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Zeitschrift für Bildung und Kultur Gratis Prisma 33 | 2018 Im Gespräch Suche nach den Quellen Gedenken an Emil Molt Die soziale Frage und die Kunst Spielen und Gehörtwerden Kulturkalender

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Zeitschrift für Bildung und Kultur

GratisPrisma 33 | 2018

Im GesprächSuche nach den Quellen

Gedenken an Emil Molt

Die soziale Frage und die Kunst

Spielen und Gehörtwerden

Kulturkalender

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Prisma 33 | 20182

Inhalt

Editorial 3Die Redaktion

Suche nach den Quellen 4Von Brigitte Langguth-Pütz

Emil Molt 6Von Manfred Kannenberg-Rentschler

Die soziale Frage und die Kunst 10Von Esther Koch

Spielen und Gehörtwerden 14Von Esther Koch

Impressum

Herausgeber: Waldorfschule Chemnitz,

Sandstraße 102, 09114 Chemnitz

Erscheinungsweise: PRISMA erscheint vor den

Sommerferien und in der Adventszeit als unab-

hängige Zeitschrift für Bildung und Kultur.

Anzeigen:

Simone Fiedler

Tel. 0371 4017886

Mail: [email protected]

V.i.S.d.P.: Christian Wolf

Jeder Beitrag gibt die Meinung des Autors

wieder; eine Übereinstimmung mit der

Meinung der Redaktion kann aus seiner Veröf-

fentlichung nicht abgeleitet werden. Titel

verantwortet die Redaktion, sinnwahrende

Kürzungen bleiben vorbehalten.

Gestaltung & Druck: Manufaktur-Medien

Albertstr. 23 · 09212 Limbach-Oberfrohna

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Auflage: 4.000

Vertrieb: Kostenlose Verteilung in Chemnitz

und Umgebung

Fotos: Pixabay.de, ...

PRISMA-Redaktion:

Brigitte Langguth-Pütz · Sandstraße 102

09114 Chemnitz · Tel. 0371 334076-10

Diana Winkler | Webergasse 3 | 09111 ChemnitzTel. 0371 35577228 | www.monokel-buchladen.deMo.–Fr. 10.00 – 19.00 Uhr & Sa. 10.00 – 18.00 Uhr

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Prisma 33 | 2018 3

Liebe Leserin, lieber Leser,

2019 wird die Waldorfbewegung ihren

100. Geburtstag feiern. Ein Anlass, diesem

Ereignis die nächsten Ausgaben des Prisma-

Heftes zu widmen. Den Waldorfschulen liegt

eine gemeinsame pädagogische Ausrichtung

zugrunde, ein gemeinsames Menschenbild,

man könnte auch sagen, eine gemeinsame

Philosophie. Sogar einen gemeinsamen

Lehrplan für diese zwölfklassige Schulform

gibt es. Dennoch ist jede Schule sehr indivi-

duell geprägt, ganz durch den Ort, die dort

arbeitenden Lehrer und die Eltern so einzig-

artig, wie man es sich nicht ausdenken oder

planen könnte. Weltweit originell – und

doch fühlt man sich dort wie „zu Hause“.

Wie kann das gehen?

Die Antwort ist nicht eindeutig, aber

sie „leuchtet“ durch alle Beiträge diese

Heftes: sei es in den Schilderungen über den

Gründungsimpuls und den eigentlichen

Urheber Emil Molt, über das politische Engage-

ment der Gründer in der sozialen Dreigliede-

rungsbewegung, über die Kunst des Sprechens,

und nicht zuletzt über die Art, wie in unserem

Hort der Chemnitzer Waldorfschule die Arbeit

gestaltet wird.

Allen grundlegenden Gedanken und

äußeren Handlungen scheinen Impulse und

Motive, wie aus einer gemeinsamen Quelle

zugrunde zu liegen, die Stil-prägend wirkt. So

kann man umgekehrt auch feststellen: nur da,

wo aus dieser Quelle geschöpft wird, handelt

es sich um Waldorfpädagogik.

Wir wünschen Ihnen, dass Sie beim Lesen

diese Quelle entdecken mögen.

Die Redaktion

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Suche nach den QuellenVon Brigitte Langguth-Pütz

Zur Begründung der Waldorfschule

Vor 100 Jahren endete der 1. Weltkrieg.

Markus Osterrieder veröffentlichte kürzlich

eine tiefgreifende Dokumentation, in der er

nach siebzehnjähriger Forschung an Doku-

menten über Hintergründe, Ursachen und

Wirkungen gearbeitet hatte. Dabei ging er

Anregungen Rudolf Steiners nach, der damals

relevante Vorschläge für eine politische

Neuordnung Deutschlands vorlegte. Tragi-

scherweise wurden diese in den Friedensver-

handlungen nicht berücksichtigt. Dass sich aus

dieser vermeintlichen alleinigen Kriegsschuld

Deutschlands die nächste furchtbare Katas-

trophe in Form des 3. Reiches und des 2. Welt-

krieges entwickelte, wissen wir heute.

