bei vielen Bahnen traten auch auf der Vor-gebirgsbahn nach dem Kriege unhaltbare Verhält-nisse besonders im Personenverkehr ein. Der Gü-terverkehr war bereits ... auf die neben der Vorge-birgsbahn gelegten normalspurigen Linien über-führt und ... der starke Nacht-Marktgüterverkehr

nach Köln mit besonderen Zügen fast ganz einge-stellt. Seit 1915 besteht die Konzession zum Um-bau in Normalspur für elektrischen Betrieb nachdem Vorbild der Rheinuferbahn mit neuer Linien-führung. Als wegen der ungünstigen Geldverhält-nisse sich der Umbau immer wieder verzögerte,wurde für den hauptsächlich stark beanspruchtenTeil Köln – Brühl – Pingsdorf 1925 das jetzt beste-hende Provisorium mit Benzolbetrieb beschlossen.Der Dampfbetrieb ... schien nicht geeignet, durch-greifende Verbesserungen zu erzielen. Es handeltesich darum, schneller und pünktlicher zu fahrenunter Anpassung an die bestehenden Verhältnisse,vor allem ... das Vertrauen des Publikums ... zu er-halten.

Grundsätzlich wurde (ab 18. 4. 1926, d. Red.) der

Betrieb Köln – Bonn in Pingsdorf getrennt! Pings-dorf – Bonn (21 km, 18 Zugpaare) behielt mit ver-stärktem starren Fahrplan seinen Dampfbetrieb.Auf der Strecke Köln – Brühl (12 km) wurde eineinstündiger Eilzugbetrieb (17 Zugpaare) mit 24Min Fahrzeit nur mit einer Haltestelle in Köln, aufder Strecke Köln – Pingsdorf (14 km, 27 Zugpaare)ein einstündiger Personenzugbetrieb mit 42 MinFahrzeit bei 11 – 13 Haltestellen eröffnet. Teilwei-se mußten zur Verstärkung noch Dampfzüge fah-ren.

In Pingsdorf bzw Brühl muß also vom Benzolbe-trieb zum Dampfbetrieb umgestiegen werden. Aufder Strecke Bonn – Bornheim läuft ein besondererBenzolwagen (KBE 201 ex Kehdinger Kreisbahn,5 Zugpaare, d. Red.), umgebaut und ergänzt. DieBenzolstrecke ist zwar der günstigere und belebtereTeil der Vorgebirgsbahn, hat aber gegenüber ande-ren Nebeneisenbahnen mancherlei Nachteile: ...

– Schmalspur, – auf 14 km noch 25 Kurven von 100 – 200 m Ra-

dius (kleinster Radius 60 m), ... – das schmale Profil des lichten Raumes, ungün-

stige Platzausnutzung der Wagen. Erst nach vie-len Verhandlungen ist die Wagenbreite von 2,70m gestaltet.

– Die Fahrt auf der belebten Straße in Köln mitnur 30 km Geschwindigkeit,

– auf 3 km Länge mit Rillenschienen und Pflastermit teuerer Rillenschienem und Pflasterunterhal-tung usw mit den unvermeidlichen Störungendurch den Fuhrwerks- und Autoverkehr.

Diese Übelstände sind nicht zu vermeiden, weil dieBahnen tief in die Verkehrsmitte der Städte – be-sonders auch für den Marktverkehr – eingeführtwerden müssen. Die Steigungen sind nicht uner-heblich, ständig steigend auf 9 km, dann bis Pings-dorf wechselnd 1 : 100, 1 : 150, 1 : 200 usw. ...Schranken waren zum Teil vorhanden, ... wurdenaber durchweg wegen der Dichte des Verkehrs ver-langt, ebenso Signale und Streckensicherungen.Mehrfach müssen andere Bahnen im Niveau ge-kreuzt werden. Der Oberbau ist zum großen Teilentsprechend der größeren Geschwindigkeit ver-stärkt, ... in der Stadt auch der Unterbau.

Der bereits vorhandene starke Verkehr bedingteWagen mit möglichst großem Fassungsraum, dieengeren Kurven der Schmalspur ließen nur Dreh-gestelle zu. Beschafft wurden 5 Triebwagen von je15,5 m Länge und umgebaut mit verstärktem Un-terbau und Drehgestellen 12 Anhängewagen desDampfbetriebes. Fahrt einzelner Wagen kam kaumin Betracht, es mußte mit langen Zügen gerechnetwerden, ... auch mit mehreren Triebwagen (2 – 3)in einem Zuge, um die Zugkraft zu erreichen.

Anerkannt werden muß jegliches Bestreben, dasZuggewicht zu vermindern, besonders sofern er-hebliche Steigungen in Frage kommen. Muß abermit Zügen und nicht mit einzelnen Triebwagen ge-rechnet werden, kommen ... stark gebaute Wagenund vor allem verstärkte Drehgestelle in Frage. Ichmache ... aufmerksam, daß durch häufiges Brem-sen ... und Kurven die Drehgestelle sehr leiden, zuschwache Konstruktionen sind sehr bald zerstört.

18 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Reg-Baumeister Wilhelm Rieländer (Köln-Bonner Eisenbahnen)

Erfahrungen mit Benzolbetrieb im Personenverkehr

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 19

Die Abbildungen auf der vorherigen Seite zeigen den abgelö-sten Betrieb der Vorgebirgsbahn mit Dampfzügen (Slg.Dietmar Franz) und Marktverkehr.

Oben links: Der Autor des Beitrages Wilhelm Rieländer warvon 1907 bis 1932 in der Leitung der Cöln-Bonner Kreis-bahnen bzw. der KBE.

Mitte links: Streckenkarte mit dem neu aufgenommenStadtbahnbetrieb auf der Vorgebirgsbahn der KBE 1986. Derdamalige Umsteigebahnhof Pingsdorf ist nach Trassierungs-verbesserungen nicht mehr vorhanden. Seine Aufgabe wurdeim SPNV von der Haltestelle Brühl-Süd übernommen.

Rechts oben: Vierwagenzug mit Triebwagen KBE 302(AEG/LHL) am mehrfach gekennzeichneten Zugschluß.

Mitte: Vom selbst umgebauten Steuerwagen aus schiebt einTriebwagen den Drei-Wagen-Zug in den Bahnhof Brühl-Mitte. Der damals neue Steuerwagenbetrieb bewährte sich beider KBE so gut, daß er durch Novellierung der einschlägigenRechtsverorndung grundsätzlich zugelassen wurde. Das Bildist gekennzeichnet mit „55. C. Scholz Köln-Deutz“

Bei dem unten gezeigten Triebwagen KBE 311 handelt es sichum einen der drei bei TAG (nach)gebauten Triebwagen.

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30 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Triebwagenzüge der Köln-Bonner Eisenbahnen, Bw Hermülheim, 1926, Werkfoto AEG, Slg. Wolf-Dietrich Groote Die Museums-Eisenbahn 3/2002 31

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Um lange Züge mit mehreren Triebwagen fahrenzu können, wurde nach dem Vorbilde der von derAEG in Gernrode vorgeführten Triebwagen undunter Ausnutzung der Erfahrungen der Rheinufer-bahn eine erweiterte durchgehende Zugsteuerung –elektrischer Antrieb der Luftdruckventile – einge-führt, so daß ein Fahrer beliebig viele Benzolwa-gen durch den Anhängewagen hindurch steuernkann. Diese Anordnung hat sich sehr gut bewährtund auch nur geringe Unterhaltungskosten erfor-dert. Der Grundsatz war aber erst praktisch durch-führbar, als es durch lange Versuche gelungen war,dem Fahrer auch ein klares Bild von dem Lauf der-jenigen Motoren zu geben, welche sich nicht aufseinem Stande befinden ... durch besondere Geberfür die Umdrehungszahlen und durch Lampensig-nale. Die ... Fernsteuerung mit ruhiger stoßfreierSchaltung langer Züge von 2 – 3 Benzolwagen undAnhänger kann als sicher gelöst betrachtet werden.

Die Geschwindigkeiten bei den 4 Schaltstufen sindbei einem Triebwagen und 2 Anhängewagen:

Gang theoret. prakt. Beschl.

I. 6,9 km/h 8 km/h 1,03 m/s2

II. 14,8 15 0,73III. 29,6 30 0,33IV. 45,0 45 0,16

Im Mittel 0,3 m/s2 bis zu 45 km/h.

Da der Eilzug in einer halben Stunde die FahrtKöln – Brühl erreichen und wieder zur Abfahrt be-reit sein muß, wurde in den eigenen Werkstättender Köln-Bonner Eisenbahnen ein Teil der Anhän-gewagen mit Fahrerstand eingerichtet ... Diese Ein-richtung war vorbildlich, um die Eisenbahn-Bau-und Betriebsordnung zu ändern, so daß ... (Betriebmit Steuerwagen, Red) jetzt allgemein möglich ist.

Jeder der beiden Motore ist unter Freihaltung desGesichtsfeldes für den Fahrer auf einer Plattformam Eingang der Wagen eingebaut und dadurch gutzugängig gemacht. Es geht zwar gegenüber einerKonstruktion des Motors unter dem Wagen etwasPlatz verloren, die Vorteile überwiegen jedoch un-serer Ansicht nach. Auswahl an Motoren bestanddamals nicht, es mußte eine vorhandene Konstruk-tion genommen werden. Ich darf wohl sagen, daßder NAG-Motor, 2 Stück je Wagen, mit je 75 PSsich nach einigen Anpassungen an den Eisenbahn-betrieb gut bewährt hat.

Die Hauptaufgabe bestand darin, die Steuerung derBenzolmotore so auszubilden, daß die schnelleLeistung bei dem Anfahren und in Steigungen sichden elektrischen Motoren möglichst näherte. Daich bei Versuchen im Prüffeld der NAG in Berlinfestgestellt hatte, daß der 75-PS-Motor bei schnel-ler Schaltung zeitweise bis zu 82 PS überlastetwerden konnte ohne Schaden zu nehmen, ... wardiese Gewißheit recht beruhigend und wertvoll fürdie Ausbildung der Steuerung.

Jeder Motor arbeitet mit Cardangetriebe auf eineAchse des Drehgestelles. Zu jedem Drehgestell ge-hört ein besonderes Wechsel- und Wendegetriebeund ein Kompressor. Ein dritter Kompressor imWagen hat sich zur Erzeugung des großen Luftver-brauches (trotz eines recht großen Hauptluftbehäl-ters) als sehr notwendig erwiesen, die Umdre-hungszahl der Kompressoren mußte aber zur Errei-chung der Leistungen verstärkt werden.

Berechnungen ... ergeben, daß sehr häufig ... dieLeistung ... 120 PS beträgt und sich oft der garan-

tierten Maximalleistung 150 PS nähert. Es ist eingroßer Unterschied, ... ob ein Motor sich ... nur fürkurze Zeit seiner Maximalleistung nähert, oder ober häufig und für längere Zeit voll ausgenutzt wer-den muß. Diese große Dauerleistung der Motore istcharakteristisch für die Vorgebirgsbahn und mußbesonders hervorgehoben werden im Vergleich mitanderen Bahnen.

Sobald der erste Motor und die notwendigen Teileder Steuerung zu haben waren, wurde lange vor derBetriebseröffnung in der etwa in der Mitte der Ben-zolstrecke gelegenen Werkstätte Hermülheim einbesonderes Prüffeld eingebaut, welches einen Mo-tor mit Wechsel- und Wendegetriebe und die ganzeSteuerung einschließlich Batterie usw enthält. Die-ser vielleicht etwas reichlich erscheinende Ent-schluß hat sich als sehr richtig erwiesen, zunächstfür die notwendig gründliche Ausbildung des ge-samten Personals (Fahr- und Werkstattpersonal).

Die Fahrerausbildung muß nämlich mit viel Aus-dauer und Geduld angefaßt werden, sie kann für ei-nen Fahrer, welcher seine Aufgabe ohne Zerstörun-gen sicher erfüllen soll, auf ca 3 Monate angenom-men werden bei guter Vorbildung und praktischerund theoretischer Anleitung. Anwärter, welche frü-her dauernd im schweren Betriebe beschäftigt wa-ren, eignen sich weniger, am geeignetsten sind jün-gere Heizer 1. Klasse mit guter Vorbildung. Essind also nur Schlosser verwendet, was sich be-währt hat. Sodann ist das Prüffeld sehr wertvoll ge-wesen für ständige Versuche und weil aus demsel-ben stets betriebsbereite Teile entnommen werdenkonnten.

Das Zug- und Bahnhofspersonal mußte sich ... anden viel schnelleren Betrieb gewöhnen. Die Dauer-probefahrten sind absichtlich mit 5/4 der mögli-chen und garantierten Belastung erledigt unter ...Bedingung des zukünftigen Betriebes (Sandsäcke).Vor der Eröffnung ist noch eine ganze Nacht hin-durch im Fahrplan gefahren, um sicher zu sein, daßdas Personal bereit war. Der Erfolg war dann voll-ständig und dauernd.

Die 5 Wagen sind geliefert von der AEG, die ei-gentlichen Wagen haben die Linke-HofmannwerkeKöln geliefert, Oberwagenkasten noch aus Holzgebaut. Anhängewagen und viele ergänzende Ein-zelheiten haben Konstruktionsbüro und Werkstät-ten der Köln-Bonner Eisenbahnen geliefert.

Beleuchtung und Heizung erzeugt der Triebwagenselbst, bei den Anhängewagen war bereits elektri-sche Beleuchtung von der Achse aus vorhanden ...(24 Volt). Zur Not kann der Anhängewagen denTriebwagen mit beleuchten. Die vorhandeneDampfheizung der Anhängewagen ist beibehalten,da jedoch die Lokomotive fortfiel, wurde im Pack-wagen ein besonderes Heizkesselabteil mit Ölfeue-rung, System Gebr. Körting, eingebaut. Zur Zeitversuchen wir mit Erfolg durch Anschluß einesRohres an den Auspuff kasten die Abgase teilweisenoch zum Anhänger zu leiten. Die Erwärmunggelingt, wahrscheinlich ohne die Motorleistung zuschädigen, Vorbedingung sind aber sehr gute dich-te Rohre.

