X R >>R A4 ? … · 2017. 1. 22. · sucht wurde. Heute gilt die Photovoltaik ... nach der Hitze

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DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de Sie liegen in den Wendekreisen, 23,5 Grad nördlich und südlich des Äquators. Sie fin- den sich auf fast allen Kontinenten. Die Sa- hara gilt wohl als bekanntestes Beispiel für subtropische Wüsten, ebenso Teile der Kalahari im südlichen Afrika (Foto). Und dass sie genau in diesem Bereich der Welt vorkommen, ist kein Zufall. Über dem Äquator nämlich heizt sich der Boden durch die starke Sonneneinstrahlung auf. Wasser verdunstet, feuchte Luft steigt nach oben, und Quellwolken entstehen, die in großer Höhe nach Norden und Sü- den abgelenkt werden. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit regnet es in Äquatornä- he. Danach sinkt die abgekühlte, trockene Luft wieder zu Boden, löst die Wolken voll- ständig auf, genau in den Wendekreisen. Ohne Wolken kann es nicht regnen. Nur die Lebenskünstler unter den Tieren und Pflanzen können hier überleben. AVIG Direkt ans Wasser grenzen sie und warten doch vergeblich auf einen Tropfen Regen: Küstenwüsten entstehen durch das Zu- sammenspiel eines warmen, vom Land weg wehenden Passatwinds und einer kal- ten Meeresströmung. Nur an den Westsei- ten der Kontinente kommt das vor. Dann überlagern die warmen Luftmassen des Passats die aufsteigenden kalten Massen der Meeresströmung. Daher können keine Wolken entstehen. Die Atacama-Wüste in Chile zählt zu den exotischen Küstenregio- nen, sie liegt zudem noch im Regenschat- ten der Anden (Bild). Oder die Wüste Namib, die sich durch Angola und Namibia erstreckt. Die an den Atlantik grenzende Skelettküste der afrikanischen Trocken- region war in den vergangenen Jahrhun- derten unter Seefahrern gefürchtet. Wer einmal dort gestrandet war, hatte keine Chance zu überleben. AVIG Die Taklamakan-Wüste in Zentralasien – knapp so groß wie Deutschland – ist ne- ben der Wüste Gobi und dem sogenann- ten Großen Becken im Westen der USA das bekannteste Beispiel für sogenannte Binnenwüsten, die sich außerhalb der tro- pischen Wendekreise und weit entfernt von den Ozeanen befinden. Typisch für die Taklamakan sind die riesigen Wander- dünen, die von starken Winden angetrie- ben werden. Gefürchtet ist der sogenann- te Kara Buran, der schwarze Sandsturm, der vor allem in der ersten Jahreshälfte wü- tet und schon ganze Karawanen und Städ- te verschüttet hat. In der hyperariden Regi- on fallen nur 30 Millimeter Niederschlag im Jahr (Deutschland knapp 750). Da kein Meer mit seiner Wärme ausgleichen kann, kommt es manchen Berichten zufolge im Tagesverlauf zu Temperaturschwankun- gen von bis zu 70 Grad Celsius. CWB Das Death Valley in der Mojave-Wüste auf dem Gebiet der US-Bundesstaaten Kalifo- nien, Utah, Nevada und Arizona galt mal als heißester Ort der Welt – zu Unrecht, wie man mittlerweile weiß. Bei Durch- schnittstemperaturen von bis zu 45 Grad Celsius im Sommer ist diese Regenschat- tenwüste dennoch kein gemütlicher Ort: Die umliegenden Gebirge, vor allem die Si- erra Nevada, stoppen die meisten Wolken und lassen sie vor Ankunft in der Wüste ab- regnen, karge 150 Millimeter Regen pro Jahr erreichen hier den Boden. Dennoch wurden hier einige Städte errichtet, etwa Las Vegas. Daneben gibt es aufgegebene Orte, Geisterstädte, wo früher Silber ge- sucht wurde. Heute gilt die Photovoltaik als vielversprechender neuer Wirtschafts- zweig; Solarkraftwerke sollen unter ande- rem das nahe gelegene Los Angeles mit Strom versorgen. CWB Die größte Wüste der Welt? Nein, das ist nicht die Sahara, sondern mit 13 200 000 Quadratkilometern Fläche die Antarktis. Denn entscheidend für die Definition einer Wüste ist die fehlende Vegetation, deshalb gelten auch die Polargebiete und Kältegebiete der Hochgebirge als Wüsten. Auch sie zeichnen sich durch extreme Tro- ckenheit aus, weil das Wasser des Eises den Pflanzen nicht zur Verfügung steht, kaum Niederschlag fällt und vor allem im Inland die Luft extrem trocken ist. Einzigar- tig sind etwa die sogenannten Antarkti- schen Trockentäler oder McMurdo Dry Val- leys im Transarktischen Gebirge der Ost- antarktis. Diese rund 11 300 Quadratkilo- meter weiten, eisfreien Täler gehören zu den trockensten und lebensfeindlichsten Regionen der Erde überhaupt; laut Nasa gleichen die Bedingungen dort am ehes- ten der Marsoberfläche. CWB hat ein Satellit der Nasa im Jahr 2005 mit einen Infrarot-Radiometer am Boden der Wüste Lut gemessen – die höchste Temperatur, die je auf der Erde ermittelt wurde. Es ist der Hitzepol der Welt. von richard stone E s war während der 20er- und 30er-Jahre des 20. Jahrhun- derts, da geriet der Wiener Arzt und Abenteurer Alfons Gabriel in den Bann der Wüste Lut. Ga- briel war auf einem Kamel kreuz und quer durch die ausgedörrten Regionen des Na- hen Ostens, Pakistans und Afghanistans geritten, er hatte Gegenden erforscht und kartografiert, in die sich bis dahin nur weni- ge Menschen gewagt hatten – in Landstri- che mit Namen wie Dasht-i-Naumid (Wüs- te ohne Hoffnung) und Dasht-i-Margo (Wüste des Todes). Aber eine „wirre An- sammlung unwegsamer, ineinander ver- knäulter Dünen“ verhinderte zunächst, dass er das Innere der Lut erreichte, einer Sandzone voll fantastischer Gesteinsfor- mationen im Südosten Irans. Sie gilt als der heißeste Ort der Erde. Erst im März 1937 gelangte Gabriel schließlich dorthin – und kam nur knapp mit dem Leben davon. Er beschrieb seine Erlebnisse ein Jahr später in einem fesseln- den Vortrag vor der Royal Geographical So- ciety in London: An einem späten Nachmit- tag, erinnerte sich Gabriel, „verdunkelten rote Wolken die Landschaft, und ein Lär- men begann, als würde das Meer tosen.“ Der Sandsturm wütete bis in die Nacht. „Ei- nige angstvolle Stunden lang lagen wir be- wegungslos und hilflos ausgestreckt am Boden.“ Später verloren die Reisenden die Orientierung durch Fata Morganas, beson- ders plastisch waren sie in der kühlen Luft des Morgens, kurz vor Sonnenaufgang. Ge- gen Ende der dreiwöchigen Reise hatten selbst ihre ausgedörrten Kamele genug. „Ihre Beine zitterten, sie keuchten, sie knie- ten nieder und krochen manchmal nur noch auf den Knien weiter.