[Xpert.press] Technologie von Unternehmenssoftware || Überblick über Teil II

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Kapitel 7 Überblick über Teil II Alte Wand! Pause. Jenseits ist . . . die andere Hölle. Endspiel Samuel Beckett 1 Zusammenfassung Dieses Kapitel dient als Rahmen für die Folgekapitel, welche sich mit Integra- tionstechniken für Anwendungssysteme einer Systemlandschaft auf allen Ebenen unserer Modellierungssicht beschäftigen: die Integration über Datenaustausch auf der Ebene der Geschäftsdaten, die Integration über die Benutzeroberfläche und die Integration über die Anwendungslogik, beide auf der Ebene der Geschäftsobjekte, und schließlich die geschäftsprozessorientierte Integration in Form von Orchestrie- rung und Choreographie. Lernziel Einen Überblick über die Integrationstechniken gewinnen, welche in den Folgeka- piteln detailliert beschrieben werden. In Kap. 2 wurden die Modellierungsebenen Geschäftsdaten, Geschäftsobjekte und Geschäftsprozesse eingeführt. Ferner wurden Geschäftsschnittstellen zur Integra- tion der Anwendungssysteme einer Systemlandschaft angesprochen. Tatsächlich lässt sich die Integration auf allen drei Ebenen durchführen (Abb. 7.1). 1 Beckett S (1974) Endspiel. Suhrkamp Taschenbuch 171, erste Auflage 1974, Frankfurt a. M., S. 41. 159 R. Weber, Technologie von Unternehmenssoftware, DOI 10.1007/978-3-642-24423-0_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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Kapitel 7

Überblick über Teil II

Alte Wand! Pause. Jenseits ist . . . die andere Hölle.Endspiel

Samuel Beckett1

Zusammenfassung

Dieses Kapitel dient als Rahmen für die Folgekapitel, welche sich mit Integra-tionstechniken für Anwendungssysteme einer Systemlandschaft auf allen Ebenenunserer Modellierungssicht beschäftigen: die Integration über Datenaustausch aufder Ebene der Geschäftsdaten, die Integration über die Benutzeroberfläche und dieIntegration über die Anwendungslogik, beide auf der Ebene der Geschäftsobjekte,und schließlich die geschäftsprozessorientierte Integration in Form von Orchestrie-rung und Choreographie.

Lernziel

Einen Überblick über die Integrationstechniken gewinnen, welche in den Folgeka-piteln detailliert beschrieben werden.

In Kap. 2 wurden die Modellierungsebenen Geschäftsdaten, Geschäftsobjekte undGeschäftsprozesse eingeführt. Ferner wurden Geschäftsschnittstellen zur Integra-tion der Anwendungssysteme einer Systemlandschaft angesprochen. Tatsächlichlässt sich die Integration auf allen drei Ebenen durchführen (Abb. 7.1).

1 Beckett S (1974) Endspiel. Suhrkamp Taschenbuch 171, erste Auflage 1974, Frankfurt a. M.,S. 41.

159R. Weber, Technologie von Unternehmenssoftware, DOI 10.1007/978-3-642-24423-0_7,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

160 7 Überblick über Teil II

Geschäftsprozess

Geschäftsobjekt

Geschäftsdatum

Geschäftsprozess

Geschäftsobjekt

GeschäftsdatumDatenaustausch

Integration aufGeschäftsprozessebene

Integration aufAnwendungssebene

Abb. 7.1 Integrationsmöglichkeiten

Benutzerdialog

Anwendungslogik

Datenzugriff

mit Dialog ohne Dialog

Abb. 7.2 Aufbau eines Anwendungsprogramms

Sehen wir uns den typischen schematischen Aufbau von Anwendungsprogram-men an (Abb. 7.2). Wir unterscheiden darin die Ebenen des Benutzerdialogs, derAnwendungslogik und des Datenzugriffs. Bei Anwendungen ohne Dialog entfälltnatürlich die oberste Ebene. Für die folgende Einteilung ist diese Sicht ausrei-chend (vgl. aber die Bemerkungen zur Präsentationsschicht in Abschn. 3.2). Dieverschiedenen Integrationsformen lassen sich gemäß diesem Schema durch Bilderveranschaulichen.

7.1 Integration über Datenaustausch

Bei diesem Ansatz auf der Ebene der Geschäftsdaten werden letztlich zwischenden Datenbanken der Anwendungsprogramme bzw. -systeme Daten ausgetauscht(Abb. 7.3). Tatsächlich involviert diese Integration im empfangenden SystemPrüflogik, die die Datenkonsistenz wahrt. Zudem wird im sendenden System üb-

7.1 Integration über Datenaustausch 161

Abb. 7.3 Integration aufEbene der Geschäftsdaten

Benutzeroberfläche Anwendungslogik

Abb. 7.4 Integration auf Ebene der Geschäftsobjekte

licherweise nicht einfach ein Abzug eines Geschäftsobjekts aus der Datenbankgemacht oder ein neu zu erstellendes Geschäftsobjekt gemäß dem Datenmodell desSendersystems geschickt. Vielmehr wird meist ein neutrales Datenaustauschfor-mat verwendet, in welches das Sendersystem die zu übermittelnden Daten bringt,weswegen der Auslöser auf Senderseite ebenso die Anwendungsschicht ist. DerUnterschied zur Integration über Anwendungslogik besteht darin, dass bei derIntegration über Datenaustausch der Verwendungszweck (d. h. die Methode, wie„anlegen“, „ändern“) der zu übermittelnden Daten nur implizit ist, gesendet werdenallein Daten.

