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Z FA Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family Medicine Juli/August 2019 – Seite 289–336 – 95. Jahrgang www.online-zfa.de 7/8 / 2019 DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 7-8/2019 Deutscher Ärzteverlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM), dem Österreichischen Institut für Allgemeinmedizin (ÖIfAM), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM), der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) und der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM) Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Austrian Institute of General Practitioners, the Lower Austrian College of General Practitioners, the Salzburg Society of Family Medicine, the Society of Professors of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Styrian College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners and the Vorarlberg Society of Family Medicine This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO Im Fokus Organspende: Dichtung und Wahrheit Selen zur Tumorprävention? Gesprächsführung in der Hausarztpraxis Checkliste Blockpraktikum Entindividualisierung der Versorgung Palliative Sedierung

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Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Juli/August 2019 – Seite 289–336 – 95. Jahrgang www.online-zfa.de

7/8 / 2019

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DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 7-8/2019 Deutscher Ärzteverlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM), dem Österreichischen Institut für Allgemeinmedizin (ÖIfAM), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM), der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) und der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Austrian Institute of General Practitioners, the Lower Austrian College of General Practitioners, the Salzburg Society of Family Medicine, the Society of Professors of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Styrian College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners and the Vorarlberg Society of Family Medicine

This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO

Im Fokus

Organspende: Dichtung und Wahrheit

Selen zur Tumorprävention?

Gesprächsführung in der Hausarztpraxis

Checkliste Blockpraktikum

Entindividualisierung der Versorgung

Palliative Sedierung

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289EDITORIAL / EDITORIAL

Organspende: Dichtung und WahrheitIn Deutschland stehen

mehr als 9000 Menschen

auf der Warteliste für eine

Organspende; jährlich ster-

ben rund 1000 Patienten,

weil sie kein Organ erhal-

ten. Im Jahr 2017 gab es 797

Organspender.

Seit Ende 2018 wird

über zwei Gesetzentwürfe

zur Steigerung der Organ-

spende-Bereitschaft der Be-

völkerung diskutiert:

• Gesundheitsminister Jens

Spahn (CDU), sekundiert

durch den SPD-Abgeord-

neten Karl Lauterbach, forderte, dass in Abänderung der aktu-

ell gültigen Regelung jeder Bürger Organspender werden soll-

te, der nicht vor seinem Tod widersprochen hat. Diese sog.

doppelte Widerspruchslösung heißt so, weil die nächsten Ange-

hörigen (auch ohne vorliegenden, schriftlichen Einwand des

Verstorbenen) einer Organentnahme noch widersprechen

können.

• Einen Gegenvorschlag (Zustimmungslösung) formulierte eine

Gruppe von Abgeordneten um Annalena Baerbock (Grüne),

Hilde Mattheis (SPD) und Katja Kipping (Linke). Jedes Mal,

wenn Bürger ihren Personalausweis verlängern, sollen sie von

Mitarbeitern der kommunalen Ämter darauf angesprochen

werden, ob sie nach dem Tod Organe spenden wollen. Im Fal-

le einer Zustimmung, kann man sich gleich vor Ort oder zu

Hause am eigenen Rechner in ein Online-Register eintragen.

Zudem sollten auch regelmäßige Aufklärungs- bzw. Erinne-

rungskampagnen beim Hausarzt erfolgen.

Bis vor wenigen Wochen (Stichtag 25.6.) hatten die Abgeord-

neten Zeit, einen der Entwürfe zu unterzeichnen. Spahn sam-

melte 222 Unterschriften, Baerbock 191; 217 Parlamentarier

haben sich bislang noch nicht entschieden. Endgültig abge-

stimmt wird aber erst im September.

Für die Gegner des Spahnschen Gesetzentwurfs ist die Annah-

me, ein fehlender Widerspruch sei gleichbedeutend mit Zu-

stimmung, ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in

die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungs-

recht. Oder, wie es die Medizinjournalistin Christina Berndt in

der Süddeutschen Zeitung ausdrückte: „Die Voraussetzung für

ein funktionierendes Transplantationssystem ist Vertrauen, nicht

Überrumpelung.“

Laut Umfragen möchten mehr als 80 % der Bevölkerung

(nicht nur in Deutschland), dass sich die Zahl der Spenderorga-

ne erhöht. Warum spenden dann nicht mehr? Die Antwort auf

diese Frage ist – für Deutschland – gar nicht so schwer, wenn

man die Vorgeschichte Revue passieren lässt.

Seit 2010 wurde das Vertrauen der Öffentlichkeit durch

zahlreiche Skandale erschüttert, bei denen es um eklatante Ver-

stöße etlicher Transplantationszentren gegen bestehende

Richtlinien ging. Ob diese Vorgänge die Spendebereitschaft der

Bevölkerung weiter vermindert haben, ist zwar nicht unter-

sucht, aber wahrscheinlich.

Eine sehr viel größere Rolle für den Rückgang der Organ-

spenden spielten aber langjährige organisatorische Missstände

in Organentnahmekliniken und die fehlende Vergütungsrege-

lung – viele andere Länder haben gleiche Erfahrungen ge-

macht. Diese Mängel wurden in Deutschland erst im April

2019 durch das erneuerte Organspendegesetz abgeschafft. Es

sieht u.a. rechtsverbindliche Vorgaben und die vollständige

Vergütung für die Freistellung der Transplantationsbeauftrag-

ten vor. Krankenhäuser erhalten zudem eine verbesserte Bezah-

lung für den gesamten Prozessablauf einer Organspende. Ein

bundesweiter neurologisch/neurochirurgischer Rufbereit-

schaftsdienst soll gewährleisten, dass auch kleineren Kranken-

häusern jederzeit qualifizierte Ärzte bei der Feststellung des

Hirntodes zur Verfügung stehen.

Nun möchten Spahn, Lauterbach und die Befürworter ih-

rer Idee nicht nur die Abgeordneten, sondern auch die interes-

sierte Bevölkerung glauben machen, die Widerspruchslösung

würde die Spendebereitschaft der Bevölkerung deutlich erhö-

hen. Wissenschaftliche Belege kommen allerdings zu ganz an-

deren Ergebnissen.

Seit fast 15 Jahren gibt es in der Literatur Analysen zum

Thema – deren Zusammenfassung z.B. in einer Metaanalyse

scheiterte aber bislang an heterogenen Methoden, diversen

Länderbesonderheiten und unterschiedlichen Analysetech-

niken. Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden:

Am 15. März 2019 (online) verglichen britische, interessen-

konfliktfreie Wissenschaftler aus Birmingham in der renom-

mierten Zeitschrift Kidney International die neuesten (2016) pu-

blizierten Transplantationsdaten aus 35 Mitgliedsländern der

OECD: 17 der Länder praktizieren eine Widerspruchslösung

(englisch: „opt-out“), 18 eine Zustimmungslösung („opt-in“).

Wer die detaillierten Zahlen selbst einsehen will: Der Arti-

kel ist frei verfügbar (www.kidney-international.org/arti

cle/S0085–2538(19)30185–1/pdf). Das wichtigste Ergebnis

aber schon einmal vorab: Bei der Zahl der Hirntodspender pro

Million Einwohner gab es zwischen den Ländern mit Wider-

spruchslösung und denen mit Zustimmungslösung keine sig-

nifikanten Unterschiede. Mehr noch: Die Zahl der Lebendspen-

der war in Ländern mit Zustimmungslösung erheblich größer.

Und was ist mit Spanien, das oft als Land zitiert wird, in

dem eine 1979 eingeführte Widerspruchslösung zu einem

deutlich höheren Spenderaufkommen geführt haben soll? Da-

zu muss man wissen, dass die Spenderbereitschaft in Spanien

erst 1989, zehn Jahre nach deren Einführung, anstieg. Die da-

mals verabschiedeten Maßnahmen entsprechen weitgehend

dem deutschen Transplantationsgesetz vom April 2019 (s.o.).

Gleiche Erfahrungen wurden u.a. in Norditalien, Kroatien oder

Portugal gemacht.

Die Abstimmung nach der parlamentarischen Sommer-

pause wird zeigen, ob wissenschaftliche Erkenntnisse überzeu-

gender sind als politisches Beharrungsvermögen.

Herzlich Ihr

Michael M. Kochen

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EDITORIAL / EDITORIAL 289............................................................

EBM-SERVICE / EBM SERVICESelen zur Prävention maligner TumorenSelenium in the Prevention of Malignant TumorsMartin Cichocki, Christopher Perz, Andreas Sönnichsen 291....................................

Stellt Alpha-Liponsäure eine effektive Behandlungsoption bei diabetischer Polyneuropathie dar?Is Alpha-Lipoic Acid Effective in the Treatment of Diabetic Polyneuropathy?Mahmoud Moussa, Andreas Sönnichsen 294.......................................................

FORTBILDUNG / CONTINUING MEDICAL EDUCATION

Die palliative Sedierung – Was der Hausarzt wissen solltePalliative Sedation – What the Family Physician Should KnowDaniel Stanze, Henrikje Stanze 298..................................................................

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLEDie Entindividualisierung der (haus)ärztlichen VersorgungDe-Individualizing in Primary Medical Health CareHeinz-Harald Abholz 303.............................................................................

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPERCheckliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinWie beeinflusst die systematische Festlegung von ausgewählten Lernzielen den subjektiven Lernfortschritt der Studierenden?Checklist Clerkship Family MedicineHow Does the Systematic Determination of Selected Learning Goals Influence the Subjective Learning Progress of Students?Gisela Ravens-Taeuber, Armin Wunder, Corina Güthlin, Insa Koné 307......................

Die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin als sinnvolle Ergänzung für die AllgemeinmedizinThe Additional Qualification “Manual Medicine“ as a Meaningful Supplement for Family MedicineDana Loudovici-Krug, Wolfram Linz, Matthias Psczolla, Ulrich Christian Smolenski, Lothar Beyer 314........................................................................................

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLEInterventionsstudien zur Gesprächsführung in der hausärztlichen VersorgungErfahrungsbericht zur Teilnahmebereitschaft von Hausärztinnen und HausärztenCommunication-based Intervention Studies in Family PracticeExperiences With Participation, Recruitment and Motivation of Study PracticesVerena Leve, Simone Steinhausen, Marie Ufert, Michael Pentzek, Achim Mortsiefer, Sara Santos, Anja Wollny, Bettina Haase, Ottomar Bahrs, Susanne Heim, Karl-Heinz Henze, Iris Tinsel, Susanne Löscher, Norbert Donner-Banzhoff, Charles Christian Adarkwah, Frank Vitinius, Edmund Neugebauer, Stefan Wilm 319.......

BUCHBESPRECHUNGEN / BOOK REVIEWS 325...............................

LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR 327................................

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 329...................................

DESAM-NACHRICHTEN / DESAM NEWS 333....................................

DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS 335.....................

IMPRESSUM / IMPRINT ...............................................................336

Titelabbildung: Alexander Raths/stock.adobe.com

INHALTSVERZEICHNIS / TABLE OF CONTENTS

ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin

Organ der ...Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM),Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM),Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM)

Official Journal of the ... German College of General Practitioners and Family Physicians, Society of Professors of Family Medicine, Salzburg Society of Family Medicine,Southtyrolean College of General Practitioners,Tyrolean College of General Practitioners,Vorarlberg Society of Family Medicine

Herausgeber/innen / EditorsM. M. Kochen, Freiburg (federführend)H. Kaduszkiewicz, KielW. Niebling, FreiburgS. Rabady, WindigsteigA. Sönnichsen, Wien

Internationaler Beirat /International Advisory BoardJ. Beasley, Madison/Wisconsin, USA; F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NL; M. Egger, Bern/CH; E. Garrett, Columbia/Missouri, USA; P. Glasziou, Robina/Australien; T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjort-dahl, Oslo/Norwegen; E. Kahana, Cleve-land/Ohio, USA; A. Knottnerus, Maas-tricht/NL; J. Lexchin, Toronto/Ontario, Kanada; C. del Mar, Robina/Australien; J. de Maeseneer, Gent/Belgien; P. van Royen, Antwerpen/ Belgien; F. Sullivan, Toronto/Ontario, Kanada; C. van Weel, Nijmegen/NL; Y. Yaphe, Porto/Portugal

Koordination / CoordinationJ. Bluhme-Rasmussen

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Dieselstraße 2, 50859 KölnPostfach/P.O. Box 40 02 54,50832 KölnTelefon/Phone: (0 22 34) 70 11-0www.aerzteverlag.dewww.online-zfa.de

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Selen zur Prävention maligner TumorenSelenium in the Prevention of Malignant TumorsMartin Cichocki, Christopher Perz, Andreas Sönnichsen

FrageImmer wieder kommen Patienten mit Heilsmeldungen wie „Selen schützt vor Krebs“, die in Zeitschriften und Werbeanzeigen verbreitet werden, in die Praxis. Doch was ist wirklich dran an diesen Behauptungen? Gibt es belastbare Studienevidenz für den Einsatz von Selen-Prä-paraten zur Prävention maligner Tumoren?

AntwortVon einer regelmäßigen Supplementierung der Nahrung mit Selen sollte abgeraten werden. Trotz des möglicher-weise bestehenden epidemiologischen Zusammenhangs zwischen Selenspiegel und Krebsinzidenz konnte ein posi-tiver Effekt einer Selensupplementierung bisher nicht in qualitativ hochwertigen Studien nachgewiesen werden, weder hinsichtlich der Krebsinzidenz noch hinsichtlich der Mortalität. Möglicherweise begünstigt eine längere Selen-supplementierung die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2.

Hintergrund

Selen spielt gebunden an die Aminosäure

Cystein als Selenocystein eine wichtige

Rolle im aktiven Zentrum des Selenopro-

teins Glutathionperoxidase. Diesem En-

zym kommt eine wichtige Bedeutung

beim Schutz von Zellmembranen und or-

ganischen Strukturen vor Oxidantien

und Sauerstoffradikalen zu [1]. Freien Ra-

dikalen wiederum wird seit den 80er-Jah-

ren nachgesagt, dass sie die Karzinogene-

se begünstigen, wobei sich diese Aussagen

überwiegend auf Tiermodelle, In-vitro-

Studien und Kohortenstudien mit hohem

Bias-Risiko beziehen [2]. Ein schlüssiger

Beweis für diese Hypothesen konnte bis-

her nicht erbracht werden. Dennoch hält

sich der Glauben an die krebsprotektiven

Eigenschaften von Antioxidantien hart-

näckig, und in der Praxis wird man immer

wieder von Patienten mit der Frage kon-

frontiert, ob es nicht sinnvoll sei, Antioxi-

dantien, u.a. Selen, als Nahrungsergän-

zungsmittel zuzuführen.

Wir gehen in dieser nicht systemati-

schen Literaturübersicht der Frage nach,

ob es belastbare Studienevidenz gibt, die

eine Selensupplementierung rechtfer-

tigen würde.

Wir durchsuchten die Cochrane Da-

tabase of Systematic Reviews und Med -

line/PubMed nach einschlägigen Arbei-

ten zu dieser Fragestellung und konsul-

tierten darüber hinaus Leitlinien zu die-

sem Thema.

Literatursuche und Aufbe -reitung der verfügbaren Evidenz

Cochrane Database of Systematic Reviews

Im Januar 2018 wurde das dritte Update

des Cochrane-Reviews zum Thema „Se-

lenium for preventing cancer“ publi-

ziert, basierend auf der Originalfassung

von Dennert 2011 und Vinceti 2014 [3].

Die Cochrane-Autoren inkludierten 83

Studien, davon 10 randomisiert-kon-

trollierte Studien (RCTs), 3 post-hoc

Analysen dieser RCTs und 70 Kohorten-

studien. Zwei Fragestellungen sollten

beantwortet werden:

QuestionIn family practice we are repeatedly confronted with pa-tients who read “healing prophecies“ such as “Selenium prevents cancer“ in magazines and health advertise-ments. What is the truth behind these messages? Are there reliable clinical studies that investigated the effec-tiveness of selenium in the prevention of malignant dis-ease?

AnswerRegular food supplements with selenium should not be recommended. In spite of a possible epidemiological rela-tionship between selenium levels and the incidence of cancer, a positive effect of selenium supplementation could not be shown in high quality clinical trials. Sele-nium supplementation neither prevents cancer nor cancer death. A negative effect regarding an increased risk to de-velop diabetes mellitus type 2 cannot be ruled out with certainty.

Abteilung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich DOI 10.3238/zfa.2019.0291–0293

EBM-SERVICE / EBM SERVICE

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292

• Gibt es epidemiologisch einen kausa-

len Zusammenhang zwischen Selen-

Exposition und Krebsentstehung?

• Ist eine Supplementierung von Selen

effektiv in der Prävention maligner Tu-

morerkrankungen?

Die erste Fragestellung wurde durch 70

Kohortenstudien mit insgesamt 2,3 Mil-

lionen Teilnehmern beantwortet. In sie-

ben Studien wurden die Krebsinzidenz

insgesamt (76.239 Teilnehmer) und die

Krebsmortalität insgesamt (183.863

Teilnehmer) untersucht. Es zeigten sich

Odds Ratios (OR) von 0,72, 95%-Kon-

fidenzintervall (KI) 0,55–0,93, für die In-

zidenz und von 0,76, 95%-KI 0,59–0,97

für die Mortalität, wenn Personen mit

der höchsten und der niedrigsten Selen-

aufnahme verglichen wurden. Auch für

bestimmte Tumorarten (Magen, Kolon,

Lunge, Brust, Blase und Prostata zeigte

sich ein Vorteil durch eine hohe Selen-

aufnahme. Die Cochrane-Autoren attes-

tieren allen diesen Studien jedoch ein

hohes Bias-Risiko durch Missklassifizie-

rung, Fehleinschätzung der Selen-Expo-

sition und unbekannte Confounder. Die

Studienqualität wird fast durchweg als

niedrig eingestuft.

In der Beantwortung der zweiten

Fragestellung haben die durchgeführten

randomisiert kontrollierten Studien mit

insgesamt 27.232 Teilnehmern fast

durchweg enttäuscht. Die aus den epi-

demiologischen Zusammenhängen ab-

geleitete und erhoffte Effektivität einer

Selensubstitution ließ sich in den durch-

geführten Metaanalysen nicht zeigen.

In den drei Studien mit niedrigem Bias-

Risiko (19.475 Teilnehmer) zeigte sich

ein relatives Risiko (RR) von 1,01,

95%-KI 0,93–1,10, für die Entstehung ir-

gendeiner malignen Tumorerkrankung

und von 1,02, 95%-KI 0,80–1,30 für die

Krebsmortalität. Für die Entstehung ein-

zelner Tumorarten fand sich ein ähn-

liches Bild (Tab. 1).

Als einziges positives Ergebnis fand

sich ein signifikant niedrigeres Risiko

nach Selensubstitution für das hepato-

zelluläre Karzinom (RR 0,52, 95%-KI

0,35–0,79). Die Chochrane-Autoren re-

lativieren dieses Ergebnis, das durch ei-

ne einzige Studie mit hohem Bias-Risiko

zustande gekommen ist.

Zusammenfassend legen sich die

Cochrane-Autoren fest, dass es hoch-

wertige Evidenz dafür gibt, dass eine Se-

lensubstitution keinen Vorteil hinsicht-

lich der Krebsentstehung oder der

Krebsmortalität bringt, obwohl die epi-

demiologischen Studien einen solchen

Zusammengang nahezulegen schei-

nen. Die Korrelation zwischen Selen-

aufnahme und reduzierter Krebsinzi-

denz in manchen Kohortenstudien

führen die Cochrane-Autoren auf Feh-

ler im Studiendesign und Confounding

zurück.

PubMed/Medline

Nachdem für den Cochrane-Review eine

systematische Literaturrecherche bis Ja-

nuar 2017 durchgeführt worden war, re-

cherchierten wir in PubMed/Medline

nur von 2017–2019. Die Suche mit den

Suchbegriffen „Selenium, cancer, rando-

mized“ ergab 51 Treffer. Darunter fand

sich keine einzige Studie, die direkt un-

sere Fragestellung untersuchte.

Im 25-Jahres-Update des Linxian

Nutrition Intervention Trials konnte der

anfänglich vorhandene günstige Effekt

einer gemischten Supplementierung

von Vitamin E und Selen auf die Krebs -

inzidenz nicht mehr nachgewiesen wer-

den [4].

Eine kleinere im Jahr 2017 publizier-

te Studie untersuchte die Inzidenz des

Prostatakarzinoms bei Männern mit

PSA-Spiegeln über 4 ng/ml, die rando-

misiert entweder Selen und Lykopin (ein

Carotinoid, das vor allem in Tomaten

vorkommt) oder keine Nahrungsergän-

zungsmittel erhielten. Auch in dieser

Studie fand sich kein Vorteil für die Se-

len-Einnahme (HR 1,38, p = 0,67;

95%-KI nicht angegeben) [5].

Leitlinien

S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms

In der AWMF-S3-Leitlinie-Prostatakarzi-

nom [6] werden im Hinblick auf die Tu-

morentstehung eher allgemeingültige

Empfehlungen hinsichtlich präventiver

Ernährungsmaßnahmen gegeben, wo-

bei auch hierfür die Evidenz als schwach

angegeben wird. Die Leitlinienautoren

geben die Empfehlungen eher, weil

man den Bedürfnissen von Männern

nach Informationen über mögliche Prä-

ventionsstrategien nachkommen

möchte und vor allem verhindern will,

dass diese zur nicht evidenzbasierten

Einnahme von Nahrungsergänzungs-

mitteln greifen. Die allgemeinen Emp-

fehlungen orientieren sich an der Leitli-

nie der amerikanischen Krebsgesell-

schaft (ACS) „Nutrition and physical

activity guidelines for cancer preventi-

on“, die letztendlich auch der Präventi-

on anderer Erkrankungen, z.B. Herz-

Kreislauf-Erkrankungen dienen.

Selen (und auch Vitamin E) werden

explizit nicht empfohlen, wobei die

Leitlinie sich hierbei in erster Linie auf

die SELECT-Studie stützt, die auch in

den oben beschriebenen Cochrane-Re-

view inkludiert wurde [7]. In dieser gro-

ßen, vierarmigen randomisiert-kontrol-

lierten Multicenter-Studie waren 35.533

Männer 5 Jahre lang entweder mit Selen,

mit Vitamin E, mit beidem oder mit Pla-

EBM-SERVICE / EBM SERVICE

Entstehung einzelner Tumorarten

Tumoren der Kopf- und Halsregion

Speiseröhrenkrebs

Kolorektales Karzinom

Malignes Melanom

Sonstiger Hautkrebs

Bronchialkarzinom

Mammakarzinom

Urothelkarzinom

Prostatakarzinom

Leukämien und Lymphome

Tabelle 1 Entstehung einzelner Tumorarten

RR 1,22, 95%-KI 0,52–2,85

RR 0.53, 95%-KI 0,12–2,28

RR 0,74, 95%-KI 0,41–1,33

RR 1,28, 95%-KI 0,63–2,59

RR 1,23, 95%-KI 0,73–2,08

RR 1,03, 95%-KI 0,78–1,37

RR 1,44, 95%-KI 0,96–2,17

RR 1,10, 95%-KI 0,79–1,52

RR 0,91, 95%-KI 0,75–1,12

RR 1,21, 95%-KI 0,52–2,80

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1. Kurokawa S, Berry MJ. Selenium. Role of the essential metalloid in health. Met Ions Life Sci 2013; 13: 499–534

2. Goldstein BD, Witz G. Free radicals and carcinogenesis. Free Radic Res Com-mun 1990; 11: 3–10

3. Vinceti M, Filippini T, Del Giovane C, et al. Selenium for preventing cancer. Cochrane Database Syst Rev 2018; 1: CD005195 Wang S-M, Taylor PR, Fan J-H, et al. Effects of nutrition interventi-on on total and cancer mortality: 25- year post-trial follow-up of the 5.25- year Linxian Nutrition Intervention Trial. J Natl Cancer Inst 2018; 110: 1229–38

4. Morgia G, Voce S, Palmieri F, et al. Asso-ciation between selenium and lycope-ne supplementation and incidence of prostate cancer: Results from the post-

hoc analysis of the procomb trial. Phy-tomed 2017;34:1–5.Deutsche Gesell-schaft für Urologie. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherken-nung, Diagnose und Therapie der ver-schiedenen Stadien des Prostatakarzi-noms. AWMF; Reg.Nr. 043/0220L. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-022OLl_S3_Prostatakarzi-nom_2019-06.pdf (letzter Zugriff am 17.06.2019)

5. Lippman SM, Klein EA, Goodman PJ, et al. Effect of selenium and vitamin E on risk of prostate cancer and other cancers: the Se-lenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT). JAMA 2009; 301: 39–51

6. Deutsche Krebsgesellschaft. Interdis-ziplinäre S3-Leitlinie für die Früherken-nung, Diagnostik, Therapie und Nach-

sorge des Mammakarzinoms. AWMF; Reg. Nr. 032–0450L. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-045OLl_ S3_Mammakarzinom_2018-09.pdf (letzter Zugriff am 17.6.2019)

7. Deutsche Krebsgesellschaft. S3-Leit-linie Kolorektales Karzinom. AWMF; Reg. Nr. 021/0070L. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-007OLl_ S3_Kolorektales-Karzinom-KRK_2019- 01.pdf (letzter Zugriff am 17.06.2019)

8. Kohler LN, Foote J, Kelley CP, et al. Sele-nium and type 2 diabetes: systematic review. Nutrients 2018; 10: 1924

9. Kim J, Chung HS, Choi MK, et al. Associa-tion between serum selenium level and the presence of diabetes mellitus: a meta-analysis of observational studies. Dia-betes Metab J 2019; epub ahead of print

Literatur

cebo behandelt worden. Die Hazard Ra-

tios (HR) lagen für das Auftreten eines

Prostata-Karzinoms im Vergleich zu Pla-

cebo mit Selen bei 1,04; 99%-KI

0,87–1,24, mit Vitamin E bei 1,13;

99%-KI 0,95–1,35, und mit beidem bei

1,05; 99%-KI 0,88–1,25.

S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms

Auch die aktuelle interdisziplinäre

Leitlinie zum Mammakarzinom findet

in Bezug auf Selen keinen belastbaren

Nachweis für potenziell präventive Ef-

fekte [8]. In der Leitlinie wird Selen für

einen präventiven bzw. supportiven

Gebrauch daher nicht empfohlen. Pa-

tientinnen sollen aber befragt werden,

ob sie komplementärmedizinische Be-

handlungsverfahren anwenden möch-

ten, und ggf. auf nachteilige Wirkun-

gen hingewiesen werden. Solche sieht

die Leitlinie für Selen nicht, obwohl

die therapeutische Breite von Selen ge-

ring ist.

S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom

Auch diese Leitlinie schreibt, dass es kei-

ne gesicherten Daten zur wirksamen Prä-

vention des kolorektalen Karzinoms

durch Einnahme von Nahrungsergän-

zungsmitteln wie z.B. Selen gibt und dass

diese Einnahme daher nicht erfolgen

sollte [9].

Unerwünschte Wirkungen von Selen

Selen weist eine geringe therapeutische

Breite auf und ist in höheren Dosen to-

xisch. In der SELECT-Studie fand sich

ein tendenziell erhöhtes Risiko für die

Entstehung eines Diabetes mellitus Typ

2 in der Selen-Gruppe [7]. Die Risiko-

erhöhung war aber nicht signifikant

und ließ sich auch bisher in großen Me-

taanalysen randomisiert-kontrollierter

Studien nicht sicher nachweisen [10],

obwohl in einer Metaanalyse epidemio-

logischer Studien ein Zusammenhang

zwischen Selenspiegel und Diabetes

mellitus Typ 2 erkennbar war (11).

Fazit

Aufgrund theoretischer Überlegungen

und beobachteter epidemiologischer

Zusammenhänge zwischen der Selen-

Aufnahme mit der Nahrung und einer

möglicherweise dadurch reduzierten

Krebsinzidenz entstand die Hypothese,

dass eine Krebsentstehung durch eine

regelmäßige Supplementierung der

Nahrung mit Selen verhindert werden

könnte. Diese Annahme hat sich in

qualitativ hochwertigen, sehr großen,

multizentrischen, randomisiert-kon-

trollierten Studien nicht bewahrheitet.

Obwohl Selen in höheren Dosen to-

xisch ist und eine geringe therapeuti-

sche Breite aufweist, ist es allerdings

bisher auch nicht gelungen, negative

Effekte einer niedrig dosierten Selen-

Supplementierung sicher zu beweisen.

Ein möglicherweise erhöhtes Diabetes-

risiko steht aber nach wie vor im Raum.

Nicht zuletzt wegen dieser Risiken wird

generell von einer regelmäßigen Sup-

plementierung der Nahrung mit Selen

abgeraten.

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Stellt Alpha-Liponsäure eine effektive Behandlungsoption bei diabetischer Polyneuropathie dar?Is Alpha-Lipoic Acid Effective in the Treat-ment of Diabetic Polyneuropathy?Mahmoud Moussa, Andreas Sönnichsen

Abteilung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Österreich DOI 10.3238/zfa.2019.0294–0297

FrageDie diabetische Polyneuropathie ist eine häufige Folge-erkrankung des Diabetes mellitus. Alpha-Liponsäure wird immer wieder für die Behandlung empfohlen. Gibt es be-lastbare Studienevidenz für deren Effektivität?

