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x clusiv nr. 3 Berichte, Reportagen, Kunst & Literatur von Flüchtlingen aus aller Welt - Herausgegeben vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. Schutzgebühr 1,- Euro Ausschnitt aus dem Bild „Heimweh“ von Ange Kumi (Mehr auf Seite 12) Liebe LeserInnen, im dritten Jahr bereits bietet der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg mit der Zeitung xclusiv Flüchtlingen selbst ein Forum. Auch in dieser Ausgabe bewegt uns die Frage nach einem Bleiberecht für langjährig Geduldete. Noch in diesem Herbst soll es kommen, so hören wir hinter den Kulissen. Aber, so fragen wir uns ganz direkt, wird es eine Re- gelung auf dem kleinsten gemeinsa- men Nenner sein? Dann wäre sie nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt ist. Eine Bleiberechtsregelung, die den Namen verdient, darf nicht nur aus Ausschlussgründen bestehen. Sie muss der Praxis angemessen, etwa beim Lebensunterhalt, auch denen eine Chance bieten, die keine Arbeits- erlaubnis erhalten konnten. Alleine in Baden-Württemberg leben mehr als 20 000 Menschen nur mit Duldung, mehr als die Hälfte von ih- nen seit über 10 Jahren. Unter ihnen Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die wegen der restriktiven Rechtspre- chung Deutschlands einen effektiven Flüchtlingsschutz über Jahre hinweg vermissen mussten. Für uns unvor- stellbar, leben sie auf engstem Raum, im Provisorium und in ständiger Angst vor Abschiebung. In dieser Zeitung finden sich viele an- schauliche Berichte. Am meisten be- rührt hat mich das Schicksal der 10- jährigen Bledona und ihrer Familie. Für sie kommt eine Bleiberechtsre- gelung zu spät. Damit dürfen wir uns nicht abfinden! Viele weitere interessante Berichte, Interviews, künstlerische Beiträge fin- den sich in dieser Zeitung. So etwa die Konstanzer Interviews als Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte oder das Interview mit Rojin, die sich in der Gruppe „Jugendliche ohne Grenzen“ engagiert. Angelika von Loeper Jugendliche ohne Grenzen?! Seite 9 Seite 8 Seite 5 Wo bleibt das Bleiberecht? Hoffentlich wache ich bald auf...

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xclusivnr. 3

Berichte, Reportagen, Kunst & Literatur von Flüchtlingen aus aller Welt - Herausgegeben vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.

Schutzgebühr 1,- Euro

Ausschnitt aus dem Bild „Heimweh“ von Ange Kumi (Mehr auf Seite 12)

Liebe LeserInnen,im dritten Jahr bereits bietet der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg mit der Zeitung xclusiv Flüchtlingen selbst ein Forum.Auch in dieser Ausgabe bewegt uns die Frage nach einem Bleiberecht für langjährig Geduldete. Noch in diesem Herbst soll es kommen, so hören wir hinter den Kulissen. Aber, so fragen wir uns ganz direkt, wird es eine Re-gelung auf dem kleinsten gemeinsa-men Nenner sein? Dann wäre sie nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt ist. Eine Bleiberechtsregelung, die den Namen verdient, darf nicht nur aus Ausschlussgründen bestehen. Sie muss der Praxis angemessen, etwa beim Lebensunterhalt, auch denen eine Chance bieten, die keine Arbeits-erlaubnis erhalten konnten.Alleine in Baden-Württemberg leben mehr als 20 000 Menschen nur mit Duldung, mehr als die Hälfte von ih-nen seit über 10 Jahren. Unter ihnen Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die wegen der restriktiven Rechtspre-chung Deutschlands einen effektiven Flüchtlingsschutz über Jahre hinweg vermissen mussten. Für uns unvor-stellbar, leben sie auf engstem Raum, im Provisorium und in ständiger Angst vor Abschiebung. In dieser Zeitung finden sich viele an-schauliche Berichte. Am meisten be-rührt hat mich das Schicksal der 10-jährigen Bledona und ihrer Familie. Für sie kommt eine Bleiberechtsre-gelung zu spät. Damit dürfen wir uns nicht abfinden!Viele weitere interessante Berichte, Interviews, künstlerische Beiträge fin-den sich in dieser Zeitung. So etwa die Konstanzer Interviews als Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte oder das Interview mit Rojin, die sich in der Gruppe „Jugendliche ohne Grenzen“ engagiert.

Angelika von Loeper

Jugendliche ohne Grenzen?!

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Wo bleibtdasBleiberecht?

Hoffentlichwache ichbald auf...

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Was heißt „(nicht) integriert“ ?!

Die verkrampften und z. T. populistischen Diskussionen zum Thema Integration ent-sprechen nicht der Realität des deutschen Alltages. Der Konstanzer Arbeitskreis Asyl möchte mit den folgenden absichtlich ano-nym gehaltenen Interviews hervorheben, dass ohne eine namentliche Zuordnung es sich kaum erkennen lässt, dass fünf der sieben befragten Mädchen einen sogenannten „Mi-grationshintergrund“ haben. Auch die Daten und Fotos lassen sich nicht mit Sicherheit den Antworten zuordnen. Die sieben Mädchen hatten beim Ausfüllen der Fragebögen unter-einander keinen Kontakt.Alle Kurdinnen lebten die ersten Jahre in Ge-meinschaftsunterkünften, gingen zwar in die Schule, hatten aber keine zusätzliche Unter-stützung. Sie haben sich trotz starker Belas-tungen, denen sie lange Zeit ausgesetzt waren (Flucht, Asylverfahren, Abschiebeandrohun-gen ...) bestens integriert.„Wir wollen auf die besonderen Fähigkei-ten hinweisen – Mehrsprachigkeit, soziale Kompetenz, Zielstrebigkeit, die gleichaltrige „Urdeutsche“ nicht unbedingt haben. Leider spricht man davon viel zu selten. Politiker machen sich lieber Gedanken, wie man sie wieder loswerden könnte.“ Betont Friederike v. Wolff vom Konstanzer Asylarbeitskreis, die im folgenden Brief an eines der Mädchen erklärt, warum sie diese Interviews durchge-führt hat.

Arbeitskreis Asyl KonstanzAugust 2006

Liebe Fatos,

in diesem Brief möchte ich Dir erklären, war-um ich Euch gebeten habe meine Fragebögen zu beantworten. Berichte dies bitte auch Ba-har, Meltem, Funda, Hülya und den anderen Mädchen.Zum 29. September, dem „Tag des Flücht-lings“ 2006 erscheint zum 3. Mal die Zeitung XCLUSIV, herausgegeben vom Flüchtlings-rat Baden-Württemberg, die in erster Linie Beiträge von Flüchtlingen enthält.

Ich kenne Dich und die anderen KONSTAN-ZERINNEN seit vielen Jahren, zwar nicht schon seit Eurer Geburt wie das aller erste in Konstanz geborene Flüchtlingskind, das nach dem Abitur Medizin studiert hat und bereits als Ärztin in einer Klinik arbeitet. Wenn du hier wärst, würdest Du spätestens an die-ser Stelle nachfragen, mehr über sie wissen wollen, denn Menschen, ihr Lebensweg, in-teressieren Dich, machen Dich neugierig. Ir-gendwann erzähle ich Dir ausführlicher von ihr, jetzt nur, dass damals, vor mehr als 25 Jahren, ihre Eltern mit den 2-jährigen Zwil-lingen aus Eritrea flüchten mussten, kurz dar-auf nach Konstanz kamen, eine Wohnung für sich und ihre 3 kleinen Kinder suchten. Weil so schnell keine Wohnung gefunden wurde, haben wir die Familie vorübergehend aufge-nommen, geplant waren maximal 4 Wochen, sie lebten dann jedoch 4 Jahre bei uns, denn es war schon damals schwer eine preisgünsti-ge, richtige Wohnung in Konstanz zu finden; viele „weiße“ Vermieter hatten auch Angst vor „schwarzen“ Mietern… Du kennst ja aus eigener Erfahrung dieses Problem zur Genü-ge, man braucht viel Geduld und noch mehr Glück…

Diese Anfangserfahrungen und Erlebnisse liegen lange zurück, seitdem habe ich viele Eltern, Kinder, Jugendliche mit „Migrations-hintergrund“ kennen gelernt und begleitet, dazu gehört auch Deine Familie.

Immer wieder bin ich beeindruckt, wie ihr die vielen Probleme, Schwierigkeiten, Belastun-gen, Widerstände und Enttäuschungen bewäl-tigt habt. Du, als Älteste von 5 Kindern hast viel übernommen. Zuhause in der Familie, bei Anwälten, Behörden, Ärzten. Du warst Ersatzmutter, Übersetzerin, „Sekretärin“, ne-benberuflich eine fleißige, interessierte Schü-lerin - ohne Dich ging nichts, rein gar nichts!! Du warst an allen Fronten gefordert, für Dein Alter fast überfordert… Wenn ich nur an Eure Flucht, den abgelehn-ten Asylantrag, das 28-monatige Kirchenasyl Deines Vaters denke… lieber erinnere ich mich natürlich an Eure Freude als der Fol-geantrag Deiner Mutter positiv entschieden wurde, Dein Vater die Kirche verlassen konn-te, mit Unterstützung schnell eine Vollzeit-, Deine Mutter eine Teilzeit-Arbeit fand, als ihr dann unabhängig von öffentlichen Mitteln le-ben konntet, als Du, Deine Mutter und Deine Schwester endlich eine unbefristete Nieder-lassungserlaubnis bekommen habt.Einige Deiner Freundinnen sind bereits ein-gebürgert, andere haben immer noch „Ketten-duldungen“, Ihr alle habt jahrelang gewartet, gelitten, gekämpft, Euch bemüht, angestrengt, gehofft… In letzter Zeit wird viel über Integration dis-kutiert und geschrieben. Was meint Ihr dazu? War das für Euch jemals ein Thema?

