WT-Ba Kap 4.2 Zustandsdiagramme Binaerer Legierungen

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4 Metalllegierungen 4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme 4-8 4.2.2 Zustandsdiagramm von Legierungssystemen mit vollkommener Unlöslichkeit im flüssigen und im festen Zustand Die Komponenten sind weder im flüssigen noch im festen Zustand mischbar. Ein Beispiel dafür ist das System Eisen – Blei. Aufgrund der unterschiedlichen Dichten oder anderer Unverträglichkeiten zwischen den beteiligten Atomsorten kommt es bereits im flüssigen Zu- stand zur Entmischung der Komponenten. Für alle Mischungsverhältnisse ergeben sich die gleichen Abkühlkurven. Zustandsdiagramm Eisen - Blei 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 0 25 50 75 100 Gew. % Blei Temperatur in °C Flüssiges Fe Flüssiges Pb Festes Fe Flüssiges Pb Festes Fe Festes Pb T S ,Fe = 1536°C T S ,Pb = 327°C 100 Gew. % Fe 0 Zeit Abkühlkurve für beliebi- ge Zusammensetzung (schematisch)

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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4.2.2 Zustandsdiagramm von Legierungssystemen mit vollkommener Unlöslichkeit im flüssigen und imfesten Zustand

Die Komponenten sind weder im flüssigen noch im festen Zustand mischbar. Ein Beispiel dafür ist das System Eisen – Blei. Aufgrundder unterschiedlichen Dichten oder anderer Unverträglichkeiten zwischen den beteiligten Atomsorten kommt es bereits im flüssigen Zu-stand zur Entmischung der Komponenten. Für alle Mischungsverhältnisse ergeben sich die gleichen Abkühlkurven.

Zustandsdiagramm Eisen - Blei

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

0 25 50 75 100Gew. % Blei

Tem

pera

tur i

n °C

Flüssiges Fe

Flüssiges PbFestes

Fe

FlüssigesPb

Festes Fe

Festes Pb

TS ,Fe = 1536°C

TS ,Pb = 327°C

100 Gew. % Fe 0

Zeit

Abkühlkurve für beliebi-ge Zusammensetzung(schematisch)

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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4.2.3 Zustandsdiagramme von Legierungssystemen mit vollkommener Löslichkeit im flüssigen und im fe-sten Zustand

Die Atomsorten A und B sind in der Schmelze homogen gemischt und bilden im kristallinen Zustand eine lückenlose Mischkristallrei-he, siehe Tabelle 3.2-1. Beispiele für solche Systeme sind Cu-Ni-, Co-Ni-, Au-Ag-Legierungen.

Behandelt wird das System Cu-Ni.

Jedes Cu-Atom kann in der kfz-Elementarzelle des Kupfers durch ein Ni-Atom ersetzt werdenund jedes Ni-Atom kann in der kfz-Elementarzelle des Nickels durch ein Cu-Atom ersetzt werden.

Anwendung von Cu-Ni-Legierungen

Cu-Ni-Legierungen zeichnen sich allgemein durch gute bis sehr gute Korrosionsbeständigkeit aus.

Als Zahlungsmittel verwendete Nickelmünzen bestehen aus einer Legierung aus 25 % Ni und 75 % Cu, so auch die Innen-Rondelle der 1EURO Münze. Im Inneren plaziert ist ein Ni - Plättchen, dessen ferromagnetischer Effekt zur Prüfung in Münz-Automaten verwendetwird. Auch der äußere Münzring ist eine nickelhaltige Kupferlegierung. Die frühere 1 DM-Münze, sowie weitere DM-Münzen bestandenaus der gleichen Legierung

Legierungen mit ca. 70% Ni / 30% Cu und geringen Zusätzen an Fe und Mn (1% - 2 %) werden als Monel-Legierungen bezeichnet. Siebesitzen sehr hohe Korrosionsbeständigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen überhitzten Dampf und gegen organische Säuren. Monel-Legierungen werden als Konstruktionsteile der Nahrungsmittel- und chemischen Industrie, in der Schiffstechnik, im Turbinenbau, fürVentile, Pumpen und Wärmeaustauscher verwendet.

Legierungen mit ca. 45% Ni / 55% Cu werden als elektrische Widerstände oder als Thermoelementwerkstoffe eingesetzt, z.B. CuNi44(Konstantan).

