WUTBUCH: WAS ICH MIR DABEI DACHTE

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WUTBUCH: WAS ICH MIR DABEI DACHTE VON ROMANO DUDAS

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Gestalterischer Hintergrund der Diplomarbeit "WUT – Eine Collage von Romano Dudas"

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Wutbuch:Was ich mir dabei dachte

vonromano dudas

Vorwort

Die Idee, ein Buch über das Thema „Wut“ zu schreiben, kam mir eines Tages und augenscheinlich ohne,dass ich lange darüber nachgedacht hätte. Betrachte ich das letzte Jahr jedoch genauer, so wird mir klar,dass sie einem langwierigen Prozess entstammt, der in meinem Unterbe-wusstsein von Statten ging. Im Jahr 2013 wurden mir vom Leben saftige Mittelfinger präsentiert, die sichmit kleineren und größeren alltäg-lichen Ärgernissen einen Schlagab-tausch lieferten, deren Wucht ich vollen Zügen genießen durfte.Die Rahmenbedingungen meiner Umwelt boten mir nicht immer die Möglichkeit, meiner Wut freienLauf zu lassen und wenn doch, wäre ein Druckausgleich der Situationnicht dienlich gewesen. Wie ein gu-ter Eintopf reifte meine Wut lange und unter stetigem Druck undmuss irgendwann das Gehirn er-reicht haben, um mir die Idee des Wutbuchs zu bescheren. Bei derRecherche und Konzeption stellteich fest, dass Wut ganz zu Unrecht

ein schlechtes Ansehen in unserer Gesellschaft hat. Ganz entgegen eines abgegriffenen Charlie Chaplin Zitats erfahren Trauernde Mitleid und Trost, Fröhlichkeit muss Gesellschaft nicht lange suchen. Ein Wüterich aber wird mit seinem Gefühl alleingelassen. Ihm wird empfohlen, sich abzuregen,unter Ausschluss der Öffentlichkeit.Dabei ist Wut eine Emotion, deren Kraft man nicht ungenutzt lassen darf. Wut weist uns auf einen Missstandhin und reicht uns gleichzeitig dienötige Energie, diesen zu beseitigen.Im Prinzip ist sie nichts weiter alszielgerichtete Leidenschaft.Leider wird sie oft missverstanden, der „Drive“, dahinter kritisch beäugt.Ich jedenfalls merkte nach intensivem Grübeln, dass mir die Wut oft dabei half, ein kreatives Projekt in Angriff zu nehmen, wenn nicht sogar die Möglichkeit eines solches erst in mein Sichtfeld rückte. Im Folgenden möchte ich auf gestalterische Interpretationen und von mir gesetzte Rahmenbedin-gungen eingehen und diese erläutern.

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sDas Format

Wer Regeln brechen will, muss zu-nächst einmal welche aufstellen. Und so entschied ich mich für ein klassi-sches Raster mit drei Reihen und drei Spalten. Der Abstand des Satzspiegels zum oberen Seitenrand hin beträgt 15mm, nach unten hin 40mm und nach links und rechts jeweils 10mm.Der Abstand zwischen den hilfslinen ist drei Millimeter breit, ebenso der Abstand zwischen den Textspalten.Es war mir wichtig, bei diesem „klei-nen“ Format einen ausreichenden Freiraum um den Satzpiegel herum zu schaffen, sodass die Seiten einer-seits nicht zu vollgesetzt sind und ich mir andererseits noch genug Freiraum erhalte, den ich überschreiten kann.

Wut hat nichts mit cleanem Design und somit auch nicht mit Weißraum zu tun. Um diesem also aus demWeg zu gehen, griff ich zu einemkleineren Format und zwar26,2mm x 19,5mm. Diese Größewar mir bereits bekannt, da dasBuch einer namhaften deutschenDesignagentur die selben Maße auf-weist und ich seit dem Kauf voretwa zwei Jahren vertraut damit bin.

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sich sagte „Das wird einfach nichts mehr“. Am nächsten Morgen hatte er plötzlich die Idee dazu, wie er es angehen könnte. Und heraus kam ein mehrfach ausgezeichnetes, sehr gut verkauftes Buch. Solche Ge-schichten habe ich vielfach gefun-den. Und das Interessante daran ist, dass ich nicht danach gesucht habe, sondern in der Recherche darauf ge-stoßen bin.

Damit wären also die drei Bereiche – Grenzen setzen, Motivation und Kre-ativität – der zielgerichteten, direkten Anwendung von Wut, abgesteckt.

