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WUNDER DER HEIMAT 140 Servus In Peter Roseggers Waldheimat im Nordosten der Steiermark gibt’s gerade eine Menge zu entdecken: eine Kinoleinwand im Wald, eine „Priftasche“, einfallsreichen Ziegenkäse. Und die unerhörte Beziehung zwischen Österreichs erstem literarischen Weltstar und dem Nobelpreis. TEXT: STEFAN WAGNER FOTOS: MARCO ROSSI Rosegger Nach

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wunder der heimat

140 Servus

In Peter Roseggers Waldheimat im Nordosten der Steiermark gibt’s gerade eine Menge zu entdecken: eine Kinoleinwand

im Wald, eine „Priftasche“, einfallsreichen Ziegenkäse. Und die unerhörte Beziehung zwischen Österreichs erstem

literarischen Weltstar und dem Nobelpreis. TexT: stefan wagner FoToS: marco rossi

RoseggerNach

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Blick über Peter roseggers waldheimat, in die er diesen

sommer zurückkehrt: auf dem Kluppeneggerhof, auf dem er aufwuchs, wird eine dramati-sierte fassung seines „Jakob

der Letzte“ aufgeführt.

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I.„Gram und HerzweH sInd wIe GlasHauspflanzen,

dIe wollen In der frIscHen alpenluft nIcHt GedeIHen.“ aus: „Die schriften Des WalDschulmeisters“

Ein Ort, dem Gehzeiten bevorzugtes Längenmaß sind, kann kein schlechter Ort sein.

Vom Kluppeneggerhof heroben sind es vier Stunden bis Krieglach und zweieinhalb bis St. Kathrein. Natürlich führt auch keine Straße herauf, sondern es windet sich gerade mal ein Forstweg in die fichtennadelwürzige Luft auf 1.150 Metern, die man bis in die Zehenspitzen einatmen möchte.

Über die Jahrhunderte hat der Wald den Kluppenegger­hof an drei Seiten haushoch eingefasst, nur der Blick nach vorn ist frei, die gigantischste Kinoleinwand überhaupt: An einem klaren Tag stupst man den Hochwechsel mit der ausgestreckten Hand an, tief unten am Fuß der steil ab­fallenden, löwenzahngelben Wiese hat der Nachbar seinen Hof in die Senke geschmiegt, ein Spielzeugbauernhof in einer Spielzeugwaldlandschaft.

Für den kleinen Plausch zwischendurch, erfährt man, hat man früher zum Nachbarn rübergejodelt, wie man heu­ te SMS­Nachrichten schickt. Nachrichten über 140 Zeichen musste eines der Kinder überbringen, barfuß durchs Unter­holz, damit die teuren Schuh nicht kaputt werden.

Der Kluppeneggerhof wurde im Jahr 1744 an diesen be­sonderen Flecken gebaut, aus trotzigen Steinmauern und mannsdicken Holzbalken. 1843 kam hier Peter Rosegger als ältestes von sieben Kindern von Lorenz und Maria zur Welt. Bis er 17 war, hat er sich die Füße im Wald zerrissen, wenn die Mutter einen Tiegel Schmalz gebraucht hat.

Wahrscheinlich hat sich der kleine Peter, wenn er atem­los wieder heroben war am Berg, an dem Quellwasser ge­stärkt, das heute wie damals klar und kalt in einen Holz­trog in der Mitte des kleinen Bauernhofs plätschert.

Die Pretulalpe glänzt auch spät im Mai noch vom Schnee, dreieinhalb Stunden links oben.

II.„Ja, man soll dIe fremde kennenlernen,

aber früHer nocH dIe HeImat.“ aus: „alpensommer“

Mit dem Kennenlernen der Waldheimat kann man ganz gut in Indien anfangen. Zum Beispiel in Kalkutta, in einem ordentlich sortierten Antiquariat.

„Rosegger?“, fragt man.„Hmmm …“, kriegt man zuerst zu hören, aber nach ein

bisschen Herumkramen im Lager: „Ah!“ Und dann: „Pitta Rou­seka?“ Es ist gar nicht so viel Glück nötig, tatsächlich den

„Waldbauernbub“ aufzustöbern oder „Jakob der Letzte“. In Kalkutta, Mumbai oder Bangalore, in tadellosem Hindi.

Denn Peter Rosegger war der erste österreichische Welt­ star der Literatur, das kann man ruhig so sagen: 15 Millio­nen aufgelegte Bücher, Übersetzungen in über 30 Sprachen – 28 zu Lebzeiten – bis hin zum Japanischen, Russischen und Persischen, dreifach nominiert für den Literatur­Nobel­preis. Auf Augenhöhe mit Jules Verne war Rosegger ➻

im wald rund um den Kluppen- eggerhof sind allerlei denk-würdige stellen versteckt, darunter etwa das ausgedin-ge, in dem roseggers eltern im alter lebten, und der ort, an dem Lehrer michael Pat-terer die Kinder vom alpl unterrichtete.

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oben auf dem Kluppen-eggerhof: an diesem Brunnen hat sich der

kleine Peter rosegger gestärkt, als er von

einem tag auf der weide zurückkam nach hause.

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im inneren des Kluppen- eggerhofs: hier wurde Peter rosegger geboren, hier verfasste er sein erstes gedicht, es handelte von seiner „Priftasche“.

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der angesehenste Schriftsteller seiner Epoche, man darf sich die Zeitgenossenschaft spannungsfrei vorstellen: Bei einer „Reise um die Erde in 80 Tagen“, der „Jagd nach dem Meteor“ oder „20.000 Meilen unter dem Meer“ kommt man „Schriften des Waldschulmeisters“, der „Waldheimat“ und einem „Gottsucher“ nicht in die Quere.