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Zustandsdiagramm Kupfer - Nickel

1000

1100

1200

1300

1400

1500

0 20 40 60 80 100Gew. % Ni

Tem

pera

tur

in °

C

100 Gew. % Cu 0

Schmelze,homogen

60 / 40 Cu / Ni

Zeit

Feste Legierungaus MK

MK-Bildung

1

2

3

4

CK3CS3

Liquiduslinie

Soliduslinie

CK2CS4

K2

K3

K4

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Beschreibung des Zustandsdiagramm Kupfer - Nickel

Im Zustandsdiagramm gibt es 3 Phasenfelder: a) das Schmelzegebiet b) das 2-Phasengebiet, in dem Schmelze und MK im Gleich-gewicht sind c) das Gebiet der MK

Das Schmelzegebiet wird durch die Liquiduslinie (Li-Linie)nach unten abgegrenzt. Das Gebiet der MK wird durch die Soliduslinie (So-Linie) nach oben begrenzt.

Die reinen Metalle haben bei 1453°C (Nickel) und bei 1083°C (Kupfer) einen Haltepunkt in der Abkühlkurve. Alle Legierungen weiseneine Abkühlkurve mit 2 Knickpunkten auf: siehe Abkühlkurve für die Legierung mit 60% Cu und 40% Ni. Die Legierungsbildung soll amBeispiel dieses Mischungsverhältnisses nachfolgend erläutert werden.

Zustandspunkt 1: Ca. 1350°C → homogene Schmelze

Zustandspunkt 2: Ca. 1280°C → Beginn der Ausscheidung eines Ni-reichen MK; Knickpunkt in der Abkühlkurve.Die Zusammensetzung der ersten MK wird wie folgt bestimmt :- man zeichnet eine Waagerechte durch den Punkt 2: die Konode K2- unter dem Schnittpunkt mit der So-Linie ließt man auf der Konzentrationsachse die Konzentration der zunächst

gebildeten MK ab: CK2 ≈ 64% Ni / 36% Cu

Zustandspunkt 3: Ca. 1240°C → die Kristalle sind „gewachsen“. Die Konzentration der Kristalle ist nun: CK3 ≈ 54% Ni / 46% Cu.Die Konzentration der noch vorhandenen Schmelze ließt man unterhalb des Schnittpunkts der Konode K3 mit derLi-Linie ab: CS3 ≈ 31% Ni / 69% Cu.

Zustandspunkt 4: Ca. 1190°C → die Kristallisation ist abgeschlossen. Die Konzentration der zuletzt erstarrten Schmelze ließt man wie-derum unterhalb des Schnittpunkts der Konode K4 mit der Li-Linie ab: CS4 ≈ 20% Ni / 80% Cu.Die letzten gebildeten Kristallschichten haben eine Konzentration von 40% Ni und 60% Cu, also die Konzentrationder ursprünglichen Schmelze.

Man erkennt: Während der Erstarrung haben die Schichten der sich bildenden MK gemäß dem Verlauf der So-Linie von CK2 biszur Konzentration von 40% Ni und 60% Cu unterschiedliche Zusammensetzung.Ebenso ändert sich die Konzentration der Schmelze entsprechend dem Verlauf der Li-Linie von Punkt 2 bis zu CS4.Zwischen Punkt 2 und Punkt 4 sind Schmelze und MK im 2-Phasenfeld im thermodynamischen Gleichgewicht. Ne-ben der Konzentration der beiden Phasen – MK und Schmelze – kann im 2-Phasengebiet grundsätzlich auch dieMasse der bei einer bestimmten Temperatur vorliegenden Phasen bestimmt werden, siehe nächste Seite.

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Bestimmung der Massen der Phasen im Zweiphasengebiet mit Hilfe des Hebelgesetzes, Beispiel Legierung mit 60 Gew. % Cuund 40 Gew. % Ni

1300

1280

1260

1240

1220

1200

20 30 40 Gew. % Ni → 6080 70 60 ← Gew. % Cu 40

Hebelarme der „Waage“: a = CL - CS (1)b = CK - CL (2)

Masse der Legierung : mL = mS+mK (3)

Man stellt sich die Konode K3 als Balken mit dem Drehpunkt im unter-suchten Zustandspunkt vor.

