Zeitschrift Lydia - 2/2010

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GANZ persönlich Bonbons sind besser als Bananen! Wussten Sie, wie einfach es ist, einen Affen zu fan- gen? Es genügt, eine Banane in ein großes, durchsich- tiges Gefäß mit einer engen Öffnung zu legen – so eng, dass nur eine leere Pfote hineinpasst. Sobald der Affe die Banane sieht, steckt er gierig seine Pfote in das Gefäß und klammert sich fest. Schon haben Sie Ihren Affen gefangen! Denn er wird die Banane nicht loslas- sen! Selbst wenn die Jäger ihn umringen, wird er seine Hand nicht aus der Öffnung ziehen, um zu fliehen. „Nicht ohne meine Banane!“, lautet das Affenmotto. „Koste es, was es wolle!“ Vielleicht schmunzeln Sie und fragen sich: „Wie kann er nur so dumm sein?“ Das dachte ich auch! Bis ich entdeckte, wie sehr ich an meiner Banane fest- klammerte. Ende der Achtzigerjahre wollten wir ein Haus in der Nähe des Verlags mieten, aber wir fanden keins. Schließlich zogen wir in eine winzige Wohnung direkt neben unserem Bürogebäude. Unter uns wohnten vier junge Singlefrauen, mit denen ich mich sehr gut ver- stand. Ich fühlte mich rundum wohl, obwohl es oft turbulent zuging. Nach vier Jahren schlug mein Mann vor, in ein Haus zu ziehen: „Deine Gesundheit ist nicht stabil. Du brauchst einen anderen Lebensstil.“ „Oh nein, Schatz“, protestierte ich, „wir können auf keinen Fall umziehen! Ist dir klar, wie oft wir bereits umgezogen sind? 15-mal! Und das in mehreren Ländern!“ „Wir ziehen wegen deiner Gesundheit um“, sagte er mir. „Gott hat etwas Besseres für uns.“ Aber ich hielt meine Banane fest umklammert, während mir die Tränen übers Gesicht strömten. Kommt Ihnen das bekannt vor? Was ist Ihre Bana- ne? Eine ungesunde Beziehung? Ihr gutes Recht, das Sie nicht aufgeben wollen? Schmerzhafte Erinne- rungen? In dieser Ausgabe finden Sie unterschied- liche „Bananen“-Geschichten, die Ihnen vielleicht bekannt vorkommen werden … Mit sehr viel Ermutigung war ich schließlich ein- verstanden, ein Haus zu bauen. Also fingen die Bau- arbeiten an. Und die Probleme auch! Aus einem Jahr wurden zwei. Mitten im Bau las ich eines Morgens in meiner Bibel und kam zum Bau des Tempels. Ich schaute flüchtig auf die Seite und dachte: ‚Oh nein, keine Bauprojekte mehr! Sogar in der Bibel will ich nichts mehr vom Bau lesen!‘ Ich war kurz davor, die Stelle zu überspringen, doch dann überlegte ich es mir anders. Ich las, wie der Tempel fertiggestellt wurde und „die Herrlichkeit des Herrn das Haus erfüllte“. Plötzlich spürte ich in meinem Herzen: Das ist ein Wort Gottes für unser neues Zuhause! Aufgeregt erzählte ich meinem Mann: „Schatz, Gott zieht mit uns um!“ Erstaunlich, wie eine Verheißung von Gott alles verändern kann! Sie gab uns Zuversicht, Hoff- nung und Kraft. Noch heute – 18 Jahre später – wohnen wir hier, und es vergeht kaum ein Tag, an dem wir Gott nicht für unser trautes Heim danken. Wir fühlen uns gebor- gen. Wir lieben die Stille und den Garten, in dem wir uns von unserem geschäftigen Alltag erholen. Das größte Geschenk, was die Ewigkeit betrifft: Als drei liebe Menschen in unserer Nachbarschaft wissen wollten, wie sie in den Himmel kommen, hatten wir das Vorrecht, sie bis zur Tür zu begleiten. Ich hoffe, wenn ich das nächste Mal aufgefordert werde, meine Banane loszulassen, werde ich schneller einverstanden sein! Ich will nicht das Beste verpassen, das Gott für mich hat. Stattdessen will ich wie der kleine Junge sein, der seinen Opa besuchte und auf dem Tisch ein Glas voller Bonbons sah: „Opa, darf ich welche haben?“ „Sicher! Nimm dir eine Handvoll.“ „Nein, Opa, gib du mir welche!“ Verwundert griff der Großvater in das Glas, holte ihm eine Handvoll Bonbons heraus und fragte: „Warum wolltest du dir die Bonbons nicht selbst nehmen?“ Da sagte der Junge grinsend: „Deine Hände sind größer!“ Ich glaube, nächstes Mal lasse ich Gott mir alle „Bonbons“ geben! Das ist viel besser, als an meiner Banane zu klammern. Ihre Elisabeth Mittelstädt L y d i a 2 / 2 0 1 0 3