Das Scheitern der Dreigliederungsbe-

wegung Steiners führte damals zu einem

Entschluss Emil Molts, Rudolf Steiner zu bitten,

durch eine zeitgemäße Pädagogik wenigstens

bei den Kindern mit einer anderen Erziehung

und Schulbildung für eine bessere Zukunft zu

sorgen. So ermöglichte er mit dem Kapital der

„Waldorf-Astoria“ Zigarettenfabrik die Schul-

gründung, der ersten Waldorf-Schule in Stutt-

gart, deren pädagogische Grundlagen durch

Rudolf Steiner gegeben wurden. Zur damaligen

Zeit gab es viele neue Ansätze zu einer zeitge-

mäßen Pädagogik – die schwierigen Lebens-

umstände forderten dies geradezu heraus.

Steiner schätzte die Ideen durchaus – viele, die

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wir heute selbstverständlich finden: „man muss

auf die Individualität des Kindes eingehen, die

Persönlichkeit muss entwickelt werden, wir

müssen den Willen des Kindes erziehen, es

muss zur Freiheit und Selbstständigkeit geführt

werden,…“

Jedoch ist die Waldorfschule keine

übliche Reformschule. Steiner macht in seinen

Vorträgen über eine „anthroposophische

Menschenkunde“ immer wieder deutlich,

dass alleine die Forderung nach Willens- und

Gemütserziehung diese noch nicht ermöglicht.

Er fasste den Menschen grundsätzlich anders

auf und schilderte den Lehrern einen ganzen

Kosmos von Zusammenhängen des einzelnen

Menschen mit der Welt. Er verlangte vom ersten

Kollegium, sich in diese Pädagogik hinein zu

arbeiten. Dies geschieht nun seit einhundert

Jahren und eine große Zahl von forschenden

Pädagogen haben diese Gedanken aus der

Menschenkunde vertieft und die Themen

forschend bearbeitet. Es gibt inzwischen

zahlreiche und vielfältige Literatur, die den

Lehrern – besonders den neuen Kollegen, bei

ihrer Arbeit dienen soll und kann. Das hört

sich ganz nach Rezepte-Pädagogik an. Dieser

Eindruck kann berechtigt sein, denn es liegt

an jedem einzelnen Lehrer, wie er sich selbst

zu dem Gründungsimpuls stellt. Er kann nur

Rezepte anwenden, er kann aber auch selbst

meditativ die Anregungen Rudolf Steiners

aufgreifen und weiter daran forschen. Er kann

sogar seinen persönlichen Impulsen folgen

und als „Nicht-Waldorflehrer“ daraufhin an

einer Waldorfschule arbeiten. Das liegt immer

in der Verantwortung der Schulleitung, ob sie

dies duldet. Bei der Größe der wachsenden

Waldorfschulbewegung und den Bedingungen,

die durch ein staatliches Prüfungswesen einer

Schule auferlegt sind, stellt sich sehr deutlich

die Frage nach der Qualität dieser Schulform.

Rudolf Steiner selbst gibt zudem einen

Hinweis auf die Zeitstruktur dieses neuen

pädagogischen Impulses: nach 100 Jahren

wird sich zeigen, ob er originär und lebendig

bleibt, ob die Lehrer selbst an die Quelle gehen

oder aus Tradition Rezepten folgen. Im letzten

Falle wäre es nur eine Frage der Zeit, dass diese

Schulform jede Berechtigung einer eigenen

Existenz verlöre und sich äußeren Gegeben-

heiten nur anpasse. Damit würde sie jedoch

keinen Beitrag mehr zur Erneuerung der Kultur

leisten und nur eine alternative Schule sein, in

der man mehr oder weniger aufgrund von Theo-

rien herum experimentiert. Im schlimmsten

Falle könnte man sie auch wegrationalisieren.

Diese Frage muss zum Zeitpunkt eines einhun-

dertjährigen Bestehens gestellt werden und es

ist Gelegenheit, sich zu besinnen und nach der

Qualität der Waldorfschule zu fragen.

Dies soll in den nächsten Ausgaben dieser

Zeitschrift zum Inhalt gemacht werden und es

kann damit ein Beitrag geleistet werden, bewusst

auf den 100-jährigen Geburtstag der Waldorf-

schulen im September 2019 zuzugehen. Die

Beiträge kommen zum Teil aus der weltweiten

Beschäftigung mit diesem Thema durch Waldorf-

lehrer und Hochschulkollegen, sowie aus der

pädagogischen Arbeit hier vor Ort in Chemnitz.

Brigitte Langguth-Pütz

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Wir tragen sie alle in uns, die Glieder des

sozialen Organismus, wenngleich gewöhnlich

unbewußt oder vorbewußt: 1. das rechtlichen

Leben der Vereinbarungen von Gleichen unter

Gleichen, 2. die Sphäre der auf Gegenseitig-

keit gründenden Wirtschaftsassoziationen, in

denen Gemeinsinn waltet und 3. das freie,

selbstverantwortliche Geistes- und Kultur-

leben. Der Einzelne steht in allen drei Sphären

tätig darinnen und faßt sie in sich zusammen.

Rudolf Steiner hat mitten im ersten

Weltkrieg, 1917, in einigen seiner ratsu-

chenden Schüler und Initiaten zunächst ein

empfindendes Verständnis von dieser sozi-

alen Gegenwarts- und Zukunftsgestalt, die aus

dem zerbrechenden Einheitsstaat erwachsen

kann, wachgerufen: Zu ihnen gehören u.a.