Und doch seid Ihr geradezu vorbildlich inte-griert. Ich beobachte immer wieder, dass ge-rade Kinder und Jugendliche im Normalfall, und wenn man sie lässt immer den Wunsch haben, sich so rasch wie möglich in ein neu-es Umfeld zu integrieren. Eigentlich braucht es dazu kein Diktat von „Oben“ und keine ewigen Diskussionen, auch keine neuen Vor-schriften, sondern eher bessere Voraussetzun-gen im Alltag: z.B. weniger räumliche Aus-grenzung und Isolierung durch entsprechende Unterkünfte, Zulassen von mehr Selbststän-digkeit und Eigenverantwortung bei der Er-nährung usw.Zurück zu Euch, den sieben jugendlichen KONSTANZERINNNEN, von denen zwei „deutsche Ureinwohnerinnen“ und fünf „Ein-wanderinnen“ sind. Ich wette, dass auch Du Mühe hast, die Antworten den Personen zuzu-ordnen. Obwohl jede für sich den Fragebogen ausfüllte, ist die Übereinstimmung groß, d. h. die Antworten sind erstaunlich ähnlich und „normal“. Wenn Ihr Euch nicht wehrt, bleibt Ihr bis an Euer Lebensende die „eingebürger-ten Ausländer“ oder die „ausländischen Mit-bürger“ oder die Türkinnen mit Deutschem Pass. Dabei ist es so einfach:Ihr seid KONSTANZERINNEN über die wir uns freuen, mit denen wir gerne zusammen-leben.

Zum Schluss wollte ich Dir, Bahar, Meltem Hülya und Funda noch sagen, dass Ihr auf-grund Eurer „Lebensgeschichten“ viele po-sitive Eigenschaften, Fähigkeiten und Wert-vorstellungen entwickelt habt, die in der öffentlichen Diskussion kaum thematisiert werden, obwohl sie ein Reichtum für Euch und eine Bereicherung für uns alle sind. Zum Beispiel sprecht Ihr perfekt Deutsch

3und Türkisch, Du und Hülya noch Kurdisch, alle Englisch, besonders bewundere ich aber Eure sozialen Kompetenzen, den ausgepräg-ten Sinn für Familie und Gemeinschaft, die Einfühlungsgabe und Hilfsbereitschaft, Eure Gastfreundschaft, Anteilnahme und Zuver-lässigkeit. Durch die vielen Probleme und Schwierigkeiten, mit denen Ihr immer wieder konfrontiert wurdet, sind auch Eure Ausdau-er, Eure Kräfte, Eure Zielstrebigkeit und Eure Selbständigkeit gewachsen.

Ich wünsche Dir viel Gutes und vergiss nicht: „Lachen hält gesund, mindestens 10 Minuten jeden Tag (es dürfen auch mehr sein)!

Herzliche Grüße, auch an die anderen KONSTANZERINNEN Friederike v. Wolff

Die Konstanzer InterviewsWas ist Dein größter Wunsch?Dass meine Familie zusammen und gesund bleibt.

Wie heißt Dein Lieblingsbuch?Ich liebe alle Märchenbücher.

Hast Du ein Vorbild? Wer ist es?M. L. King und Lady Diana.

Welche Musik gefällt Dir am Besten?HIP-HOP, J.L.O.

Hast Du ein Lieblingsfach/eine Lieblingsbe-schäftigung?Mathe und Sport, mit Freunden ausgehen.

Gehst Du lieber ins Kino oder in eine Disco?Kino.

Glaubst Du, dass ein einsamer Mensch mit vielen Millionen glücklicher/zufriedener ist, als einer mit guten Freunden und wenig Geld?Nein, auf keinen Fall.

Interessiert es Dich, was ältere Menschen aus ihrer Jugendzeit erzählen?Ja, sehr.

Nervt es Dich, wenn Verwandte/Lehrer/Älte-re immer alles besser wissen wollen?Ärgert mich echt.

Was hat Dir während der Fußball-WM am Besten gefallen?Dass wir Deutschen feiern können und mit allen anderen Menschen, egal aus welchem Land, fröhlich sein können.

Was ist Dein größter Wunsch?Ein guter Abschluss meiner Lehre.

Wie heißt Dein Lieblingsbuch?„Parfüm“ von Süsskind und „Sophies Welt“ von J. Garden.

Hast Du ein Vorbild? Wer ist es?J. W. v. Goethe, Martin L. King, Albert Schweizer.

Welche Musik gefällt Dir am besten?Reggae, Rock, Ligent-Metal.

Hast Du ein Lieblingsfach/ Lieblingsbeschäf-tigung?Gitarre spielen.

Gehst Du lieber ins Kino oder in eine Disco?Kino.

Glaubst Du, dass ein einsamer Mensch mit vielen Millionen glücklicher/ zufriedener ist als einer mit guten Freunden und wenig Geld?nein Interessiert es Dich, was ältere Menschen aus ihrer Jugendzeit erzählen?Ja, z. B. Menschen im Altersheim.

Nervt es Dich, wenn Verwandte/Lehrer/Älte-re immer alles besser wissen wollen?SEHR!

Was hat Dir während der Fußball-WM am besten gefallen?Die Gemeinschaft und die Fröhlichkeit.

Was ist Dein größter Wunsch?Nach Abschluss der Lehre eine 2. Ausbildung zur pharmazeutisch technischen Assistentin machen zu können.

Wie heißt Dein Lieblingsbuch?Anne Frank.

Hast Du ein Vorbild? Wer ist es?EMINEM, der erste weiße Sänger der mit schwarzerRAP Musik sehr erfolgreich wur-de.

Welche Musik gefällt Dir am besten?HIP-HOP.

Hast Du ein Lieblingsfach/ Lieblingsbeschäf-tigung?Gitarre und Tanzen.

Gehst Du lieber ins Kino oder in eine Disco?Weder noch, am liebsten mach ich was zu-sammen mit Freunden.

Glaubst Du, dass ein einsamer Mensch mit vielen Millionen glücklicher/ zufriedener ist als einer mit guten Freunden und wenig Geld?nein.

Interessiert es Dich, was ältere Menschen aus ihrer Jugendzeit erzählen?Ja, sehr, weil das authentisch und erlebt ist.

Nervt es Dich, wenn Verwandte/Lehrer/Älte-re immer alles besser wissen wollen?Ja, ich höre einfach weg.

Was hat Dir während der Fußball-WM am besten gefallen?Die Leidenschaftlichkeit der Spieler und die allgemeine Begeisterung.

Was ist Dein größter Wunsch?Dass meine Familie und Freunde gesund und glücklich bleiben.

Wie heißt Dein Lieblingsbuch?„Wüstenblume“.

Hast Du ein Vorbild? Wer ist es?Nein.

Welche Musik gefällt Dir am besten?Robbie Williams.

Hast Du ein Lieblingsfach/ Lieblingsbeschäf-tigung?Tanzen, Telefonieren.

Gehst Du lieber ins Kino oder in eine Disco?In die Disco.

Glaubst Du, dass ein einsamer Mensch mit vielen Millionen glücklicher/ zufriedener ist als einer mit guten Freunden und wenig Geld?Nein, Freunde sind wichtiger als Geld.

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Interessiert es Dich, was ältere Menschen aus ihrer Jugendzeit erzählen?Ja.

Nervt es Dich, wenn Verwandte/Lehrer/Älte-re immer alles besser wissen wollen?Ja.

Was hat Dir während der Fußball-WM am besten gefallen?Die Deutschland-Begeisterung.

Was ist Dein größter Wunsch?Gesundheit für meine Familie und Freunde.

Wie heißt Dein Lieblingsbuch?„Antonia liebt gefährlich“ und „Die Räuber“.

Hast Du ein Vorbild? Wer ist es?Meine große Schwester, die uns immer be-schützt und unterstützt. J. F. Kennedy und Albert Schweitzer.

Welche Musik gefällt Dir am besten?HIP-HOP, Protest- und Volkslieder.

Hast Du ein Lieblingsfach/ Lieblingsbeschäf-tigung?Deutsch.

Gehst Du lieber ins Kino oder in eine Disco?Kino.

Glaubst Du, dass ein einsamer Mensch mit vielen Millionen glücklicher/ zufriedener ist als einer mit guten Freunden und wenig Geld?Geld macht nicht glücklich !

Interessiert es Dich, was ältere Menschen aus ihrer Jugendzeit erzählen?Ja, sehr, als ich im Altenheim gearbeitet habe, und auch sonst finde ich das sehr interessant.

Nervt es Dich, wenn Verwandte/Lehrer/Älte-re immer alles besser wissen wollen?Das stört mich ganz schön.

Was hat Dir während der Fußball-WM am besten gefallen?Die deutschen Gastgeber und das Interesse aller Menschen an dieser Veranstaltung.

Was ist Dein größter Wunsch?Mein Berufsziel zu erreichen.

Wie heißt Dein Lieblingsbuch?Geschichtsbücher von den alten Ägyptern bis nach dem 2. Weltkrieg.

Hast Du ein Vorbild? Wer ist es?Geschwister Scholl.

Welche Musik gefällt Dir am besten?HIP-HOP, R`n`R´.

Hast Du ein Lieblingsfach/ Lieblingsbeschäf-tigung?Geschichte.

Gehst Du lieber ins Kino oder in eine Disco?Weder noch, ich gehe lieber bummeln und Eis essen.

Glaubst Du, dass ein einsamer Mensch mit vielen Millionen glücklicher/ zufriedener ist als einer mit guten Freunden und wenig Geld?Nein.

Interessiert es Dich, was ältere Menschen aus ihrer Jugendzeit erzählen?Ja.

Nervt es Dich, wenn Verwandte/Lehrer/Ältere immer alles besser wissen wollen?Nervt sehr.

Was hat Dir während der Fußball-WM am besten gefallen?Die Stimmung auf der Straße.

Was ist Dein größter Wunsch?Später glücklich zu sein, mit Familie, Haus und einem Job, der Spaß macht.

Wie heißt Dein Lieblingsbuch?Harry Potter.

Hast Du ein Vorbild? Wer ist es?Mein Opa.

Welche Musik gefällt Dir am besten?Rock.

Hast Du ein Lieblingsfach/ Lieblingsbeschäf-tigung?Mathe, mit Freunden weggehen.

Gehst Du lieber ins Kino oder in eine Disco?Ich mache beides gerne.