AntwortDie Studienlage ist insgesamt durch mangelhafte Qualität, zu kurze Beobachtungszeiträume, geringe Fallzahlen und das Verwenden von Surrogat-Endpunkten gekennzeich-net. Eine Symptomverbesserung ist in bestimmten Fällen offenbar möglich – qualitativ hochwertige Studien mit entsprechenden Fallzahlen und Laufzeiten wären wün-schenswert, um diesen Effekt unter Beweis zu stellen. Ein Therapieversuch bei Versagen der Standardtherapie er-scheint zwar gerechtfertigt, eine generelle Empfehlung für Alpha-Liponsäure kann jedoch nicht abgegeben werden.

QuestionDiabetic polyneuropathy is a common consequence of diabetes mellitus. Alpha-lipoic acid is frequently recom-mended as a first line treatment. Do we have reliable evi-dence from clinical trials regarding this treatment option?

AnswerOverall evidence from clinical trials is unsatisfactory. The quality of the existing studies is limited, observation periods are too short, the number of cases investigated is too low, and surrogate endpoints are predominantly used. Sympto-matic improvement appears to be possible, but high-quality studies with larger numbers of participants are necessary to prove this effect. A therapeutic try-out seems justified if standard therapy is unsuccessful, but a general recommendation of alpha-lipoic acid cannot be given.

Hintergrund

Die diabetische Polyneuropathie (DPN)

ist eine häufige Komplikation des Diabe-

tes mellitus. Die Prävalenzen werden je

nach Setting und Studie mit 8–54 % bei

Diabetes mellitus Typ 1 und mit 13–46 %

bei Typ 2 angegeben [1]. Eine Neuro-

pathie kann auch das erste Anzeichen ei-

nes Typ-2-Diabetes sein oder bereits im

Rahmen einer pathologischen Glukose-

toleranz auftreten. Nach zehn Jahren

Diabetes weist rund die Hälfte aller Dia-

betiker Anzeichen einer DPN auf [2].

Die DPN kann für den Patienten so-

wohl unbemerkt (subklinisch) verlaufen

als auch mit vielfältigen Erscheinungs-

bildern einhergehen. Sie ist mit einer er-

höhten Mortalität [3] und einem stark

erhöhten Risiko für das diabetische Fuß-

syndrom [4] und demzufolge Amputa-

tionen [5] verbunden.

Der Prävention der diabetischen

Neuropathie bzw. ihrer Behandlung

kommt daher nicht nur wegen der be-

stehenden Schmerzen und Missempfin-

dungen, sondern auch wegen der dro-

henden Komplikationen eine hohe Be-

deutung zu. Zur Behandlung wird von

Fachleuten, aber auch in der Laienwer-

bung immer wieder Alpha-Liponsäure

(ALS) empfohlen. Dabei handelt es sich

um eine natürlich vorkommende

schwefelhaltige Fettsäure, die als antio-

xidatives Coenzym u.a. im Pyruvatde-

hydrogenasekomplex eukaryoter Zellen

vorkommt [6]. Aufgrund ihrer antioxi-

dativen Eigenschaften wird ALS als Nah-

rungsergänzungsmittel gegen verschie-

dene degenerative Prozesse, u.a. bei dia-

betischer Mikroangiopathie und ins-

besondere Neuropathie eingesetzt.

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Wir gingen mittels nicht-systemati-

scher Literaturrecherche der Frage nach,

ob es belastbare Studienevidenz zur Ef-

fektivität von ALS in der Behandlung

der DPN gibt.

Ergebnisse

Wir suchten in PubMed/Medline und in

der Cochrane Database of Systematic

Reviews nach aktuellen Interventions-

studien und systematischen Reviews so-

wie im Internet nach Leitlinien.

Cochrane-Review

In der Cochrane Database of Systematic

Reviews konnten wir ein Protokoll aus

dem Jahr 2018 für einen Cochrane-Re-

view zur Behandlung der diabetischen

Neuropathie mit Alpha-Liponsäure

identifizieren [7]. Ergebnisse liegen der-

zeit allerdings noch nicht vor.

Andere Systematic Reviews und Metaanalysen

Die Suche in PubMed/Medline mit den

Suchbegriffen „(alpha-lipoic acid or

thioctic acid) and diabetic polyneuropa-

thy and (systematic review or meta-ana-

lysis)” ergab 17 Treffer, wovon sieben

Übersichtsarbeiten die Effektivität von

Alpha-Liponsäure untersuchten.

Nur in einer Metaanalyse aus dem

Jahr 2004 wurde eine Monotherapie

(600 mg Alpha-Liponsäure i.v. täglich

außer Wochenende) mit einer Placebo-

behandlung verglichen [8]. Es wurden

vier randomisiert-kontrollierte Studien

(ALADIN I [9], ALADIN III [10], SIDNEY

[11] und NATHAN II [Daten nur beim

Hersteller, nicht publiziert!]) mit ins-

gesamt 1258 Patienten eingeschlossen.

Primäres Zielkriterium war eine Reduk-

tion im Total Symptom Score (TSS) für

eine sensorische periphere Polyneuro-

pathie nach drei Wochen Behandlung.

Es zeigte sich eine Reduktion von

24,1 % (95%-Konfidenzintervall [KI]

13,5– 33,4 %) zugunsten der Alpha-Li-

ponsäure. Die Chance, Responder zu

sein (Abnahme des TSS um > 50 %) war

mit einer OR von 1,90 (95%-KI

1,51–2,39) in der Alpha-Liponsäure-

Gruppe signifikant höher als in der

Placebogruppe (absoluter Risikounter-

schied 15,8 %, number needed to treat

ca. 6).

Der kleine Schönheitsfehler dieser

Metaanalyse ist allerdings, dass ihr keine

systematische Literaturrecherche zu-

grunde liegt, sondern eine willkürliche

Auswahl von vier Studien, die alle vom

Hersteller des eingesetzten Alpha-Li-

ponsäure-Präparats finanziert worden

waren. Einer der fünf Autoren der Me-

taanalyse war denn auch ein Firmen-

angehöriger des Herstellers, und zwei

weitere Autoren erhielten Honorarzah-

lungen vom Hersteller. Auch die Meta -

analyse selbst wurde durch den Herstel-

ler finanziert.

In keiner der weiteren Arbeiten wur-

de die Wirkung einer Alpha-Liponsäure-

Monotherapie im Vergleich zu Placebo

untersucht. In einen Systematic Review

[12] aus 2012 wurden 15 randomisiert-

kontrollierte Einzelstudien eingeschlos-

sen, die 300–600 mg Alpha-Liponsäure

i.v. in Kombination mit Methylcobala-

min, Prostaglandin E1, Ginkgo biloba,

Vitamin B1, Ligustrazin oder Cilostazol

gegen die jeweiligen Einzelsubstanzen

verglichen. Die Studien schlossen zwi-

schen 38 und 96 Teilnehmer ein und

dauerten zwischen 14 und 28 Tagen. Die

Autoren attestieren allen Studien man-

gelhafte Qualität. In der Metaanalyse

zeigte sich eine Odds Ratio von 4,03

(95%-Konfidenzintervall [KI] 2,73–5,94)

für „Wirksamkeit“. Diese wurde als „Ver-

besserung von Symptomen, Sehnenre-

flexen und Nervenleitgeschwindigkeit“

definiert, wobei offenblieb, was mit Ver-

besserung gemeint ist, welche Sympto-

me wie berücksichtigt wurden und wel-

ches Ausmaß von Verbesserung als posi-

tives Ergebnis gewertet wurde. Auch die

Nervenleitgeschwindigkeit besserte sich

unter ALS im gewichteten Durchschnitt

um 4,63 (95%-KI 3,58–5,67) – eine Ein-

heit für das Maß wird allerdings nicht

angegeben. Unter der Annahme, dass es

sich um eine Verbesserung um 4,63 m/s

handelt und der Normwert > 40 m/s be-

trägt, erscheint die klinische Relevanz

dieses Ergebnisses fragwürdig.

Die weiteren Reviews, die nur teil-

weise auf systematischen Literaturre-

cherchen beruhen, untersuchten je-

weils einzeln Kombinationstherapien

von ALS plus ein oder mehrere Zusatz-

medikamente versus die Zusatzmedika-

mente alleine oder versus ALS alleine.

ALS plus Methylcobalamin/Prostaglan-

din E1 zeigte sich hinsichtlich der Ver-

besserung der Nervenleitgeschwindig-

keit (NLG) einer Behandlung mit Me-

thylcobalamin/Prostaglandin E1 alleine

überlegen [13]. ALS plus Epalrestat ver-

besserte die NLG stärker als ALS alleine

[14]. In einer weiteren Metaanalyse zeig-

te sich ALS plus Methycobalamin hin-

sichtlich der NLG einer Monotherapie

mit Methylcobalamin überlegen [15].

Zwei weitere Reviews vergleichen Fasu-

dil plus ALS mit ALS alleine (Kombinati-

on hinsichtlich NLG überlegen) [16]

bzw. Prostaglandin E1 plus ALS mit Pros-

taglandin E1 oder ALS alleine (Kombina-

tion hinsichtlich NLG überlegen) [17].

Allen diesen systematischen und

teilweise nur narrativen Übersichts-

arbeiten bzw. den in sie inkludierten

Studien ist gemein, dass überwiegend

Surrogatendpunkte untersucht werden

(in erster Linie die NLG), die Beobach-

tungszeiträume in den meisten Fällen

nur wenige Wochen umfassen, und den

Einzelstudien überwiegend mangelhaf-

te Qualität attestiert wird.

Einzelstudien

Wir suchten ausschließlich randomi-

siert-kontrollierte Studien. Unter Ver-

wendung der Suchbegriffe „(alpha-li-

poic acid or thioctic acid) and diabetic

polyneuropathy and randomized” fan-

den sich 54 Treffer in PubMed/Medline,

darunter fünf randomisiert-kontrollier-

te Studien, welche die oben aufgeführ-

ten Reviews nicht umfassten.

Als wichtigste dieser fünf Studien ist

der 2011 publizierte NATHAN-I-Trial zu

nennen [18]. In dieser einzigen Lang-

zeitstudie zu ALS wurden 460 Patienten

mit leichter bis mäßiggradiger DPN ent-

weder mit 600 mg ALS täglich p.o. oder

mit Placebo behandelt. Nach einer Be-

obachtungszeit von vier Jahren zeigte

sich im primären Endpunkt (ein Com-

posite-Endpunkt aus dem Neuropathy-

Impairment-Score-Lower-Limbs (NIS-

LL) und sieben neurophysiologischen

Untersuchungen) zwar eine leichte Ver-

besserung in der ALS-Gruppe, der Unter-

schied zur Kontrollgruppe war jedoch

nicht signifikant. Bei einzelnen weiteren

Subscores des NIS zeigten sich gerade

signifikante Unterschiede. Eine Korrek-

tur der statistischen Analyse für multi-

ples Testen erfolgte jedoch nicht, sodass

diese Ergebnisse nicht als Effektnach-

weis von ALS gewertet werden können.

In einer kleinen, 2015 publizierten

Studie wurden zunächst in einer vier Wo-

chen dauernden Hochdosistherapie-

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296

Phase (1800 mg ALS pro Tag p.o.), die alle

Patienten durchliefen, 33 „Responder“

selektiert – Patienten, die sich unter der

Behandlung im Total Symptom Score

(TSS) um mindestens drei Punkte verbes-

serten. Diese wurden dann randomisiert

und erhielten entweder 600 mg ALS tgl.

p.o. oder ALS wurde ersatzlos abgesetzt.

Nach 16 Wochen zeigte sich ein weiterer

Abfall des TSS um 1,2 Punkte in der ALS-

Gruppe, während er in der Absetz-Grup-

pe gleichblieb. Nachdem die klinische

Relevanz eines TSS-Abfalls um 1,2 Punk-

te fraglich erscheint und die Kontroll-

gruppe in dieser Studie weder Placebo er-

hielt noch verblindet werden konnte, ist

das Ergebnis mit Vorsicht zu betrachten.

Die dritte Studie (in chinesischer Spra-

che, nur Abstract verfügbar) untersuchte

placebokontrolliert die Gabe von 1800 mg

ALS tgl. Es zeigte sich eine Verbesserung

des TSS um 0,7 Punkte im Vergleich zu Pla-

cebo (p < 0,05). Auch hier stellt sich die

Frage nach der klinischen Relevanz.

Im 2006 publizierten Sydney-II-Tri-

al wurden 181 Patienten mit DPN für

fünf Wochen entweder mit 1800 mg

ALS, 1200 mg ALS, 600 mg ALS oder

Placebo behandelt [19]. Es zeigte sich

eine signifikante Verbesserung des TSS

für alle drei ALS-Gruppen im Vergleich

zu Placebo, wobei interessanterweise

der TSS-Abfall in der ALS-600-Gruppe

am stärksten ausfiel (–4,9 Punkte versus

Placebo –2,9 Punkte). Die Nebenwir-

kungsrate (vor allem Übelkeit, Erbre-

chen und Schwindel) nahm mit stei-

gender ALS-Dosis signifikant auf bis zu

54 % zu.

Die 1999 publizierte ALADIN-II-Stu-

die, die in keine der oben aufgeführten Me-

taanalysen eingeschlossen worden war, sei

hier nur der Vollständigkeit halber er-

wähnt [20]. Es handelt sich um eine place-

bokontrollierte Studie über zwei Jahre, die

eigentlich berücksichtigt werden könnte,

hätten die Autoren nicht willkürlich Pa-

tienten mit „highly variable data“ von der

Analyse ausgeschlossen, was das Studien-

ergebnis natürlich unbrauchbar macht.

Leitlinien

Die nationale Versorgungsleitlinie wird

hinsichtlich der Empfehlung für oder

gegen ALS derzeit überarbeitet. In der

Version von 2011 wird von der Gabe ab-

geraten [1]. Die Leitlinie zur Behand-

lung der diabetischen Polyneuropathie

der American Academy of Neurology

von 2011 stellt fest, dass die verfügbare

Evidenz nicht ausreicht, um eine Emp-

fehlung für oder gegen ALS abzugeben

[21]. In der BMJ-Best-practice-Guideline

wird ALS als „emerging treatment” mit

begrenzter Studienevidenz für Symp-

tomverbesserung erwähnt [22]. Im

empfohlenen Behandlungsalgorithmus

kommt ALS nicht vor. Auch in der NI-

CE-Leitlinie „Neuropathic Pain in

Adults“ (23) und in den EbM-Guidelines

(24) kommt ALS nicht vor.

Unerwünschte Wirkungen

In den meisten der vorliegenden Studi-

en werden keine verwertbaren Angaben

zu unerwünschten Wirkungen ge-

macht. Dosisabhängig kommt es vor al-

lem zu Übelkeit, Erbrechen und Schwin-

del [19], weshalb eine Dosierung über

600 mg tgl. nicht eingesetzt werden soll-

te. Über schwerwiegende oder irrever-

sible Nebenwirkungen wird in der Lite-

ratur nicht berichtet.

Fazit

Die bisherige Studienlage zur Effektivi-

tät von Alpha-Liponsäure in der Be-

handlung der diabetischen Polyneuro-

pathie ist unbefriedigend. Es gibt nur ei-

ne einzige Langzeitstudie mit einem Fol-

low-up von vier Jahren, in der sich im

primären Composite-Endpunkt kein

Unterschied zwischen Verum und Place-

bo zeigte. Einige kleinere Studien könn-

ten auf einen möglichen kurzfristigen

symptomatischen Effekt hinweisen,

aber die Studien sind zu kurz, mit zu ge-

ringen Fallzahlen, und von mangelhaf-

ter Qualität. Keine einzige Studie unter-

sucht klinisch relevante Langzeitend-

punkte wie die Entwicklung eines dia-

betischen Fußsyndroms oder Amputa-

tionen. Eine evidenzbasierte Empfeh-

lung für ALS kann daher derzeit nicht

abgegeben werden. Bei insgesamt unbe-

friedigendem Erfolg der symptomati-

schen Therapie der DPN erscheint ein

Therapieversuch mit ALS gerechtfertigt,

wenn Patienten auf die Standardthera-

pie (Pregabalin, Gabapentin [Cave UAW

wie Suizide, abnormes Verhalten][25],

Schmerzmittel) nicht ansprechen.

1. Bundesärztekammer. Neuropathie bei Dia betes im Erwachsenenalter – Natio-nale Versorgungsleitlinie. AWMF. 2011, Reg. Nr. nvl-001e. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-001e_l_S3_Dia-betes_Neuropathie_2016-07.pdf (zu-letzt aufgerufen am 18.6.2019)

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Literatur

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dic Res 1999; 31: 171–9 21. Bril V, England J, Franklin GM, et al.

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22. Malik R, Alam U, Azmi S. Diabetic Neu-ropathy. BMJ Best Pract. 2018. https://bestpractice.bmj.com/topics/en-gb/531/pdf/531.pdf (zuletzt auf-gerufen am 20.06.2019)

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24. Rabady S, Sönnichsen A, Kunnamo I. (Hrg.) EbM-Guidelines: evidenzbasierte Medizin für Klinik und Praxis. 2018, Wien: Verlagshaus der Ärzte

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Die palliative Sedierung – Was der Hausarzt wissen solltePalliative Sedation – What the Family Physician Should KnowDaniel Stanze1, Henrikje Stanze2

1 PalliativTeam Frankfurt gGmbH 2 Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin DOI 10.3238/zfa.2019.0298–0302

Hintergrund: Patienten mit fortgeschrittenen unheil-baren Erkrankungen wünschen sich einen Sterbeprozess ohne „leiden zu müssen“. Die heutige Medizin bietet vie-le Möglichkeiten zur Symptomkontrolle, jedoch gelingt nicht immer eine zufriedenstellende Linderung von uner-träglichen physischen und psychischen Symptomen. Soll-ten Methoden der Palliation innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens keine lindernde Wirkung zeigen bzw. unzu-mutbare Nebenwirkungen eintreten, kann eine palliative Sedierung helfen. Dabei handelt es sich um den zeitlich begrenzten oder permanenten Einsatz bewusstseins-dämpfender Medikamente mit dem Ziel, eine suffiziente Leidenslinderung zu erreichen und den Sterbeprozess bei extremer Symptomlast erträglicher zu machen.Suchmethodik: Pragmatische Suche unter den Stich-wörtern „Palliative Sedierung“ und „Terminale Sedie-rung“ in medizinischen Datenbanken.Wichtigste Botschaften: Der Entscheidungsprozess zur Durchführung einer palliativen Sedierung sollte wohl durchdacht und sowohl im interdisziplinären als auch multiprofessionellen Team diskutiert werden. Eine hilfrei-che Orientierung bietet dafür die Leitlinie der European Association for Palliative Care (EAPC). Zur Feststellung ei-ner Therapierefraktärität ist beispielsweise ein auf Erfah-rungen beruhender professioneller Austausch zwischen Hausarzt und einem Palliativmediziner oder SAPV-Team (Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung) ein wichti-ges Vorgehen im Rahmen der Indikationsstellung. Die Familie muss in dieser anstrengenden und belastenden Situation eng mitbetreut werden.Schlussfolgerungen: Hausärzte sollten sich unbedingt ermutigt fühlen, mit einem Palliativmediziner Rückspra-che zu halten, um diese schwierige Entscheidung gemein-sam zu treffen. Insbesondere für die reibungslose Umset-zung und Überwachung einer palliativen Sedierung ist die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen ambulanten Pal-liativteam (SAPV) mit seinen personellen und technischen Ressourcen unbedingt ratsam. Zur adäquaten und siche-ren Umsetzung ist zudem die Möglichkeit der Aufnahme auf eine Palliativstation oder in ein Hospiz zu erwägen.

Schlüsselwörter: Palliativmedizin; palliative Sedierung; unerträgliches Leid; Therapierefraktärität; Symptomkontrolle

Background: Patients with advanced incurable diseases hope for a dying process without „suffering“. Modern medicine offers many options for symptom control, but does not always achieve a satisfactory relief of unbearable physical and psychological suffering. If palliation does not achieve sufficient effects within an acceptable time frame or should unreasonable side effects occur, palliative se-dation might help. Palliative sedation is the temporary or permanent use of awareness dampening drugs to achieve sufficient relief from refractory symptoms and to make the dying process more bearable. Search Method: Pragmatic search in medical data banks under the medical subject heading „palliative se-dation“ and „terminal sedation“.Main Messages: The decision-making process for the im-plementation of palliative sedation should be well thought over and discussed in an interdisciplinary context with a multi-professional team. A helpful orientation can bei found in the guideline of the European Association for Pal-liative Care (EAPC). An experience-based professional ex-change between the family physician and a palliative care physician or SAPV team, is a valuable tool in the decision-making process. It is important to look after the family members in this strenuous and exhausting situation.Conclusions: Family physicians should feel encouraged to consult a palliative care physician for advice in this dif-ficult decision-making process. In particular for the smooth implementation and monitoring of palliative se-dation, the cooperation with an experienced outpatient palliative care team (SAPV) with its personal and technical resources is absolutely advisable. In addition admission to a palliative ward or hospice should be considered for an adequate and safe implementation.

Keywords: palliative medicine; palliative sedation; intolerable suffering; refractory distress/symptoms; symptom control

FORTBILDUNG / CONTINUING MEDICAL EDUCATION

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299

Hintergrund

In Deutschland ist 2015 eine öffentliche

Debatte bezüglich der Sterbehilfe neu

entfacht worden, was dazu geführt hat,

dass die Palliativmedizin als mögliche

„Alternative“ ins öffentliche Bewusst-

sein gerückt ist. Diese Diskussion wird

seit Jahrzehnten auf unterschiedlichen

nationalen und internationalen Ebenen

kontrovers geführt.

Wie kommt es zu diesem Ansatz? Die

praktische Erfahrung von medizi-

nischem Fachpersonal zeigt, dass Patien-

ten aufgrund schwerwiegender Sympto-

me leiden und dieses Leid zum Wunsch

einer Beendigung des Lebens führen

kann. „Lebensende“ wird in diesem

Kontext als „Leidensende“ gesehen. So-

mit würde eine suffiziente Linderung des

Leids auch zu einer „Linderung“ des

Wunschs nach dem Lebensende führen.

Dies stellt die inhaltliche Debatte natür-

lich unzureichend dar. In der Medizin

und in der Behandlung von Menschen

werden viele Begrifflichkeiten in der all-

täglichen Praxis regulär verwendet. Leid

ist insbesondere ein Begriff, der mitunter

die Palliativmedizin definiert, indem

von Leidenslinderung gesprochen wird.

Häufig ist dies auch die Motivation von

Menschen, aggressive Therapie abzuleh-

nen und statt dieser symptomregulieren-

de und leidenslindernde Maßnahmen

anzunehmen. Ein Grund dafür, weswe-

gen die Deutsche Gesellschaft für Pallia-

tivmedizin (DGP) hervorhebt, dass eine

gute palliativmedizinische Behandlung

von Patienten, Ängste nehmen und den

Wunsch nach einem ärztlich begleiteten

Suizid entgegenwirken kann.

Cicely Saunders ist die Begründerin

der Hospizbewegung. Aus ihren Erfah-

rungen in der Versorgung und Beglei-

tung von Sterbenden heraus prägte sie

den Begriff des „total pain“. Der Begriff

gründet in einem umfassenden (holisti-

schen) Menschenbild und bringt die

physische, psychische, soziale und spiri-

tuelle Dimension der individuellen

Wahrnehmung zum Ausdruck [1]. In der

Palliativmedizin werden – genau wie in

der allgemeinmedizinischen Heran-

gehensweise nach dem biopsychosozia-

len Modell – alle vier Dimensionen bei

der Behandlung von Menschen betrach-

tet. Dabei wird versucht, durch einen in-

terdisziplinären und multiprofessionel-

len Ansatz das Leiden entsprechend zu

lindern, um Lebensqualität wiederher-

zustellen. Für viele Menschen ist dies

dann tatsächlich ein Weg aus ihrer Ver-

zweiflung. Sehr häufig wird seitens

schwerstkranker Menschen die Angst

vor „Ersticken“ im Sinne von Luftnot

oder der Angst vor unerträglichen

Schmerzen geäußert. Dies sind Sympto-

me, sollten sie tatsächlich eintreten, die

medikamentös und auch nicht-medika-

mentös behandelt werden können. Es

gibt jedoch die bei der Behandlung von

schwerstkranken und sterbenden Men-

schen eine Vielzahl weiterer Symptome,

deren Behandlung nicht immer so ver-

läuft, wie es sich der behandelnde Arzt

erhofft. Da jeder Mensch und die Di-

mension seines Leidens individuell

sind, können medizinisch mögliche

Grenzbereiche immer näher kommen.

Suchmethodik

Pragmatische Suche ohne Sprachein-

schränkung unter den Stichworten „Pal-

liative Sedierung“ und „Terminale Se-

dierung“ in medizinischen Datenban-

ken. Letzter Tag der Suche: 15.05.2019.

Antworten auf häufige Fragen

1. Ist die Sedierung eine Option, um Leiden in extremen Lebens-situationen zu lindern?

In der palliativmedizinischen Behand-

lung von Patienten in komplexen belas-

tenden Situationen kann durchaus ein

Punkt erreicht werden, an dem die medi-

kamentöse Symptomlinderung mit stei-

gender Dosierung eine Bewusstseinsein-

schränkung zur Folge hat. Es kann jedoch

im Rahmen der Symptomkontrolle auch

ein primäres Ziel sein, eine Bewusstseins-

dämpfung herbeizuführen. In diesem Fal-

le wird von einer palliativen Sedierung ge-

sprochen. „Terminale“ Sedierung als Be-

zeichnung für die palliative Sedierungs-

therapie ist ein veralteter (und missver-

ständlicher) Begriff , der 1991 von Robert

E. Enck erstmals beschrieben wurde [13].

Ähnlich wie es Alt-Epping beschrieb,

stellt sich dabei die Frage, wann denn eine

solche Sedierung in Betracht kommt. Ter-

minal beinhaltet von der Wortbedeutung

her „ein Ende betreffend“ oder „zum En-

de gehörend“, d.h. also eine Sedierung

zum Lebensende hin oder gar mit dem

Ziel, das Leben zu beenden [2].

Eine palliative Sedierung dient hin-

gegen dazu, einem Menschen mit gro-

ßem Leid zu einer Leidenslinderung zu

verhelfen. In Anbetracht der vier er-

wähnten Dimensionen und der indivi-

duellen Leidensempfindung eines Men-

schen, gibt es bei der palliativen Sedie-

rung unterschiedliche Ansätze, um die-

ses Leid übergangsweise oder langfristig

zu behandeln. Eine palliative Sedierung

sollte gut überlegt und mit großer Sorg-

falt umgesetzt werden. Sie kann unter

gewissen Voraussetzungen in interdis-

ziplinärer Zusammenarbeit zwischen er-

fahrenen Palliativmedizinern und Haus-

ärzten in der ambulanten Versorgung

schwerstkranker und sterbender Patien-

ten eingeleitet und begleitet werden.

In diesem Artikel soll beschrieben

werden, in welchen Situationen eine

solch „drastische“ Maßnahme diskutiert

werden sollte und was im Rahmen der

Umsetzung beachtet werden muss.

2. Wann ist eine palliative Sedierung indiziert?

Auch in der Palliativmedizin gibt es (eher

seltene) Situationen, in denen Symptome

unzureichend gelindert werden, und eine

gezielte Bewusstseinsdämpfung erwogen

werden sollte. Sie ist eine Behandlungs-

option für Patienten mit einer weit fort-

geschrittenen, unheilbaren Grunderkran-

kung mit limitierter Lebenszeit, die unter

schweren, therapierefraktären Sympto-

men leiden.. Es handelt sich um den Ein-

satz bewusstseinsdämpfender Medika-

mente in Situationen mit unerträglicher

Belastung durch physische oder psy-

chische Symptome wenn andere Metho-

den der Palliation innerhalb eines akzep-

tablen Zeitrahmens keine ausreichende

lindernde Wirkung zeigen bzw. unzumut-

bare Nebenwirkungen auftreten [3]. Ziel

ist eine suffiziente Leidenslinderung

durch eine zeitlich begrenzte oder per-

manente Bewusstseinsminderung. Die

European Association for Palliative Care

(EAPC) bewertet die palliative Sedierung

als wichtige und notwendige Behand-

lungsoption für bestimmte Patienten mit

therapierefraktären Symptomen, die mit

Bedacht und engmaschig eingeleitet so-

wie begleitet werden sollte. Die EAPC hat

diesbezüglich im Jahre 2009 eine Leitlinie

verfasst, die behandelnden Ärzten zur

Orientierung dienen kann [3].

Im Rahmen der palliativen Sedie-

rung werden immer wieder Begriffe ge-

D. Stanze, H. Stanze:Die palliative Sedierung – Was der Hausarzt wissen solltePalliative Sedation – What the Family Physician Should Know

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■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2019; 95 (7-8)

300

nannt, die teilweise Unsicherheiten und

kontroverse Diskussionen beim Be-

handlungsteam auslösen können. Meist

sind verschiedene Konnotationen der

Begrifflichkeiten wie „aktive Sterbehil-

fe“ und „Tötung auf Verlangen“ Aus-

löser. Diese Begriffe werden in der Öf-

fentlichkeit, aber auch innerhalb medi-

zinischer Berufsgruppen oft auf ver-

schiedene Weise, teilweise gefährlich

falsch vermischt und in Zusammen-

hang mit dem Begriff der „palliativen

Sedierung“ gebracht. Im Strafgesetz-

buch (StGB) ist im § 216 die „Tötung auf

Verlangen“ als Straftat gesetzlich ver-

ankert und bezeichnet eine Tötung

durch einen Menschen, der von der ge-

töteten Person ausdrücklich bestimmt

wurde. Weiter heißt es im StGB (§ 217),

dass eine Förderung der Selbsttötung ei-

nes Menschen strafrechtlich dann ver-

folgt wird, wenn die Förderung ge-

schäftsmäßig betrieben wird.