“ Bis heute hat die Lut ihre Anziehungs- kraft bewahrt. So brach zuletzt im Novem- ber vergangenen Jahres ein Konvoi aus fünf Geländewagen in das Zentrum der Wüste auf, mit ihnen fuhren zehn Wissen- schaftler und ihre lokalen Führer, ausge- rüstet waren sie mit Kameras, Messinstru- menten sowie Hunderten Litern Wasser und Treibstoff. Diese modernen Entde- ckungsreisenden interessierten sich aller- dings weniger für die exotische Land- schaft. Sie befassten sich vielmehr mit dem mysteriösen Ökosystem der Lut. „Früher hatte man angenommen, dass die Lut viel zu unwirtlich sei, um Leben zu erlauben“, sagt der Pflanzenbiologe Hos- sein Akhani von der Universität Teheran. Im Inneren der Wüste, einer Fläche von der Größenordnung Bayerns, wächst kaum ein Halm. Dennoch berichteten Abenteurer und Forscher immer wieder, sie hätten Tiere in der Lut gesehen, unter anderem Insekten, Reptilien und Wüsten- füchse. Doch wie dieses Nahrungsnetz funktionieren sollte, blieb ein Rätsel. Seine Lösung könnte ein ebenso morbides wie einzigartiges Phänomen sein: Womöglich dienen Vögel, die tot vom Himmel fallen, den Tieren als Futter. Iranischen For- schern war aufgefallen, dass Zugvögel sich offenbar häufig in die Lut verirren. Sie wer- den von der Hitze überwältigt und fallen dann wie Manna vom Himmel. Die aktuelle Expedition, organisiert von Akhani und Bahman Izadi, dem Leiter ei- ner Umweltorganisation in Teheran, sollte unter anderem diese Frage erkunden. Da- bei ließen sie sich auch nicht von Warnun- gen abschrecken, dass sie unmittelbar nach der Hitze des Sommers nicht genü- gend Lebewesen aufspüren würden, um das herauszufinden. Tiere, die sich einge- graben haben oder vor der Hitze in umlie- gende Gebiete geflüchtet sind, hätten viel- leicht noch nicht genügend Zeit gefunden, um sich in die Wüste zurückzuwagen. Doch dem Team gelang es, die Existenz eines vibrierenden Ökosystems zu bestäti- gen. Sie fanden Belege für die Zugvögel- These und entdeckten außerdem, dass die knochentrockene Landschaft einen „ver- steckten See“ verbirgt, eine überraschend flache Schicht salzigen Grundwassers, die vielleicht zum Leben in der Ödnis beiträgt. Ähnlich wie in diesem bislang einzigarti- gen Gebiet wird es künftig wohl auch ande- ren Regionen der Welt ergehen. Die Klima- modelle sagen voraus, dass mit den stei- genden Temperaturen jene Gebiete im Na- hen Osten wachsen werden, in denen Men- schen nicht mehr existieren können. Diese Areale werden bald jener Übergangszone gleichen, die zwischen den Siedlungen an den Rändern der Lut und ihrem extrem le- bensfeindlichen Kern liegt. Nach Gabriels wagemutigen Pionier- reisen blieb die wissenschaftliche Litera- tur zur Lut lange Zeit spärlich. Ein Punkt war allerdings damals schon geklärt: Be- reits Gabriel hatte seinen Zeitgenossen zi- tiert, den österreichischen Geografen Gus- tav Stratil-Sauer, wonach sich „die heißes- te Region der Erde nicht im Sindh findet, in Abessinien oder im Death Valley in Kalifor- nien, sondern im südlichen Lut.“ Im Jahr 2005 maß ein Infrarot-Radiometer des Na- sa-Satelliten Aqua an einer Stelle in der Wüste Lut die heißeste je aufgezeichnete Bodentemperatur von 70,7 Grad Celsius. Im April 2014 installierte dann ein For- scherteam um Morteza Djamali, einem Pa- läoökologen vom Institut Méditerranéen de Biodiversité et d’Ecologie Marine et Con- tinentale (IMBE) in Aix-en-Provence, an ge- nau diesem Ort einen Temperaturlogger. Bei dieser Gelegenheit kam es zu einer an Alfred Hitchcock erinnernden Szene. Das Team beobachtete, wie Massen an Heu- schrecken heranflogen, die erst einen Vo- gelkadaver kahl nagten, dann sich selber kannibalisierten und sogar die Forscher an- griffen und bissen. „Ich kann mir vorstel- len, dass ein einsamer Reisender von die- sen kleinen Lebewesen getötet werden kann“, sagt Djmali. Immerhin tat das Thermometer, instal- liert auf 30 Zentimeter Höhe im Schatten eines Holzzylinders, seine Arbeit zuverläs- sig. Im Juli dieses Jahres kletterte es auf 61 Grad Celsius – das waren ungefähr fünf Grad mehr als beim offiziellen Schatten- rekord aus dem Jahre 1913 im Death Valley. Vermutlich entstehen solche höllisch hei- ßen Temperaturen durch den schwarzen Sand, vor allem Magnetit, aus dem viele Dünen bestehen. Er absorbiert besonders viel Hitze. Im selben Jahr untersuchte Akhani bei einer kurzen Erkundungstour unter ande- rem die kärglichen Pflanzen, die an den we- nigen salzigen Pfützen der Wüste wach- sen. Schon damals waren auch ihm die vie- len Vogelkadaver aufgefallen. Um ihre Rol- le im Ökosystem zu untersuchen, stellte er ein Team von Experten zusammen, die von der Iranian National Science Foundati- on, dem Saeedi Institute for Advanced Stu- dies an der Kashan University in Iran und aus weiteren Ländern stammen. Mit ihm will Akhadi in den nächsten fünf Jahren die wissenschaftlichen Geheimnisse der Wüste lüften. Seine erste Expedition startete das Team in Shahdad, einer Oase am westli- chen Rand der Lut. Es arbeitete sich erst nach Norden vor, um dann in einem Bogen nach Süden abzubiegen, auf einem Weg mitten durch die Wüste. Sie kamen an soge- nannten Yardangs vorbei – mehreren Me- ter hohen, vom Wind geformten Felsen, die aussehen, als seien sie wie Pilze aus dem Boden geschossen. Noch gewaltigere Formationen, sogenannte Kaluts, erinner- ten Akhani an die „Ruinen einer alten Stadt.“ Es sind die Relikte einer „komple- xen geoklimatischen Geschichte“, manche sind aus Sandstein gemacht, andere aus den erodierten Betten der Salzseen, die vor zehn Millionen Jahren über die Landschaft verstreut lagen, so Djamali. Die Topogra- fie, manchmal bizarr und manchmal ma- jestätisch, war ein wesentlicher Grund da- für, dass die Unesco die Wüste Lut im ver- gangenen Jahr zum Weltnaturerbe erklärt hat. Und Iran hofft auf unerschrockene Ökotouristen, die sich von der fotogenen Landschaft angezogen fühlen. Die Forscher hingegen hatten es auf ih- rer 700 Kilometer langen Reise vor allem auf die Tier- und Pflanzenwelt abgesehen. An 37 Orten sammelten sie Boden- und Umweltproben, bevor sie dann östlich der Stadt Bam die Wüste verließen, jener Stadt, die 2003 ein katastrophales Erdbe- ben erlebte. An einem Tag erkundete das Team die Schlucht Zabone Mar, was Schlangenzun- ge bedeutet. Vom Satellit aus sieht der 15 Meter breite und 30 Meter tiefe Canyon tatsächlich wie eine gespaltene Zunge aus. „Ich hörte dort ein seltsames Geräusch“, er- innert sich Expeditionsmitglied Amir Ag- haKouchak, ein Hydrologe der University of California, Irvine. Ein beständiges, wei- ches Knistern entwich aus den Wänden. Er vermutet, dass es das Geräusch von Ge- stein war, dass sich nach Nachttemperatu- ren nahe der Frostgrenze bei Tagestempe- raturen von 40 Grad Celsius wieder aus- dehnt. „Ich hielt einfach an und hörte die- ser wunderbaren Musik zu.