Otto Graf Lerchenfeld, Ludwig Polzer-Hoditz,

Roman Boos, Hans Kühn, Carl Unger und Emil

Molt. Sie fragen ihn nach einem Ausweg aus

der Kriegsverstrickung und Staatskrise und

bitten ihn um Memoranden für einige politisch

Verantwortliche, zu denen sie Zugang hatten:

v. Kühlmann, den Verhandlungsführer auf deut-

scher Seite bei den Verhandlungen in Brest-

Litowsk, Ministerpräsident Seidler in Öster-

reich und Kaiser Joseph und später den letzten

Reichskanzler Prinz Max v. Baden. Vergeblich,

die verantwortlichen Repräsentanten verstehen

nicht oder blocken ab.

Es beginnt eine Volksbewegung für die

Dreigliederung, zunächst Anfang 1919 mit Stei-

ners „Aufruf an das Deutsche Volk und an die

Kulturwelt“, den hunderte Kaufleute, Künstler,

Handwerker und Lehrer uvm. unterschreiben –

in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Emil Molt zeichnet mit für das Komitee und

nennt den Aufruf den Beginn der Dreigliede-

Gedenken an Emil MoltVon Manfred Kannenberg-Rentschler

Autoreferat anlässlich des 80. Todestages

Morgenröte einer schenkenden Wirtschaft und eines allgemeinen, freien Erziehungswesens

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rungsbewegung. An einem kritischen Punkt

dieser in vielen reaktionären Kreisen wenig

geliebten, ja verhaßten Bewegung war er hell-

hörig genug, entsprechenden Fragen aus seiner

Belegschaft und R. Steiners Empfehlung zur

Gründung eines ganz neuen Schultypus mit

der Tat zu begegnen. Er nimmt die Gründung in

die Hand, finanziert sie mit zunächst 100.000,-

Mark [1] und gewinnt Steiner für die entspre-

chenden menschenkundliche und didaktischen

Kurse und als Kollegiumsleiter. Sein Credo:

“Wir wollten bescheiden, aber mit starkem

Wollen beitragen zur Besserung der sozialen

Verhältnisse. Es war wenig vorhanden, nur

Mut und Wille, wenig Kinder, kein Gebäude,

keine Lehrer, viel Arbeit! Es kommt darauf an,

daß wir ganze Menschen erziehen, solche, die

nicht nur totes Kopfwissen haben, sondern vor

allem soziales Empfinden für andere. Das Wort

Schule ist ein enges Wort, es muß weit gefaßt

werden: Menschenbildungsstätte. Resignation

hat sich eingeschlichen in bezug auf Mensch-

heitsfragen; man verzichtet darauf, den vollen

Ertrag der Schulen hineinzunehmen in das

soziale Leben.“ [2] Die Dreigliederungsbewe-

gung „stülpt“ sich durch diese Initiative in die

Waldorfschulgründung hinein.

Emil Molt, der am 14. April 1876 in Calw

geboren wird und früh seine Eltern verliert,

hat mit seiner Frau Bertha um 1907 herum

Rudolf Steiners Geistesgut und Geisteswege in

Vorträgen kennengelernt und üben sie selbst.

Nach gründlicher kaufmännischer Ausbil-

dung (Handelshaus Georgi) und beruflichen

Auslandsaufenthalt in Griechenland führt ihn

bald seine unternehmerische Initiative 1906

zur Gründung der Waldorf-Astoria-Zigaret-

tenfabrik , die in ihrer Blütezeit bis zu eintau-

sendfünfhundert ArbeiterInnen beschäftigt. Sie

existiert bis zur Weltwirtschaftskrise und wird

im Zusammenhang damit vom Reentsma-

Konzern übernommen. [3]

Heute reden wir viel über „neue Unter-

nehmenskultur“, „Entrepreneurship“, „ Lean

Management“, „Gemeinwohlbilanz“ u.ä..

Molts Waldorf Astoria-Unternehmen war dem

allen damals längst auf der Spur: Betriebsrat,

betriebliche Altersversicherung und Kranken-

vorsorge, Erholungsheim, Bildungsprogramme,

„Waldorf Astoria-Nachrichten“, „Waldorf

Astoria-Bücherei“ u.a.

Seine Weitsicht bezieht sich auch auf

seine Mitwirkung bei der assoziativen Grün-

dung der treuhänderischen „Der Kommende

Tag AG“ (1920), einem kooperativen Zusam-

menschluß verschiedener Unternehmen zur

Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte.

Beginn einer sozialen Kapitalverwandlung,

die später ebenfalls durch die Weltwirtschafts-

krise in Schwierigkeiten gerät. [4] Molt ist ganz

Tatmensch, aber vor allem ist er praktischer

Denker, der seine Firma gar nicht isoliert vom

Weltwirtschaftsgeschehen und dessen sich

entwickelnden Zukunftsorganen betrachten

kann und aus moralischem Intuitionsvermögen

handelt. Zur Tragik dieses Mannes gehört aber

auch neben dem späteren Verlust seiner Firma

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sein Vorstoß, die eben auf Steiners Drängen und

mit Zustimmung Eliza v. Moltkes gedruckten

H.v.Moltke-Erinnerungen über die Ereig-

nisse vor und nach Kriegsausbruch voreilig

zur preussischen Gesandtschaft zu bringen,

sodaß die Auslieferung des Buches von den

Militärs noch verhindert wird. Dadurch bleibt

ein wichtiges Dokument zur Widerlegung der

Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des

Weltkrieges der Öffentlichkeit unbekannt. [5]

Emil Molt trägt die Idee Dreigliederung des

sozialen Organismus als Erkenntnis in sich und

bringt sie als Unternehmer, Kaufmann, Initi-

ator, Schulgründer und Weltwirtschaftler im

Leben zur Fruchtbarkeit.