Bei der palliativen Sedierung stellt

sich die Frage, ob beim Versterben einer

Person unter bewusstseinsdämpfender

Medikation eine „Tötung auf Verlan-

gen“ vorliegt. Beispielsweise wenn der

leidende Patient eine solche Sedierung

einfordert und sich darüber im Klaren

ist, dass diese Therapie den schwerkran-

ken und stark geschwächten Organis-

mus so belasten kann, dass der Sterbe-

prozess dadurch womöglich voran-

getrieben wird.

So lange weiterhin Uneinigkeit in

der Begriffsdefinition nicht nur zwi-

schen, sondern auch innerhalb von

Ethik, Recht und Medizin herrscht, wird

in diesem Artikel keine entsprechende

Antwort auf diese Fragen erfolgen kön-

nen. Um eine einheitliche und struktu-

riertere Diskussionsgrundlage zu errei-

chen und einen holistischen Blick auf

schwerstkranke und sterbende Men-

schen mit therapierefraktärer Symptom-

last zu fördern, sind in Deutschland vor

allem Palliativmediziner seit geraumer

Zeit bestrebt, sich von alten Begrifflich-

keiten (wie z.B. „terminaler Sedierung“)

zu lösen.

3. Wie ist die Rechtslage, und welche medizinischen Bedenken sind bekannt?

Die palliative Sedierung ist als Behand-

lungsmaßnahme erlaubt. Es handelt

sich auch nicht, wie manchmal von Me-

dizinern befürchtet, um eine strafbare

Form der Sterbehilfe [4]. Der Einsatz von

Sedativa ist allerdings eine komplikati-

onsträchtige Angelegenheit und deswe-

gen nur nach intensiven medizinischen

wie ethischen Abwägungen einzuleiten.

Wichtig ist einerseits die Intention,

aus der heraus die Sedierung begonnen

wird. Es geht dem jeweiligen Therapeuten

nicht darum, seinem Patienten das Leben,

sondern das Bewusstsein zur Leidenslin-

derung zu nehmen und den Sterbeprozess

bei extremer Symptomlast erträglicher zu

machen [4]. In der praktischen Umset-

zung besteht unter Medizinern die berech-

tigte Sorge, dass der Einsatz von Sedativa

eine unbeabsichtigte Lebenszeitverkür-

zung bewirken kann. Die bisherige Studi-

enlage zeigt, dass die palliative Sedierung

bei adäquater Indikation und Durchfüh-

rung nicht zu einer Beschleunigung des

Sterbens führt [5, 6]. Strafrechtlich ent-

scheidend ist die Intentionalität, die sich

klar von einer „Tötung auf Verlangen“ ab-

grenzen muss [7]. Die Indikation der suffi-

zienten Leidenslinderung im Rahmen

therapierefraktärer Symptomlast bei Pa-

tienten mit fortgeschrittener, unheilbarer

Grunderkrankung, muss nachweisbar

sein. Eine ausführliche Dokumentation

der Entscheidungsfindung und der prakti-

schen Umsetzung ist demzufolge obligat.

Eine palliative Sedierung ist als Maß-

nahme medizinisch als auch ethisch nur

dann gerechtfertigt, wenn der Arzt ge-

wissenhaft dafür Sorge trägt, dass diese

Maßnahme nicht offenen Auges zum

Tode des Patienten führt. Dem behan-

delnden Arzt muss bei der Einleitung ei-

ner palliativen Sedierung bewusst sein,

dass der Grad dabei sehr schmal ist: Bei

einer massiven, dosiseskalierenden oder

nicht ausreichend überwachten Sedie-

rung wird zu erwarten sein, dass das Le-

ben des Patienten durch die Maßnahme

womöglich deutlich rascher zu Ende

geht, als es die Erkrankung bewirkt hätte.

Um all dies beachten zu können, ist

eine engmaschige Kontrolle bei der pal-

liativen Sedierung strikte Vorausset-

zung, die im häuslichen Setting nur

schwer oder wenn, dann ausschließlich

durch ein sehr erfahrenes SAPV-Team

(SAPV = spezialisierte ambulante Versor-

gung) zu gewährleisten ist. Anderenfalls

ist eine stationäre Aufnahme auf einer

Palliativstation oder in ein Hospiz not-

wendig. Dazu bedarf es einer engen Ab-

sprache mit dem Hausarzt, der den Pa-

tienten und die Familie in der Regel seit

Jahren kennt und begleitet und eine

wichtige Rolle in der Abschätzung der

ambulanten Strukturen spielt.

4. Wie ist der Entscheidungs prozess zur Einleitung einer palliativen Sedierung zu gestalten?

Der Entscheidungsprozess zur Durch-

führung einer palliativen Sedierung ist

oft von vielen Fragen und Diskussionen

geprägt. Für den Hausarzt empfiehlt es

sich im Rahmen der Indikationsstel-

lung, Kontakt mit einem Palliativmedi-

ziner oder SAPV-Team aufzunehmen.

Zur Feststellung einer Therapierefraktä-

rität ist ein auf Erfahrungen beruhender

professioneller Austausch im Rahmen

der Entscheidungsfindung wichtig. Der

Einsatz der palliativen Sedierung zur Lei-

denslinderung kann für Familienange-

hörige [8] und Mitarbeiter [9] belastend

sein. Es wird daher empfohlen, die Fami-

lienmitglieder des Patienten sowie be-

reits in der Primärversorgung involvier-

te Leistungserbringer (wie z.B. ein am-

bulanter Pflegedienst, eine 24-Stunden-

kraft) an der Abwägung der therapeuti-

schen Maßnahme teilhaben zu lassen

[3]. Im Rahmen einer palliativen Sedie-

rung kommt es beim Patienten in Ab-

hängigkeit von der Sedierungstiefe zum

Verlust oder zumindest zur Beeinträchti-

gung der Interaktionsfähigkeit. Aus die-

sem Grund ist im Vorfeld die ausführ-

liche Aufklärung über die Konsequen-

zen einer Sedierungstherapie bevorzugt

mit dem Patienten selbst, aber auch den

Angehörigen durchzuführen. Es ist ent-

scheidend, ob der Patient selbst noch

einwilligungsfähig ist und mit entschei-

den kann. Sollte das aufgrund eines weit

fortgeschrittenen Krankheitsprozesses

nicht mehr möglich sein (z.B. durch ein

terminales Delir), sollte die Entschei-

dungsfindung mit einem vom Patienten

Bevollmächtigten, den engsten Angehö-

rigen und/oder einem gesetzlichen Be-

treuer erfolgen. Es gilt dabei, durch aus-

führliche Gespräche den mutmaßlichen

Willen des Patienten zu ermitteln und

dementsprechend zu handeln.

5. Welche Formen der palliativen Sedierung gibt es?

Es gibt verschiedene Formen der Sedie-

rung, die im Kontext der Palliativen Se-

dierung verstanden werden [10]:

• Leichte Sedierung meint einen ver-

änderten Bewusstseinszustand, der es

D. Stanze, H. Stanze:Die palliative Sedierung – Was der Hausarzt wissen solltePalliative Sedation – What the Family Physician Should Know

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301

Dr. med. Daniel Stanze

Ärztliche Leitung SAPV (Erwachsene)

PalliativTeam Frankfurt gGmbH

Geleitstraße 14

60599 Frankfurt am Main

Tel.: 069 1302 556 100

[email protected]

Korrespondenzadresse

dem Patienten allerdings noch ermög-

licht, verbal zu kommunizieren.

• Tiefe Sedierung beschreibt einen

Zustand, in dem es dem Patienten

nicht mehr möglich ist, verbal zu kom-

munizieren.

• Intermittierende Sedierung: ver-

änderter Bewusstseinszustand für ei-

nen klar definierten Zeitraum. Die se-

dierenden Medikamente werden wie-

der reduziert, um den Patienten aufwa-

chen zu lassen. Anschließend wird

evaluiert, ob die Symptomlast gelin-

dert oder die Fortsetzung der Sedie-

rung weiterhin notwendig und ge-

wünscht ist.

• Kontinuierliche Sedierung wird

ohne Unterbrechung und für einen

unbestimmten Zeitraum fortgesetzt.

Dieser Zustand wird bis zum Verster-

ben des Patienten aufrechterhalten.

Gemäß der EAPC-Leitlinie kommt dies

für Menschen in der allerletzten Le-

bensphase (Stunden bis Tage) zur An-

wendung.

6. Wie ist das medizinische Vorgehen bei einer palliativen Sedierung, und was ist besonders zu beachten?

Im Rahmen der vorbereitenden Gesprä-

che sind die Themen Inkontinenzver-

sorgung (Dauerkatheter, Inkontinenz-

vorlage), Lagerung (Dekubitusprophyla-

xe, „Lieblingspositionen“) und Mund-

pflege (Reduktion des Durstgefühls,

Soor- und Parotitisprophylaxe) ebenso

notwendig zu erörtern wie die Themen

der enteralen und parenteralen Ernäh-

rung. Letzteres stellt einen wichtigen

ethischen Aspekt der Diskussion um die

palliative Sedierung dar. Die Akademie

für Ethik in der Medizin (AEM) konsta-

tiert, dass bei der tiefen und kontinuier-

lichen Sedierung auf weitere Therapien

(auch Ernährung/Hydrierung) verzich-

tet werden soll, da diese lediglich den

Sterbeprozess verlängern [11]. Die ethi-

schen Diskussionen hierzu weisen diffe-

rierende Argumentationen auf. Sofern

der Verlauf der Grunderkrankung dem

nicht zuvorkommt, wird eine tiefe, kon-

tinuierliche palliative Sedierung, in de-

ren Rahmen keine Flüssigkeit mehr auf-

genommen bzw. zugeführt werden

kann, das Leben erwartbar verkürzen

[2]. Im Falle künstlicher Ernährung, en-

teral über PEG oder parenteral, können

die entsprechenden Volumengaben

durch veränderte oder bereits vom Kör-

per eingestellte Stoffwechselprozesse zu

ausgeprägten und belastenden Einlage-

rungen ins Gewebe (periphere Ödeme,

Anasarka bis hin zu einem Lungen-

ödem) führen. In Anbetracht solcher

Folgeerscheinungen sollten die medizi-

nischen und die ethischen Aspekte sorg-

sam abgewogen werden.

Medikamentös wird zur Durchfüh-

rung einer palliativen Sedierung meist

Midazolam als Mittel der Wahl empfoh-

len. Wenn es trotz adäquater Dosiserhö-

hung des Midazolams zu einem aus-

geprägten Delir mit anhaltender Unru-

he kommt, können auch Neuroleptika

mit sedierender Wirkung wie beispiels-

weise Levomepromazin angewendet

werden [12]. Eine Grundbedingung in

der Anwendung ist die Proportionalität

(Verhältnismäßigkeit): Der Grad der Se-

dierung soll gerade ausreichen, um das

Leid des Patienten erträglich zu machen.

Entscheidend in der medikamentösen

Umsetzung ist die überwachte Titration,

beginnend mit der niedrigsten wirk-

samen Dosis bis zu einer Dosierung, die

das Therapieziel gerade erreicht. Diesbe-

züglich ist eine regelmäßige und mehr-

mals tägliche Erfassung des Therapie-

ziels unter Berücksichtigung der Vital-

parameter notwendig [2]. In diesem Pro-

zess sollte erwogen werden, die Dosis

auch einmal versuchsweise zu reduzie-

ren, um zu beobachten, ob die Sedie-

rungstiefe aufrecht erhalten werden

muss oder gegebenenfalls auch wieder

reduziert werden kann. Eine bereits be-

gonnene Opiattherapie zur Symptom-

kontrolle von Schmerzen oder Atemnot

sollte fortgesetzt, die Dosis ggf. aber an-

gepasst bzw. reduziert werden. Die Ap-

plikation kann intravenös oder sub-

kutan erfolgen (Wirkungseintritt subku-

tan etwas langsamer) [12]. Für eine reine

Sedierungstherapie sind Opioide unge-

eignet [2].

Schlussfolgerung

Die palliative Sedierung kann bei

schwerstkranken und sterbenden Men-

schen dann erwogen werden, wenn eine

derart starke Symptomlast vorliegt, die

mit anderen Maßnahmen nicht ausrei-

chend gelindert werden kann. Sollten

der Patient und die nahen Angehörigen

einer solchen Therapie zustimmen oder

sie sogar wünschen, ist abzuwägen, wel-

che Form der palliativen Sedierung indi-

ziert ist. Zudem sollte eine solche thera-

peutische Entscheidung im interdiszip-

linären und multiprofessionellen Team

besprochen und diskutiert werden.

Hausärzte sollten sich ermutigt fühlen,

mit einem Palliativmediziner Rückspra-

che zu halten, um diese schwierige Ent-

scheidung gemeinsam zu treffen und

die Aufnahme auf eine Palliativstation

oder in ein Hospiz erwägen. Die enge Be-

gleitung und Mitbetreuung der Angehö-

rigen ist in dieser Phase unbedingt not-

wendig.

Interessenkonflikte: keine angege-

ben.

D. Stanze, H. Stanze:Die palliative Sedierung – Was der Hausarzt wissen solltePalliative Sedation – What the Family Physician Should Know

… ist Facharzt für Innere Medizin mit den Weiterbildungen Pal-

liativmedizin und Notfallmedizin. Seine internistische Ausbil-

dung mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie ab-

solvierte er in Fulda sowie am Universitätsklinikum Frank-

furt a.M. 2013 trat er eine Stelle als Oberarzt in der Abteilung

für Palliativmedizin an den Helios Dr. Horst-Schmidt-Kliniken in

Wiesbaden an und übernahm dort Anfang 2018 die Leitung

der Abteilung. Er war dort sowohl im stationären als auch im ambulanten (SAPV-)

Bereich aktiv palliativmedizinisch tätig. Im August 2019 übernahm er die Ärztliche

Leitung des SAPV-Teams (Erwachsene) im PalliativTeam Frankfurt gGmbH. Seit

2016 ist er Sprecher der Landesvertretung Hessen der Deutschen Gesellschaft für

Palliativmedizin.

Dr. med. Daniel Stanze …

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■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2019; 95 (7-8)

302

1. Saunders C, Clark D. Selected writings 1958–2004. New York: Oxford Univer-sity Press, 2006

2. Alt-Epping B, Schildmann E, Weixler D. Palliative Sedierung und ihre ethischen Implikationen: Eine Übersicht. Onko-loge 2016; 22: 852–9

3. Cherny NI, Radbruch L. The Board of the European Association for Palliative Care. European Association for Palliati-ve Care (EAPC) recommended frame-work for the use of sedation in palliati-ve care. Palliat Med 2009; 23: 581–93

4. Rothärmel S. Terminale Sedierung aus ju-ristischer Sicht: Gebotener palliativmedi-zinischer Standard oder heimliche aktive Sterbehilfe? Ethik Med 2004; 16: 349–57

5. Prado BL, Gomes DBD, Usón Júnior PLS, et al. Continuous palliative sedati-on for patients with advanced cancer at

a tertiary care cancer center. BMC Palli-at Care 2018; 17: 13

6. Maltoni M, Scarpi E, Rosati M, et al. Pal-liative sedation in end-of-life care and survival: a systematic review. J Clin On-col 2012; 30: 1378–83

7. Sitte T, May AT (Hrsg.). Rechtsfragen am Lebensende – ein Stein des Ansto-ßes zur Diskussion. Fulda: Deutscher PalliativVerlag, 2013

8. Morita T, Ikenaga M, Adachi I, et al. Concerns of family members of pa-tients receiving palliative sedation the-rapy. Support Care Cancer 2004; 12: 885–9

9. Rietjens JAC, Hauser J, van der Heide A, Emanuel L. Having a difficult time leav-ing: experiences and attitudes of nurses with palliative sedation. Palliat Med 2007; 21: 643–9

10. Kirk TW, Mahon MM. National hospice and palliative care organization (NHPCO) position statement and com-mentary on the use of palliative sedati-on in imminently dying terminally ill patients. J Pain Symptom Manage 2010; 39: 914–23

11. Neitzke G, Oehmichen F, Schliep H-J, Wördehoff D. Sedierung am Lebensen-de: Empfehlungen der AG Ethik am Le-bensende in der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM). Onkologe 2010; 16: 789–94

12. Prönneke R. Die palliative Sedierung: Vorstellung eines palliativmedizi-nischen Konzepts mit kritischer Würdi-gung. Klinikarzt 2018; 47: 366–71

13. Enck RE: Drug-induced terminal sedati-on for symptom control. Am J Hosp Palliat Care 1991; 8: 3–5

Literatur

D. Stanze, H. Stanze:Die palliative Sedierung – Was der Hausarzt wissen solltePalliative Sedation – What the Family Physician Should Know

Hausärztinnen und -ärzte für Film-Interviews gesucht

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Stiftung Allgemeinmedizin setzt ihre Kurzfilmreihe zum Thema „Arzt als Patient“ fort.

Eigentlich haben wir Ärzte beste Voraussetzungen für eine gute Versorgung. Doch wie geht es uns damit, wenn wir selbst zu Patienten werden? Tun wir uns schwer damit, Hilfe anzunehmen?

Die bisherigen Filme zu diesem Thema finden Sie unter: https://www.stiftung-allgemeinmedizin.de/content/e147/e628/index_ger.html

Wir haben für Freitag, 13. September einen Regisseur beauftragt, der in einem ruhigen Raum auf dem DEGAM-Kongress

in Erlangen weitere Ärzte interviewen wird.

Hierzu suchen wir Protagonisten. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie mit dabei wären, um uns ein kurzes Interview zu

geben. Eine Vorbereitung auf die Videos ist nicht nötig: Es sollen kurze, authentische Statements und Erfahrungsberichte sein, wie Ärzte sich fühlen und damit umgehen, wenn

sie selbst mal in der Rolle als Patient sind bzw. waren.

Herzlichen Dank und beste GrüßeJochen Gensichen, Stiftung Allgemeinmedizin

www.stiftung-allgemeinmedizin.de

Bitte wenden Sie sich bei Interesse an:

Andrea Bischhoff (bei E-Mails bitte Schreibweise beachten: Bischhoff mit doppeltem H), Tel.: 089 4400 53374, Fax: 089 4400 53520, E-Mail: [email protected]

Damit der Regisseur planen kann, bitten wir Sie, sich möglichst frühzeitig zu melden.

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Die Entindividualisierung der (haus)ärztlichen VersorgungDe-Individualizing in Primary Medical Health CareHeinz-Harald Abholz

Über Jahre gab es den Begriff der Indivi-

dualisierten bzw. der Personalisierten Me-

dizin* nur in der Allgemeinmedizin. Da-

mit war die Besonderheit des generalisti-

schen im Vergleich zum spezialistischen

Arbeiten charakterisiert: Jeder Patient,

jeder Mensch ist etwas anders und daher

habe auch die ärztliche Versorgung im-

mer leicht unterschiedlich bei selbst auf

den ersten Blick identischen Krankhei-

ten bzw. Situationen zu erfolgen. Die

Vielfältigkeit des Aussehens von Men-

schen habe eine Entsprechung in der

Vielfältigkeit körperlicher und see-

lischer Konstellationen – dies ist und

war der Ausgangspunkt der Begrifflich-

keit Individualisierte Medizin [1].

Der spezialistische Arbeitsansatz ist

hingegen fast immer auf eine typische

Betrachtungsebene reduziert – sei es in

Bezug auf das Herz, das Blutsystem oder

die Seele. Diese Reduzierung ist gerecht-

fertigt, weil sie dem Arzt erlaubt, im je-

weiligen Bereich dann mehr „in die Tie-

fe“ gehen zu können. Denn die rasante

Zunahme medizinischen Wissens erlaubt

es nicht mehr, Tiefe und Breite des Wis-

sens zugleich in einer Arztperson zu ver-

einigen. Mit der darüber begründeten

Strukturierung der Gesundheitsversor-

gung in generalistisch und spezialistisch

wird dem Rechnung getragen (geglieder-

tes Versorgungssystem von „hausärzt-

licher“ und „fachärztlicher Versorgung“).

In dieser Versorgungsstruktur ist es die

Aufgabe des Generalisten (Hausarztes),

den Fokus auf die ganze Person – und da-

mit auf dessen Vielfältigkeit – zu legen,

um so in Diagnostik und Therapie ein ab-

wägendes Vorgehen zu realisieren, das ein

Sortieren nach „Das kann ich versorgen“

vs. „Hier muss überwiesen werden“ sowie

nach „Jetzt handeln“ vs. „Abwartendes

Beobachten“ als Grundstruktur hat. Dabei

sind dann immer möglichst viele Aspekte

des Patienten – vom Beschwerdebild, den

Befunden bis hin zur individuellen Person

– in die Überlegungen einzubeziehen [2,

3]. Dies ist die formale Struktur „Indivi-

dualisierter/Personalisierter Medizin“.

Die individualisierende Betrachtung

eines Menschen stellt die eigentliche

Schwierigkeit allgemeinmedizinischer

Arbeit dar. Dies, weil auf der einen Seite

für den Allgemeinmediziner das Wissen

der Medizin – z.B. über Leitlinien aktua-

lisiert – steht und auf der anderen Seite

der Anspruch des einzelnen Patienten,

in seiner „Besonderheit“ betrachtet und

behandelt zu werden. Der Generalist

muss also ein Wissen, das an Patienten-/

Menschengruppen (Studienpopulatio-

nen) gewonnen wurde, auf den einzel-

nen Menschen anwenden.

Das Problem dabei ist, dass medizini-

sches Wissen – z.B. zusammengefasst in

Leitlinien – ganz überwiegend auf Studi-

en basiert. Und Studien sind immer an

Personengruppen durchgeführt worden,

nicht an einzelnen Personen. Und damit

wird jedes Studienergebnis zu einem

Gruppenergebnis mit „durchschnitt-

lichen“, zudem auch noch artifiziellen

Menschen [2]. Artifiziell, weil in der Pa-

tientengruppe einer Studie zahlreiche Pa-

Institut für Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf DOI 10.3238/zfa.2019.0303–0306 * Seit etwa knapp zehn Jahren wird der Begriff der Personalisierten Medizin auch in der Pharmakogenetik benutzt. Er „personalisiert“ aber nur auf genetische Vorinforma-

tionen – sofern sie existieren – und in Bezug auf das Ansprechen auf bestimmte Pharmaka, um so – wie modisch gesagt wird – „maßgesteuert zu therapieren“. Damit aber ist es keine individualisierende Therapie, sondern nur eine, die einen einzigen (dann noch extrem selten zu nutzenden) Aspekt einer Person zusätzlich in eine The-rapieentscheidung bringt.

Zusammenfassung: Individualisierte oder personalisier-te Medizin beschreibt den Anspruch der Allgemeinmedi-zin, des Generalisten. Die entsprechenden Voraussetzun-gen für diese Medizin sind sowohl auf Seiten des Versor-gungssystems als auch des Denkansatzes der Hausärzte über die letzten 10 bis 20 Jahre durch die fortschreitende Standardisierung der Medizin beständig konterkariert worden. Vor dem Hintergrund der für Deutschland spezi-fischen Be- und Verhinderungen eines strukturierten Pri-märarztsystems kommt die Frage auf, wie lange indivi-dualisierte Medizin noch möglich bleibt.

Schlüsselwörter: Personalisierte Medizin; Standardisierung; Hausarzt

Summary: Individualized or personalized medicine de-scribes the commitment of family medicine and the ge -neralist respectively. The prerequisites on side of the health care system and the way of family physicians‘ thinking have been hindered by the progressive standard-ization in medicine over the last 10 to 20 years. These as-pects, together with the specific German development give rise to the question: How long will personalized medicine be possible in the demolition process of a struc-tured primary health care system?

Keywords: personalized medicine; standardization; family physician

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

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tienten mit formal identischem Krank-

heits- oder Beschwerdebild über zahlrei-

che Kriterien wie Alter, Geschlecht, Eth-

nie, bestimmte Komorbiditäten, die

Krankheitsdauer und auch die Complian-

ce des Patienten ausgeschlossen wurden.

Solche Ausschlüsse beziehen sich

auf Charakteristika, die zusätzlich zur

Intervention, deren „outcomes“ beein-

flussen. Würde man solche Patienten

aber nicht ausschließen, dann wäre der

Effekt der untersuchten medizinischen

Intervention nicht „rein“ messbar, son-

dern durch weitere Faktoren, also die

Ausschlusskriterien, beeinflusst. Eine

Studie wäre damit nicht mehr zuverläs-

sig mit statistisch gesicherten Ergebnis-

sen auswertbar. In Studien reduziert sich

mittels Ausschlusskriterien eine primär

angesprochene bzw. ins Auge gefasste

Gruppe von Patienten mit z.B. einem

Befund oder einer Diagnose auf dann

nur noch 10 % bis 30 % des Ausgangs-

kollektivs.

Das Individuum – der Patient in Be-

handlung – ist aber kein solch durch-

schnittlicher und artifiziell über die

Gruppe geschaffener Mensch. Und damit

ergibt sich ein „Legitimationsproblem“:

Ist es aus dem über Leitlinien vermittel-

ten Studienwissen gerechtfertigt, die Be-

handlungsweise in Bezug auf den einzel-

nen Patienten direkt abzuleiten? Mit Si-

cherheit im Regelfall nicht, denn der „Pa-

tient vor mir“ ist meist anders als der

„Studienpatient“. Also sind Abgleichun-

gen, Extrapolationen vorzunehmen – alle

geleitet von der Fragen-Kaskade: Was

trifft auch auf meinen Patienten zu – was

macht diesen anders oder ist er in seinen

Charakteristika sehr nahe der Studien-

population – welche Schlussfolgerung in

Bezug auf die Frage der Behandlung nach

Studienwissen ergeben sich für die indivi-

dualisierte Behandlung? [4]

Dieser Abgleich von Charakteristika

des einzelnen Patienten mit dem medi-

zinischen Wissensstand [2, 3] muss not-

gedrungen immer etwas Subjektives

bleiben. Denn bei Extrapolationen mit

vielen Teilgrößen im Hintergrund, die in

ihrem jeweiligen Einfluss nicht exakt be-

stimmbar sind, muss der Arzt diese

wahrscheinlich einflußnehmenden Teil-

größen – von ihm gewichtet – in seine

Entscheidungen einbringen.

Insbesondere kennt man nicht bzw.

nicht gut genug:

1. die Wirkstärke der vielen Besonder-

heiten des Einzelnen auf den Krank-

heitsverlauf sowie sein Therapie-

ansprechen und ggf. auch uner-

wünschte Wirkungen einer Behand-

lung;

2. die Ausprägung der Krankheit des Ein-

zelnen im zukünftigen, dann auch im

Vergleich zum unbehandelten, Verlauf;

3. die Umgangsform des Patienten mit

seinen Beschwerden, seine für ihn ty-

pische Darstellung (z.B. übertreibend,

herunterspielend).

4. Zudem mag die Kenntnis des Patien-

ten auf der medizinischen als auch

personalen Ebene aufseiten des Arztes

nicht annähernd umfassend sein.

Die unter 1) und 2) aufgeführten Punkte

sind immer auch „spekulativ“ in ihrer

Effektstärke; nur manchmal durch ande-

re Studienergebnisse zu gewinnen (z.B.:

sprechen Menschen mit X eher auf The-

rapie Y an etc.). Es ist aber auch vom

Grad der Kenntnis des Studienwissens

zu den Krankheiten – vermittelt über

Leitlinien – abhängig.

Das unter 3) und 4) genannte ist nur

mittels guter Kenntnis und Erfahrung

des Arztes mit seinem Patienten zu ge-

winnen; beides verlangt eine gewachse-

ne, tragende Patienten-Arzt-Beziehung,

die in der Regel Kontinuität als Voraus-

setzung erfordert [5]. Letzteres aber wird

in Deutschland durch eine fehlendes

strukturiertes Primärarztsystem mit dabei

freiem Zugang zu allen Ärzten, teilweise

noch parallel laufend, massiv konterka-

riert; hierzu ist an anderer Stelle näher

eingegangen worden [6].

Im Folgenden sollen daher nur noch

weitere konterkarierende Entwicklun-

gen dargestellt werden, die als medizin-

kulturelle Entwicklungen bezeichnet

werden können.

Medizin-kulturelle Entindividualisierung

Über die letzten 10 bis 20 Jahre ist zu be-

obachten, dass schon in der Sozialisati-

on der Mediziner – von der Aus- bis in

die Weiterbildung – vielen Grundlagen

für eine individualisierte Medizin der

Boden entzogen wird; dies in unter-

schiedlichen Bereichen parallel.

