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ZEITUNG AUS TREPTOW-KÖPENICK FÜR FREIWILLIGES ENGAGEMENT Frühling / Sommer 2020 Das Coronavirus betrifft uns alle, weltweit. Es sorgt für viel Leid und verunsichert die Menschen. Gleichzeitig macht uns die Pan- demie bewusst, dass wir auch durch Werte wie Solidarität und Zusammenhalt über Ländergrenzen hinweg miteinander verbunden sind. In der Zeit nach Corona werden auch die Städ- tepartnerschaften in unserem Bezirk wieder zeigen können, wie Austausch, Begegnungen und neue Perspektiven unser Leben bereichern. Ob die aus Cajamarca/Peru importierte Senioren- Olympiade, der Künstleraustausch mit Tepebasi/Türkei oder ein eaterprojekt mit Jugendlichen aus Albinea/Italien: Freiwilliges Engagement ist grenzenlos – und füllt die Städ- tepartnerschaften mit Leben. Interview Tatiana Calari über das Projekt Europa Seite 3 Albinea Eine deutsch- italienische Geschichte Seite 2 Cajamarca Von den Müggelbergen bis in die Anden Seite 5 Ehrenamt international Von links oben nach rechts unten im Uhrzeigersinn: Seniorenolympiade, Begegnungen in Tepebasi, Sommerfest in Treptow-Köpenick, Erinnerungsfoto aus Cajamarca, peruanischer Besuch an der Dahme und Terrakotta-Symposium in Albinea. Fokus Ehrenamt international Fotos: Stefano Caffarri, privat

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ZEITUNG AUS TREPTOW-KÖPENICK FÜR FREIWILLIGES ENGAGEMENT Frühling / Sommer 2020

Das Coronavirus betrifft uns alle, weltweit. Es sorgt für viel Leid und verunsichert die Menschen. Gleichzeitig macht uns die Pan-demie bewusst, dass wir auch durch Werte wie Solidarität und Zusammenhalt über Ländergrenzen hinweg miteinander verbunden sind. In der Zeit nach Corona werden auch die Städ-tepartnerschaften in unserem Bezirk wieder zeigen können, wie

Austausch, Begegnungen und neue Perspektiven unser Leben bereichern. Ob die aus Cajamarca/Peru importierte Senioren-Olympiade, der Künstleraustausch mit Tepebasi/Türkei oder ein Theaterprojekt mit Jugendlichen aus Albinea/Italien: Freiwilliges Engagement ist grenzenlos – und füllt die Städ-tepartnerschaften mit Leben.

InterviewTatiana Calari über das Projekt EuropaSeite 3

AlbineaEine deutsch- italienische Geschichte Seite 2

CajamarcaVon den Müggelbergen bis in die AndenSeite 5

Ehrenamt international

Von links oben nach rechts unten im Uhrzeigersinn: Seniorenolympiade, Begegnungen in Tepebasi,

Sommerfest in Treptow-Köpenick, Erinnerungsfoto aus Cajamarca, peruanischer Besuch an der

Dahme und Terrakotta-Symposium in Albinea.

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Sommer 1944. In Italien geht ein verbre-cherischer Krieg seinem Ende entgegen. In Albinea, einer kleinen Ortschaft nahe Bologna in Norditalien, nehmen fünf Soldaten der Wehrmacht ohne Wissen ihrer Vorgesetzten Kontakt mit lokalen Widerstandsgruppen auf. Sie wollen ita-lienische Gefangene befreien, um wei-teres Blutvergießen zu vermeiden. Einer dieser Soldaten, die ihrem Gewissen fol-gen, stammt aus Köpenick, der Feldwebel Hans Schmidt.

