Zeitschrift für Bildung und Kultur 2 Prisma 33 | 2018 Inhalt Editorial 3 Die Redaktion Suche nach...
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Zeitschrift für Bildung und Kultur
GratisPrisma 33 | 2018
Im GesprächSuche nach den Quellen
Gedenken an Emil Molt
Die soziale Frage und die Kunst
Spielen und Gehörtwerden
Kulturkalender
Prisma 33 | 20182
Inhalt
Editorial 3Die Redaktion
Suche nach den Quellen 4Von Brigitte Langguth-Pütz
Emil Molt 6Von Manfred Kannenberg-Rentschler
Die soziale Frage und die Kunst 10Von Esther Koch
Spielen und Gehörtwerden 14Von Esther Koch
Impressum
Herausgeber: Waldorfschule Chemnitz,
Sandstraße 102, 09114 Chemnitz
Erscheinungsweise: PRISMA erscheint vor den
Sommerferien und in der Adventszeit als unab-
hängige Zeitschrift für Bildung und Kultur.
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Tel. 0371 4017886
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V.i.S.d.P.: Christian Wolf
Jeder Beitrag gibt die Meinung des Autors
wieder; eine Übereinstimmung mit der
Meinung der Redaktion kann aus seiner Veröf-
fentlichung nicht abgeleitet werden. Titel
verantwortet die Redaktion, sinnwahrende
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PRISMA-Redaktion:
Brigitte Langguth-Pütz · Sandstraße 102
09114 Chemnitz · Tel. 0371 334076-10
Diana Winkler | Webergasse 3 | 09111 ChemnitzTel. 0371 35577228 | www.monokel-buchladen.deMo.–Fr. 10.00 – 19.00 Uhr & Sa. 10.00 – 18.00 Uhr
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Prisma 33 | 2018 3
Liebe Leserin, lieber Leser,
2019 wird die Waldorfbewegung ihren
100. Geburtstag feiern. Ein Anlass, diesem
Ereignis die nächsten Ausgaben des Prisma-
Heftes zu widmen. Den Waldorfschulen liegt
eine gemeinsame pädagogische Ausrichtung
zugrunde, ein gemeinsames Menschenbild,
man könnte auch sagen, eine gemeinsame
Philosophie. Sogar einen gemeinsamen
Lehrplan für diese zwölfklassige Schulform
gibt es. Dennoch ist jede Schule sehr indivi-
duell geprägt, ganz durch den Ort, die dort
arbeitenden Lehrer und die Eltern so einzig-
artig, wie man es sich nicht ausdenken oder
planen könnte. Weltweit originell – und
doch fühlt man sich dort wie „zu Hause“.
Wie kann das gehen?
Die Antwort ist nicht eindeutig, aber
sie „leuchtet“ durch alle Beiträge diese
Heftes: sei es in den Schilderungen über den
Gründungsimpuls und den eigentlichen
Urheber Emil Molt, über das politische Engage-
ment der Gründer in der sozialen Dreigliede-
rungsbewegung, über die Kunst des Sprechens,
und nicht zuletzt über die Art, wie in unserem
Hort der Chemnitzer Waldorfschule die Arbeit
gestaltet wird.
Allen grundlegenden Gedanken und
äußeren Handlungen scheinen Impulse und
Motive, wie aus einer gemeinsamen Quelle
zugrunde zu liegen, die Stil-prägend wirkt. So
kann man umgekehrt auch feststellen: nur da,
wo aus dieser Quelle geschöpft wird, handelt
es sich um Waldorfpädagogik.
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diese Quelle entdecken mögen.
Die Redaktion
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100 Jahre WaldorfschuleEditorial
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Prisma 33 | 20184
Suche nach den QuellenVon Brigitte Langguth-Pütz
Zur Begründung der Waldorfschule
Vor 100 Jahren endete der 1. Weltkrieg.
Markus Osterrieder veröffentlichte kürzlich
eine tiefgreifende Dokumentation, in der er
nach siebzehnjähriger Forschung an Doku-
menten über Hintergründe, Ursachen und
Wirkungen gearbeitet hatte. Dabei ging er
Anregungen Rudolf Steiners nach, der damals
relevante Vorschläge für eine politische
Neuordnung Deutschlands vorlegte. Tragi-
scherweise wurden diese in den Friedensver-
handlungen nicht berücksichtigt. Dass sich aus
dieser vermeintlichen alleinigen Kriegsschuld
Deutschlands die nächste furchtbare Katas-
trophe in Form des 3. Reiches und des 2. Welt-
krieges entwickelte, wissen wir heute.
Das Scheitern der Dreigliederungsbe-
wegung Steiners führte damals zu einem
Entschluss Emil Molts, Rudolf Steiner zu bitten,
durch eine zeitgemäße Pädagogik wenigstens
bei den Kindern mit einer anderen Erziehung
und Schulbildung für eine bessere Zukunft zu
sorgen. So ermöglichte er mit dem Kapital der
„Waldorf-Astoria“ Zigarettenfabrik die Schul-
gründung, der ersten Waldorf-Schule in Stutt-
gart, deren pädagogische Grundlagen durch
Rudolf Steiner gegeben wurden. Zur damaligen
Zeit gab es viele neue Ansätze zu einer zeitge-
mäßen Pädagogik – die schwierigen Lebens-
umstände forderten dies geradezu heraus.
