Zaha hadid architects - cserni.at · von Zaha Hadid Architects, die wichtigsten Bauten sowie...

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1 01 / 2014 live live Magazin / Graz – Wien – Hamburg / Juni 2014 architektur / raum / kunst ZAHA HADID ARCHITECTS Interview mit Patrik Schumacher WU CAMPUS WIEN Library & Learning Center Furniture by Cserni PROJEKTE REGATTAVEREIN HAMBURG MUSEUM ANGERLEHNER PRIVATE LEBENSRÄUME OBJEKTMÖBLIERUNG MOBILIAR & ACCESSOIRES by Cserni KUNST FRANZ ERHARD WALTHER Deutscher Konzeptkünstler AUSSTELLUNG HAMBURG my landscape is your landscape Insert ERWIN BOHATSCH

Transcript of Zaha hadid architects - cserni.at · von Zaha Hadid Architects, die wichtigsten Bauten sowie...

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01 / 2014 live live Magazin / Graz – Wien – Hamburg / Juni 2014

architektur / raum / kunst

Zaha hadid architectsinterview mit Patrik schumacher

WU camPUs WienLibrary & Learning centerFurniture by cserni

Projekteregattaverein hambUrgmUseUm angerLehnerPrivate LebensräUmeobjektmöbLierUngmobiLiar & accessoires by cserni

kUnstFranZ erhard WaLther deutscher konzeptkünstler

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01 / 2014 live live 01 / 2014

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Nach intensiver journalistischer und redaktioneller Arbeit liegt nun die neue Ausgabe des Cserni Magazins vor. In C-live 03 berichten wir ausführlich über Architektur, Interior und Kunst.

INTERNATIONALE ARCHITEKTURDie Coverstory dieser Ausgabe ist ein umfassender Beitrag über das Architekturbüro Zaha Hadid. In einem langen Interview mit Patrik Schumacher wird die Entwicklungsgeschichte von Zaha Hadid Architects, die wichtigsten Bauten sowie Schumachers Architekturtheorie des Parametrismus erläutert. Ausgangspunkt dieses Beitrages ist das Library and Learning Center am neuen WU Campus Wien – das größte Gebäude, das Zaha Hadid bisher in Ös-terreich realisiert hat. Für dieses Gebäude hat Cserni exklusiv nach den Entwürfen Hadids Möbel gebaut.

INTERIOR UND DESIGNIn diesem Bereich werden Projekte vorgestellt, die Cserni gemeinsam mit Partnern in letzter Zeit realisiert hat: ein luxuriöser Loftumbau im Herzen von Wien nach Plänen des Büros Peter Reindl, die neue Ausstattung des traditionsbewußten Norddeutschen Regattavereins in Hamburg und Einbauten im Foyer des Museum Angerlehner in Wels.Möbelentwürfe von der für Cserni tätigen Innenarchitektin Anika Müth werden präsentiert und neue Serviceleistungen zur Gestaltung von individuellem Wohnbereich werden vorgestellt.

BILDENDE KUNSTWie bei den ersten beiden Ausgaben von C-live, und wie es mittlerweile Tradition ist, wird in dieser Ausgabe wieder der Kunst ein großer Raum gegeben.Anlässlich seines 75. Geburtstags stellen wir das Werk des deutschen Konzeptkünstlers und mehrfachen documenta-Teilnehmers Franz Erhard Walther vor. Dem Ausstellungsprojekt My Landscape Is Your Landscape, das gerade durch Deutschland tourt, ist ebenfalls ein umfang-reicher Beitrag gewidmet. Der Künstler Erwin Bohatsch wird portraitiert. Er hat mit eigens dafür geschaffenen Papierarbeiten das Insert dieser Ausgabe gestaltet. Mit ihm geben wir die erste C-live Kunstedition heraus, die kontinuierlich weitergeführt werden soll – Künstler und Künstlerinnen, denen das jeweilige Insert gewidmet ist, gestalten eine Edition.

C-live, mit den Schwerpunkten Architektur, Interior und Kunst, versucht den aktuellen Ten-denzen am Puls der Zeit nachzugehen. Das Architekturbüro Zaha Hadid zählt nach Norman Foster zum zweitgrößten Baukünstlerbüro weltweit und wir sind besonders erfreut, Ihnen mit dem ins Detail und in die Tiefe gehenden Interview mit Patrik Schumacher einen exklusiven Einblick geben zu können in den aktuellen internationalen Architekturdiskurs.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und anregende Zeit mit dem C-live Magazin 03.

Martin Cserni, CEO CSERNI GROUP Thomas Redl, Chefredakteur

CSERNI live 03aRChItEktuR / Raum / kuNSt

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Architekturen sind im Grunde dreidimensionale Aufbereitungen von Logiken, Organisations- und Wissensstrukturen.

Patrik Schumacher

Library & Learning Center, WU Campus Wien, Foto: Andreas Thaler

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Manuela Hötzlist seit 1992 als Architekturkritikerin und Journalistin für internationale Architektur und Kunstmagazine tätig. Sie ist Redakteurin bei verschiedenen Buch- und Magazinprodukti-onen, für Verlage, Architekturbüros und Unternehmen und spezialisiert auf die Vermittlung von architekturrelevanten Themen. Sie hat in Graz (Technische Universität) und Pretoria Architektur studiert und 2011 an der Goldsmiths University of London mit einem MA in Research Architecture abgeschlossen. Manuela Hötzl lebt und arbeitet in Wien.www.redaktionsbuero-architektur.at

Sonja Pisarik Lebt in Niederösterreich. Tätig als Architekturhistorikerin und Kuratorin. Studium der Kunst-geschichte an der Universität Wien, Kulturmanagement-Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Seit 2003 in Archiv und Sammlung des Architektur-zentrums Wien tätig. Ausstellungen und Publikationen zur österreichischen Architektur der Zwischenkriegs- und Nachkriegsmoderne. Zahlreiche Artikel zu Architektur und Design im Nachrichtenmagazin Profil.

Andreas ThalerÖsterreichischer Produktdesigner, ist als Fotograf Autodidakt, Absolvent der Kunstuniver-sität Linz, Meisterklasse Metall bei Prof. Helmuth Gsöllpointner und Prof. Kristian Fenzl. Andreas Thaler ist Gewinner des Europäischen Designpreises “DESIGN FOR EUROPE AWARD“ 16. Internationale Design Biennale Belgien. Seine Arbeiten zeichnen sich durch eine unverwechselbare Formensprache aus, sind Schnittstelle zwischen Funktion und Skulptur – zu sehen in europäischen Museen, Design Hotels, MTV Europe Studios und Headquarters renommierter Konzerne. www.andreasthaler.com

Für das Zustandekommen dieser Ausgabe danken wir allen AutorInnen, FotografInnen und KünstlerInnen sowie allen Mitwirkenden.

autorinnen und Fotografinnen dieser ausgabe

Martin Cserni, CEO CSERNI Group / Herausgeber HTL für Möbel- und Innenausbau (1983-1988), danach Architekturstu-dium (1989-1994). Seit 1997 ist er selbständig als Architekt tätig und übernahm im Jahr 2002 das Traditionsunternehmen CSERNI, das er vom klassischen Tischlereibetrieb zum Generalunternehmen mit Sitz in Fehring, Graz, Wien und Hamburg erweiterte. Parallel zum Unternehmen baut er die vom Vater begründete Kunstsammlung kontinuierlich aus.

Thomas Redl, ChefredakteurStudium an der Hochschule für Gestaltung Linz. Tätig als Künstler und Herausgeber. 2003–2007 Herausgabe des Zeitungsmagazins ST/A/R zusammen mit Heidulf Gerngross. 2008-2011 Herausgabe des Maga-zins fair – Zeitung für Kunst & Ästhetik, Wien/Berlin in Kooperation mit Wolf Günter Thiel, Berlin. Konzeption und Publizierung von Büchern im Bereich Kunst und Design. Diverse Ausstellungen im In- und Ausland, unter anderem Biennale Venedig 2009. Arbeitet mit den künstlerischen Medien: Installation, Malerei, Film und Buch. Aktuell erscheint von ihm das Kunstmagazin in situ – statements zur gegenwart.

das redaktionsteam

Claus Friede, Korrespondent Hamburg studierte freie Kunst und Romanistik in den USA und Deutschland. 1990 gründete er seine Kunstagentur Claus Friede*Contemporary Art, die er bis heute leitet. 2002 war er Mitbegründer des kulturkluHH. 2006 bis 2008 verantwortete und moderierte er die Fernsehsendung „Lampenfieber“ beim Regionalsender Hamburg1 Fernsehen. Seit 2008 leitet er als Chefredakteur das Internet-Feuilleton und WebTV-Format www.kultur-port.de. Seit 2010 ist er außerdem künstlerischer Leiter des Kunstforums Markert in Hamburg.

CSERNI GRoupall INCluSIvE

Im kompromisslosen Zusammenspiel aus intelligenter Funktionalität, inspirierendem Stil und handwerklicher Qualität entwickelt das 1930 in der Steiermark gegrün-dete Traditionsunternehmen CSERNI heute Architek-tur- und Interiorkonzepte auf hohem Niveau und sieht seine Tätigkeit in der Umsetzung exquisiter Lebens- und Arbeitswelten, erstellt aus den Wünschen und Vorstel-lungen anspruchsvoller Business- und Privatkunden. Wohn- und Unternehmensvorhaben werden architek-tonisch entwickelt, geplant, gebaut und bis ins Detail eingerichtet. Vom ersten Termin bis hin zur schlüs-selfertigen Objektübergabe hat der Kunde nur einen Ansprechpartner. Österreichische Qualität, modernste Technik, hochwer-tige Materialien sowie umfassendes langjähriges Know-how zeichnen die Dienstleistungen und Produkte von CSERNI aus.

„WIR StEllEN EINEN kompEtENtEN paRtNER füR dIE REalISIERuNG voN WohN- uNd uNtERNEhmENSvoR-habEN daR uNd vERSuChEN, uNSEREN kuNdEN uNd paRtNERuNtERNEhmEN EIN GESamthEItlIChES aNGEbot, dIE bEREIChE bauEN, WohNEN uNd EINRIChtEN bEtREffENd, zu lIEfERN. daS hEISSt: voN dER GRüNEN WIESE bEGINNENd übER daS dEvElopmENt uNd dIE bEGlEItuNG IN dER fINaNzIE-RuNG EINER lIEGENSChaft bIS hIN zuR GENERalplaNuNG duRCh dEN aRChItEktEN, alSo dER komplEttEN kooRdINatIoN uNd umSEtzuNG voN ImmobIlIENpRojEktEN SoWIE dER INNENRaumGEStaltuNG kommt allES auS EINER haNd.“

aRChItEkt dI maRtIN CSERNI, EIGENtümER dER CSERNI GRoup

Büro 1010 Wien

IMPRESSUM

CSERNI live – Magazin / architektur/raum/kunst Erscheinungsort Graz, Wien & Hamburg.

CSERNI live Nr. 03, Juni 2014

Medieninhaber und Verleger: Cserni Wohnen GmbH, Grüne Lagune 2, 8350 Fehring

Herausgeber: Martin Cserni / Herausgeber Insert: Martin Cserni & Thomas Redl

Redaktion Chefredakteur: Thomas Redl Redaktion: Thomas Redl, Claus Friede, Katharina Pober Hamburg Korrespondent: Claus Friede Lektorat & Transkription: Valie Airport

Alle Fotos falls nicht anders angegeben: Thomas Redl / Karl Schrotter, © CSERNI GROUP

Grafik und Produktion: Skylab / Dieter Auracher (Wien)

Cover: Library & Learning Center, WU Campus Wien, Foto: Andreas Thaler

Druck: Holzhausen Druck GmbH

Kontakt: [email protected], www.cserni.at

© bei den Autoren / © der Abbildungen sofern nicht anders angegeben bei CSERNI

Erklärung über die grundlegende Richtung: Das Magazin CSERNI live sieht seine Aufgabe darin, einen Dialog auf hohem Niveau im Bereich Architektur, Kunst und Kultur zu führen. Weiters werden aktuelle Projekte von CSERNI im Bereich Architektur, Innenarchitektur und Interiordesign vorgestellt.

INhaltCONTEMPORARY DESIGN BY CSERNI Showroom Wien / Hamburg 6

ExKLUSIvES INTERIOR Sberbank, Penthouse, Bakalofts 8

ZAHA HADID ARCHITECTS Interview mit Patrik Schumacher 12

DER NEUE WU CAMPUS WIEN 22

RHTB:TROCKENBAU 24

BAUEN FüR EINE BESSERE WELT Think Global, Build Social 26

REGATTAvEREIN HAMBURG Das neue Clubhaus des NRV 30

MUSEUM ANGERLEHNER Ein Begegnungsort für zeitgenössische Kunst 32

NEUER vITRA SHOWROOM 35

FRANZ ERHARD WALTHER Deutscher Konzeptkünstler 38

MY LANDSCAPE IS YOUR LANDSCAPE Internationale Videokunst 40

ERWIN BOHATSCH 44

POLYPHONIC Die neue Website der CSERNI GROUP 46

CSERNI live/CSERNI bar 47

KüNSTLERINSERT Erwin Bohatsch

volles Engagement für den trockenen Innenausbau„Als klassischer Familienbetrieb müssen wir Werte wie Qua-lität, Zuverlässigkeit und fachliche Spezialisierung hochhal-ten“, betonen die Geschäftsführer der rhtb: projekt gmbh, Rainer Haubenwaller und Christian Mauroschek unisono. Bei Großprojekten, wie zuletzt beim Campus WU, kann rhtb: seine Stärken – und dazu zählen eine präzise Organisation sowie die engagierte Umsetzung komplexester Aufträge – un-ter Beweis stellen.Fünf Punkte sind es, die seitens rhtb: beim Um- und Zubau der Wirtschaftsuniversität Wien besonders erwähnenswert scheinen:1. Die Flexibilität für die auftragsgemäße Erbringung sämtli-cher Arbeitsleistungen – Wände, Decken, Böden … – durch geschultes Fachpersonal, wobei durchschnittlich 50 rhtb:-Mitarbeiter auf der Baustelle tätig waren;

rhtb: projektpartner von Cserni

2. die kompetente, beratende Unterstützung des Generalpla-ners und Architektenteams sowie der ÖBA; 3. das hervorragende Management der Materiallogistik, da so gut wie keine Lagerflächen vorhanden waren;4. das je nach Bauablauf gesteuerte System für die Einlage-rung und den Hochtransport des benötigten Materials bis hi-nauf in den 12. Stock; und last but not least5. das sehr gute Zusammenwirken bzw. die Koordination mitsämtlichen am Projekt tätigen Firmen. Die Trockenbauar-beiten, die von rhtb: im Zeitraum Februar 2012 bis Juli 2013 durchgeführt wurden, umfassten u.a. 16.000 m2 GK-Me-tallständerwände, 3.500 m2 GK-Vorsatzschalen, 12.000 m2

Brandschutzverkleidungen, 15.000 m2 Brandschutzdecken,6.000 m2 abgehängte GK-Decken, 5.000 m2 Akustikdecken, 4.000 m2 Metallkassettendecken und 22.000 m2 Hohl- bzw.Doppelböden.Weitere Infos auf den Seiten 24 und 25.

rhtb: Geschäftsführer Rainer Haubenwaller hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. Nach lehrreichen Jahren im väterlichen Betrieb startete er 1999 sein eigenes Unternehmen, um sein Know-how und seine Visionen in die Tat umzusetzen. Bereits zwei Jahre nach der Gründung wurde rhtb: mit dem VÖTB-Gütesiegel ausgezeichnet. Das mittlerweile 60 Mann starke Unternehmen hat sich am Markt längst etabliert und gilt in der Branche als kompetenter Partner mit Handschlagqualität. Die ursprüngliche Kernkompetenz „Tro-ckenausbau“ wurde in den vergangenen Jahren um die Bereiche Boden, speziell integrierte Heiz-Kühlsysteme sowie Systemtrennwände erweitert. Mittlerweile erfüllt das rhtb:-Team bei einer Vielzahl von Aufträgen die Aufgabe eines „Innenausbau“-Generalunternehmers.

CSERNI live – Magazinwidmet sich den Themen Architektur, Design, Kunst und Kultur. Parallel werden aktuelle Pro-jekte von CSERNI im Bereich Architektur, Innenarchitektur und Interiordesign vorgestellt. Es geht vor allem um einen Diskurs über aktuelle Tendenzen und urbane Entwicklungen, um einen differenzierten Blick aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Magazin liefert damit ei-nen Beitrag zur lebendigen Architektur- und Designszene in Österreich und im europäischen Raum. Jeder Ausgabe ist ein speziell gestaltetes Künstlerinsert beigelegt.

Das Coverbild, von Andreas Thaler fotografiert, zeigt die große Ein-gangshalle des Library and Lear-ning Center am neuen WU Campus Wien. Dieses Gebäude, dessen Formensprache aus Science Fiction Architekturen entnommen scheint, ist wie ein zur Ruhe gekommenes Raumschiff mitten in Wien gelan-det. Betritt man das Gebäude, gerät man in eine Dynamisierung des raumzeitlichen Kontinuums, in einen Sog, der - von jeglicher sta-tischer Trägheit befreit - den Be-nutzer des Gebäudes wie in einer Zeitkapsel in der Zukunft verortet.

Um die Zukunft zu gestalten, braucht es Utopisten in der Gegen-wart, die die vorhandenen Grenzen überwinden und die gegebenen Formen sprengen, um sie zukunfts-fähig neu zu erfinden.

Thomas Redl

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01 / 2014 PROJEKTE live live PROJEKTE 01 / 2014

CoNtEmpoRaRY dESIGN bY CSERNIShoWRoom WIEN / hambuRG

Wir bieten folgende Leistungen:

- Individuelles Möbeldesign von der Skizze bis zum ferti-gen Objekt. Exklusive Entwürfe durch unsere Innenarchi-tektin Dipl.-Ing. Anika Müth.

- Auswahl an vielfältigen Materialien: verschiedene Hölzer, geprägte Leder, Stoffe, Metall- und Lackoberflächen, Perlmutt, Eggshell und vieles mehr.

- Persönliche Betreuung durch unser kompetentes Team an Fachleuten im Bereich Interior-Design.

- Produktion der maßgeschneiderten Entwürfe in der eigenen Möbelwerkstätte in hoher Handwerksqualität verbunden mit technischem Know How.

- Ergänzung durch besondere Wohnaccessoires wie Leuchten, Teppiche, Vorhänge und dekorative Objekte.

Erleben Sie in den CSERNI Showrooms Wien und Ham-burg hochwertiges Design, individuelle Betreuung sowie eine umfangreiche Sammlung exklusiver Materialien für den Interior-Bereich – von traditionell klassisch bis redu-ziert modern.

Mit der Leidenschaft, individuelle Gesamtlösungen im Interiorbereich aus einer Hand zu bieten, werden die harmonischen Designs entwickelt. Eine Komposition zu entwickeln aus dem Verständnis für das Wesentliche und mit dem Blick für Details ist das Ziel unserer Innenarchitektin Anika Müth. Damit schafft sie ein unverwechselbares Raumanbiente.Zuhören und mit Feingefühl die Vorstellungen der Kunden zu realisieren, hat oberste Priorität.

Wir bringen individuellen Flair in Ihre Lebensräume!

Hochwertige Stoffe und Accessoires

aufklappbares Barmöbel, Design: Anika Müth; Ambiente: Restaurant Hansen in der historischen Markthalle der Wiener Börse, Wipplingerstr. 34, 1010 Wien, www.hansen.co.at

Materialboards

Tisch von CSERNI (Design und Produktion), Sitzbänke von Hans Kaufeld, Leuchte von Porta Romana, vasen von Guaxs

Loungechair von Wittmann, Side Table von Christine Kröncke, vase von DK Home und Bild von Franz Cserni

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01 / 2014 PROJEKTE live live PROJEKTE 01 / 2014

ExkluSIvES INtERIoRSbERbaNk, pENthouSE, bakaloftS

Interview mit Peter Reindl und Andreas Gebhard

Thomas Redl: Worin liegt der Schwerpunkt Ihres Ar-chitekturbüros, im Bereich der Innenarchitektur oder der klassischen Außenarchitektur?Peter Reindl: Unser Schwerpunkt liegt auf dem exklu-siven Innenausbau, aber auch auf exklusivem Hochbau von Dachgeschoßausbauten, über Penthäuser bis zu größeren Villen, die wir in den letzten Jahren realisiert haben. Auch für einige Banken haben wir einen geho-benen Standard im Interior Design umgesetzt.

TR: Was sind die Kriterien in diesem Luxus-Segment?PR: Ein gewisses Vertrauen ist grundsätzlich notwendig. Zu mir kommen High-end Kunden, die Qualität haben wollen. Wir haben Kunden aus dem arabischen Raum und Russland, natürlich aus Österreich und auch Ame-rika, die österreichisches Design und österreichische Betreuung schätzen. Wir bewegen uns allerdings nicht nur im Hochbaubereich, sondern auch im Mobiliensek-tor: Wir haben das Interior für einige Schiffe geplant und große Flugzeuge eingerichtet.

TR: Privatflugzeuge?PR: Ja, das waren Privatflugzeuge für Kunden aus Ös-terreich und Russland. Dies war eine extreme Herausfor-derung, denn es geht zwar um Gestaltung, hat aber mit Architektur als solches nur wenig zu tun. Wir mussten uns mit völlig neuen Zertifizierungen und Fragestellun-gen auseinandersetzen, wie: Darf man überhaupt „nor-male“ Stoffe, Leder und andere Materialien bis hin zu Geschirr in einem Flieger mitnehmen? Wir haben auch einen Bildungsprozess durchlaufen und hatten intensiv mit den Flugzeugherstellern und Behörden zu tun, die zuständig für die Zulassungen und Zertifizierungen sind. So ein Flieger wirkt einfach und klein – eine Boing 737 hat innen eine Länge von 35 m und eine Breite von etwas über 3,5 m, also die Fläche einer mittelgroßen Wohnung, aber wir haben vier Jahre daran geplant.

TR: Der Interieur-Bereich beinhaltet alles vom Design bis zur kompletten Ausstattung von Häusern?PR: Ja, bis hin zum Accessoire.

TR: Sie haben mehrere Projekte mit der Firma CSERNI realisiert: Sberbank Headquaters sowie die Aus-stattung eines Penthouse. Wie gestaltete sich die Aufgabenteilung?PR: Wir als die federführenden Architekten haben uns an die Firma CSERNI um Unterstützung im gehobenen In-nenausbau gewandt. CSERNI verfügt über einen extre-men Fundus an Materialien und das gewisse Know-how, wie man mit Innenraum exklusiv und effizient verfährt, was sich einsetzen und auch umsetzen lässt. Es geht hier um Qualität. Manchen Kunden ist es nicht wichtig, wer der Billigste oder Wirtschaftlichste ist, sondern wer der Beste ist. Und CSERNI hat sich da einfach hervor getan.

TR: Im Penthouse gibt es einen großen offenen Wohn-bereich mit Einbauten, die exklusiv für das Projekt ent-worfen wurden. Wie waren hier die Anforderungen und die Gestaltungslinie?PR: Es handelt sich um einen Dachgeschoßausbau, ein sehr großes Penthouse – ein Raum mit circa 100 m2 und zahlreichen Nebenräumen mit einem Gesamtwohnraum von etwa 400 m2. Wir haben uns vorerst auf den Wohn- und Schlafraum konzentriert, weitere Räume folgen in der nächsten Zeit. Wohnzimmer, Essbereich und Küche sind weitestgehend offen. Wir haben versucht, mit dem

Entwurf dem Geschmack des Kunden zu entsprechen. Das bekommt man natürlich nicht von der Stange, son-dern es muss aufgrund der Konfiguration des Dachrau-mes auf den Zentimeter genau geplant sein. Wir haben einen Contemporary Modern Designstil vorgeschlagen, der sofort angenommen wurde. Es ist kein sehr moder-ner, glatter Stil, wie man es vielleicht von uns erwarten möchte, sondern es ist etwas verspielter und verzierter. Die Elemente aus Vollholz hat CSERNI bestens ausge-führt. Das Ganze zieht sich wie ein roter Faden von der Küche über den Ess- in den Wohnbereich, es gibt kaum Unterbrechungen und es sind an die 22 Laufmeter mit bis zu 4 m hohen Verbauten. CSERNI hat aber nicht nur die Einbaumöbel hergestellt, sondern auch das ge-samte Spektrum der Serienmöbel abgedeckt. Es wurde vom Sessel über die Couch bis hin zum Zierpolster und Nachttischlämpchen alles geliefert.

TR: Es ist also ein Komplettausstattungsmodell.PR: Ja, man kann sagen, bei CSERNI findet eine Art one-stop-shopping statt. So etwas suchen viele Kun-den, sie wollen nicht von Möbelhaus zu Möbelhaus laufen oder sich im Internet irgendwelche Möbel be-stellen. Bei CSERNI bekommen sie alles serviert, sie können Stoffe und Materialien begutachten und, nicht unwesentlich, sie erhalten sofort den Preis, der sich bei einem one-stop-shopping vielleicht auch etwas flexibler gestaltet.

TR: Welche Kriterien lagen der Planung des Interieurs der Sberbank zugrunde?PR: Im Office-Bereich hat man zu 80 Prozent mit Seri-enmöbel zu tun: Stühle, Tische, Regal- und Ablagesys-teme. Der Empfangsbereich, die Besprechungs- und Konferenzräume und exquisiten Lounges sind wie im Privaten zu konfektionieren. In einem großen Konferenz-raum bedurfte es eines 12 m langen Besprechungsti-sches mit einem massiven Unterbau, der die Elektronik verbirgt, und mit einer veredelten, glänzenden Oberfä-che. Diesen Tisch hat CSERNI in nur wenigen Wochen hergestellt und in drei Teilen geliefert. In den anderen Bereichen, wo CSERNI tätig war, war es auch sehr wich-tig, hochwertige Ausführungen mit exklusiven Oberflä-chen zu bekommen.

TR: Wesentlich sind hier also auch die Qualitätskriterien?PR: Ja. Ganz besonders wichtig ist auch die Zeit-schiene. Wir hatten einen sehr engen Planungs- und Umbauzeitraum. Die Räumlichkeiten der Bank am Schwarzenbergplatz – es geht um 6000 m2 – wurden sehr teuer angemietet. Der Umbau musste innerhalb von drei Monaten erfolgen. Das waren natürlich ext-reme Vorgaben, wobei sich CSERNI als guter Partner erwiesen hat: Sie haben es in der kurzen Zeit geschafft, diese hochwertigen Möbel herzustellen.