Eine Begeisterung wie um Rosegger in seiner höchsten Zeit Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es heute in ernsthafteren Disziplinen der Kunst gar nicht mehr. Ro­seggers Bücher – er verstand sein Geschäft gut genug, um zuverlässig vor Weihnachten Neues zu liefern – waren nach heutigen Maßstäben Blockbuster. Die von ihm gegründete, verlegte, 34 Jahre lang geleitete und – 30 Pseudonyme! – über wesentliche Teile verfasste Monatszeitschrift „Heim­garten“ war in einem gescheiten Haushalt unverzichtbar: Leser fanden sich „von Rom bis Riga, von Konstantinopel bis New York und San Francisco“, wie Rosegger selbst sag­te. (Er konnte seine Schüchternheit ganz gut überwinden, wenn es Erfolge als solche darzustellen galt.) Roseggers „Heimgarten“ war eine fröhliche, besinnliche, lehrreiche Mischung aus Karl Kraus’ „Fackel“ und Heimatmagazin, mit Einsprengseln aus Handarbeitsheft und Gotteslob.

Hin und wieder hielt er beim Schreiben den Zeigefinger gar ein bisschen stramm erhoben, besonders wenn er, von stursteirischem Sendungsbewusstsein erhitzt, aktuelle Fra­gen von Gesellschaft, Religion oder Politik beantwortete – recht gern mit Grundsatzanspruch.

Sein Wohnhaus war eine Pilgerstätte. Die Bahn musste in Krieglach eine Schnellzugstation einrichten, sonst hätte man irrlichternde Rosegger­Wallfahrer in der ganzen Re­ gion einsammeln müssen.

Als Peter Rosegger 1918 starb, wurde Österreich schwarz beflaggt, die Kinder bekamen schulfrei.

Seither hat sich viel getan in der Position Peter Roseggers in der Welt. Zwischenzeitlich – 20. Todestag 1938, 100. Ge­burtstag 1943, da fielen zwei Gedenktage ausgesprochen ungünstig – wurde er von der ganz verkehrten Seite ver­einnahmt, was bis heute sogar unter Germanisten zu Miss­verständnissen führt. Und als 130­Jähriger landete er sei­nen bis dato letzten Hit: „Ein Freund ging nach Amerika“ war 1973 in der Vertonung von Musyl & Joseppa eines der ersten Lebenszeichen des Austropop. Wen’s bei „Schick mir Rosen aus Steiermark …“ nicht drückt, der ist aus Stein.

III.„kInder reIcHer leute müssen scHon besonders vIel

Glück Haben, um etwas recHtes zu werden.“ aus: „Das Buch von Den Kleinen“

Der Kluppeneggerhof ist heute ein Freilichtmuseum von ei­ nem Freilichtmuseum, wie aus ferner Zeit gefallen, ein gu­ter Ort, um es sich auf einer der hölzernen Bänke bequem zu machen, die Zehenatmung zu üben, den Hochwechsel anzustupsen oder zu überlegen, wie man „Darf ich schnell das Peterl um ein Mehl schicken?“ in einen Jodler fasst.

Zugleich haben die akribisch zusammengetragenen Gegenstände des Mitte­19.­Jahrhundert­Alltags in ihrer schmucklosen Grobheit etwas Bedrückendes: Eltern, Kin­der, Knechte und Mägde waren ja hier nicht auf Sommer­ ➻

frische, sie haben da gelebt, und das Jahr hält auf 1.100 Me­ tern nicht nur sonnige Maitage bereit. Die Räume im Hof sind niedrig, die Fenster winzig und zugig. Einzige Licht­quelle in der Stube war ein flackernder rußiger Kienspan.

In der Stube drängt sich das Doppelbett der Eltern in die Ecke, es sieht aus wie ein Puppenbett; auch wenn die Menschen damals kleiner gewachsen waren als heute (der erwach sene Rosegger galt mit 1,68 m als stattliche Erschei­nung), so klein, dass man zu zweit bequem drin hätte schla­ fen können, war man dann doch nicht. In einer Schublade im Bettkasten, dem Schubbett, schliefen die jeweils Kleins­ten – ein Privileg, weil die Stube im Winter geheizt war. Die Größeren suchten wie die Knechte und Mägde am eisigen Dachboden oder im Stall beim Vieh zugigen Unterschlupf.

Es gibt keinen Hinweis darauf in seinem Werk, aber es muss, denkt man, Momente gegeben haben, in denen sich der kleine Peter am Kluppeneggerhof gefühlt hat wie falsch zugestellt: ein kleiner, schwächlicher Bub von wackeliger Gesundheit, verträumt, schlechte Augen, Asthma. Ein jäm­merlicher Hirte der Viecher, der sich in einer ausgedachten Geschichte verlor, während sich die Kuh verrannte. (Und es war alles andere als ein Spaß, wenn das Vieh ausbüchste.)

Er malte gern, den Pinsel bastelte er sich aus Haaren, die er sich abgeschnitten hatte. Er erfand Zauberplaneten und kartografierte sie akkurat. Mit elf verfasste er sein ers­tes Gedicht: von seiner „Priftasche“, die „an der schwint­sucht Krank“ ist. Und von seinem Herz, „fohl“, weil in der „Priftasche“ auch ein „Prif“ vom Mädel ist.

Peter Rosegger war der einzige Elfjährige weit und breit, der überhaupt schreiben konnte.

Schulbildung war für die Bauernkinder am Alpl nur in Krieglach zugänglich, was so viel hieß wie: theoretisch. Prak­ tisch hieß das vier Stunden Fußmarsch in die Schule, vier zurück. Im Winter keine Schule, weil der Schulweg meter­tief verschneit war. Im Sommer keine Schule, weil am Hof jede Hand gebraucht wurde. Und im Rest des Jahres keine Schule, weil daheim ein Hof erhalten werden wollte.