Steiner schätzte die Ideen durchaus – viele, die
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wir heute selbstverständlich finden: „man muss
auf die Individualität des Kindes eingehen, die
Persönlichkeit muss entwickelt werden, wir
müssen den Willen des Kindes erziehen, es
muss zur Freiheit und Selbstständigkeit geführt
werden,…“
Jedoch ist die Waldorfschule keine
übliche Reformschule. Steiner macht in seinen
Vorträgen über eine „anthroposophische
Menschenkunde“ immer wieder deutlich,
dass alleine die Forderung nach Willens- und
Gemütserziehung diese noch nicht ermöglicht.
Er fasste den Menschen grundsätzlich anders
auf und schilderte den Lehrern einen ganzen
Kosmos von Zusammenhängen des einzelnen
Menschen mit der Welt. Er verlangte vom ersten
Kollegium, sich in diese Pädagogik hinein zu
arbeiten. Dies geschieht nun seit einhundert
Jahren und eine große Zahl von forschenden
Pädagogen haben diese Gedanken aus der
Menschenkunde vertieft und die Themen
forschend bearbeitet. Es gibt inzwischen
zahlreiche und vielfältige Literatur, die den
Lehrern – besonders den neuen Kollegen, bei
ihrer Arbeit dienen soll und kann. Das hört
sich ganz nach Rezepte-Pädagogik an. Dieser
Eindruck kann berechtigt sein, denn es liegt
an jedem einzelnen Lehrer, wie er sich selbst
zu dem Gründungsimpuls stellt. Er kann nur
Rezepte anwenden, er kann aber auch selbst
meditativ die Anregungen Rudolf Steiners
aufgreifen und weiter daran forschen. Er kann
sogar seinen persönlichen Impulsen folgen
und als „Nicht-Waldorflehrer“ daraufhin an
einer Waldorfschule arbeiten. Das liegt immer
in der Verantwortung der Schulleitung, ob sie
dies duldet. Bei der Größe der wachsenden
Waldorfschulbewegung und den Bedingungen,
die durch ein staatliches Prüfungswesen einer
Schule auferlegt sind, stellt sich sehr deutlich
die Frage nach der Qualität dieser Schulform.
Rudolf Steiner selbst gibt zudem einen
Hinweis auf die Zeitstruktur dieses neuen
pädagogischen Impulses: nach 100 Jahren
wird sich zeigen, ob er originär und lebendig
bleibt, ob die Lehrer selbst an die Quelle gehen
oder aus Tradition Rezepten folgen. Im letzten
Falle wäre es nur eine Frage der Zeit, dass diese
Schulform jede Berechtigung einer eigenen
Existenz verlöre und sich äußeren Gegeben-
heiten nur anpasse. Damit würde sie jedoch
keinen Beitrag mehr zur Erneuerung der Kultur
leisten und nur eine alternative Schule sein, in
der man mehr oder weniger aufgrund von Theo-
rien herum experimentiert. Im schlimmsten
Falle könnte man sie auch wegrationalisieren.
Diese Frage muss zum Zeitpunkt eines einhun-
dertjährigen Bestehens gestellt werden und es
ist Gelegenheit, sich zu besinnen und nach der
Qualität der Waldorfschule zu fragen.
Dies soll in den nächsten Ausgaben dieser
Zeitschrift zum Inhalt gemacht werden und es
kann damit ein Beitrag geleistet werden, bewusst
auf den 100-jährigen Geburtstag der Waldorf-
schulen im September 2019 zuzugehen. Die
Beiträge kommen zum Teil aus der weltweiten
Beschäftigung mit diesem Thema durch Waldorf-
lehrer und Hochschulkollegen, sowie aus der
pädagogischen Arbeit hier vor Ort in Chemnitz.
Brigitte Langguth-Pütz
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Wir tragen sie alle in uns, die Glieder des
sozialen Organismus, wenngleich gewöhnlich
unbewußt oder vorbewußt: 1. das rechtlichen
Leben der Vereinbarungen von Gleichen unter
Gleichen, 2. die Sphäre der auf Gegenseitig-
keit gründenden Wirtschaftsassoziationen, in
denen Gemeinsinn waltet und 3. das freie,
selbstverantwortliche Geistes- und Kultur-
leben. Der Einzelne steht in allen drei Sphären
tätig darinnen und faßt sie in sich zusammen.
Rudolf Steiner hat mitten im ersten
Weltkrieg, 1917, in einigen seiner ratsu-
chenden Schüler und Initiaten zunächst ein
empfindendes Verständnis von dieser sozi-
alen Gegenwarts- und Zukunftsgestalt, die aus
dem zerbrechenden Einheitsstaat erwachsen
kann, wachgerufen: Zu ihnen gehören u.a.