TR: CSERNI hat ein gutes Team mit sehr erfahrenen Mitarbeitern und parallel gibt es in der Steiermark eine hohe Handwerkstradition.PR: Ich habe mir die Facility bei CSERNI in Fehring an-gesehen und war überrascht, wie groß die Firma ist. Das Personal besteht aus geschulten Tischlern und hoch motivierten Mitarbeitern aus der Region. Wir haben ein zusammengeschweißtes Team von Mitarbeitern bei CSERNI vorgefunden, einige Zeichner, Planer und Monteure – sympathische und resche Burschen aus der Steiermark – habe ich persönlich kennengelernt.

TR: Sie haben aktuell ein Loft-Projekt in Arbeit. Um welches Projekt handelt es sich und was hat es für Spezifikationen?PR: Es handelt sich um eine ehemalige Lusterfabrik im 17. Bezirk, die Bakalowits hieß. Wir nennen das Projekt Bakalofts. Es ist ein circa 2000 m2 großes Objekt, das wir völlig ausräumen und aus den ehemaligen Produk-tionsstätten und -hallen klassische Lofts produzieren, d.h. es sind überwiegend 1-Raum-Wohnungen mit ein-gebauten Boxen, wie Badezimmer-, WC- und vielleicht Schlafbox, die sich mittels Glas- oder verschiedenen großflächigen Wänden öffnen und schließen lassen. Der Käufer kann sich eine Fläche von 180 bis 400 m2 aussu-chen und dann dementsprechend selbst bespielen. Wir richten die Lofts mit Holzboden, Bad etc. fix und fertig her, alles Weitere wie Küche, Einrichtung macht der Nut-zer selbst. Alle Einheiten sind mit Garagen versorgt, genau gesagt mit 1,2 Garagenplätzen und manche ver-fügen über eine Dachterasse mit Blick über ganz Wien. Es ist wirklich ein sehr interessantes Projekt. Die Lofts sind auch erschwinglich, denn der 17. Bezirk ist noch nicht bis ins letzte Eck von Bauträgern ausgelutscht. Ich bin hier nicht nur Architekt, sondern auch Bauträger und mache mit meinem Partner, Herrn Mag. Andreas Gebhart, und einem Investor gemeinsame Sache. Als Architekt mit hohem Anspruch, was Architektur und Innenausbau anbelangt, erreiche ich hier ein ganz be-stimmtes Klientel. Die Zeit der Vorsorgewohnungen, wo man Wohneinheiten von 40-80 m2 wie warme Semmeln verkaufen konnte, ist vorbei. Es gibt ein Klientel von Loft-Fans, wie Künstler, Kulturschaffende oder auch Familien, auch wenn dies kein Projekt ist, in dem wir eine 4-6-köpfige Familie ansprechen, obwohl der Platz ausreichend wäre und man Wände aufstellen und aus den 400 m2 sieben Zimmer machen könnte. Aber das ist nicht unser Konzept, wir verkaufen Lofts.

TR: Welche Aufgaben hat CSERNI in diesem Projekt ausgeführt?PR: CSERNI hat uns von der ersten Minute an als Part-ner im Bereich des Marketings unterstützt. Wir haben einen Werbefilm gedreht, für den private Werke aus der Kunstsammlung von Martin Cserni und Möbel aus dem CSERNI Schauraum zur Verfügung gestellt wurden. In weiterer Folge beabsichtigen wir auch, Küchen und an-dere Einbauten, die wir den Käufern anbieten, von der Firma CSERNI produzieren zu lassen.

TR: Wird eine Art Musterloft eingerichtet werden?Andreas Gebhard: Das wird es auch geben. Wir versu-chen, zu leistbaren Preisen möglichst individuelle und sehr flexible Wohneinheiten zu gestalten, und wollen

in Verbindung mit Unternehmen wie CSERNI, das die-sem hohen Qualitätsanspruch gerecht wird, den Nutzern bzw. Käufern alles aus einer Hand anbieten, bei völli-ger Freiheit allerdings, was Design, Qualitätsansprüche, Gestaltung der Räume und schlussendlich den Life-style betrifft. Dazu braucht man Partner wie CSERNI, die schnell und individuell, aber ohne Qualitätsverlust produzieren können.

TR: Wiener Wohnen stellt eher das klassische Altbau-Wohnungsmodell dar. Lofts gibt es in Wien nicht so viele. Ist dies ein Aufbruch in Wien, auch andere Wohnsitu-ationen und internationalere Lebensräume entstehen zu lassen?AG: Das Publikum und damit die Nachfrage verändern sich. Wie Peter bereits erwähnt hat, die klassischen Immobilieninvestoren im Sinne der Vorsorgewohnun-gen, die sich eine Wohnung als Altersvorsorge kaufen, um eine Mietrendite zu erzielen, und in zehn Jahren die Wohnung den Kindern zur Verfügung stellen, wer-den weniger. Die Nachfrage lässt deutlich nach, weil die Wohnungs- und Quadratmeterpreise derart gestie-gen sind und eine Mietrendite nicht mehr so einfach zu erzielen ist. Wir haben uns ganz bewusst für eine andere Art von Projekt entschieden. Wir wollen Leute erreichen, die unsere Herangehensweise an Immobilien nachvollziehen können, wo Individualität und Flexiblität an oberster Stelle stehen – die Nutzung des eigenen Raums für seine eigenen Bedürfnisse, die sich über die Zeit verändern können und dürfen, ohne dass man dann gezwungen ist, sein gewohntes Lebensumfeld komplett zu verlassen und sich wo-anders hin zu orientieren. Das genau haben wir dort mit der Situation der alten Fabrik mit einer tollen His-torie geschaffen; das Haus hat lange bevor Herr Ba-kalowits mit der Lusterpro-duktion angefangen hat, als Kunsthandwerkstätte und Tischlerei gedient. Insofern ist es besonders witzig, nun mit einem aus dem Handwerk kommen-den Betrieb wie CSERNI dieses Projekt gemeinsam zu realisieren. PR: Wir wollen nicht 08/15-Vorsorgewohnun-gen bauen, sondern un-sere Ideen zu Architektur

und Wohnen in die Welt hinaustragen. Also haben wir beschlossen, dies „below the line“ zu versuchen. Lofts gibt es nicht so viele. Und ohne dass wir bereits in Be-trieb sind, haben uns im Zuge der letzten sechs bis acht Monate, seitdem wir das Projekt besitzen, zahlreiche Leute angesprochen. Wir haben eine Künstlergruppe namens Rummelhummel drinnen gehabt, die wiederum ihr Klientel angesprochen hat. Auch wenn wir noch nicht in der Verwertung und Vermarktung sind – wir haben noch keine Anzeige geschalten und sind noch nicht aktiv auf Leute zugegangen – ist die Nachfrage da, die Leute rufen uns an und fragen, ob sie sich die Lofts an-schauen und kaufen können, obwohl sie eigentlich noch nicht herzeigbar sind, weil es eine Baustelle ist. Aber eine besondere Gruppe von Leuten zeigt hier Interesse.

TR: Danke für das Interview.

Sberbank, © Cserni

Bakalofts, © PR Architects

Bakalofts, © PR ArchitectsObjekteinrichtung Penthouse, Wien, © Cserni

Objekteinrichtung Penthouse, Wien, © Cserni

Peter Reindl

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01 / 2014 live live 01 / 2014

aRChItEktuRzaha hadId aRChItECtS

IntervIew mIt PatrIk Schumacher

Wu CampuS WIEN

Rhtb:tRoCkENbau

bauEN füR EINE bESSERE WElt thInk Global, buIld SocIal

Rosenthal Center for Contemporary Art, Cincinnati, USA, 1997 / 2003, © Zaha Hadid

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01 / 2014 ARCHITEKTUR live live ARCHITEKTUR 01 / 2014

Thomas Redl: Welche Bedeutung hatte die Ausstellung „Deconstructivist Architecture“, die 1988 im MOMA in New York stattfand, für die Architekturentwicklung ge-nerell und für die Entwicklung des architektonischen Werkes von Zaha Hadid im Speziellen?

Patrik Schumacher: Die Ausstellung fasst etwas zu-sammen, was es in der Entwicklung bereits gab, d.h. sie initiiert nicht. Es ist jedoch dennoch wichtig, dass ab und zu Begriffe in den Diskurs geworfen werden, die versuchen zu definieren, was vorgeht und was sich an aktuellen Tendenzen entwickelt, und so eine Beschleu-nigung an Entwicklung hergestellt wird und Konvergenz von kreativen Kräften auf die Entwicklung. Das war ein wichtiger Moment, es war die Zeit der Postmoderne und der Versuch, Tendenzen zu sammeln, die eigent-lich konträr dazu waren. Eine der Subtendenzen der Postmoderne war die Rückbesinnung auf historische Modelle, die latent in der Postmoderne vorhanden war. Die Tendenz, die schließlich in der Dekonstruktivismus-Ausstellung gezeigt wurde, war der Versuch, radikal dagegen zu stehen und für eine abstrakte Innovation mit wenig Rückschau, und wenn mit Rückschau, dann auf Radikaltendenzen der Frühmoderne, und an diese anzuknüpfen im Sinne von radikaler Innovation in Rich-tung von mehr Komplexität. Es war eine relativ kleine Gruppe, es hätten auch mehr sein können, aber für diese Gruppe der Sieben war dies natürlich ein enor-mer Karriereschub. Ich habe Zaha Hadid zur Zeit dieser Ausstellung kennengelernt und sie beim Symposium „The Deconstructors“ an der TATE getroffen und mich dann bei ihr beworben. Ich hatte die Arbeit von Zaha Hadid schon zuvor geschätzt und war interessiert, aber das Symposium hat dies noch untermauert. Ich war sehr ambitioniert und wollte bei dieser neuen, hippen Tendenz mitmachen.

TR: Die Gruppe der ausgestellten Architekten umfasste Frank O. Gehry, Peter Eisenman, Bernard Tschumi, Coop Himmelb(l)au, Daniel Libeskind, Rem Kohlhaas und Zaha Hadid; und es war Jacques Derrida, der den Begriff des Dekonstruktivismus entwickelt hat.

PS: Jacques Derrida hat den Begriff der Dekonstruktion als Methodenbegriff einer philosophischen Kritiktech-nik entwickelt. Peter Eisenman und Bernard Tschumi als Vordenker in der Disziplin, die sich mit Philosophie beschäftigt hatten, haben Derrida zur Zusammenar-beit eingeladen, weil sie inspiriert waren und Parallelen sahen. Aus dieser Zusammenarbeit heraus ist dieser Begriff entstanden, der aber ursprünglich von Joseph Giovannini stammt, jedenfalls erhebt er den Anspruch, diesen Begriff entwickelt zu haben als Stilbegriff für die Architektur, d.h. dieser -ismus stammt so nicht von Derrida, sondern kommt aus dem Architekturdis-kurs in Anlehnung an den philosophischen Begriff der Dekonstruktion.

TR: Wie weit hatten die russischen Konstruktivisten und auch der Suprematismus Einfluss auf diese Gruppe und auf Zaha Hadid? Sie spricht davon, dass sie versucht hatte an diese Strömungen anzuschließen.

PS: Die Radikaltendenzen einer modernen Kunst und Architektur waren Einfluss gebend, der Suprematismus besonders für Zaha Hadid, aber auch für Rem Kohlhaas. Für Bernard Tschumi waren es mehr der Konstruktivis-mus und Jakob Tschernikow. Daniel Libeskind hingegen hat sich mehr an Kubismus und Collagetechniken orien-tiert. Nah verwandt aber waren alle in ihrer Suche nach

zaha hadIdaRChItECtS

INtERvIEW mIt patRIk SChumaChER radikal neuen Konzepten, die mehr Intensität, Dynamik und Komplexität beinhalten als die Konzepte der klas-sischen Moderne. Es fand eine Rückbesinnung auf die in den 1920er-Jahren entstandenen Tendenzen, die sich in den 1930er, 40er und 50er-Jahren nicht durchgesetzt haben, wie z.B. der Konstruktivismus und Suprematis-mus, oder in der Kunst der Kubismus.

TR: Fast 20 Jahre danach fand die Einzelausstellung von Zaha Hadid im Guggenheim-Museum New York statt, der zweite international wesentliche Meilenstein in der Repräsentation ihrer Architektur. Welche Auswirkungen hatte diese Ausstellung und wie beeinflusste und för-derte sie die Auftragslage des Büros von Zaha Hadid?

PS: Der entscheidende Schritt für die Auftragslage und öffentliche Wahrnehmung von Zaha Hadid ergibt sich aus zwei Komponenten, zum einen kam Ende der 1990er-Jahre nach 15 Jahren radikaler Entwurfsfor-schung der Durchbruch mit einigen Wettbewerbsgewin-nen: Cincinnatti, Wolfsburg, Rom. Die Fertigstellung des Lois & Richard Rosenthal Center for Contemporary Art in Cincinnatti gab den Ausschlag für den Pritzker-Preis, das war ein entscheidender Meilenstein für Zaha Hadid. Darauf aufbauend kam die Guggenheim-Ausstellung, die noch Einiges an Renommee und Profil geschaffen und dazu beigetragen hat, dem Werk von Zaha Hadid zum Durchbruch zu verhelfen. Wir sind dann sehr stark gewachsen, mit vielen neuen, auch größeren Projekten. Es war auch ein bisschen ein Zeitgeist, der dahinter stand, ein Optimismus, eine Aufbruchstimmung, eine Boom-Zeit. Auch Frank Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao hat dazu beigetragen, die Idee von komplexe-ren und spektakuläreren Bauten durchzusetzen.

Library and Learning Center, WU Campus Wien, Foto: © Andreas Thaler

Feuerwehrhaus, Vitra Campus, Weil am Rhein, © Vitra

Die vom Bauhaus inspirierte Archi-tektur war im Grunde an industrielle Fertigungsmethoden gebunden und notgedrungen repetitiv, um kosteneffi-zient sein zu können. Hadids Architek-turkonzept hingegen, geboren aus einer rigorosen Logik und einem Designver-ständnis, das die euklidischen Grenzen sprengt, wurde erst durch eine neuerli-che industrielle Revolution möglich, die von digitalen Entwurfs- und Ferti-gungsmethoden vorangetrieben wurde. Jetzt können Schreibtische aus Wänden hervorspringen und Brücken in sinus-förmigen Wellen zu tanzen beginnen. Zaha Hadid hat die Architektur entfes-selt – und nichts wird sein wie zuvor.

PhiliP Jodidio, aus Die raumerneuernde Explosion, Hadid. Complete Works 1979 – 2013, Taschen Verlag 2013

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TR: Coop Himmelb(l)au hat eine ähnliche Entwicklung durchgemacht und ist auch in der internationalen Archi-tekturszene angekommen. Es gibt also einen Zeitpunkt, wo die Auftraggeber die Bereitschaft und den Mut für die Beauftragung solcher Projekte entwickelt haben.

PS: Es dauert immer eine Weile. Die Dekonstruktivis-mus-Ausstellung war der Ursprung, die ursprüngliche Markierung dieser Tendenz und der Karrieren. Entschei-dend ist auch, welche Figuren sich im nächsten Zyklus durchsetzen. Das Ergebnis dessen ist dann so etwas wie der Pritzker-Preis, die Guggenheim-Ausstellung und damit die Potenzierung der Präsenz. Inzwischen kann man sagen, dass Zaha Hadid Architects und Zaha Hadid, was die Prominenz anbelangt, wenn man das z.B. mit Google-Referenzen misst, mit großem Abstand das populärste Architekturbüro der Welt ist, und dann kommt, relativ weit abgeschlagen, Frank Gehry und andere wie Herzog & de Meuron Architekten.

GENESE DER BAUTENTR: Der erste Bau von Zaha Hadid in Europa, das Feu-erwehrhaus für Vitra in Weil am Rhein, ist eine Landmark für diese neuen Architekturformen. Wie entwickelte sich das Zaha Hadid Büro und was waren die wichtigsten Bauten, die realisiert wurden?

PS: Nach Vitra gab es längere Zeit nur wenige Projekte, ein kleineres Ausstellungsgebäude für die Landesgar-tenschau, ebenfalls in Weil am Rhein. Aber sonst tat sich fast die ganze Dekade nicht viel. Ende der 1990er-Jahre kam das Museum für Zeitgenössische Kunst in Cincin-natti, das Phaeno Wissenschaftsmuseum in Wolfsburg und MAXXI, das Nationalmuseum für die Kunst und Architektur des XXI. Jahrhunderts in Rom, und das war vielleicht der Höhepunkt, der entscheidende Durchbruch zur Top-Liga der internationalen Architekten. Seitdem sind einige weitere Meilensteine entstanden, z.B. das Opernhaus in Guangzhou in China, das Aquatics Cen-tre – das olympische Schwimmbad in London – und Galaxy Soho in Peking. Derzeit haben wir etwa 50-60 Projekte in Planung, 10-15 offene Baustellen, weitere bereits fertiggestellte Museen und inzwischen bauen wir auch Hochhäuser, größere Gebäudekomplexe und wir sind auch im Städtebau tätig. Wir sind sehr breit auf-gefächert. Aber den Durchbruch stellte das Jahr 2000 mit den Museumsbauten dar.

TR: Mit dieser Entwicklung hat auch das Büro stark expandiert. Es beschäftigt mittlerweile mehrere hundert Mitarbeiter.

PS: Wir sind mittlerweile etwa 450 Mitarbeiter, was ungewöhnlich groß ist für ein Büro mit einer artistisch inspirierten Führerschaft. Es ist das einzige Architek-turbüro mit einer künstlerischen Führung in dieser Grö-ßenordnung. Ein ganz anderer Architekt im Sinne eines Baukünstlers, der noch größer ist, ist Norman Foster. Unter den 100 größten Firmen der Welt gibt es keinen weiteren künstlerisch ambitionierten Protagonisten. Wir sind nach Foster das größte künstlerisch motivierte Bau-büro der Welt.

TR: Die Netzwerke und das Teamworking spielen in einer so großen Organisation eine entscheidende Rolle. Wie ist das Büro diesbezüglich strukturiert?

PS: Wir haben ein sehr offenes Netzwerk von Mitar-beitern mit flachen Hierarchien. Wir haben sehr junge Teams, die meisten führenden Mitarbeiter sind ehe-malige Studenten. Es gibt ein enges persönliches Ver-hältnis und ein sehr enges inspiratives Milieu, in dem sich unsere Mitarbeiter bewegen. Wir erwarten hohe Eigeninitiative und Kreativität von unseren Mitarbeitern, gewähren dafür auch große künstlerische Freiheit. Um-gekehrt sind aber auch die Prinzipien und Wertekriterien wichtig, von denen unsere Arbeit geleitet wird und die wir alle gemeinsam in der Zusammenarbeit tragen. Mein

Beitrag ist vor allem das Initiieren von neuen Agendas, Prinzipien, Werten, die ich mit internen Vorlesungen und Parolen in die kreativen Prozesse injiziere, so zum Beispiel die Emphase auf das wirksam und sichtbar ma-chen innovativer statischer Prinzipien wie differenzierte Skelette im Hochhausentwurf oder Schalenstrukturen und tensile Strukturen in mehr horizontal ausgerichteten Projekten mit großen Spannweiten.

TR: Es handelt sich also nicht um ein Heer von Zeich-nern, die ausschließlich für die Ausführungsplanung am Computer sitzen.

PS: Genau, es ist ein kreatives Milieu, es wird sehr viel experimentiert. Es bestehen gewisse ästhetische Krite-rien, verschiedene Methoden und Entwurfstechniken, die uns zusammenbinden, und es gibt auch immer wieder neue Ansprüche für die Weiterentwicklung. Es sind die internen Parolen oder auch paradigmatische Projekte, die ihren Einfluss auf alle Mitarbeiter ausüben. Das womit wir, Zaha Hadid und meine Person, uns be-schäftigen, führt dann auch zu parallelen und kreativen Prozessen an vielen Stellen. Oft wird dies in akademi-schen Kontexten zuerst erarbeitet, z.B. an der Ange-wandten in Wien oder an der Architectural Association School of Architecture in London, kurz AA, wo ich seit 16 Jahren unterrichte.

TR: Wieviele Bürositze gibt es derzeit?

PS: Der Hauptsitz ist in London, und der zweite Schwer-punkt liegt in Asien mit Büros in Peking und Hongkong, da wir einige Projekte in China, Singapur, Hongkong, Korea, Malaysien, Indonesien haben. Dazu haben wir viele kleinere, temporäre Baustellen-Büros.

ARCHITEKTURTHEORIETR: Sie haben eine eigene Architekturtheorie entwi-ckelt und den Begriff „Parametrismus“ eingeführt. Können Sie den Begriff kurz erläutern?

PS: Es gibt zwei Stufen der Definition, zunächst die begriffliche Definition: Parametrismus basiert auf dem Begriff der Parameter, verstanden als Variablen. Die Idee ist, dass alle Elemente einer architektonischen Kom-position mit Variablen ausgestattet sind, die diese Ele-mente plastisch, verwandelbar und anpassbar werden lassen, sodass sie sich aufeinander beziehen können

und sich aneinander anverwandelnd durch und für einander verformen, überformen und sich flexibel an Kontextsituationen anpassen können und dadurch ge-genüber einer Komposition mit rigiden geometrischen Figuren, die vorgefasst sind, zu fluiden Kompositionen mit über Parameter plastisch gewordenen Elementen werden können.Das Zweite ist die operationalisierende Definition. Hier formuliere ich Prinzipien und Kriterien, nach denen mit computergestützten Prozessen diese Objekte ange-legt werden als Genotypen mit Variablen und sich zu Systemen multiplizieren, mit der Vorgabe, dass diese Systeme differenziert sein müssen, mit Gradienten zu einem differenzierten Feld im Gegensatz zu dem moder-nistischen, monotonen Serienfeld, und dass des Wei-teren diese differenzierten Felder Subsysteme werden in einem komplexeren Multisystem-Aufbau und über assoziative Logiken miteinander korrellieren. Der Begriff der Differenzierung führt zum Begriff der Korrelation von mehreren differenzierten Subsystemen, die nicht indifferent sind und die nicht einfach kollagiert werden sollen, sondern die von einander abhängig sind und sich aufeinander beziehen und die sich somit gegenseitig ab-bilden und so von einander ableitbar werden. Das ist die entscheidende Operationsweise des Parametrismus. Das führt dazu, dass die verschiedenen Räume und Teile einer Komposition miteinander kommunizieren, zu-einander passen und sich kontextsensitiv in ein Umfeld einpassen. Es ist eine Art a priori des Parametrismus, dass es um Einbettung, Anverwandlung in gegebene Kontexte geht und nicht um das Aufoktruieren einer vorgefassten Form in jedweden Kontext.

TR: Sie sprechen im Parametrismus von der Ablösung der Formensprache, die das 20. Jahrhundert stark geprägt hat, u.a. der Bauhaus-Sprache, und von der Ablösung vom Fordismus, der die stereotype Form als Raster im großen Maßstab eingesetzt hat, wie dies z.B. auch in den Stadtentwürfen von Le Corbusier ersicht-lich ist.

PS: Für mich ist der Hauptkontrast tatsächlich der Kontrast von Parametrismus und Modernismus. Ich rede von epochalen Stilen. Die Postmoderne und der Dekonstruktivismus sind dagegen nur transitorische Stile. Der Modernismus des 20. Jahrhunderts war das architektonische Abbild oder Korrelat der sozio-ökonomischen Epoche des Fordismus. Ich rede heute vom Parametrismus als dem neuen epochalen Stil des

21. Jahrhunderts, der nicht die Vorgaben des Fordis-mus, sondern die der postfordistischen Netzwerkge-sellschaft umsetzt, in der es um eine Verdichtung von Beziehungen geht und nicht mehr um das Aussortieren von unterschiedlichen Lebensbereichen in separate Ste-reotypen, die dann nur repetiert werden – das war die Stadt der Moderne. Es geht um die Ausdifferenzierung einer Vielgestalt von Lebensbereichen, die aber mitei-nander zu vernetzen und aufeinander zu beziehen sind – das liefert der Parametrismus. In dem Übergang vom Modernismus zum Parametrismus gibt es transitori-sche Stilentwicklungen, die andeuten, dass man weg von dieser Monotonie geht und die Architekturspra-che mit Vielgestaltigkeit und Komplexität anreichern möchte; das ist der Postmodernismus, der sich dann zum Dekonstruktivismus weiterentwickelt hat. Das sind Zwischenstufen auf dem Weg zum Parametrismus. Der Parametrismus nimmt die Ideen von Komplexität, Vielgestaltigkeit und auch Konfliktbereitschaft in dem Zusammenkommen von Vielem des Dekonstruktivis-mus auf, geht aber nicht davon aus, dass es hier nur um Kollision und Collage, um ein Ineinandergreifen von Formen geht, sondern er versucht, dies aufzulösen und in eine neue komplexe Ordnung zu überführen, diese dadurch lesbar und nachvollziehbar zu gestalten, die Komplexität fassbar zu machen und zu verorten. Wäh-rend die Vielfalt im Dekonstruktivismus nur in einem Rohzustand agglomeriert, gibt es im Parametrismus die Durcharbeitung, Klärung und Transparentmachung von Vielfalt und Komplexität. Das Resultat ist eine komplexe, organische Ordnung, die unsere dichte, soziale Welt navigierbar macht. Dagegen führt der Dekonstruktivis-mus ab einer bestimmten Komplexitätsstufe zu einem desorientierenden visuellen Chaos. Deshalb war der Dekonstruktivismus nur eine Zwischenstufe, er hat auch nur etwa zehn Jahre gewirkt, bis sich aus ihm heraus der Parametrismus entwickelt hat, der sich inzwischen auch wesentlich weitgreifender und umfassender durch-gesetzt hat und sich viel besser generalisieren lässt. Der Dekonstruktivismus hatte ein Problem formuliert, eine Polemik geliefert, die Umsetzung der angerissenen Po-tenzen und die Durcharbeitung dieser Probleme finden jetzt im Parametrismus statt.

TR: Welche zeitgenössischen Architekten würden Sie dieser neuen Stilrichtung zuordnen?

PS: Es gibt eine ganze Generation von Architekten, die in dieser Art und Weise arbeiten und mitziehen. Zaha

Architekturen sind im Grunde dreidimensio-nale Aufbereitungen von Logiken, Organisations- und Wissensstrukturen.