Wie Rosegger überhaupt schreiben lernte? Das Grund­gerüst des Alphabets hatte ihm die Mutter beigebracht. Die Lücken halbwegs füllte später Michael Patterer, ein in der Gegend gestrandeter Wanderlehrer. Erste zarte Bande mit der Orthografie sollte Peter Rosegger erst mit 22 knüpfen, als er in Graz zum ersten Mal in seinem Leben eine regu­ läre Schule besuchte. Die Klassenkameraden waren zehn Jahre jünger als er, er sprach im verknoteten Alpler Dialekt, man kann sich gut vorstellen, wie viel Spaß er hatte.

Iv.„der recHte, ecHte, feste und treue menscH muss IrGendwo wurzeln, nIcHt anders wIe eIn baum.“

aus: „JaKoB Der letzte“

Man findet auch heute noch in der Waldheimat viel Roseg­gerisches, in verschiedensten Erscheinungsformen.

Johann Königshofer zum Beispiel erhält die mehr als hundert Jahre alte Mühle in St. Kathrein für die Nachwelt: Jeder Bauer hatte früher seine eigene Mühle, „wegen der Unabhängigkeit“, sagt er, „man weiß ja nie, ob man nicht streitert wird“, während sich das zweieinhalb Tonnen

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schwere Mühlrad den Mühlstein in Bewegung setzt, der über das Korn rumpelt. Der Holzbau wackelt und ächzt, nach ein paar Minuten riecht es nach warmem Mehl.

Christian Huber ist ein Künstler aus Wartberg, ein junger Familienvater, Einfamilienhaus, Ortsrand. Er hat Rosegger vor vier Jahren für sich entdeckt. „Er ist mir zum Freund geworden“, sagt er, „er ist aktueller denn je.“ Huber hat eine Ausstellung in Kindberg, „in Richtung Aktionskunst“, eröffnet, wie er sagt: Zur Musik von Hubert von Goisern hat er Roseggers Silhouette live vor Publikum skizziert. In Hubers Keller findet sich das Modell einer Skulptur, die­ selbe Silhouette in zwei versetzten Ebenen – „Rosegger sieht nämlich aus jeder Perspektive anders aus“.

Franz Feldhofer ist Schmied. Nach Großvater und Vater ist er der dritte Franz Feldhofer, der die seit 1409 existie­rende Schmiede im Herzen der Waldheimat betreibt. Seit er 1967 als Lehrling begonnen hat, hat er nie daran gedacht, in seinem Leben etwas anderes zu sein als Schmied. Seit Jahren steht Franz Feldhofer, der Hände hat wie Hammer und Amboss, allein in dem Raum mit der rußschwarzen Decke, in einer Ecke die 1.500 Grad heiße Glut, daneben der 200 Kilo schwere Amboss, auf den der vier Kilo schwe­re Hammer klirrt, seit 1967 jeden Tag hunderte Male, dass die Funken fliegen.

Was ein Schmied so tut in einer Zeit der Baumärkte? Es gebe genug zu tun, sagt er. Sturmtief Lothar hat 1999 eine Schneise durch den Kontinent gefräst, da waren schnell 18.000 Sturmhaken zu fertigen. Einer wie der andere, was wohl eine eher meditative Arbeit bedeutete, aber: „Sechs Schilling pro Stück!“ Seither werden Dächer in Frankreich, der Schweiz und Deutschland von Sturmhaken von Franz Feldhofer aus der Waldheimat zusammengehalten.

Bis heute repariert er Meißel für Presslufthämmer einer großen Baufirma. „Um zwei Euro fünfzig das Stück, aber ich hab jetzt gesehen: Neue Meißel gibt’s in Slowenien schon für acht Euro. Schaut nicht gut aus für mich.“

Was man tun kann, wenn die Welt herum sich schneller dreht als das Handwerk, das die Familie seit Jahrhunder­ten ausübt? „Schauen, dass man für die Kundschaft die einfachste und billigste Lösung findet. In Pension gehen, nächstes Jahr. Aber auch Ideen haben. Zum Beispiel so eine!“ Er kramt ein Gerät mit spitz zulaufender Schaufel hervor, die im rechten Winkel vom Holzstiel absteht. „Mein Erdäpfelkrampen hat 19 Zentimeter Zinkenlänge“, sagt er, „das sind fünf Zentimeter mehr als bei der Massenware im Baumarkt, und meiner ist leichter auch noch!“

Limits in der Vermarktung könnten eventuell noch dar­aus erwachsen, dass Feldhofer von der Frage in Verlegen­heit zu bringen ist, wie das Werkzeug auf Hochdeutsch heißt, „Erdäpfelkrampen“, sagt er, „da weiß sowieso jeder, was gemeint ist.“ Aber dann ist doch sein Ehrgeiz ange­stachelt, und mit tellergroßen Schmiedhänden blättert er in einem Baumarktkatalog nach, der sich zuerst sträubt gegen ’s Umgeblättertwerden mit seinen vielen Seiten aus dem dünnen Papier, aber endlich hat Franz Feldhofer dem Katalog doch das Geheimnis entrissen. „Da!“, ruft er, „Kar­tof­fel­hau­e“, liest er laut und mit feinem nasalem Unter­ton in seinem bellenden Oststeirisch und lacht, „bitte sehr – aber ich sag Erdäpfelkrampen!“

drei unterschiedliche Zu- gänge zum roseggerischen in der aktuellen waldheimat: die alte mühle in st. Kathrein, schmied franz feldhofer und Künstler christian huber.

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v.„dIe Grössten dIcHter Haben dIe

eInfacHsten dIcHtunGen GescHrIeben.“ aus: „martin Der mann“

Wäre aus Peter Rosegger nur der betuliche Heimatdichter geworden, als den man ihn heute gern zwischen Schulbuch­ deckeln verräumt: schon das ein Wunder. Aber er wurde ein Weltstar, der bis heute ungeschlagene Weltmeister des Hausverstands, der einfachsten Worte und der aufgeräum­testen Gedanken. Dinge geradeheraus so zu sagen, dass sie schon beim ersten Mal Hören klingen wie immer schon da, vielleicht war das seine größte Kunst.