1

In Lehrbüchern, die vor zehn und

mehr Jahren erschienen sind, war es üb-

lich, zu jeder Krankheit auch eine Dar-

stellung des vom jeweiligen Autor als ty-

pisch angesehenen Krankheitsbildes in

Form einer auf den Patienten bezogenen

Symptomatik und den Befunden dar-

gestellt zu bekommen. Damit konnte

dem Lernendem ein Bild, wenn auch

„nur“ als „Idealbild“, eines oder mehre-

rer geschilderter Patienten vermittelt

werden: Die Krankheit, um die es ging,

bekam eine „Gestalt“, die sie „lebendig“

werden ließ. Daher wurden dem Lernen-

den auch solche Idealbilder zu ein und

demselben Krankheitsbild meist an

mehreren Ausprägungen mit mehreren

Beschwerdetypen in detaillierender Be-

schreibung geboten.

Heute hingegen zeigen Lehrbücher –

und auch viele Leitlinien – kaum noch

solche Schilderungen von Krankheitsbil-

dern, sondern geben entweder in Ober-

begriffen oder in tabellarische Aufzäh-

lungen nur noch hoch-aggregierte Kern-

symptome an: z.B. Schmerz, Übelkeit,

Schwindel, Luftnot etc. Nur zu jedem

dieser Oberbegriffe gibt es viele Formen

der Erscheinung – die Art, die Ausstrah-

lung, die Abhängigkeit von Auslösern

etc. machten die Lebendigkeit alter Lehr-

bücher aus. Zudem ist es – insbes. in der

Psychiatrie – üblich geworden, definito-

rische Ausführungen zu ICD 10 oder

DSM IV als Krankheitsbeschreibung zu

nutzen bzw. diese dann nur noch zu prä-

sentieren. Am schmerzlichsten ist mir

das am Wandel des Lehrbuchs „Harri-

son‘s Principles of Internal Medicine“ be-

gegnet: Dort, wo früher „Presentation of

the Patient“ stand, steht heute „Classifi-

cation“ oder „Definition“. Das entspricht

einer hoch formalisierten Standardisie-

rung der Krankheit, welche die Person

mit dieser Krankheit in deren Vielfältig-

keit völlig außen vorlässt.

Begründet wird dieser Wandel in der

Darstellung meist damit, dass es „die Stu-

dienlage nicht hergäbe“, Idealbilder zu

zeichnen und in einem Lehrbuch oder ei-

ner Leitlinie darzustellen. Dies ist ein

sehr EbM-puristisches Argument nach

dem Motto: „Wenn es keine gute Studi-

enlage gibt, dann wird darüber nicht ge-

sprochen“. Nur: Der Neuling in der Medi-

zin lernt damit keinen Patienten kennen.

2

Dies findet heute zunehmend eine Ent-

sprechung aufseiten des Patienten und

seiner Beschwerdeschilderung. Für

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305

Patienten ist aber nicht der Glaube an

EbM, sondern etwas anderes der Grund:

Eine zunehmende Zahl von Patienten –

vielleicht auch Ärzten – glaubt daran, dass

alles, was zu schildern möglich wäre, un-

wichtig sei, weil die Medizin – die Technik

der Medizin – schon herausfinden werde,

was ihnen fehle. Dabei wird der diagnos-

tische Prozess völlig verkannt, der meist

ja aufgrund kleiner Details zu Symptoma-

tik, Auftretenssituation, Ablauf der Be-

schwerden, Kombination zu anderen Be-

schwerden etc. gelenkt wird: Einmal geht

es dann in diese, ein andermal in eine an-

dere Richtung diagnostischer Aufarbei-

tung. Und geht man aber nicht so vor, hat

man solche „Details“ nicht erfahren,

dann wird eine umfangreiche und in alle

Richtungen gehende Diagnostik in Gang

gesetzt – dies mit unerwünschten Wir-

kungen (und seien es erst einmal nur die

vielen „falsch-positiven“ Befunde) [7].

Und es gibt noch eine andere Vari-

ante der Fehlleitung durch den Patien-

ten: Erfolgt nicht umgehend ein breiter

technischer Einsatz, dann sind Patien-

ten auch bereit, übertreibende und den

Arzt antreibende Übertreibungen bei ih-

ren Beschwerde-Schilderungen ein-

zusetzen, um das zu erreichen, was sie

für „richtig“ ansehen [7]. Hierbei gelingt

es nur dem Arzt, solche Übertreibungen

zu vermuten, wenn er seinen Patienten

gut kennt und dessen „Umgangsfor-

men“ mit Beschwerden vielfach ken-

nengelernt hat [5, 6].

Zur „Standardisierung der Krankhei-

ten“ in den Lehrbüchern passen die

vom Patienten genutzten Kurzbegriffe

(Schmerz, Übelkeit etc.) ohne Zusam-

menhänge herstellende Schilderungen

durch den Patienten. Beides zusammen

lässt eine individualisierende Arbeits-

weise – insbes. für den jungen Arzt – oft

unmöglich werden, zumindest wenn

ein Patient nicht aus Vorbegegnungen

gut bekannt ist.

3

Beides schlägt sich nun auch in der ärzt-

lichen Anamneseerhebung nieder –

so wie sie bei Jungärzten, Medizinstu-

denten, aber eben auch in den Kranken-

hausarztbriefen zu finden ist: Es wird auf

die notwendigsten Kernbegriffe in Brie-

fen, Vorträgen etc. reduziert bzw. in der

Anamnese nur gefragt. Detaillierende

Schilderungen zum Krankheitsbild –

eben auch in seiner Vielfalt – erfolgen

nicht. Im Gegenteil: Alles, was nicht

zum Oberbegriff passt, wird weggelassen

– nachzulesen ist so etwas in jedem Arzt-

brief zu Patienten, die man selbst dort

hin-, über- oder eingewiesen hat.

Auf das, was ein Patient zu seiner Er-

krankung denkt, wie er sie erlebt, was

ihn – berechtigt oder nicht – besorgt,

wird eh kaum noch in der Anamnese-

erhebung oder der Kommunikation zwi-

schen Ärzten – mündlich oder gar in

Arztbriefen – eingegangen [8, 9].

Und wie der Patient selbst seine Be-

schwerden erklärt oder deutet [10,11], das

wird zwar in den meisten Abteilungen für

Allgemeinmedizin als wichtig zu erfragen

gelehrt [12], nur setzt sich dies – bei dem

Druck der „exakten Medizin“ in Konkur-

renz – im Verlauf einer Mediziner-Karriere

kaum durch. Der Patient wird in Bezug auf

die über ihn gewonnenen Befunde zwar

noch informiert, aber nicht deren Bezie-

hung zu seiner Person, seiner „Geschich-

te“ hergestellt. Er wird entindividualisiert.

Kathahn [13] hat dies schon vor Jah-

ren psychologisch gedeutet: Die Orien-

tierung auf die Technik bei der Befund-

erhebung erlaubte den Ärzten die Flucht

vor der körperlich und psychisch erleb-

baren Nähe zum Anderen.

4

Die zu beobachtende generelle Standar-

disierung in der Medizin wird von vielen

Sozialwissenschaftlern aus der Faszina-tion des Erfassbaren (insbesondere

und primär der der Bürokraten) erklärt

[14, 15]. Ärzte haben das – vermittelt

über die Vorgaben der der Bürokraten –

zunehmend übernommen. Diese Ent-

wicklung hat seine gut begründbaren

Seiten hin zu, wie es erst immer scheint,

mehr Vernunft [16], sie hat aber auch

unerwünschte Auswirkungen.

Heute nun treiben beide – die Ärzte

und die Bürokraten – diese Entwicklung

weiter an. Aber wer allein nur einmal ei-

ne Diagnosefestlegung auf einem For-

mular einer Kasse etc. erbringen musste,

weiß sofort, dass hiermit in der Regel et-

was anderes abgebildet wird, als das, was

der „Patient vor ihm“ hat. Aber derartig

abgeforderte Standardisierungen – sei es

mit oder ohne Graduierung der Schwere

oder der Folgestörungen etc. – formt

über die Zeit auch ärztliches Denken und

Verstehen. Damit wird – so falsch es ist –

auch im Bewusstsein eines Arztes alles

„abpackbar“ in eine Kategorie/Diagnose.

5

Die Phantasie der digitalen Berechen-barkeit ist die Fortsetzung der oben ge-

schilderten Entwicklung. Ein solcher

Prozess wird momentan unterstützt

durch den Glauben, dass die gigantische

Vielfalt von Krankheit und Person in tau-

senden von Punkten der Individualität

(von Labor oder genetischen Werten bis

hin zur persönlichen, d.h. psycho-

logisch, sozialen und kulturellen Unter-

schiedlichkeiten) in ein Raster-Paket ge-

packt werden kann – das dann zur treffsi-

cheren Diagnosefindung, Prognose so-

wie Therapie benutzt werden könne [17].

Eine weitere Steigerung dieses Glau-

bens an Berechenbarkeit – dann gepaart

mit Naivität oder Dreistigkeit – erleben

wir momentan in der Begeisterung für

Internetbasierte Diagnostik generell

und insbesondere mittels Apps, mit de-

nen schon der Patient sich einer Diagno-

se – wenn auch meist noch als Ver-

dachtsdiagnose deklariert – nähern

kann. Auch könne er sich per App dann

sogar Therapien „holen“: zum Selbst-

durchführen oder mittels zusätzlicher

Unterstützung im Netz mit darüber zu

kontaktierenden Ärzten.

Das Problem bei diesen Entwicklun-

gen ist, dass die zuvor geschilderten Ver-

einfachungen mittels Standardisierung

nochmals eine Steigerung durch weitere

Vereinfachungen für ein „einfach“ nutz-

bares Programm erfährt [18]. Dabei aber

bleibt es weiterhin – so wie bei jedem

Screening-Instrument auch – bei einer

Vergröberung dessen, was vom „Ganzen

des Patienten“ oder potenziellen Patien-

ten in die App, eingebbar ist, und was

das Programm der App dann nur damit

„gefüttert“, „ausstoßen“ kann. Auf sol-

cher Basis dann, zu Ergebnissen zu kom-

men, die gar noch die Therapie bestim-

men sollen, lässt Schadensverursachung

sehr wahrscheinlich werden [18] – zu-

mindest ist es weit entfernt von Indivi-

dualisierter Versorgung.

Damit stehen sich zwei Konzepte gegen-

über, die beide Vielfältigkeit – und zwar

tausendfache Vielfältigkeit – in ein Ent-

scheidungsraster bringen wollen. Einer-

seits das Hermeneutische Fallverständnis

der Allgemeinmedizin, des Generalisten

[2, 19], das zum Umgang mit der Infor-

mationsvielfalt zu einer Person nur mit-

tels Interpretation in einem Gesamt-

zusammenhang (also mittels einer her-

Abholz:Die Entindividualisierung der (haus)ärztlichen VersorgungDe-Individualizing in Primary Medical Health Care

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■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2019; 95 (7-8)

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meneutischen Integration) umzugehen

vorschlägt.

Und auf der anderen Seite steht die

Annahme, dass die Vielfalt program-

mierbar in ein System sei; und dies leich-

ter, schneller und effektiver zu Lösun-

gen führen würde. Rein logisch verlangt

dieses Vorgehen aber, dass man zu jeder

Einzelfrage zu Therapie und Diagnostik,

aber auch zu jeder Eigenart eines Patien-

ten – körperliche als auch seelische Cha-

rakteristika –Eingaben ins System ma-

chen kann. Für beide Felder – Studien-

wissen als auch persönliche Charakteris-

tika einer Person – ist die Datenlage aber

völlig unzulänglich: Zwischen allen In-

formationen, die man sich zur Eingabe

ins System vorstellen kann, bestehen ja

Interaktionen, die man in ihrer Effekt-

stärke kennen müsste, wollte man soli-

dere Ergebnisse haben. Spätestens hier

merkt man, dass das Utopie ist [17].

Und so erscheint es weitaus realisti-

scher – und erprobt noch dazu –, auf Stu-

dienwissen (selbst wenn es nur Grup-

penaussagen sind) zurückzugreifen, die-

se dann auf den Patienten abgleichend

zu betrachten, und schließlich integrie-

rend mit all dem Vorwissen zum Patien-

ten als auch der eigenen Erfahrung zu ei-

ner Entscheidung in Form eines Vor-

gehensvorschlags zu kommen.

Die entscheidende Frage für die Zu-

kunft aber ist: Sind wir Hausärzte bei ei-

ner solchen zuvor skizzierten Entwick-

lung der Entindividualiserung im Den-

ken plus der systembedingten Be- bzw.

Verhinderung von Primärarztfunktio-

nen [5], die beide erst ein Kennen und

Verstehen des Individuums erlauben,

noch in der Lage zu individualisieren?

Interessenkonflikte: keine angegeben.

Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Emeritus, Institut für Allgemeinmedizin

Universität Düsseldorf

Werdener Straße 4

40227 Düsseldorf

[email protected]

Korrespondenzadresse

1. Abholz H-H. Der Mensch im Mittel-punkt – Über den gesuchten Weg zwi-schen ärztlicher Expertise und EbM-Leitlinien. Z Allg Med 2017; 93: 445–449

2. Abholz H-H, Wilm S. Entscheidungs-findung in der Allgemeinmedizin. In Kochen MM (Hrsg). Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 5. Aufl. 2017: 645–655

3. Wegscheider K. Übertragung von Studi-energebnissen auf den Versorgungsall-tag – Die therapeutische Praxis pro-fitiert von der methodischen Vielfalt randomisierter und nicht-randomisier-ter Forschungsansätze. Z Allg Med 2009; 85: 53–59

4. Freeman G, Hughes J. Continuity of ca-re and the patient experience. The Kings Fund, London 2010. www.kingsfund.org.uk/sites/default/files/field/field_ document/continuity-care-patient- experience-gp-inquiry-research-paper-mar11.pdf (letzter Zugriff am 04.04.19)

5. Abholz H-H. Primärarztsystem – wel-che Folgen hat ein Abbau in Deutsch-land? Z Allg Med 2018; 94: 291–295

6. Donner-Banzhoff N, Abholz H-H. Epi-demiologische und biostatische Aspek-

te der Allgemeinmedizin. In: Kochen MM (Hrsg). Allgemeinmedizin und Fa-milienmedizin. Stuttgart: Georg Thie-me Verlag, 5. Aufl. 2017: 558–574

7. Schaeffer D. Der Patient als Nutzer – Krankheitsbewältigung und Versor-gungsnutzung im Verlauf chronischer Krankheit. Bern: Huber, 2004

8. Reeve J, Lynch T, Lloyd-Willams M, Payne S. From personal challenge to technical fix: the risk of depersonalized care. Health Soc Care Community 2012; 20: 145–154

9. Agledahl KM, Gulbrandsen P, Forde R, Wifstad A. Courteous but not curious: how doctors’ politeness mask their existential neglect. A qualitative study of video-recorded patient consultati-ons. J Med Ethics 2011; 37: 650–654

10. Butalid L, Peter FM, Verhaak FM, Dul-men S v, Bensing JM. Concerns voiced by patients and GPs’ response during psychosocial visits in primary care: a historical cross-sectional study. BMC Fam Pract 2014, 15: 188

11. Herzlich C, Pierret J. From causes to meaning. In: Currer C, Stacey M. Con-cepts of health, illness and disease. Ox-ford: Berg Publisher, 1986

12. Chang S, Lee TH. Beyond evidence-based medicine. N Engl J Med 2018; 379: 1983–5

13. Kathan B. Das Elend der ärztlichen Kunst. Berlin: Kadmos Verlag, 2002

14. Timmermans S, Berg M. The gold stan-dard: the challenge of evidence based medicine and standardisation in health care. Philadelphia: Temple Univ. Press, 2003

15. Berg M. Rationalizing medical work. Cambridge: MIT Press, 1997

16. Marks HM. The progress of experiment – science and therapeutic reform in the United States 1000–1990. Cambridge: Cambridge Univ. Press, 1997

17. Feuerstein G. Die Technisierung der Medizin – Anmerkungen zum Preis des Fortschritts. In: Saake I, Vogd W (Hrg.). Moderne Mythen der Medizin. Wiesba-den: VHS, 2008

18. Schmacke N, Abholz H-H. Gesund-heits-Apps – was kann man von ihnen erwarten? Gesundh Sozialpol 2019; 73: 54–58

19. Reeve J. Interpretive medicine – sup-porting generalism in a changing pri-mary care world. London: Royal Col-lege of General Practitioners, Occasio-nal Paper 88, 2010

Literatur

Abholz:Die Entindividualisierung der (haus)ärztlichen VersorgungDe-Individualizing in Primary Medical Health Care

… Facharzt für Innere Medizin sowie Facharzt für Allgemeinme-

dizin. 1984–1998 Hausarzt in Berlin; 1998–2011 Leiter der Ab-

teilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf.

Nach Emeritierung (2012) wieder in Hausarztpraxis nahe Köln

tätig. DEGAM-Präsident bzw. Vizepräsident für neun Jahre.

Lehrbeauftragter für Public Health (Epidemiologie, Prävention)

erst in Berlin, dann in Düsseldorf.

Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz …

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Checkliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinWie beeinflusst die systematische Festlegung von ausgewählten Lernzielen den subjektiven Lernfortschritt der Studierenden?

Checklist Clerkship Family Medicine

How Does the Systematic Determination of Selected Learning Goals Influence the Subjective Learning Progress of Students?

Gisela Ravens-Taeuber, Armin Wunder, Corina Güthlin, Insa Koné

Goethe-Universität Frankfurt am Main, Zentrum der Gesundheitswissenschaften, Institut für Allgemeinmedizin Peer-reviewed article eingereicht: 15.01.2019, akzeptiert: 21.03.2019 DOI 10.3238/zfa.2019.0307–0313

Hintergrund: Das Blockpraktikum Allgemeinmedizin (BPA) soll insbesondere das Erlangen praktischer Fähigkeiten för-dern. Eine Festlegung von Kompetenzen als Lernziele durch Studierende und Lehrende vor dem BPA, die die Selbstein-schätzung der Studierenden und die individuellen Gegeben-heiten einer Lehrpraxis berücksichtigen, sollen zu einem gu-ten Lernfortschritt beitragen. Ziel der vorliegenden Unter-suchung war es herauszufinden, ob diese systematische Festlegung von Kompetenzen zu einem subjektiv höheren Lernfortschritt führt (im Unterschied zu Bereichen, in denen keine Kompetenzen als Lernziele festgelegt wurden).Methoden: Die systematische Festlegung findet über ei-ne Checkliste statt, in der insgesamt zu max. 25 Kom-petenzen Lernziele festgelegt werden können. Der subjek-tive Lernfortschritt ist von den Studierenden nach dem BPA für jede der 25 Kompetenzen anzugeben. Zunächst wird deskriptiv dargestellt, wie häufig welche Kompeten-zen in der Checkliste von 2014 als Lernziele festgelegt wurden. Es wird geprüft, ob ein Unterschied bezüglich des Anteils an Studierenden mit subjektivem Lernfort-schritt besteht, je nachdem, ob eine Kompetenz als Lern-ziel ausgewählt wurde oder nicht (Chi-Quadrat-Test bzw. exakter Test nach Fischer).Ergebnisse: Es haben 375 Studierende am BPA teil-genommen, 322 davon die Checkliste ausgefüllt (Rück-laufquote 85,9 %), 54 Checklisten mussten wegen fehlen-den Angaben ausgeschlossen werden. Bei 23 von 25 Kompetenzen (92 %) führt das explizite Festlegen der Kompetenz als Lernziel zu einem signifikant höheren An-teil an Studierenden mit subjektivem Lernfortschritt.Schlussfolgerungen: Durch ein systematisches Fest-legen von Kompetenzen als Lernziele wird der subjektive Lernfortschritt erhöht. Die Checkliste unterstützt Lehren-de beim Feedbackgeben und ermöglicht es, auf individu-elle Bedürfnisse der Studierenden einzugehen.

Schlüsselwörter: Checkliste; Blockpraktikum; Allgemein -medizin; Lernziele

Background: The main aim of the family medicine clerk-ship (FMC) is to help students acquire practical skills. Be-fore the FMC, students and teachers define specific com-petencies as learning objectives, based on the self-assess-ment of students and the individual conditions in the teaching practices, which is expected to help to improve learning progress. The aim of the current study was to find out whether this systematic definition of competen-cies leads to greater subjective learning progress (in com-parison to areas in which no competencies had been de-fined as learning objectives).Methods: The systematic definition is achieved by means of a checklist in which 25 competencies can be ticked in order to serve as learning objectives. After the FMC, the students rate their subjective learning progress for each of the 25 competencies. The frequency of the competencies that were selected as learning objectives in the 2014 checklist is described descriptively. Using the chi-square test and Fisher’s exact test, we investigate whether the percentage of students that achieve subjec-tive learning progress is dependent on whether or not the competency was selected as a learning objective. Results: 375 students participated in the FMC, of whom 322 filled out the checklist (response rate 85.9 %). 54 were not completed in full and were excluded from the analysis. For 23 of 25 competencies (92 %), selecting this competency as a learning objective resulted in a sig-nificantly higher proportion of students achieving subjec-tive learning progress. Conclusions: The systematic selection of competencies as learning objectives increases subjective learning prog-ress. The checklist helps teachers provide feedback and enables them to address the individual needs of students.

Keywords: checklist; internship; family medicine; learning objectives

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

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Hintergrund

Die Einführung eines verbindlichen

Blockpraktikums Allgemeinmedizin

(BPA) 2004 [1] hat Allgemeinmedizin zu

einem der fünf Kernfächer der medizi-

nischen Ausbildung gemacht und soll

insbesondere das Erlangen praktischer

Fähigkeiten fördern [2, 3]. Gerade in die-

sem Bereich schienen in der medizi-

nischen Ausbildung deutliche Mängel

zu bestehen [4, 5].

Das Blockpraktikum Allgemeinme-

dizin (BPA) ist an der Goethe-Universität

in Frankfurt am Main im 10. Semester

curricular verankert.

Allein der Einbezug von Praktika in

die medizinische Ausbildung garantiert

nicht das Erreichen von praktischen

Lernzielen [6, 7]. Eine Umfrage in den

USA unter Studierenden zeigte, dass je-

ne individualisierte Lernziele und die

Möglichkeit, diese in der Lern-

umgebung zu kommunizieren, für

wichtig halten, um maximal von einem

chirurgischen Praktikum zu profitieren

[8]. Medizinstudierende in Texas/USA

bewerteten Kurse mit klar kommuni-

zierten Lernzielen und guter Struktur

insgesamt besser, ebenso wie Kurse mit

hoher Ansprechbarkeit der Lehrenden

[9]. Eine Erhebung unter Medizinstudie-

renden bei einem vierwöchigen Neuro-

logie-Praktikum in den USA zeigte, dass

die explizite Definition wöchentlicher

Lernziele als hilfreich empfunden wird

und eine Mehrheit der Studierenden an-

gab, die eigenen Leistungen hätten sich

dadurch verbessert [10]. Grundsätzlich

wird davon ausgegangen, dass der Lern-

fortschritt von Studierenden durch eine

Definition von Lernzielen erhöht wer-

den kann [11].

Basierend auf diesen Erkenntnissen

haben Frankfurter Lehrbeauftragte und

Mitarbeiter/innen des Instituts für All-

gemeinmedizin (IfA) im Jahr 2008 einen

Lernzielkatalog entworfen, der im Un-

terricht erprobt und optimiert wurde

[12, 13]. Auf dieser Basis und durch Er-

fahrungsaustausch teilnehmender Stu-

dierender und Lehrender im BPA sowie

Mitarbeiter/innen des Instituts wurde

angelehnt an den Lernzielkatalog durch

das IfA 2008 die „Checkliste Lernziele“

entwickelt, die 2014 überarbeitet wurde.

Dabei wurde die Checkliste mit Empfeh-

lungen des zu erreichenden Fachwissen

(Kompetenzen) am Ende des BPA in

Klammer ergänzt. Die Empfehlungen

werden in Tabelle 1 und unter „Metho-

den“ genauer erläutert.

Zunächst erfolgt auf der Checkliste

eine Selbsteinschätzung der Studieren-

den ihrer Kompetenzen zu den jeweili-

gen Lernzielen, dann werden mit den

Lehrärzten gemeinsam Schwerpunkte

festgelegt, d.h., Kompetenzen/Lernziele

markiert, die besonders während der

Praxiszeit eingeübt werden sollen. Ziel

der Checkliste ist, den Lehrenden zum

einen ein Feedbackinstrument an die

Hand zu geben und zum anderen an-

hand der Priorisierung eine individuelle

Förderung während der Praxiszeit zu

praktizieren. Zum Ende des Blockprakti-

kums erfolgt eine erneute Selbstein-

schätzung durch die Studierenden und

eine Einschätzung durch den Lehrarzt/

die Lehrärztin.

Da eine solche Checkliste im BPA

inklusive der gemeinsamen Schwer-

punktsetzung Modellcharakter hat,

sollte untersucht werden, ob die

Schwerpunktsetzung (Festlegung dieser

Kompetenzen als Lernziel) einen Effekt

auf den subjektiven Lernerfolg hat. Be-

antwortet werden sollte die Frage, ob

Studierende im Blockpraktikum häufi-

ger subjektive Lernfortschritte erzielen,

wenn vorab Lernziele mit dem Lehr-

arzt/der Lehrärztin systematisch festge-

legt werden.

Methoden

In Frankfurt umfasst die Vorbereitung

der Studierenden auf das BPA u. a. das

Ausfüllen der „Checkliste Lernziele“,

welche die Selbsteinschätzung der Stu-

dierenden bezüglich einiger Kompeten-

zen, die Gegenstand von Lernzielen

sind, erhebt. Diese Checkliste wird von

den Studierenden vor Beginn des Prakti-

kums ausgedruckt und in der 1. Spalte

ausgefüllt (Selbsteinschätzung der Kom-

petenzen). Die Kompetenzen sind in

fünf Kompetenzebenen in Anlehnung

an Miller [14] eingestuft, die in Tabelle 1

in der Legende erläutert werden.

Am ersten Praxistag besprechen Stu-

dierende/r und Lehrärzte die Selbstein-

schätzung zu den Kompetenzen und le-

gen gemeinsam Lernziele im Rahmen ei-

ner Schwerpunktsetzung für die Praxis-

zeit fest. Eine Schwerpunktsetzung soll

hierbei nicht abhängig von einer hohen

Kompetenzerwartung sein. Dadurch er-

hält der/die Lehrende auch einen Ein-

druck, mit welchen Kompetenzen und

Vorstellungen der/die Studierende in die

Praxis kommt. Hinter jeder Kompetenz

ist in Klammern außerdem die Kom-

petenzebene angegeben, die am Ende

des Praktikums von den Studierenden

erreicht werden sollte.

Bei der Schwerpunktsetzung sollten

neben dem Wissen und Können des Stu-

dierenden die Gegebenheiten in der Pra-

xis berücksichtigt werden, wie z.B. bei

der Kompetenz „Spirometrie“ oder/und

„Ergometrie“ ein Schwerpunkt nur ge-

setzt werden kann, wenn diese Unter-

suchungsmöglichkeiten auch in der Pra-

xis zur Verfügung stehen.

Am letzten Tag des Blockprakti-

kums schätzen sich die Studierenden

erneut in Bezug auf alle Kompetenzen

(unabhängig von einer Schwerpunkt-

setzung) selbst ein. Anschließend füllt

der/die Lehrende die erreichte Kom-

petenzebene der Studierenden in der

letzten Spalte aus. Idealerweise sollten

bei beiden die vorgegebene Empfeh-

lung erreicht worden sein. Die jeweili-

gen Einschätzungen, insbesondere bei

größeren Diskrepanzen, sollten im ab-

schließenden Feedbackgespräch the-

matisiert werden.

In die Erhebung eingeschlossen

wurden Studierende am IfA der Univer-

sität Frankfurt, die 2014 das BPA absol-

viert haben. Die Eingabe der erhobenen

Daten aus den Checklisten des Jahres

2014 erfolgte manuell in SPSS 20.0.

Nicht eingeschlossen in die Auswer-

tung wurden Checklisten, bei denen kei-

ne Angaben zur Selbsteinschätzung vor

dem Praktikum, zur Selbsteinschätzung

nach dem Praktikum oder/und zur Ein-

schätzung von Lehrenden gemacht wur-

den. Dagegen wurden Checklisten ein-

geschlossen, auch wenn keinerlei

Schwerpunktsetzung erfolgte.

Ziel dieser Untersuchung war he-

rauszufinden, ob es bei einer Schwer-

punktsetzung häufiger zu einer Verbes-

serung der Selbsteinschätzung der Stu-

dierenden kommt. Eine Verbesserung

wurde angenommen, wenn die Diffe-

renz der Selbsteinschätzung (Nachher-

messung – Vorhermessung) > 0 war. Mit

dem Chi-Quadrat-Test wurde auf Sig-

nifikanz pro Kompetenz getestet, ob ein

Unterschied bezüglich des Anteils an

Studierenden mit subjektivem Lernfort-

schritt besteht, je nachdem, ob eine

Kompetenz als Lernziel ausgewählt wur-

de oder nicht. Bei geringen Erwartungs-

Ravens-Taeuber et al.:Checkliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinChecklist Clerkship Family Medicine

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© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2019; 95 (7-8) ■

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Ravens-Taeuber et al.:Checkliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinChecklist Clerkship Family Medicine

Führen Sie eine Selbsteinschätzung bezüglich Ihrer Fähigkeiten vor dem Praktikum durch, und legen Sie gemeinsam mit Ihrem Lehrarzt/Ihrer Lehrärztin möglichst am ersten Tag in der Praxis Kompetenzen fest, die Sie während des Praktikums verbessern möchten.Bewerten Sie am Ende des Praktikums Ihre Kompetenzen erneut, und besprechen Sie mit dem Lehrarzt/der Lehrärztin, worin Sie gut sind und woran Sie noch arbeiten sollten.

