Zeitschrift Nr.16, Aufstieg auf das Kreuzstandardtanz.net/zeitschriften/Zeitschrift...

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tief in die Liebe Christi versenkt, dass die „Freuden der Welt“ für die Seele keine wirkliche Verlockung mehr darstellen. Auf dieser Stufe gedeihen die Tugenden; der Mensch entdeckt das Geheimnis des liebenden Herzens Jesu und beginnt, seine Liebe zu „verkosten“, indem er ihm das „Gefäß seines Herzens“ hinhält, „das jetzt jeglicher Anhänglichkeit und unordentlichen Liebe zu den Weltdingen entleert ist.“ (Dialog, Kap. 54). „Dann wirst du zur geöffneten Seitenwunde gelangen. Durch diese Öffnung zeige ich dir mein Geheimnis, nämlich das, was ich in der Liebe mei- nes Herzens getan habe.“ „Ihr werdet die Wärme der göttlichen Liebe spüren und die unendliche Liebe Gottes erkennen“, verheißt Katharina einem ihrer zahlreichen, interessierten Schülerinnen und Schüler (Brief 104). Auf der dritten Stufe, dem Mund Christi, verharrt Katharina „in unaussprechlicher Ruhe und in unaussprechlichem Frieden.“ (Supplementum, 43). Der Biograf weiß, was er sagt, hat er doch Katharinas Ekstasen als einer ihrer Schüler und Begleiter immer wieder miterleben dürfen. Und er vermag offenkundig nicht genug von ihren unermüdlichen Werken der Nächstenliebe, erwachsen aus tiefster Innerlichkeit, zu berichten! „Hier erfahren wir einen so großen Frieden und eine so große Ruhe“, gibt Katharina ihre Erfahrungen wieder, „dass wir - gleichsam in die Höhe gehoben - von keiner Bitterkeit mehr berührt werden. Dieser Mund ist das friedliche Ruhelager, wo die Seele ausruhen kann.“ (Brief 74). Christus selbst hat ihr verheißen: „Die Seele geht durch das Tor des Gekreuzigten ein und verkostet das lebendige Wasser, bis sie in mich, das Meer des Friedens, mündet.“ (Dialog, Kap. 54; nach Joh 4,13f!). Welch hoheitsvolle, fordernde Metaphern in der Kreuzesmystik Katharinas! Es gilt sicherlich, sich behutsam in Gebet und Meditation an die spirituelle Tiefe Katharinas anzunähern und sich von den (uns vielleicht anfänglich als Überforderung anmu- tenden) mystischen Inhalten nicht abschrecken zu lassen. Was wir einzig benötigen, um Katharina zu begeifen, ist eine echte, innere Offenheit für die mystischen Ele- mente unseres Glaubens. Und wir müssen Mut fassen, uns aufzuraffen und damit zu beginnen, uns Christus am Kreuz zu nähern, wenn auch in ganz kleinen Schritten. Gott wird uns entgegen- kommen und uns reich beschenken! Von der Sehnsucht zur Ruhe und zum Frieden in Gott 4 (Brief 172) (Brief 331) !"#!$%&’ !"#!$%&’ !$&()’! Eröffnung Zentrum von und mit Prof.Irene Heise, Enthüllung der Katha- rinenstatue mit Kreuz von Akad. Bildhauer Josef Papst, Wien, 26.April 2008 Spirituell- Theologisches Zentrum Katharina von Siena Kirchliche Bewegung in der Erzdiözese Wien und Teilneh- merin am Europa- weiten Netzwerk „Together for Europe“, „Miteinander christlicher Bewegungen und Gemeinschaften“. Spirituelle Hilfen für den Alltag aus Lehre und Mystik der hl.Katharina von Siena, Kirchenlehrerin und Europa-Patronin. Herausgeberin: Prof. in Irene Heise, A – 1160 Wien, Johann-Staud- Straße 21/1.DG/7, Tel. 0676/9652962. Erscheint viermal jährlich. Internet: www.caterina-von- siena.de . Heft 16, Jg.5, Nr.2 /2017 April, Mai, Juni *+ , -.-/ Aufstieg auf das Kreuz