Glaubst Du, dass ein einsamer Mensch mit vielen Millionen glücklicher/ zufriedener ist als einer mit guten Freunden und wenig GeldNein.

Interessiert es Dich, was ältere Menschen aus ihrer Jugendzeit erzählen?Ja.

Nervt es Dich, wenn Verwandte/Lehrer/Ältere immer alles besser wissen wollen?Ja.

Was hat Dir während der Fußball-WM am besten gefallen?Mit Freunden die Spiele zu sehen und die Be-geisterung.

Impresssum

xclusiv wird herausgegeben vom Flüchtlingsrat Baden-Württem-berg e.V. (vormals Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg e.V.)Urbanstr. 44, 70182 StuttgartTel.: 0711/55 32 834 Fax: 0711/55 32 [email protected]

Spenden-Konto:Kto.-Nr.: 3517930BW-Bank BLZ 600 501 01

Redaktion:Mehrnousch Zaeri und Angelika von Loeper

Layout und Gestaltung:Angelika und Dankwartvon Loeper

© 2006 by Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.Gefördert vom Europäischen Flüchtlingsfonds

Druck:Ariadne Medien, Karlsruhe

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Die Biografien der KonstanzerinnenBahar ist Kurdin aus der Türkei, und ist 20 Jahre alt. Sie kam 1992 mit ihrer Fa-milie (ein Bruder) nach Deutschland und ist mittlerweile eingebürgert. Außer ih-rer Muttersprache Türkisch und Deutsch spricht sie noch Englisch. Nach einem Hauptschulabschluss leistete sie ein Frei-williges Soziales Jahr in einem ev. Pflege-heim in Konstanz. Danach begann sie eine Lehre als Pharmazeutisch kaufmännische Angestellte und befindet sich inzwischen im dritten Lehrjahr.

Fatos ist Kurdin aus der Türkei. Die heute Zwanzigjährige kam 1996 mit zehn Jahren in die Bundesrepublik Deutschland. Nach einem langwierigem und zermürbenden Asylverfahren erhielt ihre Familie (vier Geschwister) eine unbefristete Niederlas-sungserlaubnis. Nach erfolgreichem Ab-schluss der Realschule mit mittlerer Reife befindet sie sich nun im ersten Lehrjahr als Zahnmedizinische Fachangestellte. Sie spricht außer Deutsch perfekt Türkisch und Kurdisch und hat gute Kenntnisse in Englisch.

Funda ist Kurdin aus der Türkei und kam 1990 nach Deutschland. Die 16-jährige, die außer Deutsch auch Türkisch und Eng-lisch spricht, hat vier Geschwister und ist mittlerweile eingebürgerte Deutsche. Nach ihrem Hauptschulabschluss lernt sie nun im ersten Lehrjahr pharmazeutisch kauf-männische Angestellte.

Hanna ist in Deutschland geboren und hat einen 11-jährigen Bruder. Die 17-jährige Gymnasiastin möchte nach ihrem Abitur Psychologie studieren. Sie spricht außer Deutsch noch Französisch und Englisch

Hülya ist Kurdin aus der Türkei und spricht außer Deutsch noch Türkisch, Kur-disch und Englisch. Die 17-jährige hat vier Geschwister und besitzt mittlerweile eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, für die ihre Familie seit ihrer Ankunft in Deutschland 1996 gekämpft hatte. Nach ihrem Realschulabschluss besucht sie zur Zeit die Weiterführende Schule. Sie möch-te gerne Bankkauffrau oder Bürokauffrau werden.

Meltem, die 18-jährige Kurdin aus der Türkei ist bereits seit 1990 in Deutschland. Sie hat vier Geschwister und wurde vor sieben Jahren eingebürgert. Sie besucht die Realschule und möchte nach ihrer mittle-ren Reife im Jahr 200 Verwaltungsfachan-gestellte oder Kauffrau für Bürokommuni-kation werden. Außer Deutsch spricht sie Englisch und fließend Türkisch.

Miriam wurde in Deutschland geboren und ist heute 17 Jahre alt. Sie hat ein 15-jähriges Geschwisterteil. Sie besucht noch das Gymnasium und möchte nach ihrem Abschluss Chemie oder Architektur stu-dieren. Sie spricht außer Deutsch noch Französisch, Englisch und Spanisch.

Seidou Boukari hatte von 1995 bis zum Ar-beitsverbot 2003 ununterbrochen beim glei-chen Arbeitgeber gearbeitet. Der würde ihn auch heute noch sofort wieder einstellen, wenn er eine Arbeitsgenehmigung hätte. Er schildert Boukari als intelligenten und zuver-lässigen Mitarbeiter, der als Lademeister in seinem Sägewerk besondere logistische Fä-higkeiten bewiesen habe.

Seidou Boukari, der sich in diesen 8 Jahren unabhängig von Unterstützung selbst versorgt hatte, privaten Wohnraum bewohnt, ein Auto besessen und sogar eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, lebt nun von Leistungen

Seidou Boukari-Kabou ist 1992 vor der Dik-tatur in Togo geflohen, da er sie aktiv mit politischen Aktionen bekämpft hatte. Die zuständige Asylbehörde, das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) glaubte ihm seinerzeit nicht und lehn-te den Asylantrag ab. Er erhielt eine Duldung und zunächst auch jahrelang die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit. 2003 wurde ihm die Ar-beitsgenehmigung jedoch entzogen. Die Kla-ge hiergegen wurde abgewiesen.

Ein Abschiebungsversuch 2003 scheiterte. Ein Asylfolgeantrag, der 2003gestellt worden war, wurde im Frühjahr 2006 positiv mit Ab-schiebeschutz nach § 60,5 Aufenthaltsgesetz beschieden, da sich die Verfolgungssituation in Togo nach den Wahlen 2005 deutlich ver-schlechtert habe und von einer Gefährdung bei Rückkehr auszugehen sei, zumal er den togoischen Behörden bekannt sein dürfte.

Seidou Boukaris Hauptargument, nämlich sei-ne exilpolitischen Aktivitäten in Deutschland während verschiedener Demonstrationen, die von togoischen Spitzeln nachweislich fest-gehalten worden waren, wurden nach dem neuen Zuwanderungsgesetz nicht berücksich-tigt, obwohl der Folgeantrag 2003, also vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes, ge-stellt worden war.

Da die lange Verfahrensverzögerung durch das zuständige Gericht, dem Verwaltungsge-richt Stuttgart, nicht ihm anzulasten ist, und er auch aufgrund seiner Nachfluchtgründe nach dem alten Asylgesetz hätte Asyl erhal-ten müssen, legt Seidou Boukari im Juli 2006 Berufung ein. Auch das BAFl geht in die Be-rufung. Der Fall ist nun beim Verwaltungs-gerichtshof, dem nächst höheren Gericht, anhängig.

nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, in obdachlosenrechtlicher Unterbringung. Das Auto musste verkauft, die Versicherung zum Schleuderpreis aufgelöst werden. Ein Klein-kredit, den er längst hätte abzahlen können, wenn er arbeiten dürfte, wächst mit immen-sen Zinsen ins Uferlose. Eine Rückkehr nach Togo wäre für ihn in jeder Hinsicht verhee-rend. Vermutlich hätte er wegen subversiver Tätigkeit und Verunglimpfung des Staats-chefs im Ausland mit einer Verhaftung zu rechnen. Da er aufgrund des Arbeitsverbotes inzwischen wirtschaftlich vollkommen rui-niert ist, hätte er auch keinerlei Basis für eine Existenzgründung in Togo.

Wo bleibt das Bleiberecht?

Nach 14 Jahren soll Seidou endlich ankommen dürfen!

Seidou Boukari hat keine Straftaten begangen und ist sehr gut integriert. Zahlreiche deut-sche Freunde, Nachbarn, Mitbürger seiner „Heimatgemeinde“ Hüttlingen haben sich für ein Bleiberecht für ihn eingesetzt.

Eine Bleiberechtsregelung würde Seidou Boukari-Kabou nach mehr als 14 Jah-ren in Deutschland hier ein menschen-würdiges Leben ermöglichen.

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„Ferien? Vielleicht habe ich jetzt Ferien für immer...“, sagt F., die 20 jährige Tochter. Sie hat die Abschlussprüfungen für die Fach-hochschulreife hinter sich, ein gutes Zeugnis in der Tasche und möchte gerne studieren. Am liebsten in Basel, Biochemie.

Das geht aber nicht. Es geht nicht, weil sie, wie ihre Eltern und die beiden jüngeren Brü-der, nur eine Duldung hat. Und warten muss. Wieder einmal dieses nervenaufreibende Warten. Auf eine Entscheidung, die das gan-ze weitere Leben bestimmt. Wie oft warten Menschen im Laufe eines Asylverfahrens auf solche Entscheidungen mit Angst und mit Hoffnung, gelähmt und in ständiger Unruhe.F. und ihre Familie warten dieses Mal auf die Entscheidung der Härtefallkommission. Vor neun Monaten sind sie ganz knapp der Ab-schiebung nach Syrien entgangen und haben Zuflucht gefunden im Gemeindehaus der ka-tholischen Gemeinde in Rheinfelden.

Kirchenasyl in Rheinfelden. Zu verdanken haben sie das der mutigen Entscheidung des

Kirchengemeinderates. Die Familie ist schon länger mit der Kirchengemeinde verbunden, die Kinder dienen in der Messe als Ministran-ten, die Mutter kommt oft in die Kirche. Die Familie ist integriert: Die Eltern haben Arbeit, die Kinder sind gut in der Schule und haben dort viele Freunde.

In Syrien droht der Familie Gefahr. Das Bun-desamt und das Gericht haben der Familie nicht geglaubt. In Rheinfelden aber verstehen viele nicht, warum eine solche Familie ab-geschoben werden und der Gefahr von Ver-folgung in einem diktatorisch regierten Land ausgesetzt werden soll. Eine Welle der Soli-darität geht durch die Stadt: Seit Weihnachten trifft sich jeden Abend um 18.00 eine lockere Gruppe zur Mahnwache vor dem Rathaus. Eine Podiumsdiskussion wurde veranstaltet und eine Demonstration, Unterschriften wer-den gesammelt.