Übergänge zwischen den Wagen für das Personalsind vorhanden, im Personenzug können sie aberhäufig nicht benutzt werden, weil die Schaffner dieFahrscheine im Zuge ausgeben und bei dem star-ken Verkehr nicht durchkommen. Dagegen hat sichdie Scharfenbergkupplung in starker Ausführungdurchweg als sehr brauchbar und als eine Verbes-serung erwiesen, Heizung und Luftdruck wird

durch dieselbe mit übertragen. Damals habe ich ...davon abgesehen, auch die elektrischen Verbin-dungen in diese Kuppelung mit zu verlegen, dieErgänzung ist aber schon konstruktiv vorgesehen.

Als damals neu muß noch erwähnt werden die Ein-führung eines sogenannten Verdampfungskühlersauf dem Wagendache, selbsttätig ohne Pumpe undohne Nachfüllung. ... Die Einrichtung hat sich be-währt, ist aber mehrere Male von den Werkstättenumgearbeitet. Außer dem großen Benzolbehältervon 700 Ltr. unter dem Wagen hat jeder Motornoch zwei Hochbehälter auf dem Dach, der Motorfährt also mit Druck von oben (Fallbenzol). MittelsHandpumpe werden die Ölbehälter von unten beiBedarf nachgefüllt. Ferner sind ... Kaltwasserbe-hälter ... falls die Kühlung fehlerhaft werden sollte,mit Handpumpen vorhanden. Grundsätzlich ist al-les getan, um die Wagen den ganzen Tag ununter-brochen im Betrieb zu halten...

Gefahren werden im Eilzug täglich 460 – 500 kmmit derselben Zugfolge und im Personenzugver-kehr mit 2 Zugfolgen auch etwa 500 km, i. Sa. also1.000 km täglich mit 40 km Geschwindigkeit, au-ßerdem auf der Strecke Köln – Pingsdorf 100 kmmit Dampfzügen. Auf der Strecke Pingsdorf –Bonn werden mit Dampf mit 6 Lokomotiven undAnhängern täglich 800 – 900 km gefahren. Wagen-plätze und Achszahl der Benzolzüge:

Zuggewichte Sitzpl Stehpl Achs

1 Triebwagen 28 t 48 18 41 Tw + 1 Wg 44 t 82 30 81 Tw + 2 Wg 60 t 110 42 122 Tw + 2 Wg 88 t 155 56 162 Tw + 3 Wg 100 t 192 68 20

Es ergeben sich viele lange Züge, welche teilweisevoll besetzt sind (Berufs-, Markt-, Ausflugsver-kehr), während die Gegenzüge oft leer sind. DenDurchschnitt bildet ein Zug mit 60 t. Das Bedürfniseines Zugverkehrs zum Anschluß an Züge andererBahnen, etwa der Reichsbahn, ist nicht besonderszu berücksichtigen. Der eigentliche Massenverkehrfür die Werke bei Berrenrath von Köln und zurückist bereits früher auf normalspurige Züge umge-stellt und wird mit schweren Dampflokomotivengefahren. Notwendig wird in den Personenzügendurchweg, einen Wagen mit 1/2 Gepäckabteil mit-zuführen, weil der Verkehr mit Expreß- und Eilgut,Fahrrädern, auch Marktgut, sehr erheblich ist. Ausdiesem Grunde müssen Personenzüge, abgesehenvon dem starken Verkehr von und nach Köln, zuden Berufs- und Einkaufszeiten sehr oft zweiTriebwagen führen.

Ein Triebwagen macht 72.000 km/Jahr. Richtig istdemnach, ... nach 30.000 km eine Vorrevision undnach 60.000 km eine Hauptrevision mit Überho-lung der Maschine vorzuschreiben ... Diese Erfah-rungen der Praxis decken sich mit den Garantie-vorschriften der Lieferanten.

Betriebstechnisch sind ... in 1 1/2 Jahren folgendeEinzelheiten aufgefallen und geändert:

– Die Drehgestelle hatten ... nur Hauptfedern ...Der Wagen lief ruhig, da sich aber eine starkeBeanspruchung des Oberbaues ergab, ist die Fe-derung nachträglich auf die Achsen ergänzt.

– Die Kuppelungen ... Motor mit ... Getriebe, wieauch zu den Kompressoren, gaben zu Zerstörun-gen Veranlassung und sind verbessert.

20 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 20

Köln-Bonner Eisenbahn

Benzoltriebwagen

210 (1A)´(A1)´bm DWK 1923/28, 60 PS1926 ex Kehdinger Kreisbahn T 16

mit 100-PS-Flugzeugmotor ausg.Einsatzstrecke: Bonn – Bornheim

1. 7. 34 Außerdienststellung durch Elektrf.1935 zum Arbeitswg. 150 umgespurt1960er verschrottet

300 (1A)´(A1)´bm AEG/LHL 1926, 2 x 75 PSbis 1925 bestellt304 18. 4. 26 Indienststellung auf Vorgebirgsbahn

Einsatzstrecke: Köln – Brühl6. 10. 34 Außerdienststellung durch Elektrf.

1932 1 VT ausgebrannt, verm. 3031935 2 VT an Mindener Krb. T 3 u. T 41935 2 VT an Weimar-Rastenberger Eb,12. 7. 47 Wagenkästen an Wagb. Weimar, dort

mit neuen Drehg. des Wagb. Görlitzzu Reisezugwagen umgeb.

Jan 48 WBBE C4i 106 – 108, 3 Stück (?)1950 DR 79 552, 79 553, 99 3621956 DR 410 203, 410 204

305 (1A)´(A1)´bm TAG 1927/120 2 x 75 PS8. 1927 Indienststellung6. 10. 34 Außerdienststellung durch Elektrf.1935 verm. an Brohltalbahn 51

310 (1A)´(A1)´bm TAG 1927/121 2 x 120 PS12. 1927 Indienststellung6. 10. 34 Außerdienststellung durch Elektrf.1935 verm. an Brohltalbahn 52

311 (1A)´(A1)´bm TAG 1928/122 2 x 120 PS2. 1928 Indienststellung6. 10. 34 Außerdienststellung durch Elektrf.1935 an Südharzbahn, T 071939 an Weimar-Rastenberger Eb, T 071940 Neumot. 2 x 180 PS MAN-Diesel1945 zurück an Südharzbahn, T 0750er Modernisierung begonnen1963 verschrottet

Steuer- und Beiwagen

VS CPw4i 26, VB C4i 27, VB C4i 28 (ohne Steuerl., fürT 201), VS C4i 29, VB C4i 30 (ohne Steuerl.), VB C4i31, VB C4i 33, VS BC4i 34, VB C4i 35, VB C4i 36, VBC4i 37, VB BC4i 38, VS C4i 39, VS CPw4i 40, VS C4i41, VB C4i 42, VS C4i 43, VS C4i 44

Alle Bei- und Steuerwagen baute die KBE 1927/28 in derWerkstatt Dransdorf selbst um unter Verwendung neuerumspurbarer Drehgestelle. Die Wagen wurden beige lak-kiert, erhielten automatische Scharfenberg-Kupplungenund geschlossene Einstiege mit 2flügligen Klapptüren.Bei den Steuerwagen waren die Führerstände verlängertworden. Die Batteriekästen vieler Wagen wurden aufsDach verlegt.

Dr. Löttgers, Die Benzoltriebwagen der AEG, Karlsruhe/Lübbecke 1984

Dr. Löttgers, Die Triebwagen der DWK, Lübbecke 1988

Günter Fromm, Die Weimar-Rastenberger Eisenbahn,Bad Langensalza, 1993

Hans-Dieter Rammelt: Archiv deutscher Klein- und Pri-vatbahnen, Thüringen-Sachsen, Berlin 1994

Eduard Bündgen, Die Köln-Bonner Eisenbahnen, Frei-burg, 1994

Gerd Wolff, Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 4,Freiburg 1997

Oben: Triebwagen-Drehgestell mit Kardanantrieb

Mitte: Vereinigtes Wechsel- und Wendegetriebe

Unten: TAG-Motor 120 PS, Vergaserseite, zu den Triebwagen310 bzw. 311 gehörend

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– Der Straßenstaub erwies sich als sehr schädlichund lästig, er wurde für Motore und Kompresso-ren durch Luftfilter Bauart Delmag unschädlichgemacht, was gut geholfen hat.

– Durch Veränderung an den Rohren zum Ansau-gen von Kalt- und Warmluft wurde erheblicheVerbesserung im Lauf der Motore und Leistun-gen erreicht.

– Kolbenringe und die seitliche Sicherung desKolbens sind geändert. Pilzsicherung aus Rot-guß. Nach unseren Erfahrungen eignet sich ambesten für den Kolbenring einzeln ausgeschmie-detes und gut nachgeschliffenes Material. DasMaterial der Kolbenringe ist wichtig, besondersmuß auch darauf geachtet werden, daß die Über-lappungen der Schlitze genügend freien Raumhaben, sonst brechen die Ringe wegen zu großerinnerer Spannung. Die neue Anordnung hat sichbewährt.

– Zur besseren Zugänglichkeit mußten an denFußböden weitere Klappen eingebaut werden.

– Die Hauben zum Abschluß der Motore genügtennicht, es drangen Gase in den Wagen. Es ist eineeigene Konstruktion, bestehend aus einem inne-ren Eisenkasten mit dichter äußerer Umhüllungleicht auseinandernehmbar eingebaut.

– Die Bahnräumer aus Holz wurden durch Eisen-rahmen mit Gitterwerk ersetzt (zugleich wenigerLuftwiderstand).

– Bei sämtlichen Triebwagen sind die Radsätze(800 mm) bereits einmal abgedreht, bei einemWagen mußten bereits Radreifen erneuert wer-den. Abgedrehte Radreifen laufen in der Zeitvon 1 Jahr scharf (Nachteil der Rillenschienenmit Schmutz). Die Drehgestelle müssen nach ei-nem Jahr durchrepariert werden.

– Kolbenringe und die Pilzsicherungen müssennach einem Jahr ersetzt werden. Die höchsteDauer eines Cylinders bis zum Ausschleifen war12 Monate, durchschnittlich müssen die Cylin-der nach 8 Monaten ausgeschliffen werden,sonst leidet die Leistung der Motore. Die Kur-

belwellen müssen durchschnittlich nach 12 Mo-naten nachgeschliffen werden. Neuerdings stelltsich heraus, daß das Metall der Kupplungslagernicht genügt. Lager mit Einlage müssen ver-stärkt werden.

An Reserveteilen waren vorhanden: 1 ganzer Mo-tor (meistens im Prüffeld), Wechsel- und Wende-getriebe, 2 Block Zylinder, Kolben und je 1 Exem-plar aller fertigen Teile des Motors und sodann einMagazin mit vielen Einzelheiten. ...

Es ergab sich, daß mit 5 Triebwagen ohne Reserveauf die Dauer ein so starker Betrieb nicht ohneZwischenfälle durchgehalten werden kann. Bisherkonnten Reparaturen nur in kurzer Nachtzeit vor-genommen werden, weil die 5 Wagen häufig sämt-lich im Betrieb. Es wurde daher nötig, zumal dieAblösung des Benzolbetriebes durch elektrischenBetrieb unter Umbau auf Normalspur noch längerdauert, noch drei weitere Triebwagen zu beschaf-fen, außerdem werden noch zwei Anhängewagenfür den Benzolbetrieb umgebaut.

Bekanntlich haben sich vor längerer Zeit die Lin-ke-Hofmannwerke, die AEG und die NAG ... ge-trennt. Der Verkauf der NAG-Motore ist auf dieTriebwagenbau AG übergegangen, welche aber inKiel Motore eigener Konstruktion der Werft bauenläßt. Die Triebwagenbau AG liefert die neuen Wa-gen. Grundsätzlich ist das System ... beibehalten,um aber für Personenzüge ohne Überlastung derMotore 3 Wagen anhängen zu können, sind dieMotore für 2 Wagen auf je 120 PS verstärkt unterAnpassung an die alte Zugsteuerung. Es werden 4Kieler 120-PS-Motore mit allen Verbesserungengeliefert. ... Um auch diese größeren Motore imFahrerstand ... gut ausbauen zu können, ist dieStirnwand des Wagens herausnehmbar eingerich-tet, der Motor kann also mit Flaschenzug nach vor-ne aus- und eingeführt werden.

Bemerkt wird noch, daß die Drehgestelle ... mit ge-ringen Kosten auf Normalspur zur späteren Ver-wendung auf Strecken der Köln-Bonner Eisenbah-nen umgeändert werden können, ebenso Anhänge-wagen. Die Drehgestelle und die Getriebe sind er-heblich verstärkt.

Die neuen Wagen werden aus Eisen gebaut, etwasverlängert, Untergestell und Wagenkasten abnehm-bar, zum schnelleren Ein- und Aussteigen sindbreite Schiebetüren angeordnet. Länge Wagenka-sten 16,7 m, Drehzapfenabstand 11,3 m Radstand.Drehgestelle 1,6 m Länge zwischen Kuppelung17,5 m, Breite 2,7 m, 56 Sitz-, viele Stehplätze.

22 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Oben: Tabelle aus dem Beitrag

Unten: Anzeige der TAG von 1926 mit je einem typischenDWK- (hinten) und AEG-Triebwagen (vorne). Die von derKBE neu beschafften Triebwagen waren eigentlich weder

typische AEG- noch DWK-Fahrzeuge.

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Die neuen 6-Zylinder-Motore sollen eine erhebli-che Ersparnis in Brennstoff und Öl erreichen, bis-her waren garantiert für die ersten Wagen: Durch-schnittsverbrauch für 1 Zugkm rund 800 gr. Diesegarantierten Verbrauche sind erreicht, trotzdem inder Ausführung die Wagen ca 4 t schwerer wurden.... Nicht erreicht ist der Ölverbrauch der Motoreund Getriebe, der Grund liegt anscheinend in derdauernd starken Leistung der Motore, aber auch anzu hohem Verbrauch der Getriebe und Kompresso-ren. Der ... Verbrauch an Öl bei bestem Materialfür Motore und Getriebe (ohne Achsen usw) ist pro1 Zugkm (60 t) 36 g je zur Hälfte für den Motorund die Getriebe, also recht erheblich. ...