2013 sind es hundert Jahre, dass er eigentlich sogar den Literatur­Nobelpreis gewann. Und das kam so:

Rosegger galt, nicht zuletzt weil er nach 1911 schon zum zweiten Mal nominiert war, als hoher Favorit. Aber das Nobelpreiskomitee verhedderte sich in letzter Minute in einem der nationalistischen Justaments, die sich damals überall in Europa aufbauten, Donnergrollen vorm Un­wetter. Denn 1909 hatte er im „Heimgarten“ einen leiden­schaftlichen Spendenaufruf zur Unterstützung deutsch­sprachiger Schulen in Böhmen und Mähren veröffentlicht. Er spendete selbst großzügig, unterzeichnete eigenhändig 20.000 Bittschreiben und brachte innerhalb nur eines Jah­res zwei Millionen Goldkronen zusammen, in heutigem Wert rund drei Millionen Euro.

Tschechische Nationalisten revanchierten sich drei Jahre nach der Spendenaktion durch eine Intervention beim No­belpreiskomitee. Und machten so den in innereuropäischen nationalen Angelegenheiten nicht ganz so exponierten In­der Rabindranath Tagore zu Asiens erstem Nobelpreisträger.

Den freundlichen Tagore plagte danach das schlechte Gewissen, zudem schätzte er Roseggers Arbeit hoch – je­denfalls verwendete er sich dafür, dass sein unterlegener Konkurrent in eine Reihe asiatischer Sprachen übersetzt wurde. Rosegger war nun zwar nicht Nobelpreisträger, aber immerhin hatte er es bis nach Kalkutta geschafft und beschert uns heute den schönen Gedanken, dass sich junge Leute in Südostasien an einem rettungslosen Monsuntag vielleicht mit Erinnerungen an eine Bergbauernkindheit im Obersteirischen wärmen.

Geschichten wie diese weiß Eva Kirchsteiger wunder bar zu erzählen, mit reserviertem Charme und einer respekt­einflößenden Ehrfurcht vor dem Mann, durch dessen Wohnhaus in Krieglach sie seit 20 Jahren Besucher führt, sie sagt: „Führen darf.“

Rosegger entwarf das Haus selbst und ließ es 1877 vom Geld seiner ersten Erfolge bauen. Die Räume sehen aus, als wäre der Hausherr nur ein bisschen Luft schnappen im Gar­ ten. Alle Möbel sind original, der erstaunlich kleine Schreib­ tisch, an dem er arbeitete, die Feder, das Tuschefass, die Lesebrille mit den sieben Dioptrien dicken Gläsern, die Deckenlampen und die kreuz und quer durchs Haus gezo­genen Kabel: Am 24. September 1907 um 18.12 Uhr ging hier zum ersten Mal in Krieglach elektrisches Licht an.

Eva Kirchsteigers große Liebe gehört dem „Heimgarten“, die vollständig gesammelten Ausgaben aus 60 Jahrgängen sind in einer Vitrine aufbewahrt, zu der sie den Schlüssel

hat. „,Heimgarten‘“, sagt Frau Kirchsteiger, „heißt so viel wie tratschen, zusammensitzen, ,hoagaschten‘ sagt man in Salzburg. Ich liebe dieses Heft“, sagt sie.

„Émile Zola hat dafür geschrieben, Rainer Maria Rilke, Karl May oder Marie von Ebner­Eschenbach. Mit ihnen al­len verkehrte Rosegger auf Augenhöhe.“ Es ist Eva Kirch­steiger ein Herzensanliegen, dem Besucher zu vermitteln, dass Rosegger ein Weltliterat war. „Er war seiner Zeit vor­aus, er hat gewarnt, dass uns die Industrialisierung auf den Kopf fallen wird, die intensive Landwirtschaft, er hat be­ reits 1908 über die Feinstaubbelastung in Graz geklagt. Zu­ gleich war er offen für Technik und Innovationen, hat schon 1912 gesagt, dass die Zukunft in der Luftfahrt liegt, und er hat geschrieben, dass man sich eines Tages nach San Fran­cisco beamen wird können … Er hat ,beamen‘ gesagt!“ ➻

eva Kirchsteiger führt seit zwei Jahrzehnten Besucher durch Peter

roseggers wohnhaus. ihre große Liebe gehört dem „heimgarten“, der

Zeitschrift, die rosegger gründete, leitete und

unter verschiedensten Pseudonymen verfasste.

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Peter roseggers Krieg lacher wohn- haus ist bis heute erhalten. rechts hinten am fenster: der schreibtisch.

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Auch warum Peter Roseggers Wohnhaus erhalten ist wie in einem Bernsteintropfen, weiß sie: Es war ein Glücksfall. Denn der Kommandant jener russischen Einheit, die Krieg­lach nach dem Zweiten Weltkrieg besetzte, war Rosegger­Leser und stellte das Haus unter seinen Schutz.

Frau Kirchsteiger erzählt dann noch, dass Rosegger 1918 ein drittes Mal nominiert war, „und dieses Mal hätte er ihn gekriegt. Aber vor der endgültigen Entscheidung“, sie geht in den kleinen Raum neben dem Arbeitszimmer und spricht jetzt fast flüsternd, „ist er hier gestorben, am 26. Juni 1918, um halb zwölf.“ Man hat, als Rosegger starb, die Pendeluhr neben seinem Bett angehalten, sie zeigt bis heute die Sterbezeit.

vI.„IcH Habe nIcHts GeGen das wIssen, aber weIsHeIt Ist mIr lIeber. weIsHeIt entsprInGt nIcHt so seHr

aus dem verstande als aus dem Herzen.“ aus: „höhenfeuer – vom frieDen Des herzens“

Wahrscheinlich ist niemand so sehr Peter Rosegger wie Johann Reischl.