PaTrik Schumacher

Rosenthal Center for Contemporary Art, Cincinnati, USA, 1997 / 2003, Foto © Roland Halbe

Zaha Hadid, Rosenthal Center for Contemporary Art, © Zaha Hadid

Guangzhou Opera House, Guangzhou, China, 2003 / 2010, Foto © Hufton + Crow Photographers

Rendering, Guangzhou Opera House, © Zaha Hadid Architects

Guggenheim Singapore, © Zaha Hadid Architects

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Hadid Architects ist das führende Büro, das hier in grö-ßerem Maßstab auf internationaler Ebene arbeitet, aber es gibt viele andere, die mitarbeiten und genauso kreativ am Entstehungsprozess des Parametrismus mitgewirkt haben. Das sind Leute, die jetzt nicht nur Architektur an den Schulen lehren, sondern auch praktisch immer mehr wirken, wie etwa Greg Lynn, Reiser & Umemoto, Hani Rashid und Lise Anne Couture mit Asymptote Ar-chitecture oder Ali Rahim und Hina Jamelle mit Con-temporary Architecture Practice aus New York. Coop Himmelb(l)au mit Wolf Prix haben sich auch in diese Richtung entwickelt. Frank Gehry hat sich, vielleicht weniger algorythmisch basiert, aber in seinen künstleri-schen Tendenzen auch aus dem Dekonstruktivismus in den Parametrismus hinein entwickelt. Es gibt eine Kon-vergenz. Man sieht selbst bei Norman Foster, bei einigen Arbeiten einiger Subteams, diese Tendenzen. Es gibt darüber hinaus sehr viele jüngere Architekten und Ar-chitekturbüros, die noch nicht den Durchbruch erreicht haben. Parametrismus ist ein weltweites Phänomen, nicht nur in Europa und Nordamerika, sondern auch in Asien, im Mittleren Osten und in Lateinamerika. In Peking ist zum Beispiel das junge Architekturbüro MAD Architects – vormalig meine Studenten und Mitarbeiter von Zaha Hadid Architects – bereits sehr erfolgreich. Auch in Osteuropa kenne ich persönlich viele junge Ar-chitekten und Designer, die in dieser Stilrichtung mitar-beiten. Ich arbeite an einer großen, neuen Ausstellung für 2016 in London, um zu zeigen, wie umfassend und durchschlagend diese Architekturbewegung inzwischen geworden ist.

TR: Sehen Sie generell einen Paradigmenwechsel in der Architektur, und wenn ja, könnte dieser Paradigmen-wechsel die geometrisch hierarchische Architektur, die streng genommen seit der europäischen Antike herrscht – also nicht nur seit dem Modernismus, sondern auch im Klassizismus und anderen Epochen – ablösen hin zu einer neuen nonhierarchischen, dynamisch fließenden Architektursprache?

PS: Das ist sehr gut formuliert. Und der Begriff des Para-digmenwechsel ist wichtig, denn der Umbruch, den wir jetzt sehen, ist einschneidender und radikaler als vor-herige Stilumbrüche. Wenn man in der Rückschau die-sen Umbruch vergleicht mit der Architekturentwicklung

von mehreren hundert Jahren seit der Renaissance, merkt man, dass hier etwas sehr Radikales passiert, und das hat natürlich zu tun mit den radikal neuen Ent-wurfsmethoden und Fabrikationstechniken, die über die Mikroelektronik und durch computergestützte Entwurfs-prozesse möglich geworden sind, wo wir viel enger an komplexen Organisations- und Formationsprinzipien arbeiten, ähnlich wie aus dem Naturgesetzlichen ent-stehende Formen in der Natur, sozusagen Morpholo-gien, die aus dem komplexen Ineinandergreifen von Gesetzmäßigkeiten resultieren. Diese Art von Prozes-sen entwickeln wir auf Computerbasis. Deshalb dieser Paradigmenwechsel, der zum einen etwas liefert, was vielleicht schon immer ein Traum von Architektur war, sich an der Natur zu orientieren – aber nur methodo-logisch und analogisch – und sich in Wirklichkeit an den gesellschaftlichen Prozessen orientiert und an der Notwendigkeit, Kommunikation zu intensivieren in städ-tischen Ballungsräumen. Da kommt es zu tragen, dass wir Komplexität artikulieren können in verdichteten Situ-ationen mit diesen fluiden, dynamischen Architekturen. Das ist wirklich ein Paradigmenwechsel, wie Sie sagen. Es geht hier um einen neuen Begriff der Ordnung. Was wir jetzt als komplexe Ordnung anstreben, formulieren und verständlich machen können, wurde vormalig als Unordnung abgetan, weil man diese Komplexität nicht begreifen konnte. Das hat sich seit der Chaostheorie radikal geändert. Der Parametrismus nimmt an dem entsprechenden Paradigmenwechsel in den Natur- und Sozialwissenschaften teil.

TR: Ich möchte noch auf einen gesellschaftspolitischen Aspekt der Architektur eingehen. Die hierarchisch tradi-tionelle Repräsentationsarchitektur war immer eine Dar-stellung der politischen Macht, wie man es zum Beispiel im Absolutismus an den Bauten von Schloss Schön-brunn oder Versailles sehr gut ablesen kann. Wenn nun die Architektursprache wechselt, entsteht damit auch ein Paradigmenwechsel, der weggeht von der Reprä-sentation absolutistischer und hierarchischer Systeme hin zur Darstellung neuer dynamischer Systeme unserer heutigen Gesellschaft? Und kann die Architektur diese Prozesse mitbeeinflussen, mitgestalten und mitprägen?

PS: Auf jeden Fall. Die Architektur, die wir entwi-ckeln, gestaltet oft den öffentlichen Raum und die

Arbeitswelten, durchdringt Wohn-, Geschäfts- und Ar-beitsbereiche. Sie liefert ein anschauliches Abbild von gesellschaftlichen Dynamiken und zeigt die multizentri-sche Städtestruktur, die Simultanität von verschiedenen Angeboten von Interaktion, wo verschiedene Publika zusammenkommen und sich teilweise in ihren Ansprü-chen überlappen. Das ist ein neues Gesellschaftsbild, das sich stark verändert hat gegenüber dem des 18. Jahrhunderts, das sehr stark stratifiziert war, aber auch gegenüber einem Gesellschaftsmodell der Moderne, das mit sozialistischen Tendenzen kohärent ging im Sinne einer Universalisierung von Lebensstandards und Prozessen, einer Uniformierung zusammen mit den mechanischen Reproduktionsmechanismen des Fordismus. Man hatte damit einen Lebensstandard er-reicht, aber nur zu einem bestimmten Preis, nämlich dem Preis der Homogenisierung. In der Jetztzeit kann man aber wieder differenzieren, ohne diese enormen Kosten einer handwerklichen Spezialisierung herbei-zuführen. Man kann über reprogrammierbare Produkti-onsprozesse und computergestützte Entwurfsprozesse in schnellen Zyklen Spektrum, und nicht nur Masse, erzeugen und eine ausdifferenzierte Produktwelt und eine Welt von verschiedenen Erfahrungen, Bereichen, Lebensstandards, Lebensprozessen entwickeln. Die verschiedenen Publika, die in der globalisierten Welt entstehen und die in Metropolen zusammenkommen, haben sehr unterschiedliche Lebensrhythmen, weil die Arbeitsteilung, die Vielfalt und Dynamik von Karriere-möglichkeiten so groß ist, wogegen im Modernismus noch sehr viel standardisiert wurde. Die Proliferation von Unterschiedlichkeiten bildet sich in der Physiognomie der Stadt ab und wurde von einer Architekturtendenz aufgegriffen, die dem gegenüber sehr sensibel ist und das in eine Ästhetik und Arbeitsweise überführt, die uns als neue Stilrichtung entgegentritt, die kongenial mit diesen Prozessen ist und zu ihrem Abbild wird, aber nicht nur zu ihrem Abbild, sondern zur Repräsentation von Gesellschaft überhaupt, die als Selbstbeschreibung ein besseres Funktionieren der Gesellschaft unterstützt, weil man sich und seine Gesprächspartner in so einem Stadtbild besser wiederfindet.

TR: Viele sprechen davon, dass große Teile unserer Zivi-lisation immer mehr in Megacities leben werden. Das er-gibt ein großes Thema, eine große Aufgabenstellung für

die aktuelle und kommende Architektur. Ist der Parame-trismus hier anwendbar im Sinne einer neuen urbanen Geometrie und Logik, im Sinne einer architektonischen Topographie für die sich neu stellenden Komplexitäten, die bis jetzt in dieser Weise noch nicht da waren?

PS: Das haben Sie sehr scharfsichtig auf den Punkt gebracht. Genau da sehe ich den Kontext, die Heraus-forderung. Die Weltgesellschaft wird sich in Megacities ballen. Wir müssen unsere gebaute Umwelt für einen wesentlich höheren Komplexitäts- und Verdichtungs-grad entwerfen, bei gleichzeitiger Notwendigkeit von Orientierung, Lesbarkeit und intutiver Navigation, um nicht ein so verdichtetes Konglomerat in einem visuellen Chaos zerfallen zu lassen, was dann disfunktional wäre. Denn wir leben nicht nur in Megacities, sondern wir sind auch freigesetzt und nicht mehr an unseren Arbeits-tisch gebunden, sondern mit unseren mobilen Laptops und Phones freigesetzt im urbanen Raum. Umso mehr können wir die Metropole als soziales 360°, dreidimen-sionales Kommunikationsinterface durchstreifen, um neue Inspirationen, Stimulanzen, Gesprächspartner und Eindrücke zu gewinnen, die wir ständig brauchen, um uns immer neu zu vernetzen und mit Relevanz aufzula-den für das, was wir am nächsten Tag, in der nächsten Woche zur weltgesellschaftlichen Arbeitsteilung bei-tragen werden. In der Netzwerkgesellschaft sind alle unterwegs, um möglichst Vieles mitzubekommen von dem, was andere machen, um immer wieder neu zu rekalibrieren, was man selber macht. Das geht nicht, wenn man immer nur im stillen Kämmerlein zu Hause sitzt und sich ein Projekt ausdenkt, sondern man muss in ständiger Kommunikation und Vernetzung bleiben. Das sind Arbeitswelten, aber das sind auch ständig neue Inputs und Stimulanzen aus der Freizeit. Arbeit und Freizeit verwischen, wenn Arbeit fast nur noch Kommunikation ist. Deshalb ist der, der nicht in die-sen Megacities lebt und „noch in der Provinz steckt“, wesentlich weniger produktiv, weil weniger up to date. Natürlich helfen die Massenmedien wie Fernsehen und vor allem das Internet, aber ich merke immer wieder, dass ich in einem direkten Interaktionskontext viel mehr mitbekomme und später diese Anstöße im Internet viel besser nachvollziehen kann, als wenn ich mich isoliert im Internet in der Kaskade der Links verliere.

TR: Aber es besteht auch die Gefahr, dass wir eine Hyperverdichtung, einen Overflow an Informationen er-leben, dies passiert ja gerade in den sozialen Netzwer-ken und in Form von Datenstaus. Wie weit kann diese Verdichtung fortgesetzt werden und wieviel Freiraum braucht das einzelne Individuum, oder auf dem Feld der Architektur ausgedrückt, wieviele Individual- und Informationsfreiräume sind notwendig in den extrem verdichteten Strukturen von Megacities?

WU CAMPUS WIENPS: Ich meine die Informationsdichte, die architek-tonisch aufbereitet, geordnet und strukturiert ist. Am Beispiel unseres Gebäudes am WU Campus ist das die Lesbarkeit der Struktur, die vernetzte Hierarchie von Räumen und Unterräumen, aber auch immer wie-der diese Simultanität von Interaktionsangeboten wie zum Beispiel im großen Atrium, in das ich einsteige, aber bevor ich eingetreten bin, habe ich die Hierarchien schon wahrgenommen, weiß ich schon, wo der Lese-raum, wo die Hauptelemente sind, und wenn ich dann in Räume eintrete, wo ich unter mir, über mir, in alle Richtungen, in Tiefen gestaffelt simultan Interaktionsan-gebote wahrnehme, dann sind diese räumlich geordnet und semiologisch strukturiert. Aus dem großen Atrium entwickeln sich nochmals mehrere weitere Atrien, also weitere Simultanräume und Schluchten für die Licht- und Sichtführung. Das ist ein Raum der fortwährenden Entwicklung, wo sich ständig neue Blicke eröffnen. Mit jedem Schritt, den ich neu setze, treten neue Bilder und neue Eindrücke in den Blick. Wir befinden uns nicht in abgeschlossenen Räumen, in denen Fortbewegung nichts Neues bietet, solange ich mich in diesem Raum befinde. Dies aber sind offene, poröse Räume, die immer Durchbrüche haben und Durchblicke gewähren. Medien wie natürliches Licht und Materialdifferenzierun-gen sind so struktuiert, dass sie Orientierungshilfen sind, um die Komplexität navigierbar zu machen. Der WU Campus und vor allem unser Learning Center ist eine Instanz dieser räumlichen Vernetzung von Interaktion und gleichzeitig ein prägnantes Abbild dieser Institution. Aber es ist nicht ein Abbild, das symbolisch funktioniert, sondern ein Abbild einer Netzwerkgesellschaft, die tat-sächlich vor sich geht und plastisch wird. Das räumliche Abbild ist hier ein Kommunikationsinstrument, das Zu-sammenhänge anschaulich macht und damit aktiviert.

TR: Ich halte den neuen WU Campus Wien für ein sehr gelungenes städtebauliches Projekt. Signifikant für mich ist das funktionierende Wechselspiel zwischen verbau-tem und unverbautem Raum, die Boulevards, die da-durch entstehen, die Freiräume, die von den Benutzern selbst bespielt werden können, und parallel das gleich-zeitige Funktionieren verschiedener Architektursprachen auf einem Campus.

PS: Das ist sehr spannend und unser Gebäude ist ein Ort der Verdichtung und Auffächerung von Kom-munikationsangeboten, es ist auch das zentrale Stu-dentenzentrum und die Zentralbibliothek. Aber auch der Rückbezug nach Außen ist wichtig. Es gibt immer wieder den Aus- und Durchblick, die Reorientierung in Bezug auf den Gesamtcampus. Auch wenn man sich im Inneren des Gebäudes befindet, gibt es immer Durch- und Ausblicke auf den Prater, auf die Nachbar-gebäude und den Blick auf den Vorplatz. Und es gibt weitere Orientierungshilfen – es gibt die Schrägstellung der Wände. Die so herbeigeführte Dynamisierung der Räume führt einerseits zum psychologischen Moment des Sich-Durchziehen-Lassen-Wollens, zum anderen ist dies auch ein Informationselement, das mir auch in der Tiefe des Gebäudes immer wieder anzeigt, in welcher Richtung sich Eingang, Vorplatz und Hauptatrium be-finden. Wenn ich gegen die Neigung laufe, bewege ich mich in die Tiefe des Gebäudes, mit der Neigung laufe ich in die Zentralbereiche. Solche Orientierungshilfen sind wichtig, es ist eine Art von Semiotik der Geometrie. Wir haben auch eine Semiotik der Farbe und der Mate-rialtextur. So sind z.B. alle vertikalen Zirkulationskerne in Sichtbeton abgesetzt. Wir haben auch eine Semiotik der Fensterformation entwickelt: Alle öffentlichen Berei-che sind nach Außen hin mittels tiefer eingeschnittener Fensterflächen abgebildet. Diese Fensterflächen sind zudem geschoßhoch ausgeführt, in Kontrast zu den Fensterbändern der nicht-öffentlichen Bereiche. Das sind Gesetzmäßigkeiten in diesem Gebäudekomplex, der so groß ist, dass er nicht automatisch übersichtlich und navigierbar ist, sodass wir diese Orientierungs-, Na-vigations- und Informationsanreicherung systematisch in das Gebäude einbauen mussten, das sonst durch die Komplexität labyrinthartigen Charakter angenom-men hätte.

Lesesaal, Library and Learning Center, WU Campus Wien, Foto: © Andreas ThalerLibrary and Learning Center, WU Campus WienFoto: © Andreas Thaler

Nile Tower Kairo, © Zaha Hadid Architects Saphira Tower Rabat, © Zaha Hadid Architects

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TR: Könnte man dies als zentralen Entwurfsgedanken bezeichnen, diese Art semiotische Strukturierung?

PS: Absolut, das ist der Zentralgedanke, der bereits damit anfängt, dass wir zwei Institutionen, die ineinan-der greifen, mit Hell- und Dunkelgrau gegeneinander abzeichnen und so nachvollziehbar ineinander greifen lassen. Wenn man dieses Ineinandergreifen will, wird umgekehrt das Auseinanderhalten zum Problem. Bei sehr einfachen Kompositionen, wo ich sagen kann, links ist hüh und rechts ist hot, brauche ich diese Zu-satzorientierungshilfen weniger. Da wir aber die Dinge verflechten und einander durchdringen lassen wollen, brauchen wir diese semiotische Vorgehensweise, um als Endnutzer die relevanten Identitäten und Interaktions-einheiten kognitiv nachvollziehen zu können.

TR: Ein wesentliches Element im Library and Learning Center ist der große Lesesaal, der sich zentral zur Grün-fläche des Praters öffnet. Benutzertechnisch gelesen, habe ich einerseits die Information meines Buches und

gleichzeitig den Einfluss des Lichts und der Grünfäche des Außens.

PS: Und wieder Orientierung, ich kann hinunter schauen auf den Platz und sehe das Kommen und Gehen. Braut sich da was zusammen? Weshalb strömen Leute jetzt ins Gebäude? Verpasse ich gerade etwas oder kann ich an etwas teilnehmen? Das ist das Entscheidende, dass ich mich lokal konzentriere auf das, was ich tue, dass ich jedoch aus den Augenwinkeln alle gleichzeitig stattfindenden Prozesse mit im Blickfeld habe oder zu-mindest mit spüre. Ich muss vernetzt bleiben, ich kann nicht abschalten, mich verstecken und mich nur auf das Buch konzentrieren für die nächsten paar Stunden. Das kann ich zu Hause. Ich will vielleicht noch an einer Vor-lesung, einem Seminar, einer Präsentation teilnehmen, oder auch schauen, was andere machen. Das gehört alles mit dazu, und das kann man nicht planen, da muss man sich einfach dieser Reibung aussetzen. Deshalb sind solche Orte wichtig, wo die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass Leute, die dort zusammen kommen, etwas

füreinander bedeuten könnten. Gleichzeitig denke ich, dass ein stärkeres Einbetten eines derartigen Campus in ein innerstädtisches Geflecht noch besser wäre. Wir haben auch gleichzeitig das Messegelände und oft sind dann Einschränkungen wie Sicherheit und Abgrenzung von Bereichen, die eigentlich kommunizieren möchten, schade. Wir haben zwar diese direkte Nachbarschaft und dennoch eine undurchdringliche Grenzlinie mit dem Messegelände. Diese Linie sollte – wie alle Grenzen –permeabel sein. Denn was eine Netzwerkgesellschaft will und was der Parametrismus anstrebt, ist die Ver-knüpfung und Intensivierung des Beziehungsgeflechts zu intensivieren, nach dem Motto: Alles kommuniziert mit allem.

TR: Es wurde auch eine eigene Möblierung für das Gebäude entwickelt, die von österreichischen Firmen ausgeführt wurde. War die Möblierung auch ein wesent-licher Teil des Gesamtkosmos und der Gesamtauffas-sung dieses Gebäudes?

PS: Für uns ist es wichtig, dass alle Subsysteme mit-einander kohärent sind, sich aufeinander beziehen, dass das Eine das Andere akzentuiert, dass z.B. die Bodenbeläge als Teil der Semiotik Funktionsbereiche unterstreichen, dass die verschiedenen Farben und Formen der sozialen Ordnung dienen oder dass alle Kerne und vertikalen Verbindungen über den Sichtbeton kodiert sind; dies bezieht auch stark das Möbeliar ein, das die Geometrie unterstreicht, Linien nachzeichnet und sich auf die räumliche Umgebung bezieht. Das ist für die Orientierung und Ordnung so eines Gebäudes sehr wichtig, und deshalb ist es auch eine Strukturierung des Raumes. Möblierung ist gleichzeitig eine Raumstru-kurierung und Raumakzentuierung.

TR: An bestimmten signifikanten Stellen gibt es Boards oder große Desks, die von der Firma Cserni in Sonder-anfertigung ausgeführt wurden und die in ihrer Lesbar-keit ein Subsystem der gesamten Architektursprache sind.

PS: Absolut. Und es ist auch wichtig, dass solche Punkte Magnete werden, Aufmerksamkeit auf sich zie-hen, weil dies funktionale Informations- und Anlaufs-punkte sowie Orientierungsräume sind, die symbolisch überhöht und ästhetisch aufgewertet werden müssen, um zu funktionieren. Ästhetik und formale Akzentuierung sind zielführend, was die soziale Funktionalität eines solchen Gebäudes ausmacht. Für uns greifen Ästhetik und Funktionalität ineinander, denn die ästhetische Di-mension ist eine Dimension der Wahrnehmung und der Attraktivität, die wir brauchen, um uns zu orientieren. Wir sind, wenn wir uns im Raum bewegen, sehr intuitiv und emotional geleitet.

TR: Ich habe die einzelnen Objekte während der Fer-tigung in der Produktionsstätte von Cserni gesehen und für mich waren diese Objekte eine Architektur en miniature. Ich habe an den Objekten die Sprache Zaha Hadids sofort lesen können und fand es sehr schön, dass die architektonische Absicht auch am Möbelobjekt im Rohzustand – also nicht nur eingebettet im Gebäude, sondern auch solitär stehend – wahrnehmbar ist.

PS: Das sind Synergien und Kohärenzen, sowie die Idee, dass der Innenraum eine Fortsetzung des Außenbil-des ist und dass man merkt, man ist in dem Innen des Außens. Die Orientierung, wo man sich befindet und was man zu erwarten hat, ist wichtig. Man synchoni-siert eine Sequenz von Eindrücken in ein mentales Bild; man hat niemals das Außen und das Innen gleichzei-tig, das Hinten und das Vorne, man hat auch nie das Teil und das Ganze, sondern dies erfolgt sukzsessive. Deshalb muss es die Redundanzen und Reminiszenzen von Außen nach Innen, vom Teil auf das Ganze geben. Das ist vor allem für die intuitive Orientierung wichtig,

wo einem keine besondere Aufmerksamkeit abverlangt wird, wo man nicht angestrengt nachdenken muss, wo man ist, und wo man merkt, ich befinde mich noch im Bibliotheksbereich des Learning Center. Und wenn ich an einem dieser Tische sitze und mich in die Lektüre versenke, bin ich erinnert und weiß, wo ich mich befinde.

TR: Dies erinnert mich an die griechischen Mnemoniker, die in ihren Rhetoriken geistig Architekturen durchge-gangen sind. Sie haben die mentalen Erlebnisse von Architekturen in ihrem Gedächtnis gespeichert und haben so Architektur noch vor der schriftlichen und fo-tografischen Überlieferung weitergetragen.

PS: Ich glaube auch an die Wirksamkeit von geistigen Ordnungsstrukturen, die über physische Ordnungs-strukturen vermittelt sind und vermittelt sein müssen. Man kann nicht alles im Gedächtnis rechnen und man arbeitet visuell auch mit Papier und Bleistift oder mit Ta-bellen und grafischen Elementen. Architekturen sind im Grunde dreidimensionale Aufbereitungen von Logiken, Organisations- und Wissensstrukturen.

DESIGNTR: Im Büro von Zaha Hadid spielt die Beschäftigung mit Design eine wichtige Rolle. Sind die entwickelten Designs ein Mikrokosmos der Architektursprache von Zaha Hadid? Kann man das so lesen und interpretieren?

PS: Auf jeden Fall. Wir gehen durch alle Designdiszi-plinen. Die Stilrichtung des Parametrismus ist auf alle Designdisziplinen hin angelegt. Dies fängt bei Städte-bau an, über Architektur, Innenraumgestaltung, Möbel-, Produkt- und Modedesign und geht hin bis zum Gra-fikdesign. Denn bei allen diesen Disziplinen – und das ist meine Theorie der Kernkompetenz von Design und Architektur – geht es um Kommunikationsdesign. Das sind alles Interfaces der Kommunikation, mit denen ich mich sozial repräsentiere, mich darstelle und kundgebe und meine Kommunikationsbereitschaft signalisiere. In welchen Raum, an welchen Ort, in welchen Stadtteil ich mich begebe und mit welchen Objekten ich mich umgebe, signalisiert eine Stimmung, eine Thematik und Kommunikationsbereitschaft und ein Beziehungsge-füge. Das ist meine Grundthese: Alles Design ist Kom-munikationsdesign. Soziale Funktionalität als Aufgabe für Designer und Architekten muss unterschieden wer-den von technischer Funktionalität mit ingenieurmäßiger

Bearbeitung. Mit ihnen müssen wir zusammenarbeiten, wir müssen sie integrieren, instrumentalisieren, orchest-rieren. Unsere Kernkompetenz ist soziale Funktionalität, und das heißt, kommunikative Dichte und Intensität zu erzeugen, kommunikatives Funktionieren von gebauter Umwelt und auch der Welt der Artefakte. Wozu das Designelement? Ich muss erkennen, worum es sich handelt. Der Ingenieur steht dafür gerade, dass es physisch-technisch funktioniert; wir sind dafür zustän-dig, dass es kognitiv, emotional und sozial funktioniert.

TR: Die Objekte von Zaha Hadid weisen eine starke Dominanz auf, auch in klassizistischen italienischen Renaissance-Räumen. Die kommunikative Qualität ist so präsent, dass sie auch in historischen Räumen ein Zentrum bilden.

PS: Das ist richtig, aber die Konfigurationen, die hier entwickelt werden, sind eben unklassisch, z.B. ein Sofa, in dem man in verschiedene Richtungen sitzt, ein Sofa, das nicht an die Wand geschoben wird, sondern sich von der Wand frei spielt und mit anderen Elementen flexibel Konstellationen entwickelt. Das sind die kommu-nikativen Situationen, die entstehen, Konstellationen für

spezifische Situationen, Teilnehmer und Stimmungen.

TR: Dies funktioniert aber auch ohne Benützbarkeit, z.B. bei Ausstellungsobjekten.

PS: Wenn man das Objekt nur anstarrt, ist dies noch keine Funktionalität. Man kann sich die Funktion zwar vorstellen und mental bespielen, aber man muss jedoch klar unterscheiden zwischen Kunst und Design. Design ist das Eingreifen in reale Lebenszusammenhänge im alltäglichen Kontext, auch wenn es ausdifferenzierte, verschiedene Alltäge gibt. Kunst jedoch beinhaltet das Moment der Kontemplation, des Sich-Distanzierens von seinem Alltag und die Möglichkeit, einen anderen Alltag zu imaginieren. Design hingegen ist das Eingreifen in und das Bewirken von Situationen, manchmal vielleicht auch innovativ stimulierend. Aber es sind keine Thesen, sondern Hebel.