Kompetenzebenen-/Lernzielempfehlung zum Ende des Praktikums (in Klammern hinter den einzelnen Items)*

Gesprächsführung

Eigenständig Anamnese erheben und dem Lehrarzt vorstellen (4)

Körperliche Untersuchung

Kopf und Hals (4)

Thoraxorgane (4)

Bewegungsapparat (4)

Abdomen (4)

Neurologische Untersuchung (4)

Gefäßstatus erheben (4)

Beschreiben und Dokumentieren von Befunden (4)

Gerätediagnostik

Otoskopie (3)

Blutdruck messen (4)

Blutzucker messen (3)

Urinuntersuchung (Stix) (3)

EKG anlegen (3)

EKG-Befundung (3)

Blutentnahme (4)

Spirometrie (2)

Ergometrie (2)

Laborbefunde interpretieren (3)

Therapie/Prävention

Subkutane Injektionen (3)

Intravenöse Injektionen (2)

Impfungen durchführen/intramuskuläre Injektionen (3)

Infusion zubereiten und anlegen (2)

Wundbehandlung akut, chron. (2)

Pharmakotherapie (3)

Fallvorstellung mit Vorschlägen zum Prozedere (3)

Legende: *Fünf Kompetenzeben in Anlehnung an Miller [14]: 0 = keine Kenntnisse1 = weiß es (schon mal gelesen oder gehört, z.B. in Vorlesung) 2 = weiß, wie es geht (bereits praktische Erfahrung gemacht/gesammelt) 3 = kann zeigen, wie es geht (im praktischen Umgang geübt) 4 = bin darin schon geübt (im theoretischen und praktischen Umgang sicher)

Tabelle 1 „Checkliste Lernziele“ im Blockpraktikum Allgemeinmedizin

Selbstein -schätzung vor dem Praktikum

Schwerpunkte gemeinsam setzen

Selbstein -schätzung nach dem Praktikum

Einschätzung Lehrende/r

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■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2019; 95 (7-8)

310

werten für die Einzelhäufigkeiten wurde

der exakte Test nach Fischer verwandt.

Das Signifikanzniveau wurde auf

α ≤ 0,05 festgelegt.

Deskriptiv wurde dargestellt, welche

Schwerpunktsetzung wie häufig bei wel-

cher Kompetenz von den Studierenden

zusammen mit den Lehrenden vor-

genommen wurden.

Ergebnisse

Im Jahr 2014 haben 375 Studierende am

BPA teilgenommen. Davon haben 322

Studierende eine Checkliste ausgefüllt

und abgegeben (Rücklaufquote:

85,9 %). Von diesen konnten 268

Checklisten ausgewertet werden. Die

übrigen 54 mussten aufgrund oben ge-

nannter fehlender Angaben aus-

geschlossen werden.

Von den Studierenden wurden ge-

meinsam mit dem/der Lehrenden im

Durchschnitt 6,3 (SD 4,7) der 25 Kompe-

tenzen priorisiert. Die Spanne lag zwi-

schen 0 und 24 Lernzielen. Am häufigs-

ten wurden die Kompetenzen „Pharma-

kotherapie“ (53,4 %), „EKG-Befun-

dung“ (50,7 %) und „Laborbefunde in-

terpretieren“ (40,4 %) als Lernziel ausge-

wählt. Jeweils weniger als 10 % der Stu-

dierenden haben zusammen mit ihren

Lehrenden „Blutentnahmen“ (9,0 %),

„Infusionen zubereiten und anlegen“

(8,6 %), „Intravenöse Injektionen“

(7,8 %) und „Blutzucker messen“ priori-

siert (6,7 %) (Tab. 2).

Bei 23 von 25 Kompetenzen (92 %)

führte die Auswahl als Lernziel bei ei-

nem signifikant höheren Anteil von Stu-

dierenden zu einem subjektiven positi-

ven Lernfortschritt im Vergleich zu Stu-

dierenden, die diese Kompetenzen nicht

als Lernziel gesetzt hatten. Bei den Kom-

petenzen „Untersuchung des Abdo-

mens“ und „Blutdruck messen“ (wur-

den von weniger als 20 % der Studieren-

den als Schwerpunkt gesetzt) bestand

kein signifikanter Unterschied zwischen

den Gruppen mit und ohne Schwer-

punktsetzung.

In Tabelle 3 werden alle 25 Kom-

petenzen mit den jeweiligen Ergebnis-

sen der Verbesserung (Vorher-Nachher-

Differenz > 0) mit und ohne Schwer-

punktsetzung aufgeführt, wobei fünf

Kompetenzen hervorgehoben sind, bei

denen am häufigsten ein Schwerpunkt

gesetzt wurde (Tab. 3).

Diskussion

In 23 von 25 Kompetenzen (92 %) führ-

te eine Schwerpunktsetzung (Auswahl

als Lernziel) bei einem größeren Anteil

von Studierenden zu einer Verbes-

serung im Vergleich zu Studierenden,

die keinen Schwerpunkt setzten (Tab.

3). Eine Schwerpunktsetzung scheint

also den Lernprozess zu unterstützen.

Keine Differenz zwischen den Gruppen

mit und ohne Schwerpunktsetzung er-

gab sich für folgende zwei Kompeten-

zen:

1. unter körperliche Untersuchung „Ab-

domen“,

2. unter Gerätediagnostik „Blutdruck

messen“.

Möglicherweise liegt dies an den sehr

hohen Eingangswerten in der Selbstein-

schätzung, die keine weitere Steigerung

erlaubten (Daten nicht gezeigt).

Unseres Wissens gibt es bislang kei-

ne andere Untersuchung, die den Ein-

fluss einer Priorisierung von Kompeten-

zen auf den subjektiven Lernfortschritt

im BPA erforscht.

Besonders häufig wurden Schwer-

punkte bei der Interpretation von (kom-

plexen) Untersuchungsbefunden wie

„EKG-Befundung“, „Laborbefunde in-

terpretieren“ und der „Pharmakothera-

pie“ gesetzt, während selten Schwer-

punkte bei praktischen pflegerischen

und medizinischen Tätigkeiten wie „In-

fusion anlegen“ oder „Blutentnahmen“

gesetzt wurden. Wir gehen davon aus,

dass gerade die praktischen Fähigkeiten

durch Pflege- und klinische Praktika in

diesem fortgeschrittenen Studien-

abschnitt bereits beherrscht werden

bzw. manche in der hausärztlichen Pra-

Ravens-Taeuber et al.:Checkliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinChecklist Clerkship Family Medicine

Lernziel

Pharmakotherapie

EKG-Befundung

Laborbefunde interpretieren

Beschreiben und Dokumentieren von Befunden

Otoskopie, Racheninspektion

Bewegungsapparat

Fallvorstellung mit Vorschlägen zum Prozedere

Impfungen durchführen/intramuskuläre Injektionen (i.m.)

Spirometrie

Eigenständig Anamnese erheben und dem Lehrarzt vorstellen

Ergometrie

Wundbehandlung akut, chron.

Thoraxorgane

Neurologische Untersuchung

EKG anlegen

Kopf und Hals

Abdomen

Gefäßstatus erheben

Subkutane Injektionen

Urinuntersuchung (Stix)

Blutdruck messen

Blutentnahmen

Infusion zubereiten und anlegen

Intravenöse Injektionen (i.v.)

Blutzucker messen

Tabelle 2 Welche Lernziele wurden wie häufig priorisiert?

n

268

268

267

268

268

268

267

268

268

264

267

268

268

268

268

268

268

268

268

267

268

268

268

268

268

ja

53,4 %

50,7 %

40,4 %

39,9 %

34,0 %

32,8 %

32,2 %

32,1 %

31,3 %

29,5 %

27,0%

26,9 %

25,0 %

25,0 %

23,5 %

23,1 %

19,4 %

16,8 %

13,4%

12,0 %

10,1 %

9,0 %

8,6 %

7,8 %

6,7 %

nein

46,6 %

49,3 %

59,6 %

60,1 %

66,0 %

67,2 %

67,8 %

67,9 %

68,7 %

70,5 %

73,0%

73,1 %

75,0 %

75,0 %

76,5 %

76,9 %

80,6 %

83,2 %

86,6%

88,0 %

89,9 %

91,0 %

91,4 %

92,2 %

93,3 %

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© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2019; 95 (7-8) ■

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Ravens-Taeuber et al.:Checkliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinChecklist Clerkship Family Medicine

Eigenständig Anamnese erheben und dem Lehrarzt vorstellen (4)

Körperliche Untersuchung

Kopf und Hals (4)

Thoraxorgane (4)

Bewegungsapparat (4)

Abdomen (4)

Neurologische Untersuchung (4)

Gefäßstatus erheben (4)

Beschreiben und Dokumentieren von Befunden (4)

Gerätediagnostik

Otoskopie, Racheninspektion (3)

Blutdruck messen (4)

Blutzucker messen (3)

Urinuntersuchung (Stix) (3)

EKG anlegen (3)

EKG-Befundung (3)

Blutentnahmen (4)

Spirometrie (2)

Ergometrie (2)

Laborbefunde interpretieren (3)

Therapie

Subkutane Injektionen (3)

Intravenöse Injektionen (i.v.) (2)

Impfungen durchführen/intramuskuläre Injektionen (i.m.) (3)

Infusion zubereiten und anlegen (2)

Wundbehandlung akut, chron. (2)

Pharmakotherapie (3)

Fallvorstellung mit Vorschlägen zum Prozedere (3)

(fett markiert: 5 Kompetenzen, bei denen am häufigsten Schwerpunkte gesetzt wurden)

Tabelle 3 Verbesserung (Vorher-Nachher-Differenz > 0) mit und ohne Schwerpunktsetzung

Verbesserung mit

Schwerpunkt

45 (78) 57,7 %

50 (62) 80,6 %

43 (67) 64,2 %

65 (88) 73,9 %

27 (52) 51,9 %

43 (67) 64,2 %

29 (45) 64,4 %

91 (107) 85,0 %

86 (91) 94,5 %

5 (27) 18,5 %

10 (18) 55,6 %

22 (32) 68,8 %

49 (63) 77,8 %

91 (136) 66,9 %

8 (24) 33,3 %

61 (84) 72,6 %

48 (72) 66,7 %

79 (108) 73,1 %

22 (36) 61,1 %

11 (21) 52,4 %

69 (86) 80,2 %

13 (23) 56,5 %

51 (72) 70,8 %

106 (143) 74,1 %

69 (86) 80,2 %

Verbesserung ohne

Schwerpunkt

74 (186) 39,8 %

118 (206) 57,3 %

96 (201) 47,8 %

97 (180) 53,9 %

81 (216) 37,5 %

79 (201) 39,3 %

97 (223) 43,5 %

101 (161) 62,7 %

120 (177) 67,8 %

40 (241) 16,6 %

39 (250) 15,6 %

80 (235) 34,0 %

75 (205) 36,6 %

60 (132) 45,5 %

28 (244) 11,5 %

83 (184) 45,1 %

88 (195) 45,1 %

85 (159) 53,5 %

61 (232) 26,3 %

48 (247) 19,4 %

83 (182) 45,6 %

52 (245) 21,2 %

99 (196) 50,5 %

73 (125) 58,4 %

105 (181) 58,0 %

Chi- Quadrat

7,118

11,122

5,425

9,864

3,624

12,538

6,595

15,754

24,11

0,064

17,942

14,371

32,891

12,538

8,978

17,557

9,761

10,522

17,672

12,238

28,527

14,259

8,825

7,436

12,682

p

0,008

0,001

0,020

0,002

0,057

0,000

0,010

0,000

0,000

0,800

0,000

0,000

0,000

0,000

0,003

0,000

0,002

0,001

0,000

0,000

0,000

0,000

0,003

0,006

0,000

Exakter Test nach Fischer

p

0,008

0,001

0,024

0,002

0,061

0,001

0,014

0,000

0,000

0,787

0,000

0,000

0,000

0,001

0,007

0,000

0,002

0,001

0,000

0,001

0,000

0,001

0,003

0,009

0,000

Page 26: Z FA · 2019-07-16 · Z FA Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family Medicine Juli/August 2019 – Seite 289–336 – 95. Jahrgang 7/8 / 2019 ZFA Zeitschrift für

■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2019; 95 (7-8)

312

xis eher selten vorkommen („intravenö-

se Injektion“).

Die häufige Priorisierung von „Phar-

makotherapie“ kann unterschiedliche

Gründe haben. Einerseits scheinen die

Studierenden großen Respekt vor der

Komplexität dieses Themenbereichs in

der Hausarztpraxis zu haben, anderer-

seits ist der genaue Umfang der Anforde-

rungen im Rahmen des BPA möglicher-

weise unklar und impliziert für die Stu-

dierenden ein sehr umfassendes phar-

makologisches Wissen. Als Konsequenz

der Erkenntnis, dass die Studierenden in

ihrer Schwerpunktsetzung häufig priori-

sieren und hier ein Bedarf besteht, ha-

ben wir „Pharmakotherapie in Hausarzt-

praxen und Multimedikation“ ins Ab-

schlussseminar des BPA aufgenommen.

Dieser Abschnitt wird von klinischen

Pharmakologen der Universitätsklinik

Frankfurt durchgeführt.

Als weitere praktische Konsequenz

haben uns die positiven Ergebnisse be-

züglich des Lernfortschritts bei Priorisie-

rung bestärkt, die Lehrärzte immer wie-

der auf die frühzeitige Besprechung und

den Stellenwert der Schwerpunktset-

zung und des Austauschs samt Feed-

backgeben hinzuweisen. Aufgrund der

mittleren Anzahl an Schwerpunktset-

zungen empfehlen wir inzwischen, dass

maximal sechs Schwerpunkte gewählt

werden. Dies dient der Übersichtlichkeit

und soll eine Beschränkung auf wichtige

und machbare Kompetenzerweiterung

sicherstellen.

Das Feedbackgeben mithilfe der

Checkliste ist nicht Grundlage der Beno-

tung der Studierenden im BPA, sondern

wird zur formativen Beurteilung heran-

gezogen und dient der Dokumentation

von Stärken und Schwächen der Studie-

renden während der Praktikumszeit. Die

Benotung erfolgt gesondert auf einem Be-

wertungsbogen (summative Beurteilung).

Limitationen unserer Untersuchung

sind, dass nur der subjektive Lernfort-

schritt beurteilt werden konnte, da zwar

die Endeinschätzung der Lehrärzt/in-

nen, aber kein objektiver Ausgangswert

vorlag. Unterschiede in der Ausstattung

der einzelnen Praxen können Einfluss

auf die Häufigkeit der Priorisierung ha-

ben. So kann es beispielweise unter „Ge-

rätediagnostik“ vorkommen, dass in

Praxen keine Ergometrie oder Spirome-

trie durchgeführt werden kann. Auch

wenn während der vorangegangenen

klinischen Ausbildung meist keine oder

wenige Möglichkeiten für die Studieren-

den bestehen, diese Punkte kennen-

zulernen oder zu vertiefen (daher die

niedrige Ansetzung der Kompetenzebe-

ne von 2), kann im BPA keine einheitli-

che Möglichkeit gegeben werden, diese

zu erlernen oder zu vertiefen. Daher

sind die hier präsentierten Häufigkeiten

der priorisierten Kompetenzen „Spiro-

metrie“, „Ergometrie“, „intravenöse In-

jektionen (i.v.)“, „Infusionen zubereiten

und anlegen“ und „Wundbehandlung

akut, chron.“ nicht mit der Häufigkeit

der anderen Lernziele vergleichbar.

Die zugrunde liegenden Daten stam-

men aus dem Jahr 2014 und konnten

abschließend erst 2018 ausgewertet wer-

den. Da sich in diesen Jahren aber keine

Änderungen ergaben, hatte dies keinen

Einfluss auf die Ergebnisse.

Schlussfolgerungen

Durch ein systematisches Festlegen von

Kompetenzen als Lernziele kann die

Wahrscheinlichkeit, einen subjektiven

Lernfortschritt zu erzielen, erhöht wer-

den. Die Studierenden haben die Mög-

lichkeit, sich bereits vor Beginn des BPA

auf die Praxiszeit vorzubereiten, und

können durch die Selbsteinschätzung

ihre Kompetenzen reflektieren und ge-

zielt Schwerpunkte mit den Lehrenden

setzen. Die Checkliste mit Lernzielen

scheint ein Instrument zu sein, das den

Lehrenden ermöglicht, gezielter auf spe-

zifische Bedürfnisse und unterschiedli-

che Kompetenzen der Studierenden ein-

zugehen. Die Checkliste unterstützt

Lehrende gezielt beim Feedbackgeben

und kann durch systematische Fest-

legung bestimmter Kompetenzen als

Lernziele die individuelle Praxisausstat-

tung berücksichtigen.

Weiter untersucht werden muss, ob

der subjektive Lernfortschritt auch ob-

jektivierbar ist.

Danksagung: Wir danken ganz herz-

lich Frau Jeannine Lang, die als studenti-

sche Hilfskraft die Daten für unsere Ana-

lyse eingegeben hat und den Lehrärztin-

nen und Lehrärzten für ihre stete Unter-

stützung bei der Ausbildung der Studie-

renden und der Berücksichtigung der

„Checkliste Lernziele“ im BPA sowie

Philipp Elliott für die Überarbeitung der

englischsprachigen Zusammenfassung.

Interessenkonflikte: keine angege-

ben.

Gisela Ravens-Taeuber

Goethe-Universität Frankfurt am Main

Zentrum der Gesundheitswissenschaften

Institut für Allgemeinmedizin

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

[email protected]

frankfurt.de

Korrespondenzadresse

1. Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 2405), die durch Artikel 4 der Verordnung vom 17. Juli 2012 (BGBl. I S. 1539) geändert worden ist

2. Himmel W, Kühne I, Chenot J-F, Scheer N, Primas I, Sigle J. Blockpraktikum All-gemeinmedizin. Gesundheitswesen 2004; 66: 457–461

3. Fischer T, Simmenroth-Nayda A, Herr-

mann-Lingen C, et al. Medizinische Basisfähigkeiten – ein Unterrichtskon-zept im Rahmen der neuen Approbati-onsordnung. Z Allg Med 2003; 79: 432–436

Literatur

Ravens-Taeuber et al.:Checkliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinChecklist Clerkship Family Medicine

… ist seit 2002 Mitarbeiterin im Institut für Allgemeinmedizin in

Frankfurt am Main. Dort leitet sie den Arbeitsbereich „Ausbil-

dung“ und ist verantwortlich für die allgemeinmedizinischen

Lehrveranstaltungen und Lehrprojekte, deren Weiterentwick-

lung und Evaluation. Neben Lehrkoordination ist sie noch aktiv

in der Lehrforschung und hält Seminare für Studierende und

Ärzte mit dem Schwerpunkt „Resilienz als Burn-out-Prophylaxe“.

Gisela Ravens-Taeuber …

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313

4. Fischer T, Chenot J-F, Simmenroth-Nayda A, Heinemann S, Kochen MM, Himmel W. Learning core clinical skills – a survey at 3 time points during medi-cal education. Med Teach 2007; 29: 397–399

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Ravens-Taeuber et al.:Checkliste Blockpraktikum AllgemeinmedizinChecklist Clerkship Family Medicine

21. JAHRESTAGUNG DER

THURE VON UEXKÜLL-AKADEMIE FÜR INTEGRIERTE MEDIZIN (AIM)

Vertrauen und Traumaals Widerspruch und Wirklichkeit

AB FRANKFURT AM MAIN2019

14November

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Eine Tagung über Menschen in Not, auf der Flucht, mit Schmerzen, aber auch mit Wider-standskraft. Von Menschen, die sehr persön-liche Einblicke geben, systemkritische Fragen stellen und die Vertrauen haben: in andere Menschen und in ihr eigenes Tun.

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Die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin als sinnvolle Ergänzung für die AllgemeinmedizinThe Additional Qualification “Manual Medicine“ as a Meaningful Supplement for Family MedicineDana Loudovici-Krug1,2, Wolfram Linz3, Matthias Psczolla3,4, Ulrich Christian Smolenski1,3, Lothar Beyer3

Hintergrund

Zu den Grundfertigkeiten eines Arztes

gehört seit Beginn medizinischen

Handelns die Untersuchung des Kran-

ken durch Palpation sowie die manuel-

le Behandlung [1]. Viele Schmerzsyn-

drome, wie Gelenk- und Muskel-

schmerz, Rückenschmerz oder Schul-

ter-Nackenschmerz haben eine hohe

Lebenszeitprävalenz [2, 3]. Etwa 27 %

gaben in einer in Deutschland durch-

geführten Querschnittsstudie an, un-

ter Schmerzen zu leiden, die seit mehr

als drei Monaten bestehen [4]. Es ist

anzunehmen, dass die oben genann-

ten Schmerzsyndrome ebenfalls da-

runter zu finden sind.

Die Ursachen muskuloskelettaler

Beschwerden mit reduzierter Lebens-

qualität und Schmerz sind aber nicht

nur Schmerzsyndrome, sondern auch

Funktionsstörungen, die erst sekundär

zu Pathologien führen. Jedoch sind

Funktionsstörungen, wie z.B. einge-

schränkte Gelenkmobilität, Muskelver-

kürzung oder verminderte Bindege-

1 Institut für Physiotherapie, Universitätsklinikum Jena 2 Forschungsberatungsstelle für MM 3 Ärzteseminar Berlin (ÄMM) e.V. 4 DGMSM e.V. – Akademie Boppard Peer-reviewed article eingereicht: 29.06.2018, akzeptiert: 02.09.2018 DOI 10.3238/zfa.2019.0314–0318

Hintergrund: Palpation und manuelle Behandlung von Patienten gehören seit jeher zur ärztlichen Tätigkeit. In der vorliegenden Befragung sollte der Stellenwert der Ma-nuellen Medizin in der täglichen Arbeit von Allgemeinme-dizinern ermittelt werden.Methoden: Ein eigens dafür konzipierter Fragebogen wurde an ärztliche Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin verschickt. Für diese Auswertung wurden nur die Stimmen der Allgemeinmediziner gezählt. Ergebnisse: 159 Allgemeinmediziner nahmen an der Be-fragung teil. Fast die Hälfte dieser Kolleginnen und Kolle-gen nutzt manualmedizinische Methoden in ihrer tägli-chen Arbeit sowohl diagnostisch (47 %) als auch thera-peutisch (44 %). Für 82 % der Befragten hat die Manual-medizin einen hohen bzw. sehr hohen Stellenwert. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieser Studie las-sen vermuten, dass die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eine sinnvolle Ergänzung für Allgemeinmediziner bei Patienten mit Bewegungs- und Funktionsstörungen darstellt.

Schlüsselwörter: muskuloskelettale Erkrankungen; manuelle Diagnostik und Behandlung; Funktionsstörungen; Hausarzt

Background: Palpation and manual treatment of pa-tients has always been part of medical treatment. This paper deals with the current role of manual medicine in the daily work of family physicians.Methods: A self-designed questionnaire was sent to members of the German Society of Manual Medicine. Only responses of family physicians were analyzed. Results: 159 family physicians took part in this survey. Almost half of these physicians uses manual methods in their daily routine, for diagnosis (47 %) as well as for treatment (44 %). For 82 % of the interviewees manual medicine plays an important role.Conclusions: The results of this study suggest that a qualification in manual medicine can be a useful supple-ment for family physicians caring for patients with muscu-loskeletal complaints.

Keywords: musculoskeletal diseases; manual diagnostics and therapy; functional motor disorders; family physician

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

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webselastizität, mit der entsprechen-den Behandlung häufig noch rever-sibel. Die Manuelle Medizin (MM) istsowohl in ihren Untersuchungsansät-zen und -techniken als auch hinsicht-lich der Therapiemaßnahmen auf dieMinderung und Eliminierung vonFunktionsstörungen spezialisiert underscheint als geeignete Behandlungvon muskuloskelettalen Beschwerden[1, 5, 6].

So wurden als mögliche Ursachenfür den spezifischen Rückenschmerz zwei funktionelle Entitäten, die soge-nannte Blockierung, eine Hypomobili-tät im Bereich der Wirbelgelenke unddie myofasziale Dysfunktion in dieS2k-Leitlinie „Spezifischer Kreuz-schmerz“ aufgenommen [7]. Ebensowird auch in der nationalen Versor-gungsleitlinie für den unspezifischen Kreuzschmerz MM bzw. Manuelle The-rapie (MT) empfohlen [8]. Die MT wird in Deutschland von Physiotherapeuten durchgeführt. In der MM hat es in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Ent-wicklung weg von der Manipulation (Impuls mit kleiner Amplitude, aber ho-her Geschwindigkeit) hin zur sanften und gezielten Mobilisation an Gelen-ken, Muskeln und Bindegewebe gege-ben. Bisherige größere Reviews beziehen sich praktisch ausschließlich auf Mani-pulationen an der Wirbelsäule oder chronische Schmerzen [9]. Die Bedeu-tung der MM liegt aber nicht nur in dermanuellen Auffindung der Dysfunktio-nen am Bewegungssystem, sondern viel-mehr in der Vermeidung chronifizieren-der Prozesse durch frühzeitige spezi-fische Behandlung.

Dementsprechend erscheint dieMM nicht nur für Fachärzte und Fach-ärztinnen der Physikalischen und Reha-bilitativen Medizin (PRM) bzw. Ortho-pädie/Unfallchirurgie interessant, son-dern zunehmend auch für Allgemein-mediziner. Ein großer Teil der Beschwer-den der Patienten und Patientinnenauch in allgemeinärztlichen Praxen be-zieht sich auf muskuloskelettale Funk-tionsstörungen [10, 11]. Das Anliegender Zusatzweiterbildung „MM/Chiro-therapie“ ist auch die „feste Etablierung [der MM] in der hausärztlichen Primär-versorgung“ [12]. An anderer Stelle wird analog die Verortung der Weiterbildung für MM, neben der Orthopädie, gleich-falls in der Allgemeinmedizin gefordert [13].

Gemäß der aktuellen Weiterbil-dungsordnung der Bundesärztekammer unterteilt sich diese Weiterbildung in ei-nen Grundkurs mit 120 Unterrichtsein-heiten (UE) und einen anschließenden Aufbaukurs mit 200 UE (Details bei [6] S. 49).

Die Deutsche Gesellschaft für Manu-elle Medizin konzipierte für die vorlie-gende Studie einen Fragebogen zum Thema „Welche Rolle spielt die MM in Ihrer ärztlichen Tätigkeit“, der die An-wendungsmöglichkeiten der MM in der täglichen Patientenversorgung abbilden sollte. Ziel war es, darzustellen, wie ma-nualmedizinisch arbeitenden Ärzte und Ärztinnen für Allgemeinmedizin den Einsatz der MM einschätzen.

Abbildung 1 Tägliche Anzahl von Patienten mit MM-Befund unter Allgemeinmedizinern (n = 158)

Abbildung 2 Anteil MM in der Diagnostik

(n = 159)

Abbildung 3 Anteil MM in der Therapie

(n = 159)

Abbildung 4 Stellenwert der MM im

eigenen diagnostischen Spektrum von

Allgemeinmedizinern (n = 158)

Loudovici-Krug et al.:Die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin als sinnvolle Ergänzung für die AllgemeinmedizinThe Additional Qualification “Manual Medicine“ as a Meaningful Supplement for Family Medicine

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316

Methoden

Der Fragebogen wurde zusammen mit

der Forschungsberatungsstelle für MM

mit Sitz am Institut für Physiotherapie

des Universitätsklinikums Jena ent-

wickelt. Folgende Unterpunkte wurden

in zwölf Fragen eingebaut (Tab. 1):

• Berufliche Aspekte: Arbeitsbereich,

Facharztrichtung, Tätigkeitsschwer-

punkte,

• allgemeine Anwendung der MM: akut/

chronisch; muskuloskelettal/kardio-

pulmonal/intestinal,

• prozentuale Häufigkeit der diagnosti-

schen und therapeutischen Anwen-

dung der MM bezogen auf alle medizi-

nischen Maßnahmen,

• prozentuale Häufigkeit der Anwen-

dung von weiterführender Therapie

bei MM-Befund,

• Stellenwert der MM.

Der Fragebogen zielt konkret auf Aus-

sagen zur manualmedizinischen An-

wendung; auf weitere demographische

Erhebungen, wie Alter und Geschlecht,

wurde verzichtet, um die ärztliche Tätig-

keit in den Fokus zu rücken. Ein Ethik-

votum wurde nicht eingeholt.

Ende 2016 wurde der Fragebogen

einmalig an die einzelnen Mitglieder der

DGMM-Seminare per E-Mail oder, wenn

keine E-Mail-Adresse vorlag, postalisch

verschickt. Die ärztlichen Mitglieder

von zwei der drei Mitgliedsgesellschaf-

ten wurden zur Teilnahme an der Befra-

gung gebeten: Ärztevereinigung für Ma-

nuelle Medizin (ÄMM) und Deutsche

Gesellschaft für muskuloskelettale Me-

dizin (DGMSM). Die Anzahl der All-

gemeinmediziner beläuft sich dabei auf

ca. 500. Die genaue Zahl kann nicht an-

gegeben werden, da prinzipiell alle ärzt-

lichen Mitglieder (n = 2475) angeschrie-

ben wurden, bei manchen aber nicht die

weiterführende Facharztrichtung einge-

tragen war, sondern lediglich „Arzt“. Ei-

ne erneute Erinnerung per Mail wurde

nicht durchgeführt.