In der Regel ist eines der Systeme „Eigentümer“ von gewissen Daten (vgl. Ab-schn. 6.3), und die Daten werden dem anderen System nur als Kopie zur Verfügunggestellt, oft nur mit lesendem Zugriff. Verwendet wurde dieser Ansatz in den Kap. 4und 5. Das Übertragungsformat muss zumindest zwischen Sender- und Empfänger-system vereinbart sein. Besser ist jedoch ein Standard, welcher von vielen Systemenverstanden wird. Als Basistechnologie dient häufig XML. Die technische Ausge-staltung wird in Kap. 9 behandelt.

Auf der Ebene der Geschäftsobjekte gibt es zwei Integrationsansätze: über dieBenutzeroberfläche und über die Anwendungslogik (Abb. 7.4).

162 7 Überblick über Teil II

7.2 Integration über die Benutzeroberfläche

Zum einen kann man eine Anwendung erstellen, von deren Benutzeroberfläche aussich direkt Dialogmethoden verschiedener Systeme, also inklusive der enthaltenenBenutzeroberfläche, aufrufen lassen. Man spricht dabei von Frontend-Integration.Dies steht im Gegensatz zur Backend-Integration, auch Enterprise ApplicationIntegration (EAI) genannt, welche durch Datenaustausch oder über die Anwen-dungslogik zustande kommt. Die typische Realisierungsform der Integration überdie Benutzeroberfläche ist ein Web-Portal, wo eine Vielzahl von Anwendungspro-grammen aber auch andere Informationsquellen integriert sind. Neben dem reinenNebeneinanderstellen von Anwendungen sind gewisse Formen der Datenübergabeüber die Benutzeroberfläche möglich. Der Ansatz wird in Kap. 8 behandelt. Fürden Benutzer sieht das Ergebnis wie ein komplexeres Anwendungsprogramm aus,er sieht nicht, dass die Teilfunktionen in verschiedenen Systemen laufen.

7.3 Integration über die Anwendungslogik

Hier wird eine Methode eines Geschäftsobjekts in einem anderen System aufge-rufen, meist ohne Dialog. In der Informatik entspricht dies dem Unterprogramm-aufruf bzw. Funktionsaufruf, weswegen wir die Bezeichnung funktionsorientierteIntegration wählen. Eine Besonderheit ist dabei, dass die Anwendungsprogrammein verschiedenen Programmiersprachen entwickelt sein können, was einen pro-grammiersprachenübergreifenden Funktionsaufruf erfordert. Vom klassischen RPCbis zu Web-Services gibt es dafür verschiedene Techniken. Den organisatorischenExtremfall haben wir bereits in Kap. 6 angesprochen, die serviceorientierte Ar-chitektur (SOA), wo ein systemexterner Funktionsaufruf nicht die Ausnahme ist,sondern jegliche Funktionalität als Funktion bzw. Dienst angeboten wird. Der An-satz der funktionsorientierten Integration, der damit auch die technische Grundlagevon SOA ist, wird in Kap. 10 behandelt.

Auf der Ebene der Geschäftsprozesse gibt es ebenfalls zwei Möglichkeiten(Abb. 7.5):

7.4 Orchestrierung

Hier führt ein zentraler Geschäftsprozess Methodenaufrufe in den verschiedenenSystemen der Systemlandschaft durch.

7.5 Choreographie 163

Orchestrierung Choreographie

Abb. 7.5 Integration auf Ebene der Geschäftsprozesse

7.5 Choreographie

In diesem Fall kommunizieren dezentrale Geschäftsprozesse in den Systemen derSystemlandschaft miteinander. Virtuell ergibt sich auch so ein systemübergreifen-der Geschäftsprozess.

Die beiden Arten der geschäftsprozessorientierten Integration werden in Kap. 12behandelt.

Während sich unsere Betrachtung vorrangig auf die Integration zwischen Sys-temen einer Systemlandschaft bezieht, sind die Integrationstechniken grundsätzlichebenso auf die Integration innerhalb eines Systems und zwischen Systemen vonGeschäftspartnern anwendbar:

Innerhalb eines Systems:

� Ebene Geschäftsdaten: In einem integrierten Anwendungssystem wird dieskaum auftreten, da die Kommunikation über die gemeinsame Datenbank ge-schieht (in verteilten Systemen „Kommunikation per Shared Memory“ genannt).

� Ebene Geschäftsobjekte: Lokaler Funktions- oder Methodenaufruf� Ebene Geschäftsprozesse: Beide der erwähnten Formen sind auch in nur einem

System möglich, nämlich Orchestrierung mittels eines Workflow-Systems, Cho-reographie mittels Ereignissteuerung (siehe Kap. 12).

Zwischen Geschäftspartnern:

� Ebene Geschäftsdaten: Zwischenbetriebliche Integration durch Austausch vonGeschäftsdokumenten wie EDI-Nachrichten oder XML-Dokumenten

� Ebene Geschäftsobjekte: Beide der erwähnten Formen sind möglich: ein Unter-nehmensportal für Lieferanten als Beispiel für eine Integration über die Benut-

164 7 Überblick über Teil II

zeroberfläche (vgl. Abschn. 5.3), die Nutzung von Web-Services im System desGeschäftspartners als Integrationsform über die Anwendungslogik.

� Ebene Geschäftsprozesse: Hier ist vor allem die Choreographie einschlägig,wenngleich nicht so weit verbreitet wie z. B. EDI, was man als eher impliziteChoreographie ansehen könnte.