TR: Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das aus-führliche Interview.

Wir haben uns von der Vorstellung gelöst, monumentale Objekte zu schaffen, und begonnen, uns mit der Topografie und dem Boden zu befassen. Wir haben uns mit den zahlreichen Schichten des öffentlichen Raums auseinandergesetzt und damit, wie sich Oberirdisches und Unterirdisches interpretieren lassen könnte. Danach war der naheliegendste Schritt, sich mit [...] der Natur zu befassen.

Zaha hadidLibrary and Learning Center, Foto: © Andreas Thaler

Tisch, Sonderanfertigung von Cserni, Library and Learning Center, Foto: © Andreas Thaler

Tisch, Design by Zaha Hadid, © Zaha Hadid Architects

Zaha Hadid Architektur, Ausstellung MAK Wien, 2003, © Zaha Hadid Architects

Rendering, ROCA London Gallery, 2009 / 2011, © Zaha Hadid Architects

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ZAHA HADIDGründerin von Zaha Hadid Architects, wurde 2004 mit dem Pritzker-Architektur-Preis ausgezeichnet. Ihre dynamischen und innovativen Projekte beruhen auf über 30 Jahren revo-lutionärer Forschungs- und Entwicklungsarbeit in den sich überschneidenden Bereichen Städtebau, Architektur und Design. Hadid unterrichtet als Professorin an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.Das MAXXI Museum in Rom ist nur ein Beispiel des Stre-bens von ZHA nach komplexen, fließenden Räumen. Auch frühere wegweisende Bauten wie das Guangzhou Opern-haus in China gelten als Architektur, die unsere Zukunftsvor-stellungen mit neuen, visionären Raum- und Formkonzepten prägen und umsetzen kann.In den Jahren 2010 und 2011 wurde ZHA mit einer der höchsten Anerkennungen im Bereich der Architektur, dem Stirling-Preis des Royal Institute of British Architects (RIBA) für herausragende Architektur ausgezeichnet und 2012 er-nannte Königin Elisabeth II Hadid zur „Dame Commander“ des Order of the British Empire (Ritterorden des Vereinigten Königreiches). Das Büro Zaha Hadid Architects zählt mit sei-nen Standorten in London, Hongkong und Peking zu den größten Baukünstlerbüros weltweit.

Library and Learning Center, WU Campus Wien,alle Fotos: © Andreas Thaler, Assistenz: Sybille Dremel

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PATRIK SCHUMACHERist seit 1988 als Designer bei Zaha Hadid Architects tätig. Als Geschäftspartner und führender Planer des ZHA Büros war er Koautor und Projektpartner in zukunftsweisenden Projekten wie dem MAXXI Museum in Rom, dem Zentralge-bäude im BMW-Werk Leipzig und dem Guangzhou Opern-haus in China.Schumacher studierte Architektur an der Universität Stutt-gart und der Southbank University in London sowie Philoso-phie in Bonn und London.Seit 1992 lehrt Patrik Schumacher an Architekturschulen in Großbritannien, Kontinentaleuropa und in den USA. Er ist Kodirektor des Design Research Laboratory (DRL) der Ar-chitectural Association School of Architecture in London. Gemeinsam mit Zaha Hadid unterrichtete er in einer Reihe von postgradualen Optionsstudien an der University of Illi-nois in Chicago, der Yale University und der Columbia Uni-versity sowie an der Graduate School of Design der Harvard University.Patrik Schumacher ist derzeit Gastprofessor an der Univer-sität für Angewandte Kunst Wien. In den Jahren 2010 und 2012 veröffentlichte er die beiden Bände seines theoreti-schen Opus Magnum „The Autopoiesis of Architecture” (Die Autopoiesis der Architektur).

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dER NEuE Wu CampuS WIENMANUELA HÖLZL

eine architektur, die aus dem Werden das verhalten und aus dem verhalten das sein ableitet, ist eine architektur der Wechselwirkungen aus Form, material, struktur und Umwelt. eine performative architektur.

Eines vorab: Der bereits viel und hoch gelobte WU-Campus – mit sechs Gebäuden von Zaha Hadid (UK), Peter Cook vom Londoner Crab Studio, NO.MAD Ar-quitectos, Carme Pinós (beide aus Spanien), Hitoshi Abe (Japan) sowie des Wiener Büros BUS von Laura Spinadel – präsentiert die Vielfalt der zeitgenössischen Architektur auf erfrischende Art und Weise in einem quasi urbanen Schauraum. Unterschiedlichste Formen und Farben, Ecken und Kanten und nicht zuletzt Mate-rialien bilden eine formale Collage von seltener archi-tektonischer Dichte. Längst kann man nicht mehr von „Form follows function“ sprechen, sondern eher von „Form follows performance“.

Außerdem: Der Begriff der „guten Form“ ist in ers-ter Linie verdächtig und eher ein Irrtum, meinte schon Hermann Czech, denn es käme nicht „auf die Erschei-nung des Beleuchtungskörpers an, sondern auf die entstehenden Lichtverhältnisse“. Wenn man unter die-sen Gesichtspunkten Architektur betrachtet, muss man Czech zufolge das „Formproblem aus dem Formalen“ befreien. Ziel eines Entwurfsprozesses ist weniger das formale Ergebnis als vielmehr die Funktion – und als Folge davon Raum und Architektur. Manchmal auch im Hintergrund. In demselben findet sich nunmehr das Messe-Hotel des eben zitierten Architekten im zweiten Bezirk. Der leicht geneigte und gekurvte Baukörper ist zwar von der Ausstellungsstraße gut sichtbar, neben den Bürohäusern um den Turm „Hoch2Plus2“ an der Krieauer Trabrennbahn und dem neuen Campus der Wirtschaftsuniversität tritt das Hotel im Vordergrund in der städtischen Wahrnehmung jedoch einen Schritt zurück.

Dagegen tauchen jetzt die sechs Universitätsge-bäude auf dem knapp neun Hektar großen Areal hinter der Messe Wien auf. Bei den Architekten und Architek-tinnen selbst fallen Worte wie „Wahrnehmung“, „Mög-lichkeiten“ oder „Fluss der Räume“ – gerne verwendete

Begriffe und Definitionen im Sprachgebrauch. Peter Cook findet mit seinem Gebäude gar zu einer „Heiter-keit“. Doch neben all den individuellen, durchaus ex-pressionistischen Bauten ist das Zusammenspiel auf dem Campus gegeben. Keineswegs selbstverständlich, hat sich dieses große Projekt in Zusammenarbeit der vielen Beteiligten, der Architekten, aber auch der Bau-herren und Planer, entwickelt. Mit ein wenig Utopie und ein bisschen Fantasie – Eigenschaften, die schon Zaha Hadid nicht als „Schönheit des Machbaren“, sondern als „Möglichkeit des Machbaren“ umschrieben hat. Es überrascht am Ende doch, was hier möglich wurde und entstanden ist.

vorgeschichteNachdem das alte WU-Gebäude in der Spittelau, ein riesiger Glaspalast, nach nur 25 Jahren Nutzung kom-plett unbrauchbar geworden war, beschloss man 2005 einen Neubau anstatt einer Sanierung. Nicht zuletzt aufgrund des ungeliebten Standorts wurde 2008 ein offener, EU-weiter Wettbewerb ausgeschrieben, an dem nur 24 Architekturbüros teilnahmen und bei dem sich die Jury auf keines der vorgeschlagenen Projekte einigen konnte. Das Siegerprojekt von BUSarchitektur, das viele Einzelgebäude und keine Großform vorschlug, wurde somit zum Masterplan und zur Grundlage eines zweiten Wettbewerbs. Wolf Prix von Coop Himmelb(l)au, der den Juryvorsitz innehatte, engagierte sich für eine internationale Öffnung und lud hochkarätige Kollegen dazu. Das Ergebnis ist bereits Geschichte.

Elitäre UniversitätsstraßeDirekt beim Messegelände, Eingang Ost, schließt das erste Gebäude an die Bebauung an: die Executive Academy des Madrider Büros NO.MAD Arquitectos. Das Büro entwarf einen siebenstöckigen Turm mit einer spiegelnden Fassade aus Glas und Aluminium und

unregelmäßigen Auskragungen. Damit orientieren sich die Büros, Lounge oder Besprechungsräume inklusive Dachterrassen-Café praktisch in alle Richtungen.

Gleichzeitig im Sichtfeld im Südwesten – und selbst an trüben Tagen kaum zu übersehen – die „Villa Kun-terbunt“ des Briten Sir Peter Cook, in der auch das Büro des WU-Direktors Christoph Badelt Platz findet. Das schwungvolle, farbenfrohe Gebäude windet sich den Prater entlang und bildet mehrere Höfe mit Durch-gängen, Nischen, Terrassen und Freiräumen. Bestimmt wird der Auftritt nicht nur vom knalligen Anstrich, auch die rohen Lärchenholzbretter an der Fassade dürfen durchaus mit einem selbstbewussten Augenzwinkern bedacht werden. Farbenfroher Spaß ist den Mitarbeitern in den Departments wie Unternehmens-, Arbeits- und Sozialrecht oder den Forschungsinstituten auch im In-neren garantiert. Rot-weiß karierte Türen etwa verhin-dern ein „fucking boring building“ (Cook) und lassen wohl ein wenig das Lebensgefühl der 1970er-Jahre und die Anfänge Cooks mit der Gruppe Archigram aufleben.

Gleich gegenüber findet sich die scheinbar weit weniger „frohe Erscheinung“ des Estudio Carme Pinós aus Barcelona. Doch nur auf den ersten Blick: Das spielerisch aus Parallelogrammen zusammengesetzte, zweigeteilte Gebäude wird von einer dynamischen Fensterverteilung bestimmt, die sich zum Teil erst im Inneren erschließt. Auch die Materialien der Fassade wechseln, sie wirkt im Detail äußert skulptural.

Mittig an der langen „Universitätsstraße“ gelegen, schießt einem das Highlight des Campus fast sprich-wörtlich entgegen: das täglich 24 Stunden geöffnete Li-brary & Learning Center der Architektin und Professorin an der Universität für angewandte Kunst, Zaha Hadid. Ziemlich schräg kommt der markante Bau über den Platz – ein Gefühl, das auch im Inneren anhält. Ram-pen, Galerien und Treppen scheinen eigenen Gesetzen zu folgen und winden sich um das Foyer und die Aula.

Halb Yacht, halb Dampfer, ist die Aussicht auch weg vom Mutterschiff über den Campus, den Prater und die Krieau beeindruckend.

Schlag auf Schlag folgen ein schwergewichtigeres Frachtschiff, das mit verrosteten Corten-Stahl-Platten ver-kleidete Teaching Center der Masterplaner BUSarchitektur, und das Student Center des japanischen Architekturbüros Hitoshi Abe, inspiriert von „Millefeuille“, einer französischen Speise aus Blätterteig mit süßer Füllung. Aus über- und nebeneinander gereihten Schichten wie die Teigware be-steht der komplexe Bau. Fünf lange, schmale Baukörper gewähren viel Tageslicht und von jedem Büro aus eine sehr gute Aussicht.

Begleitet und umrahmt wird der Campus von einer Freiraumgestaltung, die BUSarchitektur mit den Land-schaftsarchitekten „boa – büro für offensive aleatorik“ realisiert hat. Mittig verläuft ein „Bildungsweg“, der nicht nur metaphorisch durchaus etwas länger dauern kann, will man die gesamte Distanz zurücklegen. Dazwischen bilden Grünflächen, Plätze und Eingangszonen ein Gewebe aus ineinandergreifenden Räumen. Umrahmt wird das öffentli-che Areal von einer Baumreihe. Das grüne Feld des Praters trägt nicht unwesentlich zur elitären Atmosphäre bei.

Abspann(end)Das Thema der Wiederholung ist nicht Sache der neuen WU-Architektur. Jeder Ortswechsel bleibt spannend, mit unterschiedlichen Qualitäten und Raumsequenzen. Die Be-nutzung durch fast 25.000 Studenten wird bald die Wider-standsfähigkeit der Bauten erweisen. Man kann nur hoffen, dass sie allen Anforderungen und Ansprüchen genügen. Dies wäre ein wichtiger Baustein für eine zukünftige Gene-ration von Wirtschaftsexperten, die eine neue Architektur auch aus der Universität im Geiste weitertragen.

Der neue WU-Campus mit sechs Gebäuden von Zaha Hadid, Peter Cook vom Londoner Crab Studio, NO.MAD Arquitectos, Carme Pinós, Hitoshi Abe sowie des Wiener Büros BUS von Laura Spinadel präsentiert die Vielfalt der zeitgenössischen Architektur auf erfrischende Art und Weise in einem quasi urbanen Schauraum. Unterschiedlichste Formen und Farben, Ecken und Kanten und nicht zuletzt Materialien bilden eine formale Collage von seltener architektonischer Dichte. Längst kann man nicht mehr von „Form follows function“ sprechen, sondern eher von „Form follows performance“.Die Wirtschaftsuniversität hat dieses Wintersemester für ihre derzeit 25.000 StudentInnen eröffnet. Sechs Gebäude von internationalen Architekturbüros stehen auf dem 90.000m2 großen Areal zur Verfügung.

Im Gebäude von Zaha Hadid kann man ob der visuellen Schräglage leicht sein Gleichgewicht verlieren.

Materialspiel und mehr als das: Sir Peter Cook schafft einen Auftritt mit Augenzwickern.

Das zweigeteilte Gebäude von Estudio Carme Pinós wird von einer dynamischen Fensterverteilung bestimmt, die sich zum Teil erst im Inneren erschließt. Auch die Materialien der Fassade wechseln und wirken im Detail äußerst skulptural. Fotos: Campus WU © boanet

Das Student Center des japanischen Architekturbüros Hitoshi Abe verdankt seine Inspiration der „Mille-feuille“, einer französischen Süßspeise aus Blätterteig mit süßer Füllung. Fünf lange, schmale Baukörper gewähren viel Tageslicht und von jedem Büro aus eine sehr gute Aussicht.

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Interview mit Herrn Rainer HaubenwallerGeschäftsführer der rhtb:

Cserni live: Seit wann besteht das Unternehmen rhtb: und wie hat sich das Unternehmen in den letzten 10 Jahren entwickelt?

Rainer Haubenwaller: Unser Unternehmen gibt es seit 1999. Da haben wir mit dem klassischen Trocken-bau begonnen. Was ursprünglich als kleines Fami-lienunternehmen geführt wurde, hat sich bis dato zu einem renommierten mittelständischen Betrieb mit ca. 60 Dienstnehmern entwickelt, welcher sich am Markt längst etabliert hat und – ich darf das mit Stolz sagen – in der Branche als kompetenter Partner mit Handschlagqualität gilt. Über Partnerbetriebe wer-den im Zuge von Großprojekten bis zu weitere 250 Mann beschäftigt. Mittlerweile erfüllt unser Team bei einer Vielzahl von Aufträgen bereits die Aufgabe eines „In n en ausbau“-Generalunternehmers.

CL: Was sind die Kernkompetenzen von rhtb:?

RH: Unsere Produktpalette reicht vom klassischen Trockenbau, über Doppel- und Hohlraumböden sowie Wandkonstruktionen bis zu abgehängten Decken aller Art, inklusive aller dort integrierbaren Heiz- und Kühl-systeme, wobei mittlerweile auch sämtliche Boden- und Wandbeläge sowie auch Systemtrennwände und Türblätter zu den Kernkompetenzen von rhtb: zählen.

CL: Welchen Stellenwert hat bei rhtb: die partnerschaft-liche Abwicklung und die kundennahe Beratung und Betreuung?

RH: Partnerschaft hat für uns drei Ebenen und ist für unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter keine leere Worthülse: Die erste ist die Kundenebene. Hier verste-hen wir Partnerschaft so, dass wir unseren Kunden von der Beratung bis zur Schlussrechnung fair über Kosten, Qualität und Termine informieren. Auf der Mitarbeiterebene sehen wir eine partnerschaft-liche Zusammenarbeit darin, dass rhtb: eine sehr transparente Organisation mit einer hohen Eigenverant-wortlichkeit und Entscheidungsfreiheit pflegt, auf eine hohe Mitarbeiter-Qualifizierung setzt und eine deutlich über dem Branchendurchschnitt liegende Entlohnung. Auf der dritten Ebene der Partnerschaft sehen wir die Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten, indem wir bestrebt sind, durch Kommunikation mit den einzelnen Zulieferbetrieben und Schulungen auf dem Produkt- und Techniksektor unser Team ständig weiterzubilden, um unseren Kunden eine kompetente Beratung und die bestmögliche Umsetzung ihrer Wünsche gewährleis-ten zu können. Denn nur durch das nötige Know-how, gepaart mit Kompetenz und Flexibilität, kann unser Un-ternehmen letztendlich auf dem Markt bestehen, und so auch einen Mehrwert für unsere Lieferanten bieten.

CL: Was sind die Vorteile des modernen Trockenbaus, den rhtb: anbietet?

RH: Man kann mithilfe des modernen Trockenbaus im wahrsten Sinn des Wortes alle geometrischen Formen, die man sich vorstellen kann, umsetzen und, wie man am Projekt Wirtschaftsuniversität Wien, im Library and Learning Center sieht, auch Bauteile und geometrische

rhtb:tRoCkENbau

Auf dem 90.000 m² großen Grundstück in Wien wurde am 4. Oktober 2013 ein einzigartiger Bildungs- und Forschungs-campus eröffnet: die neue Wirtschaftsuniversität Wien. Das Pöllauer Unternehmen rhtb: setzte die Architektur des zent-ralen, von Zaha Hadid geplanten Library and Learning Cen-ters (LLC) sowie die sich um das LLC gruppierenden fünf Gebäudekomplexe, welche allesamt von namhaften interna-tionalen Stararchitekten geplant wurden, um. Der Campus WU bietet optimale Rahmenbedingungen für rund 25.000 Studierende und 1.500 Mitarbeiter/innen.Das von Architektin Zaha Hadid geplante Library & Learning Center (LLC) der neuen Wirtschaftsuniversität Wien ist wohl der spektakulärste Bau des gesamten neuen, international angesehenen Campus. Er besticht nicht allein durch sei-ne markante Außenarchitektur, das Gebäude hat es ebenso in sich: rhtb: war, als Teil einer Arbeitsgemeinschaft, für den Innenausbau des Objektes verantwortlich: Wände, Unterbö-den, Bodenbeläge, Glastrennwände, abgehängte Decken und Schächte führte rhtb: aus – insgesamt 130.000 m2 an Flächen galt es hier zu verbauen.Eine besondere Herausforderung für das Unternehmen war die spezielle organische Form des Gebäudes. rhtb: musste etwa die bis zu 25 Grad geneigten Gipskartonwände, wel-che teilweise mit Glaselementen ausgestattet sind, umset-zen. Hierfür wurden eigene Eckausbildungen mit runden Formteilen hergestellt. „‚Kunst kommt von Können‘ ist ei-ner unserer Leitsprüche und dieses Projekt ist in seiner Ge-samtheit mehr als Kunstwerk zu betrachten, denn als reine Bildungsstätte. Es muss nicht gesondert darauf hingewie-sen werden, dass auch beim Innenausbau „künstlerische“ Handwerkskunst Voraussetzung war, um die Vielzahl der dreidimensionalen Formen vom Plan in die Wirklichkeit um-zusetzen“, so Geschäftsführer Rainer Haubenwaller.

Wirtschaftsuniversität Wien

die Erfüllung der hohen „Green-Building“-Standards auf der Baustelle. Das Areal durfte nur von LKWs der Emis-sionsklasse Euro 4 befahren werden, die Entsorgung des Bauschutts war mit strengsten Vorgaben verbun-den. Dass die verbauten Produkte – also die Boden-, Wand- und Deckenelemente – auf ihre baubiologischen Eigenschaften hin geprüft und zertifiziert sind, versteht sich von selbst.

CL: Welche weiteren Großprojekte wurden von rhtb: in den letzten Jahren realisiert?

RH: An Großprojekten darf ich Ihnen einige nennen, darunter den Flughafen Wien (Anmerkung der Redak-tion: Für alle Flughafen-Großprojekte zeichnet rhtb: verantwortlich!)Beginnend in den Jahren 2001/2002 mit der Konzern-zentrale Office Park I der VIE AG Zentrale, dem Office Park II, der das Headquarter der Austrian Airlines be-herbergt, dem Straßensystemzentrum (SSZ – 2-ge-schoßiger Fußgänger- und Verbindungstunnel), dem Air Cargo Center (ACC), dem Handling Center West (HCW), dem VIP-GAC (Very Important Person General Aviation Center) sowie alle Ausbaustufen des Skylink (eines der

RH: Wir sehen den Vorteil für uns durch die Koexistenz der beiden Standorte. Dadurch, dass wir in der Steier-mark auf gewachsene Strukturen und Mitarbeiter der ersten Stunde zählen können, haben wir hier zum einen eine sehr hohe Effizienz im Bereich Administration und Innenausbautechnik entwickeln können, zum anderen ist es de facto nicht möglich, ohne einen Standort in Wien auszukommen, um hier am Puls des Geschehens zu sein.

CL: Wie sehen Sie die zukünftigen Entwicklungspoten-tiale Ihres Unternehmens und wie sieht Ihre Zukunfts-vision von rhtb: aus?

RH: Das größte Potenzial sehen wir in der Weiter-entwicklung zum Komplettanbieter als Innen ausbau-General unternehmer. Unser Augenmerk liegt aber auch weiterhin auf dem Ausbau der Kernkompetenzen durch weitere Spezialisierungen sowie die Ergänzung dersel-ben um artverwandte Tätigkeiten.

größten Hochbaubauprojekte Europas), die Siemens City Vienna, das OMV-Headquarter im Viertel 2, den Gesamtumbau der Wirtschaftskammer Österreich im Vollbetrieb, die Zentrale der HYPO NÖ in St. Pölten, die Schiffstation Wien-City, den Umbau der Universi-tät Wien in der Rossauer Lände, das Pflegewohnhaus Liesing.

CL: Gibt es bestehende oder zukünftige Kooperation mit dem Unternehmen Cserni?

RH: Auf Grund der nunmehr schon jahrelang andau-ernden positiven und sehr vertrauensvollen Zusam-menarbeit bin ich überzeugt, dass es auch zukünftig zu gemeinsamen Projekten kommen wird. Insbesondere arbeitet man aktuell intensiv an der Akquisition von Ge-samtsanierungen im Hotelbereich, indem man hier dem Kunden ein größtmögliches Gewerke-Portfolio anbietet durch die Kombination der Kernkompetenzen der rhtb:, erweitert um das Kerngeschäft der Firma Cserni, der Möblierung und Innenausstattung.

CL: Wie wichtig ist Ihr Standort in der Steiermark und welche Rolle spielt Ihr Firmensitz in der Metropole Wien?

HYPO NOE Konzernzentrale St. PöltenSt. Pölten ist um einen Blickfang reicher: Gegenüber dem Regierungsviertel entstand mit der neuen Konzernzentrale der HYPO NOE ein mit Liebe zum Detail geplantes, archi-tektonisches Juwel. Das Bauwerk bildet darüber hinaus einen gelungenen Kontrast zur bestehenden Architektur. Zwei Jahre wurde an der neuen Konzernzentrale mit einer Nettogeschoßfläche von etwa 19.000 m² gebaut. Die Archi-tekten des Gebäudes: Ernst Maurer und Johannes Zieser. Das Bürogebäude mit seiner ruhigen, klaren, weißen Fas-sadengestaltung, deren Stahllamellen sich je nach Sonnen-einstrahlung öffnen und schließen lassen, hat Niedrigener-giehaus-Charakter. Es wurde klimaschonend konzipiert, auf effiziente Energienutzung wurde großer Wert gelegt: So erfolgt beispielsweise die Stromgewinnung über Sonnenkol-lektoren und die Bürokühlung über das Grundwasser. Auch der Trockenbau leistet einen Beitrag zur Energieeffizienz: rhtb: baute insgesamt 8500 m² Langfelddecken mit Ban-drastersystem ein. LIEBE FÜRS DETAIL. Besonders beein-druckend ist das Entree der Bank. Der großzügig gestaltete Empfangsbereich misst 7,5 m Höhe und 35 m Länge. In der Mitte des Raumes trennt ein Wasservorhang, entspringend in der Gipskarton-Lochdecke, den Raum. In Kombination mit dem Gang des 1. Obergeschoßes wurde von rhtb: die geschwungene Brüstungswand mit Gipskarton-Fertigteilen verkleidet. Das Gerüst dafür bildete eine Formrohrkons-truktion. Die darunterliegende, abgehängte Gipskarton-Lochdecke ist mit Kühlmembranen ausgestattet. Der in der Eingangshalle über Allem schwebende Gang wirkt trotz seiner beachtlichen Länge von knapp 35 m sehr subtil. Eine Besonderheit ist der im Obergeschoß befindliche Veranstal-tungsraum. rhtb: hat hier mit 750 m² Metall-Langfelddecken mit Bandrastersystem auf die Erfordernisse des erhöhten Schallschutzes reagiert. Neben der Landesberufschule Amstetten, dem Landespolizeikommando St. Pölten und jetzt der Konzernzentrale der HYPO NOE hat sich die rhtb: projekt gmbh eines weiteren prestigeträchtigen Projektes mit viel Freude und Engagement der Ausführung angenom-men.