Otto Graf Lerchenfeld, Ludwig Polzer-Hoditz,
Roman Boos, Hans Kühn, Carl Unger und Emil
Molt. Sie fragen ihn nach einem Ausweg aus
der Kriegsverstrickung und Staatskrise und
bitten ihn um Memoranden für einige politisch
Verantwortliche, zu denen sie Zugang hatten:
v. Kühlmann, den Verhandlungsführer auf deut-
scher Seite bei den Verhandlungen in Brest-
Litowsk, Ministerpräsident Seidler in Öster-
reich und Kaiser Joseph und später den letzten
Reichskanzler Prinz Max v. Baden. Vergeblich,
die verantwortlichen Repräsentanten verstehen
nicht oder blocken ab.
Es beginnt eine Volksbewegung für die
Dreigliederung, zunächst Anfang 1919 mit Stei-
ners „Aufruf an das Deutsche Volk und an die
Kulturwelt“, den hunderte Kaufleute, Künstler,
Handwerker und Lehrer uvm. unterschreiben –
in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Emil Molt zeichnet mit für das Komitee und
nennt den Aufruf den Beginn der Dreigliede-
Gedenken an Emil MoltVon Manfred Kannenberg-Rentschler
Autoreferat anlässlich des 80. Todestages
Morgenröte einer schenkenden Wirtschaft und eines allgemeinen, freien Erziehungswesens
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rungsbewegung. An einem kritischen Punkt
dieser in vielen reaktionären Kreisen wenig
geliebten, ja verhaßten Bewegung war er hell-
hörig genug, entsprechenden Fragen aus seiner
Belegschaft und R. Steiners Empfehlung zur
Gründung eines ganz neuen Schultypus mit
der Tat zu begegnen. Er nimmt die Gründung in
die Hand, finanziert sie mit zunächst 100.000,-
Mark [1] und gewinnt Steiner für die entspre-
chenden menschenkundliche und didaktischen
Kurse und als Kollegiumsleiter. Sein Credo:
“Wir wollten bescheiden, aber mit starkem
Wollen beitragen zur Besserung der sozialen
Verhältnisse. Es war wenig vorhanden, nur
Mut und Wille, wenig Kinder, kein Gebäude,
keine Lehrer, viel Arbeit! Es kommt darauf an,
daß wir ganze Menschen erziehen, solche, die
nicht nur totes Kopfwissen haben, sondern vor
allem soziales Empfinden für andere. Das Wort
Schule ist ein enges Wort, es muß weit gefaßt
werden: Menschenbildungsstätte. Resignation
hat sich eingeschlichen in bezug auf Mensch-
heitsfragen; man verzichtet darauf, den vollen
Ertrag der Schulen hineinzunehmen in das
soziale Leben.“ [2] Die Dreigliederungsbewe-
gung „stülpt“ sich durch diese Initiative in die
Waldorfschulgründung hinein.
Emil Molt, der am 14. April 1876 in Calw
geboren wird und früh seine Eltern verliert,
hat mit seiner Frau Bertha um 1907 herum
Rudolf Steiners Geistesgut und Geisteswege in
Vorträgen kennengelernt und üben sie selbst.
Nach gründlicher kaufmännischer Ausbil-
dung (Handelshaus Georgi) und beruflichen
Auslandsaufenthalt in Griechenland führt ihn
bald seine unternehmerische Initiative 1906
zur Gründung der Waldorf-Astoria-Zigaret-
tenfabrik , die in ihrer Blütezeit bis zu eintau-
sendfünfhundert ArbeiterInnen beschäftigt. Sie
existiert bis zur Weltwirtschaftskrise und wird
im Zusammenhang damit vom Reentsma-
Konzern übernommen. [3]
Heute reden wir viel über „neue Unter-
nehmenskultur“, „Entrepreneurship“, „ Lean
Management“, „Gemeinwohlbilanz“ u.ä..
Molts Waldorf Astoria-Unternehmen war dem
allen damals längst auf der Spur: Betriebsrat,
betriebliche Altersversicherung und Kranken-
vorsorge, Erholungsheim, Bildungsprogramme,
„Waldorf Astoria-Nachrichten“, „Waldorf
Astoria-Bücherei“ u.a.
Seine Weitsicht bezieht sich auch auf
seine Mitwirkung bei der assoziativen Grün-
dung der treuhänderischen „Der Kommende
Tag AG“ (1920), einem kooperativen Zusam-
menschluß verschiedener Unternehmen zur
Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte.