Im Fall unvollständig ausgefüllter

Fragebogen wurden nur die beantworte-

ten Fragen in der Auswertung berück-

sichtigt, sodass sich die Gesamtzahl bei

den verschiedenen Punkten ggf. unter-

scheidet.

Ergebnisse

Insgesamt konnten die Antwortbögen

von 438 TeilnehmerInnen (TN) aller

Fachbereiche ausgewertet werden. Die

Anzahl der Allgemeinmediziner bezieht

sich dabei auf 159 Ärzte und Ärztinnen,

deren Einschätzung hier dargestellt

wird. Dies sind ca. 30 % der angeschrie-

benen Allgemeinmediziner.

Neben dem Facharzt (FA) für All-

gemeinmedizin gaben elf Ärzte noch ein

weiteres FA-Zertifikat an (Orthopädie,

PRM, Pädiatrie, Anästhesie) bzw. eine

weitere Zusatzweiterbildung (Sport-

medizin, Arbeitsmedizin). Der Großteil

der Allgemeinmediziner ist in einer am-

bulanten Praxis tätig (n = 121), weitere

37 TN speziell in einer Privatpraxis. Als

besonderer Tätigkeitsschwerpunkt wird

von den meisten die Akupunktur

(n = 68) genannt, an zweiter Stelle die

Schmerztherapie (n = 38) und an dritter

Stelle Kinderbehandlung (n = 16) bzw.

Psychotherapie (n = 15). Als sonstiger

Schwerpunkt (n = 46) wurden MM, Os-

teopathie, Chirotherapie, Sportmedizin

und Naturheilkunde erwähnt.

Im Durchschnitt werden von den

befragten Allgemeinmedizinern täglich

Loudovici-Krug et al.:Die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin als sinnvolle Ergänzung für die AllgemeinmedizinThe Additional Qualification “Manual Medicine“ as a Meaningful Supplement for Family Medicine

1. In welchem Arbeitsbereich sind Sie beschäftigt?

2. In welcher FA-Richtung sind Sie tätig?

3. Haben Sie besondere Tätigkeitsschwerpunkte?

4. a) Bei welchen Erkrankungen wenden Sie die Manuelle Medizin vorwiegend an:

b) Bei welchen Erkrankungen wen-den Sie die Manuelle Medizin vorwiegend an:

5. Wie groß ist der Anteil der Manuel-len Medizin in Ihrem Praxisalltag hinsichtlich der DIAGNOSTIK?

6. Wie groß ist der Anteil der Manuel-len Medizin in Ihrem Praxisalltag hinsichtlich der THERAPIE?

7. a) Wie viele Patienten behandeln Sie PRO TAG in einer durch-schnittlichen Arbeitswoche?

b) Wie viele davon mit MANUALME-DIZINISCHEM BEFUND?

(Fragen 8–10 beziehen sich auf alle Patienten mit MANUALMEDIZINISCHEM BEFUND)

8. Wie groß ist der Anteil verordneter Manueller Therapie als Rezept pro Tag in einer durchschnittlichen Ar-beitswoche?

9. Wie groß ist der Anteil von sonsti-gen Verordnungen (Krankengym-nastik, Sporttherapie, etc.) in einer durchschnittlichen Arbeitswoche?

10. Wie häufig leiten Sie Ihre Patien-ten zu Eigenübungen an?

11. a) Wie oft empfehlen Sie Ihren Pa-tienten Präventionsangebote?

b) Falls ja, welche?

12. Welchen Stellenwert messen Sie der Manuellen Medizin in Ihrem diagnostischen Spektrum bei?

Tabelle 1 Fragebogen zur Anwendung der Manuellen Medizin

Krankenhaus, Reha-Klinik, Arztpraxis/MVZ, Privatpraxis

Allgemeinmedizin, Neurologie, Pädiatrie, PhysRehabMedizin, Anästhe-sie, Orthopädie/Chirurgie, Sonstige

Schmerztherapie operative Therapie Akupunktur/Neuraltherapie, Kinderbe-handlung, Psychotherapie, Sonstige

a) bei akuten, bei chronischenb) Bewegungssystem betreffend, kar-

diopulmonale, intestinale, Sonstige:

(0–100 % in 10er Schritten)

(0–100 % in 10er Schritten)

a) …b) keine, 1–5x/Tag, 6–10x/Tag, > als

10x/Tag

(0–100 % in 10er Schritten)

(0–100 % in 10er Schritten)

(0–100 % in 10er Schritten)

a) gar nicht, mehr als 1x/Monat, mehr als 1x/Woche, täglich

b) …

gar keinen, gering, mittel, hoch, sehr hoch

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Dana Loudovici-Krug

Institut für Physiotherapie

Universitätsklinikum Jena

Am Klinikum 1

07747 Jena

Tel.: 03641 9325280

[email protected]

Korrespondenzadresse

53 Patienten behandelt. Die Verteilung

der Patienten mit MM-Befund ist relativ

identisch hinsichtlich der Auswahlmög-

lichkeiten (> 10/Tag, 6–10/Tag und

1–5/Tag; Abb. 1). Zwei Drittel der TN ge-

ben an, dass täglich mehr als sechs bzw.

mehr als zehn Patienten mit MM-Be-

fund in Ihrer Praxis vorstellig werden.

Die MM wird von den TN vorrangig

bei muskuloskelettalen Beschwerden

eingesetzt (n = 157). Allerdings werden

bestimmte Techniken auch bei kardio-

pulmonaler (n = 12) oder intestinaler In-

dikation (n = 21) genutzt, worauf an die-

ser Stelle nicht weiter eingegangen wer-

den soll. Fast die Hälfte der genutzten

Verfahren durch die TN entspricht ma-

nualmedizinischen Maßnahmen; so-

wohl diagnostisch als auch therapeu-

tisch (Abb. 2 und 3).

Des Weiteren wurden weiterfüh-

rende Behandlungen für Patienten mit

MM-Befund erfragt. 53 % gaben die re-

gelmäßige Anleitung ihrer Patienten

zu Eigenübungen an. 24 % der TN re-

zeptieren die Weiterbehandlung mit

Manueller Therapie und 27 % der TN

gaben an, sonstige das Bewegungssys-

tem betreffende ambulante Therapien

zu verordnen (Krankengymnastik,

Sporttherapie etc.). Zirka die Hälfte der

Befragten gibt täglich bewegungsthe-

rapeutische Empfehlungen zu weiter-

führenden Präventionsangeboten

(n = 77).

Die abschließende Frage zum per-

sönlichen Stellenwert der MM bezogen

auf das eigene diagnostische Spektrum

spiegelt diese Ergebnisse wider (Abb. 4).

Für 82 % der teilnehmenden Allgemein-

mediziner spielt die MM eine wichtige

bzw. sehr wichtige Rolle.

Diskussion

Ein Großteil der TN gibt an, täglich

mehrmals Patienten mit MM-Befund

zu versorgen, was sowohl die Bedeu-

tung der manuellen Diagnostik und

manuellen Behandlung als auch die

Sinnhaftigkeit einer erworbenen Zerti-

fikatweiterbildung in MM unter-

streicht. Obwohl die TN fast jeweils zur

Hälfte angegeben haben, die einzelnen

Maßnahmen des manualmedizi-

nischen Spektrums zu nutzen, sind die

behandelten Beschwerdebilder durch

unseren Fragebogen nicht erfasst wor-

den. Nach den hier dargestellten Ergeb-

nissen erscheint es erforderlich, in wei-

teren Studien die Inzidenzen der mit

MM behandelten Beschwerdebilder zu

erheben, sowie den Behandlungsablauf

als auch den Behandlungserfolg zu do-

kumentieren.

Die MM zielt auf die Therapie von

Funktionsstörungen des Bewegungs-

systems. Damit offeriert sie als Zusatz-

weiterbildung auch Allgemeinmedizi-

ner eine Behandlungsoption für Pa-

tienten, die wegen Rücken-, Gelenk-

oder muskulären Beschwerden ihren

Hausarzt aufsuchen. Knüpfer et al.

konnten mittels semistrukturierter In-

terviews zeigen, dass der hohe Stellen-

wert durch den unabdingbaren direk-

ten Kontakt mit den Patienten einher-

geht [14]. Auch in der vorliegenden Be-

fragung wird die MM von drei Viertel

der TN als wichtig oder sogar sehr wich-

tig eingestuft.

Schmerzen im Bewegungssystem

insbesondere auch die Beschwerden

und Schmerzen im Nacken und Schul-

terbereich, wie sie häufig an Bild-

schirmarbeitsplätzen und auch schon

im Schulalter auftreten, sind gekenn-

zeichnet von einer Multikausalität, die

von den gängigen ICD10-Diagnosen

nicht abgebildet wird. Bei den schmerz-

haften Beschwerden des muskuloske-

lettalen Systems steht bislang der

Schmerz im Vordergrund, während die

funktionellen Störungen sowie psy-

chische Faktoren bisher unzureichend

untersucht wurden. Dies ist möglicher-

weise ein Grund, weshalb die Nachfra-

ge nach manueller Diagnostik und Be-

handlung (häufig weniger differenziert

unter dem Begriff der Osteopathie de-

klariert) gestiegen ist. Inzwischen sind

auch die funktionellen Entitäten „Hy-

pomobilität der Wirbelgelenke“ und

„myofasziale Dysfunktion“ als Ursa-

chen spezifischer Rückenschmerzen in

die dementsprechende Leitlinie einge-

gangen, wobei die MM als Behand-

lungsoption empfohlen wird [7, 15].

In der Darstellung eines Tagespro-

fils in einer manualmedizinisch tätigen

Allgemeinarztpraxis wird konstatiert,

dass die Patientenzahl mit manualme-

dizinischer Indikation proportional zu

Erfahrung und Qualifikation des Be-

handlers steigt, die zusätzlich auf-

gewendete Zeit jedoch im Verhältnis

zur hohen Effektivität der Behandlung

steht [1].

Als eine Limitation der Umfrage ist

die relativ geringe Rücklaufquote von

ca. 30 % zu werten. Die Gruppe der All-

gemeinmediziner mit der Zusatzquali-

fikation MM, deren Antworten hier

dargestellt sind, war dementsprechend

klein (n = 159). Des Weiteren wurden

ausschließlich Mitglieder der DGMM

befragt. Es ist davon auszugehen, dass

auf diesem Weg nicht alle Ärzte Ärztin-

nen erreicht wurden, die über die Zu-

satzqualifikation MM in Deutschland

verfügen.

Ein weiterer Punkt ist der Fragebo-

gen, der bislang durch keine Validie-

rung oder vorhergehende Testung be-

stätigt wurde. Demzufolge ist eine Wei-

terentwicklung auf Grundlage der bis-

herigen Ergebnisse anzustreben.

Interessenkonflikte: Dana Loudovi-

ci-Krug gibt an, dass die Forschungsbera-

tungsstelle Manuelle Medizin von der

„Deutschen Stiftung Manuelle Medizin“

gefördert wird. Die anderen Autoren ge-

ben keine Interessenkonflikte an.

Loudovici-Krug et al.:Die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin als sinnvolle Ergänzung für die AllgemeinmedizinThe Additional Qualification “Manual Medicine“ as a Meaningful Supplement for Family Medicine

… ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Physiotherapeutin am

Institut für Physiotherapie des Universitätsklinikums Jena. Des

Weiteren begleitet sie die Forschungsberatungsstelle für Manu-

elle Medizin (MM), gefördert von der Stiftung für MM.

Dana Loudovici-Krug …

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Literatur

Loudovici-Krug et al.:Die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin als sinnvolle Ergänzung für die AllgemeinmedizinThe Additional Qualification “Manual Medicine“ as a Meaningful Supplement for Family Medicine

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten Sie ganz herzlich zur jährlichen Mitgliederversammlung der DEGAM einladen (entspr. § 6, Abs. 1 der DEGAM-Satzung). Diese findet statt am Donnerstag, 12. September 2019 um 18:45 Uhr (Ende ca. 20:15 Uhr) im Universitätsklinikum Erlangen, Maximiliansplatz 2, 91054 Erlangen.

Die Mitgliederversammlung ist wie jedes Jahr in unseren wissenschaftlichen Kongress eingebunden.

Bitte beachten Sie:Da die Dauer der Versammlung durch das Kongressprogramm begrenzt ist, werden die Berichte sehr kurz gefasst und in schriftlicher Form, u.a. in der ZFA und auf der DEGAM-Website (interner Bereich) vorgelegt.

Tagesordnung (Stand 17. April 2019)

1. Begrüßung, Feststellung der Beschlussfähigkeit, Genehmigung des Protokolls der letzten Mitgliederversammlung, Genehmigung der Tagesordnung

2. Gedenken an die verstorbenen Mitglieder 3. Bericht der Präsidentin und des Geschäftsführers 4. Bericht des Schatzmeisters und der Kassenprüfer 5. Bericht der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin 6. Entlastung 7. Wahlen des Präsidiums, der Sektionssprecher und Stellvertreter sowie des Vorstands der Stiftung 8. Bericht über die DEGAM-Leitlinienarbeit 9. Bericht der Jungen Allgemeinmedizin Deutschlands (JADE)10. Sonstiges

Prof. Dr. Erika Baum, Präsidentin

Prof. Dr. Anne Simmenroth, Schriftführerin

Einladung zur Mitgliederversammlung der DEGAM

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319DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

Interventionsstudien zur Gesprächsführung in der hausärztlichen VersorgungErfahrungsbericht zur Teilnahmebereitschaft von Hausärztinnen und Hausärzten

Communication-based Intervention Studies in Family Practice

Experiences With Participation, Recruitment and Motivation of Study Practices

Verena Leve1, Simone Steinhausen2, Marie Ufert1, Michael Pentzek1, Achim Mortsiefer1, Sara Santos1, Anja Wollny3, Bettina Haase3, Ottomar Bahrs1, Susanne Heim4, Karl-Heinz Henze5, Iris Tinsel6, Susanne Löscher1, Norbert Donner-Banzhoff7, Charles Christian Adarkwah7,8, Frank Vitinius9, Edmund Neugebauer10, Stefan Wilm1

1Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2Köln 3Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock 4Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen 5Lou Andreas-Salomé Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie, Göttingen 6Lehrbereich Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwig-Universität Freiburg 7Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Philipps-Universität Marburg 8Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Fakultät für Lebenswissenschaften, Universität Siegen 9Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinik Köln 10Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Campus Neuruppin Peer-reviewed article eingereicht: 12.09.2018, akzeptiert: 07.12.2018 DOI 10.3238/zfa.2019.0319–0324

Zusammenfassung: Hausärztinnen und Hausärzte sind zentrale Partner in der allgemeinmedizinischen Forschung. Aber Forschung ist nicht Teil des hausärztlichen Versor-gungsalltags. Hausärzte und Hausärztinnen für die Betei-ligung an Forschung zu interessieren und zu gewinnen, stellt allgemeinmedizinische Forschungsinstitute vor be-sondere Herausforderungen. In einem eintägigen Workshop diskutierten 23 Vertreter/innen aus acht allgemeinmedizinischen Studiengruppen ihre Erfahrungen zur Teilnahmebereitschaft von Hausarzt-praxen an Interventionsstudien zur Gesprächsführung. Die Erfahrungen zeigen, dass es bereits bei der Erarbeitung der Forschungsfrage und der Planung des Studiendesigns notwendig ist, den hausärztlichen Versorgungsalltag kon-kret abzubilden. Insbesondere bei Forschung zu Ge-sprächsführung gilt es, Kommunikationskompetenzen der Hausärztinnen und -ärzte angemessen zu berücksichtigen. Der Einsatz hausärztlicher Peers bei der Vermittlung von Gesprächstechniken hat sich als hilfreich erwiesen. Vor dem Hintergrund der bestehenden Kompetenzen und Lernbedürfnisse gibt es bei hausärztlichen Studienärzten unterschiedliche Erwartungen an Studien zur Gesprächs-führung. Dies erfordert auch auf Seiten des Forschungs-teams besondere Flexibilität.

Schlüsselwörter: Allgemeinmedizin; Versorgungsforschung; Kommunikation; Gesprächsführung; Praxisrekrutierung

Abstract: Family physicians are important partners in family practice research. To get practices actively involved in research activities is one of the most challenging aspects. Therefore the experience gained by 23 representatives from eight family medicine research groups during com-munication-based intervention studies with family prac-tices, were identified. The researchers discussed their ex-periences with participation, recruitment and motivation of study practices. Results show that an early involvement of family physicians in identifying relevant research questions and in devel-oping concrete study designs is important to assure prac-tice relevance and transferability. In research on patient-doctor communication, family physicians’ expertise needs to be taken into account to increase practitioners’ willing-ness to participate. Peer training strategies have been shown to be useful in improving communication skills.With regard to individual competences and learning needs, family physicians show a broad range of expec-tations of communication-based interventions. Therefore, research teams need to provide flexibility to meet partici-pants’ needs and expectations.

Keywords: family practice; health service research; communi-cation; participant recruitment

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Hintergrund

Ein Ziel allgemeinmedizinischer For-

schung ist es, Strukturen, Prozesse und

Interaktionen im hausärztlichen Praxis-

alltag zu verstehen und zur Versorgungs-

verbesserung beizutragen. Dabei gilt es,

zum einen aus dem Erleben des Praxisall-

tags heraus gemeinsam mit Hausärzten

relevante Forschungsfragen zu generie-

ren. Zum anderen wird in allgemeinme-

dizinischen Praxen Forschung umge-

setzt. Die hausärztliche Praxis steht als

Forschungspartner im Mittelpunkt [1].

Hausarztpraxen für Studien zu ge-

winnen und zur kontinuierlichen Studi-

enteilnahme zu motivieren ist in all-

gemeinmedizinischen Forschungspro-

jekten eine besondere Herausforderung

[1, 2, 3, 4, 5]. Als förderlich für die Teil-

nahmemotivation von Hausarztpraxen

an Forschungsprojekten werden die Re-

levanz des zu untersuchenden Themas

für die eigene Praxis, der geringe zeitli-

che Aufwand sowie die Beteiligung bei

der Entwicklung von Forschungsfragen

und Forschungsprozessen benannt [1, 2,

5, 6, 7, 8]. Ausgehend von dem Zusam-

menhang zwischen der Relevanz des

Themas für die eigene hausärztliche Tä-

tigkeit und der Beteiligung an all-

gemeinmedizinischer Forschung stellt

sich die Frage, ob sich aus Interventions-

studien zur Gesprächsführung Beson-

derheiten für die Gewinnung von Studi-

enpraxen ableiten lassen.

Das Gespräch mit Patientinnen und

Patienten ist ein zentrales Element jeder

ärztlichen Tätigkeit [9]. Kommunikative

Fähigkeiten und die ärztliche Ge-

sprächsführung machen eine wesentli-

che hausärztliche Kernkompetenz aus.

In der Art der Gesprächsführung kom-

men das hausärztliche Handeln und das

eigene hausärztliche Selbstverständnis

zum Ausdruck. Allgemeinmedizinische

Forschung zur Gesprächsführung und

kommunikationsbasierte Interventio-

nen berühren demnach einen zentralen

Bereich hausärztlicher Identität. Der

vorliegende Beitrag geht daher der Frage

nach, ob für die Gewinnung von haus-

ärztlichen Praxen für Forschungsprojek-

te zur Gesprächsführung besondere Vo-

raussetzungen bestehen, die von bishe-

rigen Erkenntnissen zur hausärztlichen

Studienbeteiligung abweichen.

Austausch zur Beteiligung an Forschungsprojekten

Ausgehend von den dargestellten Über-

legungen wurden in einem eintägigen

Workshop zu Erfahrungen in der Durch-

führung von Interventionsstudien zur

Gesprächsführung in der Primärversor-

gung folgende Fragen diskutiert:

• Wie können Hausarztpraxen erfolg-

reich für Interventionsstudien zur Ge-

sprächsführung rekrutiert werden?

• Welche themenspezifischen Heraus-

forderungen für die Teilnahme gibt es?

• Wie können Studienärzte und -innen

motiviert werden, trotz zusätzlichen

zeitlichen Aufwands an Kommunikati-

onstrainings teilzunehmen?

Am Workshop nahmen Vertreter von

sieben allgemeinmedizinischen Institu-

ten, einem medizinsoziologischen Insti-

tut sowie weitere Forschungseinrichtun-

gen (Psychosomatik, Operative Medizin

etc.) aus insgesamt acht Forschungs-

gruppen teil. Am Bespiel konkreter For-

schungsprojekte wurden die o.a. Fra-

gestellungen in der multiprofessionel-

len Gruppe (Allgemeinmedizin, Psycho-

logie, Soziologie, Public Health, Ge-

sundheitsökonomie u.a.) diskutiert. Der

Workshop wurde audioaufgezeichnet

und anschließend mittels eines Matrix-

verfahrens ausgewertet [10]. Hierzu wur-

de ein einfaches Matrixverfahren ge-

nutzt, das eine Projektspezifische sowie

themenspezifische Zuweisung der er-

fassten Ergebnisse ermöglichte.

Die in Tabelle 1 vorgestellten Inter-

ventionsstudien für Hausärztinnen und

Hausärzte1 haben zum Ziel, Techniken

zur Gesprächsführung mit Patientinnen

und Patienten zu vermitteln. Die Inter-

ventionen zur Gesprächsführung wer-

den im Rahmen von Fortbildungen ver-

mittelt, die sich in Aufbau, Zielsetzung

als auch hinsichtlich didaktischer Me-

thoden unterscheiden. Eingesetzt wer-

den z.B. Fortbildungen zu Entschei-

dungshilfen auf freiwilliger Basis, Fortbil-

dungen zu Gesprächstechniken wie nar-

rativer Gesprächsführung oder zu Bilan-

zierungsdialogen sowie Kommunikati-

onstrainings zur allgemeinen Gesprächs-

strukturierung und gemeinsamer Ent-

scheidungsfindung. Die Vermittlung

von Gesprächstechniken erfolgt in un-

terschiedlichen Settings von peer educa-

tional outreach visit (Eins-zu-eins-Kon-

takt) bis zu Gruppen von bis zu 12 Teil-

nehmenden. Didaktisch kommen über-

wiegend Impulsreferate in Verbindung

mit Rollenspielen und Kleingruppen-

arbeiten zum Einsatz. Ein Teil der Ange-

bote wird auch als onlinebasierte Semi-

nare (Webinare) durchgeführt.

Ergebnisse zur Gewinnung von hausärztlichen Studienpraxen

Allgemeine Ansprache

Die erste Studieninformation zu For-

schungsprojekten zur Gesprächsfüh-

rung erfolgt i.d.R. postalisch oder über

Fax-Anschreiben.

Auf die erste schriftliche Projekt-

information folgen i.d.R. telefonische

Kontaktaufnahmen. Die Studiengrup-

pen haben hierfür Telefonleitfäden mit

Informationen zum Studiendesign, dem

zu erwartenden Zeitaufwand und spezi-

fischen Mehrwert für die Gesprächsfüh-

rung im Praxisalltag entwickelt. Projekt-

mitarbeiter/innen benötigen für die An-

sprache von Studienärztinnen und -ärz-

ten ausgeprägte Kommunikationsfähig-

keiten, die ggfs. in Rollenspielen trainiert

werden. Außerdem sollten sie für Abläu-

fe und Probleme des hausärztlichen Pra-

xisalltags sensibilisiert sein.

Spezifische Zugänge zu Studienpraxen

In den diskutierten Interventionsstudien

kamen vor allem regionale Netzwerke

von forschungsinteressierten Hausarzt-

praxen zum Einsatz. Der Aufbau eines

Forschungspraxen-Netzwerks durch ein

allgemeinmedizinisches Institut oder im

Verbund mit mehreren Standorten er-

leichtert aus Sicht der Workshop-Teil-

nehmenden die Rekrutierung für For-

schungsprojekte. Weitere Möglichkeiten

zur Ansprache ergeben sich bei Lehrarzt-

treffen, in Qualitätszirkeln oder anderen

Fortbildungen. Das Forschungsvorhaben

kann so im direkten Kontakt einer größe-

ren Gruppe von potenziell Interessierten

vorgestellt werden. Der Sorge vor Bewer-

tung der individuellen Fähigkeiten zur

1 In der CoTrain-Studie wurde eine Intervention zur Gesprächsführung zunächst unter Beteiligung von Hausärztinnen und -ärzten entwickelt. Die Interventionsstudie befindet sich derzeit in der Planung.

Leve et al.:Interventionsstudien zur Gesprächsführung in der hausärztlichen VersorgungCommunication-based Intervention Studies in Family Practice

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Gesprächsführung im Rahmen des For-

schungsprozesses kann im offenen Ge-

spräch mit potenziellen Studienpraxen

dann direkt begegnet werden.

Kontextbezug in der Ansprache

Aus Sicht der Workshop-Teilnehmen-

den bedarf es einer konkreten Zielfor-

mulierung, die sowohl Hauptanliegen

des Forschungsprojekts als auch positive

Effekte für die Studienärzte benennt. Als

wirksam erweist sich dabei, individuelle

Effekte wie Zeitersparnis durch effektive

und strukturierte Kommunikation so-

wie die Steigerung der Zufriedenheit mit

der eigenen Tätigkeit durch neue Ge-

sprächstechniken konkret zu benennen.

Bei zu abstrakten Fragestellungen

oder Zielen bleibt möglicherweise un-

klar, warum erhoffte Effekte sich einstel-

len sollten. So kann beispielsweise das

allgemeine Ziel, die Versorgung zu ver-

bessern, vor dem Hintergrund der erleb-

ten Komplexität der hausärztlichen Ver-

sorgungssituation und den Lebenswirk-

lichkeiten der Patienten und Patientin-

nen einer skeptischen Haltung gegen-

über der Studie münden.

Forschungspraxen als Forschungspartner

Studienärztinnen und -ärzte als Mitgestal-

tende einzubinden hat sich in den dis-

kutierten Forschungsprojekten als hilf-

reich erwiesen. Insbesondere bei der For-

mulierung und Schärfung von For-

schungsfragen sowie bei der Entwicklung

von Interventionen zur Gesprächsfüh-

rung ergeben sich vielfältige Beteiligungs-

möglichkeiten. Bei der Umsetzung von

Wirksamkeitsstudien hingegen wird die

Beteiligung von Studienpraxen an der

Entwicklung des Studiendesigns kritisch

diskutiert, sowohl aus methodischer als

auch forschungsethischer Sicht.

Ergebnisse zur Teilnahmemotivierung

Praxisrelevanz der Gesprächstechnik

Es hat sich bewährt, den Mehrwert für

die eigene hausärztliche Tätigkeit dar-

zustellen, der sich durch eine Studien-

teilnahme und ganz konkret durch die

Teilnahme an Interventionselementen

wie Fortbildungen ergibt. Die Vorausset-

zung für eine solche Bewertung durch

Studienärzte und -ärztinnen ist, dass aus

dem Alltagserleben heraus ein Problem

besteht und ein Interesse an Handlungs-

strategien zur Lösung dieses Problems

geweckt werden kann. Folgende Infor-

mationen und Vorgehensweisen haben

sich bei der Motivierung der Hausarzt-

praxen aus Sicht der Workshop-Teilneh-

menden als hilfreich erwiesen:

• Herausforderung der Versorgungs-

situation konkret benennen, für die

die jeweilige Maßnahme geeignet er-

scheint (z.B. schwierige Gespräche,

schwierige Anlässe, Zeitdruck etc.),

• Interventionen als relevant für die

hausärztliche Versorgung, praxisnah

und interessant herausstellen,

• Leitung der Fortbildung durch haus-

ärztliche Peer-Trainer/innen und ggf.

weitere Expertinnen und Experten.

Die Fortbildung zur Gesprächsfüh-

rung findet ausschließlich in einer

Gruppe von Hausärztinnen und -ärz-

ten statt,

• Studiendurchführung am hausärzt-

lichen Alltag ausrichten (begrenzter

Umfang und Art der Erhebungen in

der Praxis, Trainingszeiten mitt-

wochs-, freitagsnachmittags oder ggf.

an Wochenenden etc.),

• Aufwand für die Studienpraxen kon-

kret benennen wie beispielsweise die

Dauer von Fortbildungen, begrenzte

Einbindung von medizinischen Fach-

angestellten beispielsweise bei Video-

aufzeichnungen und Befragungen von

Patientinnen und Patienten,

• aktuelle Entwicklungen in der Praxis

(Erkrankungswellen, Abrechnungen

etc.) sowie jahreszeitlicher Kontexte

(Urlaubszeiten, Festtage etc.) und de-

ren mögliche Auswirkungen auf die

Umsetzung der erlernten Gesprächs-

techniken berücksichtigen,

• teilnehmende Hausärztinnen und

-ärzte als Experten mit langjähriger Er-

fahrung in der Arzt-Patient-Kommuni-

kation anerkennen,

• Auswertungen/Ergebnisse für die ein-

zelne Praxis aufbereiten beispielsweise

über Videofeedbacks durch hausärztli-

che Trainer.