“ Vielleicht war es aber auch ein Sirenen- gesang. Die Schlucht ist nämlich eine To- desfalle. In ihr fanden die Forscher die sterblichen Überreste Dutzender Zugvö- gel. Die Vögel hatten vielleicht Schutz im Schatten der Schlucht gesucht, doch ohne Wasser gingen sie schnell zugrunde, sagt AghaKouchak. Mahmoud Ghasempouri, ein Ornithologe der Tarbiat Modares Uni- versity in Teheran, sammelte die Kadaver einiger Zugvogelarten. Noch bleibt es ein Rätsel, wieso die Vögel solch tödliche Abste- cher in die Wüste unternehmen. Sogar au- ßerhalb der Schlucht fanden sich zahlrei- che tote Zugvögel, und oft zeigten sie die Bissspuren von Füchsen. „Ich denke, das ist ihre wesentliche Nahrungsquelle“, sagt AghaKouchak. Auch Insekten sind von entscheidender Bedeutung für das Nahrungsnetz der Lut. Viele knabbern an den Pflanzen in der Um- gebung der Wüste und werden wiederum von Spinnen, Reptilien und Füchsen im In- nern der Lut gefressen. Die Insekten ver- sorgen die anderen Tiere mit jenen Nähr- stoffen, die den unglückseligen Vögeln feh- len, sagt Expeditionsmitglied Hossein Raja- ei, Kurator der Lepidoptera, also der Mot- ten und Schmetterlinge, im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart. Einige von ihnen leben sogar im Herzen der Wüste. Als Rajaei Lichtfallen in der Nacht aufstellte, war er überrascht, wie vie- le Mottenarten dort lebten: „Was machen sie dort? Was essen sie dort?“, fragt er. Glei- ches gilt für die Fliegenlarven, die er in ei- nem Tümpel mit stark salzhaltigen Wasser gefunden hat. Auch fragt er sich, wieso die Bewohner der Lut nicht einfach austrock- nen. Die Antwort liegt womöglich direkt un- ter der Oberfläche der Lut. Bereits vor dem Beginn der Expedition hatte AghaKouchak Sensordaten von Satelliten geprüft. Zu sei- ner Überraschung entdeckte er vom Boden ausgestrahlte Mikrowellen. Sie ließen zu- nächst vermuten, dass in einigen Gegen- den der glühenden Wüste feuchter Boden existiert. Völlig erstaunt bat AghaKouchak einen Kollegen um Rat. Der meinte jedoch, dass wohl tiefere Erdschichten oder sogar Felsen die Mikrowellen ausstrahlten. Im Herzen der Wüste erreichte der Kon- voi des Forscherteams dann „eine flache Landschaft, soweit man sehen konnte“, sagt der Hydrologe. Schon nach einem kur- zen Weg brach einer der Trucks durch die wenige Zentimeter dicke, harte und krusti- ge Oberfläche und versank bis zu den Ach- sen – im Schlamm. Nachdem ein anderer Wagen den Truck befreit hatte, „konnte man tatsächlich Wasser sehen“, dort wo die Reifen gewesen waren. „Es war kaum zu glauben“, sagt AghaKouchak, „aber das Ge- biet war wirklich sehr nass.“ Er glaubt, dass die Feuchtigkeit von ent- fernten Bergen stammt, die sich um die fla- che Salztonebene reihen. Gelegentliche Re- genfälle im Frühling und frühen Herbst bringen das Wasser, das dann in die Ebene fließt. Den Führern des Teams zufolge fin- den sich ähnliche Merkmale in anderen Ecken der Lut. Zurück in Irvine, will Agha- Kouchak versuchen, das lokale Wissen mit den Feuchtigkeitsdaten der Satelliten zu verbinden, um so die Ausdehnung des ver- borgenen See zu ermitteln. Dort, wo ohne- hin niemand lebt. Eine sechsjährige Dürre in Iran hat die Lage weiter verschärft, nun sind auch die Siedler auf dem Rückzug, die bislang in den Randgebieten der Wüste ausgeharrt hatten. Das lässt ahnen, wie das Schicksal anderer Regionen im Nahen Osten ausse- hen könnte, wenn der Klimawandel die Sommertemperaturen weiter in die Höhe treibt, sagt Elfatih Eltahir, ein Umweltinge- nieur vom Massachusetts Institute of Tech- nology in Cambridge. Aufgrund solcher Erfahrungen hatten Eltahir und ein Kollege in Nature Climate Change ein natürlicherweise unbewohnba- res Gebiet definiert. Es sei eines, in dem die gefühlte Temperatur für mehr als sechs Stunden am Tag bei mehr als 35 Grad Celsi- us liegt. Dieser Wert wird über den soge- nannten Hitze-Index ermittelt, dieser be- rücksichtigt, wie die Feuchtigkeit die Tem- peraturwahrnehmung beeinflusst. „Wir sprechen da wirklich über extreme Bedin- gungen“, sagt Eltahir. „Wenn ein menschli- ches Wesen diesen ausgesetzt ist, wird es sehr wahrscheinlich sterben.“ Im Sommer überschreiten einige Regio- nen am Persischen Golf bereits diese Schwelle, das Leben dort wäre ohne Klima- anlagen unerträglich. Die unbewohnbaren Gegenden werden sich vermutlich noch ausdehnen, auf zwar dürre, derzeit aber noch bewohnbare Regionen Irans. „Die Lut wird ein gutes Labor sein, um eine solche extreme Umgebung zu untersuchen“, sagt AghaKouchak. Um solchen Fragen nachzugehen, wird Akhanis Team im Frühling zurückkehren. Unter anderem werden sie ausgefeiltere Instrumente zur Messung der Feuchtigkeit mitbringen und Kamerafallen aufstellen, um die Ökologie des Wüstenfuchses und anderer Lebewesen zu untersuchen. Außer- dem wollen sie auf einer molekularen Ebe- ne verstehen, wie sich das Leben in der Glut- hitze behaupten kann, erläutert Akhani. Für das Jahr 2018 erwägen die Forscher sogar, im Sommer auf Expedition zu ge- hen. „Wenn wir zu dieser Jahreszeit hinfah- ren, müssen wir aber wahrscheinlich einen Arzt mitnehmen“, sagt AghaKouchak. Dieser Beitrag ist im Original im Wissenschaftsma- gazin Science erschienen, herausgegeben von der AAAS. Deutsche Übersetzung: cwb. Weitere Infor- mationen: www.aaas.org Abgelenkt Meer in Sicht Wanderzone Regenschatten Marsähnlich Atacama Großes Becken Mojave-Wüste Patagonische Wüste Namib Sahara Arabische Wüste Große Victoria-Wüste Gibsonwüste Große Sandwüste Kalahari (Savanne) SZ-Karte Die großen Wüsten der Welt Trockenwüste Kältewüste Küstenwüste Sonora-Wüste Lut Thar Gobi Taklamakan Kyzylkum Karakum In einigen Regionen am Persischen Golf wäre das Leben ohne Klimaanlage unerträglich Vom Himmel gefallen Die Wüste Lut im Südosten Irans gilt als heißester Ort der Erde. Dennoch haben Forscher auf ihren Expeditionen dort Insekten, Reptilien und Wüstenfüchse entdeckt. Wovon sie sich ernähren? Von verirrten Zugvögeln, die in der flirrend heißen Luft verenden Bizarre, von Wind erodierte Felsformatio- nen, aber auch Ebenen, in denen sich Reste von Feuchtigkeit finden: Die Wüste Lut beein- druckt durch die Vielfalt ihrer Landschaft (o.). Skorpione gehören zu den Tieren, die sich an die extremen Verhält- nisse angepasst haben. FOTOS: MOMENT OPEN/GETTY IMAGE/IMAGO/BLICKWINKEL 70,7° C Ein weiches Knistern entwich aus den Wänden. Wunderbare Musik? Oder Sirenengesang? 34/35 WISSEN Samstag/Sonntag, 7./8. Januar 2017, Nr. 5 DEFGH Die Krötenkopfagame (links oben) versteht es, Wasser aus der Luft in Form von Tautropfen zu gewinnen. Über der Wüste suchen Sakerfalken nach Nagern, anderen Vögeln oder Insekten. Dem nach einem deutschen Forscher benannten Rüppell-Fuchs genügt es, Wasser aus der Nahrung aufzunehmen, um zu überleben. FOTOS: GETTY IMAGES, DR. PETER WERNICKE/PICTURE PRESS, IMAGO, MAURITIUS IMAGES (6) Teheran Kaspisches Meer IRAN 250 km SZ-Karte IRAK AFGHANISTAN TURKMENISTAN SAUDI- ARABIEN KUWAIT Lut-Wüste Die bizarre Topografie war ein wesentlicher Grund dafür, dass die Unesco die Wüste Lut zum Weltnaturerbe erklärt hat. FOTO: MOMENT/GETTY IMAGES www.sz-archiv.de X <32WIR <33 DEU 36> 37SPO> R<< << 07.01. 2017 >> >>R A4 ? DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de nhaberland SZ20170107S3760815