Schließlich konnte der Antrag an die Härte-fallkommission gestellt werden. Die Familie ist ins Wohnheim zurückgekehrt und muss nun auf das Ergebnis warten. Es gibt eine neue Hoffnung. Und das Engagement geht weiter, auch für andere betroffene Flüchtlingsfamilien.

Ich wünsche der Rheinfelder Asylgruppe viel Erfolg, einen langen Atem und Mut bei ihrem Kampf für Flüchtlinge, die hier in die unbarmherzigen Mühlen der Gesetze und der Bürokratie geraten. Und möglichst auch viel Freude bei dieser Arbeit!

Friederike Geib Sozialarbeiterin der AWO in der Gemein-schaftsunterkunft Rheinfelden

Biljana Lazic, serbischer Abstammung, gebo-ren 1972 in Kroatien, jetzt wohnhaft in Stein-heim, Kreis Heidenheim

Biljana Lazic reiste im Juni 1994 nach Deutschland ein. Sie floh bereits 1991 nach-dem das von ihr betriebene Lebensmittelge-schäft in ihrem Heimatort, in der von Kroaten und Serben umkämpften Krajina, mehrfach zerstört wurde. Zuerst hielt sie sich in einem serbischen Flüchtlingslager auf, 1994 gelang ihr die Ausreise nach Deutschland. Bei ihrer Einreise hatte sie einen Pass der Bundesrepu-blik Jugoslawien, der jedoch im August 1994 ablief. Sie bemühte sich beim kroatischen Konsulat um die Erneuerung des Passes und wurde abgewiesen mit der Begründung, sie sei über Serbien nach Deutschland eingereist und solle sich dort um einen Pass bemühen. Das Konsulat der BR Jugoslawien erneuert zwar den Pass aus „humanitären Gründen“ erkennt jedoch nicht die Staatsangehörigkeit zur BR Jugoslawien an. In Deutschland erhält Biljana Lazic wegen der ungeklärten Staats-angehörigkeit nur eine Duldung.

Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthalts-befugnis bleibt zunächst drei Jahre lang un-bearbeitet und scheitert dann 1998 mit der Begründung, dass es sowohl mit Kroatien als auch mit der BR Jugoslawien Rückübernah-meabkommen gäbe, die eine Abschiebung er-möglichten. Auf die hiergegen erhobene Kla-ge stellt das Gericht 2002 fest, dass sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um die Passbeschaffung zu unterstützen. Nach-dem sie legal weder nach Kroatien noch in die BR Jugoslawien einreisen könne, habe sie ihr Abschiebehindernis auch nicht selbst zu vertreten.In den sieben Jahren, die zwischen der Antrag-stellung und der gerichtlichen Aufhebung des Bescheides des LRA Heidenheim vergangen waren, hatte sie weitere Versuche unternom-men, einen Pass zu erhalten. Beim kroatischen Konsulat wird ihr mitgeteilt, sie könne keine kroatische Staatsangehörigkeit erlangen, weil sie länger als fünf Jahre nicht in Kroatien ge-wesen ist. Ein weiterer Versuch beim jugosla-wischen Konsulat scheitert daran, dass ihr Hei-matort auf kroatischem Gebiet liegt.

Warum eigentlich soll Besa Deutschland verlassen?

Besa lebt seit fast 14 Jahren in Deutschland. Sie ging hier zur Schule.Sie spricht deutsch, wie Sie und ich. Sie arbeitet täglich 8 Stunden,zahlt Steuern und Sozialabgaben.Sie lebt in einer Mietwohnung.Sie kleidet sich wie jede junge Frau.Ihr Führungszeugnis ist einwandfrei.

Kurz, sie ist voll integriert!Warum also soll sie ausreisen?

Besa kam im August 1992 mit ihrer Mutter und 2 Geschwistern nach Deutschland. Als Roma waren sie in ihrer Heimat der Verfol-gung durch Serbische Milizen ausgesetzt. Sie fühlten sich wie viele andere bedroht und suchten hier Schutz.

Deutschland erkannte seinerzeit die Verfol-gung durch nicht staatliche Gewalt nicht als Schutzgrund an. Das hat sich zwar mit dem neuen Aufenthaltsgesetz geändert, gilt aber nicht rückwirkend. Also erhält Besa seit ihrer Einreise eine Duldung - jeweils für 6 Monate.

Die Aufenthaltserlaubnis wird ihr versagt. Man wirft ihr vor, sie würde ihrer Ausreise-verpflichtung nicht nachkommen. Das aber stimmt nicht. Nach heutiger Rechtsauffas-sung muss eine Ausreise zumutbar sein.

Biljana Lazic - Alles Menschenmögliche getan

Familie Morad

Sami und Victoria Morad mit einer Toch-ter, 20 Jahre und zwei Söhnen, 17 und 13 Jahre alt. Die Söhne gehen auf die Real-schule bzw. auf das Gymnasium.Frau Morad ist mit den Kindern vor 7 Jah-ren aus Syrien nach Deutschland gekom-men, Herr Morad ist zwei Jahre später nachgekommen. Beide Eltern arbeiten.

Gäbe es eine Bleiberechtregelung hät-te Familie Morad eine Chance für die Zukunft.

Einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach den Mittelstand-serlassen des Landes, wonach langjährige Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und Serbien, wenn sie arbeiteten, unter bestimm-ten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaub-nis erhalten sollten, lehnt das Regierungsprä-sidium Stuttgart ab, nachdem es sich an das kroatische Konsulat gewandt hatte. Das teilte nun mit, Biljana Lazic sei doch Kroatin und ein Pass werde ausgestellt. Als sie dort per-sönlich vorspricht, erklärt man ihr, sie brau-che eine Geburtsurkunde und einen Staatsan-gehörigkeitsausweis. Beide Dokumente hatte sie nicht. 2003 stellt sie einen Petitionsantrag, der 2004 mit der Begründung abgelehnt wird, sie habe sich nicht genügend um einen Pass bemüht. Schließlich kam über ihre Eltern im Frühjahr 2004 die Mitteilung, sie könne ei-nen serbischen Pass erhalten, da sie seit über zehn Jahren in Serbien angemeldet sei. Diese Anmeldung resultierte offenbar aus dem Auf-enthalt in einem serbischen Flüchtlingslager. Der Pass wurde nun tatsächlich ausgestellt. Seit Juli 2006 ist sie aber nun von einer Ab-schiebung bedroht. Sie hat eine Eingabe an die Härtefallkommission gemacht.

Die Flüchtlingshilfsorganisation der Verein-ten Nationen, UNHCR, lehnt nach wie vor die Aufnahme von Roma im Kosovo ab, sofern dort keine Reintegration in den Familienver-band möglich ist und keine Wohnung zur Ver-fügung steht.

Besa hat hier ihren Lebensmittelpunkt ge-funden. Sie kostet den Staat keinen Cent. Im Gegenteil, sie unterstützt durch monatliche Zuwendungen ihre Mutter.

Aus all diesen Gründen hat das Verwaltungs-gericht Stuttgart mit Urteil vom 22.06.06 die Ausländerbehörde verpflichtet, Besa die lang erhoffte Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Das Gericht bezieht sich dabei auf § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Dagegen hat das Regierungspräsidium Karls-ruhe (RP) Berufung eingelegt. Das RP möchte offensichtlich versuchen, durch höchstrichter-liche Entscheidung die Wirkung der EMRK zu beschränken.

Finden Sie es gerecht, dass diese junge Frau ausgewiesen werden soll in ein Land, zu dem sie keine Beziehung mehr hat? In ein Land, in welchem sie auf der Straße stehen würde, weil sie dort keine Verwandten mehr hat? In ein Land, in dem sie Verfolgung und Demü-tigung erwarten muss aber kaum eine Chance hat Arbeit zu finden?

Gäbe es eine Bleiberechtsregelung könnte Besa endlich ihre Zukunft gestalten.

Udo Dreutler, Sprecherrat Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Familie Morad braucht eine Zukunft!

Biljana Lazic hat während der gesamten Zeit ihres Aufenthaltes keinerlei staatliche Hilfe beansprucht. Sie spricht so perfekt deutsch, dass sie bei ihrem früheren Arbeitgeber als kaufmännische Angestellte sogar den Schrift-verkehr führte. Sie hat an zahlreichen Fortbil-dungsmaßnahmen teilgenommen und nach Insolvenz der Firma jede sich ihr bietende Ar-beit angenommen. Derzeit arbeitet sie in einer anderen Firma in der Produktkontrolle und am Wochenende in einem Sonnenstudio. Nach über 12 Jahren Aufenthalt in Deutsch-land mit einer Integrationsleistung, die nicht perfekter sein könnte, steht Biljana Lazic nun vor der Vernichtung ihrer mühsam aufgebau-ten Existenz. Sie wurde Opfer eines jahrelan-gen Ping-Pong Spiels zwischen Konsulaten und Behörden. Sie selbst hat sich jederzeit mustergültig verhalten.

Eine Bleiberechtsregelung würde Biljana Lazic eine menschenwürdige Zukunft bei uns ermöglichen.

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Noha ABDULLAH, Mutter von einem Kind, wurde im April 1972 im Irak geboren. Dort arbeitete sie als Physiklehrerin. Seit 2002 lebt sie in Baden-Württemberg.