Einsatz von finanziellen oder materiellen Anreizen

Inwiefern der Einsatz von finanziellen

oder materiellen Anreizen im Sinne einer

Entschädigung für zusätzliche studien-

bezogene Leistungen oder bei Verdienst-

ausfall zu einer Steigerung der Teilnahme-

bereitschaft beiträgt, wird kritisch dis-

kutiert. Die Erfahrungen zu Interventi-

onsstudien zur Gesprächsführung zeigen,

dass Anreize bei der ersten Ansprache

grundsätzlich positiv von Hausärztinnen

und -ärzten wahrgenommen werden. Für

die durchgängige Studienbeteiligung kön-

nen allerdings nur bedingt positive Effek-

te durch Anreizsysteme erzielt werden.

Mögliche Ursachen hierfür können

sein:

• Im Rahmen von öffentlich geförderten

Forschungsprojekten zur Gesprächs-

führung ist es schwierig, hohe Auf-

wandsentschädigungen, Fallpauscha-

len oder eine hohe Anzahl von Fortbil-

dungspunkten für die Studienärztin-

nen und -ärzte anzubieten. Nur sehr

selten ist die Anschaffung von medizi-

nischen oder anderen Geräten wie

Tablets o.ä. gerechtfertigt, die nach er-

folgreicher Studienteilnahme in das

Praxiseigentum übergehen und somit

als zusätzlicher Anreiz gelten können.

• Durch Anreize und daran geknüpfte

vertragliche Vereinbarungen steigt das

Maß an Verbindlichkeit. Allerdings

zeigen die Erfahrungen der Workshop-

Teilnehmenden, dass gerade bei Inter-

ventionsstudien zur Gesprächsfüh-

rung diese Verbindlichkeit zu eher ab-

lehnenden Haltungen führen können.

Studienärztinnen und -ärzten scheint

es wichtig zu sein, zunächst Ge-

sprächstechniken im Detail kennen-

zulernen und zu prüfen ob sie mit eige-

nen Handlungsmustern und Haltun-

gen vereinbar sind, bevor verbindliche

Vereinbarungen eingegangen werden.

Förderung von Kompetenzerleben im Forschungsprozess

Eigene Erfahrungen in der Kommuni-

kation können leichter im Austausch

mit hausärztlich tätigen Kollegen

und Kolleginnen erkannt und be-

nannt werden. Die Möglichkeit, eige-

ne Fälle einzubringen und in Rollen-

spielen/Kommunikationsübungen zu

bearbeiten, kann die Auseinanderset-

zung mit den eigenen Kommunikati-

onsstrategien fördern.

Teilnehmende werden dann moti-

viert, wenn ihre Kommunikations-

fähigkeiten wertgeschätzt und die Ver-

besserung und Erleichterung des indi-

Leve et al.:Interventionsstudien zur Gesprächsführung in der hausärztlichen VersorgungCommunication-based Intervention Studies in Family Practice

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viduellen Praxisalltags in den Vorder-

grund gestellt werden. Theoretische

Ansätze und Modelle werden als unter-

stützend empfunden, wenn die Ver-

knüpfung mit den eigenen kommuni-

kativen Fähigkeiten im Rahmen der

Intervention ermöglicht werden kann.

Gelingt es, eigene Kompetenzen ein-

zubringen und den Blick darauf zu er-

möglichen, können Studienärztinnen

und -ärzte in ihrem selbstreflexiven

Prozess gestärkt werden. Einige Studi-

enärztinnen und -ärzte signalisierten

Interesse an zusätzlichen Treffen für

den Erfahrungsaustausch.

Leve et al.:Interventionsstudien zur Gesprächsführung in der hausärztlichen VersorgungCommunication-based Intervention Studies in Family Practice

Name der Studie

Bilanzierungsdialoge (BD) als Mittel zur Förderung von Patientenorientierung und zur Verbesserung der hausärztlichen Behandlungsqualität bei Menschen mit chronischer Krankheit (BILANZ) [11]

Beeinflussung des ärztlichen Verordnungsverhaltens von Antibiotika bei Atemwegsinfekten in der deutschen Primärversor-gung (Change-2) [12]

Cluster-randomisierte Interventi-onsstudie zur Optimierung der Behandlung von Patienten mit ar-terieller Hypertonie (CRISTOPH) [13]

Entwicklung und Evaluation eines Four-Habits-basierten Kommunikationstrainings für deutsche Hausärzte (CoTrain)

Verbesserung der Versorgung „schlecht eingestellter“ Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (Debate) [14]

Interventionsstudie zur Verbesserung der medizinischen Versorgung multimorbider Pa-tienten mithilfe des Chronic-care-Modells (Multicare Agenda) [15]

Optimierung der Blutdruckein-stellung durch die Implementie-rung eines Ärztetrainings in parti-zipativer Entscheidungsfindung (PEF) [16]

Optimierung der Risiko-Kommu-nikation durch die Darstellung der Veränderbarkeit der ereignis-freien Lebenszeit (OptRisk) [17]

BD = Bilanzierungsdialoge; CVR = Kardiovaskuläres Gesamtrisiko; PEF = Partizipative Entscheidungsfindung; SDM = Shared Decision Making; PEF-FB = Partizipative Entscheidungsfindung-Fragebogen

Tabelle 1 Übersicht der beteiligten Forschungs projekte

Beteiligte Standorte

Düsseldorf, Göttingen, Witten

Rostock, Dresden, Freiburg

Düsseldorf, Bremen

Düsseldorf, Köln, Witten/Herdecke

Rostock, Düsseldorf, Witten

Hamburg, Düsseldorf, Rostock, Hannover

Freiburg

Marburg

Zielsetzung

Verbesserung der Versorgung von Patienten mit chronischen Erkran-kungen durch regelmäßige BD

Reduktion der Anzahl von Antibioti-ka-Verordnungen bei Atemwegsin-fekten

Verbesserung des kardiovaskulären Gesamtrisikos (CVR) bei Patienten der Primärprävention mit hohem Ausgangs-CVR (5-Jahresmortalität ≥ 5%)

Entwicklung und Evaluation eines Kommunikationstrainings

Verbesserung der hausärztlichen Ver-sorgung von schlecht eingestellten Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2

Studienziel: Verbesserung der Versor-gung von hausärztlichen Patienten mit Multimorbidität; primärer End-punkt: Reduktion von Polypharmazie bei Erhaltung der Lebensqualität

Primäre Endpunkte: 1. Verbesserung der Partizipation (PEF-FB9) 2. Senkung des systolischen Blut-drucks

Entwicklung von neuen Time-to-event Formaten und deren Vergleich mit Zehn-Jahres-Risikodarstellungen für kardiovaskuläre Ereignisse; pri-märer Endpunkt: Partizipation (SDM, PEF-FB) und diverse sekundä-re Endpunkte

Studiendesign

Mixed methods design:– Cluster-randomisierte Interventi-

onsstudie explorative qualitative Studie Beobachtungszeitraum 1 Jahr/pro Praxis

Intervention I: 1½-tägige Fortbildung der Hausärz-te zum Führen von BD

Intervention II: Durchführung von ca. 2–4 halbstündigen BD mit bis zu 20 Patienten

Videodokumentation von 5 Gesprä-chen

Cluster-randomisierte Interventions-studie

Cluster-randomisierte Interventions-studie

Qualitative Studie zur Interventions-entwicklung: Fokusgruppen mit Hausärzten und Patienten; Formative Evaluation der Intervention in 3 Wellen mit 100 Teil-nehmenden; Pilotierung in Hausarzt-praxen (Videodokumentation)

Zweiarmige Cluster-randomisierte edukative Interventionsstudie; Effek-te einer verstärkten Patientenorien-tierung von Hausärzten auf patien-tenseitige Outcomes (u.a. HbA1c, QoL)

Cluster-randomisierte Interventions-studie, Interventionsgruppe: Fortbildungsveranstaltung, Kontroll-gruppe: Care as usual

Cluster-randomisierte kontrollierte Studie, Interventionsgruppe: Kom-munikationstraining in PEFKontroll-gruppe: Care as usual

Phase 1: qualitative Untersuchung der Darstellungsformen auf Basis fiktiver Fallbeispiele; Phase 2: quantitative Untersuchung zur Eingrenzung der Darstellungsformen; Phase 3: Ver-gleich der zwei präferierten Grafiken in realen Beratungssituationen im Rahmen einer zweiarmigen Cluster-randomisierten Interventionsstudie

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Dipl.-Soz. Verena Leve, M.A.

Institut für Allgemeinmedizin (ifam) an

der Medizinischen Fakultät der Heinrich-

Heine-Universität Düsseldorf

Werdener Str. 4

40227 Düsseldorf

Tel.: 0211 81-08183

[email protected]

Korrespondenzadresse

Bindung durch Konsistenz und Transparenz im Forschungsprozess

Die reflexive Auseinandersetzung mit ei-

genen Kommunikationsmustern bedarf

auch im Forschungskontext einer syste-

matischen und kontinuierlichen Beglei-

tung durch das Studienteam. Die Bin-

dung der Hausarztpraxis an die Projekt-

gruppe wird durch den engen fortwäh-

renden Kontakt zum Studienteam über

den Studienverlauf gestärkt. Das Selbst-

verständnis einer wertschätzenden For-

schungshaltung richtet sich darauf, An-

regung zu Handlungsoptionen zu ver-

mitteln, und nicht daran, Defizite in der

Kommunikation zu identifizieren. Eine

wertschätzende Forschungshaltung be-

inhaltet darüber hinaus, dass Wissen und

die Kompetenzen der Beteiligten in den

Forschungsprozess aufzunehmen und sie

so zu Mitgestaltenden werden zu lassen.

Diskussion

Die im Rahmen des Workshops themati-

sierten Erfahrungen bestätigen zunächst

vorherige Ergebnisse zur Studienteil-

nahme von Hausarztpraxen [1, 2, 4, 5, 7,

18, 19, 20].

Besonderheiten bei der Durchfüh-

rung von Forschungsprojekten mit In-

terventionen zur Gesprächsführung er-

gaben sich in Bezug auf folgende Punkte:

• Finanzielle oder materielle Anreize

steigern die Teilnahmebereitschaft [1,

6, 20]: Die Erfahrungsberichte zu den

diskutierten Projekten konnten dies

nicht eindeutig bestätigen. So scheint

für Interventionsstudien zur Ge-

sprächsführung das individuelle Inte-

resse an der Thematik von zentralerer

Bedeutung zu sein.

• Direkter Nutzen des Forschungspro-

jekts für Patientinnen und Patienten

oder Praxisteam muss erkennbar sein

[1, 19, 20]: Studienärztinnen und -ärz-

te bewerten die Versorgungsrelevanz

von Gesprächsinterventionen vor dem

Hintergrund des eigenen Erlebens und

des empfundenen Bedarfs. So stehen

bei der Entscheidung zur Studienteil-

nahme mit Interventionen zur Ge-

sprächsführung vor allem das eigene

Wohlbefinden, die Arbeitszufrieden-

heit und das Erleben der eigenen Kom-

petenz im Gespräch im Vordergrund.

Hausärztliche Peer-Trainer/innen un-

terstützen dabei, die Gesprächstechni-

ken auf das eigene Alltagserleben in

der Praxis zu übertragen und an kon-

kreten Fällen zu erproben.

• Geringer Zeitaufwand für Hausärztin-

nen und -ärzte: Die Erfahrung der Studi-

engruppen zeigt, dass Zeit zwar grund-

sätzlich eine knappe Ressource ist, aber

bei Interventionen zur Gesprächsfüh-

rung investiert wird, wenn der erwarte-

te Effekt für die eigene Arbeitszufrieden-

heit positiv bewertet wird. Von Seiten

der Studienärztinnen und -ärzte wer-

den z.T. sogar zusätzliche Termine (z.B.

weitere Reflexionstreffen) eingefordert.

Diese Besonderheit ergibt sich mögli-

cherweise durch den Umstand, dass

motivierte und am Thema interessierte

Teilnehmende bereits über besondere

Kommunikationsfähigkeiten verfügen

oder bereits positive Erfahrungen in an-

deren Gruppen gesammelt haben (Ba-

lintgruppen). Ihr Interesse könnte stär-

ker an kollegialen Austausch- und Re-

flexionsmöglichkeiten orientiert sein.

Schlussbetrachtung

Allgemeinmedizinische Forschung zur

Gesprächsführung sollte berücksichti-

gen, dass teilnehmende Ärztinnen und

Ärzte vor dem Hintergrund ihrer bereits

bestehenden Kompetenzen und Lern-

bedürfnisse unterschiedlich von Inter-

ventionen zur Gesprächsführung pro-

fitieren. Je spezifischer Angebot und Be-

dürfnis im Rahmen der Studien auf-

einander bezogen werden können, des-

to höher ist der zu erwartende individu-

elle Nutzen für die teilnehmenden Stu-

dienärztinnen und -ärzte. Bestehende

hausärztliche kommunikative Kom-

petenzen und Alltagserfahrungen wert-

zuschätzen und anzuerkennen ist eben-

so wichtig für die Gewinnung von Stu-

dienpraxen wie konkrete Bezüge zum

Praxisalltag über Peer-Trainer/innen

herzustellen. Die enge Einbindung von

Hausarztpraxen im gesamten For-

schungsprozess stellt den ersten Schritt

für eine dauerhafte Anwendung neuer

Kommunikationsstrategien, deren Eva-

luation und Weiterentwicklung im Pra-

xisalltag dar.

Interessenkonflikte: keine angegeben.

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Literatur

Leve et al.:Interventionsstudien zur Gesprächsführung in der hausärztlichen VersorgungCommunication-based Intervention Studies in Family Practice

... ist seit 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut

für Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät der Heinrich-Hei-

ne-Universität in Düsseldorf tätig. Ihre Forschungsschwerpunk-

te liegen in den Bereichen Patienten-Arzt-Kommunikation und

Versorgung von Menschen mit Demenz.

Dipl.-Soz. Geront. Verena Leve, M.A. ...

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14. Drewelow E, Wollny A, Pentzek M, et al. Improvement of primary health care of patients with poorly regulated diabe-tes mellitus type 2 using shared decisi-on-making – the DEBATE trial. BMC Fam Pract 2012; 22: 88

15. MC4-Agenda: Altiner A, Schäfer I, Mel-lert C, et al. Activating general practitio-ners dialogue with patients on their Agenda (MultiCare AGENDA) study pro-

tocol for a cluster randomized controlled trial. BMC Fam Pract 2012; 13: 118

16. Tinsel I, Buchholz A, Vach W, et al. Sha-red decision-making in antihypertensi-ve therapy: a cluster randomised con-trolled trial. BMC Fam Pract 2013; 11: 135

17. Adarkwah CC, Jegan N, Heinzel-Guten-brunner M, et al. Time-to-event versus ten-year-absolute-risk in cardiovascu-lar risk prevention – does it make a dif-ference? Results from the optimizing-risk-communication (OptRisk) rando-mized-controlled trial. BMC Med In-form Decis Mak 2016; 29: 152

18. Wetzel D, Himmel W, Heidenreich R, et al. Participation in a quality of care stu-dy and consequences for generalizabili-ty of general practice research. Fam Pract 2005; 22: 458–64

19. Barzel A, Scherer M, Gerlach FM, Mer-genthal K. Das hausärztliche Team in der Forschung. Ein Workshop mit Hausärzten, Medizinischen Fachange-stellten und wissenschaftlichen Mit-arbeitern der universitären Allgemein-medizin. Z Allg Med 2013; 89: 255–260

20. Rosemann T, Szecsenyi J. General practitioners‘ attitudes towards re-search in primary care: qualitative re-sults of a cross sectional study. BMC Fam Pract 2004; 21: 31

Leve et al.:Interventionsstudien zur Gesprächsführung in der hausärztlichen VersorgungCommunication-based Intervention Studies in Family Practice

DEGA

M

Deutsche Gesellschaft fürAllgemeinmedizin und Familienmedizin

53. Kongress für Allgemeinmedizin und FamilienmedizinHausärztliche Arbeit zwischen Patientenwohl und Ansprüchen der Gesellschaft – Was bedeutet ärztliche Professionalität?

12. bis 14. September 2019 in Erlangen

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327LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

DEGAM-Positionspapier zur Impfpflicht. Z Allg Med 2019; 95: 213–214. Rabe S. Wider eine Impfpflicht in Deutschland – eine Streitschrift. Z Allg Med 2019; 95: 215–221. Scherer M, Hummers E. Mit kühlem Kopf die Impfraten maximieren. Z Allg Med 2019; 95: 222–223

Leserbrief von Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Danke den Autoren für die so informati-

ven Texte zur Problematik; man sollte

Herrn Spahn das Heft senden – falls man

ihn für lernfähig und -willig ansieht.

Ich möchte dennoch auf wenige Dinge

hinweisen, die in den Texten nicht voll

gewürdigt wurden:

1. 50 % der Erkrankten in Berlin waren

über 50 Jahre (steht im DEGAM-Pa-

pier) – und diese mögen dann auch

Enkelkinder angesteckt haben, die

noch ungeimpft und vom Alter her

noch nicht impfbar waren. Aber: Er-

kläre mir einmal jemand, wie man bei

diesen älteren Menschen die Impfnot-

wendigkeit in der Gesamtbevölkerung

feststellen will und außerdem dann

bei diesen eine Impfpflicht umsetzen

will.

2. Keiner der Texte geht auf das folgende

Argument ein: Ungeimpftes Kind

kommt im Hort mit nicht impfbaren

Säugling unter 9 Monaten zusammen

und steckt diesen an. Hier geht es also

um den Individualschutz eines Säug-

lings einer Mutter, die ihr Kind später

impfen lassen würde, deren Säugling

aber „jetzt“ durch ein Kind angesteckt

wird, dessen Eltern ihr Kind, für das

sie erziehungsberechtigt sind, nicht

impfen lassen. Dies ist für mich der ein-

zige Problemfall in der ganzen Debatte.

Man kann sich hierbei nur damit trös-

ten: a) diese Kombination im skizzier-

ten Fall wird bei 97 % Erstimpfungs-

rate sehr selten vorkommen; b) die

Vermischung der beiden Kindergrup-

pen Säuglinge und Kleinkinder im

Hort ist niedrig; c) zudem verringert

sich der gefährliche Expositionszeit-

raum eines Säuglings: „Eine durch

Impfung erworbene Immunität der

Mütter führt im Vergleich zu einer

Wildvirusinfektion zu einem geringe-

ren und verkürzten Nestschutz bei

Säuglingen. Dieser dauert im Mittel

etwa 3 Monate an, kann aber auch

schon früher an Wirksamkeit verlie-

ren. Der Nestschutz bei Säuglingen

von Müttern mit durchgemachten

Masern hält in der Regel etwa zwei

Monate länger“ (RKI: Epid. Bulletin

2/2017). Und schließlich d) nur ein

Kind von 1000 bis 2000 wird, wenn es

dennoch zur Ansteckung kommen

sollte, daran sterben (vielleicht im

Säuglingsalter ungünstigere Letali-

tät).

3. In einer zeitgleich publizierten Studie

[Weigl J. Masernelimination – die

Notwendigkeit einer „Public Health

Governance“ und einer medizi-

nischen Exekutive. Prävention Ge-

sundheitsförd 2019, 14: 102–8] wird

mittels eines mathematischen Mo-

dells gezeigt, dass die Ansteckungs-

gefahr selbst bei nur 90 % Durchimp-

fung in einer Schule so gering für die

Nichtgeimpften ist, dass damit kein

Gericht zu überzeugen sein wird, eine

Impfpflicht zu akzeptieren – zumal in

diesem Alter eine nicht erfolgende

Impfung ja aufgrund elterlicher Ent-

scheidung besteht und damit nur das

eigene Kind und die Kinder, deren El-

tern auch eine Impfung verweigerten,

gefährden kann.

4. Die Aufregung besteht bei einem The-

ma mit 0 bis 2 Toten in ganz Deutsch-

land und Jahr sowie – geschätzt –

20–50 schwerer Erkrankten pro Jahr.

Da muss man doch – entgegen der

Missbilligung im Scherer/Hummers-

Papier – politisch argumentieren: Es

gibt weitaus größere Gesundheits-

bedrohungen in der Republik, auch

im Kindesalter (!). Und wem nützt ein

solcher Interventionsvorschlag zum

Thema Masernimpfung?

5. Noch ein Hinweis in Sachen bevölke-

rungsbezogener Nutzen: In Europa

war Masern aufgrund der besser ge-

wordenen Lebensbedingungen weit

vor Einführung der Masernimpfung

(Schweiz 1970, DDR 1970, BRD 1973)

schon lange keine bedrohliche Erkran-

kung mehr: Die Rate der Todesfälle

war schon zuvor um das über tausend-

fache zurückgegangen [McKeown T.

The modern rise of population, Lon-

don, Edward Arnold 1976]. Für Ent-

wicklungsländer ist dies aber heute

noch drastisch anders und macht da-

her die Idee der weltweiten Eradikation

verständlich.

Prof Dr. Heinz-Harald Abholz

Emeritus, Institut für Allgemeinmedizin

Universität Düsseldorf

Werdener Straße 4

40227 Düsseldorf

[email protected]

Korrespondenzadresse

Leserbriefe an die ZFA reichen Sie bitte online über den Editorial Manager ein (www.editorialmanager.com/zfa). Wenn „alle Stricke reißen“, können Sie auch eine/n der Herausgeber/innen (Adressen im Impressum) anschreiben.

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328 LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Wagner H-O, Wille H, Scherer M. Vitamin-K-Antagonisten in Deutschland: Schrammen im Goldstandard? Z Allg Med 2019; 95: 265–266

Leserbrief von Dr. med. Silke Brockmann

Mit dem Rücken zur Wand

Meine Erfahrung habe ich zwar in der

Schweiz gemacht, sie sind aber übertrag-

bar auf Deutschland. Nach einer großen

Bauchoperation wegen Krebs bekam ich

für ca. 36 Stunden ein Vorhofflimmern.

Für die konsultierten Kardiologen des

Inselspitals Bern war sofort klar, dass ich

mit einem NOAK behandelt werden

müsste. „Heldenhaft“, weil um die Evi-

denz wissend, brachte ich aber Couma-

rin ins Spiel.

„Naja, wenn Sie unbedingt wollen,

dann müssen Sie aber immer den INR-

Wert bestimmen lassen, und dann ist das

alles schwer steuerbar.“ Es schwang mit:

„Naja, wenn Sie unbedingt so einer altmo-

dischen Therapie anhängen, dann ver-

suchen Sie es.“ Es schwang mit: „Sie wer-

den sich irgendwann schon der moder-

nen Medizin beugen.“ Und es fehlte nur

noch das mitleidige „Frau Kollegin ...“.

Wie sollen sich Vitamin-K-Antago-

nisten halten und Patientinnen sich

durchsetzen, wenn selbst ich als Ärztin –

allerdings durch eine schwere Erkran-

kung geschwächt – mit dem Rücken zu

Wand stehe?

Antwort von Dr. med. Hans-Otto Wagner

Sehr geehrte, liebe Frau Brockmann, Ih-

re Erfahrung entspricht der Realität und

mit Ihrer Einschätzung der Lage haben

Sie völlig echt.

Nicht nur seit Beginn der Leitlini-

enarbeit der DEGAM, die Sie seit 1997

als Mitbegründerin und viele Jahre als

Sprecherin des Arbeitskreises Leitlinien

(heute: Ständige Leitlinienkommis-

sion) maßgeblich und verdienstvoll

mitgestaltet haben [1], war es ja noch

nie so, dass nur Evidenz, Leitlinien und

Patientenpräferenz den Versorgungs-

alltag bestimmt haben, sondern immer

auch starke sekundäre Interessen. Kapi-

talinteressen pharmazeutischer und

anderer Unternehmer haben über Jahr-

zehnte fettfleckartig und korruptiv fast

alle Bereiche des ärztlichen Alltags kon-

taminiert. Mit viel Geld nehmen sie

Einfluss auf die von ihnen bezahlten

Studien, auf die Forschung, Kliniken,

Fachgesellschaften und die Finanzie-

rung der Fortbildung, um nur einiges

zu nennen. Dabei wird die Ärzteschaft

ihrem intellektuellen Anspruch und

dem Patientenauftrag nicht nur nicht

gerecht, sondern sie ist in dieser Hin-

sicht in weiten Teilen zu wenig kritisch

und wissenschaftlich, sicher auch be-

quem und darüber hinaus auch selbst

nicht selten kommerziell orientiert.

Patienten bekommen eben nicht

die beste verfügbare Evidenz, weil der

Rat nicht unabhängig und von sekun-

dären Interessen durchsetzt ist. Da Pa-

tienten durch ihre Krankheit die not-

wendigen Freiheitsgrade ihrer Ent-

scheidungskompetenz eingebüßt ha-

ben, ist diese Situation natürlich beson-

ders kritikwürdig. Sie sind „Abhängige“

und stehen, wie Sie es leider schmerz-

lich erfahren mussten „mit dem Rü-

cken zur Wand“.

Dies ist in Deutschland nicht anders

als in der Schweiz und ich denke, dass

die nachfolgende Generation diese

Kommerzialisierung unseres Gesund-

heitssystems zum Nachteil unserer Pa-

tientinnen und Patienten auf den Prüf-

stand stellen muss und, da bin ich mir si-

cher, es auch tun wird. Das gebietet

nicht zuletzt auch unsere Selbstachtung

als zur Unabhängigkeit und wissen-

schaftlicher Redlichkeit verpflichtete

Ärztinnen und Ärzte.

Die Sensibilität für dieses Problem ist ge-

wachsen und es gibt starke gegenläufige

Entwicklungen: MEZIS, zunehmende

sponsoringfreie Fortbildungen, klarere

Transparenzverpflichtungen, AWMF,

IQWiG, AkdÄ

Dr. med. Silke Brockmann

Ärztin für Allgemeinmedizin, Umwelt-

medizin

Friedheimweg 15

CH-3007 Bern

Korrespondenzadresse

Dr. med. Hans-Otto Wagner

Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52

20246 Hamburg

Korrespondenzadresse

1. Brockmann S. Hausärztliche Leitlini-en zwischen Erfahrung und Evidenz. Omikron Publishing; 1. Auflage, 2004

Literatur

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329

Informationen zu den Wahlen zum DEGAM-Präsidium

Auf der Mitgliederversammlung beim 53.

Kongress für Allgemeinmedizin und Fa-

milienmedizin am 12. September 2019 in

Erlangen finden u.a. Neuwahlen zum DE-

GAM-Präsidium statt. Es war der Wunsch

der Mitglieder, mit ausreichendem Vor-

lauf Transparenz über die Vorschlagsliste

des Präsidiums herzustellen. Dem möch-

te das Präsidium mit den folgenden Infor-

mationen gerne entsprechen.

Das aktuelle Präsidium schlägt Mar-

tin Scherer als Kandidaten für das Amt

des DEGAM-Präsidenten vor. Martin

Scherer ist seit neun Jahren Vizepräsident

der Fachgesellschaft und war von

2006–2018 Sprecher der Ständigen Leit-

linien-Kommission (SLK). Bei dem unten

dargestellten Tableau handelt es sich –

sollte er von der Mitgliederversammlung

gewählt werden – um sein Wunschteam,

das auch vom derzeitigen Präsidium mit-

getragen wird. Selbstverständlich bleibt

es den Mitgliedern jederzeit unbenom-

men, alternative Vorschläge einzubrin-

gen. Dem Aufruf zur Einreichung von

Wahlvorschlägen an gleicher Stelle (siehe

ZFA 5/2019, Seite 197) war bislang nie-

mand gefolgt. Gleichwohl ist die Mitglie-

derversammlung in ihrer Entscheidung

natürlich völlig frei.

Bei dem vorgeschlagenen Personal -

tableau wurde darauf geachtet, dass ein

Team entsteht, welches konstruktiv zu-

sammenarbeiten kann und gute Arbeits-

ergebnisse verspricht. Folgende Krite-

rien waren bei der Zusammenstellung

leitend: eine deutliche Verjüngung,

Teamfähigkeit, eine Erhöhung des Frau-

enanteils sowie die gute Durch-

mischung von akademischer Expertise

und praktischer hausärztliche Erfah-

rung.

Vorgeschlagenes Wahltableau

Geschäftsführendes Präsidium

Präsident: Prof. Martin Scherer, Hamburg

Vizepräsidentin: Prof. Eva Hummers, Göttingen

Vizepräsident: Prof. Antonius Schneider, München

Schatzmeisterin: Prof. Erika Baum, Biebertal

Schriftführerin: Prof. Anne Simmenroth, Würzburg

Beisitzerin: Dr. Leonor Heinz, Berlin

Beisitzer: Dr. Ralf Jendyk, Münster

Sektionen (SprecherIn und StellvertreterIn)

Studium und Hochschule: Prof. Antje Bergmann und

Dr. Maren Ehrhardt

Forschung: Prof. Stefanie Joos und Prof. Ildikó Gagyor

Weiterbildung: Dr. Marco Roos und Dr. Simon Schwill

Fortbildung: Sandra Blumenthal und Dr. Günther Egidi

Qualitätsförderung: Prof. Horst Christian Vollmar und

Pascal Nohl-Deryk

Versorgungsaufgaben: Dr. Uwe Popert und Dr. Jeannine Schübel

Die Wahlordnung finden Sie auf der

Kongress-Website unter www.degam-

kongress.de. Darin heißt es u.a.: „Wahl-

vorschläge der Mitglieder müssen

schriftlich bis spätestens vier Wochen

vor der Wahl bei der Geschäftsstelle ein-

gereicht werden, damit sie auf den

Wahlunterlagen benannt werden kön-

nen. Jedes Mitglied kann mehrere Wahl-

vorschläge machen und sich auch selbst

zur Wahl vorschlagen.