Alle zwei Jahre ist Reischl sogar Rosegger, wenn in Krieg­ lach „Rosegger live“ aufgeführt wird. Reischl stellt da den alten Rosegger dar, inklusive Hut, Lesebrille und Gehrock. „Rosegger live“ ist eine beschwingte Rosegger­trifft­Rock­musik­Inszenierung auf der Basis von „Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß“. Ausgedacht hat sich die Insze­nierung Hannes Graf, der vor seiner Pensionierung bei den Karl­May­Spielen im niederösterreichischen Winzendorf Er­ fahrung gesammelt hat, wie man Stoffe schmissig aufberei­tet. Im Mai 2012 war Premiere, und sie war mit 1.400 Zuse­hern ein so schöner Erfolg, dass man 2014 wieder spielt.

Wenn er ihn nicht gerade verkörpert, ist Johann Reischl sozusagen der amtierende Fahnenträger des Rosegger­An­denkens. Der pensionierte Lehrer – 41 Jahre Deutsch, Ge­schichte, Biologie, Italienisch – ist Vorsteher des Rosegger­bunds Waldheimat Krieglach, „die Funktion ist ein Privileg, eine Spielwiese für meine Liebe zur Literatur“, sagt er.

Reischl ist einer, von dessen Begeisterung man sich gern anstecken lässt, rührig, engagiert. „Manchmal hab ich mehr Stress als vor der Pensionierung!“, sagt er, aber er sagt es mit einem Lachen und auch ein wenig stolz. Immer­hin ist ihm gelungen, Wolfgang Bauer, Barbara Frischmuth, Gerhard Roth, Michael Köhlmeier, Felix Mitterer und viele andere große Namen nach Krieglach zu bringen, mit der Anziehungskraft des Enthusiasten, „manche sind sogar hinaufgestiegen aufs Alpl und haben vor der Kulisse des Kluppeneggerhofs gelesen“, sagt Johann Reischl.

In „Rosegger live“ war natürlich auch der junge Rosegger zu besetzen, der Waldbauernbub, und auch da wurde einer gefunden, dem die Rolle auf den Leib geschneidert ist: Hannes Paller, zwölf Jahre, ein aufgeweckter Krieglacher Bauernbub. Dem Hannes gefällt spitzbübisch gut, wie der Waldbauernbub seinem Paten, dem Knierutscher­Jochem, bei der Eisenbahnfahrt erklärt, dass der Zug nur in einen Tunnel hin einfährt und nicht in die Hölle, über die Stelle muss der Hannes auch lachen, wenn er sie nur nacherzählt. Und dass Rosegger „in Mundart g’schrieben und g’scheit ➻

im original zu sehen: roseggers Brille. Kleines Bild: roseggers studier-stüberl im garten seines wohnhauses beherbergt

ein heimatmuseum.

viele Fehler g’macht hat“, das macht ihm den Peter Rosegger insgesamt recht sympathisch. Schriftsteller mag er trotz­dem nicht werden, „sondern Bauer und Musiker“. Weil zum Mundartreden und Fehlermachen, sagt er und unter­drückt einen Grinser, müsse man ja keine Bücher schreiben.

vII.„das kInd Ist eIn bucH,

aus dem wIr lesen und In das wIr scHreIben sollen.“ aus: „Die schriften Des WalDschulmeisters“

Peter Rosegger war einer von den Guten: Er hat nicht nur Geld, Zeit und einen Nobelpreis in böhmische und mähri­sche Schulen investiert, er hat nicht nur den Wiederauf bau der niedergebrannten Kirche in St. Kathrein bezahlt

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und – als zeitlebens kreuzfrommer Katholik – die erste pro­testantische Kirche der Steiermark ermöglicht. Er hat auch 11.000 Kronen aufgetrieben, damit die Bauernkinder vom Alpl Zugang zur Schulbildung haben.

Das mit dem Zugang darf man wörtlich verstehen: Denn den Katzensprung einer halben Stunde vom Klup­peneggerhof entfernt, wurden 1902 in der Waldschule – die Rosegger in nur fünf Monaten erbauen ließ – die ersten wacke ligen Buchstaben auf Schiefertafeln gemalt. 2.800 Kinder wurden in den darauffolgenden Jahrzehnten hier unterrichtet, erst 1976 gab es die letzten Zeugnisse vom Waldschulmeister.

Rosa Maria Königshofer war Schülerin der Waldschule, und seit 2005 ist sie wieder da: Jetzt führt sie Besucher, erzählt von damals und freut sich über jeden einzelnen Zu­hörer. „Heute waren 200 Schulkinder und eine Pensionis­tengruppe bei uns – da war ein Leben im Haus! Könnte das der Peter Rosegger sehen, ihm würd das Herz aufgehen!“

Die Waldschule folgte ihrem eigenen Lehrplan. Um den Eltern den Sinn der Schule nahezubringen, unterrichtete man nicht nur Schreiben und Lesen, sondern auch Garten­arbeit, Stricken und Tischlerei. Und die Kinder vom Alpl, seit dem Tod des Wanderlehrers Michael Patterer im Jahr 1857 ohne Unterricht, waren gelehrig: Klassentreffen der einstigen Schülerinnen und Schüler seien Treffen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Ärzten und Lehrern, sagt Frau Königshofer, „und Förstern“, fügt sie hinzu.

Im oberen Stockwerk der Waldschule hat man Peter Rosegger beim Bau ein Zimmer eingerichtet, als Überra­schung für den Gönner und Patron. „Er war dann oft hier“, erzählt Frau Königshofer, „und hat in seinem Zimmer ge­schrieben, während unten die Kinder Unterricht hatten. Ich glaube, er war glücklich in diesen Momenten.“ Durch das Fenster des Zimmers konnte Rosegger – „Da war die Gegend noch nicht so dicht bewaldet wie heute, die Fich­ten wachsen ja wie net g’scheit, einen Meter pro Jahr!“ – rauf sehen bis zum Kluppeneggerhof.

vIII.„der provInzler übersIeHt oft dIe mode,

nIe aber den fortscHrItt.“ aus: „höhenfeuer – vom frieDen Des herzens“

Bis 1989 betrieb die Familie Grabenhofer eine Fleckvieh­zucht wie viele. Doch dann sagte der Tierarzt: „Stellts euch einen Ziegenbock in den Stall, dann sind die Rindviecher weniger krank, werdet’s sehen.“

So kam Kunibert auf den Hof der Familie Grabenhofer oberhalb von St. Kathrein.