Pflegewohnhaus LiesingDass das „Helmut-Zilk-Haus“ nicht ein „gesichtsloses“ Pfle-gewohnhaus wurde, ist sowohl den Architekten, als auch dem Krankenanstaltenverbund und der Gemeinde Wien zu verdanken. Sie haben sich entschieden, die große Parkland-schaft erstmals und dauerhaft der Öffentlichkeit zur Verfü-gung zu stellen und dem Gebäude einen geradezu beispiel-losen Wohlfühlcharakter zu verleihen. Die rhtb: projekt gmbh hat mit der Verarbeitung und Installation von insgesamt 53.700 m² Gipskartonmaterial, davon 5.000 m² Gipskarton-decken, 3.500 m² Akustikdecken sowie 5.100 m² Langfeld-Kassettendecken beigetragen. Die Eckdaten des Projekts  von Riepl Kaufmann Bammer Ar-chitektur (Projektleitung DI Paul Jung): Das Gesamtvolumen beträgt etwa 67 Millionen Euro, im Pflegewohnhaus sind insgesamt 322 Betten und ein Tageszentrum für Geriatrie für rund 50 Patienten untergebracht. Die Patientenzimmer verfügen über Loggien, die mit Rollstuhl und Bett befahr-bar sind. Der Neubau beansprucht mehr als ein Drittel der Parkfläche; das bestehende denkmalgeschützte Schloss wird generalsaniert und einer eigenständigen Neunutzung zugeführt. Die Idee des warmen Lichts der Fassade durch Messingre-flexionen setzt sich in Form einer Messingdecke mit beein-druckenden 650 m² in der Aula weiter fort. Viel Know-how benötigte die Installation der Messingdecke. Hier galt es in den 16 cm breiten Zwischenräumen der Messingelemente, sämtliche Haustechnikeinbauten wie z. B. Brandmelder, Lüftungsschlitze oder Aufbauleuchten zu installieren. Aber auch in den weiteren öffentlichen Bereichen des Gebäudes galt es strenge bauliche Hygiene-Vorgaben zu erfüllen.Ein Beispiel: die Detailausarbeitungen in Form von Hygie-neanschluss-Winkel, die verhindern, dass sich Staub an den Anschlüssen und den angrenzenden Bauteilen ablegt. Hochpräzises Arbeiten in sensiblen Bereichen. Die Trenn-wände in den WC- und Duschanlagen sind in Aluminium-Verbundelementen hergestellt. Auch hier wurde dem hohen Materialqualitätsanspruch der Architekten zum Wohle der Bewohner und des Personals entsprochen. „Für komple-xe Projekte braucht es kompetente Partner für die Umset-zung. In diesem Kontext habe ich die Zusammenarbeit mit

Formen, die man sich so nicht hätte vorstellen können. Den gestalterischen Möglichkeiten sind de facto mit dem Baustoff Gips keine Grenzen mehr gesetzt im Be-reich der Innenraumgestaltung.

CL: Was waren die konkreten Aufgabenstellungen und das Volumen beim aktuell fertig gestellten Projekt „WU Campus Wien“ von der Architektin Zaha Hadid?

RH: Beim Projekt „WU Campus Wien“ zeichnet rhtb: gemeinsam mit den ARGE Partnern Lindner GmbH und Goldbach GmbH für den Großteil der Trockenbauwände, Glaswände, Hohlraumböden, Doppelböden, Abhänge-decken, Teppich- und Parkettbeläge verantwortlich. Eine besondere Hausforderung für unser Unternehmen waren am Baufeld Library and Learning Center die bis zu 25 Grad geneigten Gipskartonwände, welche teilweise mit Glaselementen ausgestattet sind. Dazu mussten speziell geneigte „Eckausbildungen“ mit runden Form-teilen hergestellt werden. Sonderformteile für Gipskartonrundungen kamen somit ebenso erstmalig zur Ausführung wie Tragkonstrukti-onen aus Stahlformrohren mit speziell angefertigten Flachstahlverbindungen für schräge Wände, um einen gleitenden Anschluss zu den Stahlbetondecken zu ermöglichen. Durch den Einsatz eines relativ hohen Anteils an indus-triell vorproduzierten Sonderformteilen wurde versucht, die Verarbeitungszeit und die Oberflächenqualität zu optimieren, um auch den Anforderung der internationa-len Architektur Rechung tragen zu können. Ein weiterer Beweis der Innovationskraft unseres Unternehmens war

der Firma rhtb: schätzen gelernt und bedanke mich für den wesentlichen Beitrag zu einem gelungenen Projekt“, so Ar-chitekt Paul Jung. Auch die Außenwände im Bereich der Loggien, zementgebundene Outdoorplatten und korrosions-geschützte Unterkonstruktionen, sind von rhtb: hergestellt und installiert worden. Als besonders arbeitsintensiv stellte sich die Herstellung der bleikaschierten Wände im Bereich der Röntgenräume heraus, da die Ausführung dieser Station äußerste Akribie erforderte.

Wiener Stadtschulrat WipplingerstraßeIm Wiener Stadtschulrat in der Wipplingerstraße wurde kürz-lich der Eingangsbereich einem umfassenden Relaunch un-terzogen. Die Trockenbauarbeiten wurden vom Familienunternehmen rhtb: übernommen. Insgesamt wurden 175 m² Akustik-Decken aus Gipskarton mit Akustik-Spritzputz und 150 m² Brandschutzdecken errichtet. Weitere 75 m² Gipskarton-wände, Brandschutzertüchtigungsarbeiten am Bestand und ein 50 m² großes Deckensegel aus Alucobond komplettieren den Auftrag. Eine große Herausforderung des Projekts stellte das indivi-duell nach CAD-Plänen gefertigte Deckensegel, bestehend aus elf polygonalen Feldern mit einer hochglänzend weißen Oberfläche dar. Dieses Deckensegel ist ein handwerkliches Unikat. Spezielle Platten wurden nach millimetergenauen Angaben vorgefräst und auf der Baustelle von Hand gebo-gen und gefertigt. Aufgrund der Einzelelementgröße und des hohen Eigengewichtes war ein Beschichten in der ge-wünschten Hochglanzlackierung nur vor Ort im montierten Zustand möglich. Beim Plattenmaterial handelt es sich um spezielle Alu-Verbundplatten mit einem zementgebundenen Kern, der aufgrund von Brandschutzvorgaben notwendig war. „Generell war dieses Projekt aufgrund der vielen Son-derlösungen eine große Herausforderung“, meint Projektlei-ter Harald Rasinger, „aber wir haben den Planer – hinsicht-lich der technischen Umsetzbarkeit seiner Vorstellungen - sehr unterstützt.“

Library and Learning Center, WU Campus Wien

Projektrealisierungen

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01 / 2014 ARCHITEKTUR live live ARCHITEKTUR 01 / 2014

Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1 im T+43 1 522 31 15, www.azw.at, täglich 10 – 19 Uhr

Az WThinkGlobal,BuildSocial!

Bauen für eine bessere Welt Ausstellung 15.03. – 30.06.2014Fo

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Think Global, Build Social. Bauen für eine bessere Weltbis 30.06.14Alte Halle, Architekturzentrum Wien

Mit der gemeinsam konzipierten Ausstellung „Think Global, Build Social. Bauen für eine bessere Welt“ wid-men sich das Architekturzentrum Wien (Az W) und das Deutsche Architekturmuseum (DAM) der Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung zeitgenössischer Architektur. „Think Global. Build Social“ zeigt aktuel-le Beispiele einer alternativen, sozial engagierten Architektur, die versucht, mit möglichst geringem finan-ziellen Aufwand, aber viel Eigeninitiative und Kreativität die Lebensbedingungen der Menschen in weniger privilegierten Weltregionen zu verbessern. Kurator Andres Lepik präsentiert eine Auswahl von 22 Positionen, in denen die bereits in der klassischen Moderne geforderte Verbindung von Ethik und Ästhetik beispielhaft eingelöst wird. Bereichert wird die Ausstellung im Architekturzentrum Wien durch die Präsentation aktueller Projekte mit österreichischer Beteiligung.

Die Architektur der Gegenwart befindet sich in der Krise: Auf der einen Seite steht die sogenannte „Star-Architektur“ als Imageträger für wohlhabende, politisch einflussreiche Auftraggeber, die nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz der globalen Bevölkerung nutzen kann. Auf der anderen Seite breitet sich in den rasant wachsenden Mega-Cities in Asien, Lateinamerika und Afrika eine ungeheure Masse an profitorientierten Bau-projekten aus, an denen ArchitektInnen kaum beteiligt sind: Gebäude, die in atemberaubender Geschwindig-keit von Immobilienentwicklern und Konstruktionsfirmen errichtet werden. Eine alternative, sozial engagierte Architektur, die sich in den Dienst all jener stellt, die weder der einen noch der anderen Gruppe zuzurechnen sind und denen gute Gestaltung normalerweise nicht zugestanden wird, tut not.

Ein sehr frühes und wegweisendes Beispiel für eine Architekturgesinnung, die nicht den Profit im Auge hat, sondern benachteiligten Personen ein menschenwürdi-ges Leben ermöglichen möchte, findet man im tiefsten Süden der USA. 1992 führte in Hale County, Alabama, ein alltägliches Ereignis in einer dort ansässigen Hilfsor-ganisation zu einer nicht alltäglichen und äußerst nach-haltigen Initialzündung. Die Leiterin des HERO Family Ressource Center hatte wieder einmal kein Geld für die Reparatur eines der üblichen Substandard-Trailerhäuser, in denen viele der County-Bewohner ohne Elektrizität und fließendes Wasser wohnten. Am selben Tag nahm sie an einer Gemeindeversammlung zur Wohnungspro-blematik teil, bei der auch Architekt Samuel Mockbee (1944–2001) anwesend war. Mockbee war gerade erst als Architekturprofessor an die Auburn Universität nach Alabama berufen worden und im Begriff sein Rural Stu-dio zu gründen. Die Dame von HERO fragte nach, ob Mockbee mit seinen Studenten die Reparatur überneh-men könnte. Die daraus entstehende Arbeitsbeziehung schuf die grundlegende Legitimation und Akzeptanz für die Arbeit des Rural Studio. Mockbee’s Studenten kamen dabei in den Genuss einer lebensnahen, ech-ten Ausbildungspraxis, die sich nicht auf theoretische Entwürfe konzentriert: Die Studenten waren mit prak-tischem Entwerfen und Bauen beschäftigt, standen in direktem persönlichen Kontakt mit Bauherren, die kein Geld hatten und mussten sowohl architektonische als auch unternehmerische Phantasie beweisen. Denn oftmals wurde mit höchst ungewöhnlichen Materialien experimentiert, um kostengünstige, aber nachhaltige und überzeugende Gebäude zu bauen. Die Idee eines sogenannten Design-Build-Studios war geboren und fand zahlreiche Nachahmer in der ganzen Welt.

Eine Ausstellung über eben jenes Rural Studio im Jahr 2003 im Architekturzentrum Wien war wiederum Initialzündung für die Gründung des österreichischen Vereins s2arch. Wesentlicher Motor des Vereins ist der Grünen-Politiker Christoph Chorherr, Projektleiter vor Ort meist der Architekt Elias Rubin, ein Enkelsohn von Roland Rainer. In den letzten zehn Jahren sind mittler-weile an die 40 Projekte in Südafrika entstanden. Seit 2008 arbeitet s2arch als Betreibergesellschaft aus-schließlich an zwei Standorten in Südafrika, die den Namen eines der beiden Hauptsponsoren tragen: Ithuba Johannesburg und Ithuba Wild Coast. Der gemeinnüt-zige Verein ist vom österreichischen Finanzministerium steuerbegünstigt und wird von der Stadt Wien, der Bank Austria und der Ithuba Capital gesponsert. Praktisch alle deutschsprachigen Unis und Fachhochschulen mit Architekturausbildung haben schon in Ithuba gebaut.

Ein weiteres österreichisches Beispiel, das mit den

Mitteln von Bautechnik und Raumkunst einen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung und Erhaltung der Le-bensqualität in Entwicklungsländern leisten will, ohne sich dabei als Entwicklungshelfer zu sehen, ist das Design-Build-Studio BASEhabitat der Kunstuniversität Linz. Die mehrfach preisgekrönte METI Schule in Ru-drapur, Bangladesh, ist Ergebnis einer besonders am-bitionierten Diplomarbeit an der Kunstuniversität Linz. Anna Heringer, die bereits 1997 ein freiwilliges soziales Jahr in Rudrapur absolviert hatte und sich dabei inten-siv mit der Lebenssituation der Bevölkerung auseinan-dergesetzt hatte, kehrte 2002 mit drei weiteren Linzer StudentInnen nach Rudrapur zurück, um eine genaue Dorfanalyse des kleinen Ortes im Norden von Bang-ladesh zu erstellen. Darauf bezugnehmend entstand 2004 ihre mit dem Hunter Douglas Award ausgezeich-nete weltweit beste Architektur-Diplomarbeit über eine „handgemachte Schule“, die 2005 gemeinsam mit dem Berliner Architekten Eike Roswag ihre bauliche Umset-zung in der METI Schule fand. Für den Bau reagierte man mit der Verwendung von Lehm und Bambus auf die regional verfügbaren, kostengünstigen Materialien und bediente sich einer längst totgeglaubten, historischen Lehmbauweise, die zukunftsträchtig adaptiert wurde. Im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ wurden gleich auch noch 25 Lehm- und Bambusarbeiter aus der unmittelba-ren Umgebung ausgebildet, damit auch die Häuser von

Rudrapur in Zukunft eine längere Halbwertszeit haben als die bislang üblichen zehn Jahre, nach deren Ablauf die meisten aufgrund der starken Regenfälle in sich zu-sammensanken. 2007 wurde die Schule mit dem Aga Khan Award für Architektur ausgezeichnet.

Ein Beispiel aus Finnland ist das Women’s Centre in Rufisque in Senegal vom jungen finnischen Archi-tektinnenteam Hollmen Reuter Sandman, das sich mit zwei anderen Teams zu einer NGO namens Ukumbi zusammengeschlossen hat. Über das Women’s Centre erzählt Sandman: „Man braucht in Entwicklungsländern sehr viel Zeit. Wo immer wir hingehen, versuchen wir so involviert wie möglich zu sein, die Leute kennenzuler-nen, die Orte kennenzulernen. Dieses Gebäude ist das einzige öffentliche Gebäude in der Region – das gab den Frauen ein besonderes Selbstwertgefühl. Der zentrale Innenhof funktioniert als wichtigster Raum. Recycelte Bierflaschen wurden als Glasbausteine verwendet . Die senegalesischen Partner waren anfangs sehr skep-tisch und meinten, es gäbe gar keine Notwendigkeit, Flaschen zu recyceln, wo man doch ohne Probleme Echtglasbausteine finden könne. Wir hatten auch einige Probleme, weil der Auftragnehmer als gläubiger Mus-lim nicht glücklich darüber war, mit leeren Bierflaschen in seinem Auto herumzudüsen. Doch als das Zentrum schließlich fertig war, gab er lachend zu, dass es sich gelohnt hätte.“

Das sind nur ein paar von insgesamt 22 Projekten, die in der Ausstellung „Think Global. Build Social“ von 15. März – 30. Juni 2014 im Architekturzentrum Wien zu sehen sind. Die gemeinsam mit dem Deutschen Archi-tekturmuseum (DAM) konzipierte Ausstellung widmet sich der Frage nach der gesellschaftlichen Verant-wortung zeitgenössischer Architektur. Kurator Andres Lepik zeigt aktuelle Ausnahmeprojekte, die alle eines gemeinsam haben: mit möglichst geringem finanziellen Aufwand, aber viel Eigeninitiative und Kreativität die Lebensbedingungen der Anwohner zu verbessern. Die Ausstellung ist gegliedert in fünf thematische Kapitel: Material, Wohnen, Partizipation, Kultur und Design-Build-Programme. Im Zentrum der Auswahl stehen dabei Bauten, die in den vergangenen 10 Jahren reali-siert wurden und deren konkrete Wirkung vor Ort bereits sichtbar geworden ist. Im Architekturzentrum Wien wird die im DAM bereits 2013 mit großem Erfolg gezeigte Ausstellung um die Präsentation aktueller Projekte mit österreichischer Beteiligung erweitert. Auch wenn sich bislang keine einheitliche Bewegung mit einem eige-nen Programm ausgebildet hat, lassen sich doch viele Gemeinsamkeiten finden, die darauf hinweisen, dass jenseits der „Star-Architektur“ schon seit einiger Zeit eine andere Bewegung in der zeitgenössischen Archi-tektur deutlich wird, die sich den sozialen Fragen der globalen Gesellschaft zuwendet.

Orange Farm: Mzamba School, Mzamba, Eastern Cape, Südafrika, 2010, © Markus Dobmeier

Meti School, © Anna Heringer

Frauenzentrum in Senegal, © Hollmén Reuter Sandman Architects

bauEN füR EINE bESSERE WEltthINk Global, buIld SoCIalSonja PiSarik

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zuRüCkhaltENdE modERNE

Der Norddeutsche Regatta Verein (NRV) in Hamburg ist einer der größten deutschen Segelclubs. Seit 1868, nun im 146. Existenzjahr, hat er sich dem Regattawesen und der Segelei verschrieben.

Das Clubhaus liegt an einem der prominentesten Orte der Außenalster: „Schöne Aussicht“ lautet der Name der Straße, und der Blick auf das gegenüberlie-gende Alstervorland, die Kirchtürme, Hochhäuser und den Glasbau der Elbphilharmonie ist nicht nur bei strah-lendem Sonnenschein etwas Besonderes.

Kein schöner Anblick war allerdings ein Brand Ende Mai 2010, der das Clubhaus des NRV zerstörte. Nach ersten Sanierungsversuchen war klar, hier ist eine grö-ßere und grundsätzliche Lösung erforderlich. Das Zen-trum des Vereins musste räumlich und dadurch auch teilweise inhaltlich ganz neu gedacht werden. Bauaus-schüsse tagten, Architektenkolloquien wurden durch-geführt, Gutachter gaben sich die verkohlte Klinke in die Hand, Gespräche mit dem Bauamt folgten, Anträge wurden gestellt und Genehmigungen eingeholt. Zwei Jahre nach dem Brand war das alte NRV-Gebäude ab-gerissen und im November 2012 konnte der Grundstein gelegt werden. Die Hamburger Planungsgemeinschaft „NRV Clubhaus“, bestehend aus dem Ingenieurbüro Roschke, Franzen und Partner und dem Büro Bechtloff.Steffen.Architekten, arbeitete seit Ende 2010 bis zur Fertigstellung im Frühjahr 2014 an dem Projekt. Am 22. Februar 2014 war es dann soweit, das Vereinshaus konnte den 2.000 Mitgliedern übergeben werden.

Seit kurzem ist nun auch der Innenbereich fertig-gestellt, und das, was die Innenarchitekten Hennings Börn Interiors und unter anderem die im Mittelweg an-sässige Firma Cserni & Kröncke Hamburg gestaltet und ausgeführt haben, kann sich sehen lassen. Farbliche Abstimmung, Möbeldesign, Tresenbereich und die Vit-rinen für die Segelpokale gehen eine eigene Symbiose ein. „Hanseatisches Selbstverständnis und Stolz auf die Historie harmonieren im NRV, sie wurden sein besonde-res Image und beflügeln bis heute. So wird Altbewähr-tes gepflegt, Liebgewordenes gehegt und Sportsgeist geschärft. Er vereint die Bewahrung von Traditionen mit manchmal liebenswerten Marotten und pflegt eine

beziehungsreiche Weltoffenheit – nicht zuletzt in der schönen Gewissheit historischen Rückenwindes“, heißt es in einem Text über den Segelclub. Der Dreiklang von „Tradition – hanseatisches Selbstverständnis – moderne Weltoffenheit“ sind die sichtbaren Zutaten der Mitglie-der- und Verwaltungsräume. Funktional mit Wohlfühl-charakter, ein Ort, an dem man Feste und Siege feiern möchte oder einfach etwas nach einem Segeltörn trin-ken möchte. Viel Glas, viel Blick, viel Holz.

„Ohne den Brand hätten wir keinen Neubau geplant und ohne den Brand hätten wir keine neuen Räume für unsere Jugendarbeit bekommen“, sagt der Vorsitzende Andreas Christiansen (65), der knapp vor dem Brand die Clubführung übernommen hatte. Er ist gebürtiger Flensburger, gehört zur Hamburger Kaufmannschaft und arbeitet überdies als stellvertretender Vorsitzender bei der Stiftung der Deutschen Kakao- und Schoko-ladenwirtschaft. „Das, was wir in der inneren Struktur vor dem Brand an substantiellen Mängeln hatten, ist nun beseitigt. Auch städtebaulich haben wir nun hier am Standort etwas leisten können, denn wir durften die äußeren Konturen des Gebäudes nicht verändern.“

Henning Rocholl (65), Bauherrenvertreter des NRV, Hamburger und in der Immobilienbranche seit den 1970er-Jahren tätig, ist der Vertreter des Bauherrn. Er vertritt die Interessen der 2.000 Vereinsmitglieder gegenüber Architekten, Statikern, Innenarchitekten, Gewerken und Handwerkern. Seine Energie scheint auch noch nach Jahren grenzenlos zu sein. Er fügt hinzu: „Ein Grundstück direkt an der Alster – und hier

haben wir es mit einem baulich äußerst sensiblen Be-reich Hamburgs zu tun – hatte keinerlei sichtbare Aus-dehnungsmöglichkeit, außer in den Uferbereich und in die Tiefe zu gehen. Wir haben einen großen Zuge-winn erhalten, eine Fläche von 500 m². Dazu kommt der gesamte technische Bereich im Untergeschoß. Das bedeutete im Umkehrschluss auch für die oberen Stock-werke eine klare und übersichtlichere Ausrichtung auf das Vereinsleben. Wir haben zwar nun äußerlich einen Rekonstruktionsbau – mit denselben Eckpunkten wie es das alte Gebäude hatte – innerlich aber ist etwas Neues entstanden. Unsere Planer, die für den Innen-bereich zeichneten, haben eine moderne Denkweise. Das entspricht auch unseren Vorstellungen. Ich würde das Ergebnis als zurückhaltende Moderne bezeichnen. Dies gilt für alle Bereiche, vom besonderen, innovativen Beleuchtungssystem angefangen, über die Möblierung, bis zur Wandverkleidung. Ich glaube, dass wir ein gutes Händchen bewiesen haben, um möglichst viele unserer Mitglieder mitzunehmen.“

Auffällig ist die Verwendung von Teakholz, das ins-besondere im Schiffsbau gerne und häufig genommen wird. Die Cserni & Kröncke GmbH baute nicht nur eine reine, ästhetische Wandverkleidung, sondern diese auch funktional so geschickt, dass sich hinter einigen einzel-nen Teakholztafeln verschließbare Fächer befinden. Das Holz ist ungewöhnlich hell und sensibel bearbeitet; die ausgesuchte Maserung und Verlaufsrichtung gibt den Räumen eine gewisse Dynamik und eine warme, wohn-liche Aura. „Der Gestaltungsausschuss des Vereins hat

sich verschiedene Holzmuster vorlegen lassen und sich schließlich für Teak und diese Leichtigkeit in der Ober-flächenbehandlung entschieden.

Cserni & Kröncke Hamburg hat dann noch das Fi-nish der Oberfläche übernommen, und nun sieht man diese außergewöhnlich schöne Fläche und marmorierte, angenehme Farbigkeit“, konstatiert Christiansen.

Besonders erwähnenswert sind die Stühle im Re-staurantbereich. Sie sind nicht nur farblich gut abge-stimmt, sondern nehmen mit ihrer Form und einem Konstruktionsgestänge die Masten, Wanten und Stagen auf. Die Tische sind mit dunkelbraunem Nussbaumfur-nier versehen und korrespondieren mit der Farbigkeit des Holzfußbodens.

„Sie müssen bedenken, dass wir nicht nur ein Ge-sellschaftsclub, sondern ein Segelverein sind“, erklärt Henning Rocholl, „wenn unsere vielen Segler hier ihr

Getränk nach dem Wassersport zu sich nehmen, dann benötigen wir neben Platz auch etwas Robustes und Durables. Das gilt für den Barbereich, den Fußboden und die Möbel. Bei unseren Überlegungen stand der Nutzungsgedanke im Vordergrund und damit einherge-hend, der optisch wertige Aspekt. Unsere Innenarchi-tekten haben eine Ausschreibung für den Innenausbau gemacht und von den drei Bewerbungsfirmen haben wir uns schließlich für Cserni entschieden. Zugegeben, wir hatten bereits vom guten Ruf des Unternehmens gehört und aufgrund der Kombination von Leistung, Qualität und Preis haben wir den Auftrag an sie übergeben kön-nen. Ich denke aber auch, dass dieses Prestigeobjekt für die Firma Cserni interessant ist, um im Norddeutschen Raum Flagge zeigen zu können.“

„Und wissen Sie, was uns dann restlos überzeugt hat?“ führt Andreas Christiansen aus „Das war unser

Besuch bei Cserni in der Steiermark, im Betrieb. Dort konnten wir einen großen Teil der gefertigten Einbau-elemente besichtigen – beeindruckend!“

Was sich der Clubpräsident für die kommen-den Jahre im Neubau und im angenehmen Ambiente wünscht, möchte ich zum Abschluss des Gesprächs wissen, und Andreas Christiansen zitiert einen Absatz aus dem Vorwort des Jahrberichts des Norddeutschen Regatta Vereins von 1895: „Die Arbeit und Veranstal-tungen des Vereins haben ihm eine große Anzahl neuer und dauernder Mitglieder gebracht, und er hat durch den schönen Segelsport neue Freunde und Gönner er-worben. Diese uns zu erhalten und immer neue Kreise für den Verein hinzuzugewinnen, wird auch fernerhin das Bestreben des Vorstandes sein. Hamburg wird aber nicht wünschen von anderen Städten Deutschlands überflügelt zu werden.“

daS NEuE ClubhauS dES NoRddEutSChEN REGatta vEREINS IN hambuRGCLAUS FRIEDE

Henning Rocholl (Bauherrenvertreter NRV) und Andreas Christiansen (Vorsitzender NRV)

Clubgebäude NRV mit Blick auf die Außenalster

Restaurantbereich mit Bar

Clublounge Präsentationsvitrine

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Wappen des NVR

Regatta-Modell

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01 / 2014 PROJEKTE live live PROJEKTE 01 / 2014

muSEum aNGERlEhNER EIN bEGEGNuNGSoRt füR zEItGENöSSISChE kuNSt

Das Museum Angerlehner ist eine kulturelle Begeg-nungsstätte für Kunstliebende, vor allem aber auch ein Treffpunkt für Jung und Alt, regional und urban. Kunst gemeinsam erleben, begreifen und diskutie-ren, so bleibt der Besuch des Museum Angerlehner in Erinnerung. Thomas Redl im Gespräch mit Inhaber und Kunst-sammler Heinz J. Angerlehner.

Thomas Redl (TR): Wir sind hier in Ihrem neuen Mu-seum, welches vor kurzem eröffnet wurde und zu den größten Privatmuseen Österreichs zählt. Seit wann sam-meln Sie Kunst und wie ist Ihre Leidenschaft für die Kunst entstanden?Heinz J. Angerlehner (HJA): Ich hatte bereits als junger Bub eine große Sammelleidenschaft. Als Neunjähriger habe ich begonnen, Briefmarken zu sammeln und dies tue ich zum Teil noch heute. Seit meiner Kindheit habe ich sehr Unterschiedliches gesammelt: Zünder aus der ganzen Welt, Elefanten und vieles mehr – und eines Tages habe ich die Kunst entdeckt. Natürlich hatte ich anfangs nicht das Geld, um teure Werke anzuschaffen. Ich habe mit Aquarellen begonnen, 1981/82 mit Peter Stopper und Walter Glaubacker, einem bekannten ober-österreichischen Künstler. In weiterer Folge kaufte ich Ölbilder. Die erste Arbeit erstand ich am Montmartre in Paris. Auf meinen Auslandsreisen, egal ob in Brasilien, USA, China, Hongkong, ob in West- oder Osteuropa, habe ich immer Bilder gekauft. So sind im Laufe der Zeit sehr viele Werke zusammengekommen und eines Tages stellte sich mir die Frage: Was werde ich mit meinen ganzen Kunstwerken machen?

