Zeitnahes Lernen. Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen anregen

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Kurz vor den Prüfungen sitzen sie alle wieder in den Studierstuben und lernen was das Zeug hält. Dabei hatten die Studierenden das ganze Semester Zeit, sich mit der Materie intensiv auseinander zu setzen. Wie kann ich als Lehrender eine zeitnahe Vor- und Nacharbeit praktisch gestalten und was ist nötig, damit meine wohl gemeinten Appelle eines veranstaltungsbegleitenden Lernens tatsächlich in die Tat umgesetzt werden? Der vorliegende Band enthält Beispiele von Lehrenden der Hochschule Niederrhein im Umgang mit der Herausforderung studienbegleitenden Lernens.

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Zeitnahes LernenVor- und Nachbereitung vonVeranstaltungen anregen

Kurz vor den Prüfungen sitzen sie al le wieder in den

Studierstuben und lernen was das Zeug hält. Dabei hatten

die Studierenden das ganze Semester Zeit, sich mit der

Materie intensiv auseinander zu setzen. Wie kann ich als

Lehrender eine zeitnahe Vor- und Nacharbeit praktisch

gestalten und was ist nötig, damit meine wohl gemeinten

Appel le eines veranstaltungsbegleitenden Lernens tatsäch-

l ich in die Tat umgesetzt werden? Der vorl iegende Band

enthält Beispiele von Lehrenden der Hochschule Nieder-

rhein im Umgang mit der Herausforderung studienbe-

gleitenden Lernens.

Stefan Bral l und Michael Lent (Hrsg. )

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Eine Veröffentlichung zur Workshopreihe Qualität der Lehre an der Hochschule Niederrhein

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Stefan Brall und Michael Lent (Hrsg.)

Zeitnahes Lernen – Vor- und Nach-bereitung von Veranstaltungen anregen

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-842-33097-9

Stefan Brall und Michael Lent (Hrsg.) Zeitnahes Lernen – Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen anregen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Autors ist unzulässig.

© 2010 Hochschule Niederrhein

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

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Inhalt

Stefan Brall und Michael Lent Selbstlernzeit................................................................................................. 7

Jürgen Schram Der Funke muss überspringen - nur Begeisterte können begeistern .......... 11 

Nora Gummert-Hauser Über Terminpläne, gute Vorsätze und andere Fehlschläge ........................ 17 

Klaus Hardt Internetbasierte Selbsttestübungen............................................................. 23 

Hans Akkerboom Zeitnahes Lernen heißt zeitnahes Üben, aktive Veranstaltungsbeiträge und begleitendes Prüfen ............................................................................. 29 

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Selbstlernzeit

Stefan Brall, Michael Lent

Den meisten Lehrenden ist es schon einmal passiert, dass die Lehrveran-staltung aufgrund der mangelnden Vorbereitung der Studierenden nicht wie geplant stattfinden konnte. Die angegebene Lektüre wurde nicht gelesen, Praktika nicht intensiv vorbereitet, die Recherche nicht durchgeführt oder die Lösung von Aufgaben einfach vergessen. Diese Erfahrungen verleitet die Lehrenden nicht selten dazu, die mangelnde Vorbereitungsleistung der Stu-dierenden als gegeben anzunehmen und so arrangieren sie sich mit der Situation: Die Inhalte werden nun vom Dozenten vorgetragen oder von ei-nem der wenigen Studierenden zusammengefasst, die sich tatsächlich vor-bereitet haben, die Vorbereitung auf die Veranstaltung wird allein als freiwil-lige Zusatzleistung angeboten oder es wird komplett auf eine Vorbereitung der Studierenden verzichtet. Alle Lösungen sind für die Lehrenden, wie für ein nachhaltiges Lernen der Studierenden in keiner Weise befriedigend. Doch gibt es überhaupt Möglichkeiten das Lernen schon weit vor der Prü-fung anzukurbeln? Immer wieder zeigen doch die eigenen Versuche und die der Kollegen, dass es einfach nicht funktionieren will.

Der schwierigste Schritt zur Verankerung einer kontinuierlichen Vorbereitung der Studierenden ist die Schaffung von Verbindlichkeit. Und zwar auf beiden Seiten. Der häufigste Fehler ist, dass man als Lehrender zu schnell resig-niert aufgibt und nicht mehr damit rechnet, dass die Studierenden sich noch vorbereiten werden. Sie sehen einfach keine Möglichkeit die Vorarbeit einzu-fordern, sei es durch innige Appelle oder durch äußere Anreize. Der häufigs-te Fehler, der an dieser Stelle an die Oberfläche tritt, ist ein Mangel an Ab-sprachen zu Beginn der Veranstaltung. Solche Vereinbarungen können zu einem späteren Zeitpunkt nur aufgegriffen werden, wenn sie für beide Seiten als verbindliche Regelung getroffen wurden. Ausgangspunkt für solche Re-gelung sind Ihre Vorstellungen über die notwendigen Schritte zum Erreichen der Veranstaltungsziele. Diese Vorstellung allein genügt jedoch nicht. Die Verfahrensvorschläge müssen sich klar auf die transparenten Veranstal-tungsziele beziehen und zusammen mit den Studierenden besprochen wer-den. Nicht jeder Studierende wird sich auf Anhieb mit Ihren Vorstellungen zum Vorgehen identifizieren können und sieht vielleicht auch andere Wege, wie er die Ziele erreichen könnte. Sie müssen also sicherstellen, dass Ziele,

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Prüfungsanforderungen und der Weg, den die Studierenden dorthin be-schreiten sollen, nachvollziehbar zueinander passen. Erst so können sich die Studierenden Ihre Vorstellungen zu eigen machen und sich ggf. nach gemeinsam beschlossenen Modifikationen, auf gegenseitig verbindliche Regeln einlassen. Falls es im späteren Verlauf nicht so funktioniert wie ge-plant, dann kann man sich gegenseitig auf diese Vereinbarung berufen. Nur in seltenen Fällen muss man eine solche Übereinkunft später modifizieren. Klar ist jedoch, dass neue Regeln für alle gelten müssen und nicht einzelne Teilnehmende eine Sonderbehandlung einfordern können.

Die Formen des Selbststudiums können auf einer solchen Grundlage vielfäl-tig sein: - Bearbeitung von Übungen, Behandlung von Problemen,

Auseinandersetzung mit Fallstudien, - Bewältigung von Transferaufgaben, Anwendung im Alltag, - Erarbeitung von Bewertungskriterien, Lösung von Bewertungsaufgaben, - Gestaltung von Situationen und Verfahren, Durchführung von Projekten, - Beantwortung reflektierender Fragen, Verknüpfung von Fachwissen mit

praktischer Erfahrung, - Eigenständige Lektüre von fachlichen Texten, - Anfertigung von Berichten und Zusammenfassungen, - Erstellung von Visualisierungen als Mindmaps, Netzpläne oder Plakate, - u.v.m.

Das Selbststudium benötigt jedoch immer auch Anleitung, die gerade zu Beginn einer Veranstaltung von entscheidender Bedeutung ist. Als Lehren-der müssen Sie den Studierenden verständliche Lernaufträge an die Hand geben, welche klare Ziele, Handlungsschritte und Beurteilungskriterien ent-halten. Ohne diese, zumeist schriftlichen Handlungsanleitungen, wird eine selbstständige Bearbeitung kaum gelingen. Die notwendige Orientierung erfolgt jedoch nicht allein durch eine präzise formulierte Handlungsanleitung. Die Lehre kann so ausgerichtet werden, dass neben der Darstellung fachli-cher Inhalte, die beständige Anleitung für das vorbereitende und vertiefende Selbststudium eingeflochten wird. Fragen sind hier vielfach der Schlüssel. Sie können zum nachdenken anregen, zusammenfassende Darstellungen fordern, Wissenslücken transparent machen oder den Transfer befördern. Je kleiner die Gruppe, desto Vielfältiger ist das Spektrum der Möglichkeiten.