Bald bekam Kunibert eine Gefährtin, eine Geiß, die den Nachbarn lästig geworden war, weil sie den Blumen­schmuck aufgefuttert hatte. Die Geiß war fesch, Kunibert überhaupt, die Natur nahm ihren Lauf.

Es wäre wohl alles so weitergegangen, hätte ein paar Jahre drauf nicht Renate Grabenhofer zum ersten Mal in ihrem Leben Ziegenkäse gekostet. „Der hat mir richtig gut geschmeckt“, erinnert sie sich. Er schmeckte so gut, dass die Idee entstand, es selber mit Ziegenkäse zu probieren, denn Ziegen hatte man ja mittlerweile in ansehnlicher Zahl.

rosa maria Königshofer war schülerin in der von Peter rosegger errichteten waldschule – nun führt sie Besucher. „heute waren 200 schulkinder und eine Pensionistengruppe bei uns – da war ein Leben im haus!“

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hannes Paller spielt den jungen Peter rosegger,

Johann reischl den etwas älteren. reischl ist als

Vorsteher des rosegger-bundes waldheimat

Krieglach der gralshüter des rosegger-gedenkens.

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die Ziegen der familie graben-hofer überblicken st. Kathrein, während sie almwiesenwiese und almwiesenkräuter jausnen. der grabenhofer-Ziegenkäse wird auch in feinen restaurants in wien hoch geschätzt.

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Mit dem Probieren ging das so dahin, immer mehr Zie­gen, immer mehr Milch, immer mehr Käse, alles neben der Viehwirtschaft. Bis Frau Grabenhofer 1999 sagte: Entwe­der wir machen’s gescheit, oder wir lassen’s. Frau Graben­hofer, die eine ausgesprochen resolute Person ist, war beim Familienrat fürs G’scheitmachen. „Und 2002 haben wir dann die letzten Kühe hergegeben“, sagt sie.

Heute widmen sich sechs Böcke, 140 Ziegen und die ge­ samte Familie Grabenhofer am über tausend Meter hoch gelegenen Hof der Produktion des Ziegenkäses, und zwar Ziegenkäsestück für Ziegenkäsestück in Handarbeit; „nur aus eigener Milch von unseren Ziegen!“, wie Frau Graben­hofer unterstreicht. Und dass sich die Ziegen so gut gelaunt ihrer Aufgabe der Verwandlung von Bergwiesengras, Berg­wiesenkräutern und Bergwiesenluft in Ziegenmilch wid­men, liegt daran, dass sie das von Ende März bis zum ersten Schneefall im Herbst auf den Wiesen rund um den Hof tun und dabei einen Blick hinunter auf St. Kathrein genießen, der sogar Ziegen nicht unbeeindruckt lässt.

Besonders stolz sind die Grabenhofers auf ihren cremi­gen, würzigen Ziegencamembert, den sie seit zwei Jahren produzieren, und auf ihre Ziegenbutter: In einem Kilo­gramm Butter stecken nicht weniger als 40 Liter Milch; „und das schmeckt man“, sagt Renate Grabenhofer.

Der Ruf des Grabenhofer­Ziegenkäses hat sogar schon feine Restaurants bis hinauf nach Wien erreicht, Vater Hans kommt mit dem Ausliefern fast nicht nach. Mutter Renate und Tochter Bernadette stehen derweil in der Küche, wo Bernadette den Bereich Kreativität verwaltet: Von ihr stam­ men Idee und Name des „Dolce Vita“, das ist eine Ziegen­käse­Honig­Komposition, „die du entweder wildgern magst oder gar net“. Derzeit experimentiert sie an einer Kombi­nation aus Ziegenkäse und Holunder und sagt: „Ich denk mir: Es muss doch auch was in Richtung Pralinen möglich sein!“ Gemolken werden die Ziegen jeden Tag von Sohn Matthias, grad 14.

Man kann den Ziegenkäse der Familie Grabenhofer am Hof kosten oder im Gasthof Holzer in Neuberg an der Mürz. Das ist streng geografisch nicht mehr engere Waldheimat, aber der Weg lohnt: Hubert Holzer serviert zum Beispiel Grabenhofer­Ziegenkäseknödel mit Wildspinat, der eigent­lich kein Spinat ist, sondern eine Mischung aus Giersch, Bärlauch und Brennnessel, die ewiges Leben bringt, wenn sie nur halb so gesund ist, wie sie gut schmeckt.

Kräuter sind überhaupt das große Thema von Hubert Holzer. Als er vor bald 30 Jahren den Gasthof von den Eltern übernahm, setzte er gleich einen Kräutergarten an. „Die Leute haben das als Spinnerei abgetan“, erzählt er, „aber mich haben Wildkräuter damals schon begeistert. Was hätt ich tun sollen?“ Außerdem stellte er die Küche um: Leicht, regional, saisonal wollte er’s machen, mit Bau­ern aus der Umgebung als Lieferanten frischer Zutaten. Was heute selbstverständlich klingt, war damals exotisch und, sagen wir so, überforderte manche Gäste ein biss­chen, denn die waren ja im Großraum Cordon bleu hei­misch geworden. „Die ersten Jahre“, sagt Hubert Holzer, „waren nicht leicht.“

Aber er blieb seiner Philosophie treu, „weil ich ja ge­wusst hab, dass das für mich der einzige Weg ist“, pflegte

seine Liebe zu den Wildkräutern, vertiefte die Beziehungen zu den Bauern, die mit dem etwas verschrobenen jungen Wirten mitzogen, baute einen eigenen Hühnerstall, besorg­ te sich Enten gegen die Schnecken im Garten, als man es überall sonst noch für gescheiter hielt, bunte Kristalle im Garten zu verstreuen. „Und dann ist es irgendwann bergauf gegangen“, sagt er, „langsam, nach drei, vier Jahren.“