2008 kaufte ich in Wels ein Grundstück mit 41.000 m2, um den Firmensitz von FMT im Jahr 2010 von Thal-heim dorthin zu übersiedeln. So begann ich in diesem Jahr Überlegungen anzustellen, was mit dem ehema-ligen FMT-Standort geschehen sollte. Ich kaufte diese Liegenschaft mit meiner Privatstiftung aus dem Firmen-vermögen heraus und überlegte zunächst, gemeinsam mit der Marktgemeinde Thalheim eine Kunsthalle oder ein Veranstaltungszentrum zu errichten.

Aber nachdem ich ein Unternehmer bin, der es gewohnt ist, Projekte rasch umzusetzen, beschloss ich schließlich, das Projekt allein ohne einen Partner zu realisieren und als öffentlich zugängliches Museum zu betreiben. Heute bin ich froh, diesen Schritt getan

zu haben, denn in der Zwischenzeit hat das Museum einen internationalen Standard erreicht. Es war die Ga-leristin Dr. Ursula Krinzinger hier und sie war wirklich beeindruckt: Sie kannte mein Museum bisher ja nur von den Medien, aber sie hätte sich nie gedacht, dass das Museum Angerlehner ein derartiges Juwel für die ganze Region darstellt und meinte, dass die Künstler stolz sein können, hier ausgestellt und präsentiert zu werden.

TR: Wie umfangreich ist die heutige Sammlung nach Ihrer langjährigen Sammeltätigkeit?HJA: Meine Antwort auf diese Frage ist immer: mehr als 1.000 und weniger als 5.000. Die Zahl meiner Kunst-werke liegt irgendwo in der Mitte, aber so genau gezählt haben wir noch nicht.

TR: Hat die Sammlung einen spezifischen Fokus? Ös-terreichische Kunst zum Beispiel?HJA: Der spezifische Fokus liegt auf der Malerei. Im Besonderen sind mir die österreichischen und ober-österreichischen Künstler sehr wichtig. Wir haben so hervorragende Künstler in Österreich, man muss nicht unbedingt ins Ausland gehen. In der Sammlung sind in etwa 75 Prozent österreichische und circa 25 Prozent internationale Künstler z.B. aus Amerika, Japan, China, Russland bis Südafrika vertreten.

TR: Ich habe auch Werke aus der Leipzi-ger Schule gesehen.HJA: Ja. Ich habe bei einer Ausstellung in Berlin ein paar sehr interessante Künstler, darunter Aris Kalaizis, kennengelernt und sofort „zugeschlagen“, denn zwanzig Mi-nuten später hätte ich das Bild „Europa“ nicht mehr bekommen.

TR: Kann man behaupten, dass es in der Sammlung Angerlehner gesamt gesehen einen oberösterreichischen Schwerpunkt gibt?

HJA: Den gibt es auf alle Fälle. Es sind auch zwei ober-österreichische Künstler in einer der letzten Ausstel-lungen vertreten gewesen: Josef Bauer, den ich schon längere Zeit kenne und sammle und von dessen Werken auch die Galeristin Dr. Ursula Krinzinger sehr angetan war, und Patrick Schmierer, ein jüngerer Künstler, der sehr interessante Arbeiten und Skulpturen kreiert hat und gut in unsere Sammlung passt. Wir sind ein mo-dernes Museum, bei uns wird zeitgenössische Kunst gezeigt. Wir müssen die jungen Künstler immer dabei haben und können nicht nur die alten renommierten wie Arnulf Rainer, Günter Brus, Markus Prachensky, Bruno Gironcoli oder Hans Staudacher ausstellen. Natürlich sind dies hervorragende Künstler, aber ich gebe auch talentierten jungen Künstlern immer eine Chance.

TR: Das ist heute auch sehr wichtig, denn die Mehrheit kauft spekulativ bekannte Namen als Wertanlage, da bei jüngeren Künstlern eine geringere Wertsicherheit besteht.HJA: Das ist klar. Weil Sie mich nach einem oberöster-reichischen Schwerpunkt gefragt haben – in der Samm-lung sind einige Werke einer nicht zu unterschätzenden

Dame, die absolut tolle Arbeiten macht: Therese Eisen-mann. Ich bin sehr stolz darauf und es wäre sehr inte-ressant mit ihren Werken eine Ausstellung zu machen. Ich habe auch sehr viele Arbeiten von Othmar Zechyr gesammelt, wunderbare Zeichnungen, bei denen man sieht, wieviel Arbeit der Künstler in sein Kunstwerk steckt. Er hat oft tage- und wochenlang mit Tusche auf Transparent-, Japanpapier oder anderen Papieren ge-zeichnet. Weiters habe ich unter anderem Werke von Oliver Dorfer, Lorenz Estermann, Heinz Göbel, Dietmar Brehm, Tobias Pils, Bettina Patermo und Maria Moser. Die international erfolgreiche Linzer Künstlerin Waltraut Cooper hat Lichtinstallationen an der Fassade des Mu-seums und an den Museumsstegen über der Traun und den Aiterbach realisiert.

TR: Ich möchte kurz auf die Architektur zurückkommen. Es handelte sich um einen bereits bestehenden Indust-riebau. Was waren die entscheidenden Kriterien für den Umbau und den Zuschlag an das Architekturbüro Wolf aus Oberösterreich?HJA: Das Bürogebäude und die Hallen standen bereits. Das Bürogebäude sollte ursprünglich vermietet werden, aus diesem Grund war es nicht Bestandteil des Wettbe-werbs, sondern nur die Werkstätten und Montagehallen. Hier hat das Grieskirchner Büro Wolf Architektur den Zuschlag bekommen. Nach dem Wettbewerb beschloss ich, das Bürogebäude mit zu integrieren und den Ge-bäudezugang zum Museum umzugestal-ten. Das war die beste Lösung. Ich habe auch die Lehrwerkstätte nicht wegreißen lassen und das Foyer – in dem wir uns jetzt befinden und wo auch die Firma CSERNI die Möbeleinbauten realisiert hat – mit in die Planung aufgenommen. Die Architekten wollten ursprünglich viel mehr abreißen und neu gestalten. Aber wie Sie sehen, passt alles wunderbar zu-sammen. Natürlich haben wir die Hallen geleert und alles, auch das zweistöckige Magazinlager mit Aufzug, bis auf zwei Hallenkräne herausgerissen. Es war viel Arbeit damit verbunden, aber es waren dann wirklich leere Hallen und die Archi-tekten haben alles so umgesetzt, wie ich es wollte. Ich bin sehr stolz, wenn ich zum Beispiel das Schaulager sehe, wie es geworden ist – es fasziniert nicht nur mich, sondern auch die Besucher.

TR: Wenn man das Museum von außen betrachtet, ist es ein außergewöhnliches Statement zeitgemäßer Architektur. Die reduzierte, minimalistische Fassade ist die gelungene Hülle für die zeitgenössi-sche Kunst, die sich in diesem Korpus befindet.HJA: Die Architekten hatten ursprüng-lich eine andere Fassade geplant, aber

der Entwurf mit Streckmetall hat mir aufgrund der un-zähligen Langschlitze nicht gefallen, es verschmutzt viel schneller und erzeugt so hohe Reinigungskosten. Ich habe mir verschiedene Materialien angesehen und mich mit den Architekten für diese eloxierte Aluminium-Fassade entschieden. Das Farbenspiel dieses chan-gierenden Materials ist äußerst spannend und sieht immer anders aus – je nachdem, ob Sie am Morgen, nach dem Regen, bei Sonnenschein oder im Abendlicht zum Gebäude kommen. Die Österreichische Post hat vor kurzem zugesagt, das Museum Angerlehner mit der Ausgabe einer Sondermarke im Rahmen der Serie „Moderne Architektur“ zu würdigen, worauf ich als Phi-liatelist sehr stolz bin. Die Architekten und das Museum haben damit eine tolle und unbezahlbare Werbung, die Auflage der Briefmarke liegt bei circa zwei Millionen Stück, sie wird in ganz Österreich erhältlich sein.

TR: Die große, säulenfreie Ausstellungshalle mit über 1.000 m2 ist ein zentrales Element des Museums.HJA: Sie hat 1.200 m2 und ist so großzügig geworden, wie ich es mir gewünscht habe. Es ist eine stützen-freie Konstruktion geworden, wobei die Architekten ursprünglich vier Stützen geplant hatten. Sie wurde statisch neu berechnet und hat dadurch etwas mehr gekostet, denn es bedurfte einer massiven Stahlkon-struktion, die Sie heute wegen der Verkleidung nicht sehen können; aber die Umsetzung ist phantastisch

geworden – eine derartige säulenfreie Ausstellungshalle sieht man kaum, auch nicht in internationalen Museen.

TR: In dieser Ausstellungshalle haben Sie ein sehr si-gnifikantes Sitzobjekt, das Andreas Thaler entworfen hat, positioniert. Es ist ein Eyecatcher für die Besucher.HJA: Andreas Thaler hat dieses mehrteilige, zeitgenös-sische Sitzobjekt eigens für das Museum entworfen. Ich brauchte hier einen Eyecatcher und habe dieses Objekt in Ferrari-Rot ausführen lassen. Es ist ein va-riables Objekt, es kann auseinander genommen und getrennt in verschiedenen Räumen aufgestellt werden, es bestehen viele Möglichkeiten für die Verwendung und Gruppierung dieses Sitzobjektes.

TR: Die gesamte Ausstellungsfläche mit der erdge-schoßigen Halle von 1.200 m2 und den 800 m2 im ersten Stock ist sehr großzügig und bietet genügend Platz für großformatige Arbeiten.HJA: Wir haben im Schaulager ca. 6.000 m2 Hänge-fläche sowie an den Wänden in den Ausstellungsräu-men circa 2.500 m2 Hängefläche. Das Foyer bietet auch die Möglichkeit, zusätzlich Kunstwerke zu zeigen, wie man es hier sehen kann an dem Bild von Bettina Pa-termo. Das Museum Angerlehner soll für alle, die hier herkommen, ein Erlebnis sein, damit die Besucher bald wiederkommen. Der Veranstaltungsraum ist ebenfalls einzigartig. Er ist richtig einladend beim Hereinkommen,

Außenansicht Museum Angerlehner, Foto: © Archipicture Mag. Dietmar Tollerian

Museumssteg geplant von Brückenbauer DI Erhard Kargel mit Lichtinstallation von Waltraut Cooper, Foto: © H. Baumgartner

Rollenporträt Sigmund Freud (H.J. Angerlehner), 2013, Foto: © Irene Andessner Große Ausstellungshalle mit Erstpräsentation der Sammlung Angerlehner, Sitzobjekt Rondo, Foto: © Archipicture Mag. Dietmar Tollerian

Foyer mit Einbauten von Cserni, Foto: © Andreas Thaler Schaulager, Foto: © Andreas Thaler

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01 / 2014 PROJEKTE live live PROJEKTE 01 / 2014

links sieht man das Schaulager, geradeaus fällt der Blick sofort auf das Bild von Rudolf Leitner-Gründberg hinter der Bühne. Bei einer Kinobestuhlung haben wir hier Platz für 400 Personen und bei Festlichkeiten mit einem gesetzten Essen für bis zu 120 Personen. Es ist ein schöner Rahmen für Kunstaktivitäten, Konzerte und Le-sungen sowie für Firmenfeiern, Produktpräsentationen, Modeschauen etc. – es ist eine Multifunktionshalle.

TR: Sie sind offen für die unterschiedlichsten Veranstal-tungen und Events, die hier stattfinden können.HJA: Das Museum muss offen sein, Veranstaltungen bringen Geld und wir können nicht genug einnehmen, denn der laufende Museumsbetrieb kostet enorm viel. So waren wir letztes Jahr noch zu siebt, heute sind bis zu 20 Personen in meinem Museum beschäftigt.

TR: Wir sitzen hier im Cafébereich im Foyer des Mu-seums. Welche Möbel und Objekte hat CSERNI hier realisiert?HJA: Der gesamte Möbelverbau im Foyer wurde von der Firma CSERNI produziert, geliefert und montiert. Wie Sie sich selbst überzeugen können, ist dies eine wunderbare Arbeit, die CSERNI hier vollbracht hat. Die Einrichtung von CSERNI ist auch ein Aushängeschild für die Firma und eine gute Referenz. Wenn weitere Mu-seen im In- und Ausland gebaut werden, ist CSERNI dafür eine gute Adresse. Ich habe auch Franz Cserni kennengelernt, den Senior Chef des Unternehmens – er ist selbst Künstler und ich habe einige Kunstwerke von ihm erworben. Er ist ein sehr interessanter Mann und erfolgreicher Unternehmer, der auch das Glück hat, einen sehr tüchtigen Sohn zu haben. Martin Cserni hat als Architekt der Firma seinen eigenen Stempel aufge-drückt und man sieht, dass es ein sehr fortschrittliches und exportorientiertes Unternehmen ist, das höchsten Ansprüchen gerecht wird.

TR: Welche Ausstellungen sind für das Jahr 2014 im Museum Angerlehner geplant?HJA: Unsere aktuelle Ausstellung „Fremdvertraute Wirklichkeiten“ zeigt den Leipziger Maler Aris Kalai-zis gemeinsam mit den Österreichern Gottfried Ecker und Robert F. Hammerstiel. Die Kalaizis-Ausstellung „Wunderbar“ wird von uns in das renommierte Drents Museum nach Assen in Holland gehen. Darauffolgende Ausstellungen eröffnen wir im Juni und im September.

Infos:Das Museum Angerlehner wurde im September 2013 er-öffnet. Die Ausstellung „Erstpräsentation der Sammlung Angerlehner“ wurde von Florian Steininger kuratiert und ist bis Sommer 2014 zu sehen. Zur Sammlung ist eine um-fassende Buchpublikation SAMMLUNG ANGERLEHNER im Hirmer verlag, München, erschienen. Das 495 Seiten umfassende Buch gibt Einblick in die 30-jährige Samm-lungstätigkeit von Heinz J. Angerlehner. Das Buch vereint Texte von Peter Assmann, Peter Baum, Martin Hochleitner, Johannes Holzmann, Gerda Ridler, Romana Ring, Johanna Schwanberg, Florian Steininger und Margit Zuckriegl. Re-daktionell betreut wurde die Publikation von Gerda Ridler.Museum Angerlehner / Thalheim bei Wels www.museum-angerlehner.at

TR: Es sind also konkrete Kooperationen mit anderen Ausstellungshäusern in Planung?HJA: Es gibt mit verschiedenen Häusern Gespräche bezüglich Kooperationen. Parallel dazu machen wir immer wieder Sonderausstellungen wie zum Beispiel „In memoriam Karl Mostböck“, der erst kürzlich im 93. Lebensjahr verstorben ist und den ich gut kannte. Im Laufe der Zeit habe ich an die 60 Werke von ihm an-gekauft. Bei der Eröffnung dieser Ausstellung waren ca. 250 Menschen anwesend, die von den präsentier-ten Werken begeistert waren und ich denke, dass die Ausstellung dazu beitrug, dass Karl Mostböck noch bekannter wurde und mehr Leute sein künstlerisches Werk kennen und schätzen lernten.

TR: Für ein Museum, das sich nicht in einer Metropole wie Wien oder Salzburg befindet, ist es auch wichtig, ein aktives Vermittlungsprogramm zu haben.HJA: Natürlich. Für ein Museum ist es generell wichtig, ein Kunstvermittlungsprogramm anzubieten, aber dies kostet auch viel Geld. In der Zwischenzeit haben unsere Kunstvermittlungsaktivitäten großen Anklang gefunden, vor allem bei den Schulen und auch beim Landesschul-rat. Wir haben im Vorstand unseres Museumsvereins eine Landesschulrätin. Der Präsident des Landesschul-rates war selbst schon hier und es haben uns 80 bis 90 Lehrer besucht. Es waren viele Schulen, von der Volks-schule bis zu Fachhochschulen hier und es kommen immer wieder Leute von den Kunstuniversitäten. Hier bleiben wir dran, aber ich hoffe auch auf Unterstützung von Bund, Land, Stadt und Marktgemeinde.

TR: Sie sind mit dem Maecenas Kulturpreis ausgezeich-net worden. Dies ist so kurz nach der Eröffnung des Museums natürlich ein schöner Erfolg.HJA: Die ganze Eröffnung des Museums war ein großer Erfolg. Bei der Eröffnung fand das Erste Abendmahl, in-szeniert von der Künstlerin Irene Andessner, im Museum Angerlehner statt, bei dem auch Bundespräsident Dr. Heinz Fischer mitgewirkt hat, der selbst sehr kunstinte-ressiert ist. Es hat ihm so gut bei uns gefallen, dass er über zweieinhalb Stunden geblieben ist. Weiters gab es auch eine nicht alltägliche interkulturelle Segnung des Museums durch die katholische, protestantische und muslimische Kirche. Es war alles wirklich phantastisch, die Eröffnung war insgesamt eine sehr gelungene Ver-anstaltung. Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer hat mir den Kulturpreis des Landes Oberösterreich durch den Herrn Bundespräsidenten überreichen lassen, was mich ebenfalls sehr gefreut hat. Und ich habe den von der Industriellenvereinigung Oberösterreich verliehenen Corona-Preis für besondere gesellschaftliche Verant-wortung in Bronze bekommen.

TR: Wenn Sie in die Zukunft blicken, wo sehen Sie Ihre Sammlung und das Museum in zehn Jahren? Gibt es eine Vision, die noch realisiert werden möchte?HJA: Es gibt immer Visionen. Aber alles darf man nicht ausplaudern. Es wird noch viele Ausstellungen und Veranstaltungen geben, die alle begeistern werden. Natürlich möchte ich, dass das Museum weit über die Grenzen Österreichs bekannt wird. In Österreich, denke ich, sind wir bereits anerkannt – das Echo ist phantas-tisch, beinahe 100 Prozent der Besucher haben ihrer Begeisterung Ausdruck verliehen. Und das soll auch hi-naus getragen werden. Wenn kunstinteressierte Chine-sen, Amerikaner, Afrikaner oder Australier nach Europa kommen, soll das Museum Angerlehner eine fixe Station sein. Dies soll sich in interessanten Ausstellungen wider-spiegeln. Hier sind wir offen nach allen Seiten. Vorerst aber liegt der Schwerpunkt auf der Sammlung Angerleh-ner, die vielleicht auch noch international gezeigt werden wird. Es wird in Zukunft noch viele gemeinsame Projekte mit anderen Museen und Partnern geben.

TR: Ich bedanke mich für das ausführliche Interview und wünsche Ihnen und dem Museum Angerlehner alles Gute für die Gegenwart und die Zukunft.

Foyer mit Möblierung von Cserni, Foto: © Archipicture Mag. Dietmar Tollerian

Durch Kunst werden Gedanken, Stimmungen und Visionen ausgedrückt. Diese Faszination, mit der jedes Bild seinen Betrachter zu fesseln versteht, soll in meinem Museum für alle Menschen erlebbar werden.

Heinz J. AngerleHner

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NEuER vItRa ShoWRoom IN WIEN ERöffNEtSeit mehr als dreißig Jahren betreibt der Schweizer Design- und Büromöbelhersteller Vitra erfolgreich eine Tochtergesellschaft in Österreich und setzt damit Maßstäbe im Office- und Wohn-design.Nun ist der erste innerstädtische Showroom in Wien, Schotten-ring 12, eröffnet. Auf 750 m² kann man an sechs Tagen in der Woche in die Welt von „Projekt Vitra“ eintauchen.

„Für uns war die Eröffnung eines neuen Showrooms in der In-nenstadt ein logischer Schritt, einerseits haben wir mehr Platz benötigt, andererseits ermöglicht uns der neue Standort die Intensivierung der Kundenkontakte“, so Marcus Schulz, Ge-schäftsführer Vitra Österreich. Im Showroom werden sowohl Lösungen für den Officebereich gezeigt als auch Wohndesignwelten inszeniert. Darüber hinaus wird der Showroom als Büro für das 16-köpfige Vitra-Team ge-nutzt, das vom Standort Wien aus sieben Bundesländer betreut.

Gestaltet wurde der neue Vitra-Showroom, der sich auf fünf Räume erstreckt, von Architekt Dieter Thiel. „Wir werden den Showroom mehrmals pro Jahr umgestalten, um einerseits die Vielfalt zu inszenieren, andererseits aber auf saisonale Kundenwünsche zu reagieren“, so Schulz, der das Konzept des lebendigen Showrooms verfolgt. In den kommen-den Monaten ist eine Reihe von temporären Präsentation und Events geplant, die den Showroom auch zur Bühne machen und Vitra als zentralen Design-Hotspot positionieren sollen.

Table Solvay Jean Prouvé, Softshell Chair Ronan & Erwan Bouroullec, Organic Chair Charles Eames & Eero Saarinen Vitra Fachhandelspartner in Ihrer Nähe finden Sie unter www.vitra.com. www.vitra.com/dining

vitra ist ein Möbelhersteller, der sich der Entwicklung gesunder, in-telligenter, inspirierender und lang-lebiger Lösungen für das Büro, das Zuhause und für öffentliche Räume verschrieben hat.Die Produkte und Konzepte von Vitra werden in der Schweiz in einem sorgfältigen Designprozess entwickelt, der das Ingenieurwis-sen des Unternehmens mit dem kreativen Geist führender interna-tionaler Designer zusammenbringt.

Eingangsbereich Vitra-Showroom, 1010 Wien, Fotos © Thomas Redl

Schottenring 12, 1010 Wien

Dabei ist es das Ziel, Produkte mit großer funktionaler und äs-thetischer Lebenserwartung zu entwerfen.Die Architektur des Vitra Cam-pus, das Vitra Design Museum, die Design-Workshops, Publika-tionen, Sammlungen und Archive sind integrale Bestandteile des Projekts Vitra. Sie eröffnen dem Unternehmen neue Sichtweisen und schaffen die notwendige Tiefe für all seine kreativen Aktivitäten.

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kuNStfRaNz ERhaRd WalthER

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ERWIN bohatSCh

Franz Erhard Walther, Aufbau zur Vorführung des 1. Werksatzes im Museum of Modern Art, New York, 1970. Foto: Claude Picasso

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Künstlers. Dieser agiert nicht mehr als alleiniger Schöpfer eines Werks, der seinem Publikum eine definierte Arbeit mit gleichzeitig definierten Rezeptionsmustern vorgibt und deren inhaltliches Verstehen kausal voneinander abhängig ist. Walther nimmt sich als Urheber zurück, verteilt künstle-rische Verantwortung in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß an das Publikum, denn es muss selbst agieren. Deswegen ist es auch richtig zu behaupten, dass es sich zunächst um ein Instrumentarium handelt und noch nicht um „Werk“, um in der Sprache des Künstlers zu bleiben: Erst in dem Mo-ment, in dem verschiedene Faktoren zusammen kommen und Handlungen entstehen, kreiert sich „Werk“. Der Kreis-lauf von Objekt – Benutzung – Lagerung – Objekt – Benut-zung etc. zeigt die unterschiedlichen Aggregatszustände der Waltherschen Arbeit, die als künstlerisch gewollt und untereinander als gleichrangig zu betrachten sind.

Der Künstler benutzt seine Objekte im Museum oder im Außenraum selbst und lässt dies beispielhaft dokumentie-ren, um seinem Publikum Anhalts- und Orientierungspunkte zu vermitteln. Der Benutzer erhält dann je nach Objekt mal mehr, mal weniger präzise Handlungsanweisungen. Er hat jedoch viele Freiheiten, beispielsweise wie lange er ein Objekt benutzt. Walther spricht davon, dass sich die Er-lebniszeit von der Realzeit deutlich abhebt. Der Verlust der nachvollziehbaren Messbarkeit bedeutet den Gewinn an Freiheit und Erlebnisqualität. Die Werke sind in mehrfachem Sinn zeitlos, respektive „zeitvoll“.

Bei der Hälfte der Objekte des 1. Werksatzes wird die Handlung nicht allein von einer Person bestimmt, sondern von mindestens zwei. So ergeben sich gemeinschaftliche Erlebnisse, dialogische, kommunikative Verhältnisse und abhängige Handlungsszenarien. Um Missverständnissen allerdings vorzubeugen: Bei der Benutzung der Objekte handelt es sich weder um Performances noch um Body Art oder theatralisch orientierte Inszenierungen noch gar um therapeutische Anwendungen.

Durch das Delegieren eines gehörigen Anteils der kom-munikativen Verantwortung an den Benutzer ist dieser in besonderer Weise gefordert. Wie der in Hamburg lehrende Kunsttheoretiker Michael Lingner in einem Aufsatz zum Werk von Franz Erhard Walther meint, ist die Qualität des Werks bei Walther von der Qualität der Kommunikation der Teilnehmer abhängig. Lingner unterstreicht damit nicht nur den verantwortungsvollen Stellenwert der Benutzer oder das abhängige Verhältnis von Künstler und Benutzer, sondern auch die pionierhafte Einzigartigkeit, die Walthers Werk zu Grunde liegt.

Sogenannte Werkzeichnungen begleiten überdies den künstlerischen Prozess. Im überwiegenden Fall sind sie vor- und rückseitig, mit Hilfe von Blei- oder Farbstift, Aquarellfarbe, Kaffee, Öl und Texten gezeichnet und auf DIN A4 großen Einzelblättern be- und überarbeitet. Sie erin-nern durch dieses Format und durch ihre ungeheuer große Anzahl an tagebuchartiges Material. Sie können Skizze, Dokumentation, Notizen zu Erlebnissen sowie Handlungs-anweisung sein oder Bewegungsfelder, Raum und Vorstel-lungen während der Benutzung definieren. Hier ist Walther der handwerkliche Künstler, während seine Stoff objekte nicht von ihm selbst, sondern nach seinen Plänen und Zeichnungen gefertigt werden.