Ein wichtiger Baustein ist jedoch auch eigene Motivation der Dozentinnen und Dozenten. Wenn sie das Thema lebendig vermitteln sowie an prakti-schen Beispielen die Anwendung erläutern und dabei ihren Enthusiasmus

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für das Fach transportieren, kann das Interesse der Studierenden weiter geweckt werden. Oder besser noch ihre Neugier. Sie ist die Triebfeder für das Selbststudium. Ohne Neugier ist das eigenständige Lernen oft nur ein Abarbeiten von Vorgaben oder Vereinbarungen. Als Lehrender hat man jedoch zumeist den Wunsch, bei den Studierenden die Neugier am Lernge-genstand zu wecken. Dafür braucht es die eigene Begeisterung, die manchmal auch beim Lehrenden erst wachsen und später auch gepflegt werden muss.

Die Autoren der Beiträge des vorliegenden Bandes greifen die Frage der Gestaltung des Selbststudiums aus Sicht ihrer eigenen Lehrtätigkeit auf. Die eigene Begeisterung vom Fach und die Notwendigkeit, immer wieder die Aufmerksamkeit der Studierenden zu wecken, ist die eine Seite des Lehren-den, die insbesondere bei Frontalveranstaltungen notwendige Grundlage ist (Schram). Die andere Seite zeigt den Lehrenden jedoch auch als ruhenden Pol, der in der aufreibenden Projektarbeit Orientierung durch die Anregung von Reflexion und dem Aufweisen von Alternativen gibt (Gummert-Hauser). Setzt man die sich gegenseitig ergänzenden Komponenten der Kommunika-tion in der Präsenzveranstaltung als auch des Einsatzes von Internetbasier-ten Selbsttestübungen ein, so kann man nachhaltige Lernprozesse beför-dern (Hardt). Als begeisternder Coach und strukturierender Manager kann der Dozent es sogar schaffen, ein semesterbegleitendes Lernen in Klein-gruppen anzuregen (Akkerboom). Die Beiträge zeigen einen kleinen Aus-schnitt aus den Erfahrungen von Lehrenden bei der erfolgreichen Anregung von selbstständigem Lernen. Sie verbindet die beständige Weiterentwick-lung und Professionalisierung der schon heute bestehenden Vielfalt der Lehre an der Hochschule Niederrhein.

Dr. Stefan Brall ist Mitarbeiter der Koordinierungsstelle Evaluation und hochschulspezifische Weiterbildung der Hochschule Niederrhein und Mitglied des Cominovo Beraternetzwerks. Er schafft u.a. Räume für den fachübergreifenden Austausch von Lehrkonzepten sowie für die indivi-duelle hochschuldidaktische Entwicklung und er berät Dozierende bei der innovativen Gestaltung ihrer Lehre.

Prof. Dr. Michael Lent ist seit 1993 Professor für Thermische Verfahrenstechnik und Verfahrens-entwicklung an der Hochschule Niederrhein. Er war von 2002-2006 Dekan am Fachbereich Ma-schinenbau und Verfahrenstechnik. Seit 2006 war er zunächst als Prorektor für Lehre, Studium und Studienreform und heute als Vizepräsident für Lehre und Studium für die Gestaltung von Lehren und Lernen an der Hochschule Niederrhein verantwortlich.

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Der Funke muss überspringen - nur Begeisterte können begeistern

Jürgen Schram

Vorlesungen, speziell solche die die Grundlagen eines Fachgebietes vermit-teln, stellen sowohl für Studierende als auch für Lehrende eine unumstritten wichtige Basis des Studiums dar, sind aber sicherlich nicht mit dem Attribut des „Höchstspannenden“ konnotiert. Dementsprechend wichtig ist eine theo-retische Auseinandersetzung mit ihrer Didaktik. Aus der Sicht und Erfahrung eines Chemikers ergeben sich die im Folgenden erläuterten Gedanken, die nicht den Anspruch erheben allgemeingültig zu sein.

Grundlagen als Basis für Empirie und Verständnis

Wir leben in der Zeit einer so genannten internetbasierten Wissensgesell-schaft. Mit der allgemeinen und ubiquitären Zugänglichkeit von Informatio-nen, zum Beispiel über Smartphones, kann man die Bedeutung von erlern-tem Grundlagenwissen hinterfragen. Die Grundlagen eines Faches stellen jedoch nicht nur die Basis für weitere Spezialisierungen eines Fachgebietes dar, gleichsam deren Fundament, sondern sie haben auch weitergehende Funktionen im späteren beruflichen Tätigkeitsumfeld der heutigen Studen-tinnen und Studenten.

Das Grundlagenwissen kann unterteilt werden in ein (auswendig) zu lernen-des Faktenwissen (Empirie) sowie in ein fachbezogenes kausales Verständ-nis, also die Befähigung in dem jeweiligen Fach die Zusammenhänge zu Verstehen (Fachverständnis).

Die Empirie ist die Basis für die Assoziationen, die im Falle von fachbezoge-nen Aufgabenstellungen mental aufgerufen werden können und somit die fachliche Basis zu einer Problemlösung bilden. Dieser Prozess kann durch keinen noch zu gute Datenspeicher ersetzt werden – er ist an das menschli-che Gehirn gebunden und damit unabdingbarer Wert im späteren Berufsall-tag der Absolventen. Das Fachverständnis ermöglicht die Improvisation im jeweiligen Fachgebiet. Das Hineindenken in die fachbezogene Denk- und Argumentationsweise ermöglicht es erst, sich von bekanntem Terrain auf

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Neuland und damit auf unsicheres Gebiet zu begeben. Diese Befähigung wird erst durch einen ausführlichen Umgang mit den Kausalitätsver-knüpfungen des Stoffes erlangt.

Beide Bereiche, die Empirie und das Fachverständnis, sind somit wichtige Befähigungen, die in den Grundlagenfächern zu vermitteln sind. Dieses Internet-unabhängige Fundament ist heutzutage umso wichtiger, da die gegenwärtigen Studierenden in ihrem zukünftigen Berufsleben immer wieder mit neuen Tätigkeitsfeldern in ihrem Fachgebiet konfrontiert werden.

Sinn und Unsinn von Vorlesungen

Da das nackte Lernen von Fakten auch autonom mithilfe von modernen Medien vermittelt werden kann, bekommen Vorlesungen erst ihren Sinn, wenn es darum geht, dieses Wissen vor und während des Prozesses des Lernens zu entwickeln. Dabei wird gerade das Fachverständnis vermittelt, also das Denken innerhalb eines Faches.

Hier hat der Mensch als Medium den unschlagbaren Vorteil, gerade auf die emotionalen Umstände der Lernenden einzugehen. In nicht allzu großen Vorlesungsgruppen ist es leicht, die Aufmerksamkeit der Studierenden zu analysieren. Mit steigender Erfahrung des Lehrenden gelingt es immer ein-deutiger sicherzustellen, dass Aufmerksamkeitsstörungen allein auf die Vorlesung zurückzuführen ist. Hier können das Vorlesungs-Tempo oder die (inhaltliche) Ansprache der Studentinnen und Studenten zumeist als Haupt-ursache erkannt werden. Dabei gilt es jedoch, lieber einmal zuviel den Feh-ler in der eigenen Vorlesung zu suchen, als zu wenig. In Abhängigkeit davon kann im ersteren Falle das Tempo des Vorgehens dem Lernfortschritt, im zweiten Falle die Ansprache angepasst werden.

In Didaktik an die Studierenden anpassen

Maßstab einer Vorlesung ist die Zielsetzung, den Studierenden Wissen und Befähigungen zu vermitteln. Das in Vorlesungen, Seminaren und Praktika zu erreichende Ergebnis ist sicherlich durch die Anforderungen im Berufsfeld vorgegeben und steht damit nicht zur Disposition. Ein Absenken des Ergeb-nis-Niveaus wäre hier langfristig fatal und würde die Arbeitsmarktchancen der Absolventinnen und Absolventen negativ beeinflussen.

