Zeitschrift für Naturforschung / B / 17 (1962) - ZfN:...

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150 H. P. BOEHM, A. CLAUSS, G. 0. FISCHER UND U. HOFMANN Dünnste Kohlenstoff-Folien Von H. P. B oehm, A. C lauss, G. 0 . F ischer und U. H ofmann Aus dem Anorganisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg (Z. Naturforschg. 17 b, 150—153 [1962] ; eingegangen am 2. November 1961) Bei der Reduktion von Graphitoxyd in sehr verdünnter alkalischer Suspension entsteht extrem feinlamellarer Kohlenstoff. Die Bestimmung der Dicke der dünnsten Lamellen aus dem Kontrast im Elektronenmikroskop ergab, daß sie nur aus einigen wenigen, z. T. wahrscheinlich nur aus einer ein zigen Kohlenstoff-Sechseckschicht des Graphitgitters bestehen. Das Ergebnis wird gestützt durch rönt genographische Untersuchungen sowie durch Messungen der spezifischen Oberfläche. Extrem dünne Kohlenstoff-Folien wurden bei der Reduktion von Graphitoxyd (G.O.) unter bestimm ten Bedingungen erhalten. G.O.1-3 ist bekanntlich eine Schichtverbindung, in der die Kohlenstoff-Sechs- eckschichten des Graphitgitters nahezu unverändert enthalten sind. Diese Schichten sind jedoch sehr wahrscheinlich analog den hydroaromatischen Ver bindungen gewellt und tragen an den vierten Valen zen der Kohlenstoff-Atome sauerstoffhaltige, funk tionelle Gruppen neben einzelnen Doppelbindungen. Diese funktionellen Gruppen, vorwiegend Hydroxyl gruppen und Atherbrücken, sind auf beiden Seiten der Kohlenstoffschicht gebunden. Abb. 1 zeigt ein Modell einer solchen Schicht mit Atherbrücken, Abb. 1. Modell einer Graphitoxydschicht mit Doppelbindun gen, Hydroxyl- und Äthergruppen (ohne Carboxyl-, Enol- und Ketogruppen). Hydroxylgruppen und Doppelbindungen. Ein Teil der Hydroxylgruppen dürfte auch Doppelbindungen benachbart sein (Enolgruppen) ; dadurch wäre ihre 1 U. Hofmann u. A. Frenzel, Ber. dtsch. chem. Ges. 63, 1248 [1930] ; U. Hofmann, A. Frenzel u. E. Csalan, Liebigs Ann. Chem. 5 1 0 , 1 [ 1 9 3 4 ] . 2 U. Hofmann u. E. König, Z. anorg. u. allg. Chem. 234, 311 [1937] ; U. Hofmann u. R. Holst, Ber. dtsch. chem. Ges. 72, 754 [1939]. 3 A. C lauss , R. P lass , H. P. B oehm u. U. H ofmann , Z. anorg. u. allg. Chem. 291, 205 [1957] ; A. C lauss , Proc. 3rd Conference on Carbon at Buffalo, 1957, Pergamon Press, schwach saure Reaktion erklärt. Die tautomere Keto- form dürfte ebenfalls Vorkommen, besonders in den hellen Formen des G.O.3. Daneben wurden auch stärker sauer reagierende Carboxylgruppen nachge wiesen, die am Rande der Sechseckschichten gebun den sind. Wasserfreies G.O. enthält ca. 55% C, 1,5% H und 39% O, neben etwas Asche und Sulfat. Graphitoxyd wird erhalten bei der Einwirkung von Kaliumchlorat 4 oder Kaliumpermanganat 5 auf in konz. Schwefelsäure suspendierten Graphit oder Graphitsalze. Dabei bleibt die äußere Gestalt der Flocken des Graphits unverändert, es tritt nur eine starke Quellung in Richtung der c-Achse ein. Bei der Oxydation geht praktisch kein Kohlenstoff ver loren Das bedeutet, daß die Kohlenstoff-Sechseck - schichten als solche nicht angegriffen werden. Durch Reduktionsmittel, wie Hydrazin, Schwefel wasserstoff oder Eisen(II)-Ionen, wird G.O. zu schwarzem elementarem Kohlenstoff reduziert, der nur noch geringe Mengen von Sauerstoff und Was serstoff enthält2>6’ 7. Auch diese Reduktion verläuft ohne Kohlenstoffverluste, wie die Bilanz aus dem Kohlenstoffgehalt von eingesetztem G.O. und erhal tenem Reduktionsprodukt ergeben hat. Im Reduktionsprodukt sind die einzelnen Schich ten wohl parallel zueinander geordnet, doch wird die gegenseitige Orientierung, wie sie im Graphit gitter besteht, nicht wieder erreicht. Das Röntgen- beugungsdiagramm ist dem der mikrokristallinen Kohlenstoffe, z. B. der Ruße oder Aktivkohlen, ähn lich. Es treten neben der Basisinterferenz (002) nur noch die (kh) -Kreuzgitterinterferenzen auf. Der Ab- London 1959, S. 321; H. P. Boehm, A. Clauss u. U. H of mann, J. Chim. physique 1961, 141. 4 L. S taudenmaier , Ber. dtsch. chem. Ges. 31, 1481 [1899]. 5 W. S. H ummers u . R. E. O ffeman , J. Amer. chem. Soc. 80, 1339 [1958]. 6 V. K ohlschütter u . P. H aenni , Z. anorg. u. allg. Chem. 105, 121 [1919]. 7 G. R uess u . F. V ogt , Mh. Chem. 78. 222 [1948]. This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Germany License. On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is to allow reuse in the area of future scientific usage. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt, um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher Nutzungsformen zu ermöglichen.