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Sie liegen in den Wendekreisen, 23,5 Gradnördlich und südlich des Äquators. Sie fin-den sich auf fast allen Kontinenten. Die Sa-hara gilt wohl als bekanntestes Beispielfür subtropische Wüsten, ebenso Teile derKalahari im südlichen Afrika (Foto). Unddass sie genau in diesem Bereich der Weltvorkommen, ist kein Zufall. Über demÄquator nämlich heizt sich der Bodendurch die starke Sonneneinstrahlung auf.Wasser verdunstet, feuchte Luft steigtnach oben, und Quellwolken entstehen,die in großer Höhe nach Norden und Sü-den abgelenkt werden. Durch die hoheLuftfeuchtigkeit regnet es in Äquatornä-he. Danach sinkt die abgekühlte, trockeneLuft wieder zu Boden, löst die Wolken voll-ständig auf, genau in den Wendekreisen.Ohne Wolken kann es nicht regnen. Nurdie Lebenskünstler unter den Tieren undPflanzen können hier überleben. AVIG

Direkt ans Wasser grenzen sie und wartendoch vergeblich auf einen Tropfen Regen:Küstenwüsten entstehen durch das Zu-sammenspiel eines warmen, vom Landweg wehenden Passatwinds und einer kal-ten Meeresströmung. Nur an den Westsei-ten der Kontinente kommt das vor. Dannüberlagern die warmen Luftmassen desPassats die aufsteigenden kalten Massender Meeresströmung. Daher können keineWolken entstehen. Die Atacama-Wüste inChile zählt zu den exotischen Küstenregio-nen, sie liegt zudem noch im Regenschat-ten der Anden (Bild). Oder die WüsteNamib, die sich durch Angola und Namibiaerstreckt. Die an den Atlantik grenzendeSkelettküste der afrikanischen Trocken-region war in den vergangenen Jahrhun-derten unter Seefahrern gefürchtet. Wereinmal dort gestrandet war, hatte keineChance zu überleben. AVIG