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Aus der Sicht des Autors sind die durch die Gestaltung von Vorlesungen beeinflussbaren Parameter kaum deren inhaltliche Gestaltung, sondern allein deren Didaktik.

Zunächst ist es einmal wichtig, die Studierenden da abzuholen, wo sie am Beginn der Vorlesung stehen. Nur eine exakt passende (Wissens-) Leiter ermöglicht den problemlosen Aufstieg. Hier muss in den ersten Stunden verstärkt durch häufiges Nachfragen der Stand des Basiswissens abgefragt werden. Dabei hilft es zusätzlich, sich mit den Kollegen und deren Vorlesun-gen inhaltlich auseinanderzusetzen. Entscheidend ist allerdings nicht, was die Studierenden wissen sollten, sondern, was sie real wissen. Nur an dieser Stelle ist die Studierendenschaft abzuholen. Es gilt ein offenes Vorlesungs-klima zu schaffen, so dass keine Hemmschwelle besteht, Nichtwissen anzu-zeigen. Leider ist dies ein schwieriger Punkt, der erst mühsam durch den Aufbau von Vertrauen erreicht wird.

Das Basiswissen einer Vorlesung muss, auch im Interesse des Lehrenden, die Studierenden erreichen. Dies kann durch Aufforderung zu entsprechen-den Wiederholungen geschehen, oder (leider) dadurch, dass man den für die eigene Vorlesung erforderlichen Stoff kurz inhaltlich zusammenfassend vermittelt. Die Zeit für diesen Aufwand scheint in Vorlesungen immer zu fehlen – aber ohne diesen (zusätzlichen?) Zeitaufwand könnte man die Vor-lesung ansonsten ganz lassen. Denn nur wenn man die Lernenden abholt, kann man ihnen auch die oben genannten Ziele von Vorlesungen nahe bringen.

Alle 10 Minuten eine Atombombe

Unsere heutigen Studentinnen und Studenten sind die „Generation Playsta-tion und MTV“ (Millennials, Generation Y oder Digital Natives). Dies hat entscheidenden Einfluss auf die Vorlesungen im Jahre 2010. Wenn man sich mit den oben genannten Freizeitbeschäftigungen unserer Studierenden beschäftigt, so fällt als allererstes deren Geschwindigkeit auf. Die Film-schnitttechnik der MTV-Spots sind so schnell, dass sie Menschen der 78´er Generation an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeiten bringen. Und die Gestaltung der modernen Computerspiele bringt im Sekunden- bis Minuten-takt neue Situationen auf den Bildschirm.

Viele Dozenten haben noch Vorlesungen kennen gelernt, in denen ein fach-licher Zusammenhang an der Tafel über 3 Stunden hinweg entwickelt wurde. Eine solche Vorgehensweise ist für die heutige Studierendengeneration

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genauso „unakzeptabel“ wie für die ältere Generation eine Stunde MTV. Man kann das zu Recht bedauern, aber dennoch haben wir heute solcherart geprägte Studentinnen und Studenten in der Vorlesung sitzen.

In Seminaren, Praktika und vor allem in Projekten hat man die Möglichkeit, die Welt der Geduld und Ausdauer zu vermitteln – in Vorlesungen ist dies schwieriger. Hier gilt es, als Lehrender sich spätestens alle 10 Minuten durch „kleine Atomexplosionen“ der Aufmerksamkeit der Studierenden zu versi-chern. Dies können inhaltsbezogene Höhepunkte, Themenwechsel oder aber Gags sein. Der 10-Minuten-Gedankengang sollte zum elementaren Baustein einer Vorlesung werden. Sie werden damit sowohl für den Lehren-den als auch für den Lernenden zu einem Hangeln von Ast zu Ast – in defi-nierten Abständen – mit der Sicherheit für beide Seiten. diesen Ast auch erreichen zu können.

Verstehen geht vor Pauken

Die moderne Hirnforschung zeigt, dass der sicherste Weg Fakten im Ge-dächtnis zu verankern, zwei Dinge berücksichtigen muss. So müssen Fakten nicht nur wahrgenommen, sondern aktiv verarbeitet werden. Zudem markiert erst eine Wiederholung Wahrgenommenes als zu Behaltendes. Das Notie-ren - und damit ist nicht das stumpfe unreflektierte Mitschreiben aller Aussa-gen einer Vorlesung gemeint -, aber erst recht das aktive Erarbeiten von Fakten erhöht signifikant die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Wissen zumin-dest im Kurzzeitgedächtnis verankert wird. Dieser Umstand hat Auswirkun-gen sowohl auf die Vorlesungsgestaltung als auch auf die Vorlesungsunter-lagen.

Die Inhalte von Vorlesungen müssen so entwickelt werden, dass der Studie-rende die Fakten als eigene Erkenntnis erfährt - er muss sich gleichsam, mit Unterstützung des Professors, selber den nächsten Fakt erarbeiten. Dieser Ansatz widerspricht zwar der gängigen Idee einer autonomen Vorlesung, aber die Berechtigung des klassischen Vorlesungstypos wird natürlich bei der heutigen Allgemeinzugänglichkeit von guter Fachliteratur mehr als frag-lich.

Für die Gestaltung von Vorlesungsunterlagen hat dies zur Folge, dass diese nicht den vollständigen Text der Vorlesung wiedergeben sollten. Dies führt die Form der Vorlesung ad absurdum, da sie doch zu einem Mitlesen der Studierenden verführen und damit den passiven Konsum von relevantem Wissen begünstigen. In den Veranstaltungen des Autors haben sich Unter-

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lagen mit stichwortartiger Spiegelstrich-Dokumentation sowie technische Skizzen bewährt. Die Studierenden erkennen sehr schnell, dass diese nur durch zusätzliche reflektierende Notizen vollständig genug für eine eigen-ständige Wiederholung der Inhalte im Rahmen der Klausurvorbereitung werden.

Unser Gedächtnis wäre überfordert, alles Wahrgenommene - bei 8 Stunden Schlaf in einem Menschenleben immerhin 450 000 Stunden – auf Dauer zu behalten. Somit ist der Vorgang des Vergessens extrem wichtig und ange-sichts der gerade genannten Zahlen der „normale“ Prozess unseres Ge-dächtnisses. Bei der Vermittlung von Wissen und der Befähigung von Stu-dierenden gilt es, diesen Vorgang des Vergessens zu reduzieren. Dafür ist die Wiederholung ein wichtiges Werkzeug. Zu Beginn und am Ende einer jeden Vorlesung können kurze Zusammenfassungen viel bewirken. Den Studierenden ist die Bedeutung dieser Wiederholungen mit einem kleinen Experiment sehr anschaulich darstellbar:

Man lässt die Studierenden einige Minuten ohne Aufgabe aus dem Fenster sehen. Anschließend befragt man sie nach der Farbe eines speziellen gera-de vorbeigefahrenen Autos. Fragt nach einer Minute erneut diese Farbe ab, so kann man in dieser und allen folgenden Vorlesungen immer wieder im Chor die Farbe dieses Autos zu 99% erfolgreich abfragen. Spätestens zu Beginn der nächsten Vorlesung haben die Studentinnen und Studenten so als Selbsterfahrung den Sinn von regelmäßigen Wiederholungen verinner-licht.

Der Funke muss überspringen - nur Begeisterte können begeistern

Ein entscheidender Faktor für alles menschliche Tun ist die Motivation. In unserer Gesellschaft verfällt man dem Irrtum, dass das wichtigste Motivati-onsmittel das Geld wäre. Jemand ohne Motivation wird durch Geld nicht mehr motiviert. Motivierte schwingen sich durch Gehalterhöhungen auch nicht zu Höchstleistungen aus. Bei unseren Studierenden ist diese Diskussi-on zudem obsolet, da hier eine Motivation durch Geld nur sehr indirekt über Berufschancen und Studienzeitverkürzungen möglich ist. Und dennoch ist für den gesamten Studienverlauf die Motivation ein entscheidender Faktor.