Heute steht Holzers Gasthof kerzengerade da. Schon zu Mittag widmen sich anspruchsvolle Feinschmecker mit ge­schürzten Lippen dem hausgeräucherten Hirschschinken mit Eierschwammerln, Maiwipferln und Quittengelee, ge­ birgs quellfrischen Saiblingen oder einer Rhabarberschnitte mit Hollersorbet, daneben machen sich bunte Radausflüg­ler über die faschierten Laibchen her, als hätten sie gerade die Tour de France hinter sich gebracht. ➻

der freundliche gastwirt und feinsinnige Koch

hubert holzer weiß nicht nur, wie man mit Ziegen-

käse umgeht (zum Beispiel so wie rechts in einer

hirschschinkenhülle), sondern auch, wie man

Kräuter erstklassig behandelt.

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5. das einfachste grabein schlichtes holzkreuz, eine tafel mit der auf­schrift „unser ziel sei der friede des herzens“, lö­wenzahn, Gänseblümchen, eine einfache Blechvase mit nelken, eine von Krieglacher hauptschülern gebastelte holzlaterne, eine eibe und eine – vom alpl stammende – fichte: peter rosegger wollte „das einfachste Grab, wie es jeder Bauer hat“, und er hat es bekommen. „Wenn man nach 50 Jahren wissen wird, wer der rosegger war, genügt dies ohnehin“, meinte er.Roseggergrab, Friedhof, 8670 Krieglach

6. rock und gehrock„rosegger live“ heißt das stück, das im frühjahr 2014 wieder aufgeführt wird. spielstätte ist voraus­sichtlich das moderne veranstaltungszentrum in Krieglach, was der idee der inszenierung entgegen­kommt: man bemüht sich nämlich, unter anderem durch einflechtung rockiger rhythmen, roseggers Werk einer jüngeren zielgruppe zugänglich zu machen.

7. seelische heimat „ich habe den Kölner und den mailänder Dom ge­sehen und die peterskirche in rom, aber die süße himmelsstimmung wie in dem weißen, lichten Kirchlein zu Kathrein am hauenstein habe ich sonst nirgends gefunden.“ so hat das peter rosegger selbst gesagt. Die kleine und wunderhübsche Kir­che von st. Kathrein „war roseggers seelisches zentrum“, wie es rosegger­Kenner Johann reischl ausdrückt, „nicht zuletzt aus ganz praktischen Gründen: in st. Kathrein war er in zwei stunden, der fußweg nach Krieglach war doppelt so weit.“ Die Kirche wurde 1904 bei einem Brand schwer be­schädigt, für die Kosten der renovierung kam peter rosegger selbst auf. eine Gedenktafel erinnert heute noch daran.Rosegger-Ausstellung in St. Kathrein am Hauenstein,8672 St. Kathrein/Hauenstein 104,Tel.: 03173/40 30 (Gemeindeamt) oder 03173/23 63 (Gasthof Gesslbauer),[email protected]

unterwegs mit Johann reischl, rosegger-experte

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1. rauf auf den hof!peter roseggers Geburtshaus lohnt den – je nach Konstitution und ehrgeiz – 30­ bis 45­minütigen aufstieg vom parkplatz nahe der Waldschule jeden­falls. von einer Winterpause abgesehen, ganzjährig geöffnet als eindrucksvolles freilichtmuseum, die­sen sommer zusätzlich als spektakulärer schau­platz einer bemerkenswerten theateraufführung: felix mitterer hat eine dramatisierte fassung von roseggers „Jakob der letzte“ erarbeitet, die unter der regie von michael schilhan unter anderem von august schmölzer aufgeführt wird. träger der ver­anstaltung ist die marktgemeinde Krieglach unter ihrer rührigen Bürgermeisterin regina schrittwieser.Roseggers Geburtshaus, Vorderer Kluppeneggerhof, 8671 Alpl 42, Tel.: 03855/82 30.Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 16 Uhr; es gibt auch Führungen. 2. Pflicht-schulbesuchDem andenken an seinen ersten lehrer michael patterer widmete peter rosegger die Waldschule, in der die Kinder vom alpl ab oktober 1902 unterrich­tet wurden. zwei Klassenräume sind eingerichtet, jener im erdgeschoß zeigt den schulalltag aus den 1970er­Jahren, als die letzten Kinder hier unterrich­tet wurden. Jener im obergeschoß ein originales Klassenzimmer aus 1902. es ist im haus (in der ehemaligen Waldschulmeisterwohnung) auch ein Wandermuseum eingerichtet. Die schulglocke ist außen am haus angebracht, „denn die Kinder hat­ten ja keine uhr. Wenn die Glocke läutete, wussten sie, sie müssen schnell laufen, um nicht zu viel vom unterricht zu versäumen“, erzählt rosa maria Kö­nigshofer, die Besucher durch die Waldschule führt. von der Waldschule ist es übrigens nicht weit zum patterer­marterl, das an der stelle seines kleinen häuschens an den lehrer erinnert. Roseggers Waldschule, 8671 Alpl 2, Tel.: 03855/82 38

3. am schreibtischDas roseggermuseum Krieglach ist in roseggers Wohn­ und sterbehaus untergebracht, das 1877 nach seinen plänen erbaut wurde. Die originalen skizzen sind zu sehen, seine Korrespondenzen – darunter sehr spannende, etwa mit Karl may – und viele erinnerungsstücke: sein schreibtisch, seine lesebrille und neben dem arbeitszimmer der ruheraum mit dem sterbebett. Roseggermuseum Krieglach, Roseggerstraße 44, 8670 Krieglach, Tel.: 03855/23 75

4. im Park an rosegger­Gedenkstätten gibt es keinen mangel, und da und dort ist das angebot an erinnerungs­stücken schon auch ein wenig überlappend. aber wenn man schon dabei ist: ein Besuch im rosegger­park von Krieglach verschafft mit einer zeittafel und ein paar ausgewählten Gedichten einen einfachen Überblick über das leben des Dichters. Roseggerpark, Bürstadtstraße 8, 8670 Krieglach

Durch die WaldheimatEin paar Tipps zum Rosegger-gerechten Essen, Trinken, Schlafen, Wandern und Kulturgenießen.