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In der Zeitschrift LYDIA erwarten Sie bewegende Erfahrungsberichte, spannende Interviews, Infos über Trends, Tipps zu Alltagsfragen und vieles mehr. Menschen erzählen offen, wie sie Schwierigkeiten und Ängste überwinden, wie sie Gott begegnen und Erstaunliches erleben. Genießen Sie erfrischenden Rückenwind für die Herausforderungen des Lebens. Mit jeder Ausgabe bringt LYDIA Inspiration und Ermutigung direkt vor Ihre Haustür!

Transcript of Zeitschrift Lydia - 2/2010

g a n z persönlich

Bonbons sind besser als Bananen!

Wussten Sie, wie einfach es ist, einen Affen zu fan-gen? Es genügt, eine Banane in ein großes, durchsich-tiges Gefäß mit einer engen Öffnung zu legen – so eng, dass nur eine leere Pfote hineinpasst. Sobald der Affe die Banane sieht, steckt er gierig seine Pfote in das Gefäß und klammert sich fest. Schon haben Sie Ihren Affen gefangen! Denn er wird die Banane nicht loslas-sen! Selbst wenn die Jäger ihn umringen, wird er seine Hand nicht aus der Öffnung ziehen, um zu fliehen. „Nicht ohne meine Banane!“, lautet das Affenmotto. „Koste es, was es wolle!“

Vielleicht schmunzeln Sie und fragen sich: „Wie kann er nur so dumm sein?“ Das dachte ich auch! Bis ich entdeckte, wie sehr ich an meiner Banane fest-klammerte.

Ende der Achtzigerjahre wollten wir ein Haus in der Nähe des Verlags mieten, aber wir fanden keins. Schließlich zogen wir in eine winzige Wohnung direkt neben unserem Bürogebäude. Unter uns wohnten vier junge Singlefrauen, mit denen ich mich sehr gut ver-stand. Ich fühlte mich rundum wohl, obwohl es oft turbulent zuging.

Nach vier Jahren schlug mein Mann vor, in ein Haus zu ziehen: „Deine Gesundheit ist nicht stabil. Du brauchst einen anderen Lebensstil.“ „Oh nein, Schatz“, protestierte ich, „wir können auf keinen Fall umziehen! Ist dir klar, wie oft wir bereits umgezogen sind? 15-mal! Und das in mehreren Ländern!“

„Wir ziehen wegen deiner Gesundheit um“, sagte er mir. „Gott hat etwas Besseres für uns.“

Aber ich hielt meine Banane fest umklammert, während mir die Tränen übers Gesicht strömten.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Was ist Ihre Bana-ne? Eine ungesunde Beziehung? Ihr gutes Recht, das Sie nicht aufgeben wollen? Schmerzhafte Erinne-rungen? In dieser Ausgabe finden Sie unterschied-liche „Bananen“-Geschichten, die Ihnen vielleicht bekannt vorkommen werden …