Die Taklamakan-Wüste in Zentralasien –knapp so groß wie Deutschland – ist ne-ben der Wüste Gobi und dem sogenann-ten Großen Becken im Westen der USAdas bekannteste Beispiel für sogenannteBinnenwüsten, die sich außerhalb der tro-pischen Wendekreise und weit entferntvon den Ozeanen befinden. Typisch für dieTaklamakan sind die riesigen Wander-dünen, die von starken Winden angetrie-ben werden. Gefürchtet ist der sogenann-te Kara Buran, der schwarze Sandsturm,der vor allem in der ersten Jahreshälfte wü-tet und schon ganze Karawanen und Städ-te verschüttet hat. In der hyperariden Regi-on fallen nur 30 Millimeter Niederschlagim Jahr (Deutschland knapp 750). Da keinMeer mit seiner Wärme ausgleichen kann,kommt es manchen Berichten zufolge imTagesverlauf zu Temperaturschwankun-gen von bis zu 70 Grad Celsius. CWB

Das Death Valley in der Mojave-Wüste aufdem Gebiet der US-Bundesstaaten Kalifo-nien, Utah, Nevada und Arizona galt malals heißester Ort der Welt – zu Unrecht,wie man mittlerweile weiß. Bei Durch-schnittstemperaturen von bis zu 45 GradCelsius im Sommer ist diese Regenschat-tenwüste dennoch kein gemütlicher Ort:Die umliegenden Gebirge, vor allem die Si-erra Nevada, stoppen die meisten Wolkenund lassen sie vor Ankunft in der Wüste ab-regnen, karge 150 Millimeter Regen proJahr erreichen hier den Boden. Dennochwurden hier einige Städte errichtet, etwaLas Vegas. Daneben gibt es aufgegebeneOrte, Geisterstädte, wo früher Silber ge-sucht wurde. Heute gilt die Photovoltaikals vielversprechender neuer Wirtschafts-zweig; Solarkraftwerke sollen unter ande-rem das nahe gelegene Los Angeles mitStrom versorgen. CWB

Die größte Wüste der Welt? Nein, das istnicht die Sahara, sondern mit 13 200 000Quadratkilometern Fläche die Antarktis.Denn entscheidend für die Definitioneiner Wüste ist die fehlende Vegetation,deshalb gelten auch die Polargebiete undKältegebiete der Hochgebirge als Wüsten.Auch sie zeichnen sich durch extreme Tro-ckenheit aus, weil das Wasser des Eisesden Pflanzen nicht zur Verfügung steht,kaum Niederschlag fällt und vor allem imInland die Luft extrem trocken ist. Einzigar-tig sind etwa die sogenannten Antarkti-schen Trockentäler oder McMurdo Dry Val-leys im Transarktischen Gebirge der Ost-antarktis. Diese rund 11 300 Quadratkilo-meter weiten, eisfreien Täler gehören zuden trockensten und lebensfeindlichstenRegionen der Erde überhaupt; laut Nasagleichen die Bedingungen dort am ehes-ten der Marsoberfläche. CWB

hat ein Satellit der Nasa im Jahr 2005mit einen Infrarot-Radiometer

am Boden der Wüste Lut gemessen –die höchste Temperatur,

die je auf der Erde ermittelt wurde.Es ist der Hitzepol der Welt.

von richard stone

E s war während der 20er- und30er-Jahre des 20. Jahrhun-derts, da geriet der Wiener Arztund Abenteurer Alfons Gabrielin den Bann der Wüste Lut. Ga-

briel war auf einem Kamel kreuz und querdurch die ausgedörrten Regionen des Na-hen Ostens, Pakistans und Afghanistansgeritten, er hatte Gegenden erforscht undkartografiert, in die sich bis dahin nur weni-ge Menschen gewagt hatten – in Landstri-che mit Namen wie Dasht-i-Naumid (Wüs-te ohne Hoffnung) und Dasht-i-Margo(Wüste des Todes). Aber eine „wirre An-sammlung unwegsamer, ineinander ver-knäulter Dünen“ verhinderte zunächst,dass er das Innere der Lut erreichte, einerSandzone voll fantastischer Gesteinsfor-mationen im Südosten Irans. Sie gilt alsder heißeste Ort der Erde.