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150 H. P. BOEHM, A. CLAUSS, G. 0 . FISCHER UND U. HOFMANN

Dünnste Kohlenstoff-FolienVon H . P. B oehm, A. C lauss, G. 0 . F ischer und U. H ofmann

Aus dem Anorganisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg(Z. Naturforschg. 17 b, 150— 153 [1962] ; eingegangen am 2. November 1961)

Bei der Reduktion von Graphitoxyd in sehr verdünnter alkalischer Suspension entsteht extrem feinlamellarer Kohlenstoff. Die Bestimmung der Dicke der dünnsten Lamellen aus dem Kontrast im Elektronenmikroskop ergab, daß sie nur aus einigen wenigen, z. T. wahrscheinlich nur aus einer ein­zigen Kohlenstoff-Sechseckschicht des Graphitgitters bestehen. Das Ergebnis wird gestützt durch rönt­genographische Untersuchungen sowie durch Messungen der spezifischen Oberfläche.

Extrem dünne Kohlenstoff-Folien w urden bei der R eduktion von G raphitoxyd (G.O.) unter bestim m ­ten Bedingungen erhalten. G .O .1-3 ist bekanntlich eine Schichtverbindung, in der die Kohlenstoff-Sechs- eckschichten des G raphitgitters nahezu unverändert enthalten sind. Diese Schichten sind jedoch sehr wahrscheinlich analog den hydroarom atischen V er­bindungen gewellt und tragen an den vierten V alen­zen der Kohlenstoff-Atome sauerstoffhaltige, funk­tionelle G ruppen neben einzelnen D oppelbindungen. Diese funktionellen G ruppen, vorwiegend H ydroxyl­gruppen und Atherbrücken, sind auf beiden Seiten der Kohlenstoffschicht gebunden. Abb. 1 zeigt ein Modell einer solchen Schicht m it A therbrücken,

Abb. 1. Modell einer Graphitoxydschicht mit Doppelbindun­gen, Hydroxyl- und Äthergruppen (ohne Carboxyl-, Enol-

und Ketogruppen).

H ydroxylgruppen und D oppelbindungen. E in Teil der H ydroxylgruppen dürfte auch D oppelbindungen benachbart sein (Enolgruppen) ; dadurch w äre ihre

1 U. H o f m a n n u . A. F r e n z e l , Ber. dtsch. chem. Ges. 6 3 , 1 2 4 8 [ 1 9 3 0 ] ; U. H o f m a n n , A. F r e n z e l u . E. C s a l a n , Liebigs Ann. Chem. 510,1 [ 1 9 3 4 ] .