Mit sehr viel Ermutigung war ich schließlich ein-verstanden, ein Haus zu bauen. Also fingen die Bau-arbeiten an. Und die Probleme auch! Aus einem Jahr wurden zwei. Mitten im Bau las ich eines Morgens in meiner Bibel und kam zum Bau des Tempels. Ich

schaute flüchtig auf die Seite und dachte: ‚Oh nein, keine Bauprojekte mehr! Sogar in der Bibel will ich nichts mehr vom Bau lesen!‘ Ich war kurz davor, die Stelle zu überspringen, doch dann überlegte ich es mir anders. Ich las, wie der Tempel fertiggestellt wurde und „die Herrlichkeit des Herrn das Haus erfüllte“. Plötzlich spürte ich in meinem Herzen: Das ist ein Wort Gottes für unser neues Zuhause! Aufgeregt erzählte ich meinem Mann: „Schatz, Gott zieht mit uns um!“ Erstaunlich, wie eine Verheißung von Gott alles verändern kann! Sie gab uns Zuversicht, Hoff-nung und Kraft.

Noch heute – 18 Jahre später – wohnen wir hier, und es vergeht kaum ein Tag, an dem wir Gott nicht für unser trautes Heim danken. Wir fühlen uns gebor-gen. Wir lieben die Stille und den Garten, in dem wir uns von unserem geschäftigen Alltag erholen. Das größte Geschenk, was die Ewigkeit betrifft: Als drei liebe Menschen in unserer Nachbarschaft wissen wollten, wie sie in den Himmel kommen, hatten wir das Vorrecht, sie bis zur Tür zu begleiten.

Ich hoffe, wenn ich das nächste Mal aufgefordert werde, meine Banane loszulassen, werde ich schneller einverstanden sein! Ich will nicht das Beste verpassen, das Gott für mich hat. Stattdessen will ich wie der kleine Junge sein, der seinen Opa besuchte und auf dem Tisch ein Glas voller Bonbons sah:

„Opa, darf ich welche haben?“„Sicher! Nimm dir eine Handvoll.“„Nein, Opa, gib du mir welche!“Verwundert griff der Großvater in das Glas, holte

ihm eine Handvoll Bonbons heraus und fragte: „Warum wolltest du dir die Bonbons nicht selbst nehmen?“

Da sagte der Junge grinsend: „Deine Hände sind größer!“

Ich glaube, nächstes Mal lasse ich Gott mir alle „Bonbons“ geben! Das ist viel besser, als an meiner Banane zu klammern.

Ihre

Elisabeth Mittelstädt

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A R T I K E L

Anne SeidlitzTitelfoto: Janine Guldener

www. lyd ia .net

anne Seidlitz

Interview – Seite 6

6 „Das bin ich!“ Interview mit Anne Seidlitz ElisabethMittelstädt

12 Wer bin ich? Wie Sie Ihre Identität entdecken und bewahren, statt sich im Alltag zu verlieren JulieCaton

16 Leicht wie ein Schmetterling Gut für mich sorgen – besonders in der zweiten Lebenshälfte! BeateNordstrand

20 Lea: Das legendäre Vermächtnis Dr.GeorgeWood

24 Erdmuthe von Zinzendorf Aufreibende Umzüge und schmerzhafte Abschiede MirjanaAngelina

28 Zufriedenheit kultivieren ElizabethNewenhuyse

34 Gemeinsam mit meinem Sohn den Jakobsweg zu wandern, half mir, loszulassen – AdeleDyck

38 Karriere nach den Kindern Wie Mütter den Wiedereinstieg ins Berufsleben schaffen SusanneMockler

42 Down-Syndrom: Meine ganz besondere Enkelin – GerdiStoll

44 „Ich bin jetzt ein richtig großes Kindergartenkind!“ –BärbelLöffel-Schröder

48 Unser Nachzügler – VeronikaStefan

52 Was machen wir mit Mutter? Entscheidungen treffen, wenn die Eltern alt werden – VirginiaStemOwens

56 „Mütterle, du darfst bald gehen“ Zwischen Erschöpfung und Engelsgeduld: Die letzten Jahre mit meiner Mutter – MonikaSchaff