Erwähnt sei noch, der Beschaffungspreis der ersten5 Benzolwagen war je 93.000 M., derselbe derneuen Wagen über 100.000 M. ... Wenn die dreineuen Wagen eingefahren sind, wird sehr bald einweiterer Teil des Dampfbetriebes der Vorgebirgs-bahn durch Benzolbetrieb ersetzt werden können.

Vor- u. Nachteile des Benzolbetriebes verglichenmit Dampf- und el. Betrieb (Rheinuferbahn)

Der Benzolbetrieb ergibt gegenüber dem Dampfbe-trieb allgemein und besonders verglichen mit demRestdampfbetrieb der Vorgebirgsbahn betriebs-technisch folgende Vorteile:

– ... Unter Fortfall der Lokomotive wird sichtbardas Wagengewicht ... in Plätzen ausgenutzt,

– der Heizer fällt fort. – Infolge der größeren Geschwindigkeit (40 statt

30 km/h) werden die Betriebsmittel besser aus-genutzt.

– Das Bedürfnis nach schnellerer Fahrt ist erfüllt,der Betrieb ist sehr pünktlich geworden.

– Die Reisenden empfinden das ruhige, stoßfreieFahren, auch die bequemere Sitzgelegenheit an-genehm und sind zufrieden.

– Die Belästigungen durch Qualm und Kohlen-staub sind fortgefallen, auch die unvermeidli-chen Aufenthalte durch Wassernehmen der Lo-komotiven.

Die Bahn erfüllt wieder ihren Zweck, größereMengen sicher zu befördern. Es ist gelungen, dieKonkurrenz mit anderen Verkehrsgelegenheiten er-folgreich aufzunehmen. Während auf allen Eisen-bahnen der Personenverkehr erheblich zurückge-gangen ist, ist derselbe auf der Vorgebirgsbahnnach Einführung des neuen Betriebes um 25 – 30% gestiegen, es werden im Durchschnitt 8.000 –9.000 Personen befördert. Der noch bestehendeUmsteigeverkehr in Pingsdorf ist zwar kein Ideal,wird aber durch die erheblich schnellere und siche-re Beförderung gegen früher ausgeglichen. (Anm.Red.: 1927 nutzten 2.993.590 Personen die Vorge-birgsbahn, was im Schnitt über alle Werk- und Fei-ertage 8.200 Reisende täglich ergibt, 6.000 davonin Triebwagenzügen.)

Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 22

Oben: TAG-Motor mit 120 PS Auspuffseite

Unten: Abnehmbare Stirnseite des Triebwagens 305 (TAG1927), gut ist auch die Scharfenberg-Kupplung zu erkennen.

Page 14: Wolfram Bäumer Vor 75 Jahren – Triebwagen bei Kleinbahnen...weiteren 90.000 M/km für die Beschaffung elektri-scher Triebfahrzeuge zu Buche. Die Mechanisie-rung der Gleisunterhaltung

Interessant ist noch ein Vergleich mit dem elektri-schen Betrieb der Rheinuferbahn. Selbstredend istes nicht ganz gelungen, den Benzolbetrieb demelektrischen Betrieb gleichzustellen. Wenn auchäußerlich die Wagenzüge solchen der Rheinufer-bahn gleichen – die Wagen sind sogar etwas längerund auch breiter – so leistet die Rheinuferbahndoch in denselben Zeiteinheiten bedeutend mehr.Der Grund liegt in der größeren Geschwindigkeit,75 gegen 40 km/Std., wodurch sich die große Mo-torleistung pro Triebwagen 360 PS gegen 150 PSerklärt, sodann in dem zweigleisig durchgeführtenAusbau der Bahn, einerseits mit erheblich weiterentfernten Haltestellen-Entfernungen für Personen-züge – Bahnlänge 28 km gegen 14 km, also dop-pelt so lang – und in der großen Zahl der Schnell-züge, welche zum Teil nicht halten.

Die Wirtschaftlichkeit der Rheinuferbahn beruhthauptsächlich auf den Einnahmen der Schnellzüge.Die Rheinuferbahn fährt in „einer Stunde“ 112Schnellzug- und 56 Personenzug-km, i. Sa. 168km, die BenzoI-Vorgebirgsbahn 24 Eilzug- und 28Personenzug-km = 52 km, während auf der Dampf-strecke der Vorgebirgsbahn Pingsdorf – Bonn ge-fahren werden stündlich auf 20 km Länge noch 40km mit 30 km Geschwindigkeit. Durch die guteSteuerung der Benzolwagen ist ein Anfahren ge-währleistet, welches sich der Reinuferbahn nähert.Der Benzolbetrieb ist jedenfalls ein gutes Aushilfs-mittel da, wo elektrischer Betrieb noch nicht mög-lich ist wie auf der Vorgebirgsbahn, und die Be-triebskosten sind daher vergleichbar. ...

Im Vergleich mit dem elektrischen Betriebe sprichtsehr zugunsten des Benzolwagens, daß derselbeseine Kraftquelle stets bei sich führt, also unabhän-gig ist von den Störungen in der Zuführung derelektrischen Energie in Fahr- und Speiseleitungen,Umformerstationen und auch in solchen der Hoch-spannungskraftwerke. ...

Noch eine kurze Bemerkung: Dampflokomotivenwerden häufig durch Rohrlecken und Risse in denFeuerkisten plötzlich und für längere Zeit betriebs-unfähig. Diesem Übelstand entspricht im elektri-schen Betrieb der auftretende Kurzschluß mitDurchschlagen der Anker und Spulen. Vergleich-bare Betriebsunterbrechungen haben sich im Ben-zolbetrieb bisher nicht nachweisen lassen. Alles inallem gesagt steht der Benzolbetrieb sowohl in Be-zug auf Betriebssicherheit wie auf Wirtschaftlich-keit in der Mitte zwischen Dampfbetrieb und elek-trischem Betrieb, er nähert sich aber immer mehrbei weiterer Durchbildung den Vorteilen des elek-trischen Betriebes.

Jedenfalls ist der Benzolbetrieb in 1 1/2 Jahren untergroßen Beanspruchungen ohne jede Störung durch-geführt, er hat den Erwartungen entsprochen derVerkehr ist pünktlich und beliebt, trotz der schwie-rigen Zeit ist eine erhebliche Verkehrszunahmeerreicht, was heutzutage im Personenverkehr einerEisenbahn bemerkenswert ist. Es wird bei allenEisenbahnen nur unter sehr günstigen Ver-hältnissen zur Zeit möglich sein, die sämtlichen aufden Personenverkehr entfallenden Ausgaben durchdiesen Verkehr zu decken.

Die Frage, inwieweit es richtig ist, unter anderenVerhältnissen einen ähnlichen Benzolwagenver-kehr einzuführen, bedarf stets einer besonderenPrüfung. Für die Vorgebirgsbahn hat sich der ei-genartige Betrieb mit Benzolwagenzügen alszweckmäßig und dem Dampf überlegen erwiesen.

24 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Die Abbildungen geben einenEindruck von den Einwirkun-

gen aus Fachpublikationenaus dem Eisenbahnwesen vor

75 Jahren auf die Leser

links: Anzeige der Fa.Henschel von 1926, die sichdeutlich gegen Triebwagen-

beschaffungen richtete.

Nächste Seite: Anzeige ausdem Tagungsband 1927

Unten: VT 1 der SchleswigerKreisbahnbei seiner Ausliefe-

rung gegen Ende 1924, (s.Disussion nächste Doppel-

seite),Foto: Slg. Reinhard Richter

Ein größerer Vorteil besteht ... in der sofortigenAbfahrbereitschaft der Betriebsmittel ohne Wartenauf Dampfmachen mit Pumpen und Störung durchRohrlecken usw. ... An Betriebspersonal wirddurch Fortfall der Heizer erheblich gespart, bei Eil-zügen auch an Schaffnern.

Infolge der zeitweise gegen 1924 erheblich gestie-genen Benzolpreise ist für gleiche Einheiten dieAusgabe für Benzol größer wie für Kohlen. DieseMehrausgabe ist aber nur eine scheinbare, da dasBenzol ... sofort verbrennungsbereit ist, aber fürdie Bereitstellung der Kohle bis zur Ausnutzung inder Feuerkiste sehr erhebliche Kosten für die gro-ßen Kohlenlager, Aufbringen der Kohlen auf dieLokomotive, Anheizen und Ausschlacken einschl.Fortschaffung des Abfalles und dergleichen entste-hen. Auch Kosten für Wasser entfallen.

Die Unterhaltung der Triebwagen ist in der Werk-statt erheblich billiger wie solche der Lokomotive.Bekanntlich verursachen außer dem Triebwerk be-sonders die Kessel bei schlechtem Speisewassertrotz aller angewendeten Mittel sehr hohe Kosten.Nach Einführung des Benzolbetriebes konnte dieZahl der Arbeiter in Betrieb und Werkstatt erheb-lich beschränkt werden. ... Bei einer Leistung von30.000 Zug-km (monatl.) Benzol besteht z. B. dieZahl der Köpfe in der Werkstatt Hermülheim aus14, während für 25.000 Zug-km Leistung desDampfbetriebes die Zahl der Werkstattsarbeiter 36beträgt. Noch günstiger sind die Zahlen für Be-triebsarbeiter (ohne Heizer zu berücksichtigen).Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Werkstattmate-

rial (gute Magazinaufsicht). Auch der helle Wa-genanstrich wird durch Fortfall des Rußes sehr ge-schont, sogar erst ermöglicht.

Voll zur Erscheinung kommen die Vorteile desBenzolbetriebes, wenn es demnächst gelingt, denDampfbetrieb auf weitere 14 km bis Bornheimdurch Benzol zu ersetzen (am 7. 5. 1928 realisiert,d. Red.). Durch den 1 1/2 jährigen Betrieb der Ben-zolstrecke der Vorgebirgsbahn ist aber jetzt schon... nachgewiesen, daß dieser Betrieb auf Streckenmit starkem Personenverkehr gut und sicher durch-geführt werden kann, wahrscheinlich so wirtschaft-lich, daß die Einnahmen die Ausgaben decken,wenn nicht die ungünstigen Verhältnisse derSchmalspur vorhanden sind.

Auf einen Punkt sei noch hingewiesen, namentlichauf den kaum zu vermeidenden Leerlauf der Mo-tore für Benzolpersonenzüge. Dieser kommt fürEilzüge kaum in Frage, aber bei Personenzügenlaufen auf den Haltestellen noch durchweg die Mo-tore durch. Ausgeschaltet wird nur bei Aufenthal-ten über 3 Minuten. Nach angestellten Berechnun-gen beträgt dieser Leerlauf-Brennmaterialver-brauch 15 – 20 % des Verbrauches für 1 Zugkm imDurchschnitt. Bei Vergleichen muß also festgestelltwerden, ob diese ungünstigen durch zahlreicheHaltestellen bedingtenVerhältnisse auch anderswovorliegen, bei den Dampfzügen und solchen derRheinuferbahn entfällt diese Leerlaufarbeit jeden-falls. Bei durchschnittl. 800 gr. Verbrauch auf 1Zug-km der Personenzüge entfallen also auf Leer-lauf bis zu 150 gr, was für Vergleiche erheblich ist.

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 25

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Diskussion

Dr. Steinhoff (Halberstadt-Blankenburger Eisen-bahn): ... Zur Ergänzung möchte ich gegenüberdem Triebwagen der Ebene den des Gebirges vor-führen. Gezwungen durch die außerordentlichenZugunkosten bei den Steigungen von 1 :16 unsererGebirgsbahn haben wir den Versuch gemacht, denim Winter ... geringen Verkehr auf unseren Steil-strecken durch einen Leichttriebwagen billiger zubewerkstelligen. Die Versuchsfahrten, die mitTriebwagen der Deutschen Werke und der AEGauf den Strecken der Nordhausen-Wernigeroder, ...Gernrode-Harzgeroder und Halberstadt-Blanken-burger Eisenbahn gemacht wurden, zeigten, daßdiese Triebwagen mit ihrem ... hohen Gewicht fürden Sitzplatz uns eine wirtschaftliche Entlastungnicht geben konnten.

Gerade das Gewicht des Wagens spielt im Gebirgs-betriebe ... eine ganz erhebliche Rolle. ... LeichteLokomotiven können naturgemäß bei einer derarti-gen Steigung nicht verwandt werden, weil sie nichtin der Lage wären, zwei Personenwagen die Steil-rampe heraufzubringen. Wir müssen deshalb schonmit einem Zuggewicht von etwa 80 t rechnen, sodaß eine Zugkraft von 4.800 kg vorhanden seinmüßte.

Diese Ziffern zeigen ohne weiteres, daß auf dieserGrundlage ein billiger Transport bei geringem Per-sonenverkehr nicht zu ermöglichen ist. Nimmt man– wie wir dies zum Teil machen – unter Einsatzschwerer Lokomotiven gemischte Züge, so tritt,abgesehen davon, daß schon ein erheblicher Teilder Zugkraft für den unwirtschaftlichen Personen-verkehr aufgewandt werden muß, noch der Nach-teil ein, daß diese schwere Lokomotiveinheit an be-stimmte Züge gebunden ist und infolgedessen dieUnkosten dafür aufgewandt werden müssen,gleichgültig ob Güterverkehr vorhanden ist odernicht, und daß außerdem die Lokomotive nicht indem Maße ausgenutzt werden kann, wie wenn sievon dem starren Personenfahrplan frei ist.

Diese Überlegungen führten zu dem Ergebnis, daßder einzig mögliche Weg, um zu einem wirtschaft-lichen Resultat zu kommen, der sein dürfte, unterEinsatz sehr leichter Zugeinheiten den Personen-verkehr vom Güterverkehr zu trennen. ...

Die geringen Unkosten und andererseits die Ge-schwindigkeit eines derartigen Leichttriebwagensbringen den Gedanken nahe, daß gerade mit Hilfesolcher Triebwagen dem Wettbewerb des Automo-bils doch wesentlich das Wasser abgegraben wer-den könnte. Infolge des niedrigen Gewichtes wer-den, weil der Wagen einen Gummiverbrauch nichtaufzuweisen hat und weil er wegen des Fahrens aufden Schienen wesentlich geringere Reparaturko-sten haben dürfte, seine Betriebsunkosten um einerhebliches unter den Betriebsunkosten einesKraftwagens mit annähernd demselben Fassungs-vermögen stehen. Ein Autobus, der auf der Land-straße läuft, ist nach 250.000 km bestimmt erledigt,während ein derartiger Leichttriebwagen zweifellosdas Doppelte, vielleicht noch mehr, aushält.