Beginn einer sozialen Kapitalverwandlung,
die später ebenfalls durch die Weltwirtschafts-
krise in Schwierigkeiten gerät. [4] Molt ist ganz
Tatmensch, aber vor allem ist er praktischer
Denker, der seine Firma gar nicht isoliert vom
Weltwirtschaftsgeschehen und dessen sich
entwickelnden Zukunftsorganen betrachten
kann und aus moralischem Intuitionsvermögen
handelt. Zur Tragik dieses Mannes gehört aber
auch neben dem späteren Verlust seiner Firma
Wärmedämmung
Putze + Naturfarben
Lehm+Kalk
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Böden
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Natur Point Unger
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sein Vorstoß, die eben auf Steiners Drängen und
mit Zustimmung Eliza v. Moltkes gedruckten
H.v.Moltke-Erinnerungen über die Ereig-
nisse vor und nach Kriegsausbruch voreilig
zur preussischen Gesandtschaft zu bringen,
sodaß die Auslieferung des Buches von den
Militärs noch verhindert wird. Dadurch bleibt
ein wichtiges Dokument zur Widerlegung der
Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des
Weltkrieges der Öffentlichkeit unbekannt. [5]
Emil Molt trägt die Idee Dreigliederung des
sozialen Organismus als Erkenntnis in sich und
bringt sie als Unternehmer, Kaufmann, Initi-
ator, Schulgründer und Weltwirtschaftler im
Leben zur Fruchtbarkeit.
Deshalb ist es auch unzutreffend, heute
in seine Schulgründung einen Privatschulcha-
rakter hineinzulegen. Über die Zugehörigkeit
der Schule zur Waldorf Astoria-Zigarettenfa-
brik gab es bereits kurz nach der Schulgrün-
dung Konflikte zwischen ihm und dem geistig
unabhängigen Kollegium. [6] Das Renommee
der Schule sollte nicht durch das Renommee
der Waldorf-Astoria gemindert werden. R.
Steiner betonte unmißverständlich, daß die
Schule allein das Verdienst Molts sei, aber als
Persönlichkeit, der es verstand eine Initiative
zu entfalten, unabhängig von der Waldorf-
Astoria. Diese Unabhängigkeit kommt, genau
besehen, in dem Momentum der Schenkung
zum Ausdruck: Das Wirtschaftsleben hat sich
von den Kapitalüberschüssen getrennt und
im kulturellen Leben leben sie neu auf. Molt
steht hier in Doppelfunktion als Bürge und
Treuhänder für das Neuland einer sich selbst
verwaltenden und neu organisierenden Gesell-
schaft. Wir können also in „seiner“ Schule den
Anfang eines öffentlichen Schulwesens in freier
Trägerschaft, für alle Menschen bis zum acht-
zehnten Lebensjahr, erblicken. Ein Menschen-
recht und eine soziale künftige Wirklichkeit.
In seinem Schenkungsakt manifestiert sich
wie in einem Vorschein eine Geldverwand-
lung, die die geistige Wertschöpfung der
Bildung im volkswirtschaftlichen Prozeß zum
Ausdruck bringt. Nicht unbegrenzte Kapital-
akkumulation, sondern sozial organischen
Kapitalverbrauch und –verwandlung macht
einen gesunden weltwirtschaftlichen Prozeß
aus. Hierfür kann Molts Tat, umfassend
gedacht, als Initialzündung gelten.
Im Ganzen, für das Wohl Aller drang es
damals politisch nicht durch. Aber wir haben
mit der gegenwärtigen Waldorfschulbewegung
weiterhin einen Zipfel in der Hand, solchen
produktiven Umbau des gesellschaftlichen
Lebens einzufordern und zu befördern. Molts
Schenkung ist eine Initialzündung, dieses freie
Schulwesen mehr und mehr als Erziehung in
Freiheit aus der Vormundschaft, ja dem Diktat
der Staatsbürokratie zu lösen und das assozi-
ierte Wirtschaftsleben in seine Finanzierung
einzubinden. Die Menschen wollen es doch
längst. Er sah voraus, daß ausgedientes, alt
gewordenes Industriekapital sich in der Kultur
der Menschenfähigkeitenbildung erneuern und
verjüngen kann und so Krebsschäden am sozi-
alen Organismus verhütet. Materielle Produk-
tion und rein geistige Werterzeugung können
so in ein anhaltendes Gleichgewicht kommen.
Für die Schule auf der Uhlandshöhe ist
Molt der Vater, aber die Mutterhülle ist die
lebendige Idee der Dreigliederung des sozi-
alen Organismus und dessen Werden und
Gesundung. In Molt lebte diese Wahrheit, in
uns Heutigen kann sie heller dämmern. Im
lebendigen Strom der Überlieferung haben wir
ein geistiges Kapital der Bewegung für soziales
Handeln aus Geisterkenntnis.
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Anmerkungen
* Das Gedenken fand am 17.6. 2016, 19.30 h
in der Bibliothek des Steiner-Hauses in Berlin-
Dahlem statt.
[1] Dieser Betrag erhöhte sich in den folgenden
Jahren auf 170.000,- und 200.000,-. Hinzu
kam am Beginn der Erwerb des Grundstücks
zur Uhlandshöhe durch Molt für 450.000,-
Mark.