Der entscheidende Faktor um die Studierenden zu motivieren ist die intrinsi-sche Motivation und die eigene Begeisterung vom Fach von Professorinnen

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und Professoren. Begeisterung ist ansteckend – und unser aller Berufung – so wir auf diese gehört haben – hat etwas mit dem Funken der Begeisterung zu tun, der auf uns durch Personen, Biographien oder Ereignisse überge-sprungen ist.

Ein wichtiges Faustpfand für erfolgreiche Vorlesungen ist also die eigene Motivation des Vortragenden. Ich muss gegebenenfalls lernen, die Grundla-gen des eigenen Faches wieder mit Begeisterung wahrzunehmen. Der Weg dahin ist natürlich individuell und eine permanente Aufgabe eines lehrenden Professors. Hier kann die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Faches, seiner gesellschaftlichen oder politischen Relevanz genauso hilfreich sein, wie intensive forscherische Tätigkeit.

Letzteres begründet vielleicht, warum viele Forscher von Weltrang auch als hervorragende Didaktiker in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen sind. Sie gründen oftmals Gruppen hochmotivierter Wissenschaftler, die selber wieder hervorragende Forscher und Lehrer wurden. Hier sei zum Beispiel der Chemiker Justus Liebig genauso zu nennen, wie der Soziologe Theodor Adorno und der Philosoph Martin Heidegger.

Diese Begeisterung ist ein wichtiger Motivationspunkt für die Studierenden und damit ein wichtiger Faktor für den Erfolg einer Vorlesungsveranstaltung. Persönliche Ansprache der Studierenden wie auch indirektes Zeigen der Begeisterung können hier sehr viel bewirken. Begeisterung äußert sich da-bei vielfältig. Wortwahl, Gestik, Mimik und auch die gesamte Körpersprache werden von ihr beeinflusst. Ein von ihr getragener Vortrag ist in der Regel überzeugender als der rhetorisch ausgefeilteste, aber unmotiviert vorgetra-gene Beitrag.

Prof. Dr. Jürgen Schram lehrt seit 1993 als Professor für Instrumentelle Analytik im Fachbereich Chemie der Hochschule Niederrhein. Neben verschiedensten Veranstaltungen der Instrumentellen und Umweltschutzanalytik im Bachelor- und Masterstudiengang beschäftigt er sich in Vorlesungen mit der Kulturgeschichte der Chemie. Mit der Arbeitsgruppe „Von Quincy nach Atlantis“ beschreitet er neue Wege der studentischen Motivation außerhalb des Studiums. Seine Lehrtätigkeit wird inhaltlich unterstützt durch vielfältige Forschungsarbeiten sowie Mitarbeit in DIN-Gremien und gutachterliche Tätigkeiten im Bereich der Forschung.

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“Success is the ability to go from one failure to another with no loss of enthu-siasm.” (Churchill)

Über Terminpläne, gute Vorsätze und andere Fehlschläge

Nora Gummert-Hauser

Das Semester beginnt, alle sind noch entspannt und die Studierenden nei-gen dann erst dazu, das Projekt-Angebot innerhalb der Module sorgfältig zu prüfen. Häufig begutachten sie kritisch in den ersten drei Semesterwochen diverse Lehrveranstaltungen, bevor sie sich endgültig festlegen, welchen Kurs sie nun definitiv besuchen wollen. Das heißt, es wird schon zu Semes-terbeginn relativ viel Zeit vertrödelt bis zum definitiven Arbeitsbeginn. Das macht besonders das Sommersemester mit seinen vielen Feiertagen, An- und Abreisetagen, sowie einer Projekt- und Exkursionswoche, ziemlich kurz.

Da die Themen ja vorab im Studienverlaufsplan publiziert werden, wäre es eigentlich ein leichtes, sich vorab zu informieren und zu entscheiden. An dieser Stelle beginnt aber schon der häufigste Denkfehler bei den Studie-renden: Sie erhoffen sich, bei der ersten Lehrveranstaltung noch weitere tiefer gehende Informationen zum Thema zu erhalten, die ihnen den Einstieg erleichtern. Es liegt aber jetzt erst mal an ihnen selbst, aus der Aufgaben-stellung etwas zu machen und nach einer gründlichen Recherchephase selbständig zu entscheiden, wohin die Reise geht.

Ich packe in meinen Koffer …

Bei einem ersten Treffen wird die Themenstellung eventuell noch erläutert, soweit diese nicht verständlich sein sollte. Ich gebe Literaturtipps, und bei den Drittsemestern, die dann erstmalig ein Projekt machen, gebe ich einen Zeitplan vor und erläutere diesen. Dabei zerlegen wir im gemeinsamen Ge-spräch die Arbeit in diverse Einzelschritte und versuchen, diese dann mit einem Zeitfenster zu versehen, damit allen klar wird, wie begrenzt der Zeit-rahmen insgesamt ist. Damit ist die Frage nach dem „Wann“ vorläufig ge-klärt.

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Diese Einzelschritte, die sich im späteren Verlauf auch überschneiden, sind im groben Strukturplan folgende: 1. Recherche (Sammeln und Jagen), 2. Ideenfindung und Entwurfsphase (Auswahl), 3. Umsetzung und Visualisierung (Realisation), 4. Ausformulierung der wissenschaftlichen Arbeit, 5. Druckphase/ Produktion für den praktischen und den theoretischen Teil, 6. Präsentationsvorbereitung.

Erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennen die Studierenden, dass dieser zu Projektbeginn festgelegte Terminplan nur bedingt funktionieren kann, da ja das Ziel der Reise noch unbekannt ist. Eventuell erfordert das Ziel die Mit-nahme eines zweiten Koffers. Und das bedingt mehr Zeit, mehr Manpower, höhere Kosten, größeren Platzbedarf ... oder es wird nur ein Wochenend-ausflug, dann genügt die kleine Tasche …

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Die Recherchephase beginnt ... und je mehr die Zeit fortschreitet, desto mehr Literatur über die verschiedenen Reiseziele häufen sich an. Man ver-liert sich in der Unmenge an interessanten Entdeckungen. Jedoch, der Pio-niergeist, der einem vorgaukelt man sei der Erste, der sich in diese Urwälder wagt und einen beflügelt, wird mit einem Blick auf den Zeitplan jämmerlich in sich zusammenfallen. Vom Geist des Sammelns – der Manie - gelangen wir ohne weitere Umwege in das Tal der Depression. Berge türmen sich, Nebel wabert durch die Niederungen und wir haben das Ziel aus den Augen verlo-ren. Jetzt ist es dringend an der Zeit sich zurückzuziehen und ganz präzise das Ziel zu formulieren. Das wird ein paar Tage dauern und mit vielen Zwei-feln behaftet sein, da wir dafür andere Ziele aufgeben müssen, es ist jedoch der einzige Weg, der aus dem Nebel wieder herausführt.

Wohin geht die Reise? Wozu dient die Reise?

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Mit der Präzisierung der Aufgabenstellung schaffen wir es jetzt, aus den Recherchebergen die Spreu vom Weizen zu trennen und das Wichtige für unser Weiterkommen im Projekt zu behalten und auszuwerten. Wir trennen uns vom Ballast, der sich angesammelt hat und steigen erleichtert wieder

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aus dem Tal nach oben, um uns jetzt mit der Findung der Leitidee und ers-ten Entwürfen zu beschäftigen.

Zur Erholung / Bahnreisen, Nahziele Leitidee: Zuverlässig und bequem.

Zur Erweiterung des Freundeskreises / Clubreisen Leitidee : Das Reise-Netzwerk.

Zur sportlichen Zwecken/Abenteuer Leitidee: Erforsche deine Grenzen.

Zur kulturellen Bildung Leitidee: Erweitere deinen Horizont.