Ich kann mir durchaus denken, daß ein derartigerkleinerer Leichtttiebwagen mit seinen Betriebsun-kosten in der Ebene auf einen Satz von etwa, 30 Pf(je Zug-km, WB) kommen kann. Damit dürfte fürmanche Kleinbahn, die ihren Personenverkehr zu-gunsten des Automobilverkehrs wesentlich da-durch gefährdet, daß sie die Reisenden bei ihrengemischten Zügen allen möglichen Belästigungen

aussetzt und sie nur sehr langsam ans Ziel bringt,der Zeitpunkt gekommen sein, wo sie den Güter-verkehr vom Personenverkehr trennen und durchschnelle, angenehme und billige Beförderung ihrenPersonenverkehr wesentlich verbessern und wirt-schaftlich gestalten kann. ...

Man sage mir nicht, daß das noch nichts helfenwerde, da nun einmal das Auto den Vorzug genie-ße. Selbstverständlich, wenn ich mit einem Perso-nenauto von Haus zu Haus zu etwa dem gleichenPreise fahren kann, ziehe ich dieses vor. Handelt essich aber um einen schnell fahrenden Schienenwa-gen und um einen ratternden Autoomnibus, so wird– sobald diese Autopsychose nachläßt – jeder Rei-sende den schnell fahrenden Eisenbahnwagen vor-ziehen. Die heutigen Vorträge haben gezeigt, daßwir mit der Lösung der Frage Motorwagen aufSchienen wesentlich weiter gediehen sind als dieReichsbahn. ...

Herr Struck (Schleswiger Kreisbahn): Ich habevier Triebwagen im Betrieb, zwei kleinere laufenverhältnismäßig gut, während ich mit den andernbeiden nicht zufrieden bin, da sie nicht betriebssi-cher und die Reparaturen ungeheuer groß sind. ...Ein Triebwagen hat von 35 Monaten 171 Tage inder Werkstatt gestanden, der zweite von 21 Mona-ten 68 Tage, der dritte von 24 Monaten 205 Tageund der vierte von 14 Monaten 120 Tage.

Hierdurch dürfte ... die Unwirtschaftlichkeit derWagen zur Genüge bewiesen sein. Ferner habe ichdie Feststellung gemacht, daß der Verschleiß derWagen sehr groß ist und deshalb die Lebensdauernicht allzulange sein wird, da wir bereits eine gro-ße Abnutzung der Zylinder, trotz Verwendung be-sten Öles und vorsichtiger und richtiger Schmie-rung feststellen konnten.

Außerdem muß man, wenn man bei Reparaturendie Wagen nicht allzulange außer Betrieb nehmenwill, immer einen verhältnismäßig großen Bestandin Ersatzteilen vorrätig haben, die aber wiederumsehr teuer sind. Wenn ich auch anfangs ein großerFreund der Triebwagen war, so habe ich sowohlbei uns als auch bei einer anderen Bahn die Erfah-rung machen müssen, daß sie sich für den rauhenEisenbahnbetrieb vorläufig noch nicht eignen.

Herr Gebauer (Osthavelländische Kreisbahnen):Die normale Kleinbahn ist gewöhnlich finanziellnicht in der Lage, ... Neuaufwendungen aus demBetriebe zu decken, wo entsprechende Rücklagennicht vorhanden sind. Auch die Aufnahme vonNeukapital bei den derzeitigen Zinssätzen von 12 –15 % kommt nicht in Frage, da in den meisten Fäl-len gar nicht daran zu denken ist, daß eine hierzuausreichende Mehreinnahme erzielt wird. Die vor-handenen Kleinbahnen sind bereits mit einem aus-reichenden Betriebsmittelpark versehen und wür-den bei Einführung von Triebwagen einen Teil da-von stillegen, ohne daß hierbei Ausgabeverminde-rungen erzielt werden können. ...

Dr. Steinhoff: ... Was die Preise anbelangt, sowerden ähnlich der Entwicklung der Autoomnibus-se auch die Triebwagen, die 60 – 70 Sitzplätze fas-sen, meines Erachtens sehr bald für 40 – 50.000 Mzu haben sein, auf den Sitzplatz berechnet billigerals der Autoomnibus werden. ...

26 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Harzbahnen

2 VT (1A)´(A1)´bm AEG/LHW 1925meterspurige Benzoltriebwagen für brasiliani-sche Centralbahn, Strecken Belem – Entre Riosu. G. Portella – Barao de Vassouras, 2 x 75 PSMai 1925 Probefahrten auf Brockenbahn undGernrode-Harzgeroder Eisenbahn

1 VT AA-bm AEG/LHW 1925regelspuriger Schlepptriebwagen für Peru,Strecke Ilo – Moquegua, 2 x 75 PSca. 1925 Probefahrten auf Rübelandbahn derHalberstadt-Blankenburger Eisenbahn.

Dr. Löttgers, Die Benzoltriebwagen der AEG,Karlsruhe/Lübbecke 1984

Bilder, die die AEG 1925 für ihre Werbung nutzte, vonVorführfahrten von zwei Triebwagen der brasilianischen

Centralbahn auf dem Netz der Harzer Schmalspurbahnen,Fotos: Slg. Wolf-Dietrich Groote

Schleswiger Kreisbahnen

VT 1 A1-bm AEG/LHW 1924, 75 PSEnde 24 Inbetriebnahme

Einsatz vorw. Schleswig – SatrupUmbau: 110 PS Dieselmotor

1965 verschrottet

VT 2 A1-bm AEG/LHW 1925, 75 PS1. 1925 Kreistag beschließt Anschaffung11. 1925 Inbetriebnahme

Einsatz vorw. Schl. – FriedrichstadtUmbau: 110 PS Dieselmotor

1960 modernisiert1973 abgestellt, später verschrottet

VT 3 (1A)´(A1)´bm DWK 1926/62, 160 PS2. 1925 in Auftrag gegeben1. 10. 25 Inbetriebnahme Schlesw – Kappeln1933 nach Brand Beiwagen

VT 4 (1A)´(A1)´bm DWK 1926/107, 150 PSAug. 26 Inbetriebnahme1962 modernisiert und auf 200 PS verst.

Dr. Löttgers, Die Benzoltriebwagen der AEG,Karlsruhe/Lübbecke 1984

Dr. Löttgers, Die Triebwagen der DWK, Lübbecke 1988

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 27

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Die K r e f e l d e r E i s e n b a h n ist eine rd. 60 kmlange normalspurige Nebenbahn, im Jahre 1869 alsKrefeld – Kreis-Kempener Industriebahn für denPersonen- und Güterverkehr eröffnet und seit 1880im Besitz der Krefelder Eisenbahn-Gesellschaft.Die stärkste Neigung der Bahn ist 1 : 118 auf 664m, der kleinste Krümmungsradius 200 m, sonst

verläuft die Bahn im allgemeinen gerade und hori-zontal. Reichsbahnanschlüsse sind in Krefeld,Kempen und Moers.Im Jahre 1924 sah sich die Gesellschaft vor dieFrage gestellt, ihren Betriebsmittelpark, der wäh-rend der Kriegs-und Nachkriegsjahre in einenschlechten Zustand geraten war, grundlegend zu

erneuern und zur Hebung des Personenverkehrs dieZugfolge zu vermehren. Nach eingehenden Erwä-gungen wurde die Beschaffung von Verbrennungs-triebwagen beschlossen, weil der Verkehr – außerzu Zeiten des Berufs- und Ausflugsverkehrs – mitkleinen Zugeinheiten bewältigt werden kann. Eserschien unwirtschaftlich, bei einem Bedarf vonetwa 60 Sitzplätzen eine doppelt besetzte dreiachsi-ge Tenderlok mit Pack- und zwei Personenwagenverkehren zu lassen. Der gegenwärtige Personen-zugfahrplan erfordert fünf Zugeinheiten und wirdbewältigt durch zwei Dampf- und drei Triebwagen-züge. Vorhanden sind vier Triebwagen: zwei derDeutschen Werke in Kiel, im Januar 1925 in Be-trieb gestellt, und zwei der AEG-Berlin / Linke-Hofmann, Köln, im August 1925 eingestellt.

DWK-TriebwagenDie beiden DW-Wagen sind Einmotorenwagen,Type IV mit 55 Sitzplätzen und 20 t Leergewicht.Die Gesamtlänge über Puffer gemessen beträgt13.600 mm. Der Wagenkasten ruht auf zwei zwei-achsigen Drehgestellen von 1.550 mm Radstand.Der Raddurchmesser beträgt 750 mm. Für den An-trieb ist ein 100-PS-Mercedes-Motor, der etwa inder Mitte des Wagens angeordnet ist, vorgesehen.Die Kraftübertragung erfolgt auf die beiden innen

28 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Betriebsdirektor Straßburger, Oberingenieur Treptow

Der Verbrennungstriebwagen –Betriebserfahrungen bei der Krefelder Eisenbahn

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liegenden Achsen der Drehgestelle über Lamellen-kupplung, Wende- und Wechselgetriebe, welcheTeile gemeinsam mit dem Motor in einem auf denDrehgestellen ruhenden Maschinenrahmen unter-gebracht sind.Diese Aufhängungsart hat sich aber nicht bewährt,weil insbesondere die Übertragung der Schienen-stöße sich ungünstig auf die Maschinenanlage aus-wirkte. Es sind daher verstärkte Maschinenrahmeneingebaut worden, die lediglich am Wagenkastenbefestigt sind. Die Verbindung dieses Rahmens mitdem Wagenkasten erfolgt durch vier Befestigungs-bolzen, die in den am Wagenkasten befindlichenFührungstöpfen federnd gelagert sind. Für die An-

bringung dieser Führungstöpfe war eine Verstär-kung des Wagenkastenbodens durch Querträgererforderlich. Neben den Befestigungsbolzen istnoch je eine Sicherheitskette angeordnet worden.Bei dieser Ausführung und Aufhängung des Ma-schinenrahmens, die sich bisher bewährt hat, hängtdie Maschinenanlage vollkommen ruhig.

Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 29

Linke Seite: DWK-Triebwagen, Typ IV

Oben: Ursprünglich nur zwischen den Drehgestellen gelager-ter Maschinenrahmen der DWK-Triebwagen und nach demUmbau: verstärkter Maschinenrahmen für Aufhängung amWagenkasten der DWK-Triebwagen

Mitte und rechts: Von DWK geliefertes Drehgestell mitWendelfedern, auf Blattfederung umgebautes Drehgestell undVorspannung der Wagenkastenfederung

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32 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Oben links: AEG-Triebwagen der Krefelder Eisenbahn

Nächste Seite oben : Typenskizze aus AEG-Prospektvon 1923, Slg. Dietmar Weber-Werning

Nächste Seite unten: AEG-Triebwagen nach 35 Einsatzjahrenauf Dieselmotor umgebaut und als T 165 bei der KleinbahnIhrhove – Westrhauderfehn, 20. 6. 1961, Foto: Gerd Wolff

Krefelder Eisenbahn-Gesellschaft

T 1 (1A)´(A1)´bm DWK 1924/57, Typ IV1. 25 in Betrieb genommen6. 29 Neu-Motorisierung, DWK IVabEnde 33 469.763 Lauf-km1939 an Dynamit-Nobel, Wolfratshausen

T 2 (1A)´(A1)´bm DWK 1924/58, Typ IV1. 25 in Betrieb genommen7. 29 Neu-Motorisierung, DWK IVabEnde 33 510.913 Lauf-km1939 an Dynamit-Nobel, Wolfratshausen

T 3 (1A)´(A1)´bm AEG/LHL 1925, Typ B 18. 25 in Betrieb genommen1952 an Klb. Leer – Aurich – Wittm. T 66

Neu-Motorisierung Büssing, 105 PS1961 verschrottet

T 4 (1A)´(A1)´bm AEG/LHL 1925, Typ B 18. 25 in Betrieb genommen1952 an Klb. Leer – Aurich – Wittm. T 65

Neu-Motorisierung Büssing, 105 PS1956 an Klb. Ihrhove – Westrhf. T 16510. 63 abgestellt, später verschrottet

– (1A)´(A1)´bm Krupp/Uerdingen 19251926/27 Vorführwagen bei Krefelder Eisenb.

Dr. Löttgers, Die Benzoltriebwagen der AEG,Karlsruhe/Lübbecke 1984

Dr. Löttgers, die Triebwagen der DWK, Lübbecke 1988

Gerd Wolff, Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 4,Freiburg 1997

Als Achsfederung waren Spiralfedern eingebaut,bei denen aber in Verbindung mit der Wagenka-stenfederung, die ebenfalls durch Spiralfederungerfolgte, ein ruhiger Lauf insbesondere des wenigbesetzten Wagens nicht zu erzielen war. Eine guteAchsfederung ist erreicht worden, nachdem dop-pelte Ellipsenfedern, die zu beiden Seiten derDrehgestell-Längsträger angeordnet und durchQuerbolzen miteinander verbunden sind, eingebautworden sind. Um das Schwanken des Wagenka-stens herabzumindern, sind die beiden äußeren inFedertöpfen befindlichen Wagenkastenspiralfedernvorgespannt worden. Nachdem die Federung invorstehend ausgeführter Weise verbessert wordenist, ist ein vollkommen ruhiger Lauf, auch des un-besetzten Wagens, erreicht worden.

AEG-TriebwagenDie beiden AEG-Tr i ebwagen sind Zweimoto-renwagen mit 54 Sitzplätzen und 24 t Leergewicht.Die Gesamtlänge über Puffer gemessen beträgt13.670 mm. Der Wagen ruht auf zwei zweiachsi-gen Drehgestellen von 1.800 mm Radstand. DerRaddurchmesser beträgt 850 mm. Der Antrieb er-folgt durch zwei je 75-PS-NAG-Motoren, die anden Stirnseiten im Wagenkasten fest gelagert sind.Zur besseren Kühlung der Motoren wurde kurznach Inbetriebnahme im Führerstande ein Schacht,der schornsteinartig aus der Wagendecke heraus-ragt, zum Absaugen der warmen Luft eingebaut.Die Kraftübertragung erfolgt über Wechsel- undWendegetriebe, welche ebenfalls mit dem Wagen-kasten fest verbunden sind, auf die beiden innenliegenden Achsen der Drehgestelle. Die Achsenund der Wagenkasten sind durch Blattfedern abge-federt. Der Lauf der Wagen ist ein vollkommenruhiger.