2 U. H o f m a n n u . E. K ö n ig , Z. anorg. u. allg. Chem. 234, 3 1 1 [ 1 9 3 7 ] ; U. H o f m a n n u . R. H o l s t , Ber. dtsch. chem. Ges. 72, 7 5 4 [ 1 9 3 9 ] .

3 A. C l a u s s , R. P l a s s , H. P. B o e h m u . U. H o f m a n n , Z. a n o r g .u . a l l g . C h e m . 2 9 1 , 2 0 5 [ 1 9 5 7 ] ; A. C l a u s s , P r o c . 3 r d

C o n f e r e n c e o n C a r b o n a t B u f f a l o , 1 9 5 7 , P e r g a m o n Press,

schwach saure R eaktion erklärt. Die tautom ere Keto- form dürfte ebenfalls Vorkommen, besonders in den hellen Form en des G .O .3. Daneben w urden auch stärker sauer reagierende Carboxylgruppen nachge­wiesen, die am Rande der Sechseckschichten gebun­den sind. W asserfreies G.O. enthält ca. 55% C, 1,5% H und 39% O, neben etwas Asche und Sulfat.

G raphitoxyd w ird erhalten bei der E inw irkung von K alium chlorat 4 oder K alium perm anganat 5 auf in konz. Schwefelsäure suspendierten G raphit oder G raphitsalze. Dabei bleibt die äußere Gestalt der Flocken des G raphits unverändert, es tritt nu r eine starke Quellung in Richtung der c-Achse ein. Bei der O xydation geht praktisch kein Kohlenstoff ver­loren Das bedeutet, daß die Kohlenstoff-Sechseck - schichten als solche nicht angegriffen werden.

Durch Reduktionsm ittel, wie Hydrazin, Schwefel­wasserstoff oder E isen (II)-Ionen , w ird G.O. zu schwarzem elem entarem Kohlenstoff reduziert, der nur noch geringe M engen von Sauerstoff und W as­serstoff e n th ä lt2> 6’ 7. Auch diese Reduktion verläuft ohne Kohlenstoffverluste, wie die Bilanz aus dem K ohlenstoffgehalt von eingesetztem G.O. und erhal­tenem R eduktionsprodukt ergeben hat.

Im R eduktionsprodukt sind die einzelnen Schich­ten wohl parallel zueinander geordnet, doch wird die gegenseitige O rientierung, wie sie im G raphit­g itter besteht, nicht w ieder erreicht. Das Röntgen- beugungsdiagram m ist dem der m ikrokristallinen Kohlenstoffe, z. B. der Ruße oder Aktivkohlen, ähn­lich. Es treten neben der Basisinterferenz (002) nur noch die (kh) -Kreuzgitterinterferenzen auf. Der Ab-

London 1959, S . 321; H . P. B o e h m , A. C l a u s s u . U. H o f­m a n n , J. Chim. physique 1961, 141.

4 L. S t a u d e n m a ie r , Ber. dtsch. chem. Ges. 31, 1481 [1899].5 W. S. H u m m e r s u . R . E. O f f e m a n , J. Amer. chem. Soc. 80,

1339 [1958].6 V. K o h l s c h ü t t e r u . P. H a e n n i , Z. anorg. u. allg. Chem.

105, 121 [1919].7 G. R u e s s u . F. V o g t , Mh. Chem. 78. 222 [1948].

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H . P. B o e h m , A. C l a u s , G. 0. F is c h e r und N. H o f m a n n , Dünnste Kohlenstoff-Folien (S. 150)

Abb. 2

Abb. 3

*

1 / u

Z e itsd ir if t fü r N aturforschung 17 b, Seite- 150 a Abb.-L nterschriften s. S. 150 b .

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Abb. 2. Graphitoxyd mit Hydrazinhydrat reduziert. Aufn. Nr. 1680/61.

Abb. 3. Graphitoxyd in n/lOO-NaOH dispergiert und mit Hydra­zinhydrat reduziert. Aufn. Nr. 1027/61.

Abb. 4. Photometrische Ausmessung der elektronenmikroskopi­schen Aufnahme Nr. 623/56. Die Photometerkurve ist im glei­chen Maßstab abgebildet. Die Dicke des Objektträgerfilms betrug 113 Ä; die berechnete Dicke der Kohlenstoff-Folie ist 12.6 Ä-

Einheiten. Vergrößerung 38 000 : 1.