Der Coup fliegt auf. Die fünf Soldaten werden im August 44 standrechtlich er-schossen, als „Verräter an Volk, Reich und Führer“, ihre Leichname anonym ver-scharrt, vergessen sollen sie sein, wenn es nach dem Willen ihrer Mörder geht. Mehr als vier Jahrzehnte lang scheint es so zu sein. Bis sich 1995 die Tochter von Hans Schmidt, Eva Watschkow, und ihr Schwager, der Köpenicker Künstler Werner Laube, auf die Suche begeben.„Zuerst einmal war es das Interesse an der Familiengeschichte, weswegen ich nach Italien aufgebrochen bin“, erklärt Werner Laube seine Motivation heute.In Albinea treffen sie einen Mann, der die Ereignisse von 44 ans Tageslicht gebracht

hatte. Mario Crotti war Ende des Zweiten Weltkrieges selbst noch ein Junge. Die Geschehnisse, die seine Jugend prägten, hatten ihn nie los gelassen. Mit akribi-schen Recherchen wurde er zum Chronis-ten jener Jahre und stieß bei seinen Nach-forschungen auf die Aufzeichnungen des damaligen Pfarrers in Albinea, der in seinen Tagebüchern Orte und Gescheh-nisse vor dem Vergessen bewahrt hatte.Aus dem Material, das Mario Crotti zu-sammen getragen hatte, erstellte er eine

Dokumentation, die auch an die Men-schen erinnern sollte, die für die Befrei-ung Italiens ihr Leben gelassen hatten. Als einer von ihnen wurde auch Hans Schmidt posthum 1995 zum Ehrenbürger von Albinea ernannt.„Das hat mich fasziniert, dass deutsche Soldaten in einem ehemals von Deut-schen besetzten Gebiet zu Ehrenbürgern ernannt wurden“, berichtet Werner Lau-be, auch nach so vielen Jahren immer noch sichtlich berührt. „So entstand in mir der Wunsch, etwas für den Frieden zu tun.“Auf seine Initiative hin konnte die Do-kumentation von Mario Crotti, „Wider-stand in Albinea“, auch in Berlin gezeigt

werden. Werner Laube hat sie 96 selbst im LKW von Italien nach Berlin geschafft.Die Ausstellung erzählt eine Geschich-te am Rande der großen Ereignisse und weckte in einigen den Wunsch, diese Er-innerung zu bewahren und mit den Men-schen in Albinea zu teilen. Daraus entstand eine Städtepartnerschaft zwischen Albinea und Treptow-Köpenick, die nun schon mehr als 20 Jahre Bestand hat, und die neben dem Gedenken einen Rahmen für einen sehr lebendigen poli-tischen, künstlerischen und sportlichen Austausch bietet.

So bereichert das Gestern das Heute, entsteht aus gemeinsamen Erinnerungen etwas Verbindendes in der Gegenwart, werden aus den fünf ermordeten Soldaten von 44 doch noch die Stifter eines fried-vollen Miteinander. Weil es ein paar Menschen gab, die sich nicht mit dem Vergessen abfinden wollten.

www.partner-tk.de/albinea-4Stephan Schulte

Eine deutsch-italienische Geschichte

2014: Besucher*innen aus Treptow-Köpenick in Albinea

Widerstand in Albinea

2003: Der Albineaplatz in Johannisthal wird eingeweiht.

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2008: Werner Laube besucht mit zwei Schülerinnen seiner Kunst-klasse Albinea