Motor und GetriebeWas ... die Bauart der Triebwagenmoto ren anbe-trifft, so muß auf reichliche Dimensionierung desLagers geachtet werden, um häufige Überholungenzu vermeiden. Von einem hetriebssicheren Motormuß eine Leistung von etwa 40.000 bis 50.000 kmohne Überholung verlangt werden. Diesen Anfor-derungen entspricht der NAG-Motor, der Merce-des-Motor jedoch nicht voll, weil er für ... Flugzeu-ge gebaut worden ist. Der von den Deutschen Wer-ken neuerdings konstruierte Motor dürfte für Trieb-wagenzwecke geeigneter und dem NAG-Motorgleichwertig sein. Über den Ein- bzw. Zweimoto-

renantrieb läßt sich noch sagen, daß letzterem in-folge höherer Betriebssicherheit der Vorzug zu ge-ben ist, obgleich der Brennstoffverbrauch, wie diespäterhin folgenden Zahlen zeigen werden, beimZweimotorenwagen ein größerer ist.Bei beiden Wagentypen wurde der B r e n n s t o f fzum Vergaser durch Unterdruckförderer zugeführt.Diese Einrichtung hat wiederholt zu Betriebsstö-rungen Veranlassung gegeben und die Einführungvon Fallbenzol zweckmäßig erscheinen lassen. Beiden beiden DW-Wagen sind deshalb die Benzol-tanks auf das Dach verlegt worden. Gleichzeitigwurde bei dieser Gelegenheit die Anzahl der Tanksvon zwei auf drei erhöht, so daß jetzt eine Brenn-stoffmenge von 315 1 mitgeführt werden kann. Beiden beiden AEG-Wagen, die allerdings mit kleine-ren Fallbenzolbehältern von je 25 1 für den Notfallausgerüstet sind, soll diese Umänderung demnächstausgeführt werden.Als Brennstoff wird reines Zechenbenzol mit ei-nem spezifischen Gewicht von 0,880 kg/l bei 15O

verwandt, das sich bisher am wirtschaftlichsten er-wiesen hat und mit welchem der Motor am zuver-lässigsten arbeitet. Um einen billigeren Brennstoffzu finden, sind umfangreiche Versuche, insbeson-dere mit Gemischen, angestellt worden. Das Ergeb-nis war aber immer ein ungünstiges; der durch nie-drige Anschaffungskosten erzielte Vorteil gehtdurch Mehrverbrauch und geringe Kraftleistungverloren.Die beiden DW-Wagen sind mit einem mittelsHandrad mechanisch gesteuerten Durchgangs-schalt g e t r i e b e ausgerüstet, dessen Bedienungzur Vermeidung eines frühzeitigen Verschleißesder Zahnräder und Erreichung eines geräuschlosenSchaltens eine gewisse Geschicklichkeit des Fah-rers erfordert. In Verbindung hiermit verlangt auchdie von Fuß zu bedienende Kupplung besondereSorgfalt. Beim AEG-Wagen, bei dem die Zahnrä-der dauernd im Eingriff bleiben und das Schaltender Gänge mittels elektropneumatisch gesteuerterKupplungen erfolgt, ist die Bedienung wesentlicheinfacher. Der Verschleiß am letzten Getriebe istäußerst gering. Lediglich sind in gewissen Zeitab-schnitten die Kupplungsbeläge zu erneuern, undzwar– die Backen des ersten Ganges (Ferrodoasbest)

nach etwa 55.000 bis 60.000 km,– die Backen des zweiten Ganges (Gußeisen) nach

etwa 20.000 km,– die Backen des dritten Ganges (Gußeisen) nach

etwa 30.000 km.

– Die Backen des vierten Ganges sind bisher nochnicht ausgewechselt worden, obwohl jeder Wa-gen bereits über 80.000 km zurückgelegt hat.

Das zunächst nicht ganz stoßfreie Anfahren desAEG-Wagens ist durch verzögerten Lufteintritt indas Schaltventil für den ersten Getriebegang da-durch erreicht worden, daß in den Lufteintrittska-nal eine Düse von 0,6 mm eingesetzt worden ist.Ein Neuauffüllen des Motors und des Getriebes mitÖ l erfolgt zweckmäßig nach etwa 10.000 km. Essoll hiermit nicht gesagt sein, daß dann das Öl hin-sichtlich Schmierfähigkeit und Beschaffenheit alsverbraucht zu bezeichnen ist. Es erscheint abernach einer derartigen Leistung eine Reinigung derMaschinenanlage geboten, und da außerdem dasabgelassene Öl nach Filtrierung zu anderen Zwek-ken, beispielsweis Lagerschmierung, verwandtwerden kann, ist Auffüllen mit frischem Öl ratsam.Beim AEG-Wagen wird allerdings das Getriebeöldurch die Rückstände der verschlissenen Kupp-lungsbacken stark mit Gußstaub durchsetzt. Es istdaher vorgesehen, bei Ersatz von Kupplungsbelä-gen an Stelle der gußeisernen nur noch solche ausJurid zu verwenden.

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 33

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Beheizung der AnhängerBesondere Schwierigkeiten bereitete ursprünglichdie Behe i zung de r Anhängewagen . Da die-se nicht dauernd mit dem Triebwagen verbundenbleiben, sondern entsprechend dem jeweiligen Ver-kehrsbedürfnis an- oder abgehängt werden, konntenur eine Heizung in Frage kommen, die bei mög-lichst einfacher Bedienung ein verhältnismäßigschnelles Beheizen der angehängten Wagen er-möglichte. Auch Preßkohlenheizung kam wegendes unsauberen Betriebes nicht in Betracht. Eswurden die verschiedensten Möglichkeiten in Er-wägung gezogen, z. B. Anschluß an die Kühlwas-serheizung des Triebwagens, Verwendung derAuspuffgase des Motors, elelktrische Heizung,Warmwasserheizung, Warmluftheizung usw. Diepraktische Durchführung bereitete aber zu große,wenn nicht unüberwindliche Schwierigkeiten. Die Wahl fiel zum Schluß auf eine Niederdruck-dampfheizung mit Kohlenfeuerung, die den Vor-zug hat, daß die Heizeinrichtung der Lokomotiv-dampfheizung mit verwendet werden konnte. DerDampfkessel von 1,8 qm Heizfläche ist in demPackabteil untergebracht. Die Heizanlage ist derartdimensioniert, daß noch zwei weitere Anhängewa-gen beheizt werden können. Das Kondensat wirdzurückgewonnen und einem unter dem Packabteilliegenden Boiler von 400 1 Inhalt zugeführt, auswelchem mittels Handpumpe ein Nachspeisen desHeizkessels erfolgt. Die Anhänger sind für elektrische Beleuchtung ein-gerichtet. Der Strom kann einmal der 12-Volt-Bosch-Anlage des Triebwagens oder der in diePackwagen eingebautem und von der Zugbeleuch-tungsgesellschaft gelieferten 24-Volt-Anlage ent-nommen werden. Dementsprechend ist je einStromkreis von 12 und 24 Volt verlegt.

BetriebserfahrungenBeide Wagentypen sind für die Beförderung einesGesamtzuggewichtes von 60 t bei 40 km/h in derhorizontalen gemessen, geliefert und genügen auchdieser Anforderung. Es können hiernach zwei bisdrei besetzte Anhängewagen geschleppt werden.Als Anhänger werden zweiachsige, auf Rollenla-gern laufende Durchgangswagen mit je 50 bis 60Sitzplätzen oder kombinierte Wagen mit einemPack- bzw. Pack- und Postabteil und einem Leer-gewicht von 10 bis 13 t verwandt. Das Anlaufeneines hiernach gebildeten Triebwagenzuges mitzwei besetzten Anhängern bis zur Erreichung desBeharrungszustandes erfolgt in etwa 2 1/2 Minuten.

Als T r i e b w a g e n f ü h r e r wurden zuerst ältereLokomotivführer ausgebildet, die trotz großen In-teresses sich mit der Arbeitsweise und der Wartungder Verhrennungsmotoren nicht ganz vertraut ma-chen konnten. In der ersten Betriebszeit sind natur-gemäß hierdurch häufiger Störungen eingetreten.Inzwischen haben sich aber jüngere Lokomotivfüh-rer und Heizer zu guten Triebwagenführern ausge-bildet. Wo die Personalverhältnisse die Annahmeneuer Leute gestatten, ist es zweckmäßig und zurVermeidung von Enttäuschungen sogar notwendig,Motorenschlosser, Kraftwagen- oder ehemaligeFlugzeugführer als Triebwagenführer einzustellen.Bei den Bau der Tr i ebwagenha l l e ist von derbisher allgemein üblichen Grubenanordnnng abge-gangen worden, indem der Fußboden der einenHälfte der Halle etwa 1,20 m unter Schienenober-kante verlegt wurde. Die Schienen sind freitragenddurch eine Brückenknostruktion abgestützt. Hier-durch ist eine besondere Zugänglichkeit der ganzenMaschinenanlage und damit die Möglichkeit einerbesseren Wartung erreicht worden. Bei den vor-handenen vier Triebwagen waren für die Unterhal-tung, einschließlich der oben angeführten Umbau-arbeiten, erforderlich: ein Vorschlosser, dreiSchlosser und ein Putzer. Nach Beendigung derUmbauarbeiten sind noch zwei Schlosser, die au-ßerdem kleinere Nebenarbeiten verrichten, und einPutzer erforderlich.Die aus der Aufstellung der Leistungs- und Ver-brauchsangaben über die bisherigen Monate er-sichtlichen Unterschiede im Benzol- und Ölver-brauch sind durch den jeweiligen Zustand der Ma-schinenanlage, die Witterung und die Geschick-lichkeit des Fahrers bedingt. Die reinen B e t r i e b s k o s t e n der Dampfzüge inder eingangs erwähnten Stärke für 1 Zugkm betra-gen etwa 0,70 M und für einen Sitzplatzkm 0,8 Pf.Als die Triebwagen in Auftrag gegeben wurden,kostete die Tonne Lokomotivstückkohle 28 M ge-genüber heute 19,50 M, Zechenbenzol dagegen 35M gegenüber 18 bis 19 M jetzt. Es ist ohne weite-res zu ersehen, daß die reinen Betriebskosen imLokomotivbetrieb trotzdem wesentlich höher ge-blieben sind. Soweit bisher festgestellt wurde, sinddie Instandsetzungs- und Unterhaltungskosten fürTriebwagen- und Lokomotivbetrieb in etwa gleichzu setzen; auf keinen Fall sind diese Kosten derTriebwagen höher. Wenn man berücksichtigt, daßfür einen Triebwagen mindestens eine Lokomotiveund ein Anhänger zu setzen sind, sind die Kostenfür Triebwagen günstiger.

VersuchstriebwagenVor kurzer Zeit wurde der Krefelder Eisenbahn einvon den Firmen Krupp , Es sen , und Waggon-f a b r i k U e r d i n g e n gebauter Benzoltriebwagenzu Versuchszwecken übergeben. Dieser vierachsi-ge Wagen hat seine beiden Antriebsmaschinensät-ze getrennt in den Drehgestellen eingebaut. Jederder beiden Vier-Zyhinder-Benzolmotoren hat eineLeistung von 75/100 PS bei 1.000/1.100 Umdre-hungen je Minute.Vom Motor wird das Drehmomemt über eine ein-fache Konuskupplung auf das Stufengetriebe über-tragen. Letzeres hat drei Stufen, die durch elektro-magnetische Federbandreibungskupplungen ge-schaltet werden, während die schrägverzahntenZahnräder stets im Eingriff sind. Die Schmierungdes Getriebes erfolgt durch Zahnradpumpe undDüsen; ebenso die der Federbandreibungskupplun-gen und Eingriffsstellen der Zahnräder. Vom Stu-fengetriebe wird die Kraft über eine Kardanwellezum Wendegetriebe übertragen, das auf der An-triebsachse sitzt. Die Schaltung für Vorwärts- undRückwärtsgang erfolgt durch eine Keilbüchse, diejeweils das eine oder andere der auf der Achse leerlaufenden Kegelräder mit der Achse verbindet. Miteinem der beiden Stufengetriebe ist ein Knorr-Kompressor V 56/600 st., mit dem anderen Stufen-getriebe eine Lichtmaschine, Bauart Rosenberg,von 0,625 kW verbunden, die ihrerseits in bekann-ter Weise auf eine Batterie arbeitet.Die Schaltung bzw. Führung des Wagens erfolgtjeweilig von einem der beiden abgeschlossenen,geräumigen Führerstände aus. Die Steuerung ist fürdie Stufengetriebe rein elektrisch, Wendegetriebeelektrisch-pneumatisch, Brennstoffregulierung,Ausrückvorrichtung der Motorkupplungen, Signaleund Bremse pneumatisch. Zur Heizung des Wa-gens dienen die Abgase des Motors.Durch die Ausbildung der Steuerung ist die Mög-lichkeit gegeben, die beiden Maschinensätze in je-der Kombination arbeiten zu lassen. Indessen läuftder Kompressor und die Dynamo stets mit, sobaldder Wagen sich in Bewegung befindet.

34 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

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Der Wagen hat folgende Abmessungen:

Länge über Puffer gemessen 15,34 mBreite des Kastens 3,00 mDrehzapfenentfernung 7,30 mAchsstand im Drehgestell 2,60 mGesamt-Achsstand 9,90 mRaddurchmesser 850 mmSpurweite 1.435 mmAnzahl der Sitzplätze 66Anzahl der Stehplätze 20Gewicht des Wagens 25 t

Die Betriebsergebnisse dieses Wagens werdendemnächst bekanntgegeben.