Zeitschrift für Naturforschung 17 b, Seite 150 b.

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DÜNNSTE KOHLENSTOFF-FOLIEN 151

stand der Schichten voneinander ist etwas größer als im G raphit (vgl. Tab. 1).

QuellungsmediumSchicht­abstand

[Ä]

G. O., wasserfrei 6,35G. O., an Luft von 50%

rel. Feuchtigkeit 7,7G. O., an Luft von 100%

rel. Feuchtigkeit 11,6G. O., unter Wasser 11,6G. O., unter 2 -n. NaOH 11,2G. 0 ., unter 0,05-n. NaOH 12,4G. 0 ., unter 0,01-w. NaOH OOGraphit 3,354G. 0 . -Reduktionsprodukt 3,6

Tab. 1. Schichtabstände von Graphitoxyd unter verschiedenen Quellungsmedien.

Im Elektronenm ikroskop läßt das Reduktions­p rodukt des G.O. dünne Folien erkennen, die m ei­stens stark zerknittert und zu großen Klumpen zu­sam m engeballt sind (Abb. 2 *).

Das G.O. zeigt noch eine interessante Eigentüm ­lichkeit. Es hat die Fähigkeit zur innerkristallinen Quellung. W asser — oder auch jede andere polare F lüssigkeit — verm ag zwischen die Schichten einzu­dringen unter Aufw eitung des Schichtabstandes. T at­sächlich w urde diese Erscheinung, die auch für die Eigenschaften vieler anderer Stoffe, z. B. vieler T on­m inerale, wichtig i s t 8-10, von H o f m a n n und F r e n z e l

zuerst am G.O. en tdeck t1. Der W assergehalt und der Schichtabstand hängen reversibel vom Wasser- dam pf-Partialdruck der um gebenden Atm osphäre ab. D ie Tab. 1 zeigt den röntgenographisch bestim m ­ten Schichtabstand in verschiedenen Quellungszu­ständen. U nter W asser wächst der Schichtabstand von 6,35 auf 11,6 Ä-Einheiten. Noch weiter ver­läuft die Quellung in sehr verdünnter N atronlauge. U nter 0 ,0 1-n. NaOH schreitet die Quellung fort bis zur vollständigen T rennung der einzelnen Schichten. Die Schichten sind im entstandenen kolloiden Sol als einzelne M akrom oleküle verteilt. Dies w ird durch das Zeichen oc fü r den Schichtabstand angedeutet.

Eine solche Aufteilung in einzelne Schichten wurde auch bei vielen Tonmineralen beobachtet. W e is s 9 wies darauf hin, daß dieses Phänomen immer dann auftritt, wenn die Flächendichte der Ladungen der Schichten zwischen 0,7 und 2 Ladungen pro 100 Ä 2 liegt. Beim

* Abb. 2 — 4 s. Tafel S. 150 a.8 U . H o f m a n n , K. E n d e l l u . D. W ilm , Z. Kristallogr., Mine-

ralog. Petrogr., Abt. A 86, 340 [1933],

G. O. beruht diese Ladung auf der Dissoziation der Na®-Ionen von den durch die Natronlauge neutralisier­ten sauren Gruppen.

Es erschien nun denkbar, daß bei der Reduktion von derm aßen in einzelne Schichten aufgeteiltem G.O. auch einzelne Schichten des elem entaren K o h ­lenstoffs erhalten würden. D eshalb w urde G.O. durch Schütteln in 0,01-n. NaOH dispergiert (ca. 5 g in2 /) und durch Erhitzen m it einem geringen Ü ber­schuß von H ydrazinhydrat oder von Hydroxyl- am m onium chlorid (unter Zusatz der äquivalenten Menge N atrium hydroxyd) reduziert. Nach dem A b­kühlen w urde die Suspension, deren F arbe von b raun nach schwarz umgeschlagen war, durch D ia­lyse von Elektrolyten befreit.