Erst im März 1937 gelangte Gabrielschließlich dorthin – und kam nur knappmit dem Leben davon. Er beschrieb seineErlebnisse ein Jahr später in einem fesseln-den Vortrag vor der Royal Geographical So-ciety in London: An einem späten Nachmit-tag, erinnerte sich Gabriel, „verdunkeltenrote Wolken die Landschaft, und ein Lär-men begann, als würde das Meer tosen.“Der Sandsturm wütete bis in die Nacht. „Ei-nige angstvolle Stunden lang lagen wir be-wegungslos und hilflos ausgestreckt amBoden.“ Später verloren die Reisenden dieOrientierung durch Fata Morganas, beson-ders plastisch waren sie in der kühlen Luftdes Morgens, kurz vor Sonnenaufgang. Ge-gen Ende der dreiwöchigen Reise hattenselbst ihre ausgedörrten Kamele genug.„Ihre Beine zitterten, sie keuchten, sie knie-ten nieder und krochen manchmal nurnoch auf den Knien weiter.“

Bis heute hat die Lut ihre Anziehungs-kraft bewahrt. So brach zuletzt im Novem-ber vergangenen Jahres ein Konvoi ausfünf Geländewagen in das Zentrum derWüste auf, mit ihnen fuhren zehn Wissen-schaftler und ihre lokalen Führer, ausge-rüstet waren sie mit Kameras, Messinstru-menten sowie Hunderten Litern Wasserund Treibstoff. Diese modernen Entde-ckungsreisenden interessierten sich aller-dings weniger für die exotische Land-schaft. Sie befassten sich vielmehr mitdem mysteriösen Ökosystem der Lut.

„Früher hatte man angenommen, dassdie Lut viel zu unwirtlich sei, um Leben zuerlauben“, sagt der Pflanzenbiologe Hos-sein Akhani von der Universität Teheran.Im Inneren der Wüste, einer Fläche vonder Größenordnung Bayerns, wächstkaum ein Halm. Dennoch berichtetenAbenteurer und Forscher immer wieder,sie hätten Tiere in der Lut gesehen, unteranderem Insekten, Reptilien und Wüsten-füchse. Doch wie dieses Nahrungsnetz

funktionieren sollte, blieb ein Rätsel. SeineLösung könnte ein ebenso morbides wieeinzigartiges Phänomen sein: Womöglichdienen Vögel, die tot vom Himmel fallen,den Tieren als Futter. Iranischen For-schern war aufgefallen, dass Zugvögel sichoffenbar häufig in die Lut verirren. Sie wer-den von der Hitze überwältigt und fallendann wie Manna vom Himmel.

Die aktuelle Expedition, organisiert vonAkhani und Bahman Izadi, dem Leiter ei-ner Umweltorganisation in Teheran, sollteunter anderem diese Frage erkunden. Da-bei ließen sie sich auch nicht von Warnun-gen abschrecken, dass sie unmittelbarnach der Hitze des Sommers nicht genü-gend Lebewesen aufspüren würden, umdas herauszufinden. Tiere, die sich einge-graben haben oder vor der Hitze in umlie-gende Gebiete geflüchtet sind, hätten viel-leicht noch nicht genügend Zeit gefunden,um sich in die Wüste zurückzuwagen.

Doch dem Team gelang es, die Existenzeines vibrierenden Ökosystems zu bestäti-gen. Sie fanden Belege für die Zugvögel-These und entdeckten außerdem, dass dieknochentrockene Landschaft einen „ver-steckten See“ verbirgt, eine überraschendflache Schicht salzigen Grundwassers, dievielleicht zum Leben in der Ödnis beiträgt.

Ähnlich wie in diesem bislang einzigarti-gen Gebiet wird es künftig wohl auch ande-ren Regionen der Welt ergehen. Die Klima-modelle sagen voraus, dass mit den stei-genden Temperaturen jene Gebiete im Na-hen Osten wachsen werden, in denen Men-schen nicht mehr existieren können. DieseAreale werden bald jener Übergangszonegleichen, die zwischen den Siedlungen anden Rändern der Lut und ihrem extrem le-bensfeindlichen Kern liegt.

Nach Gabriels wagemutigen Pionier-reisen blieb die wissenschaftliche Litera-tur zur Lut lange Zeit spärlich. Ein Punktwar allerdings damals schon geklärt: Be-reits Gabriel hatte seinen Zeitgenossen zi-tiert, den österreichischen Geografen Gus-tav Stratil-Sauer, wonach sich „die heißes-te Region der Erde nicht im Sindh findet, inAbessinien oder im Death Valley in Kalifor-nien, sondern im südlichen Lut.“ Im Jahr2005 maß ein Infrarot-Radiometer des Na-sa-Satelliten Aqua an einer Stelle in derWüste Lut die heißeste je aufgezeichneteBodentemperatur von 70,7 Grad Celsius.Im April 2014 installierte dann ein For-scherteam um Morteza Djamali, einem Pa-läoökologen vom Institut Méditerranéende Biodiversité et d’Ecologie Marine et Con-tinentale (IMBE) in Aix-en-Provence, an ge-nau diesem Ort einen Temperaturlogger.Bei dieser Gelegenheit kam es zu einer anAlfred Hitchcock erinnernden Szene. DasTeam beobachtete, wie Massen an Heu-schrecken heranflogen, die erst einen Vo-gelkadaver kahl nagten, dann sich selberkannibalisierten und sogar die Forscher an-griffen und bissen. „Ich kann mir vorstel-len, dass ein einsamer Reisender von die-sen kleinen Lebewesen getötet werdenkann“, sagt Djmali.