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Das sind nur einige Beispiele für die Formulierung in eine Leitidee. Ab hier ist die Sache eigentlich in trockenen Tüchern. Alles was nun weiter entwi-ckelt und visualisiert wird, kann immer wieder anhand der Leitidee abgegli-chen werden. Passt der Koffer zu der entsprechenden Reise? Ist das Ver-kehrsmittel das dazu passende? Welche Art der Kleidung muss mitgenom-men werden? Alle Dinge müssen zielgerichtet aufeinander abgestimmt ent-wickelt werden. In der Theorie müsste das jetzt zügig abgearbeitet werden können, aber weit gefehlt. Neue Wolken ziehen auf …

Studierende neigen dazu, diesen Erfolg nun erstmal auszukosten und eine Pause einzulegen, da ja ein gutes Ende prognostiziert werden kann. Nach der Ruhephase folgt die Entwicklung einer Idee und bevor diese Idee auch nur von irgendjemand angetastet werden kann, entscheidet man sich häufig dazu, diese so weit wie möglich auszubauen bevor man sie im Team be-spricht. Hier kommt dann ein gewisser Größenwahn zum Vorschein, und man ist der festen Überzeugung, die beste aller Reiseplanungen aufs Papier gebracht zu haben. Der Tag kommt: Die Idee wird präsentiert, kommentiert und Kommilitonen schauen aus einer gewissen Distanz auf den Entwurf und die Karte und entdecken schnell die Sackgassen, die diese Route eventuell mit sich bringt. Aber sie entdecken auch noch ganz andere, der Leitidee folgende Nebenstrecken, die auch sehr reizvoll sein können. Jetzt, auch mit Blick auf unseren Zeitplan, wird es aber wirklich so langsam ernst … und was kommen muss, kommt. Der Studierende ist frustriert, wird bockig und steht sich selbst im Weg. Er braucht Zeit, um sich von seinen Umsetzungs-

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ideen zu lösen, meist bleibt es zum Glück dann bei kleineren Erkrankungen, wie Erkältung und Halsschmerzen, die ihm diese Pause erlauben.

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Der Zeitrahmen wird nun immer enger und der ursprüngliche Terminplan offenbart das Desaster. Aber mit neuem Elan werden die ersten Planungen verbessert und weiterentwickelt, erste Nachtschichten werden eingelegt: Die nächste manische Phase ist eingeläutet und es wird ganz schön was weg-gearbeitet. Die Studierenden sind nun voll in ihrem Thema gefangen und wenn der praktische Teil weitgehend vollbracht ist, beginnt parallel die Arbeit an der schriftlichen Aufbereitung. Das wird dann nochmals eine deutliche Hürde, da hier alle Einzelschritte verständlich dargelegt und aufbereitet wer-den müssen. Wenn andere die Reiseroute nicht nachvollziehen können oder nicht verstehen, warum die Tasche nicht schwerer als fünf Kilogramm sein soll, dann haben sie sich nicht verständlich genug ausgedrückt. Das ist das immer wiederkehrende Problem zwischen Distanz und Nähe. Wir müssen es schaffen uns von Dingen zu lösen, um – aus einiger Entfernung betrachtet – Lösungen zu finden und Wege zu erkennen.

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Fast geschafft ... Die Reiseplanung ist komplettiert, der Zeitpunkt der Abrei-se rückt näher und alle glauben sich nun mit geschlossenen Augen schon fast am Ziel. Dann kommen verschiedenste Aschewolken dazwischen, die es uns nochmals schwer machen, das Ziel zu erreichen: Im dritten Korrek-turlauf werden immer noch Fehler gefunden, das ausgesuchte Papier wird vom Laserdrucker nicht gemocht, der Buchbinder der einem erzählt, dass das in dieser Form nicht zu binden ist, ein Programmierer der erzählt, dass er dazu aber viel mehr Zeit braucht … So langsam werden die Nerven im-mer dünner. Dann aber sind alle Hindernisse beseitigt, in Nachtschichten wird die Präsentation vorbereitet und der Abflug naht in Form eines Kolloqu-iums.

Erschöpft lehnt sich der Reisende zurück, beginnt erst später den Flug zu genießen und der Blick über den Wolken schenkt ihm die Distanz und be-lohnt mit Weitblick. Bis die nächste Reiseplanung ansteht ... Aber da macht man bestimmt alles viel besser!

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Reisebegleitung

Bleiben wir bei der Metapher der Reise und stellen die Frage nach der Rolle des Lehrenden. Was zeichnet denn einen guten Reiseleiter aus? Er verfügt über umfassende Ortskenntnisse und er ist begeistert vom Reiseziel, er ist gut vernetzt, er bewahrt in allen Phasen Ruhe, er hält zum richtigen Zeit-punkt verschiedenste Schilder hoch um Orientierung im Chaos zu bieten, er weist auch instinktiv Wege in die richtige Richtung und bei echten Hindernis-sen findet er schnell alternative Routen. Er achtet auf die Einhaltung des Terminplans und tut sein Möglichstes um rechtzeitig die Zielgerade zu errei-chen. Und bei alldem vermittelt er dem Reisenden das Gefühl, dass dieser das Ziel natürlich auch locker ohne ihn erreicht hätte!

Prof. Nora Gummert-Hauser ist seit 2007 Professorin für Typografie und Editorial Design an der Hochschule Niederrhein. Ab 2008 war sie Mitglied des Senats und wurde von diesem in 2010 als internes Mitglied in den Hochschulrat gewählt.

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Internetbasierte Selbsttestübungen

Klaus Hardt

Ausgangssituation und Motivation

Studierende insbesondere des ersten Semesters beginnen mit ganz unter-schiedlichen Voraussetzungen ihr Studium. Sie weisen in der Regel zu Be-ginn ihres Studiums große Defizite in der eigenen Lernorganisation und Lernmethodik auf. Zudem ist ihre Situation durch eine ausgesprochene Un-sicherheit bezüglich der an sie gestellten Anforderungen gekennzeichnet. Daher wäre ein möglichst frühes und in idealer Weise individuelles Feed-back zu eigenen Leistungen wünschenswert. Dies ist aber in Grundlagen-lehrveranstaltungen mit teilweise mehr als 200 Studierenden in den Prä-senzveranstaltungen nur „punktuell“ möglich.

Selbsttestübungen

Ein zentraler Ansatz zur Verbesserung der individuellen Feedback–Möglichkeiten sollen daher die von mir entwickelten Selbsttestübungen bie-ten. Sie sind ohne Zugangsbeschränkung über das Internet abzurufen und erfüllen damit die drei wesentlichen Merkmale „anonym“, „jederzeit“, „von überall“. Da sie schon mit Beginn der Lehrveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden, können diese also sowohl für die unmittelbare Klausurvor-bereitung aber auch parallel zur Vorlesung für die Nachbereitung des Vorle-sungsstoffes genutzt werden.

Die Selbsttestübungen sind dabei ganz eindeutig keine Selbstlerneinheiten und auch nicht als solche gedacht. Sie erlauben aber den Studierenden, ohne Zeitdruck und ohne die Gefahr des „sich Bloßstellens“ zu kontrollieren, ob sie den Lernstoff weitgehend verstanden haben. Der Schwierigkeitsgrad der Übungen reicht von „ganz einfach“ bis zu „anspruchsvoll“ und soll so den verschiedenen Leistungsstärken gerecht werden sowie von Anfang an posi-tive Erfolgserlebnisse ermöglichen.

Ergänzt werden die Selbsttestübungen durch zusätzliche parallel zur Lehr-veranstaltung angebotene Kommunikationsformen unter Nutzung der eLear-ning-Plattform „metacoon“. Hier werden zu jeder Vorlesungseinheit ein bis

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zwei Fragen gestellt, die dann in freier Textform beantwortet werden können und die der Lehrende zeitnah kontrolliert und kommentiert.