Wahlvorschläge aus der Mitte der

Versammlung sind möglich, allerdings

müssen diese Namen dann per Hand auf

den vorgedruckten Stimmzetteln er-

gänzt werden.“

Achtung: Für eine übersicht-lichere Organisation der Mitglie-derversammlung müssen sich alle interessierten Mitglieder direkt bei der Kongress-Anmeldung auch für die Mitgliederversammlung registrieren.

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

Ständig aktualisierte Veranstaltungstermine von den „Tagen der Allgemeinmedizin“ finden Sie unter

www.tag-der-allgemeinmedizin.de

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330

WONCA 2020 in Berlin: Kongress-Website geöffnet

Nach der Europäischen WONCA-Konfe-

renz 2019 in Bratislava wird jetzt die

Kongress-Website für unseren gemeinsa-

men Kongress WONCA Europa und DE-

GAM vom 24.–27. Juni 2020 geöffnet.

Sie finden dort schon heute wichtige In-

formationen, aber wir sind dankbar für

alle Hinweise, sollten Sie dort etwas ver-

missen.

Auch die Abstract-Einreichung wird

demnächst geöffnet. Deadline ist dann

der 10. Januar 2020. Wer aber schon et-

was Einreichungsreifes und -würdiges

hat, kann es schon in diesem Jahr hoch-

laden. Wir werden fünf Räume haben,

die für den inkludierten DEGAM-Kon-

gress reserviert sind. Alle sind aber herz-

lich eingeladen, auch das reichliche

WONCA-Angebot zu nutzen.

Sie können bei der Einreichung an-

geben, ob sie auf Deutsch oder Englisch

präsentieren wollen und ob für Sie aus-

schließlich der DEGAM-Kongress oder

auch die WONCA Conference infrage

kommt bzw. ob Sie auf alle Fälle für

WONCA-Sitzungen einreichen. In den

beiden letzteren Fällen muss die Einrei-

chung auf Englisch erfolgen.

Wie bei der DEGAM gewohnt, kön-

nen Sie auch einen Workshop anbieten.

Auch alle anderen DEGAM-Formate

sind möglich. Dazu kommen aber auch

bei WONCA übliche State-of-the-art-

Sitzungen, in denen die neuesten für

die Allgemeinmedizin relevanten me-

dizinischen Erkenntnisse besprochen

werden.

Lassen Sie sich überraschen von

dem breiten Angebot, das WONCA mit

den Netzwerken und Special Interest

Groups zu bieten hat. Wir erwarten zu-

dem zahlreiche außereuropäische Gäste

und Präsentationen.

Dieses besondere und für die deut-

sche Allgemeinmedizin einmalige Ereig-

nis sollten Sie sich und Ihren Kollegin-

nen und Kollegen nicht entgehen las-

sen.

Aufruf zur Gründung einer DEGAM-AG Internisten

Ein nicht unerheblicher Teil der Haus-

ärztinnen und Hausärzte hat die Fach-

arzt-Prüfung in der Inneren Medizin

ohne Weiterbildung in der Allgemein-

medizin abgelegt. Aufgrund ihrer Tätig-

keit sind sie der Allgemeinmedizin aber

wesentlich näher als den internisti-

schen Gesellschaften, die von der sta-

tionären und spezialistischen Versor-

gungsebene dominiert werden und nur

in diesem Bereich breite wissenschaftli-

che Expertise aufweisen. Auch die Fort-

bildungsangebote sind unseres Erach-

tens nicht gut auf den hausärztlichen

Kontext fokussiert.

Daher ist es wichtig, dass auch Inter-

nistinnen und Internisten eine wissen-

schaftliche Heimat in der DEGAM fin-

den können. Unsere Stärke ist die Fokus-

sierung auf die hausärztliche Versor-

gungsebene und unsere völlige Unab-

hängigkeit von industriellem Sponso-

ring.

Ein bedeutsamer Streitpunkt liegt

bei der Weiterbildungsbefugnis: Die

neue Musterweiterbildungsordnung

sieht für Internistinnen und Internis-

ten nur noch sehr stark eingeschränk-

te Möglichkeiten vor, weiterbildend

tätig zu werden. Zugleich werden in

einigen KV-Bezirken Internistinnen

und Internisten dadurch diskrimi-

niert, dass sie keinen Quereinstieg zur

Allgemeinmedizin finanziert bekom-

men. Schließlich gibt es bei einigen

Leitlinien schweren inhaltlichen Dis-

sens zwischen der internistischen

Fachgesellschaft DGIM und der DE-

GAM. Kurz: Es gibt ein nicht unerheb-

liches Konfliktpotenzial, aber auch Be-

darf an vermehrtem Austausch, um

den Bedürfnissen der hausärztlichen

Internisten im Bereich der DEGAM

besser gerecht zu werden. Das Präsidi-

um der DEGAM möchte mit dazu bei-

tragen, mögliche Konflikte und Bedar-

fe rational und offen zu klären – und

regt die Gründung einer AG Internis-

tinnen und Internisten in der DEGAM

an, damit diese Gruppe in die Lage

versetzt wird, ihre eigene Sicht der

Dinge zu artikulieren.

Am Donnerstag, 12.9.2019 (13.45

Uhr), wird sich diese AG am Rande des

DEGAM-Kongresses in Erlangen konsti-

tuieren. Wir laden alle Interessierten

herzlich ein.

Das Archiv der deutschsprachigen Allgemeinmedizin in LübeckEin umfangreicher Gedächtnisspeicher für das Gebiet der Allgemeinmedizin und ein Fundus für medizinhistorische Forschung

Das Licht der akademischen Welt hat

das neu entstandene „Archiv der

deutschsprachigen Allgemeinmedizin“

(ADAM) auf dem 27. Nordic Medical

History Congress am 24. Mai 2019 in

Kopenhagen erblickt. Dort wurden die

Ziele und die Forschungsagenda einem

internationalen Fachpublikum und der

Hausärzteschaft vorgestellt.

Das Sammelgebiet umfasst ein-

schlägige Originaldokumente und Pri-

märquellen zur Geschichte der All-

gemeinmedizin im deutschsprachigen

Raum, wie z.B. Korrespondenzen und

Sitzungsprotokolle nationaler und in-

ternationaler allgemeinmedizinischer

Fachgesellschaften und Verbände, Vor-

arbeiten und Dokumente zur Entste-

hung allgemeinmedizinischer Fachbü-

cher, Briefwechsel und Aufzeichnun-

gen von Pionieren des Fachgebietes so-

wie Doktorarbeiten und Habilitations-

schriften aus der Allgemeinmedizin.

Gefördert wird der Aufbau des Archivs

mit Mitteln der Stiftung Perspektive Hausarzt des Deutschen Hausärzte-

verbands.

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

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331

Ziele von ADAM

Das Archiv der Deutschsprachigen All-gemeinmedizin (ADAM) dient der Si-cherung, dauerhaften Erhaltung und Nutzbarmachung sowie der wissen-schaftlichen Aufarbeitung von origina-len Dokumenten, die den Weg der Pro-fessionalisierung der Allgemeinmedizin in Deutschland (Ost und West), Öster-reich und der Schweiz in den letzten 70Jahren belegen.

Aktuell bearbeitet eine Doktorandin die Professionalisierung der Allgemeinme-

dizin in den Jahren 1985 bis 1995 in Ost

und West. Hierfür sollen Interviews mitZeitzeugen und Materialien aus dem Ar-chiv ausgewertet werden. ZukünftigeThemen können zum Beispiel eine ver-gleichende Analyse der Professionalisie-rung der Allgemeinmedizin in der Schweiz, Österreich und Deutschland sein oder das Wirken bedeutender Pro-tagonisten des Fachgebiets.

Lübeck ist ein idealer Standort

Prof. Dr. med. Frank H. Mader, All-gemeinarzt aus Nittendorf/Bayern ist Ideengeber für das Archiv. Er verfolgt als Medizinjournalist seit seiner Studenten-zeit 1965 die Entwicklung des Fachs. In Lübeck fand er 2018 mit Prof. Dr. med. Jost Steinhäuser als Projektleiter und Prof. Dr. med. Cornelius Borck als wis-senschaftlichem Berater eine ideale Kombination, um ADAM ins Leben zu rufen. Prof. Steinhäuser ist Allgemein-arzt und Direktor des dortigen Instituts für Allgemeinmedizin, Prof. Borck Di-rektor des Instituts für Medizingeschich-te und Wissenschaftsforschung der Uni-versität zu Lübeck.

Für den Beirat konnten Prof. Vittoria Braun, Berlin, und Prof. Frank H. Mader, Nittendorf, gewonnen werden. Das Ar-chiv befindet sich in den Räumen des Instituts für Allgemeinmedizin. Print-medien wie Bücher oder Zeitschriften

werden dort nicht gesammelt, sondern über die Universitätsbibliothek zugäng-lich gemacht.

Für Fragen rund um ADAM, wie z.B. Abgabe von Material oder Anfragen we-gen einer Forschungsfrage, wenden Sie sich bitte an Claudia Steinhäuser.

Abbildung 1 Erste Materialien von Prof.

Lorenz aus Tübingen (Präsident der Deut-

schen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und

Familienmedizin (DEGAM) von 1992–1996)

treffen in Lübeck ein. Foto: C. Steinhäuser

Abbildung 2 Erstes Treffen am 8.Mai 2018 in Lübeck (von li.: Prof. Jost Steinhäuser, Prof. Cor-

nelius Borck, Prof. Frank H. Mader) Foto: F.H. Mader

Claudia Steinhäuser

Archiv der Deutschsprachigen

Allgemeinmedizin

Institut für Allgemeinmedizin

Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160, Haus 50

23538 Lübeck

Tel.: 0451 3101-8015

Fax: 0451 3101-8004

[email protected]

Korrespondenzadresse

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

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332

Neue Koordinierungsstelle für Forschungspraxennetze

Im Rahmen des Masterplans Medizinstu-

dium 2020 wird durch das BMBF u.a. ei-

ne nachhaltige Netzwerkstruktur für For-

schungspraxen zur Stärkung der All-

gemeinmedizin aufgebaut. Dies erfolgt

über lokale und überregionale Netzwer-

ke aus allgemeinmedizinischen For-

schungspraxen mit Anbindung an die

allgemeinmedizinischen Institute der

medizinischen Fakultäten.

Die Deutsche Stiftung für Allgemeinme-

dizin und Familienmedizin (DESAM)

wurde gemeinsam mit der Technologie-

und Methodenplattform für die vernetz-

te medizinische Forschung (TMF) beauf-

tragt, eine übergreifende und unabhän-

gige Koordinierungsstelle einzurichten.

Die fünfjährige Projektlaufzeit beginnt

am 1. Februar und endet entsprechend

Anfang 2025.

Die neue Koordinierungsstelle fördert

die Kommunikation, den Austausch und

die Vernetzung zwischen den Akteuren

der bundesweit insgesamt sechs Netz-

werke. Sie bearbeitet in enger Abstim-

mung mit den einzelnen Forschungspra-

xennetzen übergreifende, für alle Netz-

werke relevante Aspekte, Fragen und

Prozesse wie z.B. Qualitätssicherung und

die bedarfsgerechte Aus- und Weiterbil-

dung der einzelnen Forschungspraxen.

(Zwischen-) Ergebnisse sind in angemes-

sener Weise zu dokumentieren und für

die Netzwerke z.B. im Sinne von Best-

Practice-Vorgehensweisen verfügbar zu

machen.

Für den Aufbau der Koordinierungsstelle

suchen wir zum 1.2.2020, ggfs. ab

1.1.2020

zwei wissenschaftliche Mitarbeiter/innen (w/m/d) für die Leitung bzw. Koordination

mit folgenden Qualifikationen:· Hochschulabschluss in Medizin, Gesundheitsmanagement, Pflegewissenschaften, Psychologie, Soziologie oder

Sozialpädagogik/-wissenschaften

· überdurchschnittliche Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten, vorzugsweise belegt durch eine Promotion

und/oder eigene wissenschaftliche Publikationen

· Erfahrung mit klinischer Forschung und/oder Versorgungsforschung in der Primärversorgung,

betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind von Vorteil

· gute Kenntnisse der Biometrie, (klinischen) Epidemiologie sowie der Prinzipien und Methoden der evidenzbasierten

Medizin und von „Public Health“

· Erfahrung mit der Beschaffung, Bewertung, Aufbereitung (u.a. Konzipierung und Durchführung von Befragungen; Erstellung

von Tabellen und Grafiken) und verschriftlichten Interpretation von Daten; Kenntnis einschlägiger Statistikprogramme wie

SPSS

· gute englische Sprachkenntnisse, gerne weitere Fremdsprachenkenntnisse

Persönliche Anforderungen:· hohes Maß an Eigeninitiative, Einsatzbereitschaft und Ergebnisorientierung

· Fähigkeit, in einem interdisziplinären Team und unter Zeitdruck zu arbeiten

· Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit

· Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Fragestellungen der Forschungsnetzwerke und in neue Themengebiete

schnell einzuarbeiten.

Die Vergütung erfolgt in Anlehnung an TVL E 14 bzw. E 13.

Teilzeit ist u.U. möglich.

Für Fragen steht Ihnen der Geschäftsführer Edmund Fröhlich

gerne zur Verfügung: Tel. 030 209669820 und:

[email protected]

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung mit vollständigen

Bewerbungsunterlagen (Bewerbungsanschreiben, Lebenslauf,

Studienabschlusszeugnisse, Arbeitszeugnisse bzw. dienstliche

Beurteilungen etc. in einer PDF-Datei) bis

spätestens 1. September 2019 per E-Mail an:

Deutsche Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM)

z. Hd. Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling, Vorsitzender des Stiftungsvorstandes

Friedrichstraße 88, 10117 Berlin, [email protected]

www.desam.de

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333DESAM-NACHRICHTEN / DESAM NEWS

Nachwuchsförderung zeigt Wirkung

Das Fach Allgemeinmedizin steht bei den Studierenden hoch im Kurs und die Nachwuchsakademie der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Fa-milienmedizin (DESAM) erfreut sich ungebrochener Beliebtheit – zuletzt zu sehen beim Klausurwochenende Ende Mai.

Schon früh erkannte die DEGAM die Zeichen der Zeit: Bereits im Jahr 2012 wurden die ersten zwölf Studierenden in das dreijährige Förderprogramm auf-genommen. Jedes Jahr kommen 15 neue Studierende hinzu, die über einen Zeit-raum von drei Jahren eine Förderung er-halten. Insgesamt werden aktuell 45 Studierende in drei parallelen Jahrgän-gen unterstützt.

Seit 2017 wird das anerkannte För-derprogramm unter dem Dach der DE-SAM durchgeführt und verantwortet. Die Stiftung wurde 1973 von der DE-GAM gegründet. Neben der Nachwuchs-förderung engagiert sie sich für die For-schung auf dem Gebiet der Allgemein-medizin.

Die Nachwuchsakademie All-gemeinmedizin eröffnet Studierenden mit großem Interesse an der Allgemein-medizin einen tieferen Einblick in den Hausarztberuf. Möglichst früh werden Studierende mit erfahrenen Hausärzten zusammengebracht. Diese vermitteln hausärztliche Arbeitsweisen und teilen ihre Erfahrungen aus dem Praxisalltag. Die Förderperiode von drei Jahren er-laubt eine kontinuierliche Begleitung

der teilnehmenden Studierenden durch die zweite Phase des Medizinstudiums. Die offene, wertschätzende Atmosphäre und die intensive Arbeit in kleinen Gruppen ermutigen die Studierenden, eigene Fragen und Bedenken anzuspre-chen, um so eventuell auftretende Hür-den gezielt abzubauen.

Rückblickend ist festzustellen, dass die Etablierung eines allgemeinmedizi-nischen Förderprogramms visionär war, auch um die Anerkennung des Fachs un-ter den Studierenden zu festigen. Als An-kerpunkt bietet die Nachwuchsaka-demie den teilnehmenden Studieren-den ein offenes Netzwerk mit flachen Hierarchien. Der intensive Austausch mit den engagierten Dozentinnen und Dozenten sowie den Alumni beflügelt die Begeisterung für die Allgemeinmedi-zin nachhaltig.

In den vergangenen acht Jahren sind mehr als 100 Studierende gefördert worden, allesamt Multiplikatoren für den Hausarztberuf sowie für das Fach Allgemeinmedizin.

Das Förderprogramm in ZahlenDas Förderprogramm in ZahlenGründungsjahr:2012 durch die DEGAM2012 durch die DEGAMInstitution: DESAMInstitution: DESAMFinanzbedarf: 52 000 Euro p aFinanzbedarf: 52.000 Euro p.a.Förderperiode: 3 JahreFörderperiode: 3 JahreGeförderte: StudierendeGeförderte: StudierendeAnzahl Geförderte: 15 Neuzugängepro Jahr, insgesamt 45

Klausurwochenende 2019 – Auftakt der Förderperiode

Vom 24. bis 26. Mai hat das diesjährige Klausurwochenende der Nachwuchs-akademie stattgefunden. Dieses Wo-chenende stellt den alljährlichen Auf-takt des Förderprogramms im Frühjahr dar. Die neu im März in das Programm aufgenommenen Studierenden und die beiden älteren Jahrgänge treffen sich dann erstmals persönlich. Mehr als 40 Studierende sowie mehr als zehn Jahr-gangsleiter und Referenten haben teil-genommen.

Eva Meisenzahl, seit März Mitglied der Nachwuchsakademie, studiert an der TU München im siebten Semester Medizin. Ihre Verbindung zur All-gemeinmedizin beschreibt sie folgen-dermaßen: „Mein Herz schlägt schon seit

einigen Jahren für die Allgemeinmedizin.

Die Vorstellung, einen Menschen im Ide-

alfall ein ganzes Leben zu begleiten und

für ihn stets ein Ansprechpartner zu sein,

egal ob Bauchschmerzen, Diabetes, Blut-

hochdruck ..., hat mich von Anfang an

fasziniert.“

Über die Nachwuchsakademie so-wie die Teilnahme an ihrem erstenKlausurwochenende äußert sie sich wiefolgt: „Die Nachwuchsakademie der DE-

SAM ergänzt meinen Berufswunsch und

mein Studium ideal, indem sie eine wun-

derbare Austauschmöglichkeit mit Studen-

ten und Ärzten aus ganz Deutschland bie-

tet und viele tolle Impulse und Anregungen

gibt. Dieses Wochenende hat wieder so vie-

le schöne Eindrücke gebracht, die einem

zeigen, warum man sich für diesen Weg

entschieden hat und dass es sich durchaus

lohnt, ihn zu gehen.“Abbildung Teilnehmer der Nachwuchsakademie Foto: Thomas Abé

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334

Blick eines Hausarztes auf das FörderprogrammDr. Anton Beck, seit 22 Jahren als Hausarzt in einer Einzelpraxis in Rottenburg an der Laaber tätig, begleitet seit sechs Jahren Studierende der Nachwuchsakademie.

Medizinstudierende sind in der Regel

hochmotiviert und haben den Wunsch,

gute Ärztinnen und Ärzte zu werden. Oft

stellt sich im Laufe des Studiums aller-

dings Ernüchterung ein. Das sture Ler-

nen von Wissen, häufig ohne erkennba-

ren Sinn für den erstrebten späteren Be-

ruf, das Fehlen von positiven Vorbildern

und die mangelnde Vermittlung der

ärztlichen Haltung lassen viele Medizin-

studierende an der Schönheit des ärztli-

chen Berufes zweifeln.

Die Nachwuchsakademie hält genau

hier dagegen: Sie macht den Studieren-

den Mut, leistet auf Wunsch Unterstüt-

zung auf verschiedenen Ebenen und

gibt das notwendige Selbstbewusstsein,

um den eingeschlagenen Berufswunsch

weiter zu verfolgen. Den teilnehmenden

Studierenden bietet sich im Rahmen

dieser dreijährigen Förderung somit

schon frühzeitig die Chance, das Fach-

gebiet der Allgemeinmedizin in Klein-

gruppenarbeiten vonseiten der Praxis

als auch wissenschaftlich nachhaltig

kennen zu lernen und ärztliche Haltung

zu erleben.

Als Hausarzt in eigener Praxis

überzeugt und begeistert mich dieses

Konzept. Ich möchte den Stipendiaten

als Dozent Lust auf Allgemeinmedizin

und den Beruf Hausarzt machen sowie

sie unterstützen, den von ihnen einge-

schlagenen Weg in die Allgemeinme-

dizin weiter mit Freude zu verfolgen.

Der intensive Austausch von Studie-

renden mit Dozenten aus Wissenschaft

und Praxis kann diese Freude an der All-

gemeinmedizin in allen Facetten und

mit allen Herausforderungen vermit-

teln. Die jährlichen Klausurwochen-

enden sind für mich in jeder Hinsicht

immer eine Bereicherung. Vernetzung,

kritische Diskussion auf Augenhöhe, le-

benslanges Lernen, ärztliche Haltung

und Freude am Beruf bleiben keine blo-

ßen Schlagwörter, sondern werden kon-

kret erfahrbar.

Das Konzept der DESAM-Nach-

wuchsakademie leistet eine nicht zu un-

terschätzende, wertvolle Nachwuchs-

arbeit unter den Medizinstudierenden,

und wird somit letztlich nicht nur für

die Studierenden selbst, sondern für un-

sere Gesellschaft von Gewinn sein.

Anton Beck

DESAM-NACHRICHTEN / DESAM NEWS

Inkl. 54. DEGAM-Kongress

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335DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS

E-Logbuch für die Weiterbildung: Einheitlichkeit ist der KnackpunktDie Digitalisierung hält nun Einzug

in die Weiterbildung – mit dem elek-

tronischen Logbuch (E-Logbuch). Das

hat der 121. Deutsche Ärztetag 2018

im Zusammenhang mit der neuen

Musterweiterbildungsordnung so be-

schlossen und in diesem Jahr mit der

ersten Vorstellung eben dieses Log-

buchs einen Haken an das Dekaden-

projekt gesetzt. Seit Juli steht die bun-

desweite Webanwendung zur Ver-

fügung. Attraktiv und praktisch: Wis-

sens- und Erfahrungszuwachs werden

übersichtlich, transparent und sicher

erfasst. Die verpflichtende elektro-

nische Evaluation der Weiterbildung

ist eine gute Sache. Mit den Angaben

der Ärzte in Weiterbildung haben die

Ärztekammern ein wertvolles Instru-

ment in der Hand, ihrer Aufgabe – der

Sicherung der Qualität der Weiterbil-

dung – noch besser nachzukommen.

So weit, so gut.

Das E-Logbuch ist ein System, das

von den Landesärztekammern ange-

wendet werden kann, sobald die Lan-

desärztekammern ihre Weiterbil-

dungsordnung an die neue Musterwei-

terbildungsordnung angepasst haben.

Hierfür sind nun die Kammern am

Zug. Das besondere Extra für die All-

gemeinmedizin: Der Deutsche Ärzte-

tag hat Wert daraufgelegt, es grund-

sätzlich technisch zu ermöglichen,

dass einzelne Landesärztekammern

jenseits des bundeseinheitlichen

E-Logbuchs individuelle Ergänzungen

und Abweichungen vornehmen kön-

nen. Das hört sich prinzipiell gut an,

birgt jedoch besondere Herausforde-

rungen für die Anwendbarkeit des

E-Logbuchs.

Während die Weiterbildungsord-

nungen anderer Fachgebiete gut ver-

gleichbar sind, gilt dies nicht für die All-

gemeinmedizin. Hier werden in man-

chem Kammerbezirk eigene Ideen und

Konzepte verfolgt. Dieser „Lokalpatrio-

tismus“ ist in historisch gewachsenen,

strukturellen Gegebenheiten begründet,

die regional ganz eigene Vorstellungen

davon hervorgebracht haben, was die

Hausarztmedizin ausmacht und was für

die allgemeinmedizinische Weiterbil-

dung erforderlich ist.

Eine Zerfaserung der Weiterbildung,

wie sie etwa in Berlin durch die Einfüh-

rung obligatorischer kleiner Weiterbil-

dungsabschnitte in der Pädiatrie und

Orthopädie eingeführt wurde, wird

durch die neue Musterweiterbildungs-

ordnung nicht gefördert. Vielmehr soll

die zukünftige 24-monatige hausärzt-

liche Weiterbildung in einer allgemein-

medizinisch ausgerichteten Praxis und

die verpflichtende Weiterbildung in der

stationären Inneren Medizin ergänzt

werden durch einen flexiblen Wahl-

abschnitt. Damit wird den unterschied-

lichen regionalen Möglichkeiten und

Präferenzen der angehenden Fachärzte

besser Rechnung getragen.

Mit der neuen Weiterbildungsord-

nung liegt der Fokus nun – so stark wie

nie zuvor – auf den zu erwerbenden

Kompetenzen. Während früher die

Pflichtabschnittszeiten im Vordergrund

standen, werden Ärztinnen und Ärzte

nun ganz anders nach Weiterbildungs-

stellen suchen, die die Vermittlung der

erforderlichen Kompetenzen bieten

können. Das ist eine gute Entwicklung,

denn eine inhaltlich sinnvolle Weiter-

bildung wird damit nach vorne ge-

bracht.

Eine möglicherweise abweichende

Auslegung der Musterweiterbildungs-

ordnung in den Landesärztekammern

würde jedoch die Identität des Faches

Allgemeinmedizin schwächen und die

Weiterbildung komplizierter machen.

Ein Wohnortwechsel etwa ist für in Wei-

terbildung befindliche Allgemeinmedi-

ziner eine besondere Herausforderung.

Damit muss nun Schluss sein. Denn:

Durch den Flickenteppich in der Weiter-

bildung wird auch der eigentliche Sinn

des E-Logbuchs – eine Vereinfachung

der Weiterbildung für Weiterbilder und

Ärzte in Weiterbildung, auch bei einem

Kammerwechsel – konterkariert. Es ist

wichtig, dass die einzelnen Ärztekam-

mern die Musterweiterbildungsordnung

und das E-Logbuch auf Länderebene

nun auch schnell umsetzen. Das E-Log-

buch bringt die Hoffnung mit sich, dass

Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung

ihre Kompetenzen künftig einfach und

sicher dokumentieren und entwickeln

können. Es gilt, diese Verbesserung und

Erleichterung auch erlebbar zu machen.

Dr. Leonor Heinz

Sprecherin des Forums Weiterbildung

im Deutschen Hausärzteverband

Wie sieht das neue E-Logbuch in der Anwendung aus? Ein erster Einblick im Video: https://hausarzt.link/D8T9A

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336 IMPRESSUM / IMPRINT

Herausgebende Gesellschaft / Publishing InstitutionDeutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) // German College of General Practitioners and Family Physicians DEGAM-Bundesgeschäftsstelle Friedrichstraße 88, 10117 Berlin, www.degam.de

Mitherausgebende Gesellschaften / AffiliationsGesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de); Niederösterreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM; https://noegam.at/); Österreichisches Institut für Allgemeinmedizin (ÖIfAM; https://www.allmed.at/); Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM; https://sagam.at/); Steirische Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM; www.stafam.at/); Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM; www.suegam.it/); Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM; www.tgam.at/); Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM; https://vgam.at/)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Austrian Institute of Gen eral Practitioners, the Lower Austrian College of General Practitioners, the Salzburg Society of Family Medicine, the Society of Professors of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Styrian College of General Practi -tioners, the Tyrolean College of General Practitioners, the Vorarlberg Society of Family Medicine

Herausgeber/innen / EditorsProf. Dr. med. Hanna Kaduszkiewicz Institut für Allgemeinmedizin Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Medizinische Fakultät Michaelisstraße 5, Haus 17, 24105 Kiel [email protected]

Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin, Emeritus, Universitätsmedizin Göttingen Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Ludwigstraße 37, 79104 Freiburg [email protected]

Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling Facharzt für Allgemeinmedizin Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Schwarzwaldstraße 69, 79822 Titisee-Neustadt [email protected]

Dr. med. Susanne Rabady Ärztin für Allgemeinmedizin Paracelsus Medizinische Privatuniversität Landstraße 2, A-3841 Windigsteig [email protected]

Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin am Zentrum für Public Health Medizinische Universität Wien Kinderspitalgasse 15/I 1090 Wien, Österreich [email protected]

Verantwortlicher Redakteur i. S. d. P. / Editor in ChiefProf. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Emeritus, Universitätsmedizin Göttingen Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Ludwigstraße 37, 79104 Freiburg [email protected]

Internationaler Beirat / International Advisory BoardJ. Beasley, Madison/Wisconsin, USA; F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NL;M. Egger, Bern/CH; E. Garrett, Columbia/ Missouri, USA; P. Glasziou, Robina/Australien;T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjortdahl, Oslo/Norwegen; E. Kahana, Cleveland/Ohio, USA;A. Knottnerus, Maastricht/NL; J. Lexchin, Toronto/Ontario, Kanada; C. del Mar, Robina/Australien; J. de Maeseneer, Gent/Belgien;P. van Royen, Antwerpen/Belgien; F. Sullivan, Dundee/UK und Toronto/Kanada; C. van Weel, Nijmegen/NL; Y. Yaphe, Porto/Portugal

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Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

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Konrad Adenauer aus den ersten Artikeln des DeutschenGrundgesetzes vom23.Mai 1949

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