62 Bund fürs Leben So machen Ent-täuschungen Ihre Beziehung tragfähig –CorneliaMack

66 Der Tränenbaum Wie ich nach der Trennung Heilung fand – BarbaraWiegand

„Mütterle, du darfst bald gehen“ Seite 56

I N H A L TWer bin ich?Seite 12

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R U B R I K E N

Bund fürs LebenSo machen Ent-täuschungen Ihre Beziehung tragfähig

Seite 62

Karriere nach den Kindern Seite 38

3 Ganz persönlich Bonbons sind besser als Bananen! –ElisabethMittelstädt

10 Im Blickpunkt Bücher und CDs

18 Nachgefragt Wie gehe ich mit Konflikten in der Gemeinde um? –AnnemariePfeifer

32 Girl Talk Warten auf Mr. Right DéborahRosenkranz

40 Meine Meinung Wie haben Sie den Wieder-einstieg in den Beruf geschafft?

46 Unter uns Müttern Ein bisschen plötzlich, bitte!SaskiaBarthelmeß

50 Schmunzeln mit LYDIA

58 Liebe Leser

61 LYDIA Kreativ –ImkeJohannson

68 Meine Geschichte Wunder in Afrika ChristineLauterbach

72 Heilige heute Frauen wie wir • Wie ein Hamster im Laufrad DorotheaKlaue• Wenn der

Neidhammel blöktRuthHeil • Einsamkeit und das schlechte Gewissen SusanneNeudeck•Bratkartoffeln mit LiebeMarleneGottschalk

76 Für Sie notiert Infos und Trends – wer und was

80 Briefe an LYDIA

81 Impressum

81 Sag mal, ... Fragen an Rahel

82 Nachgedacht Muttertag –ElisabethBüchle

84 Zu guter Letzt Danke, Mutter – SusanneWeber

I N H A L T

Warten aufMr. Right Seite 32

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MonikaSchaff

„Mütterle, du darfst bald gehen“

ZwischenErschöpfungundEngelsgeduld: DieletztenJahremitmeinerMutter

L o s L a s s e n

56 L y d i a 2 / 2 0 1 0

Mitten in der Nacht schreckte ich auf. Wieder klingelte das Telefon. Am anderen Ende hörte ich

die Stimme meiner damals 85-jährigen Mutter. Warum rief sie bloß schon wieder an? Wusste sie

nicht, wie spät es war? „Es ist zwei Uhr nachts“, informierte ich sie mürrisch. Erschrocken ent-

schuldigte sie sich. Das war ihr nicht bewusst gewesen. Auf dem Weg zurück ins Bett spürte ich,

dass ich mal wieder verärgert war. Doch ich musste mir eingestehen: Mutter wollte mich nicht

verärgern! Sie wirkte verwirrt und hilflos. Vielleicht war es an der Zeit, sie zu uns zu nehmen?

Der Rollentausch der Generati-onen stand bevor: Mutter zog bei uns ein, und von da an kümmerte ich mich um sie. Das war nicht

ganz einfach für sie. Die erste Zeit vermisste sie ihr eigenes Zuhause. Schon nach ein paar Tagen wollte sie zurück in ihr altes Heim. Immer wieder versuchten wir, sie zu vertrös-ten: „Später, später!“

Auch ansonsten veränderte sich Mutter zusehends. Sie wurde immer verwirrter und unruhiger. Oft klopfte sie nachts stundenlang an die Wand und rief nach mir. Wenn ich zum x-ten Mal an ihr Bett kam und sie fragte, was sie denn möchte, wusste sie von nichts.

Tagsüber war sie ständig auf der Suche nach irgendetwas, was, konnte sie nicht mehr in Worte fassen. Vor allem war sie stän-dig auf der Suche nach mir. Sie hat es nicht ertragen können, mich nicht „vor Augen“ zu haben. Dieser Zustand verschlechterte sich zusehends. So rief sie eines Tages nicht nur nach mir, sondern ganz energisch auch nach ihren Eltern. Sie konnte es nicht begrei-fen, wenn ich ihr erzählte, dass sie längst im Himmel sind. Und ich begriff nicht, in welchem geistigen Zustand Mutter nun war. Immer wieder wollte ich sie belehren und

brachte sie damit völlig aus der Fassung. Ich hatte Mühe damit, nicht mehr die Tochter-rolle zu haben, sondern Mutter stattdessen zu sagen, was sie tun und lassen solle.