Technischer Hintergrund

Die Selbsttestübungen wurden mit dem Software-Tool „Hot Potatoes“ (http://www.hotpotatoes.de) entwickelt und sind mit jedem JavaScript fähi-gen Browser abrufbar. Die Übungen werden in verschiedenen Formen an-geboten, um einerseits Abwechslung zu bieten und andererseits den „Neu-gier – Faktor“ zu erhöhen. Die genutzten Varianten sind: - Multiple Choice, - Antwort – Eingabe, - Kreuzworträtsel, - Lückentext, - Zuordnungsaufgaben.

In der Abbildung 1 ist exemplarisch eine Multiple-Choice Aufgabe darge-stellt:

Wählen Sie die richtige Antwort aus

<= =>2/4

Alle Fragen zeigen

?A. 8?A. 8

?B. 10?B. 10

?C. 16?C. 16

?D. 4?D. 4

?E. 2?E. 2

Wieviel bit hat ein byte?

Abbildung 1: Beispiel einer Multiple-Choice Frage

Die Abbildung 2 zeigt das Beispiel eines Kreuzworträtsels:

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Lösen Sie das Kreuzworträtsel! Nach Klicken auf die Nummer erschein ein Eingabefeld!

Prüfen

1

3

8

2

4

5

7

9

6

Definition waagerecht Definition senkrecht

2. Ermöglicht die manuelle Erfassung von Vorlagen3. Eingabe über den Bildschirm4. Scannertyp, der sich auch für große Vorlagen eignet

1. Beliebtes Gerät zur automatischen Erfassungvon Vorlagen

6. Standardeingabegerät

Abbildung 2: Beispiel eines Kreuzworträtsels

Die Vielfalt der Selbsttestübungen trägt dazu bei, das Interesse an den ver-schiedenen Aufgaben zu wecken und bietet Möglichkeiten, wie sie aus prü-fungsrechtlichen Gründen in schriftlichen Klausuraufgaben so nicht erlaubt sind.

Evaluation

Über einen kleinen Online-Fragebogen können die Nutzer anonym eine Beurteilung der Selbsttestübungen abgeben Eine statistische Auswertung der Antworten zeigt die positive Resonanz der Studierenden (Abbildung 3)

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30

44

10

0 00

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

sehr hilfreich hilfreich weiß noch nicht nützt mir wenig gefällt mir garnicht

Abbildung 3: Gesamtbeurteilung der Selbsttestübungen

Auch der Schwierigkeitsgrad der angebotenen Aufgabenstellungen trifft offenkundig die Erwartungen und Voraussetzungen der Nutzer. Die Bedien-barkeit wird weit überwiegend als problemlos eingestuft.

1

8

67

8

00

10

20

30

40

50

60

70

80

viel zu schwierig zu schwierig für mich genaurichtig

zu einfach viel zu einfach

Abbildung 4: Bewertung des Schwierigkeitsgrades der Aufgaben

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Praktisch alle Rückmeldungen enthalten den Wunsch, die Selbsttestübun-gen auszubauen und auf andere Veranstaltungen auszudehnen. Folgender Kommentar sei exemplarisch erwähnt:

„Ich habe auch schon für die EDV-Klausur mit den Selbsttestübungen ge-lernt. Es ersetzt nicht das eigentliche Lernen, hilft aber gut seinen Wissens-stand einzuschätzen, deckt Wissenslücken auf und motiviert einen diese zu schließen. Vielen Dank für ihr außerordentliches Engagement!“

Resümee

Die hier skizzierten Selbsttestübungen sind zu einem wichtigen Baustein im Portfolio der Grundlagenlehrveranstaltungen geworden. Sie ersetzen jedoch weder die Vorlesung noch die unmittelbare Kommunikation zwischen Leh-rendem und Lernenden. Aber gerade in Kombination gewinnen sie ihren Wert. Bei einem Teil der Studierenden regen sie schon weit vor Beginn der Prüfungszeit zur Auseinandersetzung mit dem Lernstoff an und gerade auch vermeintlich „triviale“ Fragen erzielen Effekte wie „ich hätte gar nicht ge-dacht, dass man danach fragen könnte“ oder „mir war nicht klar, dass ich hier Wissenslücken hatte“. Und damit ist schon viel gewonnen.

Hinsichtlich des eingesetzten Softwaretools muss einerseits die leichte Be-dienbarkeit herausgestellt werden, andererseits aber auch auf die begrenzte Auswertungsmöglichkeit der Antworten hingewiesen werden. Daher sind Fragen mit frei formulierten Antworten zwar möglich, deren automatisierte Überprüfung auf inhaltliche Richtigkeit aber nicht. So müssen auch in den Varianten „Antwort-Eingabe“ und „Lückentext“ die Fragen so formuliert sein, dass eine möglichst eindeutige Antwort alleine über einen Textvergleich überprüft werden kann.

Als ebenfalls nur umständlich und rudimentär einsetzbar muss die Verwen-dung von Bildern und anderer multimedialer Elemente in den Aufgabenstel-lungen bezeichnet werden. Hier sind, im Gegensatz zur Aufstellung der Fragen und Antworten selbst, HTML-Kenntnisse von Vorteil.

Prof. Dr. Klaus Hardt ist seit 1996 Professor am Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik. Sein Lehrgebiet ist „Informatik, insbesondere CAD und PPS für Textil- und Bekleidungstechnik“. Seit 1998 ist er Prüfungsausschussvorsitzender der deutschsprachigen Studiengänge des Fach-bereichs. Von 2004 bis 2008 war er Vorsitzender des Senats der Hochschule Niederrhein. Seit Anfang 2009 ist er internes Mitglied des Hochschulrats der Hochschule.

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Zeitnahes Lernen heißt zeitnahes Üben, aktive Veranstaltungsbeiträge und beglei-tendes Prüfen

Hans Akkerboom

Fähigkeiten und Fertigkeiten in Mathematik und Spra-chen brauchen zunächst Zeit, Studenten brauchen vor allen Dingen Punkte

Als hauptamtlicher Dozent im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften habe ich das Glück nicht nur in den quantitativen Grundlagenfächern im Bachelor (1. und 2. Semester) tätig zu sein, sondern auch regelmäßig Seminare in den höheren Semestern anbieten zu können. Diese Seminare betreffen zum Teil ganz anders geartete Fächer, wie „Interkulturelle Kommunikation“ (Ba-chelor, 4. Semester) und „Wirtschaftsniederländisch“ (Master, 2. Semester). Meine Kenntnisse von studentischen Problemen beim „prüfungs- (oder klau-sur-) fokussierten Lernen“ beziehen sich daher auf eine breite Palette von Lehrerfahrungen. Die Idee des prüfungsfokussierten Lernens drängt sich jedem Hochschuldozenten unausweichlich in den ersten Veranstaltungen eines Kurses auf, da viele Studierende direkt zu Beginn das Bedürfnis äu-ßern, durch den Dozenten mit Klausuranforderungen und Prüfungsmodalitä-ten genauestens vertraut gemacht zu werden: - „Was ist in Ihrem Fach nun gerade klausurrelevant?“, - „Wie viele Klausurpunkte kann man bei gewissen Leistungen oder in

gewissen Teilgebieten bekommen?“, oder - „Welche Formelsammlungen, Skripte oder Wörterbücher kann man in die

Klausur mitbringen?“

Das wichtigste formale Ziel steht hier verständlicherweise im Vordergrund, nämlich das Ziel, an die erforderlichen Punkte - Credit Points - zu kommen, ungeachtet der zugehörigen Note - „Ich brauche bloß eine 4.0!“ - oder doch mit der Wunschvorstellung eines gewissen Mindestergebnisses. Andere Ziele werden dadurch in der Regel in den Schatten gestellt, wie etwa der mögliche Erkenntnisgewinn - faktisches, fachliches Wissen - oder der Er-

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werb von Schlüsselqualifikationen für Kerngebiete des Fachwissens oder für den Beruf - kausales Fachverständnis nach dem Schram-Beitrag etwa!