Immerhin tat das Thermometer, instal-liert auf 30 Zentimeter Höhe im Schatteneines Holzzylinders, seine Arbeit zuverläs-sig. Im Juli dieses Jahres kletterte es auf61 Grad Celsius – das waren ungefähr fünfGrad mehr als beim offiziellen Schatten-rekord aus dem Jahre 1913 im Death Valley.Vermutlich entstehen solche höllisch hei-ßen Temperaturen durch den schwarzenSand, vor allem Magnetit, aus dem vieleDünen bestehen. Er absorbiert besondersviel Hitze.

Im selben Jahr untersuchte Akhani beieiner kurzen Erkundungstour unter ande-rem die kärglichen Pflanzen, die an den we-nigen salzigen Pfützen der Wüste wach-sen. Schon damals waren auch ihm die vie-len Vogelkadaver aufgefallen. Um ihre Rol-le im Ökosystem zu untersuchen, stellte erein Team von Experten zusammen, dievon der Iranian National Science Foundati-on, dem Saeedi Institute for Advanced Stu-dies an der Kashan University in Iran undaus weiteren Ländern stammen. Mit ihm

will Akhadi in den nächsten fünf Jahrendie wissenschaftlichen Geheimnisse derWüste lüften.

Seine erste Expedition startete dasTeam in Shahdad, einer Oase am westli-chen Rand der Lut. Es arbeitete sich erstnach Norden vor, um dann in einem Bogennach Süden abzubiegen, auf einem Wegmitten durch die Wüste. Sie kamen an soge-nannten Yardangs vorbei – mehreren Me-ter hohen, vom Wind geformten Felsen,die aussehen, als seien sie wie Pilze ausdem Boden geschossen. Noch gewaltigereFormationen, sogenannte Kaluts, erinner-ten Akhani an die „Ruinen einer altenStadt.“ Es sind die Relikte einer „komple-xen geoklimatischen Geschichte“, manchesind aus Sandstein gemacht, andere aus

den erodierten Betten der Salzseen, die vorzehn Millionen Jahren über die Landschaftverstreut lagen, so Djamali. Die Topogra-fie, manchmal bizarr und manchmal ma-jestätisch, war ein wesentlicher Grund da-für, dass die Unesco die Wüste Lut im ver-gangenen Jahr zum Weltnaturerbe erklärthat. Und Iran hofft auf unerschrockeneÖkotouristen, die sich von der fotogenenLandschaft angezogen fühlen.

Die Forscher hingegen hatten es auf ih-rer 700 Kilometer langen Reise vor allemauf die Tier- und Pflanzenwelt abgesehen.An 37 Orten sammelten sie Boden- und

Umweltproben, bevor sie dann östlich derStadt Bam die Wüste verließen, jenerStadt, die 2003 ein katastrophales Erdbe-ben erlebte.

An einem Tag erkundete das Team dieSchlucht Zabone Mar, was Schlangenzun-ge bedeutet. Vom Satellit aus sieht der15 Meter breite und 30 Meter tiefe Canyontatsächlich wie eine gespaltene Zunge aus.„Ich hörte dort ein seltsames Geräusch“, er-innert sich Expeditionsmitglied Amir Ag-haKouchak, ein Hydrologe der Universityof California, Irvine. Ein beständiges, wei-ches Knistern entwich aus den Wänden. Ervermutet, dass es das Geräusch von Ge-stein war, dass sich nach Nachttemperatu-ren nahe der Frostgrenze bei Tagestempe-raturen von 40 Grad Celsius wieder aus-dehnt. „Ich hielt einfach an und hörte die-ser wunderbaren Musik zu.“

Vielleicht war es aber auch ein Sirenen-gesang. Die Schlucht ist nämlich eine To-desfalle. In ihr fanden die Forscher diesterblichen Überreste Dutzender Zugvö-gel. Die Vögel hatten vielleicht Schutz imSchatten der Schlucht gesucht, doch ohneWasser gingen sie schnell zugrunde, sagtAghaKouchak. Mahmoud Ghasempouri,ein Ornithologe der Tarbiat Modares Uni-versity in Teheran, sammelte die Kadavereiniger Zugvogelarten. Noch bleibt es einRätsel, wieso die Vögel solch tödliche Abste-cher in die Wüste unternehmen. Sogar au-ßerhalb der Schlucht fanden sich zahlrei-che tote Zugvögel, und oft zeigten sie dieBissspuren von Füchsen. „Ich denke, dasist ihre wesentliche Nahrungsquelle“, sagtAghaKouchak.

Auch Insekten sind von entscheidenderBedeutung für das Nahrungsnetz der Lut.Viele knabbern an den Pflanzen in der Um-gebung der Wüste und werden wiederumvon Spinnen, Reptilien und Füchsen im In-nern der Lut gefressen. Die Insekten ver-sorgen die anderen Tiere mit jenen Nähr-stoffen, die den unglückseligen Vögeln feh-len, sagt Expeditionsmitglied Hossein Raja-ei, Kurator der Lepidoptera, also der Mot-ten und Schmetterlinge, im StaatlichenMuseum für Naturkunde in Stuttgart.

Einige von ihnen leben sogar im Herzender Wüste. Als Rajaei Lichtfallen in derNacht aufstellte, war er überrascht, wie vie-le Mottenarten dort lebten: „Was machensie dort? Was essen sie dort?“, fragt er. Glei-ches gilt für die Fliegenlarven, die er in ei-nem Tümpel mit stark salzhaltigen Wassergefunden hat. Auch fragt er sich, wieso dieBewohner der Lut nicht einfach austrock-nen.