Die zweite Zugangsweise, wie Sie Ihre Wut in produktives Handeln umsetzen können, ist die Wut zu hinterfragen und zu ermitteln, was eigentlich dahinter steckt. Mit dieser Methode lassen sich die eigenenBe-dürfnisse, die unbewussten, tie-fen Antriebe erkunden. Und es kann sein, dass Sie dabei ganz andere Ursa-chen für die eigene Wut entdecken, als zunächst vermutet. Beispielswei-se können Sie wüten auf jemanden sein, der sozusagen überhaupt gar nichts dafür kann und in dessen Fall es auch gar nichts bringt, Ihren Konflikt mit diesem speziellen Menschen aus-zufechten. Hier sollten Sie erkennen, dass derjenige nur Anlass dafür war, dass Sie in einer Situation in ihrem Leben zum Beispiel nicht anerkannt wurden. Dann ist es natürlich an-gebracht, diese Anerkennung zu suchen, aber nicht indem Sie noch mehr Energie aufwenden oder fo-kussiert und gezielt agieren, sondern indem Sie vielleicht ganz andere Maß-nahmen ergreifen. Also beispielswei-se ganz ruhig das Gespräch suchen, Yoga oder mehr Urlaub machen und mehr Andere loben und anerken-nen, sodass Sie auch selbst den Raum

schaffen, anerkannt zu werden. Hierbei handelt es sich um eine grundsätzlich andere Herangehens-weise im Umgang mit der eigenen Wut.

Also kann es auch sein, wenn ich wütend auf jemand anderen bin, bin ich eigentlich wütend auf mich selbst und realisiere das so-zusagen erst durch diese Person?

So ähnlich könnte man es auffassen. Der Andere dient dann als Vehikel

um von sich selbst und den eigenen Bedürfnissen abzulenken. Und „Be-dürfnis“ kommt ja von „Schwäche“, von „bedürftig“ und „armselig“sein usw. und davon möchte man eigent-lich ablenken – man möchte die Schwäche nicht zugeben.

Handelt es sich nur um meinen persönlichen Eindruck oder ist es tatsächlich so, dass Wut in der Gesellschaft eher zu den Emotio-nen gehört, die äußerst negativ konnotiert sind?

Ich find durchaus, dass die Rolle der Wut in der Gesellschaft nicht unbedingt eine negative ist. Sie wird nicht komplett negativ angesehen, sondern im Gegenteil, in manchen Bereichen sogar honoriert. Mein Claim hierzu lautet „Charakter zei-gen!“ und wenn Sie das heutzutage bei einer Suchmaschine eingeben, landen Sie auch auf meiner Seite. Das war jedoch nicht immer so. Vor

einigen Jahren wären Ihnen beim Suchbegriff „Charakter zeigen!“ lediglich etliche Sportseiten erschie-nen, auf denen es weniger darum ging, dass Mannschaften Charakter zeigen soll, sondern im Wesentlich so etwas wie Aggressivität, eine an-dere Handlungsmöglichkeit, die auf Ärger folgen kann.Es ist also sehr wichtig hier eine kla-re Trennung zu machen: Ärger ist eine Emotion, Aggression dagegen eine Handlung. Das eine muss nicht notwendigerweise mit dem Ande-ren verbunden sein, da gibt es eine deutliche Grenze. Deswegen ist es immer wichtig und richtig, Ärger zu akzeptieren, weil er ein Hinweisge-ber für uns selbst ist, eine Warnung. Aggression dagegen ist nicht immer positiv, das ist ganz klar.

Kann man jede Art der Wut in positive Energie wandeln, oder nur diejenige, die sich auf das zu lösende Problem bezieht?

Die Wut auf eine positive Weise für sich zu nutzen ist immer möglich, eben weil es wie oben erklärt auch die Möglichkeit gibt, sie zu hinterfra-gen. Und das ist übriges auch enorm wichtig. Wir sind den Tag über Milli-onen von Reizen ausgesetzt, die alle verarbeitet werden müssen. Aber nur ganz wenige davon lösen Wut in uns aus. Das bedeutet, Wut ist ein ganz wichtiger Hinweisgeber. Wenn wir

„DIE WUT AUF EINE POSITIVE WEISE FÜR SICH ZU NUTZEN IST IMMER MÖGLICH“

„WEGEN IHRES HIN-WEISCHARAKTERS DARF WUT NIEMALS EINFACH NUR RUN-TERGESCHLUCKTWERDEN“

Die typoGraFie

Seit ich für ein Typografiereferatüber Willy Fleckhaus mich ausgiebig mit der Schriftfamilie Frutiger ausein-andersetzte lässt sie mich nicht mehr los. Sie kann kräftig und stark oder auch unscheinbar friedlich wirken und ist stets gut lesbar. ohne lange zu zögern entschied ich mich, ausschließ-lich sie zu verwenden und zwar wie folgt:

Fließtext:Frutiger cE 45 Light RegularGröße: 10pt auf 12pt;gut lesbar und im Kontrast zurGestaltung und den Zitaten

Zitate & überschriften:Frutiger cE 55 Roman Bold ItalicGröße: 14pt auf 18pt;gut lesbar, im Kontrast zum Fließtext und mit ein wenig zu großem Durch-schuss, was für die unterbewusste Irritation des Lesers sorgt;bei überschriften variiert die Größje nach Bedarf

Einleitungen:Frutiger cE 55 Roman ItalicGröße: 12pt auf 16pt;gut lesbar, hebt sich gut von handge-schriebenen überschriften ab

überschriften:Frutiger cE 95 Ultra Black RegularGröße: variierend;brachial, präsent, herrlich

Frutiger CE 45 Light RegularThe quick brown fox jumps over the lazy dog.ThE quiCk bRown Fox jumps ovER ThE Lazy dog.