Deshalb ist es auch unzutreffend, heute

in seine Schulgründung einen Privatschulcha-

rakter hineinzulegen. Über die Zugehörigkeit

der Schule zur Waldorf Astoria-Zigarettenfa-

brik gab es bereits kurz nach der Schulgrün-

dung Konflikte zwischen ihm und dem geistig

unabhängigen Kollegium. [6] Das Renommee

der Schule sollte nicht durch das Renommee

der Waldorf-Astoria gemindert werden. R.

Steiner betonte unmißverständlich, daß die

Schule allein das Verdienst Molts sei, aber als

Persönlichkeit, der es verstand eine Initiative

zu entfalten, unabhängig von der Waldorf-

Astoria. Diese Unabhängigkeit kommt, genau

besehen, in dem Momentum der Schenkung

zum Ausdruck: Das Wirtschaftsleben hat sich

von den Kapitalüberschüssen getrennt und

im kulturellen Leben leben sie neu auf. Molt

steht hier in Doppelfunktion als Bürge und

Treuhänder für das Neuland einer sich selbst

verwaltenden und neu organisierenden Gesell-

schaft. Wir können also in „seiner“ Schule den

Anfang eines öffentlichen Schulwesens in freier

Trägerschaft, für alle Menschen bis zum acht-

zehnten Lebensjahr, erblicken. Ein Menschen-

recht und eine soziale künftige Wirklichkeit.

In seinem Schenkungsakt manifestiert sich

wie in einem Vorschein eine Geldverwand-

lung, die die geistige Wertschöpfung der

Bildung im volkswirtschaftlichen Prozeß zum

Ausdruck bringt. Nicht unbegrenzte Kapital-

akkumulation, sondern sozial organischen

Kapitalverbrauch und –verwandlung macht

einen gesunden weltwirtschaftlichen Prozeß

aus. Hierfür kann Molts Tat, umfassend

gedacht, als Initialzündung gelten.

Im Ganzen, für das Wohl Aller drang es

damals politisch nicht durch. Aber wir haben

mit der gegenwärtigen Waldorfschulbewegung

weiterhin einen Zipfel in der Hand, solchen

produktiven Umbau des gesellschaftlichen

Lebens einzufordern und zu befördern. Molts

Schenkung ist eine Initialzündung, dieses freie

Schulwesen mehr und mehr als Erziehung in

Freiheit aus der Vormundschaft, ja dem Diktat

der Staatsbürokratie zu lösen und das assozi-

ierte Wirtschaftsleben in seine Finanzierung

einzubinden. Die Menschen wollen es doch

längst. Er sah voraus, daß ausgedientes, alt

gewordenes Industriekapital sich in der Kultur

der Menschenfähigkeitenbildung erneuern und

verjüngen kann und so Krebsschäden am sozi-

alen Organismus verhütet. Materielle Produk-

tion und rein geistige Werterzeugung können

so in ein anhaltendes Gleichgewicht kommen.

Für die Schule auf der Uhlandshöhe ist

Molt der Vater, aber die Mutterhülle ist die

lebendige Idee der Dreigliederung des sozi-

alen Organismus und dessen Werden und

Gesundung. In Molt lebte diese Wahrheit, in

uns Heutigen kann sie heller dämmern. Im

lebendigen Strom der Überlieferung haben wir

ein geistiges Kapital der Bewegung für soziales

Handeln aus Geisterkenntnis.

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Anmerkungen

* Das Gedenken fand am 17.6. 2016, 19.30 h

in der Bibliothek des Steiner-Hauses in Berlin-

Dahlem statt.

[1] Dieser Betrag erhöhte sich in den folgenden

Jahren auf 170.000,- und 200.000,-. Hinzu

kam am Beginn der Erwerb des Grundstücks

zur Uhlandshöhe durch Molt für 450.000,-

Mark.

[2] Molt „Entwurf meiner Lebensbeschreibung“

(1972), aus einer Ansprache von Molt 1929, im

Nachwort zitiert von Johannes Tautz.

[3] STIFTUNGGEISSTRASSESIEBEN in Stutt-

gart würdigt 2005 Molt in einem Gedenkblatt.

Hier findet sich der Hinweis, dass die Über-

nahme durch Reentsma raffniert und quasi

„feindlich“ war, der Konzern aber in schwie-

rigen Zeiten die Waldorfschule noch ein Jahr

bezuschußt hat und 2004 das gesamte Archiv

dem Museum für die Geschichte der Arbeit in

Hamburg kooperativ zur Aufarbeitung über-

geben hat.

[4] Näheres zur Gründung und dem späteren

Scheitern in Dokumenten und Zeitzeugen-

schaft bei Hans Kühn. „Dreigliederungszeit“.