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  • tief in die Liebe Christi versenkt, dass die „Freuden der Welt“ für die Seele keine wirkliche Verlockung mehr darstellen. Auf dieser Stufe gedeihen die Tugenden; der Mensch entdeckt das Geheimnis des liebenden Herzens Jesu und beginnt, seine Liebe zu „verkosten“, indem er ihm das „Gefäß seines Herzens“ hinhält, „das jetzt jeglicher Anhänglichkeit und unordentlichen Liebe zu den Weltdingen entleert ist.“ (Dialog, Kap. 54). „Dann wirst du zur geöffneten Seitenwunde gelangen. Durch diese Öffnung zeige ich dir mein Geheimnis, nämlich das, was ich in der Liebe mei-nes Herzens getan habe.“ „Ihr werdet die Wärme der göttlichen Liebe spüren und die unendliche Liebe Gottes erkennen“, verheißt Katharina einem ihrer zahlreichen, interessierten Schülerinnen und Schüler (Brief 104). Auf der dritten Stufe, dem Mund Christi, verharrt Katharina „in unaussprechlicher Ruhe und in unaussprechlichem Frieden.“ (Supplementum, 43). Der Biograf weiß, was er sagt, hat er doch Katharinas Ekstasen als einer ihrer Schüler und Begleiter immer wieder miterleben dürfen. Und er vermag offenkundig nicht genug von ihren unermüdlichen Werken der Nächstenliebe, erwachsen aus tiefster Innerlichkeit, zu berichten! „Hier erfahren wir einen so großen Frieden und eine so große Ruhe“, gibt Katharina ihre Erfahrungen wieder, „dass wir - gleichsam in die Höhe gehoben - von keiner Bitterkeit mehr berührt werden. Dieser Mund ist das friedliche Ruhelager, wo die Seele ausruhen kann.“ (Brief 74). Christus selbst hat ihr verheißen: „Die Seele geht durch das Tor des Gekreuzigten ein und verkostet das lebendige Wasser, bis sie in mich, das Meer des Friedens, mündet.“ (Dialog, Kap. 54; nach Joh 4,13f!). Welch hoheitsvolle, fordernde Metaphern in der Kreuzesmystik Katharinas! Es gilt sicherlich, sich behutsam in Gebet und Meditation an die spirituelle Tiefe Katharinas anzunähern und sich von den (uns vielleicht anfänglich als Überforderung anmu-tenden) mystischen Inhalten nicht abschrecken zu lassen. Was wir einzig benötigen, um Katharina zu begeifen, ist eine echte, innere Offenheit für die mystischen Ele-mente unseres Glaubens. Und wir müssen Mut fassen, uns aufzuraffen und damit zu beginnen, uns Christus am Kreuz zu nähern, wenn auch in ganz kleinen Schritten. Gott wird uns entgegen-kommen und uns reich beschenken!

    Von der Sehnsucht zur Ruhe und zum Frieden in Gott

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    Spirituell- Theologisches Zentrum Katharina von Siena Kirchliche Bewegung in der Erzdiözese Wien und Teilneh-merin am Europa- weiten Netzwerk „Together for Europe“, „Miteinander christlicher Bewegungen und Gemeinschaften“. Spirituelle Hilfen für den Alltag aus Lehre und Mystik der hl.Katharina von Siena, Kirchenlehrerin und Europa-Patronin. Herausgeberin: Prof.in Irene Heise, A – 1160 Wien, Johann-Staud- Straße 21/1.DG/7, Tel. 0676/9652962. Erscheint viermal jährlich. Internet: www.caterina-von-siena.de .

    Heft 16, Jg.5, Nr.2 /2017 April, Mai, Juni

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    Aufstieg auf das Kreuz

  • Ein herzliches Grüß Gott! Nicht zufällig wird Katharina von Siena zumeist mit erhobe-nem Kreuz dargestellt. Sie erlebt Christus als Lehrmeister, der die „Lehrkanzel des Kreuzes“ bestiegen hat. Es ist ein Lehrstuhl der Liebe: Nägel und Stricke wären niemals in der Lage gewesen, den Sohn Gottes am Kreuz festzuhalten! Es war vielmehr die unaussprechliche Liebe, die ihn ans Kreuz fesselte. (Briefe 101, 316; Dialog 14, Kap.26).