Nach Einführung der Triebwagen und der hier-durch möglichen dichteren Zugfolge hat sich dieAnzahl der beförderten Personen um 41 v. H. ge-steigert.Zusammenfassend kann gesagt werden, daß mitVerbrennungstriebwagen ein sauberer, zuverlässi-ger und wirtschaftlicher Betrieb durchzuführen ist,jedoch ist hierzu ein großes Interesse aller Beteilig-ten, bis zum Putzer herunter, notwendig. Leiderstehen zurzeit die hohen Anschaffungskosten einerallgemeinen und schnelleren Einführung hinderndentgegen. Wenn weiterhin die Hoffnung der deut-schen Wissenschaft auf baldige Herstellung einesbilligen Brennstoffes für Benzolmotoren in reichli-cher Menge aus inländischen Urstoffen erfülltwird, oder der schon lange erwartete betriebssiche-re Rohölmotor für Triebwagenzwecke gebaut seinwird, ist an der Wirtschaftlichkeit der Verbren-nungstriebwagen gegenüber dem Dampfbetrieb beiden meisten Neben- und Kleinbahnen nicht mehrzu zweifeln.

Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 35

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Mitte und unten: Diagramme von Laufleistungen und spezifi-schen Benzolverbräuchen der vier Triebwagen

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Fleck beschrieb in [1] die zwei von den DeutschenWerken Kiel (DWK) gebauten regelspurigenTriebwagen vom Typ IV A mit einem einteiligenWagenkasten auf zwei Drehgestellen. Das Konzeptvon DWK unterschied sich dabei von denen ande-rer Hersteller durch den zwischen den Drehgestel-len aufgehängten Maschinenrahmen, der nebendem Vorzug der leichten Tauschbarkeit der Ma-schinenanlage (Benzolmotor, Zahnrad-Schaltge-triebe, elektr. Anlasser) Vibrationen und Geräuschevom Wagenkasten fernhielt. Statt eines eigenstän-digen Fahrzeugrahmens waren die unteren Lang-träger der in Ganzstahl-Bauweise hergestelltenWagenkästen zur Aufnahme der Längskräfte ent-sprechend verstärkt. Angetrieben wurden die bei-den inneren Radsätze der Drehgestelle, die Achs-folge lautet demnach (1A)´(A1)´.

Triebwagen vom Typ IV hatten neben einer Längevon rund 13,5 m, einem Leergewicht von 18 – 20 teine Kapazität von 50 Sitz- und 10 Stehplätzen,doch besaßen die hier behandelten nur 42 Sitz- und8 Stehplätze und wogen 22 t. Das lag an der einge-bauten Anlage zur Vergasung fester heimischerBrennstoffe statt flüssigem Benzols, die Fleck sobeschreibt:

„Die Sauggaserzeuger – zwei Stück für jeden Wa-gen – wurden auf Veranlassung der Bestellerin vonder Firma Niebaum & Gutenberg, A.-G., Herford i.W. bezogen...

Die Sauggaserzeuger bestehen aus kräftigen, guß-eisernen Gefäßen von etwa 1 m Durchmesser und1,3 m Höhe. Mit dem Kohlentrichter, der auf demDeckel aufgebaut ist, erfordern sie in der Höheeinen Platz von 1,8 m. Sie wiegen zusammen 2 t,also 10 v. H. des Wagengewichts, im Gegensatz zuden Akkumulatoren-Triebwagen der Reichsbahn,bei denen das Gewicht der Sammlerbatterie 25 v.H. ausmacht. Die Gaserzeuger sind bei dem einender Wagen in der Mitte aufgestellt und von außenzugänglich, bei dem anderen in der Nähe des Füh-rerstandes und von einem besonderen Raum aus zubedienen. In den gußeisernen Gefäßen sind sämtli-che für die Herstellung des Sauggases erforderli-chen Einrichtungen, und zwar der Gasofen, dasWasserdampfgefäß, der Naß- und der Trockenrei-niger, untergebracht. Das Gefäß ist mit einem guß-eisernen, vollkommen dicht schließenden Deckelabgeschlossen...

Sauggas aus deutscher Kohle ist ein deutsches Er-zeugnis, das an unseren Kohlenvorräten spart unduns unabhängig vom Auslande macht, währendBenzol volkswirtschaftlich hierzu im Gegensatzsteht.“

Doch war der Sauggas-Antrieb wohl nicht ausge-reift, wie Fleck anklingen läßt: „Die wichtigstenFragen des Sauggasbetriebes sind gelöst, aber vie-

les wird noch zu verbessern und zu vervollkomm-nen sein. Mögen sich recht bald Männer finden, diebereit sind, an dieser für die Allgemeinheit hochbe-deutsamen Aufgabe weiterzuarbeiten.“ Keine dreiMonate nach Erscheinen des Beitrages wurdennach Löttgers die Anlagen im Herbst 1924 gegenein Konkurrenzprodukt (Ipagnom-Generator) derBerliner Fa. Julius Pintsch ausgewechselt.

Fleck berichtet, daß die DEBG die 1923 bestelltenTriebwagen von Anfang April bis Mitte Mai 1924eingehenden Versuchsfahrten auf der Strecke Vor-wohle – Emmerthal unterzog. Dabei wurden auchein oder sogar zwei mit Ballast versehende Wagenmitgezogen, die Fahrzeiten nach Fahrplan abgefah-ren und je Triebwagen etwa 3.000 km Strecke zu-rückgelegt. Gefahren wurde mit der Strecken-höchstgeschwindigkeit von 35 km/h, und in Stei-gungen 1 : 25 zugleich in Gleisbögen von 200 mschaffte ein Triebwagen mit einem Beiwagen noch25 km/h. Dabei fanden auch Vergleichsfahrten miteiner Dampflok und zwei Personenwagen gleicherKapazität wie der Triebwagenzug statt. In den letz-ten Maitagen wurden die Triebwagen proberevisio-niert, um Beschädigungen aus dem Probebetrieb zuentdecken. Fleck schreibt dazu:

„An den Wagenkästen selbst wurden keine Mängelvorgefunden. Auch der maschinelle Teil erwiessich durchweg als gut durchgearbeitet, insbesonde-re gaben die 6-Zylinder-Motoren keinen Anlaß zuAnständen. Als äußerst wertvoll erwies sich dieAuswechselbarkeit der Maschinenanlage. In denSchuppen ist ein Platz für das Reserve-Maschinen-gestell eingebaut worden, dazu eine kleine Vor-richtung zum Ausfahren und Absetzen der Maschi-nenanlage und zum Heranholen der Reserveanla-ge. Die Auswechselung einschließlich Anheben desWagenkastens und Wiederaufsetzen nimmt nichtganz zwei Stunden in Anspruch. Es ist auf dieseWeise möglich, die Maschinenanlage eines jedenWagens planmäßig in bestimmten Zeiträumen aus-zuwechseln und eines der vorhandenen Maschinen-gestelle jedesmal gründlich zu überholen.

Wie oft das Auswechseln im Betriebe nötig seinwird, läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen. Ausder Tatsache, daß jeder Wagen während der Ver-suche 3.000 km zurückgelegt hat und die genauenNachprüfungen bei den beiden Maschinengestellenergeben haben, daß nennenswerte Abnutzungenoder Beschädigungen nicht gefunden wurden, läßtsich ein ungefähres Bild gewinnen. Bei dem jetzi-gen Fahrplan soll jeder Wagen etwa 150 km amTage fahren. 3.000 km entsprechen also 20 Tages-fahrten. Es wird anzunehmen sein, daß zunächsteine allmonatliche Auswechselung der Maschinen-anlage ausreichen wird. Der Ölverbrauch der Wa-gen hielt sich in den von dem Herstellerwerk ange-gebenen Grenzen. ...

Im allgemeinen kann gesagt werden, daß Triebwa-gen mit Verbrennungsmotoren, gleichgültig ob siemit Benzol, Schweröl, Rohöl, Sauggas oder der-gleichen betrieben werden, eine recht sorgfältigeAusbildung der Führermannschaft erfordern. Derwesentliche Unterschied des Verbrennungsmotorsgegenüber der Dampfmaschine besteht darin, daßer nicht in demselben Maße überlastungsfähig istwie diese. Dies muß dem Führeranwärter in ersterLinie klargemacht und es muß von vornherein dar-auf gehalten worden, daß er dementsprechendfährt. Plötzliche Geschwindigkeits- und Bela-stungswechsel müssen unbedingt vermieden wer-den. Er muß es lernen, das Umschalten von einerGetriebestufe auf die andere beim Wechsel vonSteigungen so rechtzeitig vorzunehmen, daß er dievorhandene Anlaufgeschwindigkeit ausnutzt. Ingleicher Weise muß er beim Anfahren vorsichtigvorgehen.

Welche Aufwendungen die Triebwagen im Laufeder Zeit für ihre Unterhaltung im Betriebe und fürAusbesserungen in der Werkstatt erfordern wer-den, läßt sich nach den Versuchen mit Sicherheitnoch nicht angeben. Es ist erforderlich, daß nachBeendigung jeder Tagesfahrt sämtliche bewegli-chen TeiIe genau nachgesehen werden und das Ab-ölen vor Beginn sorgfältig vorgenommen wird.Diese Arbeiten kann der Triebwagenführer ohneHilfe allein besorgen.

Ferner muß grundsätzlich angestrebt werden, daßkeinerlei Ausbesserungen in der Werkstatt ausge-führt werden, so daß sofort ein Ersatzteil bereit-liegt und eingebaut werden kann. Sehr vorteilhaftist hierfür, daß das Maschinengestell innerhalbkurzer Zeit ausgewechselt werden kann. Außerdemsind von der Erbauerin gewisse Ersatzteile bei derAnlieferung mitgeliefert worden, und es wird dieweitere Aufgabe des Betriebes sein festzustellen, obsie ausreichen und welche Teile dauernd vorrätigzu halten sind. Es muß im Laufe der Zeit möglichsein, daß die Triebwagen unabhängig von irgend-einer Werkstatt in jedem noch so kleinen Betriebeingestellt werden können.

Hierbei dient als lehrreiches Vorbild der Kraftwa-gen, dessen allgemeine Einführung nur dadurchmöglich geworden ist, daß man gezwungen war,nur mit Ersatzteilen zu arbeiten. Die Befürchtung,die von verschiedenen Seiten gehegt wird, daß esbei kleinen Privatbahnen, auf denen sich keine gutausgerüsteten Ausbesserungswerkstätten befinden,nicht möglich sei, Triebwagen einzustellen, isthiernach nicht begründet. Selbstverständlich mußder Schuppen mit einer Revisionsgrube und einerVorrichtung zum Anheben des Wagenkastens aus-gerüstet sein. Werkstättenanlagen mit allen mögli-chen Werkzeugmaschinen sind jedoch keineswegsnötig.

Die Behandlung der Triebwagen im Betriebe erfor-dert eine gewisse Umstellung der beim Dampfbe-trieb eingebürgerten Begriffe. Dazu gehört, daßman sich von der durchaus nicht gerechtfertigtenVorstellung freimacht, daß der Eisenbahnbetriebnur ein rauher Betrieb sein könne und alle Einrich-tungen zu verwerfen seien, die einer vorsichtigenBehandlung bedürfen. Es sei an die Einführung derHeißdampflokomotiven, der Vorwärmer, der elek-

36 Die Museums-Eisenbahn 3/2002 Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen

Von der Westfälischen Landes-Eisenbahn (WLE) ist ein Vorgang überliefert (Slg. Dieter We-ber-Werning), in dem es um den möglichen Ankauf von zwei gebrauchten Triebwagen ging.Jene bot die Deutsche Eisenbahn-Betriebs-Gesellschaft (DEBG) an, und trotz des anscheinendsehr günstigen Angebotspreises griff die WLE nicht zu. Der damalige Direktor der DEBG, Re-gierungs- und Baurat a. D. Fleck hat über diese Fahrzeuge 1924 einen Fachartikel [1] veröf-fentlicht. Dr. Löttgers hat zu diesen Triebwagen bereits das Wesentliche recherchiert und ver-öffentlicht [2] [3], doch erscheint ganz interessant, wie die WLE vor 75 Jahren an den mögli-chen Kauf heranging und was sie dabei über die Triebwagen herausbekommen hat.

Wolfram Bäumer

Angebot der Triebwagen DEBG 201 und 202

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trischen Lokomotiven und Triebwagen usw erin-nert: Dasselbe, was hier erreicht worden ist, mußbeim Verbrennungs-Triebwagen ohne weiteresauch möglich sein. Die Frage der Bewährung derVerbrennungs-Triebwagen ist im wesentlichen einePersonalfrage.“

Ab 1. 6. 1924 setzte die DEBG beide Triebwagenim Regelverkehr auf der Strecke Vorwohle – Em-merthal ein. Die Fahrzeuge waren nicht ganz bau-gleich: Wagen DEBG 201 (Fabr.-Nr. 49) hatte denGasgenerator in Fahrzeugmitte, besaß ein Abortund gehörte somit zum Typ IV A. Wagen DEBG202 (Fabr.-Nr. 50) hatte den Gasgenerator am Wa-genende und verfügte über ein Gepäckabteil.

Als der Verein Deutscher Ingenieure vom 21. 9. bis5. 10. 1924 eine Fachtagung in Berlin veranstaltete,zu der es auf dem nahegelegenen Verschiebebahn-hof Seddin eine Eisenbahntechnische Ausstellunggab, führte DWK den Triebwagen 202 dort demFachpublikum vor. Doch 2 1/2 Jahre später wurdenbeide Triebwagen wie „Sauerbier“ angeboten,Bahneinkauf-Gesellschaft (BEKA), 1. 4. 1927:

„Wir offerieren Ihnen hiermit einen Benzoltrieb-wagen, der 1924 von den Deutschen Werken er-baut ist. Alles Nähere ersehen Sie aus der beige-fügten Beschreibung (s. Kasten n S., d. Red.). DerPreis für den Wagen, der vor kurzer Zeit vollkom-men überholt und mit neuem Innen- und Außen-anstrich versehen ist, beträgt RM 37.500. EinGeschäft wird erst perfekt, wenn unsere schriftli-che Bestätigung Ihnen vorliegt. Wir bitten um Mit-teilung, ob Sie Interesse für den Wagen haben.“

Tatsächlich beschäftigte sich die WLE mit der Be-schaffung von Triebwagen. Im Vorgang gibt es ei-nen Hinweis, daß zumindest eine Angebotsverbes-serung durch Einsatz eines Triebwagens auf derSennebahn Wiedenbrück – Sennelager diskutiertwurde. Der Personenverkehr auf dieser Strecke mitvier Dampfzugpaaren war von Beginn an schwach,weil die WLE-Züge an beiden Streckenenden vor

Oben und Mitte: Außen- und Innenansichten der DEBG-Triebwagen aus Verkehrstechnik 27/1924

Unten: zwei weitere Innenansichten aus einem DWK-Prospektvon 1924, die allerdings einen anderen Triebwagen vom TypIV zeigen.