Längst ist der 1. Werksatz in der Regel in Sammlun-gen und Museen im gelagerten Zustand zu sehen. In extra einzelgefertigten Stoffverpackungen mit Beschriftung und Skizze versehen, lagern die Objekte zusammengelegt in einem mächtigen Holzregal. Auch dieser Zustand ist für Walther so künstlerisch wie die Benutzung und er spricht

fRaNz ERhaRd WalthER„ICh bIN dIE SkulptuR“CLAUS FRIEDE

Walther arbeitet als junger Student und Künstler in zwei unterschiedlichen Bereichen. Alles Weitere baut sukzessive darauf auf. Sind es zunächst einzelne Begriffe und Texte, die er anfangs Wortbilder, später Wortwerke nennt, kom-men alsbald Objekte aus Karton, Rupfen, Hartfaserplatten und Packpapiere, die er stapelt, auf dem Boden auslegt oder in der Hand haltend präsentiert, hinzu. Bereits zu jener Zeit, Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre gilt Walther als einzigartige Persönlichkeit im akademischen Kunstbetrieb, noch eher beschmunzelt als ernst genommen. Seine Werke sind mit keinen Arbeiten zu vergleichen, die zu jener Zeit an deutschen Kunsthochschulen entstehen. Die Materia-lität steht im Vordergrund, jedwede Abbildung fehlt, Pro-jektionsplastiken sollen seine Arbeiten sein. Wie bei den suprematistischen Bildern von Kasimir Malewitsch dient die (monochrome) Fläche der Projektion eigener Bilder, Formen und Vorstellungen. Das, was als künstlerischer Nullpunkt oder Ideal eines Bildes im Schwarzen Quadrat gesehen werden kann, lässt sich auch auf die frühen Arbei-ten Walthers anwenden. Vom Betrachter wird unmittelbar eine geistige Leistung erwartet, um reflektorische Prozesse in Gang zu setzen.

Franz Erhard Walther geht ab 1963 und während seiner Zeit in New York, von 1967 bis 1973, noch einen Schritt weiter und vollendet den berühmten 1. Werksatz, der 1969 im Museum of Modern Art erstmals ausgestellt wird. Der 1. Werksatz besteht aus 58 Einzelwerkteilen – häufig aus Stoff oder mit Stoff ummantelt – die nach Walthers Vor-stellung ein Instrumentarium definieren und erst durch die Benutzung zum Werk werden. War die klassische Rezeption von Kunstwerken auf die Distanz von Werk und Betrachter aufgebaut, überwindet Walther nun mit dem 1. Werksatz endgültig diese Kluft. Der Betrachter wird zum Benutzer. Mit dieser grundsätzlichen Veränderung wird ein ganzer Kanon von neuen Haltungen auf Seiten des Künstlers sowie des Publikums initiiert.

Zunächst verändert sich das interne Verständnis des

von „Lagerform = Werkform“. Nach über 50 Jahren hand-lungsgebundener Rezeption, so Walther, sollte es aus-reichen, die Objekte gedanklich zu benutzen. Dass sich hinter der Lagerform auch ein rechtlicher, versicherungs-technischer Gedanke verbirgt, schmälert das Werk in keiner Weise. Durch die ständige Benutzung würden die einzelnen Objekte leiden, verschmutzen und der Stoff ausbleichen, so aber wissen die Eigentümer ihre Werke geschützt. Franz Erhard Walther führt jedoch immer wieder einmal – wenn auch mit exhibition copies, wie kürzlich im MOMA in New York – seine Werksätze vor.

1971 wird Walther an die Hochschule für Bildende Künste nach Hamburg berufen. Ein Jahr später beendet er den 2. Werksatz, den er später 45 Schreitbahnen nennt. Dieser ist im Gegensatz zum 1. Werksatz in der Form re-duzierter und minimalistischer. Die aus festem Planenstoff gefertigten Bahnen, die bis zu 21 Meter lang sein können,

geben Blickpunkte, Standstellen und Bewegungsrichtun-gen vor. Auch hier sind die Arbeiten dialogisch und wer-den von mindestens zwei Benutzern gleichzeitig definiert. Der Mensch und seine Handlung(en), die Frage nach dem Werkbegriff und die bereits erwähnten kommunikativen, interagierenden Aspekte stehen auch hier im Vordergrund der künstlerischen Intention.

Ab 1979 arbeitet Franz Erhard Walther erstmalig an sogenannten Wandformationen. Diese prägen sein Werk für die folgenden zehn Jahre. Vereinfacht ausgedrückt, klappt er nun quasi die Fußbodenfläche auf die Wand. Seine gro-ßen Stoffobjekte haben die Dimension von großen Schrank-wänden mit einzelnen Kammern und Stoffvolumen. Sie verfügen über Elemente, die über den menschlichen Körper (an)gezogen werden können und mit Stoff ummantelten Holzstäben und Platten ausgestattet sind. Seine Gelbe Skulptur (1969/79) aus Baumwollstoff und Holz ist die erste dieser Art. Bei ihr ist das Handlungsprinzip noch deutlich sichtbar, denn Walther führt diese erste Wandformation in verschiedenen Museen anfangs noch vor. Später verzichtet er darauf mit dem bereits erwähnten Argument, die Idee der Partizipation habe sich in der Kunst durchgesetzt und bedürfe nicht mehr der Vorführung. Konsequent setzt er die Leerstellen und Sockel nun in sein Werk ein. Dort, wo bislang der Mensch stand oder schritt, ist die Vorstellung der Handlung sich selbst genug und braucht nicht mehr ausgeführt zu werden. Damit macht sich Walther die dritte

Grundidee der Konzeptkunst, die Lawrence Weiner 1968 stichwortartig formuliert hat, kongenial zunutze:

„The piece need not be built. Each being equal and consistent with the intent of the artist the decision as to condition rests with the receiver upon the occasion of receivership“. (Das Werk braucht nicht ausgeführt zu wer-den. Jede Möglichkeit ist gleichwertig und entspricht der Absicht des Künstlers, die Entscheidung über die Ausfüh-rung liegt beim Empfänger zum Zeitpunkt des Empfangs).

Dies bedeutet natürlich nicht, dass Walther das Mo-ment der Handlung negiert, er sieht aber keine Notwendig-keit mehr in der tatsächlichen Ausführung. Kritiker werfen ihm damals vor, dadurch einen Schritt zurück zu gehen und die alte Kluft zwischen Werk und Betrachter wieder-herzustellen. Doch das Potential der tatsächlichen Hand-lungsmöglichkeiten setzt diese kritische Argumentation postwendend außer Kraft. Jede der Arbeiten ist nämlich

nach wie vor so ausgeführt, dass man sie benutzen kann und dass sie körperlich erlebbar ist – im Gegenüber sowie in der Arbeit selbst.

Die fünfteilige Wandformation Gruß aus Byzanz, aus dem Jahr 1983 dient beispielhaft für diesen Werkabschnitt.

Wie bedeutsam die Lagerform für Walther ist, zeigt sich in den 1990er-Jahren: Mit der Publikation Die Configura-tions als Werklager und Ausstellungen in New York, Luzern, Lissabon, Salzburg, München und in Klagenfurt erklärt Wal-ther den Begriff „Lager“ zum „Kern der Sache“ und unter-scheidet ihn vom 1. Werksatz, dessen „Werkauffassung gegenüber dem eigentlichen Gebrauch nur sekundär war, jedenfalls ganz und gar nicht als sozusagen uneigentli-cher Zustand der Arbeit angesehen werden kann“. Dieses Walther-Zitat zeigt die Konsequenz seiner künstlerischen Haltung und die stringente Identität, die ihr innewohnt.

Den Begriff der „Konfiguration“ fasst Walther eher er-zähltheoretisch auf und grenzt sich damit von dem, in der Kunst eher üblichen Kompositionsbegriff ab. Ihm sind die Menge der handelnden Personen (hier: Formen auf der Wand/im Raum) und deren Beziehungen untereinander wichtig. Die Tektonik bietet Variationsmöglichkeiten und mündet in den Werkreihen Gesang des Lagers sowie Lager der Probenähungen, welches bis heute kontinuierlich an-wächst und in Ausstellungen der vergangenen Jahre in verschiedenen Konstellationen und Variationen raumfüllend gezeigt wurde.

Die Gesang-Werkreihe eröffnet eine weitere textliche Konnotation: Das neue Alphabet (1990–1996). Hier ver-bindet Walther die frühen, eher protestantisch wirkenden

Wortbilder mit den Wortwerken, mit der Sprache im Ma-terial, seinem Organon und den Innenmodellierungen. Er wendet sie als architektonische, farbige (katholische) Stof-fobjekte, deren Formen sich auf die 26 Buchstaben des lateinischen Alphabets beziehen und an Wand und Boden präsentiert werden. 2005 entwirft Franz Erhard Walther für die große Eingangswand des Mercedes-Benz Museums Stuttgart ein sogenanntes Wortfeld und wird wieder stren-ger, minimalistischer. „Die dafür ausgewählten Begriffe sind nicht beschreibend, sondern haben Bedeutungshöfe, die künstlerische, kulturelle und wissenschaftlich-technische Bereiche ansprechen. Im Zentrum jedoch steht das Bild-haft-Plastische. Der Rhythmus der Worte auf der Wand be-zieht sich auf die Architektur“, heißt es in der Beschreibung.

Mit den Körperformen oder Body Shapes bezieht sich Walther seit 2005 auf Formen seiner Werkzeichnungen der 1960er-Jahre. Mit dem Begriff reflektiert er auf jene kör-perbezogenen Arbeiten aus dem Jahr 1963, die er als Vier Körperformen bezeichnete. Waren es damals einteilige Formen in menschlichen Körperproportionen, so sind die neuen Werke mehrteilig und betonen eher das Skulpturale als das Moment der Handlung. In der Präsentationsform

franz Erhard Walther wurde 1939 in Fulda geboren, wo er heute wieder lebt. Ausgebildet an der Werkkunstschule Offenbach, an der Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt/M. und an der Kunstakademie Düsseldorf (bei K. O. Götz), lebte und arbeitete er von 1967 bis 1973 in New York. Bis 2005 war Walther Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, wo neben Klaus Kumrow, John Bock, Jonathan Meese, Christian Jankowski und Santiago Sierra auch Rebecca Horn und Martin Kippenberger zu seinen Schülern zählten. Neben zahlreichen anderen Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen war Walther auf der Documenta 5, 6, 7 und 8 vertreten. Im Sommer 2014 wird er 75 Jahre alt.

bleibt oft lediglich die Lagerform sichtbar, dennoch sind Handlungsvorstellungen gegenwärtig.

Das Einbeziehen des Betrachters/Benutzers in Wal-thers Œuvre ist seit den frühen Werken dessen integraler Bestandteil. Die Arbeiten sind dadurch tief miteinander ver-bunden und beleben durch ihre Vielfalt und Verflochtenheit den Kosmos einer integren Kunstauffassung.

Franz Erhard Walther gelingt, was Künstler selten schaffen: Er bleibt sich im Werkansatz treu. Das verleiht seinem Werk etwas Unverwechselbares. Ihm gelingen künstlerische Entwürfe, die sich nicht nach einer gewissen Zeit relativieren oder gar radikal von der Kunstgeschichte absorbieren lassen. Walther bleibt dem zeitgenössischen Kunstdiskurs verhaftet: Der Körper ist Skulptur. Sein Maß ist der Mensch. Und die Handlung ist zugleich Text, Kom-munikation, Zeit und Raum. Künstler und Betrachter sind Skulptur.

Franz Erhard Walther gehört mit seiner partizipa-torischen Kunst zu einer der Schlüsselfiguren der Gegenwartskunst seit den 1960er-Jahren. Der 1939 in Fulda geborene Künstler erfährt seit seiner Eme-ritierung von der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg im Jahr 2005 eine intensive kunstthe-oretische Reflexion und internationale Anerken-nung. Das, was er bereits in den 1960er- und 70er-Jahren künstlerisch angelegt hat, nimmt viel von dem vorweg, was für heutige Künstlergenerationen als selbstverständlich gilt. Zum 75. Geburtstag von Franz Erhard Walther in diesem Jahr widmet sich das C-live Magazin dem Werk des Künstlers.

AUGE, 1958, Bleistift und Tempera auf dünnem Karton. 69,6x99,4 cm. © Franz Erhard Walther Foundation.

45 Schreitbahnen in Lagerform, 1972, Baumwollstoff, Nesselver-packungen. Ausgelegt: zwischen 900x900 und 2100x2100 cm. An der Wand: 45 Zeichnungen zu den Schreitbahnen mit jeweils sechs Werkdefinitionen, 1972, Bleistift und Wasserfarbe auf Papier. Je 44x31 cm. Foto: © Dirk Reinartz.

Gruß aus Byzanz, 1983, Baumwollstoffe, Holz, 275x300x30 cm, 5 Teile. Foto: © Claus Friede.

55 Handlungsbahnen in Lagerform (Detail), 1997–2003, Baumwollstoffe, Schaumstoff, Holz. Maße zwischen 860x100x60 cm und 2400x500x35 cm. Ausstellung bei ART Unlimited, Basel, 2009. Foto: © Elisabeth Noske.

Probenähungen (Detail), 1967-2013, Baumwollstoffe, Schaumstoff, Holz. Mehrere hundert Teile. Ausstellung „Per-petum mobile. Lager-Sockel-Handlung“, Kubus, Situation Kunst, Ruhruniversität Bochum, 2013. Foto: © Thorsten Koch.

Body Shapes, 2005-2013, Baumwollstoffe, Schaumstoff. Fünf großformatige Werke, insgesamt 33 Teile. Ausstellung „’Body Shapes’, Peter Freeman Inc., New York, 2013. Foto: © Joy Whalen/Peter Freeman.

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Die Ausstellung fragt nach den Landschaftserfahrungen sowie deren künstlerischen Kristallisationen und will an-hand ganz unterschiedlicher Positionen der Videokunst illustrieren, dass hinter dem Interesse an Landschaft keineswegs immer nur rückwärtsgewandte Nostalgie oder romantisch verklärte Vorstellungen stehen, son-dern dass diese auch als eine präzise Metapher für die psychologischen, sozialen, politischen, historischen und digitalen Konflikte unserer Zeit fungiert.

Die zehn teilnehmenden internationalen Künstler aus Europa, Asien und Nordamerika zeigen im Einzelnen folgende Werke:

Die Künstlergruppe Bauhouse (DE) ist mit einer Raumin-stallation namens Scale (2013) vertreten: Auf der einen Seite befindet sich eine Wand füllende Projektion der Sonne, die in Nahaufnahme Sonnenwinde, Explosionen und die energetischen Zentren zeigt. Die Aufnahmen stammen vom Solar Dynamics Observatory der NASA. Aus Lautsprechern hört man modifizierte „Solar-Sound“-Aufnahmen aus einer Versuchsreihe des Experimental Physics Laboratory der Stanford University5 in Kalifornien. Auf der gegenüberliegenden Wand ist ein iPhone mon-tiert, welches sich scheinbar selbst bedient. Es googlet, zeigt eigenständig beschleunigte Bilder, spielt You-Tube-Videos ab, präsentiert historisches und aktuelles Material. Es führt uns Fragmente und Reminiszenzen globaler Kultur vor Augen, sowohl zeitgenössisch-menschliches als auch digital bestimmtes Verhalten. Die Gegenüberstellung von Sonne und iPhone be-ruht auf der von Steve Jobs einmal eingerichteten visuellen Grundeinstellung aller Apple-Produkte: Auf der Home-Hintergrundbildseite ist die Erdku-gel als Aufnahme aus dem All zu sehen. Dieses Motiv wurde dem Whole Earth Catalog 6 entnommen. „Uns reizte es, das ursprünglich kalifornische Le-bensgefühl mit seiner Technologie affinen Welt-sicht in ein meditativ, skaliertes Verhältnis zu stellen“, erklären Bauhouse selbst ihre Arbeit. Das Medium Smartphone funktioniert dabei nicht nur als bewusst gesteuertes „Kommunikationstool“, son-dern ist eine räumlich, akustische Setzung. Landschaft ist in diesem Werk inhaltlich gesehen eine gedankliche Transformation, ein visualisiertes Konstrukt, denn der digitale und technische Raum sind zunehmend Teil un-serer alltäglichen Landschaftswahrnehmung (Satelliten-Navigation, Google Earth etc.). Sie ist komprimiert im Abbild der Sonne in Bezug auf das Apple-Abbild des Erdballs. Die räumlich-audiovisuelle Bearbeitung, der inszenierte Raum selbst, kann allerdings als „Installati-onslandschaft“ gelesen werden.

Für Ñaco Fabré (ES) ist die Landschaft ein Durchque-rungsraum. In seinem Video No te olvides de respirar (Deutsch: Vergiss nicht zu atmen) (2011) wird dem Be-trachter lediglich eine einzige Kameraperspektive nach oben, Richtung Himmel, angeboten. Fabré joggt zwan-zig Minuten – die Kamera ist an seinem Kopf befestigt und schwankt im Laufrhythmus mit. Sie zeigt lediglich die Baumwipfel eines Pinienwaldes und graue Wolken. Außer der Atmung und der Schrittfrequenz des Künst-lers ist nichts zu hören. Es gibt keinerlei Verfremdung oder digitale Veränderung zu sehen. Die Landschaft wird zwanzig Minuten regelrecht rhythmisch zerlegt und dient als Ort sportlicher Betätigung, verändert aber nie ihr visuelles Wesen und Erscheinungsbild und erscheint insofern realistisch-natürlich und rein. Eine konkrete Ver-ortung der Landschaft ist durch die Kameraperspektive nicht möglich. Auch geben Wetter, Tages- und Jahres-zeit keine weiteren Anhaltspunkte. Die Videoarbeit kon-zentriert sich inhaltlich auf den läuferischen Rhythmus und nicht auf den Topos von Landschaft. Hier dient sie lediglich als logischer Transmitter einer wesentlichen Information: Ich laufe durch saubere Natur und nicht durch einen urbanen, verschmutzten Raum. Für Fabré ist sein Werk „eine lyrische Abstraktion, die der Wald in sich birgt, eine Hommage an Bäume und reine Luft“.

Der Landschaftsraum von Fabian Grobe (DE) ist eine Illusion. Sein Christmas Tape (2003) zeigt eine vermeint-liche Zugfahrt durch die Weihnachtsdekoration Berlins im Dezember. Immer wieder tauchen Weihnachts-baumformen, Sterne und Lametta als dechiffrierbare Leuchtelemente auf, ansonsten ist durch die suggerierte Geschwindigkeit der städtische oder landschaftliche Raum nur als ein von rechts nach links vorbeiziehendes Etwas zu erkennen und bildet eine starke Abstraktion. Der Abstraktionsgrad geht so weit, dass der Betrachter glaubt, visuellen Täuschungen zu erliegen. Ab und zu schnellt in gegenläufiger Richtung ein rotes Rechteck durchs Bild, das sich als Gegenzug decodieren lässt. Nach sieben Minuten verschwindet alles langsam in Un-schärfe und endet im Schwarz. Verschwunden ist nicht nur die ursprüngliche Landschaft, sondern auch die ur-sprüngliche Weihnachtsgeschichte. Der Sound besteht aus sich tonal wiederholender, elektronischer Musik und einem englischsprachigen Telefongesprächsfragment, dessen männlicher Protagonist dem anderen – nicht hörbaren – die strenge christliche Lehre zu relativieren versucht. Zum Schluss ist die Rede von der Enge New York Citys im Gegensatz zur weiten Landschaft Alaskas: „The reason why they (the inhabitants of NYC) are so de-pressed is because they are so detached from nature.“ Die akustische Ebene öffnet einen meditativen Raum, indem wir aus der Ferne diesem Telefonat beiwohnen. Bild und Musik sind rhythmisch miteinander verbunden, ergänzen sich und bilden letztlich eine sich bedingende Einheit. In Grobes Werk verweisen nur noch stilisierte Zeichen auf so etwas wie Landschaft: Sie ist eine künst-liche, jahreszeitliche und religiöse Behauptung, aber keine natürliche und originäre Realität. Die Wirklichkeit speist sich hier aus der unsichtbaren Idee, aber nicht aus dem sichtbaren Material.

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Das Wort „Landschaft“ wird vor allem in zwei Bedeutun-gen verwendet: Zum einen bezeichnet es die kulturell geprägte, subjektive Wahrnehmung einer Gegend als ästhetische und geistige Ganzheit (philosophisch-kul-turwissenschaftlicher Landschaftsbegriff), zum anderen wird es, vor allem in der Geographie, verwendet, um ein Gebiet zu bezeichnen, das sich durch naturwissen-schaftlich erfassbare Merkmale von anderen Gebieten abgrenzt (geographischer Landschaftsbegriff)1.

Generell aber gibt es keine einheitliche Definition, was Landschaft sei, weshalb der Begriff aufgrund seiner lebensweltlichen, ästhetischen, territorialen, sozialen, politischen, ökonomischen, geographischen, planeri-schen, ethnologischen und philosophischen Bezüge auch als ein „kompositorischer“2 bezeichnet werden kann, dessen „semantischer Hof“3 von einer über tau-sendjährigen mitteleuropäischen Ideen-, Literatur- und Kunstgeschichte geprägt wurde.

Der Titel der Ausstellung4 assoziiert Globalisierungs-prozesse und deutet gleichzeitig auf die unterschied-lichen internationalen Provenienzen der Künstler hin.

Der erste Teil My Landscape veranschaulicht die subjektive, persönliche Landschaftserfahrung oder damit verbundene Vorstellungen der jeweiligen Künstler. Der zweite Teil Your Landscape zielt auf die

Objektivierung dieser Erfahrung ab, in der es um Ideale, Inszenierungen und kulturelle Vorstellungen von Land-schaft geht oder um deren Surrogate, die durch die jeweiligen Kunstwerke allgemeine Gültigkeit erhalten, denn das künstlerische Abbild von Natur ist ebenso weit von der Wahrheit entfernt wie von der Natur an sich.

Eine verbreitete naive Vorstellung hält Landschaft einfach für ein Stück Natur. Diese „einfache“ Natur war jedoch noch nie „Landschaft“. Auch nicht in der Kunstgeschichte. Motivauswahl, Komposition und Ar-rangement von Naturelementen machten Landschafts-gemälde immer schon zu Collagen, nur dass man keine geklebten Versatzstücke oder Schnitte sieht. Heute lässt die digitale Bildbearbeitung Elemente miteinan-der verschmelzen, und es entstehen sogar scheinbare Abbildungen von Orten der Welt, die ohne jede Vorlage vollständig oder größtenteils am Computer errechnet worden sind. Es entstehen collagierte Videos und Bild-folgen von vermeintlicher Landschaft.

Umgekehrt machen unbearbeitete Abbildungen re-aler Orte immer häufiger den Eindruck, als blicke man in eine Computersimulation. Dass die Welt zum Resultat medialer Wahrnehmung wird, ist jedoch nichts Neues.

Im 18. Jahrhundert verwandelten Großgrundbesit-zer – vornehmlich in England, West- und Zentraleuropa

– umfangreiche Ländereien in Parks und Gärten, die eingespielten Mustern der Landschaftsmalerei nach-empfunden waren. Von den Besitzern künstlich aufge-schüttete Wälle und Hügel sorgten für die Kongruenz von Horizontlinie und Besitzgrenze. Landschaft wurde also schon damals manipuliert und simuliert. Will sagen, Jean-Jacques Rousseaus Begriff „Zurück zur Natur“ war ein „Zurück zu Bildern“, die man kannte. Kurz darauf begann die Industrialisierung die reale Natur in bekann-tem Maße auszubeuten und landschaftliches Aussehen grundlegend zu ändern: Brücken, Staudämme, Fabriken entstanden und der Tagebau wälzte ganze Landstri-che um. Die Landschaft ist darüber hinaus längst zur „Stadtschaft“ geworden, und auch in den Städten und Megacities gelten die gleichen Merkmale, wenngleich mit unterschiedlichen Wirkungen und Definitionen. In den letzten Jahren erlebt das Thema Landschaft ein erstaunliches Revival in der Kunst. Dabei ist die Band-breite dessen, was sich thematisch mit Landschaft im weitesten Sinn definiert, ungeheuer groß und kann in der Ausstellung My Landscape Is Your Landscape nur ansatzweise präsentiert werden. Zudem wird der Begriff Raum nicht nur analog, sondern insbesondere auch digital verwendet und kreiert alles, was vorstellbar ist.

Bauhouse: Scale, 2013

Karl Karner / Linda Samaraweerová: Grünwachs Eins, 2012

Till Nowak: SUS, 2011

Levi Jackson: Black Rain, 2013

Hieronymus Proske: Kamerun East, 2013

Stefan Szczygiel: Zeitflug Warschau, 2009

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zusammengeführt. Es fungiert einerseits als Videopro-jektion im Hintergrund der Performances und in verän-derter Form als eigenständige Videoarbeit.

In einer unwirklichen Berglandschaft – es ist ar-chaisch karg, windig, neblig und kalt – verknüpft das Künstlerduo Landschaftsaufnahmen mit Kamerafahrten über fragil wirkende Bronzeskulptur-Fragmente. Aus-gangspunkt – ob Performance oder Video – ist die Frage nach der Unmöglichkeit und zugleich Unabdingbarkeit von Narration und damit verbundenen Prozessen der Objektivierung; gemeinsame Strategie ist die Vergegen-wärtigung und Aneignung des Raumes. Skulpturale und landschaftliche Formen werden aus einem zeitlich-logi-schen Ablauf herausgelöst, Zeit und Raum so verändert, dass ein linearer Zusammenhang nicht mehr vorrangig ist. Vielmehr korrespondiert das ausschnitthafte, brü-chige und symbolische Wesen des Werks mit der Brü-chigkeit anderer gesellschaftlicher Systeme. Landschaft ist für die Künstler kein Handlungsraum mehr, sondern Manipulationsraum. Dieser ist mystisch, suspekt, teil-weise ausgeblendet und eingefärbt.

Till Nowak (DE) ist mit zwei seiner Videos vertreten. Kalt-licht (2010) zeigt die schneebedeckte Landschaft des Hamburger Stadtparks bei Dunkelheit. Ausgerüstet mit einem lichtstarken Projektor nutzt Nowak den Schnee als reflektierende Fläche, um darauf abstrakte Licht- und Farbformen zu projizieren. Die Landschaft wird hier nicht nur durch ihre Jahreszeit definiert, sondern dient dem Künstler als Trägermaterial für seine Lichterscheinun-gen. Dabei gehen Landschaft, Bäume, Äste, Dunkelheit, Schnee, Mondsichel und Projektion eine symbiotische Verbindung ein.