[2] Molt „Entwurf meiner Lebensbeschreibung“
(1972), aus einer Ansprache von Molt 1929, im
Nachwort zitiert von Johannes Tautz.
[3] STIFTUNGGEISSTRASSESIEBEN in Stutt-
gart würdigt 2005 Molt in einem Gedenkblatt.
Hier findet sich der Hinweis, dass die Über-
nahme durch Reentsma raffniert und quasi
„feindlich“ war, der Konzern aber in schwie-
rigen Zeiten die Waldorfschule noch ein Jahr
bezuschußt hat und 2004 das gesamte Archiv
dem Museum für die Geschichte der Arbeit in
Hamburg kooperativ zur Aufarbeitung über-
geben hat.
[4] Näheres zur Gründung und dem späteren
Scheitern in Dokumenten und Zeitzeugen-
schaft bei Hans Kühn. „Dreigliederungszeit“.
Dornach 1978.
[5] Hierzu Dietrich Esterl: „Emil Molt (1876-
1936) – Tun, was gefordert ist“. Stuttgart 2013.
[6] Esterl, a.a.O. [7] Die vollwissenschaftliche
Ausarbeitung der Tatsache der Geldverwand-
lungen im volkswirtschaftlichen Prozeß, also
auch der öffentlichen Schenkung, erfolgt erst
drei Jahre nach der Schulgründung in Steiners
„Nationalökonomischen Kurs“ (1922). Hierzu
gibt eine andere anthroposophisch orientierte
Unternehmerin den Anstoß: Dr. Charlotte
Mellinger.
Quelle
Zeitschrift Europäer, Basel, Ausgabe Juni 2016.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des
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Deutschland hat den 1. Weltkrieg verloren.
Es ist wohl der schlimmste Krieg, den die Welt
bis dahin gesehen hat. Man weiß nicht, dass
noch schlimmeres bevorsteht. Mit dem verlo-
renen Krieg gibt es auch soziale Unruhen.
Das System, das in den Krieg geführt hat, kann
doch nicht einfach weiter bestehen. Tausende
von traumatisierten Soldaten kehren zurück,
tausende leiden in russischer Gefangenschaft.
Gerade hier in Sachsen soll später ein Sana-
torium für Kriegsgefangene und ein Waisen-
heim für Kinder dieser Kriegsgefangenen durch
den unermüdlichen Einsatz der Schwedin
Elsa Brändström entstehen. In Zeiten der Not,
da Millionen durch die Grippe, Entkräftung,
Hunger dahingerafft werden, eine unglaubliche
Leistung. Krieg hat die Menschen verroht. Es
kommt zu politischen Morden, Karl Liebknecht
und Rosa Luxemburg sind da nur ein Beispiel.
Rudolf Steiner versucht seinerseits, in den
Gang der Dinge einzugreifen. Er gibt einen
Aufruf an das deutsche Volk heraus. Redner
setzen sich für seine Idee der sozialen Drei-
gliederung ein. Sie reden auf Plätzen, in
verrauchten Spelunken, Fabriken. Ihre Stimmen
machen nicht mehr mit. Daher wenden sie sich
an Rudolf Steiner mit der Bitte um Übungen
für Ihre Stimmen. So gibt es im Mai 1919 den
ersten Kurs in Sprachgestaltung für Redner zur
sozialen Dreigliederung. Es sind Übungen für
Artikulation, Atemführung, Geläufigkeit. Fast
keine macht irgendeinen Sinn. Bewusst wurden
die Übungen so gestaltet, dass es nur auf die
Folge der einzelnen Laute ankommt. Die Laute
sollen den Menschen zu richtigem Sprechen
führen. Er soll so sprechen, dass nicht der Kopf
betont, sondern der Atem die bewusst gegrif-
fenen Laute durchmodelliert, lebendig macht.
Die eigene Körperlichkeit, die die Sprache in
der Regel begrenzt, wird so nach zwei Seiten
überwunden: Indem ich die Laute aus einem
unsichtbaren geistigen Raum hole, „vorhöre“,
bin ich an die Welt angeschlossen, aus der
diese stammen. Dann spreche ich so, dass
sie sich auf der schwingenden Luft im Raum
bewegen, also nicht mein Körper, sondern der
Raum den Resonanzkörper bildet.
Der Gründung der ersten Waldorfschule
in Stuttgart ging ein vierzehntätiger Einfüh-
rungskurs für die angehenden Lehrer voraus.
Die soziale Frage und die KunstVon Esther Koch
1919 – Die Geburt der Sprachgestaltung
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Teil dieses Einführungskurses war auch Unter-
richt in Sprachgestaltung. Die Lehrer bekamen
die gleichen Übungen wie die Redner zur
sozialen Dreigliederung. Es war klar: Wenn ich
Kinder unterrichten will, darf ich nicht kopfbe-
tont sprechen (die meisten angehenden Lehrer
waren Doktoren). Dann werde ich das Instru-
ment, auf dem die Sprache spielt. Oftmals muss
ich das Instrument erst einmal stimmen: Wie
stehe ich? Wie bewege ich mich? Dann kommt
Artikulation, Geläufigkeit hinzu. Erst 1924 gab
es einen Kurs für Schauspieler. In diesem waren
neben dramatischen Übungen auch Übungen
für Vokale enthalten. Konsonanten geben der
Sprache ihr Skelett, Vokale drücken das Seeli-
sche des Menschen aus. Deswegen ist es auch
sehr viel schwerer, an den Vokalen zu arbeiten,
gerade an den Vokalen hört man, woher ein
Mensch kommt.