Diese Umstellung brachte mich oft an den Rand meiner Kräfte. Durch ihr Rufen fand ich viele Tage und Nächte keine Ruhe und dann waren meine Nerven aufs Äußers-te strapaziert. Das brachte mit sich, dass ich oft einen harten Ton gegenüber Mutter anwandte. Heute weiß ich, dass sie für ihr Verhalten nichts konnte, sie war einfach nur altersdement.

„Ich will zu Jesus!“Wie dankbar war ich für meine Familie,

die mir in dieser schweren Zeit hilfreich zur Seite stand. Zwar ermahnten sie mich oft, wenn ich ungeduldig mit Mutter war, weil sie mich immer wieder das Gleiche fragte oder Dinge tat, die mich aus der Fas-sung brachten. Doch dann trösteten sie ihr „Ömchen“ liebevoll und brachten so uns beide wieder zur Ruhe. Oftmals gaben sie mir ein paar Stunden „frei“, sodass ich auch einmal das Haus verlassen konnte in der Gewissheit, dass Mutter gut versorgt und betreut war.

Dankbar war ich auch für eine Mitarbeiterin der Hospizgruppe, die einmal wöchentlich vorbeikam und sich nur mit Mutter beschäftigte. Ich hatte dort angefragt, weil ich einfach nicht in der Lage war, mit ihr zu singen und zu beten, obwohl ich wusste, dass sie Jesus kennt und ihn in gesunden Tagen auch als ihren Heiland angenommen hatte. Das überstieg meine Kräfte. Dort wurde ich getröstet, dass ich nicht alles können müsse und auf das schauen solle, was ich kann, wie sie füttern, waschen, wickeln usw. Das war mir ein Trost und hat mein schlechtes Gewissen beruhigt.

Obwohl sich ihr geistiger Zustand immer mehr verschlechterte, sang sie gerne mit der Dame von der Hospizgruppe ältere Kirchenlieder. Es war erstaunlich – Mut-ter konnte sie alle immer noch fehlerfrei auswendig, obwohl sie meist keinen klaren Satz mehr sagen konnte. Diese Mitarbei-terin redete mit Mutter über ihren letzten Weg und vor allem betete sie mit ihr. So war ich beruhigt darüber, dass sie auch geistlich betreut wurde. Mutter war nach diesem

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Besuch immer fröhlich und zufrieden – wie gut, dass es solch eine Einrichtung gibt.

Eines Tages saß Mutter in ihrem Rollstuhl am Fenster und rief laut: „Ich will zu Jesus, lass mich zu Jesus!“ Ich ordnete dieses Rufen ihrer Verwirrtheit zu und reagierte zuerst gar nicht darauf. Erst als sie es mehrmals wieder-holte, entgegnete ich: „Ja, da wollen wir alle mal hin“, worauf Mutter klar und deutlich zur Antwort gab: „Alle, die ihn kennen!“

Ich war überwältigt und beschämt zugleich und begriff, dass dieses Rufen kei-neswegs ihrer Verwirrtheit zuzuschreiben war; sie wusste in diesem Moment ganz genau, was sie sagte. Mich lehrte es, dass ihr „menschlicher“ Geist zwar sehr verwirrt, ihr „geistlicher“ Geist jedoch fest und klar war.

Wie ein EngelMutter wurde zusehends schwächer. Die

Zeit im Rollstuhl, mit dem sie noch am all-

täglichen Geschehen teilnehmen konnte, wurde weniger. Meist wollte sie bald wieder in ihr Bett. Dort lag sie dann zufrieden, und irgendwie wirkte sie glücklich.

Welch ein Segen war es für mich, dass zwei unserer Kinder im medizinischen Bereich tätig waren. So hatte ich zeitweise eine Kran-kenschwester und eine Ärztin zu meiner Entlastung in meiner Nähe. Sie halfen mir bei der Pflege, wickelten sie, versorgten ihre mittlerweile wunden Stellen am Körper und kamen oft auch nachts an ihr Bett, um sie neu zu lagern. Mutter war so glücklich und dankbar dafür.