Dornach 1978.

[5] Hierzu Dietrich Esterl: „Emil Molt (1876-

1936) – Tun, was gefordert ist“. Stuttgart 2013.

[6] Esterl, a.a.O. [7] Die vollwissenschaftliche

Ausarbeitung der Tatsache der Geldverwand-

lungen im volkswirtschaftlichen Prozeß, also

auch der öffentlichen Schenkung, erfolgt erst

drei Jahre nach der Schulgründung in Steiners

„Nationalökonomischen Kurs“ (1922). Hierzu

gibt eine andere anthroposophisch orientierte

Unternehmerin den Anstoß: Dr. Charlotte

Mellinger.

Quelle

Zeitschrift Europäer, Basel, Ausgabe Juni 2016.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des

Autors.

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Deutschland hat den 1. Weltkrieg verloren.

Es ist wohl der schlimmste Krieg, den die Welt

bis dahin gesehen hat. Man weiß nicht, dass

noch schlimmeres bevorsteht. Mit dem verlo-

renen Krieg gibt es auch soziale Unruhen.

Das System, das in den Krieg geführt hat, kann

doch nicht einfach weiter bestehen. Tausende

von traumatisierten Soldaten kehren zurück,

tausende leiden in russischer Gefangenschaft.

Gerade hier in Sachsen soll später ein Sana-

torium für Kriegsgefangene und ein Waisen-

heim für Kinder dieser Kriegsgefangenen durch

den unermüdlichen Einsatz der Schwedin

Elsa Brändström entstehen. In Zeiten der Not,

da Millionen durch die Grippe, Entkräftung,

Hunger dahingerafft werden, eine unglaubliche

Leistung. Krieg hat die Menschen verroht. Es

kommt zu politischen Morden, Karl Liebknecht

und Rosa Luxemburg sind da nur ein Beispiel.

Rudolf Steiner versucht seinerseits, in den

Gang der Dinge einzugreifen. Er gibt einen

Aufruf an das deutsche Volk heraus. Redner

setzen sich für seine Idee der sozialen Drei-

gliederung ein. Sie reden auf Plätzen, in

verrauchten Spelunken, Fabriken. Ihre Stimmen

machen nicht mehr mit. Daher wenden sie sich

an Rudolf Steiner mit der Bitte um Übungen

für Ihre Stimmen. So gibt es im Mai 1919 den

ersten Kurs in Sprachgestaltung für Redner zur

sozialen Dreigliederung. Es sind Übungen für

Artikulation, Atemführung, Geläufigkeit. Fast

keine macht irgendeinen Sinn. Bewusst wurden

die Übungen so gestaltet, dass es nur auf die

Folge der einzelnen Laute ankommt. Die Laute

sollen den Menschen zu richtigem Sprechen

führen. Er soll so sprechen, dass nicht der Kopf

betont, sondern der Atem die bewusst gegrif-

fenen Laute durchmodelliert, lebendig macht.

Die eigene Körperlichkeit, die die Sprache in

der Regel begrenzt, wird so nach zwei Seiten

überwunden: Indem ich die Laute aus einem

unsichtbaren geistigen Raum hole, „vorhöre“,

bin ich an die Welt angeschlossen, aus der

diese stammen. Dann spreche ich so, dass

sie sich auf der schwingenden Luft im Raum

bewegen, also nicht mein Körper, sondern der

Raum den Resonanzkörper bildet.

Der Gründung der ersten Waldorfschule

in Stuttgart ging ein vierzehntätiger Einfüh-

rungskurs für die angehenden Lehrer voraus.

Die soziale Frage und die KunstVon Esther Koch

1919 – Die Geburt der Sprachgestaltung

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Teil dieses Einführungskurses war auch Unter-

richt in Sprachgestaltung. Die Lehrer bekamen

die gleichen Übungen wie die Redner zur

sozialen Dreigliederung. Es war klar: Wenn ich

Kinder unterrichten will, darf ich nicht kopfbe-

tont sprechen (die meisten angehenden Lehrer

waren Doktoren). Dann werde ich das Instru-

ment, auf dem die Sprache spielt. Oftmals muss

ich das Instrument erst einmal stimmen: Wie

stehe ich? Wie bewege ich mich? Dann kommt

Artikulation, Geläufigkeit hinzu. Erst 1924 gab

es einen Kurs für Schauspieler. In diesem waren

neben dramatischen Übungen auch Übungen

für Vokale enthalten. Konsonanten geben der

Sprache ihr Skelett, Vokale drücken das Seeli-

sche des Menschen aus. Deswegen ist es auch

sehr viel schwerer, an den Vokalen zu arbeiten,

gerade an den Vokalen hört man, woher ein

Mensch kommt.

Wenn man heute alte Aufnahmen aus den

20er und 30er Jahren hört, erscheint es gera-

dezu befremdlich wie langsam die Menschen

sprechen. Das heißt aber nichts anderes, als

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dass damals die Sprache noch viel lebendiger

war als heute, weil sich die Menschen mehr

Zeit zur Formung der Laute nahmen. Heute

gilt Sprache nur noch als Informationsträger.