Wenn man heute alte Aufnahmen aus den
20er und 30er Jahren hört, erscheint es gera-
dezu befremdlich wie langsam die Menschen
sprechen. Das heißt aber nichts anderes, als
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dass damals die Sprache noch viel lebendiger
war als heute, weil sich die Menschen mehr
Zeit zur Formung der Laute nahmen. Heute
gilt Sprache nur noch als Informationsträger.
Und selbst die Fähigkeit sich differenziert
auszudrücken, geht verloren. Damit aber auch
die Denkfähigkeit. Es bleiben Emotionen, die
sich ein Ventil suchen, weil der Mensch selbst
seinen Gefühlen sprachlos gegenübersteht.
Früchte der Anthroposophie kann man heute
in vielen Bereichen der Gesellschaft erleben.
Da gibt es die Waldorfschulen, anthroposophi-
sche Medizin, Demeter Nahrungsmittel etc.
Auf zwei Gebieten scheint es dagegen keinen
Erfolg zu geben: Der sozialen Dreigliederung
und der Sprachgestaltung. Die Folgen dieser
Tatsache sind in unserer Gesellschaft deutlich
zu spüren: Sprachlosigkeit und Gewalt. In
Bezug auf die Sprachgestaltung gibt es jedoch
eine Ausnahme: Sie wurde zur künstlerischen
Therapie weiterentwickelt. Also wenn der
Mensch durch Krankheit gegangen ist, fragt er
doch danach.
Ich bin unter diesen Umständen sehr erfreut,
dass das Kollegium mir zugesprochen hat, mich
zum größten Teil mit meinem ersten Beruf, der
Sprachgestaltung, beschäftigen zu können.
Regelmäßige Arbeit in den Klassen kann vielem
vorbeugen. Schon jahrelang arbeite ich mit
Frau Strauß zusammen, deren Klasse dadurch
äußerst sprachkräftig ist. Mit einzelnen Schülern
arbeite ich teils künstlerisch, teils therapeutisch,
neu dazu gekommen ist die Arbeit mit kleineren
Gruppen. Nun, da ich keine eigene Klasse mehr
führe, sprechen mich auch zunehmend Lehrer
an, so wie dies ja auch zu Beginn der Waldorf-
schule gedacht war.
Gesellschaftspolitisch sehe ich nach 100
Jahren Waldorfschule jedoch zwei weitere
Aufgaben: Bewusst habe ich geschrieben, die
Früchte der Anthroposophie seine bekannt.
Merkwürdigerweise interessieren sich aber nur
wenige Menschen für die Quelle, die Anthro-
posophie selbst. Sich mit dieser zu beschäf-
tigen, diese zu pflegen ist heute nötiger als je.
Die zweite Aufgabe ist im oben beschriebenen
Sinne das zweite Gebiet, auf dem die Anthro-
posophie nicht in der nötigen Weise weiter-
entwickelt wurde: Die soziale Dreigliederung.
Gibt es Menschen, die sich damit beschäftigen
wollen? Ich persönlich sehe keinen anderen
Weg, die Probleme von heute zu lösen und der
nächsten sich anbahnenden Katastrophe etwas
entgegen zu setzen.
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Prisma 33 | 201814
Schon in der ersten Waldorfschule, die
1919 in Stuttgart gegründet wurde, gab es einen
kleinen Hort, in dem die Kinder am Nach-
mittag von den Lehrern betreut wurden. Für die
vielfach aus Arbeiterhaushalten stammenden
Kinder brauchte man eine Möglichkeit zur
Betreuung und Beschäftigung nach der Schule.
Dies erforderte eine gänzlich andere pädago-
gische Arbeit als Vormit-
tags im Schulunterricht.
Daher gab Rudolf Steiner
den Lehrern verschiedene
Anregungen zur Hortbe-
treuung. Beispielsweise
diese: „Man kann sie Spie-
lereien machen lassen.
Auch Theater können
sie spielen. Sie können
auch ihre Schulaufgaben
machen.“
Der Schulhort gehört nun also schon
bald hundert Jahre als fester Bestandteil zur
Waldorfschulbewegung. Damals galt er als
äußerst fortschrittlich. Heute gehört die Hort-
betreuung in den verschiedensten Formen zur
Normalität, selbst in den alten Bundesländern,
die zum großen Teil erst nach der Wende diese
Einrichtung übernommen haben. Auch in
unserer Waldorfschule in Chemnitz gibt es seit
der Schulgründung einen Hort, der sich immer
weiterentwickelt, verändert und vergrößert hat.