Bilder von Noha Abdullah

Bild oben: „Sonne“

Bild links:„Frauenflucht“

Bild links: „bunt“

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Mein Name ist Bledona Muslija.Ich wurde am 11. August 1996 im Margari-tenhospital in Schwäbisch Gmünd geboren.10 Jahre lebte ich mit meinen Eltern und mei-nem Bruder in dieser Stadt. Ich habe dort den Kindergarten besucht und bin in die Klöster-leschule gegangen. Bis zum 08. August 2006, wenige Tage vor meinem 10. Geburtstag. Meine Eltern stammen aus dem Kosovo. Vor dem Krieg waren sie nach Deutschland geflo-hen.Die Heimat unserer Familie wurde ein klei-nes Haus mit Garten am Rande der Innenstadt von Schwäbisch Gmünd. Von dort aus konn-ten wir in den Kindergarten und in die Schule zu Fuß gehen, vorbei am Josefsbach, an den alten Häusern, an den Kirchen und an dem mächtigen Münster. Wir Kinder hatten wenig Sorgen. Mein Bru-der, der von seinen Freunden Himmi genannt wurde, ist ein Jahr älter als ich, und ebenfalls in Schwäbisch Gmünd geboren. Wir hatten viele Bekannte und Freunde, z. B. den Herrn Vogelmann, einen Nachbarn. Er war immer sehr nett zu uns und hatte eine alte Dampfei-senbahn, mit der wir oft spielen durften. Oder Paul, mein Freund im Nachbarhaus. Ich glau-be er wollte (oder will) mich sogar heiraten. Oder Denise, Niklas und Amelie, Laura, Lo-renz und Lisa, die weiter oben in der Straße wohnen. Die hatten einen riesigen Garten mit einem großen Sandhaufen und einem Baum-haus in luftiger Höhe. Oft spielten wir dort Verstecke-Fangen oder suchten die Stallha-sen, wenn sie wieder einmal ausgerissen wa-ren und sich im Gemüsegarten des angrenzen-den Franziskanerinnenklosters tummelten.

In der Schule hatte ich viele Freundinnen. Was haben wir gelacht und geulkt. Meine Noten waren ganz ok und mit meiner Lehrerin, Frau Siebeneick, habe ich mich sehr gut verstan-den. Bei ihr hatte ich das Gefühl, sie schätzt und mag mich. Theaterspielen in der Theater AG mochte ich besonders gern und bei Ap-plaus, wenn etwas gut geklappt hatte, wurde es mir ganz warm. Auch in der Ball-AG hat-ten wir viel Spaß. Wir waren gut und deshalb ging mein Bruder auch zum Basketball.

Aber immer wieder standen dunkle Wolken über unserer Familie. Oftmals war die Stim-

Hoffentlich wache ich bald auf…

mung sehr gedrückt, vor allem in den letz-ten Jahren. Mein Vater versuchte es wieder und wieder Arbeit zu finden. Oft kam er glücklich und freude-strahlend nach Hause, wenn er wieder ein gu-tes Gespräch mit einer Firma geführt hatte. Bald darauf legte sich seine Stirn wieder in Sorgenfalten, weil er keine amtliche Erlaub-nis erhielt, die Stelle anzunehmen. So ging es mehrmals, über vie-le Jahre hinweg.

Ich glaube manchmal hat mein Vater heim-

lich geweint. Uns Kindern hat er es aber nie anmerken lassen. Nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, hörte ich meine Eltern oftmals lange reden, wie es weitergeht, wie und wo eine Arbeit zu finden wäre. Wie groß war die Freude, als es eines Tages doch gelang. Freudestrahlend kam mein Vater nach Hause. Mit Hilfe von Freun-den war es schließlich nach vielen Jahren ge-lungen, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.

Nun folgte eine sehr glückliche Zeit für uns. Ich hatte das Gefühl, viele Sorgen waren ver-schwunden, die Gespräche veränderten sich und es wurde wieder richtig gelacht. Ich glau-be die Kollegen von der Firma mochten Papa sehr. Wir bekamen Besuch, es wurde viel tele-foniert. Und Papa war fast immer gut gelaunt, obwohl er morgens oft schon um 5 Uhr zur Arbeit ging und erst spät abends nach Hause kam.

Doch wenige Monate später waren sie wieder da, die dicken dunklen schwarzen Wolken. Sorgenvoll lasen meine Eltern Briefe von Rechtsanwälten und Behörden. Mein Bruder konnte nicht mehr richtig schlafen, wachte immer wieder unruhig auf. Er erzählte mir immer wieder von seiner Angst, dass die Po-lizei kommt und uns mitnimmt.

Viele versuchten, uns diese Angst zu nehmen. Der Rechtsanwalt, Bekannte, Freunde und Nachbarn. Sie sagten, so lange noch vor Ge-richt verhandelt wird, passiert uns nichts.Schließlich mussten wir nach Stuttgart zum Gericht. Ein riesiges Haus mit vielen Zim-mern und Türen. Wie aufgeregt wir waren. Trotzdem konnte ich fast alle Fragen der Richter beantworten. Meinem Bruder und meinen Eltern gelang dies nicht so gut. Sie waren etwas ängstlich und sehr nervös. Den-noch hatten wir ein gutes Gefühl, als wir wie-der nach Hause fuhren.

Es war Sommer in Deutschland, die Fußball-Weltmeisterschaft hatte begonnen, alle waren gut gelaunt. Die Menschen in der Stadt lach-ten und feierten. Umso verzweifelter waren wir, als dann die Briefe vom Gericht und vom Rechtsanwalt kamen. Abgelehnt! Der Rechts-anwalt legte Beschwerde ein. Wir hatten noch Hoffnung. Mit einem Nachbarn suchten wir alle Unterlagen für einen Härtefallantrag zu-sammen. Die Zusagen, wenn mein Vater und

meine Mutter sich um eine Arbeitsstelle be-worben hatten, die Ablehnungen der Ämter, jedes alte Stück Papier war wertvoll.

Es begannen die Sommerferien und der Montag, der 07. August, unsere erste ganze Sommerferienwoche. Am Abend hatten wir Besuch, der Nachbar, der die Unterlagen für den Härtefallantrag sammelte und mit meinen Eltern redete. Der Rechtsanwalt hatte dem Regierungspräsidium bereits benachrichtigt, dass ein solcher Antrag gestellt wird. Ich habe noch gefragt, ob jetzt bald die Polizei kommt. Der Nachbar tröstete mich und sagte, dass ich bestimmt keine Angst haben müsste, weil über die Beschwerde des Rechtsanwaltes noch nicht entschieden sei und ja auch noch der Härtefallantrag gestellt werden würde. Was ich und meine Familie zu diesem Zeit-punkt noch nicht wussten, war, dass das Ge-richt am Nachmittag entschieden hatte. Rasch und voller Hoffnung schlief ich an diesem Abend ein.

Wenige Stunden später, am frühen Dienstag-morgen gegen 3 Uhr starb diese Hoffnung. Plötzlich war unsere Wohnung voller Po-lizisten. Wir mussten uns anziehen und sofort mitkommen. Gelähmt und schlaftrunken stand ich vor unserem Aquarium mit den vie-len bunten Fischen, vor dem Käfig mit meinen geliebten Vögeln, vor meinen Zeichnungen und Büchern, vor mei-nen Schulheften. Es war wie ein schlechter Traum, ein Alptraum. Meine Mutter und mein Vater waren krei-debleich und verzweifelt. Meinem Bruder wurde schlecht. Wir waren zu nichts mehr fähig, alles ging durcheinander, wir konnten kaum etwas mitnehmen. Die Polizei brachte uns rasch in eine andere Stadt und von dort

Die Geschichte der 10-jährigen Bledona hat in ihrer Heimatstadt Schwäbisch Gmünd große Empörung ausgelöst. Überfallartig wurden sie und ihre Familie in den Kosovo abgeschoben.

Viele Gmünder, Freunde der Familie, Nachbarn und die Bürgerinitiative gegen Fremdenfeindlichkeit werfen dem Baden-Württembergischen Innenministerium und dem Stuttgarter Regierungspräsidium zu-tiefst unmenschliches Verhalten vor. Ob-wohl Bleiberechtsregelungen für genau diesen Personenkreis in Vorbereitung sind, wurden Menschen, vor allem die Kinder, entwurzelt und Lebenswege zerstört.

Die Geschichte von Bledona - eine Zu-sammenfassung und Wiedergabe von Ge-sprächen in der Zeit von September 2005 bis August 2006 - steht stellvertretend für viele Flüchtlingsschicksale. Ein Umdenken bei Verantwortlichen in der Politik, in Behörden ist offensicht-lich nur möglich, wenn viele Menschen ihre Meinung über das unmenschliche Vorgehen den Verantwortlichen mitteilen. Deshalb sind auf der Homepage für Ble-dona (www.jugendportal-gd.de/Bledona) Adressen und E-Mail-Anschriften ge-nannt, in der Hoffnung, dass auch Sie Ihre Stimme erheben und die Verantwortlichen persönlich anschreiben.

aus an einen Flughafen. So viele verstörte, verängstigte und verzweifelte Menschen habe ich noch nie gesehen. Alle weinten und die Kinder klammerten sich an ihre Eltern.

Jetzt sitze ich gerade in einer kleinen alten Wohnung in Bakshija, einem Dorf vielleicht 10 km von Pristina entfernt. Ein Onkel hat uns vorübergehend aufgenommen. Großel-tern, Kinder, weitere Familienmitglieder, 15 Menschen sind wir nun in einer 3-Zimmer-Wohnung. Wie die Wohnung aussieht, möch-te ich gar nicht schildern. Wir haben nichts mehr von dem, was wir so lieb hatten. Mein Bruder hat hohes Fieber und Papa und Mama sind sehr verzweifelt.

Ich glaube immer noch fest daran, dies alles ist ein schlechter Traum. Nur weiß ich nicht, was ich machen soll, damit ich wieder aufwa-che……

Wiedergabe und Zusammenfassung von Ge-sprächen und Telefonaten September 2005 bis August 2006.Bürgerinitiative gegen FremdenfeindlichkeitQuelle: www.jugendportal-gd.de/Bledona

Quelle: www.jugendportal-gd.de/Bledona

Bledona

Jugend ohne Grenzen?9

Durch mein Lachen und durch die Liebe zu Menschen sammle ich Kraft, um nicht unter-zugehen.