Und selbst die Fähigkeit sich differenziert

auszudrücken, geht verloren. Damit aber auch

die Denkfähigkeit. Es bleiben Emotionen, die

sich ein Ventil suchen, weil der Mensch selbst

seinen Gefühlen sprachlos gegenübersteht.

Früchte der Anthroposophie kann man heute

in vielen Bereichen der Gesellschaft erleben.

Da gibt es die Waldorfschulen, anthroposophi-

sche Medizin, Demeter Nahrungsmittel etc.

Auf zwei Gebieten scheint es dagegen keinen

Erfolg zu geben: Der sozialen Dreigliederung

und der Sprachgestaltung. Die Folgen dieser

Tatsache sind in unserer Gesellschaft deutlich

zu spüren: Sprachlosigkeit und Gewalt. In

Bezug auf die Sprachgestaltung gibt es jedoch

eine Ausnahme: Sie wurde zur künstlerischen

Therapie weiterentwickelt. Also wenn der

Mensch durch Krankheit gegangen ist, fragt er

doch danach.

Ich bin unter diesen Umständen sehr erfreut,

dass das Kollegium mir zugesprochen hat, mich

zum größten Teil mit meinem ersten Beruf, der

Sprachgestaltung, beschäftigen zu können.

Regelmäßige Arbeit in den Klassen kann vielem

vorbeugen. Schon jahrelang arbeite ich mit

Frau Strauß zusammen, deren Klasse dadurch

äußerst sprachkräftig ist. Mit einzelnen Schülern

arbeite ich teils künstlerisch, teils therapeutisch,

neu dazu gekommen ist die Arbeit mit kleineren

Gruppen. Nun, da ich keine eigene Klasse mehr

führe, sprechen mich auch zunehmend Lehrer

an, so wie dies ja auch zu Beginn der Waldorf-

schule gedacht war.

Gesellschaftspolitisch sehe ich nach 100

Jahren Waldorfschule jedoch zwei weitere

Aufgaben: Bewusst habe ich geschrieben, die

Früchte der Anthroposophie seine bekannt.

Merkwürdigerweise interessieren sich aber nur

wenige Menschen für die Quelle, die Anthro-

posophie selbst. Sich mit dieser zu beschäf-

tigen, diese zu pflegen ist heute nötiger als je.

Die zweite Aufgabe ist im oben beschriebenen

Sinne das zweite Gebiet, auf dem die Anthro-

posophie nicht in der nötigen Weise weiter-

entwickelt wurde: Die soziale Dreigliederung.

Gibt es Menschen, die sich damit beschäftigen

wollen? Ich persönlich sehe keinen anderen

Weg, die Probleme von heute zu lösen und der

nächsten sich anbahnenden Katastrophe etwas

entgegen zu setzen.

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Schon in der ersten Waldorfschule, die

1919 in Stuttgart gegründet wurde, gab es einen

kleinen Hort, in dem die Kinder am Nach-

mittag von den Lehrern betreut wurden. Für die

vielfach aus Arbeiterhaushalten stammenden

Kinder brauchte man eine Möglichkeit zur

Betreuung und Beschäftigung nach der Schule.

Dies erforderte eine gänzlich andere pädago-

gische Arbeit als Vormit-

tags im Schulunterricht.

Daher gab Rudolf Steiner

den Lehrern verschiedene

Anregungen zur Hortbe-

treuung. Beispielsweise

diese: „Man kann sie Spie-

lereien machen lassen.

Auch Theater können

sie spielen. Sie können

auch ihre Schulaufgaben

machen.“

Der Schulhort gehört nun also schon

bald hundert Jahre als fester Bestandteil zur

Waldorfschulbewegung. Damals galt er als

äußerst fortschrittlich. Heute gehört die Hort-

betreuung in den verschiedensten Formen zur

Normalität, selbst in den alten Bundesländern,

die zum großen Teil erst nach der Wende diese

Einrichtung übernommen haben. Auch in

unserer Waldorfschule in Chemnitz gibt es seit

der Schulgründung einen Hort, der sich immer

weiterentwickelt, verändert und vergrößert hat.

Nicht ohne Grund.

Hier möchte ich einen kleinen Eindruck

entstehen lassen, was da am Nachmittag

eigentlich passiert…

Die Kinder der Klasse

4a strömen und wuseln

aus dem Schulgebäude,

die letzte Schulstunde ist

vorbei und der Bewegungs-

drang der Mädchen und

Jungen ist riesig!

Es sind fast immer

dieselben Jungs, die als erste

bei mir im Hort „Atelier“

ankommen. Während ich

noch mit dem Abwasch, der mal wieder von

Gestern stehen geblieben ist, beschäftigt bin,

werde ich lauthals von Ihnen begrüßt!

Die Begrüßung ist mir wichtig, ich unter-

breche meine Arbeit und wende mich den

Kindern zu, bin gespannt was es Neues gibt.

Es ist im Ankommen schon zu spüren, welche

Spielen und GehörtwerdenVon Esther Koch

Der Hort

„Da sollen die Kinder Unterhaltung

haben. [...] Sie sollen im Hort ande-

res tun als Schultätigkeit. Die Kinder

sollen nur fühlen, dass man da ist,

wenn sie etwas brauchen. Von be-

sonderem Wert ist es, sich von den

Kindern ihre Erlebnisse erzählen zu

lassen. Man muss sich interessieren

dafür. Es ist gesundend, wenn ein

Kind sich aussprechen kann.”