In meinem Beitrag möchte ich einige gemischt inhaltlich-didaktische Ansätze vorstellen, mit denen ich versuche, das zeitnahe, veranstaltungsbegleitende Lernen in den Fächern Mathematik, Statistik und Wirtschaftsniederländisch zu fördern. Die "ökonomische Gewohnheit", sich erst kurz vor den Klausuren mit mathematischen oder sprachlichen Übungsaufgaben zu beschäftigen, zahlt sich bei diesen Fächern wohl nicht besonders aus. Zeitnahe Vor- und Nachbereitung sind in solchen Kursen unabdingbar, da der Stoff über länge-re Zeit geübt werden muss, bevor er einigermaßen „sitzt“: - abstrakte Begriffe bzw. fremde Wörter, - übergeordnete Zusammenhänge (in symbolischen Formeln bzw. in

Rechen- und Grammatikregeln knapp und allgemein dargestellt), sowie - mathematische Lösungswege (Algorithmen) und sprachliche Ausdruck-

möglichkeiten.

Solche Kenntnisse sind schwer in frischen Klausuraufgaben zu „transferie-ren“, d. h. sie können kaum korrekt und zielgerecht angewandt werden, wenn man sich - sozusagen prima vista - nach ein wenig Klausurpauken lauter einer „enzyklopedischen Stoffübersicht“ und eines flüchtigen „(Kurz-zeit)Gedächtnisses“ bedienen kann. Zur Aneignung vielschichtiger Kenntnis-se müssen die Lernstadien Schritt für Schritt aufeinander aufgebaut werden! Um eigenständige Anwendung zu meistern bedarf es: - eines durch Üben erprobten Verständnisses der wichtigsten Konzepte und

Verfahren, - einer sich ständig vertiefenden Berührung mit einschlägigen Fähigkeiten

und Fertigkeiten.

Die Grundidee des zeitnahen Lernens besteht m. E. nun nicht unbedingt darin, dass die Studierenden dazu motiviert werden sollen, ihre unterschied-liche Wertschätzung „formaler Lernziele“ (Prüfung usw.) bzw. „immaterieller Lernziele“ (Erkenntnisgewinn, fachliche Fähigkeiten usw.) neu zu überden-ken und anders zu gewichten. Ich versuche vielmehr einen beachtlichen Teil der gesamten Prüfungsleistung in Form von Gruppenarbeit mit bewerteten Hausarbeiten (ca. 25 % bis 33 %) bzw. in Form studentischer Seminarbei-träge (100 % einer gruppenspezifischen "Arbeitsmappe") zu gestalten, mit-tels 1. aktiver Veranstaltungsbeiträge der Lernenden selbst (ca. 3/4 eines

Seminars; „10 Minuten-Gedankengänge“ wie im Beitrag von Schram-

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können hier zum Teil der Selbstgestaltung durch die Studierenden über-lassen werden),

2. eines regelmäßigen, „zeitnahen“ Übens durch die Lernenden selbst (in Lerngruppen; Üben dient nicht nur der Wiederholung, sondern auch der Verinnerlichung gewisser - oft empirisch orientierter - Gedankengänge),

3. begleitendes (zeitnahes) Prüfen (5 Übungsklausuren = Hausarbeiten bzw. „Arbeitsmappe").

Zeitnahes Lernen in Wirtschaftsniederländisch

Wirtschaftsniederländisch wird im Master meistens von relativ wenig Studie-renden (ca. 10 - 15) als neuer „Ast auf dem Kompetenzbaum der internatio-nalen Kommunikation“ gewählt, z. B. nach mehreren Englischkursen im Bachelor. Im Seminar Wirtschaftsniederländisch kann man sich geschickt der sorgfältig herausgearbeiteten „Sprachenlernprogramme“ (schriftlich oder online) bedienen, welche meistens einen detaillierten, schrittweisen Aufbau haben: Der Zeitplan und die Arbeitsschritte sind im Groben bereits vorgege-ben, anders als in relativ frei zu gestaltenden Projekten, die im Beitrag von Frau Gummert-Hauser beschrieben werden. Der Ausschnitt der Tabelle auf der folgenden Seite gibt zum Beispiel die wichtigsten grammatikalischen Themen in einem Anfängerkurs wieder (in der vorletzten Spalte). Im Wirt-schaftsniederländisch-Kurs wird ein Grammatikbuch (Bakx et al. 2000) mit einem Onlinekurs (Universität Wien o.J.) kombiniert, der verschiedene alltäg-liche Geschichten, Dialoge, Erklärungen sowie Übungen zu Grammatik und Vokabular inklusive Vokabeltrainer enthält. Die fett gedruckten Titel in Tabel-le 1 spiegeln Geschichten zu den Erfahrungen bei Erstsemestern in der Universitätsstadt Groningen wider. Diese Geschichten enden mit einer Reise nach Antwerpen, welche mit der Exkursion zu einer niederländischen Stadt vergleichbar ist. Eine solche Exkursion gehört im Wirtschaftsniederländisch-Kurs zur studentischen „Arbeitsmappe“, die im Folgenden erläutert wird. Ziele sind z. B. Amsterdam oder Maastricht, die mit interkulturellen Aufträgen und einer sprachlich gefärbten Stadtrallye erkundet werden.

Neben den Exkursionsaufgaben soll die Arbeitsmappe („Portfolio“) mit akti-ven Veranstaltungsbeiträgen gefüllt werden. In jeder Wirtschaftsniederlän-disch-Veranstaltung behandeln die Studierenden selbst die online Texte, das Vokabular und die Grammatikquellen, d. h. die Tabellenspalten, und zwar in einer zusammenhängenden Folge mehrerer Übungen und Vorträge. Sie bilden dazu (ca. 5 bis 8) Zweiergruppen und jede Gruppe bereitet einen Teil des Stoffes mitsamt Übungen für ihre Kommilitonen vor.

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Nr. Text Online Vokabular & Phrasen

Grammatik Online Grammatik

Buch Veran-staltung

Übungen Rollenspiel Texte über

NL Knappe Zusammenfassung

2 X X Aussprache

Vokale

Diphtongen

Konsonanten

3 Zich voorstellen (zugehörig) Ein erstes kennenlernen

Dag allemaal (zugehörig) Artikel S. 33- 35

Sander en Monique (zugehörig) Präsens: Infinitiv und Stamm

"Hebben" und "zijn" S. 14 – 16

4 Ein erstes kennenlernen

1 - 2, S. 94 Negation S. 94 – 95

1 - 3, S. 38 Artikel S. 33- 35

Präsensformen S. 14 – 16

5 Ein erstes kennenlernen

1 - 3, S. 17-18 Präsensformen S. 14 – 16

Weg und Zeit

1 - 2, S. 79 (zugehörig) Zahlwörter (Kardinal- S. 77

Weg naar de univer-siteit

und Ordinalzahlen ) S. 81

Collegerooster (zugehörig) Unbestimmte Zahlwörter S. 79-80

6 Weg und Zeit

1, S. 80 Zahlwörter siehe oben

1 - 2, S. 82-83

1 - 2, S. 93 Fragewörter S. 89-92

Groß-Kleinschreibung

7 Zimmer einrichten

1 - 2, S. 68 Modalverben S. 65 – 66

1 - 3, S. 61-62 Adjektiv S. 59 – 60

Essen und Einkaufen

1 - 3, S. 38 Substantiv S. 33- 35

8 und 9 Nieuwe kamer van Sander

Zimmer einrichten

1 - 4, S. 42-43 (zugehörig) Personalpronomen S. 39- 42

1 - 2, S. 74-76 Possesivpronomen S. 72- 73

1 - 2, S. 58 Lokalpräpositionen S. 55- 57

Essen und Einkaufen

1 - 3, S. 49-50 Demonstrativpronomen S. 47- 48

Tabelle 1: Ausschnitt eines Schemas für studentische Veranstaltungs-beiträge (Referate, Übungen, Dialoge usw. in Zweiergruppen) zu

Grammatik, Vokabular, Sprachübungen sowie „NL-Sonderthemen“.