Die an den Schnittpunkten mit den Phasengrenzlinien wirkenden Massenmk (Masse der gebildeten Kristalle) und ms (Masse der Restschmelze)sind im Gleichgewicht (Modell Waage)

Ck: Konzentration der MK bei T3 = 1240°C = CK3

Cs: Konzentration der Schmelze bei T3 = CS3

CL: Konzentration der Legierung mit 60% Cu und 40% Ni

Im Gleichgewicht gilt allgemein:- der Gehalt an Ni-Atomen im MK mit der Konzentration CK und der

Masse mK und- der Gehalt an Ni-Atomen in der Schmelze mit der Konzentration CS

und der Masse mS

müssen zusammen so groß sein wie der Gehalt an Ni-Atomen in der ur-sprünglichen Schmelze mit der Masse mL und der Konzentration CL.

Gleiches gilt für die Cu-Atome!

Damit ergibt sich sowohl für die Ni- wie auch für die Cu-Atome allgemeinformuliert:

mS . CS + mK . CK = mL . CL (4)

Weitere Schritte zur Bestimmung der Massen der Phasen im Zweipha-sengebiet: siehe Vorlesungsmitschrift.

mS

ba

mk

S

MK

S + MK

3K3

CS CL CK

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

4-13

Kornseigerung

Unter Seigerungen versteht man allgemein Entmischungen bzw. Konzentrationsunterschiede in Legierungen, d.h., die Konzentration derLegierungselemente ist örtlich unterschiedlich.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß während der Kristallisation Konzentrationsunterschiede in den Kristallschichten auf-treten. Bei sehr langsamer Abkühlung kann dies, d.h., Kornseigerung, bei der Primärkristallisation vermieden werden, da ein Konzentra-tionsausgleich über Diffusion (Platzwechselvorgänge der Atome) erfolgt.

Bei schnellerer Abkühlung – was bei technischen Gießprozessen üblich ist – bleibt die Kornseigerung erhalten. Durch eine nachfolgendezusätzliche Wärmebehandlung, d.h., durch das sogenannte Diffusionsglühen, kann die Kornseigerung allerdings wieder rückgängig ge-macht werden.

CS1

CS2

CS3

CS4

CS5

CK1

CK2

CK3

CK4

CK5

Temperatur

Konzentration B-Atomecm

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Mechanische Eigenschaften von Cu – Ni – Legierungenbis zu einem Ni - Anteil von 50 %

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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4.2.4 Zustandsdiagramme von Legierungssystemen mit vollkommener Löslichkeit im flüssigen und be-grenzter Löslichkeit im festen Zustand

Bei den meisten Legierungssystemen sind deren Komponenten(Atomsorten A und B) im festen Zustand weder lückenlos misch-bar noch vollständig unmischbar. Bei Ihnen existieren Konzen-trationsbereiche, in denen das Gitter der A-Atome bestimmteMengen B-Atome und das Gitter der B-Atome bestimmte Men-gen A-Atome Lösen kann.Aus den Zustandsdiagrammen ist nicht erkennbar, ob es sich umEinlagerungs- oder Austausch-MK handelt.Die Löslichkeit ist bei höheren Temperaturen i.a. größer als beitieferen. Beim Abkühlen muß sich daher nach dem Unterschrei-ten einer von der Konzentration der Komponenten abhängigenTemperatur (= Löslichkeitsgrenze) wenigstens ein Teil der im A-Gitter gelösten B-Atome ausscheiden und umgekehrt.

Die Ausscheidung eines Kristalls aus einem anderen wird auchals Segregatbildung bezeichnet.Zur Ausscheidung sind Platzwechselvorgänge der Atome erfor-derlich: Diffusionsmechanismen. Diese verlaufen je nach Tem-peratur sehr träge. Daher erfolgen Ausscheidungen in der Regelin kleiner Form („Teilchen“) und an energetisch günstigen Orten:häufig an Korngrenzen, im Bereich von Leerstellen, Versetzun-gen oder anderen Gitterdefekten.Die Ausscheidungen können durch schnelle Abkühlung unter-drückt werden. Bei Raumtemperatur liegen dann übersättigteMischkristalle vor: Ungleichgewichtsgefüge. Dieser Effekt wirdbei der Ausscheidungshärtung von Al- oder Mg-Legierungenu.a. genutzt.