Rudolf Steiner über den Hort

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Stimmungen vorherrschen, welche Ereig-

nisse den Vormittag geprägt haben, wo bei

einzelnen vielleicht auch der Schuh drückt.

Es werden Mitteilungen aller Art gemacht,

oft auch mehrere gleichzeitig, so dass zwei

Ohren gar nicht genug sind. Spielideen wollen

sofort in die Tat umgesetzt werden, es muss

entschieden werden, welche Kinder heute

in die Puppenecke dürfen. Und es wird viel

gefragt; „Wo ist das Spiel mit der Kugel und

dem Labyrinth?“ oder „Herr Flad, hast du

meinen Stock gesehen?“ und „...müssen wir

heute Vespern?“

Es muss Trost gespendet, Wogen geglättet

und Erlebnissen gelauscht werden. Ein jedes

Kind bringt mir etwas mit, das was ihm auf dem

Herzen liegt. Und es zieht Leben in die Bude ein!

Nun kommt es mir aber darauf an, den wilden,

quirligen und etwas chaotischen Strom zunächst

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in ruhigere Kanäle fließen zu lassen. Ich muss

dafür sehr wach und ganz bewusst da sein. Es ist

schon einiges getan, wenn ich mir eine gewisse

innere Ruhe schaffe, die auf die Kinder wirken

kann, wenn diese Ruhe Platz gemacht hat, für

ein wirkliches Interesse an den Kindern und

deren besonderen Bedürfnissen sich mitzuteilen.

Diese Tatsache ist nicht zu unterschätzen. Rudolf

Steiner sagt in diesem Zusammenhang; „Von

besonderem Wert ist es, sich von den Kindern

ihre Erlebnisse erzählen zu lassen. Man muss

sich interessieren dafür. Es ist gesundend, wenn

ein Kind sich aussprechen kann.“

Verwandlung erleben

Die Tage sind nie gleich. Für den Hort

gilt das ganz besonders, denn es entstehen

täglich immer wieder neue Schauplätze in

denen die Kinder in phantasievollem Freispiel

agieren, Situationen nachspielen, sich ganz

hinein begeben können in eine andere Wirk-

lichkeit und dabei wirkt es manchmal wie ein

Improvisationstheater, in dem einige Kinder

die Darsteller, Regisseure, Maskenbildner und

Bühnenarbeiter gleichzeitig sind. Heute gibt

es eine „Imbiss-Bude“, in der fleißig gebraten,

frittiert, eingepackt und verkauft wird, es geht

hektisch und geschäftig zu. Leider hat niemand

Hunger und so bekomme ich innerhalb von

fünf Minuten, meine dritte Portion Pommes.

„Hmm… sehr lecker!“ Muss ich zugeben.

Gestern hatten wir einen „Frisör-Salon“, da

wurde gefärbt und geflochten, gezupft und

gedreht, der Laden verschönert und viele tolle

Zeitschriften beim Warten durchgeblättert.

Es entstehen ganz eigene wandelbare

Welten in unserem Hortraum, auch Welten aus

Bausteinen, Tüchern, Pappen, Wolle, Steinen

und Stoffresten, die von Drachen und Tieren

oder anderen Wesen bewohnt werden – und,

auch geheiratet wurde bei uns schon, ja es war

fast etwas zu aufregend, nicht nur für die Kinder!

Man muss hier ein Stück weit wieder

selbst zum Kind werden. Mit den Kindern

lachen und mitfühlen können, ein Gefühl dafür

bekommen; wann muss ich präsent sein oder

lieber etwas in den Hintergrund treten, Wichtig

aber ist, dass die Kinder fühlen, dass man da

ist wenn Hilfe benötigt wird und man eine

Autorität verkörpert, zu der das Kind vertrau-

ensvoll aufblicken und sich hinwenden kann.

Mit den Worten von Steiner, die auch als Anre-

gung aufgenommen werden können; „Man soll

dabei selbst zum Kinde werden, soll die Kinder

lachen machen. Sie sollen im Hort anderes tun

als Schultätigkeit, die Kinder sollten nur fühlen

das man da ist, wenn sie etwas brauchen.“

Es ist Tag für Tag etwas ganz besonderes,

die Kinder zu erleben und zu beobachten, was

sie bewegt und was in ihnen vorgeht. Ende

der dritten, Anfang der vierten Klasse ist nun

auch eine spannende Phase, die die neun- und

zehnjährigen gerade durchleben bzw. schon

durchlebt haben. Es ist die Zeit, in der das

Kind sein „ICH“ in einer neuen Weise ergreift,

was sozusagen eine Metamorphose des ersten

ICH-Erlebnisses um das 3. Lebensjahr herum

darstellt, welches nun vieles für das Kind

in ein anderes Licht rückt, es sich neu in die

Gruppe hineinfinden muss und sich selbst in

einem veränderten Verhältnis dieser gegenüber

wahrnimmt. Es lernt mehr und mehr zu unter-

scheiden, zwischen Welt und Ich. Dies wird

in bestimmten Spielsituationen gut sichtbar,

manche Kinder stehen im wahrsten Sinne des

Wortes außerhalb, schauen dem Treiben zu,

wollen mit hinein, finden aber nicht immer den

richtigen Anschluss. Man kann es manchen

Kindern wirklich ansehen, wie es in ihnen

arbeitet. So muss ich als Erzieher die Kinder

jeden Tag aufs Neue anschauen und gleich-

zeitig die Entfaltung ihrer Persönlichkeit in der

Überschau im Blick haben, um solche Wand-

lungen bemerken zu können. Damit hängt

die Entwicklung des Gewissens, des Gedächt-

nisses, des Temperaments, die Neigungen,

Gewohnheiten und des Charakters zusammen.