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Die FarbwahlDie Farben, die ich benutzen würde standen für mich gleich zu Beginn fest. Schwarz, Rot und Weiß ergeben den aggressivten Kontrast und es reizte mich sehr, mich einer derart eingeschränkten Farbpalette zubedienen, da ich einschränkungen gerne als gestalterische herausfor-derung und somit im Endeffekt als eigentliche kreative Beflügelung verstehe. Diese farbliche Enge ver-deutlicht die Scheuklappen, die ein Wutanfall uns aufsetzt, der Blickwird scharf, die Gedanken kurz und direkt, man handelt, ohne Optionen abzuwägen.

Bei der Zusammensetzung des Rots achtete ich darauf, einen wirklichreinen Farbton zu erhalten und so auch im Druck eine leuchtende Farbe zu erzielen, ohne eine Sonderfarbe benutzen zu müssen, da die Bücher im digitalen Druckverfahren her-gestellt wurden. Schwarze Flächenhinterlegte ich mit Magenta,cyan und Gelb um einen kräftige-ren Schwarzton zu erhalten.

c:0 / M:100 / y:100/K:0

Gestalterische elementeGescanntes

Die Idee dahinter war durch Wut ent-gleisende Situation. Die beim Scann-vorgang verschobenen und gedrehten Worte/Bilder lassen durchaus erahnen, wie das Objekt ursprünglich aussah und zeigen, wie es dann entstellt wurde und ab welchem Punkt dies geschah.

stockfotos aus den 80ern/90ern

Wie bereits erwähnt befindet sichdas Thema „Wut“ jenseits allerGeschmacksfragen. Ich wollte ver-meiden, durch zu viel kantenloses Bildmaterial den Eindruck zuerwecken, Wut sei salonfähig oder leicht zu bändigen. Die herausforde-rung, der Wut herr zu werden sollich auf den Betrachter übertragen,er soll irritiert werden.

Kartonbuchstaben

hier wollte ich die Rauheit der Wut verdeutlichen, außerdem machtmich persönlich Basteln wegenmeiner Unfähigkeit und Ungeduldim Umgang mit Krton, Klebstoffund Schere oft wütend.

Flüssige schrift

Dieses normalerweise für die Mani-pulation vermeintlich mit Makeln versehener Models benutze Pho-toshop Werkzeug verleiht Worten ein organisches Aussehen. Sie scheinen lebendig zu sein und stellen die Ent-gleisung der Wut auf eine andere Art und Weise dar.

screenshots

Screenshots, die auf eine Größe skaliert werden, die die Verpixelung des Inhalts zur Folge haben, besitzen die Anmut eines Unfalls, eines unbe-absichtigten Missgeschicks, dass man im nachhinein bereut – ebenso wie vieles, dass man im Zuge eines Wut-anfalls im Affekt sagt oder tut.

Rohe Typografie

Selbstgebaute Metallfeder und fast leere Filzstifte dienten mir hier als Schreibutensilien und fordertenaufgrund ihrer Beschaffenheit und des damit verbundenen erschwerten Arbeitsablaufs starke nerven und verdeutlichen Wut & Aggression.

Gestalterische elementewingdings symbole

Das Faszinierende an WingdingsSymbolen ist, dass jeder irgendwann mit Ihnen in Berührung kam, wenn auch nur per Zufall beim Auswählen iner Schrtiftart in Word. Sie sindim kollektiven Unterbewusstsein verschwunden und irriteren uns des-halb, wenn wir so explizit mit ihnen konfrontiert werden. Der Effekt ist ähnlich wie der der Stockfotos.

ausgerissene seiten

Da es sich bei meiner Diplomarbeit um eine collage handelt, also mehrere Inhalte unter dem Deckmantel eines Themas zusammengesetzt, abernicht miteinander verbunden sind, brauchte ich eine Art Unterteilung, die sie trennt ohne sie voneinander abzuschirmen – eine lose Trennungsozusagen. Ausgerissene Seitenerfüllen diese Anforderung perfekt.

illustrationen

Da ich die Interviews selbst führte,bot sich an, statt fremder Fotografien zu verwenden selbst Illustrationen anzufertigen um so den persönliche Aspekt der Gespräche zu unterstrei-chen.

Gestreckte & Gestauchte schrift

Ein absolutes Tabu für jeden ernstzu-nehmenden Grafiker und Typo-grafen ist es, Schrift zu streckenoder zu stauchen. Auch hier wollte ich bewusst Regeln brechen undso eine Irritation des Betrachtersherorrufen.