α

S + α S + β

Schmelze

SE

β

α + β

Eutektisches Grundsystem

A → % B B

S + β

S + α

Schmelze

SE

βα + β

α

Peritektisches Grundsystem

A → % B B

Mit Blick auf begrenzteLöslichkeit im festen Zu-stand unterscheidet mandas sogenannte eutekti-sche und das peritekti-sche Grundsystem.

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Eutektische Legierungssysteme

In eutektischen Legierungssystemen gibt es eine Legierung, bei der die Schmelze beim Abkühlen wie ein reines Metall als Ganzes beieiner bestimmten Temperatur erstarrt. Beim Aufheizen wird die Legierung bei dieser Temperatur als Ganzes flüssig. Diese Legierungwird eutektisch oder Eutektikum (griech.: ευ=gut τεκτειν=bauen; Plural: Eutektika) genannt.

Andere Mischungsverhältnisse weisen einen Schmelz- bzw. Erstarrungsbereich auf, in dem neben der Schmelze auch eine feste Phasevorliegt.

Ein Eutektikum hat den niedrigsten Schmelzpunkt aller Mischungen des Legierungssystems. Beim Erstarren scheiden sich gleichzeitigalle Bestandteile in sehr feinen Kristallen aus der Schmelze aus. Eutektische Gefüge weisen ein feinkörniges und gleichmäßiges Gefügemit vielfach lamellarer Struktur auf: „fein / gut gebaut“.

Ausführlicher soll das bereits auf Seite 4-5 angesprochene Legierungssystem Blei – Zinn behandelt werden. Legierungen dieses Sy-stems werden im wesentlichen als Weichlote verwendet. Durch geringe Anteile an Eisen, Antimon, Kupfer und/oder Nickel können dieLoteigenschaften zudem verbessert werden.

Der Schmelzpunkt der Blei-Zinn-Lote liegt unter 330°C. Beim Erwärmen gehen sie von einem festen, in einen breiigen und schließlich inden flüssigen Zustand über. Von besonderer Bedeutung ist das Eutektikum, auch Sickerlot genannt (63% Sn, 37% Pb). Bei einer Tempe-ratur von 183°C geht es direkt vom festen in den flüssigen Zustand über. Legierungen, die vom Eutektikum entfernt liegen, werden zu-gunsten eines technisch erwünschten Erstarrungsbereiches zwischen Liquidus- und Soliduslinie ebenfalls verwendet.

Verwendet werden zum- Löten von Kupferrohren, Sn-Gehalt: ca. 20-40%- Feinlöten von Blechen, Sn-Gehalt: ca. 50%- Löten und Verzinnen von elektrischen Leitungen, Drähten,

Leiterplatten, Sn-Gehalt: ca. 60%- Löten von Konservendosen, Sn-Gehalt: ca. 90%

Blei – Zinn – Legierungen mit höherem Sn-Gehalt findenzudem Verwendung als Becher, „Zinn-Figuren“ oder beimsogenannten „Bleigießen“, siehe Bilder rechts.

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Zustandsdiagramm Blei - Zinn

60

80

100

120

140

160

180

200

220

240

260

280

300

320

340

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Gew. % Sn

Tem

pera

tur i

n °C

100 Gew. % Pb 0

L1 Le L2

α

S

E = α + β

S + β

S + α

α +

βaβ +αa

α + E + βa β + E + αa

β

23

4 e6

5

78

Zeit

Le L2 L1

ce61,9% Sn

c9c5

Te

c1 c4c0

Abkühlkurven

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Beschreibung des Zustandsdiagramms Blei – Zinn

Das Schaubild enthält 3 Einphasengebiete: S, α- und β - Mischkristalle3 Zweiphasengebiete: S + α , S + β, und α + β1 Dreiphasenhorizontale: S + α + β: Eutektikale bei 183°C = 3-Phasen-Gleichgewichtstemperatur Te

Die Liquiduslinie verläuft vom Schmelzpunkt des Bleis, 327°C, bis zum Punkt e und weiter zum Schmelzpunkt des Zinns, 232°C.Die Soliduslinie verläuft vom Schmelzpunkt des Bleis über die Punkte 4, e und 5 und weiter zum Schmelzpunkt des Zinns.