Alle Zchn. und Fotos: Slg. Dietmar Weber-Werning

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 39

Links: Angebotsschreiben der DEBG an die WLE vom 4. Juni1927 unterschrieben vermutlich von den beiden Direktoren

Fleck und Melchert sowie die dem BEKA-Angebot vom 1.April 1927 anliegende technische Beschreibung.

Oben: Besonderheit der DWK-Triebwagen war die nicht amWagenkasten befestigte, sondern zwischen den Drehgestellen

aufgehängte Antriebsanlage (heute muß man so etwas„Power-Pack“ nennen, um nicht unverstanden zu bleiben).

Mitte: Sauggasanlage des Triebwagens DEBG 201

Unten: Streckenprofil der Nebenbahn Vorwohle – Emmerthal

Abb. aus Verkehrstechnik 27/1924

den Zielorten Paderborn bzw. Rheda (Umsteigennach Gütersloh und Bielefeld) endeten und man fürdie letzen Kilometer umsteigen mußte. Verhand-lungen, die Züge durchzubinden, waren zunächstan der PESAG, dem Straßenbahn- und Bus-Unter-nehmen in Paderborn mit u. a. einer Straßenbahn-linie Paderborn – Sennelager, und 1924 an derReichsbahn gescheitert.

Die Überlegungen der WLE hatten sich wohl her-umgesprochen, wie ein Schreiben der GothaerWaggonfabrik vom 31. 8. 1926 zeigt: „Es ist unsIhr lebhaftes Interesse bekannt, welches Sie seitlangem der Frage der Benzol- und Dieseltriebwa-gen entgegenbringen. Wir versäumen daher nicht,Sie darauf aufmerksam zu machen, daß wir inzwi-schen für die Deutsche Reichsbahn einen neuarti-gen Triebwagen herausgebracht haben, der auf al-le Fälle eine elegante Lösung einer großen Reihevon einschlägigen Fragen darstellt. Das erste Wa-genpaar wird in diesen Tagen nach Berlin-Grune-wald überführt, während das zweite Wagenpaar ...zu Probefahrten in der hiesigen, teils ebenen, teilsstark gebirgigen Gegend bereitsteht. ... Wir hoffengerne, daß Sie ... sich unserer erinnern werden,wenn Sie sich zur Einführung des unbedingt wirt-schaftlich gewordenen Triebwagenverkehrs auchauf Ihren Strecken entschließen.“ Ein weiteresSchreiben an die WLE konkretisiert den Terminauf Mitte September 1926, doch die WLE antwor-tete am 26. 9. 1926: „... bedauern wir an den Pro-befahrten wegen Beurteilung nicht teilnehmen zukönnen.“

Ein halbes Jahr später war das Interesse der WLEanscheinend noch größer, wie ein Schreiben vom11. 3. 1926 an die Staatsbahn zeigt: „Wir beabsich-tigen zur Hebung des Verkehrs auf einer Streckeprobeweise einen Triebwagen laufen zu lassen. Wirersuchen wg. bald gefl. Mitteilung, ob Sie in derLage sind, uns einen solchen mietweise oder käuf-lich zu überlassen ev. unter welchen Bedingun-gen.“

Das Antwortschreiben des Eisenbahn-Zentralamtesder Deutschen Reichsbahn-Ges. verneinte die Fra-ge, gab jedoch den Hinweis, daß die Gothaer Wag-gonfabrik einen auf eigene Rechnung gebautenTriebwagen anbiete. Auf eine Anfrage der WLEvom 5. 4. verneinte die Gothaer Waggonfabrik am20. 4. 1927 zwar ein Vermietangebot, doch bot sie„... zu einem außergewöhnlich günstigen Preis ...einen gebrauchten, jedoch noch in bestem Zustandbefindlichen Benzol-Triebwagen (CD-bm, 1A,Gew 19,65 t, LüP 12 m, Achsst 5 m, Raddurchm. 1m 24 Sitzpl. III Kl, 25 IV Kl, d. Red) ... zum Preisvon RM 32.000“ an.

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WLE-Aufsichtsratsitzung vom 18. 5. 1927:

„Von der Pesag ist angeregt worden, ihr die Sen-nebahn behufs Einrichtung elektrischen Betriebesmit dichterer Wagenfolge zu verpachten oder zuverkaufen. Excellenz Hoff verweist auf die Konzes-sionsurkunde und auf die Höhe der Anlagekostender Sennebahn (gegen 2 Millionen Mark) und emp-fiehlt, die bereits eingeleiteten Verhandlungen we-gen Verbesserung der Anschlüsse der Sennebahn-züge an die Reichsbahnzüge (Paderborn – Brack-wede) fortzusetzen und weiter die Möglichkeit derEinfügung eines Triebwagens zu prüfen. Aufsichts-rat ermächtigte den Wirtschaftsausschuß und denVorstand im Benehmen mit dem Vorsitzenden desAufsichtsrats nach näherer Prüfung einen solchenzu beschaffen und versuchsweise in Betrieb zu stel-len. Landrat von Laer bittet, diese Entschließungender Westfälischen Landes-Eisenbahn zur Anregungder Pesag dieser baldigst mitzuteilen.“

Prompt erkundigte sich die WLE am 29. 5. bei derGothaer Waggonfabrik nach der Verfügbarkeit desangebotenen Triebwagens, und am 1. 6. besichtigteWLE-Direktor Mumme das gute Stück in Gotha.Anschließend erkundigte er sich am 15. 6. nocheinmal nach dem Verkaufspreis. Weiter heißt es:„Wir werden über den Ankauf bis zum 2. Juli dieEntscheidung treffen.“ Doch mittlerweile hatte die-sen Triebwagen die „Reichsbahn durch HerrnOberbaurat Breuer käuflich erworben“, weshalbdie Gothaer Waggonfabrik am 23. 6. „unseren an-deren Probewagen Nr. 106, der mit dem 75/90 PS-MAN-Dieselmotor ausgerüste ist,“ anbot zum Preis„freibleibend auf etwa RM. 55.000 ab Werk“. DemAngebot lag ein achtseitiger Prospekt bei, der denTriebwagen noch mit dem 75-PS-NAG-Benzolmo-tor beschreibt und im Anschluß an diesen Beitragwiedergegeben ist.

Zurück zu den Sauggastriebwagen DEBG 201 und202: Die DEBG trat am 4. 6. 1927 selbst an dieWLE heran (s. Kasten zuvor). Als Empfänger die-ses Schreibens wird man sich fragen, ob ein demNamen nach deutschlandweit tätiges Unternehmendie Triebwagen nicht auf einer anderen, geeignete-ren Strecke selbst einsetzen möchte, falls die Fahr-zeuge tatsächlich so gut sind, wie behauptet. Dochgenau das dürfte bei der DEBG auszuschließensein, denn von ihren damals betriebenen zehnStrecken waren drei schmalspurig, und fünf der re-gelspurigen Strecken erschlossen (bzw. erschließenz. T. noch heute) Talregionen im Schwarzwaldbzw. Odenwald. Es blieben die beiden Strecken imWeserbergland, auf der Vorwohle-Emmerthaler Ei-senbahn waren die Triebwagen schon, und dieKleinbahn Voldagsen – Duingen – Delligsen ge-hört auch nicht zu den Flachlandstrecken.

Daß die Triebwagen bereits nach zwei Jahren imHerstellerwerk grundüberholt wurden und einer derbeiden Triebwagen sogar einen neuen Motor erhal-ten mußte, sollte einen Leser stutzig werden lassen.Nun gut, gescheitert war wohl der Sauggas-An-trieb, so daß DWK bis Juli 1926 die Triebwagenklassisch auf Benzol-Antrieb umbaute. Dann machtallerdings die Aussage stutzig, beide Triebwagenwürden nach ihrem Umbau geschont, um sie besserverkaufen zu können. Denn Neumaterial fast einJahr lang nicht einzusetzen, obwohl Abschreibun-gen und ggf. Finanzierungskosten weiterlaufen, istnur dann glaubhaft, wenn das bewußte Materialnun wirklich völlig unbrauchbar ist.

Auf das Schreiben der DEBG scheint ein Telefonatzwischen den Direktoren von WLE und DEBG

stattgefunden zu haben, denn so erhält das folgendeSchreiben einen Sinn. DEBG an WLE, 9. 6. 1927:

„Wir beziehen uns auf die heutige Unterredung Ih-res Herrn Direktor Mumme mit dem Rechtsunter-zeichneten (Melchert, WB). Zu unserem Bedauernkönnen wir uns nicht entschließen, Ihnen eine derin unserer Hand befindlichen Zeichnungen derTriebwagen zu überlassen, weil wir von jederZeichnung nur ein Exemplar besitzen und keineZeichnung deshalb entbehren können.

Wir haben aber den Ausweg gefunden, daß wirsämtliche Zeichnungen nach Bodenwerder gesandthaben, damit sie dort denjenigen Herren, die sichfür den Ankauf unserer Wagen interessieren, zurEinsichtnahme vorgelegt werden können. Fernerwird unser Herr Oberingenieuer Welle, falls derLinksunterzeichnete (Fleck, WB) keine Gelegen-heit hat, nach Bodenwerder zu kommen, jederzeitbereit sein, bis ins einzelste Auskunft zu erteilen.Wir hoffen, daß wir Ihnen mit unserer Maßnahmegedient haben. Wir möchten aber noch ausdrück-lich erwähnen, daß sich mehrere Verwaltungen fürden Ankauf unserer Wagen bereits interessierenund mit uns in Verhandlungen stehen, so daß es fürSie wohl wünschenswert wäre, wenn Sie bald ent-sprechende Schritte einleiten könnten.“

WLE-Wirtschaftsausschuß-Sitzung vom 14. 6. 27:

„Direktor Mumme gibt die von ihm eingezogenenAngebote auf Benzoltriebwagen bekannt. Das An-gebot der Deutschen Eisenbahngesellschaft aufAbgabe von 2 gebrauchten 4achsigen Benzoltrieb-wagen zu je 100 PS bei der Eisenbahn Vorwohle –Emmerthal, die dort für die starken Steigungen von1 : 50 nicht ausreichend waren, zum Preise von 65– 70.000 RM wird noch weiter geprüft werden.“

WLE an DEBG, 15. 6. 1927:

„Wir beabsichtigen am Sonnabend dem 25. Juninach Bodenwerder zur Besichtigung der beidenTriebwagen zu fahren und bitten, Ihrem HerrnOberingenieur Welle entsprechende Mitteilung zumachen.“

WLE an DEBG, 27. 6. 1927:

„Wir haben die Triebwagen am 25. 6. in Boden-werder-Linse besichtigt und sind nicht abgeneigt,dieselben zu übernehmen. Die eingehende Untersu-chung der Wagen wird am Sonnabend den 2. Juliunser Eisenbahn-Amtmann Herr Regen vorneh-men. Wir bitten, Ihren Herrn Oberingenieur Welleentsprechend zu benachrichtigen. Ferner beabsich-tigen wir am Sonnabend den 9. Juli nachmittagsgegen 2 Uhr eine längere Probefahrt zu machenund ersuchen, auch hierfür das Weitere zu veran-lassen. Zur weiteren Verhandlung werden wir dannnach Berlin kommen.“

DEBG an WLE, 29. 6. 27:

„Wir bestätigen dankend den Empfang des neben-stehenden gefl. Schreibens und haben gern erse-hen, daß Sie nicht abgeneigt sind, unsere in Boden-werder besichtigten Triebwagen zu übernehmen.Wir haben entsprechend Ihrem Wunsche HerrnOberingenieur Welle benachrichtigt, daß Ihr HerrEisenbahn-Amtmann Regen am Sonnabend, den 2.Juli eine eingehende Untersuchung der Wagennoch vornehmen will und daß am Sonnabend, den9. Juli nachmittags gegen 2 Uhr eine längere Pro-befahrt stattfinden wird, wozu die nötigen Vorbe-reitungen getroffen werden sollen. Unsere Direk-toren sind verhindert, an der Probefahrt teilzuneh-

men und wird an deren Stelle Herr OberingenieurWelle die zur Probefahrt erscheinenden Herrenbegleiten. Mit Rücksicht auf die Abwesenheit bei-der Direktoren von Berlin bitten wir, die weiterenVerhandlungen erst gegen Ende Juli stattfinden zulassen. Falls ein früherer Termin möglich ist, wer-den wir uns erlauben, Ihnen hiervon Kenntnis zugeben.“

WLE an Eisenbahn-Amtmann Regen, Bad Pyr-mont, 27. 6. 1927:

„Abschrift übersenden wir zur Kenntnisnahme.Zeichnungen sind bei dem Herrn OberingenieurWelle in Bodenwerder einzusehen. Wir legen be-sonders Gewicht darauf, daß die Wagenunterge-stelle, Drehgestelle und Motoren eingehend auf ih-ren Zustand untersucht werden. Da die Angelegen-heit sehr eilt, ist es notwendig, die Besichtigung be-reits am Sonnabend dem 2. 7. 27 vorzunehmen undden Bericht umgehend nach hier einzusenden.“

Regen setzte seine Schreiben handschriftlich inSütterlin auf (s. Kasten rechts) und richtete an dieWLE, 29. 6. 27:

„Die Besichtigung der Wagenuntergestelle, Dreh-gestelle und Motoren der fragl. Triebwagen sollam Sonnabend den 2. 7. erfolgen. Dem p. Schnitt-ger ist Fahrplan und Treffpunkt durch die Hvksaufzugeben. Zwecks Orientierung über die Art derAnsteuerung wäre mir die vorherige Zusendung et-waiger vorhandener Beschreibungen der Wagensehr erwünscht. Bericht über das Ergebnis der Un-tersuchung der Fahrzeuge folgt im Anschluß daranumgehend.“

WLE an Regen, 30. 6. 27:

„Die Zeichnungen legt Herr Oberingenieur WelleIhnen vor.“

Regen an WLE (s. Kasten rechts), 4. 7. 27:

„Zurückgereicht. Die Besichtigung der beidenTriebwagen Fabr. 49 und 50 hat am 2. 7. 27 inBodenwerder stattgefunden. Den am längsten imBetriebe befindlichen, älteren Wagen Nr 49 (mitdem Flugzeugmotor) ließ ich hochnehmen, wäh-renddessen mit dem neueren Wagen Nr. 50 einekurze Fahrt ausgeführt wurde. Eine Anzahl Zeich-nungen der Wagen und ihrer Einzelteile wurdenmir seitens d. H. O.Ing. Welle vorgelegt und wur-den eingesehen.