Die Antwort liegt womöglich direkt un-ter der Oberfläche der Lut. Bereits vor demBeginn der Expedition hatte AghaKouchakSensordaten von Satelliten geprüft. Zu sei-ner Überraschung entdeckte er vom Bodenausgestrahlte Mikrowellen. Sie ließen zu-nächst vermuten, dass in einigen Gegen-den der glühenden Wüste feuchter Bodenexistiert. Völlig erstaunt bat AghaKouchakeinen Kollegen um Rat. Der meinte jedoch,dass wohl tiefere Erdschichten oder sogarFelsen die Mikrowellen ausstrahlten.

Im Herzen der Wüste erreichte der Kon-voi des Forscherteams dann „eine flacheLandschaft, soweit man sehen konnte“,sagt der Hydrologe. Schon nach einem kur-

zen Weg brach einer der Trucks durch diewenige Zentimeter dicke, harte und krusti-ge Oberfläche und versank bis zu den Ach-sen – im Schlamm. Nachdem ein andererWagen den Truck befreit hatte, „konnteman tatsächlich Wasser sehen“, dort wo dieReifen gewesen waren. „Es war kaum zuglauben“, sagt AghaKouchak, „aber das Ge-biet war wirklich sehr nass.“

Er glaubt, dass die Feuchtigkeit von ent-fernten Bergen stammt, die sich um die fla-che Salztonebene reihen. Gelegentliche Re-genfälle im Frühling und frühen Herbstbringen das Wasser, das dann in die Ebenefließt. Den Führern des Teams zufolge fin-den sich ähnliche Merkmale in anderenEcken der Lut. Zurück in Irvine, will Agha-Kouchak versuchen, das lokale Wissen mitden Feuchtigkeitsdaten der Satelliten zuverbinden, um so die Ausdehnung des ver-borgenen See zu ermitteln. Dort, wo ohne-hin niemand lebt.

Eine sechsjährige Dürre in Iran hat dieLage weiter verschärft, nun sind auch dieSiedler auf dem Rückzug, die bislang inden Randgebieten der Wüste ausgeharrthatten. Das lässt ahnen, wie das Schicksalanderer Regionen im Nahen Osten ausse-hen könnte, wenn der Klimawandel dieSommertemperaturen weiter in die Höhetreibt, sagt Elfatih Eltahir, ein Umweltinge-nieur vom Massachusetts Institute of Tech-nology in Cambridge.

Aufgrund solcher Erfahrungen hattenEltahir und ein Kollege in Nature ClimateChange ein natürlicherweise unbewohnba-res Gebiet definiert. Es sei eines, in dem diegefühlte Temperatur für mehr als sechsStunden am Tag bei mehr als 35 Grad Celsi-us liegt. Dieser Wert wird über den soge-nannten Hitze-Index ermittelt, dieser be-rücksichtigt, wie die Feuchtigkeit die Tem-peraturwahrnehmung beeinflusst. „Wirsprechen da wirklich über extreme Bedin-gungen“, sagt Eltahir. „Wenn ein menschli-ches Wesen diesen ausgesetzt ist, wird essehr wahrscheinlich sterben.“

Im Sommer überschreiten einige Regio-nen am Persischen Golf bereits dieseSchwelle, das Leben dort wäre ohne Klima-anlagen unerträglich. Die unbewohnbarenGegenden werden sich vermutlich nochausdehnen, auf zwar dürre, derzeit abernoch bewohnbare Regionen Irans. „Die Lutwird ein gutes Labor sein, um eine solcheextreme Umgebung zu untersuchen“, sagtAghaKouchak.

Um solchen Fragen nachzugehen, wirdAkhanis Team im Frühling zurückkehren.Unter anderem werden sie ausgefeiltereInstrumente zur Messung der Feuchtigkeitmitbringen und Kamerafallen aufstellen,um die Ökologie des Wüstenfuchses undanderer Lebewesen zu untersuchen. Außer-dem wollen sie auf einer molekularen Ebe-ne verstehen, wie sich das Leben in der Glut-hitze behaupten kann, erläutert Akhani.

Für das Jahr 2018 erwägen die Forschersogar, im Sommer auf Expedition zu ge-hen. „Wenn wir zu dieser Jahreszeit hinfah-ren, müssen wir aber wahrscheinlich einenArzt mitnehmen“, sagt AghaKouchak.

Dieser Beitrag ist im Original im Wissenschaftsma-gazin Science erschienen, herausgegeben von derAAAS. Deutsche Übersetzung: cwb. Weitere Infor-mationen: www.aaas.org

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In einigen Regionen amPersischen Golf wäre das Lebenohne Klimaanlage unerträglich

Vom Himmelgefallen

Die Wüste Lut im Südosten Irans gilt als heißester Ort der Erde.Dennoch haben Forscher auf ihren Expeditionen dort Insekten, Reptilien

und Wüstenfüchse entdeckt. Wovon sie sich ernähren?Von verirrten Zugvögeln, die in der flirrend heißen Luft verenden

Bizarre, von Winderodierte Felsformatio-nen, aber auch Ebenen,in denen sich Reste von

Feuchtigkeit finden:Die Wüste Lut beein-

druckt durch die Vielfaltihrer Landschaft (o.).Skorpione gehören zu

den Tieren, die sich andie extremen Verhält-

nisse angepasst haben.FOTOS: MOMENT OPEN/GETTY

IMAGE/IMAGO/BLICKWINKEL

70,7° C

Ein weiches Knistern entwichaus den Wänden. WunderbareMusik? Oder Sirenengesang?

34/35 WISSEN Samstag/Sonntag, 7./8. Januar 2017, Nr. 5 DEFGH

Die Krötenkopfagame (links oben) versteht es, Wasser aus der Luftin Form von Tautropfen zu gewinnen. Über der Wüste suchen

Sakerfalken nach Nagern, anderen Vögeln oder Insekten.Dem nach einem deutschen Forscher benannten Rüppell-Fuchs genügt

es, Wasser aus der Nahrung aufzunehmen, um zu überleben.FOTOS: GETTY IMAGES, DR. PETER WERNICKE/PICTURE PRESS, IMAGO, MAURITIUS IMAGES (6)

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Die bizarre Topografie war einwesentlicher Grund dafür,

dass die Unesco die Wüste Lut zumWeltnaturerbe erklärt hat.

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