Im eutektischen Punkt e fallen Liquidus- und Soliduslinie zusammen: die eutektische Legierung Le mit der Konzentration ce hat einenSchmelzpunkt wie ein reines Metall und somit einen Haltepunkt in der Abkühlkurve.

Pb-MK (kfz), d.h., α-MK, können bei 60°C max. 3% Sn-Atome lösen: Punkt / Konzentration c0.Sn-MK (tetragonal r.z.), d.h., β-Mk, können bei 60 °C weniger als ca. 0,2% Pb-Atome lösen:Punkt c9.Der Bereich zwischen ca. 3% Sn / 97% PB und ca. 99,8% Sn / 0,2 %PB wird als Mischungslückebezeichnet: es entstehen 2-phasige Gefüge: α-MK und β-MK in jeweils charakteristischer Art.

A Umwandlungsverhalten der Legierung Le: Eutektische Konzentration ce

• Die Schmelze wandelt bei T = Te = 183°C in das Eutektikum bestehend aus α− und β− MK um.Während der Umwandlung bleibt die Temperatur für eine bestimmte Zeit konstant:Abgabe der Kristallisationswärme / Schmelzenthalpie.Es entsteht ein feinkörniges Gemenge aus α− und β− MK, wobei die Kristalle vielfachlammellenförmige Gestalt aufweisen, siehe Gefügebild rechts

• Die Zusammensetzung der MK kann aus den Schnittpunkten der Waagerechten (Konode) mitden Phasengrenzlinien der Felder der α- bzw. β - MK bestimmt werden: Punkte 4 und 5 im Zu-standsdiagramm (Hinweis: die Eutektikale kann als Konode aufgefaßt werden).

- α - MK: 19,5% Sn und 80,5% Pb- β - MK: 97,4% Sn und 2,6 % Pb Nach Guy „Metallkunde für Ingenieure“)

Pb - Sn

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Beschreibung des Zustandsdiagramms Blei – Zinn, Fortsetzung

• Die Mengen der das Eutektikum bildenden Mischkristalle lassen sich mit dem Hebelgesetz bestimmen:

m α - MK c5 – ce 97,4 – 61,9------------ = ---------- . 100% = ---------------- . 100% = 45,57 % mges c5 – c4 97,4 – 19,5

m β - MK ce – c4 61,9 – 19,5------------ = ---------- . 100% = ---------------- . 100% = 54,43 % mges c5 – c4 97,4 – 19,5

• Die Gefügeart Eutektikum kann grundsätzlich nur im Konzentrationbereich von 19,5% < Sn – Gehalt < 97,4% entstehen.

• Bei weiterer Abkühlung bis RT bleibt dieses Gefüge prinzipiell erhalten, wobei allerdings gemäß der temperaturabhängigen Löslich-keit β - MK aus dem α - MK, sowie α - MK aus dem β - MK ausgeschieden werden, siehe nachfolgende Ausführungen.

B Umwandlungsverhalten der Legierung L1

• Nach Unterschreiten der Li-Linie: Beginn der Erstarrung; der Umwandlungsbeginn ist in der Abkühlkurve an dem Knickpunkt erkenn-bar. Die ersten MK haben einen Sn-Gehalt von ca. 5% und einen Pb-Gehalt von entsprechend 95%.

• Nach Unterschreiten der So-Linie im Pkt. 2 (Knickpunkt in der Abkühlkurve): die Legierung besteht bis zum Pkt. 7 aus homogenen α -MK und die Zusammensetzung ändert sich bis Pkt. 7 nicht. Der Gehalt an Sn-Atomen in den Pb-Basiskristallen ( α-MK) ist c1 = 10%.

• Nach Unterschreiten der Phasengrenzlinie im Pkt 7: der α-MK kann den Sn-Gehalt von 10% nicht mehr lösen (Übersättigung an Sn-Atomen). Die Sn-Atome werden daher ausgeschieden und bilden als βa eine eigene Phase, d.h., einen MK. Die Waagerechte durchPkt. 7 schneidet die nächste Phasengrenze (zum Feld der β - MK) im Pkt. 8. Damit kann die Zusammensetzung der ersten gebildetenβa bestimmt werden. Sie bestehen aus ca. 99% Sn- und 1% Pb-Atomen. Der Beginn der Ausscheidungen ist in der Abkühlkurve aneinem Knickpunkt erkennbar.