Eines Tages sagte sie mit völlig klarer Stimme zu einer meiner Töchter: „Du bist wie ein Engel für mich.“ Mir kamen die Trä-nen vor Rührung, denn Mutter war mit ihrer Zufriedenheit und Ruhe, die sie ausstrahlte, für mich nach dieser schwierigen und unru-

higen Zeit auch zum Engel geworden. Und ich durfte in dieser Zeit auch erfahren, dass Gott vorgesorgt hatte und mir „helfende Hände“ zur Verfügung gestellt hatte. Denn allein hätte ich das sowohl von der Arbeit als auch von der seelischen Belastung nicht geschafft. Und für Mutter war es ein Stück Himmel, von den eigenen Enkeln versorgt zu werden, das empfand sie trotz ihrer Ver-wirrtheit so. So durfte sie auf ihrer letzten Wegstrecke all das von ihnen ernten, was sie in deren Kindheitsjahren in sie gesät hatte.

Letzte WorteEines Tages erreichten mich ein paar Zei-

len einer Bekannten, die von meiner Situ-ation mit Mutter wusste. Sie schrieb mir, ich solle sie doch bewusst loslassen und in Gottes Hand abgeben. Diesen Satz hatte ich zur Kenntnis genommen, jedoch zuerst

Diesen Platz in Lydia haben wir dafür bereit-gehalten, Ihnen in Stichworten Gottes Plan für unsere Erlösung aufzuzeigen. Denn wir möchten Ihnen nicht nur Glaubenserfahrungen anderer Menschen nahebringen, sondern auch Sie per-sönlich zu einer lebendigen Beziehung zu Jesus Christus ermutigen. Wenn Sie sich nicht über Sinn und Ziel Ihres Lebens im Klaren sind, lesen Sie bitte, was die Bibel darüber sagt:

1. Gott liebt Sie!„Denn Gott hat die Menschen so sehr ge liebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen, son-dern das ewige Leben haben“ ( Johannes 3,16).

2. Jeder Mensch ist durch Sünde von Gott getrennt!

„Denn es ist kein Mensch auf der Erde so gottes-fürch tig, dass er nur Gutes tut und niemals sün-digt“ (Prediger 7,20). „Alle sind Sünder und haben nichts aufzuweisen, was Gott ge fallen könnte“ (Römer 3,23).

3. Jesus Christus ist der einzige Ausweg aus der Sünde!

„Vergesst nicht, wie viel Christus für unsere Sün-den erlitten hat! Er, der frei von jeder Schuld war, starb für uns schuldige Menschen, und zwar ein für alle Mal. So hat er uns zu Gott geführt …“ (1. Petrus 3,18). „Nur Jesus kann den Menschen Rettung brin gen. Nichts und niemand sonst auf der ganzen Welt rettet sie“ (Apostelgeschichte 4,12).

4. Nehmen Sie Jesus Christus als Ihren persönlichen Herrn und Erlöser an!

Jesus nennt dieses Geschehen „neu geboren wer-den“. Er sagte: „Wer nicht neu geboren wird, kann nicht in Gottes Reich kommen“ ( Johannes 3,3b). Jeder, der Jesus Christus als seinen per-sönlichen Erlöser angenommen hat, ist ein Kind Gottes. „Die ihn aber aufnahmen und an ihn glaubten, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu sein“ ( Johannes 1,12).

Wenn Sie in diese persönliche Beziehung zu Gott kommen wollen, laden wir Sie ein, das folgende Gebet zu sprechen:

Persönliches Gebet„Herr Jesus Christus, ich brauche dich und will mit dir leben. Danke, dass du am Kreuz für meine Sünden gestorben bist. Ich übergebe dir mein Leben und nehme dich als meinen Herrn und Erlöser an. Übernimm die Herrschaft in meinem Leben. Gestalte mich so, wie du mich haben willst. Amen.“

Wenn Sie diese Worte aufrichtig gebetet haben, sind Sie jetzt ein Kind Gottes. Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihre Entscheidung für ein Leben mit Jesus Christus mitteilen.

nicht weiter darüber nachgedacht. Mir war klar, dass ihr Lebensende kurz bevorstand und ich sie im Alter von 88 Jahren auch gehen lassen wollte.