Ein Teil der Suspension w urde filtriert und der Rüdestand getrocknet und analysiert. Das R eduk­tionsprodukt enthielt ca. 80% Kohlenstoff (bezogen auf die aschefreie S ubstanz), 1,5% Stickstoff und 1,5% W asserstoff. Der Rest w ar Sauerstoff. Leider enthielt das R eduktionsprodukt stets beträchtliche Mengen anorganischer Salze, die auf die V erunrei­nigungen des G.O. und auf hartnäckig festgehaltenes Alkali zurückzuführen sind. Eine U ntersuchung des R eduktionsproduktes ergab, daß — wie zu erw arten w ar — die Carboxylgruppen am Rande der Kohlen- stoff-Sechseckschichten und die H ydroxylgruppen im Inneren der Schichten nicht angegriffen w urden. Der an die Sechseckschichten gebundene „ä thera rtige“ Sauerstoff w urde dagegen quantitativ entfernt.

F ür die elektronenm ikroskopische U ntersuchung wurden Tröpfchen der Suspension auf den O bjekt­trägern eingetrocknet. Die Abb. 3 zeigt, daß das R eduktionsprodukt tatsächlich aus äußerst dünnen Folien bestand. Diese sind so dünn, daß sie in der R eproduktion kaum einen K ontrast geben und oft nur an den Falten zu erkennen sind.

D araufhin w urde versucht, die D icke der Folien des G .O .-Reduktionsproduktes zu bestim m en. Dies erfolgte durch Vergleich des K ontrastes, den R eduk­tionsprodukt und Trägerfilm auf der Photoplatte im Elektronenm ikroskop erzeugten.

Zu diesem Zweck w urden als O bjektträger dünne Kollodium filme bekannter Dicke hergestellt. Ein Tropfen einer Lösung von Kollodium in Am ylacetat wurde in üblicher W eise auf einer m it Am ylacetat

9 Ar. W e is s , Chem. Ber. 91, 487 [1958].10 U . H o f m a n n , Koll.-Z. 169, 58 [I960].

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152 H. P. BOEHM, A. CLAUSS, G. 0 . FISCHER UND U. HOFMANN

gesättigten W asseroberfläche gespreitet. Aus dem Volumen des T ropfens, der K onzentration des Kol­lodium s und der Größe der W asseroberfläche ließ sich die Dicke der entstandenen Film e berechnen. Sie betrug rund 100 Ä-Einheiten. Es ist bekannt, daß sich K ollodium (Nitrozellulose) bei der B estrah­lung im E lektronenm ikroskop zersetzt. Der M assen­verlust dabei beträg t etwa 75 P ro z e n t11. D am it war die M assendicke der bestrahlten Trägerfilm e bekannt. Die Trägerfilm e konnten som it als S tandard fü r die M assendicke dienen. (Kollodium film e haben gegen­über Trägerfilm en aus anderem M aterial den V or­teil, daß ihre Massendicke infolge des erheblichen M assenverlustes bei der Bestrahlung in der gleichen G rößenordnung liegt, wie die der Folien des R eduk­tionsproduktes.)

M it den so hergestellten Film en w urden O bjekt­trägerblenden bespannt, die Suspension des R eduk­tionsproduktes d arau f p räp a rie rt und zahlreiche elektronenm ikroskopische A ufnahm en hergestellt. Es w urde ein Siem ens-Uberm ikroskop 100 e verwen­det. Um bei dem dünnen M aterial einen guten K on­trast zu erhalten, ist es zweckmäßig, E lektronen relativ n iedriger Energie zu verwenden. M eistens wurde eine Beschleunigungsspannung von 60 kV gew ählt; aber auch m it 80 kV w urden die gleichen Ergebnisse erhalten.

Die Schwärzung der N egativplatten w urde mit H ilfe eines M ikrodensitom eters gemessen. Durch Vorversuche w ar festgestellt w orden, daß die Schwär­zung der Photoplatten bis 5 = 0,9 der eingefallenen E lektronenstrahlung proportional war. Aus den ge­messenen Schwärzungen wurde das V erhältnis der E lektronenstreuung in der Folie des R eduktions­produktes und im T rägerfilm bestim m t. Dies ist in Abb. 4 dargestellt. D er Strich im oberen Bild gibt die photom etrische Strecke an. Es w urde durch ein— glücklicherweise häufig vorhandenes — Loch im