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Beschreibung des Zustandsdiagramms Blei – Zinn, Fortsetzung

• Bei weiterer Abkühlung scheidet der α-MK entsprechend dem Verlauf der Phasengrenzlinie (Pkt 7 bis c0 bei 60°C), d.h., entsprechendseinem mit der Temperatur abfallenden Lösungsvermögen für Sn-Atome, diese aus: bei 60°C beträgt das Lösungsvermögen für Sn-Atome ca. 3%.Die Zusammensetzung der ausgeschiedenen β-MK kann entsprechend dem Verlauf der Phasengrenzlinie c9 bis Pkt. 5 ermittelt wer-Den. Bei 60°C bestehen Sie aus nahezu 100% Sn-Atomen. Das Lösungsvermögen der Sn-Kristalle für Pb ist also sehr gering!

• Die Menge der ausgeschiedenen α- bzw. β-MK ist für die Legierungen mit der Konzentration c4 und c5 am größten. Mit Hilfe des He-belgesetzes erhält man für die Legierung mit der Konzentration c4 die prozentuale Masse der ausgeschiedenen β-MK:

mβa,max c4 – c0 19,5 – 3,0----------- = --------- . 100% = -------------- . 100% ≈ 17% mges c9 – c0 99,8 – 3,0

Für die Legierung mit der Konzentration c5 erhält man für die prozentuale Masse der ausgeschiedenen α-MK:

mαa,max c9 – c5 99,8 – 97,4----------- = --------- . 100% = ----------------- . 100% ≈ 2,7% mges c9 – c0 99,8 – 3,0

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Beschreibung des Zustandsdiagramms Blei – Zinn, Fortsetzung

C Umwandlungsverhalten der Legierung L2 mit 80% Sn und 20% Pb

• Nach Unterschreiten der Li-Linie:Beginn der Kristallisation: Ausscheidung von β-MK aus der Schmelze: Knickpunkt in der Abkühlkurve

• Bei Te = 183°C: Restschmelze hat die eutektische Konzentration 61,9% Sn / 38,1% Pb (Masse gem. Hebelgesetz: ca. 49% bezogenauf die gesamte Menge der Legierung) wandelt in Eutektikum um. Die Abkühlkurve weist daher einen Haltepunkt auf.

• Nach Unterschreiten von Te bei weiterer Abkühlung: Das Lösungsvermögen der β-MK für Pb-Atome vermindert sich gemäß demVerlauf der Phasengrenzlinie von Pkt 5 nach c9. Daher werden Pb-Atome ausgeschieden, die wiederum als αa eine eigene Phase al-so α-MK bilden. Die Konzentration der α-MK kann in Abhängigkeit von der Temperatur im jeweiligen Schnittpunkt der Waagerechtenmit der linken Phasengrenzlinie (Pkt. 4 bis c0 ) bestimmt werden.

D Legierungen mit 19,5% < Sn- Konzentration <ce kristallisieren nach dem gleichen Schema wie diejenigen mit 61,9% < Sn-Konzentration < 97,5%, wobei jedoch α-MK primär aus der Schmelze gebildet werden.

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

4-22

Anteil der Gefügearten, Gefügebilder verschiedener Blei– Zinn – Legierungen (nach Schumann: „Metallographie“)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 % Sn100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 % Pb

90% Pb + 10% Sn 50%Pb + 50%Sn 30%Pb + 70%Sn

100

%

50

0

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Peritektische Legierungssysteme

Liegt die Schmelztemperatur TS einer der Komponenten unterhalb der 3-Phasen-Gleichgewichtstemperatur TP, so ergeben sich bei Le-gierungen mit begrenzter Löslichkeit im festen Zustand peritektische Gefügeausbildungen. Charakteristisch für solche Systeme ist dieperitektische Erstarrung, bei der eine Schmelze S und ein bereits gebildeter Kristall α miteinander reagieren, wobei ein neuer Kristall βentsteht:

Ein Beispiel ist das Legierungssystem Platin – Silber. Pt – Ag – Legierungen finden als Werkstoffe für Thermoelemente, sowie für elek-trotechnische Bauteile Verwendung.