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8. auf ein schöberlpeter rosegger war, wenig verwunderlich ange­sichts der herkunft, zeitlebens kein ausgesproche­ner feinschmecker. seine leibspeise war ein schö­berl, ein ganz einfaches Gericht aus ei, milch und mehl, das man sich genauso als nachspeise ser­vieren lassen kann wie als einlage in die suppe. im Gasthaus Gesslbauer trinkt man, wenn die saison danach ist, zum Beispiel einen hausgemachten ribi­selsaft dazu. und wenn man den Wirt mit der ent­sprechenden höflichkeit fragt, kriegt man auch alle infos zum Besuch der nahen schaumühle.Gasthaus Gesslbauer, St. Kathrein am Hauenstein 50,Tel.: 03173/23 63, www.gasthof-hauenstein.at

9. schlafen im ortpassende Basisstationen eines aufenthalts sind die auch nach modernen ansprüchen komfortablen häuser der familien rothwangl und stocker.Gasthof zur Waldheimat, Hauptplatz 3, 8670 Krieglach,Tel.: 03855/22 27, www.gasthof-rothwangl.at;Gasthof und Wellnesshotel Stocker,Erzherzog-Johann-Straße 17, 8670 Krieglach,Tel.: 03855/22 43, www.stockers-hotel.at

10. süß am Bergrudolf Brandl ist hauptschullehrer für mathematik, Geometrisches zeichnen und technisches Werken, und mit summen hat er auch in seiner freizeit zu tun. er ist nämlich als imker herr über 60 Bienen­völker, und sein Waldheimathonig, produziert auf 1.060 meter höhe, formuliert die Würze der wald­heimatlichen luft auf sehr angenehme Weise.Imkerei Rudolf Brandl, 8671 Alpl 35,Tel.: 03173/27 77, www.waldheimathonig.at

11. die beste Kücheauszeichnungen in allerlei feinschmeckerführern haben den Gasthof holzer gottlob nicht verändert: es wird zwar auf das allerfeinste gekocht und auf das angenehmste serviert, aber man wird auch gern verköstigt, wenn man im radlerdress halt­macht. hubert holzer ist ein mensch mit großer affinität zu Kultur und Kräutern, beides wird auf er­freuliche Weise deutlich. und er ist ein toller Koch, wie sich in jedem seiner wunderbar regionalen und saiso nalen Gerichte aufs neue zeigt. unbedingt ei­nen abstecher in die Greißlerei nebenan machen!Gasthof Hubert Holzer,Hauptstraße 9, 8692 Neuberg an der Mürz,Tel.: 03857/83 32, www.hubertholzer.com

12. glücklicher ZiegenkäseDer Blick hinunter aufs malerische st. Kathrein al­lein würde einen abstecher hinauf zur familie Gra­ ben hofer schon rechtfertigen. aber zusätzlich gibt es auf ihrem hof gar herrlichen, herzhaften, feinen ziegenkäse, durchaus auch in kreativen Kombinati­onen. seit 2005 führen die Grabenhofers ihren fa­milienbetrieb als Biobetrieb, was auch die laune der ziegen sonnig gestaltet: Den Böcken sitzt der schalk im nacken, die Geißen haben ihren spaß dabei.Kathreiner Ziegenkäse, Fam. Johann und Renate Grabenhofer, St. Kathrein am Hauenstein 43, Tel.: 03173/26 30, www.ziegenkaese.at

Angeschlossen ist eine liebevoll eingerichtete Greiß­lerei, in der sich die Liebe des Wirts für Kulinarik und Kunst begegnen: Da kriegt man eine CD des Neuberger Wirtshaustrios, auf der der Wirt singt, und dazu haus­gemachte Marmeladen oder Holzers Liebstöcklpesto.

IX.

„HoHe berGe und bedeutende menscHen scHeInen Grösser In der ferne als In der näHe.“

aus: „alpensommer“

Diesen Sommer kehrt Peter Rosegger auf den Kluppenegger­ hof zurück. Johann Reischl, der pensionierte Lehrer mit der ansteckenden Begeisterung, hat Felix Mitterer dabei unter­stützt, seinem Bedürfnis nach der Erstellung einer dramati­sierten Fassung von Roseggers „Jakob der Letzte“ nachzuge­ben. Gespielt wird oben auf dem Alpl am Kluppeneggerhof. Die halbe Stunde Fußweg vom Parkplatz zum Hof lohnt, denn oben warten nicht nur Rosegger und Mitterer, son­dern auch Fichtennadelluft, Alpl­Quellwasser und ganz links oben ein erfrischender Blick auf die Pretulalpe. 3

rosegger-andenken allüberall: hier das denkmal im Park von Krieglach.

Peter Roseggerder Bauernbub (* 31. Juli 1843, † 26. Juni 1918) war öster­reichs erster literarischer Weltstar: millionenauflagen, Über­ setzungen in 30 sprachen, dreimal für den literatur­nobelpreis nominiert. sein 1888 erschienener roman „Jakob der Letzte“

wurde nun von felix mitterer dramati siert und wird im rah­men der roseggerfestspiele aufgeführt – und zwar am schönsten theaterplatz, den man sich nur vorstellen kann: oben auf dem Kluppenegger­hof unter freiem himmel. Der Premiere am 28. Juli folgen acht vorstellungen im august. termine, preise, tickets, infos unter www.roseggerfestspiele.at