Trägerfilm (A ), durch den T rägerfilm (B) und schließlich quer durch die Folie des R eduktionspro­duktes (C) photom etriert. Die dazugehörige P ho to ­m eterkurve (im gleichen Längenm aßstab) ist im unteren Teil der Abb. 4 dargestellt. Aus den opti­schen Schwärzungen bei B und C w urde unter A n­nahm e eines exponentiellen V erlaufs der E lektronen­streuung die M assendicke bzw. — bei bekannter Dichte — die Dicke der Folie des R eduktionspro­

11 A. B r o c k e s , Physik. Verhandlungen, Folge 2, 6, 27[1951] ; A. B r o c k e s , Angew. Chem. 67, 331 [1955].

duktes bestim m t m it folgendem A nsatz :ln Sa/Sb ____ Db -qb

ln Sa/Sc D b • £>B + ö x • ox H ierbei bedeutet 5 die Schwärzung der P ho to ­

platte, wobei die Stellen A, B und C durch en tspre­chende Indizes bezeichnet sind. D ist die Dicke von Trägerfilm (Index B) oder R eduktionsprodukt (In ­dex x ) , io die entsprechende Dichte. Als Dichte des bestrahlten Trägerfilm s w urde 0,35 ( = 1 ,4 -0 ,25 ) g 'c m -3 eingesetzt; die Dichte des R eduktionspro­duktes wurde aus dem röntgenographisch bestim m ­ten Schichtabstand zu 2,1 g -cm -3 berechnet.

Die Tab. 2 b ring t alle auf diese W eise erhaltenen W erte fü r die Dicke der Folien des R eduktionspro­duktes. Die V erteilung der einzelnen Ergebnisse

3,0 Ä 7,6 Ä 12,4 Ä 16,7 Ä 22,8 Ä3,3 8,3 12,4 19,9 23,63,3 8,7 12,63.8 9.1 13,13,9 9,2 13,54,0 9,8 13,94,5 10,9 14,64,5 11,5 15,14,6 15,34,64,95.26.06,16,16,3

Mittel: 4,6 Ä 9,5 Ä 13,7 Ä 18,3 Ä 23,2 Ä

Tab. 2. Ergebnisse der elektronenmikroskopischen Dicken- bestimmung extrem dünner Kohlenstoff-Folien.

macht den Eindruck, als ob W erte um 4 ,6 Ä und Vielfache dieser Dicke häufiger vorkäm en. Bei höhe­ren W erten w ird die S treuung natürlich sehr breit. Bekanntlich ist im m ikrokristallinen Kohlenstoff eine Schicht 3,6 Ä dick. Das bedeutet, daß die dünnsten Lamellen aus einigen w enigen K o h len sto ß schichten bestehen, vielleicht sogar n u r aus einer einzigen Schicht. Es wurden nu r die allerdünnsten Folien auf den elektronenm ikroskopischen A ufnahm en ausge­messen; deshalb sind die W erte um 4 ,6 Ä soviel häufiger als größere Dicken.

Es bestehen einige Zweifel, ob es wirklich möglich ist, einzelne Kohlenstoffschichten des G raphitgitters im Elektronenm ikroskop sichtbar zu machen:

Nach v. B o r r i e s 12 sollte allerdings m it 60keV - Elektronen theoretisch sogar eine 1,5 Ä dicke Koh-

12 B. v o n B o r r ie s , Die Übermikroskopie, Verlag Saenger, Berlin 1949, S. 194-195 .

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DEHYDROCYCLISIERUNG VON STILBEN 153

lenstoffschicht einen erkennbaren K ontrast im Elek­tronenm ikroskop geben.

D er M ittelwert von 4 ,6 Ä enthält natürlich alle Fehler in der Bestim m ung der Dicke des u r­sprünglichen K ollodium film s und des Ausmaßes sei­ner Zersetzung. Dazu kom m en die Fehler, die auf ungleichm äßiger Dicke der photographischen Em ul­sion beruhen (m ehrere P latten w aren aus diesem G runde unbrauchbar) und andere Fehler beim Photom etrieren.

A ndererseits deutet das V orkom m en von Stufen m it einer m ittleren H öhe von 3,7 Ä bei m ehreren Folien darau f hin, daß die Beobachtung einzelner Kohlenstoffschichten doch reell sein dürfte.