Beschreibung des Zustandsdiagramm Pt - Ag

Zustandsdiagramm Platin – Silber (nach Ruge, Wohlfahrt: „Technologie der Werkstoffe“)

• Pt schmilzt bei 1769°C, Ag bei 960°C

• Die peritektische 3-Phasen-Gleichge-wichts-Temperatur liegt bei TP = 1185°C.Im Gleichgewicht liegen bei TP vor:- α-MK = Pt – reiche MK- β-MK = Ag – reiche MK- homogene Schmelze S

• Die peritektische Konzentration ist gege-ben bei 46% Ag / 54% Pt, Linie N.

• Der Pt-reiche α-MK löst bei TP = 1185°Cmax. 14% Ag. Die Löslichkeit sinkt dann.

Erstarrungsverhalten

• Legierungen bis zur Konzentration M er-starren als homogene Pt-reiche MK = α-MK, wobei entsprechend der abnehmen-den Löslichkeit der α-MK für Ag-Atome(Linie D – F) Ag-reiche β-MK ausgeschie-den werden (wie beim eutekti. System).

• Legierungen oberhalb von O erstarren alshomogene Ag-reiche β-MK.

Tp = 1185°C

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

4-24

• Legierung N mit der peritektischen Konzentration CP:

- Ab ca. 1550°C Ausscheidung von Pt-reichen α-MK

- Bei TP = 1185°C:

- Die sogen. peritektische Restschmelze SP hat einen Masseanteil von:

==⋅= %100mm

ges

Sp

- Die Schmelzekonzentration besteht aus 69% Ag und 31 % Pt.

- Diese Restschmelze SP und die schon vorhandenen α-MK wandeln nunperitektisch in βP-MK um:

- Bei dieser Umwandlung müssen Pt-Atome aus dem α-MK in Richtung desKornrandes / der Schmelze und Ag-Atome aus der Schmelze an den Kornranddiffundieren. Dies erfordert Zeit.

Bei hinreichend langsamer Abkühlung erfolgt eine komplette peritektische Um-wandlung in βP-MK

- Bei technisch üblichen Abkühlbedingungen läuft die peritektische Reaktion nichtzu Ende. Das Gefüge besteht dann bei Raumtemperatur aus

> primär gebildeten α-MK

> darum angeordnete Hüllen aus βP-MK, daher leitet sich die Bezeichnung Peri-tektikum ab: „das Herumgebaute“

> β-MK erstarrt aus der nicht peritektisch verbrauchten Schmelze

Peritektisches Gefüge einer Kupfer-Cadmium-LegierungPrimär ausgeschiedene α-Körner (weiß,Cu5Cd8) sind peritektisch von einerzweiten Phase βp (grau, CuCd3) umhülltund eingelagert in einer Matrix aus vor-wiegend β−MK (Cd-MK)(nach Guy: „Metallkunde für Ingenieure“)

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4 Metalllegierungen4.2 Zustandsdiagramme binärer Legierungssysteme

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Peritektisches System mit intermetallischern Phasen, Gefügeausbildung einer Weißmetall-Legierung

Zustandsdiagramm Antimon – Zinn (Sb-Sn)(nach Ruge, Wohlfahrt: „Technologie der Werkstoffe“)

Das Zustandsschaubild enthält 3 Peritektika mit den den 3-Phasen-Gleichgewichts-Temperaturen bei

• TP = 246°C • TP = 325°C • TP = 425°C

Massegehalt in %

LagerweißmetallLgSn 80 mit80%Sn, 12%Sb,sowie 6%Cu und2%Pb

(nach Ruge, Wohl-fahrt: „Technologieder Werkstoffe“)

D.h., das Gesamtsystem besteht aus 3 peritektischenTeilsystemen.

α ist ein Sb-reicher MK, entsteht aus der Schmelze undkann bei T = 425max. ca. 11% Sn lösen.

γ ist ein Sn-reicher MK, entsteht je nach Konzentrationaus der Schmelze (c. < 10% Sb oder aus der peritekti-schen Reaktion bei246°C (ca. 10 bis 42% Sb).

β und β ´sind unterschiedliche Varianten von intermetalli-schen Phasen aus Sb und Sn mit der ZusammensetzungSbx / Sny)

Eine technisch wichtige Legierung ist das sogenannteLagerweißmetall LgSn80, siehe Schliffbild.Weißmetalle werden neben anderen Werkstoffen als La-gerbuchsen für Gleitlager eingesetzt.