Das Video Sus (2011) zum gleichnamigen Musik-stück der norwegischen Ambient-Elektronik-Band Pjusk präsentiert die schneebedeckte Berg- und Fjordwelt Norwegens in einer langsamen, manipulierten, traumar-tigen Version. Die Oberflächen der Landschaft verflüssi-gen sich, als ob sie chemischen Prozessen ausgesetzt wären. Riesige Hochglanzblasen entstehen und lösen sich aus schroffen Felswänden und aus Berghängen. Zudem wird bewusst mit der Verzerrung von Größen-verhältnissen gespielt. Riesige schwarze Partikel, die an Asche erinnern, erscheinen plötzlich mikro- und mak-roskopisch, wodurch der Mensch als winziges Wesen in Bezug auf unsere Umwelt thematisiert wird – eine Idee, derer sich die norwegische Nationalromantik schon bediente. Die klare, fast klinisch-saubere Bild-sprache bedient sich Auffassungen aus der Ästhetik von Musik-Clips, der Werbung und des Tourismus.

Hieronymus Proske (DE) hat in einem Langzeitprojekt mehrere Videos zum Thema Landschaft erarbeitet. Über einen Zeitraum von exakt einem Jahr filmte Pro-ske Landschaften vor seiner Haustür im Wendland vom immer gleichen Standpunkt aus. In einer Art Zeitraffer mit weichen Übergängen sehen die Besucher die Jah-reszeiten, Licht- und Wetterbedingungen vorüberziehen und wie sich die Landschaft zusätzlich durch Handlun-gen des Menschen verändert. Deutlich sichtbar ist in Proskes Werk die Kompensation der Natur-Narration. Der Künstler ist zwar für den zeitlichen Rhythmus der Aufnahmen zuständig, das Drehbuch aber schreiben die Landschaft und ihre Bedingungen selbst. Die Dis-krepanz zwischen Real- und Erlebniszeit ist ebenfalls ein bedeutsames Thema, denn der Ort, an dem in der Realzeit wenig passiert, wird durch die Straffung der Zeit zu einem sich permanent verändernden Raum. Die jahreszeitlichen Brüche allein sorgen für Wandel, ebenso ein extremes Hochwasser der Elbe im Frühjahr 2013. Die Landschaft wird bei Proske zum dramatischen Er-lebnisraum zwischen karger und üppiger Natur, deren unterschiedlichen Aggregatszuständen sowie deren be-ruflicher und freizeitlicher Nutzung durch den Menschen.In der Ausstellung werden drei verschiedene Videos vorgestellt: Seedorf Lake East 2013, Seedorf Junction 2013 und Kamerun East 2013.

Thomas Redl (AT) präsentiert seine Videoarbeit spät-zeit (2008). Es findet im Laufe der 38 Minuten keine Handlung statt – man sieht ausschließlich einen lee-ren Landschaftsraum im Verlauf der Dämmerung. Die einzige Dramaturgie ist die Veränderung des Lichts bis zur Dunkelheit und das Rauschen des Windes. Erkennt man zu Beginn des Films die Landschaft noch detailgetreu mit dem Wehen des Winds durch die Grashalme, so verschwindet sie zusehends bis sie sich in einem dunkelgrauen Rauschen auflöst. In den Werken Redls ist Leere als archetypisch, als Hypothese im Sinne Platons gemeint und beschreibt dessen Idee der reinen mentalen Formen oder Mentali-täten der Seele, bevor sie sich in der Welt zum Ausdruck bringen können und sollen. Redls Arbeiten ermöglichen solche Ur-Erfahrungen der Leere und bringen eben sol-che immaterielle Auffassungen zur Anschauung. Hierbei spielt die zeitliche Verdichtung eine wesentliche Rolle: Das „Jetzt-Geschehen“ wird aus dem Zeitfluss heraus-genommen und in einen Raum der Zeitlosigkeit gesetzt. Thomas Redl selbst definiert seine Arbeitsweise wie folgt: „Als ‚Jetztarchiv‘ versucht die Arbeit, ein raum-zeitliches Kontinuum darzustellen, wo Vergangenes und Zukünftiges in einer Zeitschleife zu einem ‚gegenwärti-gen Moment‘ verdichtet werden und somit der Mensch

Wei-ming Ho (TW) initiierte im Jahr 2010 sein The Art-Qaeda Project. Die ortsbezogene Arbeit ist eine ephe-mere Intervention in der urbanen Landschaft der Stadt Taipeh auf der Insel Taiwan. Eine Serie von unterschied-lichen nächtlichen Projektionen präsentiert den Dialog zwischen einzelnen Bildern einerseits und der Stadt, Natur und dem Konsum andererseits. Seine projizierte Bild- und Filmsprache verbleibt immer in einer sozial-kritischen Diktion und im Spannungsfeld zur Umwelt.In der bizarren Atmosphäre der Nacht, an verschiede-nen, im Video mit Hilfe von Texteinfügungen definierten Orten, wirkt das Art-Qaeda Project wie eine merkwür-dige, geheimnisvolle und politisch-mediale Aufarbeitung einer Spontanaktion. Sehr bewusst hat sich der Künstler für die Namensentsprechung zur islamistischen Terror-organisation entschieden, denn sein Videowerk wirkt wie eine schnell durchgeführte Guerilla-Handlung. Ho fährt in einem Auto mit einem lichtstarken, schwenkba-ren Beamer und projiziert seine Bildwelten auf Fassa-den, Mauern, Läden, den Präsidentenpalast und Taipehs höchstes Gebäude, den „101 Tower“. So schnell wie sie gekommen sind, so schnell verschwinden sie wieder. Zusatzinformationen wie Statistiken, Vermessungsda-ten, Symbole, Morse-Codes sowie eine spezielle elekt-ronische Musik laden das Werk mit mystischen Zeichen auf und vermitteln den Eindruck einer vom Fernsehen begleiteten Aktion. Ein künstlerisches Road-Movie ohne dechiffrierbare und narrative Struktur, aber spannungs-reich, subversiv und kritisch.

Levi Jackson (USA) ist in der Ausstellung mit zwei sehr unterschiedlichen Werken vertreten. Black Rain (2013) zeigt von einem festen Kamerastandpunkt aus eine ausgetrocknete, spröde Landschaft. Auf dem rissigen Boden zeichnet der Wind Schattenspiele eines jenseits des oberen Bildrands befestigten, pinselartigen Gebil-des. Als ob die japanische Tradition der Kalligraphie Vorbild sei, ändert sich das imaginäre Bildzeichen durch leichten Wind permanent und wird zum Synonym der

informellen Malerei. Überhaupt steckt sehr viel japani-sche Kulturauffassung in der Arbeit: Der aufgebrochene Boden wirkt wie eine feine Keramik mit Krakelee-Muster. Der Titel der Arbeit verweist einerseits auf die Abwürfe der Atombomben 1945 auf Japan und den sogenannten „schwarzen Regen“, der noch Tage später als radioaktiv kontaminierter Niederschlag auf Menschen, Städte und Landschaft niederging als auch auf den 1989 von Rid-ley Scott gedrehten gleichnamigen Spielfilm, in dem es um das Aufeinandertreffen der amerikanischen mit der japanischen Kultur in der Moderne geht. Und schließ-lich spielt der Ort, an dem das Video entstand, eine entscheidende Rolle: In Delta, im amerikanischen Bun-desstaat Utah gelegen, wurden nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, 1941, japanisch-stämmige Amerikaner interniert. Jedoch erinnert in diesem Werk nichts Sichtbares mehr daran.

Der Ort, an dem Air Swimmer (2013) aufgenommen wurde, ist Teil des prähistorischen Sees Lake Bonneville, der einst große Teile des Bundesstaats Utah bedeckte und auf dem der Großteil der heutigen Bevölkerung lebt. Aus Lake Bonneville ist der Große Salzsee her-vorgegangen sowie die meisten kleineren Seen Utahs. Das tonlose Video ist ein humorvoller Kommentar: Vor einer modellhaften Erdwand bewegt sich im Wind ein aufgeblasener blauer Plastikspielzeughai, der an einer dünnen Polyesterschnur wie ein Drache gehalten wird. Die tatsächlichen Größenverhältnisse verschwinden, und die Proportionen sind für den Betrachter kaum nachvollziehbar.

Karl Karner und die tschechische Dramaturgin Linda Samaraweerová (AT) agieren gattungsübergreifend zwischen bildender und darstellender Kunst. Sie ent-wickeln aus Skulptur, Installation, Performance, Tanz, Theater und Video choreografische Arbeiten. Ihr Video Grünwachs Ein (2012) wurde während einer Reise nach Aserbaidschan gedreht und später überarbei-tet und mit anderen künstlerischen Komponenten

ausstellungstour:jänner - märz 2014:kunstforum markert Gruppe, hamburgmai - juni 2014:Westwendischer kunstverein, Gratow

als Präsenz in der Zeit, als Spur in der Existenz, sichtbar wird. Changierend zwischen Abstraktion und Gegen-ständlichkeit, Fläche und Raum, Sprache und bildlicher Darstellung tauchen ‚Bilder der Erinnerung‘ auf, die, wie aus Archiven des Gedächtnisses entnommen, individu-elle wie kollektive Geschichte darstellen.“7

Der Künstler und Fotograf Stefan Szczygiel (PL) arbei-tete über Jahre an seinem Projekt Urban Spaces, groß- und mittelformatigen Fotografien, die städtische Räume abbilden und in Beziehung setzen. In diesem Kontext entstanden erste Videoarbeiten, die der Becher-Schüler mit seiner digitalen Filmkamera aufnahm.Die Filme weisen einige künstlerische Eigenheiten auf: Durch die Verlangsamung der Drehgeschwindigkeit und dem daraus resultierenden zeitlupenähnlichen Ef-fekt, wird die Stadtlandschaft entschleunigt und erhält somit einen wichtigen Moment der Abstraktion. Zeitflug Warschau, so der Titel der Arbeit, ist die Umkehrung der Auffassung von Landschaft und Stadt. Die Stadt ist bei Szczygiel entspannt und verlangsamt, zudem – weil in schwarz-weiß gedreht – wirkt Warschau voll-kommen anders, als die reale Stadt mit ihren pulsie-renden Geschwindigkeiten und Frequenzen. Dennoch vermitteln die filmischen Arbeiten dadurch weder einen

anachronistischen noch einen künstlich aus der Zeit heraus gehobenen Eindruck.

Die Stadt, deren Bewohner, Passanten und Pro-tagonisten scheinen die Kamera des Künstlers nicht wahrgenommen zu haben. Keiner schaut in die Linse, fühlt sich beobachtet oder reagiert bewusst auf den „Ich werde gefilmt“-Effekt. Vielmehr bewegen sich die Gezeigten in einer Normalität und unbeobachteten Ge-lassenheit, als sei die Kamera unsichtbar, nicht existent. Die Verbindung der Natürlichkeit des Seins und des Verhaltens der Menschen im öffentlichen Raum, unab-hängig von deren Tätigkeit und der Art und Weise wie Szczygiel mit seiner Kamera operiert, verwandelt die gefilmten Personen selbst zu Skulpturen, zum Bestand-teil der urbanen Stadtlandschaft.

1 HARD, Gerhard: Die Landschaft der Spra-che und die „Landschaft“ der Geographen. Semantische und forschungslogische Studien. Dümmler, Bonn 1970; PIEPMEIER, Rainer: Landschaft, III. Der ästhetisch-philosophische Begriff, in: J. Ritter et al. (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5. Darmstadt 1980: Sp. 15–28; WINKLER, E.: Landschaft, II. Der geographische Landschaftsbegriff. Ebd.: Sp. 13–15; JESSEL, Beate: Landschaft, in: E.-H. Ritter (Leiter Red.-Ausschuss): Hand-wörterbuch der Raumordnung. ARL, Hannover 2005: S. 579–586; KIRCHHOFF, Thomas: Natur als kulturelles Konzept, in: Zeitschrift für Kultur-philosophie 2011/5 (1): S. 69–96.

2 IPSEN, D.; REICHHARDT, U.; SCHUSTER, St.; WEHRLE, A.; WEICHLER, H.: Zukunft Landschaft. Bürgerszenarien zur Landschafts-entwicklung, Kassel 2003: S. 130.

3 HARD, G.: Das Wort Landschaft und sein semantischer Hof. Zur Methode und Ergebnis eines linguistischen Tests, 1969, in: Wirkendes Wort 19, 3-14. S. 10.

4 Die Idee zu dieser Ausstellung basiert auf Ge-sprächen zwischen dem Kurator und Kunstkri-tiker Ludwig Seyfarth und Claus Friede.

5 Diese Solargeräusche wurden mittels SOHO/MDI hergestellt und stammen von A. Kosovi-chev (vgl. www.sun.stanford.edu).

6 Vgl. DIEDERICHSEN, Dietrich / POFALLA, Boris: „Der kalifornische Universalismus kann den Ort Kalifornien nicht ausblenden.“, in: Monopol – Magazin für Kunst und Leben, 27.04.2013.

7 Aus: THIEL, Wolf Guenter, Die Frage nach Sichtbarkeit und Erzählbarkeit, in: Malerei/Ins-tallationen. Thomas Redl, Wien 2012.

Ñaco Fabré: No te olvides de respirar, 2011

Wei-ming Ho: The Art Quaeda-Project, 2010

Thomas Redl: spätzeit, 2008

Fabian Grobe: Christmas Tape, 2003

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01 / 2014 KUNST live live KUNST 01 / 2014

ERWINbohatSCh

Erwin Bohatsch hat sich sicher aus dem Begriffszusam-menhang „Neue Malerei“, der in den 1980er-Jahren für eine neue Hinwendung zur Sinnlichkeit innerhalb der Malerei und der Kunst allgemein in Österreich geprägt wurde, am schnellsten entfernt. Seine Kollegen sind dem mehr oder weniger bis heute verpflichtet geblieben. Die anfängliche Erzählfreude und gegenständliche Dar-stellungsweise von Resten archaischer und scheinbar entlegener Mythologien hat Bohatsch bald abgelegt und ist in eine analytische Auseinandersetzung mit der abstrakten Malerei eingetreten, die ihn zu einem der radikalsten Vertreter innerhalb dieses Mediums hierzu-lande werden ließ. Erwin Bohatschs neueste Arbeiten sind von einem Rin-gen um das Allernotwendigste innerhalb der Malerei gekennzeichnet. Die Reduktion, sowohl des Materials als auch der farblichen Vielfalt, kennzeichnen seinen Weg entlang einer Linie, die handwerkliches Anstrei-chen von künstlerischem Ausdruck trennt. Die mini-mal, meist auf nichtgrundierte Leinwand aufgebrachte Farbsubstanz (meist schwarz) erweckt den Eindruck des Nebenproduktes bzw. des Primären. Erst der kul-turelle Kontext der Malerei lässt das Gesehene zum spannungsreichen Versuch werden, die Malerei soweit zurückzunehmen, dass sie zur eigenen Erinnerung wird. Die Reste von Malerei auf der Leinwand, die wie das Resultat vom Arbeiten mit Schablonen anmuten, zeugen von der Prozesshaftigkeit des Mediums, aber auch von den Bemühungen des Künstlers, dieses vom Pathos zu befreien, das es letztlich immer wieder zum eigenen Ende hinführt.Erwin Bohatsch geht in seinen neuesten Arbeiten ra-dikaler vor als je zuvor. Der Zusammenhang zwischen visuellen Resten und einer kulturellen Prägung, die diese in den formalen Kanon aufnimmt, ist hier besonders spürbar. Er scheint dem Publikum mitteilen zu wollen, dass es letztlich auch an ihm liegt, was als Malerei noch wahrgenommen werden kann. Dadurch, dass aber jeder formale Schritt auf der Leinwand eine exakte Überlegung und Reflexion des Künstlers als Ausgangspunkt hat, ist Bohatschs Vorgehen konzeptuell und in hohem Maße sinnlich erfassbar zugleich. Der kulinarische Aspekt der Malerei wird hier weder angestrebt noch um jeden Preis vermieden. Er kann aber vom Betrachter, je nach eigener visueller Prägung, vom sachlich-Handwerklichen zum sensibel-Ästhetischen transformiert werden.

dIE vIElfalt dES allERNotWENdIGStENGÜNTHER HOLLER-SCHUSTER

Erwin Bohatsch ist Maler in aller Konsequenz. Sein Zugang zur Malerei ist ein analytischer, denn die Ma-lerei selbst ist Thema seiner Bilder. Erwin Bohatschs Arbeitsweise bewegt sich gegenwärtig – einem Denken in Kategorien folgend – in einem Dazwischen von abs-trakter Expression bzw. Color-Field-Painting im Amerika der 1940er-Jahre und der europäischen Ausprägung der Abstraktion jener Zeit als informelle Malerei. Seine Malerei hat mit den Jahren eine Veränderung erfahren, die sich im Rückblick auf seine künstlerischen Anfänge als einschneidend darstellt. Zur Zeit des international verbreiteten malerischen Revivals in den 1980er-Jahren malte er archaisch figurative Bilder in dunklen Farben, die eine Beschäftigung mit kultureller Anthropologie erkennen ließen. Obgleich die große Nachfrage nach diesen Bildern eine Bestätigung für den jungen Maler bedeuten hätten können, stand Erwin Bohatsch diesem Erfolg und der verstärkten Kommerzialisierung, die von dem „Hype“ auf Malerei in diesen Jahren ausging, skep-tisch gegenüber. Er änderte seinen Malstil in Richtung Verlangsamung des Rhythmus unter steter Reflexion der Ergebnisse von malerischer Aktion und Reaktion.

Mit dem abstrakten Expressionismus verbindet Erwin Bohatsch seit den 1990er-Jahren das polyfokale All-Over der Bildfläche, das innerhalb der Komposition einen antihierarchischen Standpunkt verrät. Analogien zur Arbeitsweise von Barnett Newman, der den bekann-ten Leitspruch des Color-Field-Painting prägte „The sublime is now“, ergeben sich dadurch, dass der Rezi-pient in der Trias Künstler/Künstlerin-Werk-Betrachter/

Betrachterin an Bedeutung gewinnt. Wie Newman so geht es auch Bohatsch darum, dass sich der Rezipient im Betrachten des Bildes erlebt und sich sozusagen im Wahrnehmen vergegenwärtigt. Zum Begriff des „Su-blimen“ der amerikanischen Malerei nimmt Bohatsch jedoch eine kritische Position ein. Die Dualität von Kon-zeption und informeller Absichtslosigkeit, die für die Ent-stehung Bohatschs Bilder wichtig ist, folgt der Logik des „gelenkten Zufalls“. Der Maler spielt mit der Ambivalenz von der Niederschrift malerischer Zeichen durch die Hand des Malers/der Malerin und einer Zurücknahme von Autorenschaft, die sich im Bild abbilden könnte. Er bewegt sich in einem Graubereich der Entsubjektivie-rung individueller Formulierungen.

Charakteristisch für die Bilder Erwin Bohatschs ist die Betonung der Zweidimensionalität gegen-über einem räumlichen Eindruck der gemalten Bildoberfläche, der sich zumeist über das kontrast-reiche Wechselspiel zwischen Schwarz und Weiß einstellt. All-gemein wird Farbe von Bohatsch eher behutsam und sparsam ein-gesetzt. Eine glänzende, abschlie-ßende Schicht, die sich auf einigen Bildern wiederfindet, homogeni-siert die Bildoberfläche und unter-streicht die Zweidimensionalität des Wiedergegebenen.

Der Ansatz der Selbstreferentialität von gemalten Bil-dern verbindet Erwin Bohatsch einerseits mit Robert Ryman, der u.a. in den 1950er-Jahren weiße Bilder als Untersuchungen von Untergrund, Malmittel und Farb-auftrag konkretisierte und damit ihren Objektcharakter unterstrich, andererseits auch mit der Ansicht von Frank Stella, dass nur das, was gesehen werden kann, auch wirklich da ist. So steht also außer Frage, dass auch Bohatsch Malerei als Malerei sieht und das Bild als Bild, jedoch bleibt das, was im Rezipienten beim Betrachten der Arbei-ten vorgeht, dennoch einzig und allein und entgegen der Anweisungen der Kunstschaffenden größtenteils unbeeinflussbar.

ERWIN bohatSCh uNd dIE malERISChE koNSEquENzANJA WERKL

Erwin Bohatsch: 1951 geboren in Mürzzuschlag, Österreich / 1971–1976 Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien / 1983 Otto Mauer Preis / 1984/85 DAAD Stipendium für Berlin / 1996 Preis der Stadt Wien / seit 2005 Professur für Abstrakte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien, lebt und arbeitet in Wien und Beistein bei Fehring, Steiermark

Einzel- und Gruppenausstellungen (Auswahl)2013 Charim Galerie, Wien; Kunstraum Bernsteiner, Wien / 2012 Galerie Elisabeth u. Klaus Thoman, Innsbruck; Künstlerhaus Klagenfurt / 2011 Galerie Charim Ungar, Berlin / 2010 „Malerei“, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien; EMB Contemporary Art, Liechtenstein; Galerie Patrick Ebensperger, Graz / 2009 Galerie Vidal-Saint Phalle, Paris; Galerie422, Gmunden, Oberösterreich / 2008 Galerie Charim, Wien / 2006 Galerie Bleich-Rossi, Graz; Neue Galerie am Landesmuseum Joaneum, Graz; Museum Küppersmühle, Duisburg, Erwin Bohatsch – Manfred Wakolbinger / 2005 Shanghai Art Museum, Shanghai; New Art Museum of China, Beijing; Shaanxi Art Museum Xian, Xian; Guangdong Museum of Art, Guangzhou / 2004 Sammlung Essl, Klosterneuburg; Galerie am Lindenplatz, Vaduz; Millî Reasürans Sanat Galerisi, Istanbul / 2002 Galerie nächst St. Stephan, Rosemarie Schwarzwälder, Wien / 1998 Museo Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires.

Erwin Bohatsch, O.T., 2012, Öl – Acryl auf Leinwand, Courtesy Galerie Charim

Erwin Bohatsch, O.T., 2013, Acryl auf Papier

Erwin Bohatsch, anderswo, Kunstraum BERNSTEINER Wien, Foto: © Michael Goldgruber Erwin Bohatsch, O.T., 2003, Acryl auf Leinwand, Sammlung Cserni

Erwin Bohatsch, Foto: © Elfie Semotan

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01 / 2014 PROJEKTE live live PROJEKTE 01 / 2014

ExkluSIvfühRuNG lIbRaRY & lEaRNING CENtER, Wu WIEN, zaha hadId

Besichtigung des neuen WU Campus – Library and Learning Center. Architektur und Möbeldesign: Zaha Hadid Architects. Im Rahmen des Großprojekts des neuen WU Campus Wien – Library and Learning Cen-ter bekam CSERNI den Auftrag für die Umsetzung der von Zaha Hadid entworfenen Empfangspulte und

Wandverkleidungen. Präzise geplant und aus funktio-nellen Oberflächenmaterialien angefertigt, wurden die Möbel im Headquarter der CSERNI Group in Fehring (Steiermark) angefertigt, wo CSERNI über eine mit High-Tech-Produktionsanlagen ausgestattete Tischle-rei verfügt.

Die Landingpage von www.cserni.at ermöglicht den Einstieg in eine Entschleunigung. So wird die Webseite von Cserni zu einem Ort, der mit den Konventionen der User gekonnt umgeht und mit der Nervosität des WWW bricht. Die Seite ist ein subtiles Experiment: Der Einsatz von Schrift, der klare Raster und die grafische Gestaltung sowie das intuitive Interaktionsdesign und die Strukturie-rung der Inhalte auf der Seite ermöglichen eine einfache, unaufgeregte und direkte Informationsvermittlung. Die Site ist zeitgemäß als responsives Webdesign programmiert. Sie stellt also je nach den Anforderungen der verschiede-nen Endgeräte (Mobil- oder Standgeräte) die Inhalte der Seite maßgeschneidert dar. Dies ist der selbstverständ liche gestalterisch-technische Unterbau für das grafische Büro, das seit 2001 Konzepte und visuelle Identitäten an der Schnittstelle von Kunst, Design und Architektur entwickelt.

www.cserni.at

Website Team:grafisches Büro – Günter Eder, Roman Breier, Marcel Neundörfer, www.g-b.atExpanded Design – Andreas Rumpfhuber, Martin Hummerwww.expandeddesign.net Kreimaier Filmproduktion – Andreas Kreimaier, Marcus Pohlus

polYphoNIC!

Seit Anfang April ist die neue Seite der Cserni Group online. Surft man zu www.cserni.at, dann laden auf der Startseite simultan drei Filme aus einer Videoserie von insgesamt sechs Videos, die für Praxis und Philosophie des Teams von Cserni, für die Möbelwerkstatt, Interior, Architektur, Natur und die Kunstsammlung stehen. Nach und nach blenden Bilder auf. Man sieht zum Beispiel eine Kamerafahrt über einen klaren Bach, dann einen Wald. Zuerst im Zoom, dann in der Totale und in Überblendung ein Weinhang. In einem anderen Video arbeiten Männer an der Fertigung eines avantgardistisch geschwungenen Möbels – der Portiersloge der WU Bibliothek von Zaha Hadid. Ein drittes Video zeigt in elegischer Kamerafahrt einen loftartigen Dachbodenausbau. Durch einen Klick im Menü rechts kann ein weiteres Video in die Mitte der Seite gewählt werden: Das vierte Video ist ein Close-Up von edlen Stoffen, von Leder und Holz. Das fünfte Video ist ein Standbild und zeigt die Gartenseite einer Villa. Nur das Wasser im Pool bewegt sich leicht. Das sechste Video zeigt ein schwarzes Metallgebilde – eine Skulptur des Künstlers Karl Karner aus der Sammlung Cserni. Jedes der Videos hat eine Tonspur, die gemeinsam – je nach Auswahl – ein eigenes Musikstück ergeben. Die Videos sind derart kom-poniert, dass sie zueinander in Beziehung stehen, ohne getaktet sein zu müssen. Jedes der Videos führt in die Tiefe der Site und eröffnet ein Detail der Arbeit von Cserni. Das Menü klappt von oben herab und bietet so auf einen Blick eine übersichtliche Struktur.

dIE NEuE WEbSItE dER CSERNI GRoup SEtzt auf ExzEptIoNEllES INfoRmatIoNSdESIGN dES grafischen Büros auS WIEN.WWW.CSERNI.at

Eine von 20 möglichen Ansichten der Landingpage www.cserni.at

NRv - REGattavEREIN hambuRG

Nach der gelungenen Fertigstellung des Innenausbaus des Norddeutschen Regattavereins trafen sich Hen-ning Rocholl (Bauherrenvertreter NRV) und Andreas Christiansen (Vorsitzender NRV) mit Martin Cserni und Claus Friede (unserem Hamburg Korrespondenten) zum Interview.

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