E in wesentlicher E inw and gegen unsere M essun­gen ist die Beobachtung, daß im Elektronenm ikro­skop auf allen Oberflächen dünne Kohlehüllen nie­dergeschlagen werden. Es handelt sich dabei um kohlenstoffreiche Zersetzungsprodukte organischer Dämpfe, die von Gum m idichtungen und Vakuum ­fetten abgegeben w erden. N aturgem äß ist das Aus­m aß dieser K ohleabscheidung sehr unsicher und dürfte von G erät zu Gerät verschieden sein. Wenn auf unseren P räp ara ten solche Kohlehüllen nieder­geschlagen w urden, w ären die W erte der Tab. 2 zu klein. Bei A bscheidung einer 10 Ä dicken Schicht der Dichte 2 w ären die angegebenen Dicken z. B. um ungefähr den F ak to r 2 /3 zu klein.

D ieser Fehler kann jedoch nicht sehr groß gewe-

13 A. C l a u s s , H . P. B o e h m u . U. H o f m a n n , Z. anorg. allg.Chem. 290, 35 [1957].

sen sein, denn unabhängige M ethoden ergaben eben­falls sehr niedrige W erte fü r die durchschnittliche Dicke der Folien:

1. Aus der H albw ertbreite der B asisinterferenz (002) des getrockneten R eduktionsproduktes wurde die m ittlere Dicke der K ristallite in R ichtung der c-Achse zu 14,5 Ä, d. h. zu 4 Kohlenstoffschichten, bestim m t. (Das V erfahren w urde bereits an anderer Stelle beschrieben 13.)

2. M essungen der spezifischen Oberfläche aus der M ethylenblau-A dsorption ergaben M axim alwerte von 820 und 1200 m2/ g 14. D a eine einzelne Koh- lenstoff-Sechseckschicht eine spez. Oberfläche von 2600 m 2/g hätte, folgt daraus eine durchschnittliche Dicke der Folien des R eduktionsproduktes von 3,2 bis 2,2 Schichten.

Diese sehr geringen W erte fü r die durchschnitt­liche Dicke sprechen ebenfalls dafür, daß die dünn­sten Folien des R eduktionsproduktes von G.O. nur aus einer einzigen Kohlenstoffschicht bestehen. Al­lerdings tr itt bei allen Versuchen, das R eduktions­p rodukt in g rößerer Menge aus der Suspension zu isolieren, eine beträchtliche A gglom eration ein, die zu einer starken Abnahm e der spez. Oberfläche f ü h r t14.

Wir danken der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s ­g e m e i n s c h a f t für die leihweise Überlassung eines Elektronenmikroskops sowie dem F o n d s d e r C h e ­m i e und den E u r o p e a n R e s e a r c h A s s o c i a ­t e s , Brüssel, für wertvolle Unterstützung.

14 Z. anorg. allg. Chem., im Drude.

Zum Mechanismus der photochemischen Dehydrocyclisierung von Stilben

Von H o r s t S t e g e m e y e r

Aus dem Institut für Erdölforschung, Hannover (Z. Naturforschg. 17 b, 153—156 [1962] ; eingegangen am 23. Oktober 1961)

The photochemical dehydrocyclization of stilbene resulting in phenanthrene has been examined quantitatively. From measurements of rate and quantum yields, it follows that the reaction only starts from the cis form of the stilbene molecule. A new mechanism was suggested involving the short-lived first excited singlet state of cis stilbene.

Bei der U ntersuchung der Photo-Isom erisierung des Stilbens beobachteten bereits S m a k u l a 1 und L e w i s , M a g e l und L i p k i n 2 eine N ebenreaktion.B u c k l e s 3 konnte später zeigen, daß es sich um eine

1 A. S m a k u la , Z. physik. Chem., Abt. B 25, 90 [1934].

D ehydrocyclisierung zu P henan th ren handelt, die sowohl bei B estrahlung von cis- als auch Jrarcs-Stilben in verdünnter Lösung auftritt.

In letzter Zeit nahm en H u g e l s h o f e r , K a l v o d a

2 G. N. L e w is , T. T. M a g e l u . D. L i p k i n , J. Amer. chem. Soc. 62, 2973 [1940].

3 R. E. B u c k l e s , J. Amer. chem. Soc. 77, 1040 [1955].