Rojin, Kurdin aus der Türkei, ist zwanzig Jah-re alt und lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Durch die Flucht nach Deutschland entkam ihr Vater Gefängnis und Folter.Das Interview führte Mehrnousch Zaeri

M.Z.: Zunächst zu Deiner Person:

R: Ich bin Derya Elçeoğlu (Rojin). Ich bin im Jahre 1986 im Südosten der Türkei, in Mardin, auf die Welt gekommen. Schon bei meiner Geburt fingen die Probleme an. Mei-ne Eltern durften meinen kurdischen Namen nicht eintragen lassen. Deshalb wurde Rojin zu meinem Rufnamen. Ich habe wenige Erinnerungen an mein Leben dort, weil ich erst zehn war, als wir geflüchtet sind. Mein Vater war selbstständiger LKW-Fahrer. Er war aber als Kurde nicht frei. Er durfte seine Muttersprache nicht sprechen und musste Türkisch sprechen. So kam es, dass er sich politisch sehr engagierte und sogar unter-getauchte Oppositionelle mit Lebensmitteln und etwas Geld unterstützte. Daher war er auch gefährdet. Die deutschen Gerichte wollen ihm aber nicht glauben, obwohl er ziemlich viele Nachwei-se, Zeitungsartikel und Dokumente vorlegen konnte. Aber der Richter wollte ihm nicht glauben. Er machte all unsere Erlebnisse lä-cherlich. Gegen ihn läuft jetzt auch ein Befan-genheitsantrag. Obwohl es für uns sehr schwierig war und es uns sehr schwer gemacht wurde, haben wir uns in diese Gesellschaft wirklich gut integriert und möchten gerne auch so weiter machen. Und wir möchten auch endlich ein besseres Leben leben. Nicht nur unser Dasein im Flüchtlingswohnheim fristen.

M.Z.: In der ersten Ausgabe der Flüchtlings-zeitung „xclusiv“ von 2004 wurde schon über Dich und Deine Familie berichtet. Du konn-test selbst keinen Artikel schreiben, weil Eure Familie aus Angst vor Abschiebung nicht auf-fallen wollte. In dem Sommer standet Ihr kurz vor der Abschiebung in die Türkei. In der zweiten „xclusiv“ warst Du ebenfalls vertreten mit einem eigenen, sehr bewegen-den Artikel, ebenfalls mit einer drohenden Abschiebung im Nacken. Und nun bist Du schon zum dritten Mal dabei und an der Si-tuation Deiner Familie hat sich noch immer nichts verbessert. Es hat sich vielleicht sogar verschlimmert, weil es Euch auch psychisch noch schlechter geht wie vor drei Jahren. Was fühlst Du dabei?

R: Ja, wir sind ja jetzt schon seit zehn Jahren in Deutschland. Und es ist schon sehr belas-tend, wenn man sieht, dass die Familie von Abschiebung bedroht ist. Die Erwachsenen haben ja noch Erinnerungen an die alte Hei-mat. Aber wir Kinder haben unseren Lebens-mittelpunkt hier in Deutschland. Wir gehen hier zur Schule und haben unsere Freunde hier. Meine kleinen Geschwister kennen die Türkei gar nicht. Schon allein die Vorstellung ist schrecklich.

M.Z.: Und deine kleinen Geschwister kriegen das alles auch mit?

R: Ja, die Familie wohnt im Flüchtlingswohn-heim in einem Zimmer. Man teilt sich Toilet-te, Bad und Küche mit anderen Flüchtlingen. Du kannst Dir vorstellen, wie beengend und unhygienisch das sein kann.

M.Z.: Du hast doch fünf Geschwister? Und die ganze Familie hat ein einziges Zimmer?

R: Ja, auf einem Tisch wird gegessen und alle Kinder machen dort ihre Hausaufgaben, na-türlich abwechselnd, und natürlich während der Fernseher läuft und das Leben stattfindet. An Schlafen ist nicht zu denken, weil es zu laut ist. Und ist mal einer noch nicht mit den Hausaufgaben fertig, kann er sie nicht mehr fertig machen, weil das Licht ausgemacht werden muss, damit die anderen schlafen können. Es ist nicht nur schwierig. Es ist un-erträglich. Keiner hat seine Privatsphäre und es kommt oft zum Streit. Und das seit zehn Jahren.

M.Z.: Wie geht es Deinen Eltern?

R: Als wir herkamen, ging es ihnen nicht so schlecht wie jetzt. Sie hatten Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie waren nicht so krank. Sie hatten nur Sorge um das Leben ihrer Kinder. Sie hatten Angst, dass ihre Kinder keine Zu-kunft haben könnten, wenn der Vater ins Ge-fängnis müsste. Aber seit sie hier sind, geht es ihnen richtig schlecht. Sie sind psychisch sehr belastet. Manchmal frage ich mich, ob das nicht ein schlimmeres Gefängnis ist als in der Türkei. Die Flüchtlingswohnheime sind durch die Residenzpflicht wie „Gefängnisse ohne Gitter“. So hat es einmal einer aus unse-rer JoG-Gruppe formuliert. In diesen Gefäng-nissen erlebt man psychische Folter. Es gibt keine Gewissheit und keine Zukunftsperspek-tive hier. Man hat immer Angst und man ist unerwünscht. Es gibt keine Freiheit und kein Mitbestimmungsrecht. Man wird bevormun-det durch solche Vorschriften wie Essenspa-kete. Die Flüchtlinge erhalten irgendwelche Lebensmittel, die sie sich nicht aussuchen können. Auch wenn sie vielleicht etwas an-deres brauchen. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Sie können sich nicht einmal verständigen, indem ihnen keine Möglichkeit gegeben wird, Deutsch zu lernen. Weder in Kursen noch im Alltag. Denn sie leben total isoliert. Es gibt natürlich die Kurse an der Volkshochschule. Aber welcher Asylsuchende mit 40 Euro Bar-geld im Monat kann sich das schon leisten. Sie brauchen das Geld fürs Telefonieren mit der Heimat.

M.Z.: Es muss doch in Dir eine sehr große Wut geben?

R: Ja, ich habe eine große Wut den Ausländer-behörden gegenüber. Aber ich versuche, vieles zu vergessen. Ich kann die Wut nicht zulassen. Es gibt Menschen, die tragen sehr viel Wut in sich. Man muss sich wirklich nicht wundern, wenn einige Asylsuchende oder Ausländer kriminell werden. Dieser Umgang der Aus-länderbehörden, diese ganze Lage, diese Be-dingungen, unter denen Asylsuchenden leben zu müssen, das ist alles nicht mehr menschen-würdig. Es gibt hier in Deutschland Haustiere, denen es wirklich besser geht als uns Asylsu-chenden, uns Menschen. Es ist einfach nicht auszuhalten, diese Situation in der man ist.

M.Z.: Woraus entsteht Deine Energie, Dich trotzdem zu engagieren und das alles zu tun?

R: Aus Ehrgeiz, nicht aus Wut. Ich möchte nicht verbittern. Ich möchte für meine Fami-lie und auch für andere Menschen kämpfen. Ich möchte einfach anderen helfen und Gutes zu tun.

M.Z.: Du kehrst das Ganze also in etwas Po-sitives um?

R: Genau. Natürlich ist diese Situation, in der wir stecken, nicht positiv. Aber ich kriege ge-rade dadurch mehr Kraft. Ich sehe einfach, wie mit Menschen umgegangen wird und ich samm-le meine Kraft, um nicht unterzugehen. Meine einzigen Waffen in diesem Kampf sind mein Lachen und mein Stolz. Ich trage meinen Kopf hoch und laufe nicht weinend herum. Leider können das nicht viele Menschen so machen. Es gibt viele Traumatisierte. Dazu zählen auch meine Eltern, die sich auch durch ihre Sprachlo-sigkeit nicht wehren können und immer kränker werden. Ich kann mich wehren, auch dadurch dass ich zur Schule gehe hier und mich bilde, ... das hängt einfach alles zusammen.

M.Z.: Was ist Dein Ziel oder Dein Wunsch?

R: Zur Zeit möchte ich auf jeden Fall mein Abitur schaffen. Anschließend möchte ich gerne studieren. Entweder Jura oder Psycho-logie. Ich möchte so vielen Menschen wie möglich helfen. Zur Zeit engagiere ich mich auch ehrenamtlich im Menschenrechtszent-rum in Karlsruhe. Dort versuche ich einmal in der Woche den Flüchtlingen beizustehen, die neu ankommen und für kurze Zeit in der LASt (Landesaufnahmestelle) bleiben. Ich versuche, sie in verschiedenen Fragen zu be-raten. Ich übersetze auch viel und mache es sehr gern, weil ich weiß, dass ich den Flücht-lingen damit ein bisschen helfe.

M.Z.: Ich hatte vor dem Interview, als ich nur von Dir gehört hatte und Dich nur per E-Mail kannte, gedacht, es würde eine Rojin hier he-reinkommen, die sagt: „Es ist alles Mist. Es

muss alles verändert werden und die Revolu-tion muss her.“ Aber Du bist doch relativ ge-fasst und voller Ruhe. R: Wie gesagt, ich möchte einfach mit Men-schen zu tun haben, ihnen helfen und durch mein Können, durch meinen Beruf, etwas bewegen. Das kommt gerade durch die Er-fahrung, dass wir so viele Schwierigkeiten hatten, dass wir seit zehn Jahren Angst vor Abschiebung haben und noch nicht angekom-men sind, dass kein Anwalt uns helfen konnte. Gerade dadurch dass ich so viel Schlimmes erleben musste, möchte ich diese Erfahrung den anderen Menschen ersparen. Durch mei-nen Beruf später und jetzt schon durch meine Ehrenämter.

M.Z.: Was machst Du sonst noch ehrenamt-lich?

R: Ich mache auch im „Querfunk freies Ra-dio Karlsruhe“ eine Radiosendung. Dort sind öfter auch Flüchtlinge, die ich interviewe. Es tut ihnen einfach gut, wenn sie mal wahrge-nommen werden und über ihre persönlichen Schicksale öffentlich sprechen können.

M.Z.: Wann kann man Dich denn dort hören?

R: Ich habe meinen Sendeplatz jeden zweiten Samstag im Monat zwischen 18:00 und 19:00 Uhr.

M.Z.: Und dann noch Dein Engagement für die „Jugendliche ohne Grenzen“. Kannst Du uns etwas darüber erzählen?