Das alles, dieses innere und äußere

Wachstum und die Umgestaltung, geschieht

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natürlich nicht ohne Reibungen und Span-

nungen. Aber gerade wenn man sich als

Erzieher dieser Veränderungen bewusst ist,

kann man auch in angemessener Weise dem

Kind entgegenkommen, es unterstützen und

ihm deutlich machen, dass man versteht was

gerade in ihm vorgeht. Dies sollte aber nicht

vorrangig durch Worte, durch abstrakte Begriffe

geschehen, die man direkt an das Kind richtet.

Es sind vielmehr allgemeine Wahrheiten die

hilfreich sind sich der Welt auf neue Weise

anzunähern, in bildhaften Vergleichen veran-

schaulicht oder durch Geschichten und Erzäh-

lungen, durch Gleichnisse an denen die Kinder

sich selbst eigene Bilder hervor holen können.

Hier kommt es mir auf die richtige Auswahl der

Erzählungen, Märchen, Geschichten usw. an,

die bei der Entwicklung des Seelenlebens der

Kinder hilfreich sein können. Beim Zuhören

verbinden sich die Kinder innerlich mit den

Protagonisten, sie freuen sich mit ihnen,

können sich ärgern, ängstlich oder wütend sein

und sich vielleicht auch selbst in bestimmten

Situationen wiedererkennen. Besonders span-

nend ist es natürlich, wenn man aus seinem

eigenen Erfahrungsschatz schöpft und daraus

erzählt. Die einzige Zeit, die uns dafür im

Hort der vierten Klasse zur Verfügung steht, ist

bei der Vesper. Und deswegen antworte ich;

„Ja, wir vespern heute wieder zusammen, so

wie jeden Tag.“ Ich mache das nicht nur um

eine kleine Konstante, eine feste Gewohn-

heit im Hortnachmittag zu haben, sondern es

ist eben auch die einzige Zeit, in der wir alle

zusammen sitzen, zur Ruhe kommen und einer

Geschichte lauschen können.

Danach können sich die Kinder wieder

ihren Spielen hingeben oder die Ganztagsan-

gebote nutzen. Die ersten werden so nach und

nach abgeholt, manche fahren auch allein mit

dem Bus nach Hause. Es war ein langer Tag,

mit vielen Erlebnissen, Eindrücken und neuen

Erfahrungen.

An der Notwendigkeit einer Horteinrich-

tung an den Schulen hat sich bis heute nichts

geändert. Das Thema Nachmittagsbetreuung

ist genauso aktuell wie vor knapp hundert

Jahren. Daran ist unter anderem erkennbar, wie

zukunftsweisend und zeitgemäß die Waldorf-

schule damals schon war.

Esther Koch

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Prisma 33 | 2018 19

KulturkalenderTipps und Termine

Waldorfschule Chemnitz

d e r l o h n e n d e W e g

L i m b a c h e r S t r. 9 60 9 11 6 C h e m n i t z

Öffnungszeiten:Mo. – Mi., Fr.: 10.00 – 18.00 UhrDo.: 10:00 – 20.00 UhrSa.: 10.00 – 16.00 Uhr

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Januar 2019Do. 31. 19:30 Vortragsabend von Gerald Hübner zum Thema „Selbstbestimmung in der digitalen Medienwelt“ (im Musiksaal des Oberstufengebäudes)

Sa. 02. 09:00 – 12:00 Tag der offenen Schule Erleben sie Schüler auf der Bühne und erfahren mehr über die

Waldorfschule Chemnitz

Februar 2019Fr. 8. Klassenspiel der 8. Klasse „Die rote Zora“ im Festsaal der Schule

Näheres können Sie den zeitnahen Aushängen entnehmen.

15. / 16. Öffentliche Darstellung der Jahresarbeiten der 12. Klasse

März 201922. / 23. Klassenspiel der 12. Klasse

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April 2019Fr. 12. Künstlerischer Abschluss der 12. Klasse

Näheres können Sie den zeitnahen Aushängen entnehmen.

Mai 2019Sa. 25. 09:00 Uhr Schüler auf der BühneBesuchen Sie die Schule und erleben unsere Schüler live on stage.

Informationsnachmittage der Waldorfschule

(Sandstraße) und der Parzivalschule (Auers-

walder Straße) finden nach telefonischer

Vereinbarung statt.

Bitte beachten Sie für die Anfangszeiten und

weitere, kurzfristige Veranstaltungsangebote

den Terminkalender unter:

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Waldorfschule ChemnitzSandstraße 102, 09114 ChemnitzTelefon 0371 334076-10www.waldorfschule-chemnitz.de