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Die Gruppen beschäftigen sich also von Veranstaltung zu Veranstaltung abwechselnd mit einer von vier verschiedenen Aufgabentypen:

1. Grammatik (30 min.): u.a. durch Vergleich von Onlinekurs und Buch (vorletzte und letzte Spalte) werden die Hauptaspekte gestreift. An die Stelle eines sehr detaillierten Referats tritt eine 30-minütige Behandlung der zutreffenden Regeln in packenden Beispielen;

2. Vokabular (30 min.): Es werden die Texte und Phrasen aus dem Onli-nekurs verwendet und ergänzend das Vokabular von Zeitungsartikeln diskutiert;

3. Sprachübungen (30 min.): Die Übungen aus dem Grammatikbuch wer-den mit kreativen Rollenspielen praktisch erprobt, z. B. anhand von On-linedialogen;

4. Freies Referat über ein Niederländisches-Sonderthema (2 Referate je 30 min.), d. h. über selbstgewählte landeskundliche und/oder interkultu-relle Themen (z. B. niederländische Nationalhymne bzw. Geschichte der Niederlande, niederländische Gedichte oder Songs).

Durch ein in den ersten Veranstaltungen abgesprochenes Verteilungssche-ma kommt jede Zweiergruppe bei den Kategorien 1 bis 3 zweimal und beim freien Referat (4) in jeder Semesterhälfte einmal dran. In der zweiten Se-mesterhälfte wiederholt sich der Zyklus noch mal, u. U. mit einer anderen Gruppierung der Teilnehmer in neu gebildeten Zweiergruppen. Ca. 3/4 der Wirtschaftsniederländisch-Veranstaltung wird von den Studierenden selbst gestaltet, was natürlich erhebliche Vor- und Nachbereitung erfordert: Man braucht die Wörter und Regeln auch beim nächsten Mal wieder! Jeder Auf-gabentyp wird bei jeder Zweiergruppe vom Dozenten bewertet. Die Endnote setzt sich dann aus dem Durchschnitt aller Noten in der gesamten Wirt-schaftsniederländisch-Arbeitsmappe zusammen!

Erste Evaluationsergebnisse zum WiNL-Kurs zeigen, dass Motivation (Be-geisterung) und aktive Veranstaltungsteilnahme sehr gefördert und auch sehr geschätzt werden. Die entsprechende Kleingruppenevaluation ergab, dass besonders folgende Aspekte positiv hervorgehoben wurden: - Gemischte Zusammensetzung der Gruppe („Anfänger lernen von

Fortgeschrittenen“), - Zeitliche Flexibilität und demokratische Gestaltung der Prüfungsformen, - Eigene Vorbereitung der Themenbereiche und viele kleine Prüfungen, - Engagement des Lehrenden, Exkursionen (nicht nur Lernen aus Büchern)

und Behandlung anderer Bereiche über die Wirtschaftswissenschaften hinaus.

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Es gibt natürlich auch Verbesserungsvorschläge, wie z.B. für ein vertieftes Lernen von mehr Vokabeln; mehr Alltagssprache und Fachsprache statt Grammatik sowie mehr Sprachübungen.

3. Zeitnahes Lernen in Mathematik und Statistik

Im Grundlagenbereich gibt es die Veranstaltungen Wirtschaftsmathematik bzw. Statistik mit sehr vielen Teilnehmern. Hier kann man aus rein prakti-schen Gründen kaum auf eine zentrale Abschlussprüfung verzichten und so haben Tutorien mit Übungsaufgaben in diesem Bereich eine langjährige Tradition. Um lernschwache Studierenden in den „schwer vermittelbaren Fächern“ zu unterstützen hat die Fachgruppe Mathematik des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften verschiedene Maßnahmen initiiert: 1. Vorkurse zu den schulischen Grundkenntnissen vor Beginn der Vorle-

sungszeit; 2. Überprüfung der Kenntnisse durch einen Mathematiktest bzw. durch

einen Statistiktest (vgl. die Selbsttest-Übungen im Beitrag von Hardt); 3. Semesterbegleitende Brückenkurse für lernschwache Studierende; 4. Lerngruppenarbeit parallel zu den Veranstaltungen (für alle Studieren-

den); 5. Ausbau des bestehenden Tutorenprogramms (für alle) mit didaktisch

und fachlich gut ausgebildeten Tutorinnen und Tutoren (Kriterien für „fachliche und didaktische Qualität“; Tutoriendauer >= 90 min die Wo-che);

6. Einsatz der Lernplattform Metacoon für alle.

In diesem Abschnitt stelle ich als wichtigen Gegenstand der begleitenden Lerngruppenarbeit (4) kurz die von mir erprobten „distribuierten Prüfungs-elemente“ vor, die hauptsächlich in der Form von ca. 5 Hausarbeiten (in 5 Runden) allen Studierenden angeboten werden. Mit ihnen können die Stu-dierenden Sammelpunkte für die spätere Klausur (d. h. ca. 1/4 bis 1/3 der Punktzahl der Abschlussprüfung) zusammen tragen. Hierfür teilen sich die Studentinnen und Studenten selbst in Lerngruppen von ca. 4 Personen ein. Über elektronische Serienbriefe erhalten sie sukzessive im Laufe des Se-mesters die für jede Lerngruppe unterschiedlich formulierten Hausarbeiten. Diese müssen innerhalb von 10 Tagen bearbeitet und schriftlich ausgearbei-tet beim Tutor zur Korrektur eingereicht werden (Musterlösung vom Dozen-ten). Jede Hausarbeit deckt ungefähr 1/5 des Stoffes ab und umfasst Aufga-ben im Umfang einer Abschlussprüfung. Hat eine Lerngruppe mindestens 70 von den möglichen 100 Hausarbeitspunkten erzielt, so sammelt sie pro

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Runde 3 oder 4 aus maximal 60 Klausurpunkten (oder es gibt eine Staffe-lung: 0 bis 4 Sammelpunkte). Die Teilnehmer werden entsprechend von thematisch übereinstimmenden Aufgaben in der Klausur freigestellt.

Die Umsetzung einer solchen Form der zeitnahen Prüfung verlangt einen erheblichen Aufwand durch Tutoren und Dozenten! Der Dozent ist eher begeisternder Coach und strukturierender Manager als „Vorleser“. Der ent-scheidende Trick besteht in der Differenzierung der Hausarbeitsaufgaben: Dieser Trick basiert in der Mathematik auf gruppenspezifisch gestaltete Aufgabenparameter (bei vergleichbarem Lösungsweg), in der Statistik auf vergleichbare, aber pro Gruppe verschiedene, Teilstichproben aus dem zu bearbeitenden Mutterdatensatz. Die Mühe scheint sich zu lohnen, objektiv aufgrund der sinkenden Durchfallquoten und subjektiv wegen des besseren „Bauchgefühls“, das die Studierenden bei der abschließenden Klausur ha-ben, wenn sie einige wohlverdiente Sammelpunkte mitbringen können!

Literatur

Bakx, J.; Jetten, M.; Korebrits, L. (2000) Niederländische Grammatik im Gebrauch: Eine Übungsgrammatik für Anfänger. Ismaning: Max Hueber.

Universität Wien (o.J.) WELKOM Open Course Niederländisch für Anfänger. WebNed – Informationen für die Nederlandistik. http://www.ned. u-nivie.ac.at/node/13715; (über Gastzugang frei verfügbar).

Prof. Dr. Hans Akkerboom lehrt Wirtschaftsmathematik und Statistik am Fachbereich Wirt-schaftswissenschaften. Sein Beitrag schöpft aus unterschiedlichen Lehr- und Forschungserfah-rungen - hauptberuflich in (empirisch-)quantitativen Fächern bzw. in deren „Fachdidaktik“ (u. a. im Fragenlabor des niederländischen Zentralamts für Statistik und in der niederländischen Fernuni) und nebenberuflich als überzeugter Dozent Wirtschaftsniederländisch.