Nicht ohne Grund.
Hier möchte ich einen kleinen Eindruck
entstehen lassen, was da am Nachmittag
eigentlich passiert…
Die Kinder der Klasse
4a strömen und wuseln
aus dem Schulgebäude,
die letzte Schulstunde ist
vorbei und der Bewegungs-
drang der Mädchen und
Jungen ist riesig!
Es sind fast immer
dieselben Jungs, die als erste
bei mir im Hort „Atelier“
ankommen. Während ich
noch mit dem Abwasch, der mal wieder von
Gestern stehen geblieben ist, beschäftigt bin,
werde ich lauthals von Ihnen begrüßt!
Die Begrüßung ist mir wichtig, ich unter-
breche meine Arbeit und wende mich den
Kindern zu, bin gespannt was es Neues gibt.
Es ist im Ankommen schon zu spüren, welche
Spielen und GehörtwerdenVon Esther Koch
Der Hort
„Da sollen die Kinder Unterhaltung
haben. [...] Sie sollen im Hort ande-
res tun als Schultätigkeit. Die Kinder
sollen nur fühlen, dass man da ist,
wenn sie etwas brauchen. Von be-
sonderem Wert ist es, sich von den
Kindern ihre Erlebnisse erzählen zu
lassen. Man muss sich interessieren
dafür. Es ist gesundend, wenn ein
Kind sich aussprechen kann.”
Rudolf Steiner über den Hort
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Stimmungen vorherrschen, welche Ereig-
nisse den Vormittag geprägt haben, wo bei
einzelnen vielleicht auch der Schuh drückt.
Es werden Mitteilungen aller Art gemacht,
oft auch mehrere gleichzeitig, so dass zwei
Ohren gar nicht genug sind. Spielideen wollen
sofort in die Tat umgesetzt werden, es muss
entschieden werden, welche Kinder heute
in die Puppenecke dürfen. Und es wird viel
gefragt; „Wo ist das Spiel mit der Kugel und
dem Labyrinth?“ oder „Herr Flad, hast du
meinen Stock gesehen?“ und „...müssen wir
heute Vespern?“
Es muss Trost gespendet, Wogen geglättet
und Erlebnissen gelauscht werden. Ein jedes
Kind bringt mir etwas mit, das was ihm auf dem
Herzen liegt. Und es zieht Leben in die Bude ein!
Nun kommt es mir aber darauf an, den wilden,
quirligen und etwas chaotischen Strom zunächst
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in ruhigere Kanäle fließen zu lassen. Ich muss
dafür sehr wach und ganz bewusst da sein. Es ist
schon einiges getan, wenn ich mir eine gewisse
innere Ruhe schaffe, die auf die Kinder wirken
kann, wenn diese Ruhe Platz gemacht hat, für
ein wirkliches Interesse an den Kindern und
deren besonderen Bedürfnissen sich mitzuteilen.
Diese Tatsache ist nicht zu unterschätzen. Rudolf
Steiner sagt in diesem Zusammenhang; „Von
besonderem Wert ist es, sich von den Kindern
ihre Erlebnisse erzählen zu lassen. Man muss
sich interessieren dafür. Es ist gesundend, wenn
ein Kind sich aussprechen kann.“
Verwandlung erleben
Die Tage sind nie gleich. Für den Hort
gilt das ganz besonders, denn es entstehen
täglich immer wieder neue Schauplätze in
denen die Kinder in phantasievollem Freispiel
agieren, Situationen nachspielen, sich ganz
hinein begeben können in eine andere Wirk-
lichkeit und dabei wirkt es manchmal wie ein
Improvisationstheater, in dem einige Kinder
die Darsteller, Regisseure, Maskenbildner und
Bühnenarbeiter gleichzeitig sind. Heute gibt
es eine „Imbiss-Bude“, in der fleißig gebraten,
frittiert, eingepackt und verkauft wird, es geht
hektisch und geschäftig zu. Leider hat niemand
Hunger und so bekomme ich innerhalb von
fünf Minuten, meine dritte Portion Pommes.
„Hmm… sehr lecker!“ Muss ich zugeben.
Gestern hatten wir einen „Frisör-Salon“, da
wurde gefärbt und geflochten, gezupft und
gedreht, der Laden verschönert und viele tolle
Zeitschriften beim Warten durchgeblättert.
Es entstehen ganz eigene wandelbare
Welten in unserem Hortraum, auch Welten aus
Bausteinen, Tüchern, Pappen, Wolle, Steinen
und Stoffresten, die von Drachen und Tieren
oder anderen Wesen bewohnt werden – und,
auch geheiratet wurde bei uns schon, ja es war
fast etwas zu aufregend, nicht nur für die Kinder!