    Und ebenfalls nicht zufällig hat Katharina ihre Briefe - 385 sind in Abschriften erhalten - meist im Namen des gekreuzigten Jesus Christus eröffnet, „in seinem kostbaren Blut“. So versteht sich von selbst, dass auch in der vorliegenden Nummer dieses Blattes einige Briefe Katharinas zur Sprache kommen. Vielleicht mag sich der eine oder andere Leser, die eine oder andere Leserin auch heute wieder an die Mystik des Karmel erinnert fühlen: Erneut hat Katharina in ihrem „Aufstieg in drei Staffeln“ auf den gekreuzigten Christus die Metapher eines karmelitischen Heiligen vorweggenommen: den „Aufstieg zum Berg Karmel“ bei Johannes vom Kreuz! „Wenn wir uns vom Kreuz Christi entfernen“, hat Papst Franziskus am Tag nach Ascher-mittwoch 2017, dem 2.März, im vatikanischen Gästehaus Domus Sanctae Marthae ge-predigt, „dann entfernen wir uns auch von der Liebe Gottes, vom Heil, und gehen auf einem ideologischen Weg... Der einzig sichere Weg besteht darin, dem gekreuzigten Christus zu folgen.“ (http://www.kath.net/news/58700). Mut und Kraft zum Fortschreiten in einer lebendigen Christusbeziehung dürfen wir noch heute von Gott erbitten. „Schwingen wir uns hinauf auf den Baum des heiligsten Kreuzes!“ (Brief 172). Herzlichst, Ihre Irene Heise (Quellen: Caterina von Siena. Lehrerin der Kirche und Patronin Europas, Bände 2 u. 3, T. Caffarini, Das Supplementum, beide Hg.: Werner Schmid; Caterina von Siena, Dialog von der göttlichen Vorsehung; Irene Heise, Caterina von Siena - Gebt ihnen zu essen!, ISBN 978-3-9500649-6-4)

    Wort zum Gruß

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    )�����������(���������� � (Mt 11,28)

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    Begeben wir uns tiefer in die Mystik Katharinas, so begegnen wir den drei Seelenkräften Verstand, Gedächtnis und Wille, welche wir in der vorigen Nummer dieses Blättchens betrachtet haben, in einem neuen Zusammenhang wieder. Durch die Gnade, die Gott uns in unserem Bemühen schenkt, beginnt der Mensch echten „Durst“, sehnsüchtiges Verlangen nach der Ehre Gottes und dem Heil der Mitmen-schen zu verspüren. Und jetzt beginnt erst der wahre „Aufstieg“ der Seele zu Gott, der allein alle menschliche Sehnsucht zu stillen vermag. Diesen Weg empor stellt Katharina von Siena als „Aufstieg in drei Staffeln“ (drei Stufen) auf den gekreu-zigten Christus dar: Füße, Seitenwunde und Mund Christi. Die drei Staffeln bedeuten die drei Zustände des vollkommenen Lebens: Die erste Stufe steht für noch unvollkommene Sehnsucht, die zweite für vollkommenere, die dritte für die vollkommenste, beglückendste Stufe der Nähe zu Gott, die der Mensch erreichen kann. Wir wollen diese drei Stufen ein wenig näher betrachten. Auf der ersten Stufe, die für die Füße des Gekreuzigten stehen, erwacht das Liebesbegehren, das Verstand, Gedächtnis und Wille verstärkt mobilisiert und die Selbsterkenntnis fördert: Wer bin ich überhaupt, wie stehe ich vor Gott? Dadurch ist der Mensch in der Lage, sich über sich hinaus zu erheben und seine Sinne immer mehr auf den Willen Gottes auszurichten. Als Erkennungszeichen dient, dass ver-gängliche Dinge allmählich an Bedeutung verlieren. „Erstens will ich“, spricht Jesus zu Katharina, „dass du zu den Füßen am Kreuz kommst; das heißt, ich will, dass du alle irdischen Bestrebungen aufgibst.“ (Supplementum, 43). „Erhebe dich, meine Tochter, und steige an mir empor! Und damit du emporsteigen kannst, habe ich dir eine Treppe gemacht, als ich am Kreuz festgenagelt war. Steig zuerst hinauf zu mei-nen Füßen, das heißt, zum liebenden Verlangen. Denn wie die Füße den Leib tragen, so trägt das Verlangen die Seele. Auf dieser Stufe wirst du dich selbst erkennen.“ (Brief 74). Auf der zweiten Stu- fe, dargestellt durch die Seitenwunde des Herrn, hat sich der Verstand bereits so Foto: Füße des Gekreuzig- ten, 7,5 m langes Riesen- kruzifix von Josef Pfaffen- bichler, Karmelitenkirche, Wien 19.

    Die drei Staffeln: Füße, Seitenwunde und Mund des Gekreuzigten

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