An jenem Morgen stand ich an ihrem Bett, sah ihre zunehmende Schwäche und sagte dann völlig unbefangen zu ihr: „Ja, Mütterle, jetzt darfst du bald heimgehen.“ Sie lächelte mich an und erwiderte nur: „Ja!“

Ich dachte mir nichts dabei, ging zurück in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen. Dann beschlich mich ein seltsames Gefühl, als sollte ich doch gleich nochmals an ihr Bett treten. Ich ging zurück zu ihr, sie lächelte mich zufrieden an. An ihrem seltsamen Atem erkannte ich, dass etwas nicht stimmte.

Genau vor diesem Augenblick hatte ich mich gefürchtet. Ich wollte niemals allein am Sterbebett meiner Mutter stehen. Doch Gott war mir gnädig: Mein Mann war in unmittelbarer Nähe und eine meiner Töch-ter auch. Ich rief beide zu mir. Meine Toch-ter erkannte den Zustand sofort, stellte mir einen Stuhl neben Mutters Bett und fragte mich, ob ich mit Mutter allein sein wolle, um ihr noch etwas zu sagen. Ja, sagen wollte ich ihr noch etwas, aber im Beisein meiner Familie. So bat ich Mutter um Verzeihung für alle Verfehlungen. Ich dankte ihr für alles Liebe, was sie uns und unseren Kindern

getan hat; ich sagte ihr, dass sie für uns die allerbeste Mutter und Oma war. Mit einem Lächeln im Gesicht hörte sie zu, und als ihr Atem immer schwerer wurde, schloss sie die Augen für immer.

So verging von meinem Satz „Ja, Mütter-le, du darfst bald heimgehen“ bis zu ihrem Heimgang keine Viertelstunde. Mutter hatte es im Leben immer gut mit uns gemeint und wollte es uns immer recht machen. Sogar in ihren letzten Stunden wartete sie auf unser „Ja“, damit sie ihre Reise beenden und nach Hause gehen konnte zu ihrem Herrn.

Nun ist schon über ein Jahr vergangen, seit Mutter in den Himmel gezogen ist. Für mich hat der Tod viel von seinem Schrecken verloren. Ich bin froh, dass Gott alles so weise ordnete und mir die Kraft gab, durch-zuhalten, auch wenn es manchmal schwierig war. Ich bin so dankbar für die letzten Jahre mit meiner Mutter. Ich konnte bei ihr sein, bis sie diese Welt verließ. Ich vermisse sie noch oft. Aber allmählich verändert sich der Abschiedsschmerz. Die Dankbarkeit über-wiegt, und die Gewissheit, sie eines Tages im Himmel wiederzusehen, tröstet mich.

Monika Schaff ist Landwirtin, Ehefrau und Mutter von vier Kindern. Sie schreibt gerne Gedichte und persönliche Erlebnisse auf.

Wie kann ich jemanden trösten,der seine Mutter oder seinen Vater verloren hat?

Mein erster Muttertag ohne meine Mutter war sehr emo-tional. Doch ein Freund lud mich ein, den Tag mit ihm und seiner Familie zu verbringen. Ihre Freundlichkeit hat mich aufgebaut, unterstützt und getröstet.Deshalb habe ich heute eine besondere Tradition: Wenn ich höre, dass jemand einen Elternteil verloren hat – z. B. eine Person in der Gemeinde, eine Freundin, die weit weg wohnt, oder eine Nachbarin –, dann schreibe ich den Namen dieser Person auf eine Liste auf der Rückseite unseres Familienkalenders. Die Liste trägt die Überschrift: „Ohne Mutter oder ohne Vater“.In der Woche, in der Muttertag bzw. Vatertag ist, schicke ich jedem von ihnen eine handgeschriebene Karte. Darin schrei-be ich, dass das erste Jahr nach einem solchen Verlust beson-ders schwierig ist, dass ich sie gern habe und am Mutter- oder Vatertag besonders für sie beten werde.

Regina Russell

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