Die Wagen entsprechen im Wesentlichen der vor-gehefteten Beschreibung und soweit feststellbarhinsichtlich Bauart, Zug- und Stoßvorrichtungenusw. den Techn. Vereinbarungen. Die letzte bahn-amtliche Untersuchung der Wagen hat im Juli1926 stattgefunden, so daß dieselben lauffähig sindund sofort in Betrieb genommen werden können.

Die Umgrenzung der Fahrzeuge ließ sich nicht inallen Abmessungen nachprüfen, jedoch erklärtemir H. Obering. Welle, daß diese Wagen seitensder Dir. Hannover bereits für den öffentl. Verkehrauf Nebenbahnen zugelassen waren, so daß unzu-lässige Abweichungen hinsichtl. der Umgrenzungder Wagen nicht in Betracht kommen dürften.Trotzdem wurde die „größte Breite von 3.18 müber alle Teile gemessen“ von mir beanstandet,weil die Wg. in unserem Bereich u. bes. in Kurvenvon 180 m Radius verwendet werden u. die obigeBreite entsprechend dem Nachtrag V zu den Techn.Vereinbarungen § 117 Tafel XVIc beiderseits anden Trittbrettern um etwa 25 – 30 mm einge-schränkt werden muß. Letzteres läßt sich ohne er-hebliche Kosten bewerkstelligen.

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 41

Der Unterhaltungszustand ließ außergewöhnl.Mängel bzw. übermäßige Abnutzung nicht erken-nen. Insbesondere waren die Radreifen im Lauf-kreise sowohl, wie an den Spurkränzen wenig ab-genutzt u. die Achsschenkel bislang nicht durchAbschleifen oder Abdrehen geschwächt. Desgl.sind Wagenuntergestell u. Drehgestell an den ge-fährl. Querschnitten und Nietverbindungen, soweitfeststellbar, noch verhältnismäßig gut erhalten.

Am Wagen Nr. 50 sind die Querträger unterhalbdes Wagenkastens, welche die Drehzapfen aufneh-men bereits verstärkt, weil sie sich als zu schwacherwiesen haben. Die Haken der Maschinenbrückensind infolge früherer Anbrüche in den Hakverbin-dungen sämtlichst verstärkt. Am Wg. 50 sind fernerdie Rollenlager-Achsbüchsen zur Verminderungder Schenkelabnutzung geändert, wodurch aller-dings das seitliche Spiel aufgehoben ist. Die Wir-kung dieses bliebe auf unsereren Strecken noch zubeobachten.

Am Wagen 50 ist ferner die Vacuumbremse ausge-baut, weil 2 Zahnräder defekt waren. Die Erneue-rung der Zahn-Kegelräder dürfte etwa 75 – 100 MKosten verursachen. Ferner müßten die Brems-schlauchkupplungen und Blindmuffen für die Har-dy-Br. passend hergerichtet werden.

Hinsichtlich der inneren Ausstattung der Wagen,wie auch im Außenanstrich ist nichts zu bemerken,da beides gut. Der Lauf des Wagens 50 war ver-hältnismäßig ruhig und ausgeglichen. Die Wirk-samkeit der sichtbaren und hörbaren Signalein-richtungen war einwandfrei, jedoch ist ein Durch-läuten wie bei den Lok. mit der vorhandenen Glok-ke nicht möglich. Die Beleuchtungseinrichtungeneinschl. Dynamo, Batterie und Inneninstallationwaren in Ordnung. Die Handbremse am Wg 50wirkte einwandfrei.

Heizung und Notbremseinrichtung konnten nichtgeprüft werden u. müßte dieses gelegentlich derProbefahrt geschehen. Die in der BO u. den Techn.Vereinbarungen vorgeschriebenen Anschriftenfehlten gänzlich.

Die Antriebsmaschine des Wg. 49 ist, wie bekannt,ein alter Mercedes-6-Zyl. Flugzeugmotor mit ge-trennten Zylinderblöcken. Die Bauart ist veraltet u.wäre vor Ankauf Gewißheit notwendig, daß wirhierfür noch auf längere Zeit Ersatzteile von denDeutschen Werken geliefert bekommen. Im Betrie-be haben diese Motoren den Nachteil, daß dieGummidichtungen der Kühlwasserleitung zwischenden einzelnen Zylinderblöcken bei Erwärmung derMaschine leicht undicht werden. Ferner sind derÖlstand, sowie die Kühlwassertemperatur nicht oh-ne weiteres erkenntlich u. die Vorrichtungen hier-für schwer zugänglich. Ein Ausschleifen der Zylin-derkörper hat nach Angabe des H. O.-Ing. Wellebislang nicht stattgefunden, so daß dieselben nochvolle Querschnitte haben. Im Betriebe arbeitet die-ser Motor erhebl. geräuschvoller, was gelegentl.der Probefahrt nochmals zu beobachten wäre. ImDauerbetrieb soll er hinsichtl. der Zugkraft häufi-ger versagt haben, so daß die Erprobung der letz-teren bei 40 km Geschwindigkeit u. angehangenemPack- und Packbeiwagen gelegentl. der Probefahrtebenfalls angezeigt erscheint.

Oben: Auftragsbestätigung von Regen

Unten: Anfang und Ende der Expertise von Regen

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Die Maschine des Wagens 50 ist ein neueres Mo-dell der Mercedes 6-Zylinder Benzolmotoren. Die-selbe arbeitet gut, hat eine größere Zugkraft u. er-fordert weniger Wartung u. Unterhaltung.

Die Ansteuerung ist bei beiden Wagen ein gewöhn-liches Schalt-Wechselgetriebe, bei welchem sich je-weils nur die Zahnräder des betr. Ganges im Ein-griff befinden. Derartige Schaltgetriebe sind heut-zutage ebenfalls veraltet u. überholt. Die Zahnrä-der des Schaltkastens waren, soweit erkenntlich,zum größten Teil in gutem Zustand.

Die innere Ausrüstung der Wagen war vollzählig u.in gutem Zustand. Eine Nachprüfung der Sonder-ausrüstung und der Zubehörteile konnte noch nichterfolgen, da die diesbezügl. Verzeichnisse nicht zurHand waren. Der Reserve-Maschinensatz bestehtebenfalls aus einem alten Flugzeugmotor wie beiWg. 49. Außerdem ist derselbe nicht vollständig.Das Verzeichnis der hierfür vorhandenen u. fehlen-den Teile befindet sich bei der Direktion in Bln. Indieser Verfassung ist das Res.-Aggregat soweit füruns nicht brauchbar. Sonstige vorhandene Reser-veteile konnten nicht angegeben werden u. soll ge-naueres hierüber bis zur Probefahrt festgestelltwerden. An Wagenersatzteilen kommen ev. 20Bremsklötze u. einige Drehgestellfedern zur Über-nahme in Betracht.

Für die Ausrüstung der künftigen Triebwagenstati-onen empfehle ich endlich, 4 Kuttroff´sche Hebe-böcke von je 5.000 kg Tragf. u. 2 fahrbare Windenzum Ein- und Ausbau des Maschinensatzes welch-beides in gutem Zustand ist, mit zu übernehmen.

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Oben: Nach dem Umbau auf Dieselmotor präsentiert sicheiner der beiden 1928 neuwertig beschafften TAG-

Triebwagen, Foto: WLE

Anzeige der TAG von 1929, die unten rechts einen der beiden1928 an die WLE gelieferten Triebwagen zeigt.

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Vor 75 Jahren: Benzoltriebwagen bei Kleinbahnen Die Museums-Eisenbahn 3/2002 43

Rechts: Die beiden Fotos zeigen einen der 1926 als Vorführ-wagen gebauten Triebwagen der Gothaer Waggonfabrik.

(CD-bm, 1A, 75 PS-NAG-Benzolmotor, 60 km/h, LüP 12 m,Radst. 6 m, 4-Gang-Schaltgetriebe), der 1927 allerdings

bereits verkauft war. Prospektfotos Gothaer Waggonfabrik

Zusammenfassend erscheint das Angebot zunächstzwar sehr günstig, wenn man jedoch bedenkt, daßan den Wagen im Lauf der Zeit mannigfaltige Ver-suche, Veränderungen u. Umbauten vorgenommenworden sind, die Bauart in vielen Teilen veraltet ist(Wg. 50 soll zudem bereits erhebl. durch Unfall be-schädigt gewesen sein), so ist der Preis von 65 –70.000 M für beide Wagen immerhin noch hochbemessen.

Zwecks Teilnahme an der Probefahrt treffe ich amSonnabend d. 9. 7. rechtzeitig in B. ein.“

WLE-Vermerk auf obigem Schreiben:

„Stolpe Talbahn in Stolp, Anhaltische Eisenbahn-gemeinschaft in Dessau. Deutsche Werke in Kielliefern Zyl zu 2.700 M, Block zu 2 Zyl.“

WLE an DEBG, 16. 7. 27:

„Wir bitten um baldgefällige Mitteilung, wann dieKaufsverhandlungen stattfinden können.“

DEBG an WLE, 18. 7. 27:

„Die gewünschten Verhandlungen werden voraus-sichtlich im Laufe der nächsten Woche erfolgenkönnen. Wir werden uns erlauben, in dieser Sachenochmals an Sie zu schreiben.“

WLE an Triebwagen AG, Kiel, 20. 7. 27

„Ihr Schreiben vom 18. 6. 27 Sch./I

Wir erwarten Ihr Angebot auf normalspurige zwei-achsige Benzol-Triebwagen. ?? teilen wir Ih. mit,daß wir den Ankauf von 2 Triebwagen beabsichti-gen, welche Sie im Jahre 1923 an die Deutsche Ei-senbahn-Betriebs-Gesellschaft lieferten. Die Mo-tore sind nicht neu und leistungsfähig und müssenumgebaut werden. Der Unterzeichnete beabsich-tigt, am Mitwoch den 20. 7. zu einer Besprechungnach dort zu kommen, wir ersuchen umg. um Mit-teilung, ob der Tag genehm ist.“

DEBG an WLE, 21. 7. 27:

„Im Nachgange zu unserem Scheiben vom 18. 7.teilen wir Ihnen ergebenst mit, daß die Kaufver-handlungen jederzeit stattfinden können. Wir bittenSie, uns angeben zu wollen, wo sie vor sich gehensollen und welcher Tag Ihnen angenehm sein wür-de.“

WLE-Notiz auf obigem Schreiben:

„abgeschrieben am 26. 7., z. Akte V 12 33“

Was den Ausschlag gegeben hat, daß die WLE sichtrotz des negativen fachmännischen Urteils zu-nächst nach einem Verhandlungstermin erkundigtund zehn Tage später absagt, ist nicht bekannt. DerWLE-Wirtschaftsausschuß genehmigte am 26. 9.1927 den WLE-Vorstand, zwei Triebwagen zukaufen, je einen für die „Nordbahn“ (Burgsteinfurt

– Ahaus – Borken) bzw. die Sennebahn. Es läßtsich vermuten, daß die TAG der WLE ein günsti-ges Angebot unterbreitet hat, denn ihr dürfte darangelegen sein, daß ein so wichtiger Kunde, wie esdie große WLE mal werden könnte, mit modernenFahrzeugen zufrieden und dem Hersteller verbun-den ist, als so einen potentiellen Kunden mit über-holten Altfahrzeugen in die Arme der Wettbewer-ber zu treiben.

Tatsächlich setzte die WLE ab 15. 5. 1928 einender beiden beschafften TAG-Triebwagen versuchs-weise auf der Sennebahn ein und verstärkte die vierDampfzug- um vier Triebwagenumläufe. Doch danur zwischen Wiedenbrück und Rietberg mehrFahrgäste gewonnen werden konnten, endete derVersuch bereits am 7. 10. 1927, und die WLE setz-te beide Triebwagen auf der Nordbahn ein. DieReichspost nahm am 30. 9. 1929 eine BuslinieWiedenbrück – Paderborn auf, so daß die„Qualitätsoffensive“ der WLE als gescheitert gilt.

Auch die DEBG ging aus dem Vorgang nicht alsSieger hervor, denn anscheinend war es mit den

anderen ins Gespräch geführten Interessenten nichtweit her. Denn statt verkauft zu werden, wurdennach Löttgers beide Triebwagen zu zwei der Badi-schen DEBG-Strecken umgesetzt: VT 201 kam am1. 10. 1928 nach Haltingen – Kandern und VT 202in 1929 nach Krozingen – Münstertal – Staufen.Beide Strecken waren aber für schwachmotorisier-te Triebwagen kaum geeignet, und so wurden jenebereits 1930 abgestellt und gegen Ende 1930 ver-kauft – an wen, ist leider nicht bekannt.

Literatur:

[1] Fleck, Sauggas-Triebwagen, Ein Beitrag zur Frage derWirtschaftlichkeit von Eisenbahn-Triebwagen, in VER-KEHRSTECHNIK 27/1924 S. 279 – 284, Berlin, 4. 7. 1924

[2] Dr. Rolf Löttgers, Die Triebwagen der Deutschen WerkeKiel, Lübbecke 1988

[3] Dr. Rolf Löttgers, Der Triebwagen-Typ IV der DeutschenWerke Kiel, in DME 3/89 S. 8 – 13

[4] Gerd Wolff, Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 6,Freiburg 2000

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