R: Genau, die JoG war in Baden-Württemberg im Sommer 2005 in Stuttgart sehr aktiv. Sie demonstrierten dort zum Anlass der Innen-

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ministerkonferenz und richteten einen Appell an die Innenminister. Das war sozusagen die erste große Aktion in B.-W.Die „Jugendliche ohne Grenzen“ selbst exis-tieren schon seit mehr als drei Jahren in dieser organisierten Form. Ihren Ursprung hat die JoG in Berlin gehabt. Die Mitglieder wünsch-ten sich aber, dass diese Bewegung weitergeht und dass in ganz Deutschland junge Flücht-linge aktiv werden und mitmachen. Durch ihre Aktion in Stuttgart wurden sie dann auch in B.-W. bekannter. Und als sie dann im De-zember 2005 in Karlsruhe die Jugendkonfe-renz organisierten, kamen aus sieben Bun-desländern etwa 100 Jugendliche zusammen. Dort wurde der Appell unterschrieben und an die Innenminister übergeben. Begleitet wurde das Ganze von einer sehr großen Demonstra-tion mit der Forderung eines Bleiberechts für geduldete Flüchtlinge. Diese Demo war sehr erfolgreich und fand in der Presse und auch in verschiedenen Fernsehsendern Anklang. Das war uns sehr wichtig, dass die Medien auf uns aufmerksam werden. Die zweite Jugendkonferenz fand in Gar-misch-Patenkirchen in Bayern statt. Sie war auch sehr erfolgreich.

M.Z.: Gibt es in B.-W. mittlerweile auch eine JoG-Gruppe?

R: Leider nicht. Es gibt in einigen anderen Bundesländern bereits Landesgruppen und das ist auch sehr notwendig, weil man in die-sen regionalen Gruppen einfach sehr viel ma-chen kann. In B.-W. bin ich noch alleine. Ich bin die Vertreterin für Baden-Württemberg, aber es gibt noch keine festen Mitglieder. Es gibt zwar eine wackelige Gruppe aus dem Bereich Schwarzwald/ Villingen-Schwenni-gen. Aber die Teilnehmer kommen noch nicht regelmäßig zu den Treffen. Es ist alles noch im Aufbau.

M.Z.: Warum ist es so schwierig eine Gruppe aufzubauen?

R: Es gibt leider eine ganze Menge Schwie-rigkeiten. Erstens haben die Jugendlichen aufgrund der Residenzpflicht Angst und Pro-bleme sich an einem Ort zu treffen. B.-W. ist ein großes Bundesland und die Jugendlichen haben Angst unterwegs erwischt zu werden. Andererseits ist es schlicht und einfach eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Wenn man als geduldeter Flüchtling in einem Flüchtlingswohnheim lebt, kann man sich keine Fahrtkosten irgendwohin leisten. In dem Punkt unterstützt uns aber der Flücht-lingsrat B.-W. Und da sind wir sehr dankbar. Denn das ist eine große Hürde für viele Ju-gendliche.Und das andere Problem ist natürlich auch die Zeit. Viele von den Jugendlichen haben irgendwo einen Job oder sie gehen noch zur Schule. Da bleibt nicht viel Zeit übrig, um quer durch B.-W. zu fahren.

M.Z.: Aber Du bleibst dabei?

R: Ja, auf jeden Fall. Ich denke, nur Flüchtlin-ge können sich selbst helfen. Es gibt natürlich auch diese tollen Organisationen wie Pro Asyl, amnesty international oder den Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Aber Für uns alle, die sich in der JoG zusammengetan haben, ist es sehr wichtig, dass wir auch selbst für uns kämpfen. Ich bin praktisch schon seit Anfang an, seit die JoG nach Baden-Württemberg ge-kommen ist, dabei und ich versuche nun eine Landesgruppe aufzubauen, so dass wir bei den Jugendkonferenzen besser vertreten sind.

M.Z.: Wie oft finden diese statt?

R: Die Jugendkonferenzen finden immer pa-rallel zu den Innenministerkonferenzen statt. Das heißt zweimal im Jahr. Die nächste In-

nenministerkonferenz ist Mitte November 2006 in Nürnberg. Das Vorbereitungstreffen für die Jugendkonferenz ist im Oktober.

M.Z.: Was kann die Landesgruppe noch ma-chen außer der Teilnahme an den Jugendkon-ferenzen?

R: Wir brauchen auf jeden Fall noch viele Mitglieder und Helfer. Es müssen monatliche Berichte an die JoG geschickt werden über unsere Aktionen vor Ort. Man kann Artikel schreiben, z. B. auch dieser für die „xclusiv“. Flyer müssen erstellt werden, man muss mit dem Flüchtlingsrat den Kontakt aufrechter-halten, an den Plenen teilnehmen. Es ist viel Arbeit und ich mache das alles noch alleine. Zum Beispiel bereiten die anderen JoG-Lan-desgruppen sich schon auf die große Demo in Nürnberg im November vor. Sie machen Ak-tionen, um auf die Demo hinzuweisen. Das würde ich auch gerne hier in B.-W. haben. Aber dafür brauchen wir eine feste Gruppe.

M.Z.: Vielen Dank für Deine Offenheit und für Deine Zeit. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Gute.

In Baden-Württemberg soll eine Landesgruppe der JoG (Jugendliche ohne Grenzen) aufgebaut werden. Der Flüchtlingsrat Baden-Württem-berg wird die Arbeit der Gruppe nach Möglichkeiten unterstützen. Junge Flüchtlinge, die Interesse an einer Mitarbeit haben, können mit Rojin Kontakt aufnehmen (siehe unten). Zur derzeitigen Situation junger Flüchtlinge schreibt sie folgendes:

Kinder ohne Zukunft?In Deutschland gibt es Menschen bzw. ganze Familien, die wegen Angst, Demütigung, Unterdrückung bzw. Folter nach Europa bzw. nach Deutschland geflohen sind - auf der Suche nach Freiheit, Gleichheit und Demokratie. Die meisten von ihnen leben seit 10 Jahren hier, ihre Kinder sind hier aufgewachsen, teilweise sogar hier geboren. Also mit anderen Worten: Diese Kinder empfinden Deutschland als Heimatland. Und obwohl diese Kinder sich zu Hause fühlen, weil sie sich in die Gesellschaft eingelebt haben, sprich zur Schule gehen und Freunde ha-ben, werden sie von der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt: Sie leben oft mit monatlich, wöchentlich oder oft auch nur mit täglich verlängerter Duldung und müssen dann jeden Tag damit rechnen, in die Herkunftsländer der Eltern abgeschoben zu werden. Von dem Leben in diesen Ländern haben sie zumeist keinen Begriff. Sie würden mehr oder weniger als Fremde dort einreisen, nachdem sie in Deutschland unter schwierigen Umständen langsam Fuß gefasst haben.

Mein zwölfjähriger Bruder durfte am 24.07.2006 die Aufnahmeprüfung für die Realschule ablegen. Er ist sehr stolz darauf. Leider aber kann es sein, dass seine ganzen bislang erfolgreichen schulischen Bemühungen, die dadurch, dass meine Eltern oft zwangsweise in immer neue AsylbewerberInnen-Unterkünfte verlegt worden waren, noch erschwert wurden, umsonst sind. Denn ihm droht, zusammen mit meiner Fa-milie, vermutlich schon bald die Abschiebung in die Türkei.

Mein Bruder ist nur ein Beispiel: In meiner Familie sind wir insgesamt sechs Kinder. Wir besuchen die Grund-, Haupt- bzw. Realschule sowie das Gymnasium. In der AsylbewerberInnen-Unterkunft, in der meine Eltern gerade leben, gibt es viele solche Familien wie die meine. Und es gibt in ganz Deutschland solche Unterkünfte, wo Kinder und Jugendliche auf engstem Raum unter angespannten Bedingungen nach ihrer Zukunft suchen.

Die Initiative „Jugendliche ohne Grenzen“ „Jugendliche ohne Grenzen“ ist eine Initiative jugendlicher Flüchtlinge verschiedener Herkunftsländer. Allen gemeinsam ist, dass sie zusam-men mit ihren Eltern nach Deutschland geflohen waren und sich jetzt hier gegen Rassismus, AusländerInnenhass und drohende Abschiebung organisieren. Seit Juni 2005 treffen sich die Jugendlichen parallel zu Innenministerkonferenzen (IMK). Auf Gegenkonferenzen, Demonstra-tionen und mit Unterschriftenaktionen verlangen sie Bleiberecht für sich und alle Flüchtlinge.

Kontakt:JoG Baden-Württemberg:Rojin: 0176 26 54 51 56 oder [email protected]

JoG Deutschland:Unter www.jogforum.de.vu und www.hier.geblieben.net erfahrt ihr mehr

Aufruf an junge Flüchtlinge zum Mitmachen

Die J.o.G. während der Aktionen zur Innenministerkonferenz in Garmisch-Patenkirchen, Mai 2006

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Mein Tagebuch

Wo soll ich bloß anfangen?Ich habe so viel zu erzählen.

Ich erzähle Ihnen etwas aus meinem schweren, traurigen, kaputten, verzwei-felten und immer bedrohten Leben.

Im Jahr 1990/91 kam ich mit meiner Familie nach Deutschland. Damals war ich fünf Jahre alt. Das heißt, ich kam gleich in die 1. Klasse. Ich habe mich sehr gut in Deutschland integriert; ich habe gleich viele Freunde gefunden.Ich wuchs in Deutschland auf und meine Mentalität glich sich immer mehr Eurer an. Ich habe mich wohl und verstanden gefühlt.

Im Jahr 2001 habe ich die Schule beendet: Hauptschulabschluss.Gleich im Sommer 2001 habe ich mit meiner Lehre als Friseurin begonnen. Ich habe mich mit dem Chef und der Chefin auf Anhieb sehr gut verstanden, mit den Mitarbeitern ebenso. Auch mit den Kunden verstand ich mich sehr gut.Die Lehre hat mir sehr viel Spaß bereitet, da ich den ganzen Tag bei der Arbeit war.

Im Jahr 2002 wurden wir am xx. April abgeschoben.

Natürlich war ich darüber traurig, aber für mich persönlich dachte ich, es wäre besser so. Ich dachte, in meinem Heimatland wären meine Eltern nicht so streng zu mir.

Aus dem Tagebuch einer jungenAlbanerin

Im Gegenteil: Ich durfte nicht zur Schule und auch meine Lehre als Friseurin durfte ich nicht weiter führen. Ich durfte nicht raus, um jemanden kennen zu lernen.Ich musste nur zu Hause bleiben, kochen, putzen und sie bedienen von morgens bis abends.