Man muss hier ein Stück weit wieder
selbst zum Kind werden. Mit den Kindern
lachen und mitfühlen können, ein Gefühl dafür
bekommen; wann muss ich präsent sein oder
lieber etwas in den Hintergrund treten, Wichtig
aber ist, dass die Kinder fühlen, dass man da
ist wenn Hilfe benötigt wird und man eine
Autorität verkörpert, zu der das Kind vertrau-
ensvoll aufblicken und sich hinwenden kann.
Mit den Worten von Steiner, die auch als Anre-
gung aufgenommen werden können; „Man soll
dabei selbst zum Kinde werden, soll die Kinder
lachen machen. Sie sollen im Hort anderes tun
als Schultätigkeit, die Kinder sollten nur fühlen
das man da ist, wenn sie etwas brauchen.“
Es ist Tag für Tag etwas ganz besonderes,
die Kinder zu erleben und zu beobachten, was
sie bewegt und was in ihnen vorgeht. Ende
der dritten, Anfang der vierten Klasse ist nun
auch eine spannende Phase, die die neun- und
zehnjährigen gerade durchleben bzw. schon
durchlebt haben. Es ist die Zeit, in der das
Kind sein „ICH“ in einer neuen Weise ergreift,
was sozusagen eine Metamorphose des ersten
ICH-Erlebnisses um das 3. Lebensjahr herum
darstellt, welches nun vieles für das Kind
in ein anderes Licht rückt, es sich neu in die
Gruppe hineinfinden muss und sich selbst in
einem veränderten Verhältnis dieser gegenüber
wahrnimmt. Es lernt mehr und mehr zu unter-
scheiden, zwischen Welt und Ich. Dies wird
in bestimmten Spielsituationen gut sichtbar,
manche Kinder stehen im wahrsten Sinne des
Wortes außerhalb, schauen dem Treiben zu,
wollen mit hinein, finden aber nicht immer den
richtigen Anschluss. Man kann es manchen
Kindern wirklich ansehen, wie es in ihnen
arbeitet. So muss ich als Erzieher die Kinder
jeden Tag aufs Neue anschauen und gleich-
zeitig die Entfaltung ihrer Persönlichkeit in der
Überschau im Blick haben, um solche Wand-
lungen bemerken zu können. Damit hängt
die Entwicklung des Gewissens, des Gedächt-
nisses, des Temperaments, die Neigungen,
Gewohnheiten und des Charakters zusammen.
Das alles, dieses innere und äußere
Wachstum und die Umgestaltung, geschieht
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Kochkurse für unsere „Kleinen“
Kochkurse für die „Großen“
natürlich nicht ohne Reibungen und Span-
nungen. Aber gerade wenn man sich als
Erzieher dieser Veränderungen bewusst ist,
kann man auch in angemessener Weise dem
Kind entgegenkommen, es unterstützen und
ihm deutlich machen, dass man versteht was
gerade in ihm vorgeht. Dies sollte aber nicht
vorrangig durch Worte, durch abstrakte Begriffe
geschehen, die man direkt an das Kind richtet.
Es sind vielmehr allgemeine Wahrheiten die
hilfreich sind sich der Welt auf neue Weise
anzunähern, in bildhaften Vergleichen veran-
schaulicht oder durch Geschichten und Erzäh-
lungen, durch Gleichnisse an denen die Kinder
sich selbst eigene Bilder hervor holen können.
Hier kommt es mir auf die richtige Auswahl der
Erzählungen, Märchen, Geschichten usw. an,
die bei der Entwicklung des Seelenlebens der
Kinder hilfreich sein können. Beim Zuhören
verbinden sich die Kinder innerlich mit den
Protagonisten, sie freuen sich mit ihnen,
können sich ärgern, ängstlich oder wütend sein
und sich vielleicht auch selbst in bestimmten
Situationen wiedererkennen. Besonders span-
nend ist es natürlich, wenn man aus seinem
eigenen Erfahrungsschatz schöpft und daraus
erzählt. Die einzige Zeit, die uns dafür im
Hort der vierten Klasse zur Verfügung steht, ist
bei der Vesper. Und deswegen antworte ich;
„Ja, wir vespern heute wieder zusammen, so
wie jeden Tag.“ Ich mache das nicht nur um
eine kleine Konstante, eine feste Gewohn-
heit im Hortnachmittag zu haben, sondern es
ist eben auch die einzige Zeit, in der wir alle
zusammen sitzen, zur Ruhe kommen und einer
Geschichte lauschen können.
Danach können sich die Kinder wieder
ihren Spielen hingeben oder die Ganztagsan-
gebote nutzen. Die ersten werden so nach und
nach abgeholt, manche fahren auch allein mit
dem Bus nach Hause. Es war ein langer Tag,
mit vielen Erlebnissen, Eindrücken und neuen
Erfahrungen.
An der Notwendigkeit einer Horteinrich-
tung an den Schulen hat sich bis heute nichts
geändert. Das Thema Nachmittagsbetreuung
ist genauso aktuell wie vor knapp hundert
Jahren. Daran ist unter anderem erkennbar, wie
zukunftsweisend und zeitgemäß die Waldorf-
schule damals schon war.
Esther Koch
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