Das war eine schwere und sehr traurige Zeit für mich. Ich fühlte mich so leer und einsam. Ich hatte auf einen Schlag alles verloren: meine Schule, die Lehre und natürlich meine Freunde.

2005 kam die erzwungene Verlobung. Meine Eltern verlobten mich ohne mein Einverständnis. Sie fragten mich nicht einmal. Ich will und kann nicht einen Mann heiraten, den ich nicht kenne und liebe.

Dass ich geflohen bin, ist das Beste, was mir in den 21 Jahren passiert ist.Endlich frei zu sein, das, was ich mir immer gewünscht habe, kein Sklave mehr zu sein, unterdrückt zu werden, keine Drohungen, einfach ich, ich sein zu dürfen. Ich möchte meine Familie niemals wiedersehen. Was sie mir angetan haben, werde ich ihnen nie verzeihen. Sie haben mir das Leben zur Hölle gemacht. Sie haben mir meine Jugend genommen. Ich wünsche mir für meine Zukunft, dass ich endlich wieder ein schönes und freies Leben führen kann. Und ohne Angst wieder leben kann.

Von einer jungen Albanerin aus dem Kosovo

Interview mit Frau S. aus Kamerun

Frage: Frau S., können Sie sich bitte kurz vorstellen?

Antwort: Ich komme aus Kamerun. Ich bin 46 Jahre alt, verheiratet und habe 4 Kinder. In Deutschland bin ich seit fast 2 Jahren, aber allein, ohne meine Familie.

Frage: Warum haben Sie Kamerun verlas-sen?

Antwort: Mein Mann hatte politische Proble-me und wurde von der Polizei verhaftet. Seit-her weiß ich nichts mehr von ihm. Auch mich lud die Polizei vor, aber ich hatte Angst und ging nicht hin, sondern versteckte mich in dem Dorf, in dem ich geboren war. Aber auch dort suchte die Polizei. Deswegen brachte ich meine Kinder bei Freunden im Nachbarland unter und machte mich selber auf die Flucht.

Frage: Wollten Sie nach Deutschland?

Antwort: Nein, ich wusste gar nicht, wohin ich gehen konnte, ich wollte nur weg, nur irgendwo in Sicherheit leben. Dass ich in Deutschland gelandet bin, war Zufall.

Frage: Wie haben Sie sich nach der Ankunft in Deutschland gefühlt?

Antwort: Auf der einen Seite war ich erleich-tert, der Verfolgung in Kamerun entkommen zu sein. Auf der anderen Seite war ich be-drückt und traurig, weil ich meine Kinder zurücklassen musste und nicht wusste, wo mein Mann war. Aber ich wollte so schnell wie möglich arbeiten und Geld verdienen, damit ich meine Kinder finanziell unterstüt-zen konnte.

Frage: Und wie sehen Sie Ihre Situation jetzt?

Antwort: Das Leben in Deutschland als Asylbewerber ist sehr schwer. Man darf nicht arbeiten und ist nicht frei. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das nichts alleine machen

kann und ganz von den Eltern abhängt. Ich bekomme Essen, Unterkunft und Kleidung, aber ich bin ein erwachsener Mensch und möchte für mich selbst sorgen. Ich fühle mich entmündigt, unselbständig und abhängig von fremder Hilfe, das geht gegen meinen Stolz.

Frage: Was wünschen Sie sich von den deut-schen Behörden bzw. der deutschen Regie-rung?

Antwort: Ich möchte ja nur 5 Jahre in Deutschland Schutz finden. Dann ist der Haftbefehl in Kamerun verjährt. Ich will ja wieder zurück! Ich will nicht immer hier bleiben. Deswegen wünsche ich mir, dass ich diese Zeit hier bleiben darf, dass ich arbei-ten darf und mir auch eine Wohnung suchen darf. Ich will nicht, dass der deutsche Staat alles für mich tut und ich nichts tun darf!

Frage: Und was wünschen Sie sich persön-lich?

Antwort: Ich möchte besser Deutsch lernen und ich wünsche mir, dass es mir gesundheit-lich wieder besser geht.

Frage: Und was wünschen Sie Ihrem Land Kamerun?

Antwort: Zuerst Demokratie, dann eine bes-sere Verteilung des Reichtums, eine bessere Organisation und Infrastruktur, weniger Kor-ruption und vieles andere.

Frage: Wie halten Sie dann das Leben hier aus?

Antwort: Ich bin Christin und habe hier auch Anschluss an eine Gemeinde und Kontakt zu anderen Christen gefunden. Ich weiß, dass Gott jeden Tag bei mir ist, ich kann ihm im Gebet alle meine Probleme bringen und ich weiß, dass Er meine Zukunft in seiner Hand hat.

Das Interview führte Hanna Hald, ein Mit-glied des Freundeskreis Asyl Schwäbisch Hall, durch.

Zuerst Demokratie!

Berfin erzählt

Da sind Fische und da ist ein MannUnd Wolken und SonneUnd da ist ein Vogel

In Deutschland gibt es viele VögelNeben unserem Haus, da ist ein DachWenn es kalt ist, kommen sieUnd sie schwätzen immer

Die Leute in DeutschlandAngeln immer FischeManchmal sehe ich es, wenn wir zum See gehen.

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Ein LeserbriefZu den fremdenfeindlichen Überfällen in Deutschland

Ein Deutsch-Äthiopier befand sich tagelang im Koma. Kurz darauf wurde ein Kind in Brandenburg wegen seiner Hautfarbe angegriffen und schwer misshandelt. Ein weiteres Opfer war der Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan, der in Berlin ebenso wegen seiner Herkunft angegriffen wurde. Diese Taten sind keine Einzelfälle in Deutschland.Menschen werden in unserem Land leider tagtäglich wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion verbal oder physisch angegriffen. In Brandenburg allein, wo die Tat passiert ist, gab es seit Jahresbeginn schon über 100 rechtsextremistische Straftaten. Die vor kur-zem veröffentlichten Kriminalstatistiken so-wie der Verfassungsschutzbericht zeigen dies deutlich. Viele Gemeinden und Städte gelten unter Rechten mittlerweile als „national befreite Zonen“.Der ehemalige Regierungssprecher der Bun-desregierung Heye hat zweifellos Recht, wenn er von „No-go-Areas“ spricht und dunkelhäutige Gäste bei der bevorstehenden Fussball WM davor warnt, diese Gebiete zu betreten.Es ist überhaupt kein Geheimnis, dass deutsche Schulklassen mit Migrantenkindern Jugendherbergen und Ferienlager in den neuen Ländern aus Sicherheitsgründen bewusst meiden. Der eigentliche Skandal ist, dass man diese Binsenwahrheit in der Öffentlichkeit nicht ausspricht bzw. aussprechen darf. Die vielen unabhängigen „Runden Tische“, Vereine und Initiativen gegen rechte Gewalt und Fremdenfeindlichkeit belegen die Gefahr eines schleichenden Rassismus in Teilen unserer Gesellschaft. Zudem sollten wir beachten, dass Gewalt gegen Minderheiten und Zuwanderer keineswegs allein auf die neuen Länder beschränkt ist. Solingen und Mölln waren nur die Spitze des Eisberges und zeigten schon vor Jahren, dass Neonazis ebenso im Westen aktiv sind. So engagieren sich heute bei vielen „Bürgerbewegungen“, die mit ausländerfeindlichen Slogans z.B. gegen Synagogen, Moscheen, Tempel und andere Kultstätten verschiedener Religionen und Minderheiten Front machen, auch stadtbekannte Rechtsextreme. Von „fremd“ zu „gefährlich“ ist es im Kopf nicht weit und im Bauch schon gar nicht. Nach den neuesten Erkenntnissen unserer Sicherheitsbehörden sehen wir, dass neben Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg auch Nordrhein Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg Spitzenplätze bei rechtsextremistischen Straf-taten einnehmen.Leider ist die Ausländerpolitik in Deutschland immer noch hauptsächlich reine Wahlkampf- und Sicherheitspolitik, bei der man nicht mit, sondern immer nur über die Zuwanderer redet. Die Diskussion über Integration, Zu-wanderung und Migration wird in unserem Land seit Jahren in erster Linie populistisch geführt. Politiker wie Brandenburgs Innen-minister Schönbohm erweisen sich im Streit gegen die dominante rechte Gewalt oft sehr schwach und doppelzüngig. Anstatt gegen das ethnonationalistische Gedankengut der Neonazis anzugehen, scheinen einige ver-antwortungslose Politiker mit Forderungen wie der Abschiebung „integrationsverweigern-der“ Einwanderer, Stimmenfang am rechten Rande zu betreiben. Solchen Politikern sollte klar gemacht werden, dass neben den Millionen Zuwanderern auch die vielen Millionen von „aufrechten Deutschen“ in unserem Land einen enormen „Integrationsbedarf“ aufweisen.

Yasin Bas Student der Politikwissenschaften und

Geschichte, Melle

Der Maler N d o n g a l a M a k u m b i besser bekannt unter seinem Künstlernamen Ange Kumbi wurde 1952

in Kinshasa, Kongo, geboren. Nach seiner Flucht ins Exil, lebt er seit 2003 als Asylbewerber in Bensheim. Sein Asylantrag wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. ...In zahlreichen Ausstellungen wurde sein Werk seit 1987 unter anderem in Kinshasa, Paris, Wien, Stuttgart, Brüssel und New York einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Nach seiner Flucht aus dem Kongo erklärt Ange Kumbi: „Durch meine Malerei fahre ich fort, die Ungerechtigkeiten, die Verbrechen und die üble Politik unserer Despoten, die als Gangster

an der Macht sind und uns fortdauernd eine Diktatur auferlegen, anzuprangern. Meine Malerei ist eine Malerei, die von unserem Volk unterstützt wird, welches die Quelle unserer Inspiration ist.“

Kontakt: Ange.Kumbi@web,de oder über den Arbeitskreis Asyl Nürtingen, Uli Bürger, Bahnhofstraße 2, 72622 Nürtingen, Telefon (07022) 21 27 16, [email protected]