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der wir seit 20 Jahren sehr enge Kontak-te haben. Da geht es vor allem um Bil-dung, Umwelt und Gesundheitspolitik. Kindergärtner*innen aus dem Bezirk lernen regelmäßig Berufskolleg*innen in Peru kennen und umgekehrt. Ebenso läuft der Austausch von Krankenhaus-Mitarbeiter*innen. Zwei andere Beispiele: In Peru arbeiten Kids und Senioren gene-rationsübergreifend zusammen - mit Spaß für beide Seiten. So ein Projekt wollen wir auch aufbauen. Dafür interessiert unsere Partner aus Cajamarca, was bei uns für Menschen mit Demenz und deren Ange-hörige getan wird, denn diese Strukturen fehlen dort bisher. Weiter unterhält Treptow-Köpenick Partnerschaften nach Deutschland und Europa: Köln, Warszawa-Mokotów, Odernheim, Albinea (Italien), Tepebasi (Türkei), Izola (Slowenien), Imitat Ves-zprém (Ungarn), Mürzzuschlag (Öster-reich), Olomouc (Tschechien) und Sub-otica (Serbien). Nicht jeder Kontakt ist gleich lebendig, auch die Akzente sind unterschiedlich. Um Kultur und Ansich-ten über das Thema Europa ging es zum Beispiel bei einem Theaterprojekt mit Jugendlichen aus Treptow-Köpenick und Altersgefährten aus Albinea. Es wurde im Herbst erarbeitet und unter dem Titel „Bella Ciao“ aufgeführt. Trotz Sprachbar-riere war diese deutsch-italienische Begeg-nung für alle Beteiligten eine echte euro-päische Erfahrung. Nicht jeder kennt die vielfältigen Aus-tauschmöglichkeiten. Wie machen Sie die Städtepartnerschaften bekannter? Für das Frühjahr und den Sommer hatten wir dazu eine neue Veranstaltungsreihe mit der Volkshochschule geplant. Wegen der Corona-Krise mussten wir alle Ver-anstaltungen absagen. Wir hoffen, dass wir sie nächstes Jahr nachholen können.

Geplant sind zum Beispiel ein Abend mit dem Titel „Peruanisch kochen zwi-schen Tradition und Exotik“ und eine literarisch-kulinarische Annäherung an unsere italienische Partnerstadt Albinea. Außerdem möchten Künstler*innen aus Treptow-Köpenick eine „Karawane ins Morgenland“ auf den Weg nach Tepebasi bringen. Voraus ging im vergangenen Jahr die „Karawane“ türkischer Künstler, die hier bei uns „im Abendland“ ausgestellt haben. Genauso schön ist die Partner-schafts-Idee der Senioren-Olympiade, im-portiert aus Peru. Im Oktober 2019 fand sie zum ersten Mal in Treptow-Köpenick statt. Es geht weniger um Rekorde als um Spaß an der Bewegung, all das parallel in Cajamarca und Treptow-Köpenick. Mal sehen, ob wir dieses Jahr noch eine zwei-te Runde hinbekommen. Wir knobeln noch, wie sich diesmal live ein Schach-Duell organisieren lässt. Wie ist das alles überhaupt zu schaffen? Europäisches Engagement und Städte-partnerschaften - das ist ein Riesenfeld. Die politische Ebene und wir Akteure in der Verwaltung sind dabei nur das eine. Man muss hier vor Ort auch Leute ha-ben, die neugierig sind und eigene Ideen umsetzen wollen. Ohne unsere aktiven lo-kalen Gruppen und Freiwillige in jedem Alter könnte das gar nicht funktionieren. Wir freuen uns sehr darüber und brau-chen immer Verstärkung. Interesse? Dann sprechen Sie mich gern an oder besuchen Sie meine Website. www.partner-tk.de www.berlin.de/europabeauftragte-trep-tow-koepenick/partnerstaedte/

Interview: Claudia Korte

„Europa international in Treptow-Köpenick“:

Interview mit Tatiana Calari

Frau Calari, stellen Sie sich und Ihre Aufgabe doch bitte vor! Ich stamme aus Turin, habe in Italien und mit Erasmus-Stipendien auch im Ausland Politikwissenschaften studiert. Praktische Erfahrung konnte ich in Frankreich, den Niederlanden und Belgien sammeln. Ge-rade im Brüsseler Alltag habe ich Europa deutlich gespürt. Danach wollte ich et-was Neues. Auf der Suche nach „frischer Luft“ habe ich mich an meinen ersten Besuch im Berlin der 1990er Jahre erin-nert. Schon damals wollte ich unbedingt wiederkommen. Ein Fest von Berliner Freunden hat mir den Anlass geliefert. So bin ich vor neun Jahren hergereist … und geblieben. In den 90ern hatte mich die Subkultur fasziniert. Heute mag ich die Stadt, weil sie mir mehr als jede andere in Deutschland international, tolerant und offen begegnet.Meine Amtsvorgängerin, Sonja Eich-mann, hat in 15 Jahren viel aufgebaut. Jetzt darf ich die spannende Arbeit hier mitgestalten, u.a. mit dem Verein Part-ner Treptow-Köpenick e.V. und weiteren lokalen Partnern. Das gefällt mir: Ich er-lebe Europa international und bin dabei in Treptow-Köpenick. Konkret geht es zum Beispiel um Beratung für Vereine, Träger, Unternehmer oder Bürger*innen, zum Beispiel zu Austauschprogrammen. Da helfen meine Erfahrungen mit EU-Projekten. Ein zweiter Punkt neben der Beratung sind - je nach Bedarf - Veranstal-tungen mit dem Ziel, Europa auf lokaler Ebene sicht- und erfahrbar zu machen. Mit welchen Städten hält Treptow-Kö-penick bereits Kontakt?Unser Bezirk hat 12 deutsche und inter-nationale Partnerstädte. Außerhalb von Europa sind das East Norton Township (USA) und natürlich die nordperuani-sche Stadt und Provinz Cajamarca, mit

Seit November 2019 ist Tatiana Calari Beauftragte für EU und Städtepart-nerschaften in Treptow-Köpenick. Den tollen Blick von ihrem Köpenicker Rathaus-Büro hinüber zum Luisenhain genießt sie zu selten. Oft Sitzungen, Dienstfahrten, Termine, gern auch mal abends. Wir wollten wissen, wie eine Italienerin dem Projekt Europa im Südosten der Hauptstadt Kontur gibt.

Tatiana Calari

Die 45-Jährige Politikwissenschaft-lerin kommt aus Italien. Sie lebt seit 2010 in Berlin und ist in Neukölln zu-hause. Ihre Sprachkenntnisse (Italie-nisch, Deutsch, Französisch, Englisch, etwas Spanisch und Serbokroatisch) helfen ihr, interessante Leute und Kulturen besser kennenzulernen.

Die Netzwerkerin

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"Cajamarca ist meine zweite Heimat", sagt Dr. Ida Beier über ihre Beziehung zur Partnerstadt in Peru. Seit 2002 fühlt sich die ehemalige Amtsärztin von Köpe-nick der Region in den Anden eng ver-bunden. Damals fragte der Büroleiter des Bezirksbürgermeisters, ob sie ein medizi-nisches Projekt in Cajamarca entwickeln könnte. „Blauäugig fuhr ich mit meiner Tochter, einer Gynäkologin, und einem Koffer voller Medikamente und Geräte nach Cajamarca“, so Ida Beier. Alles fi-nanziert durch Spenden. Damals gab es in Peru noch keine allgemeine Kranken-versicherung und vor allem für die Men-schen in den Dörfern waren sie oft die ersten Ärzte, denen sie begegneten. „Es ging vor allem um die Basis- oder auch Notfallversorgung. Manchmal haben wir unter freiem Himmel behandelt. Oft ging es einfach um Aufklärung über Hygiene und Ernährung.“ Acht- oder neunmal war Ida Beier in den folgenden Jahren in Ca-jamarca. Mal war eine Zahnärztin dabei, mal eine Kinderärztin oder eine Sozialar-beiterin. Unterstützt wurde sie bei ihren Einsätzen von der regionalen Stäpa-Grup-

pe, also den Menschen, die die Städtepart-nerschaft am Leben erhalten. Seit es in Peru eine staatliche Kranken-versicherung gibt, hat sich der Schwer-punkt der Projekte verlagert. Im Mittel-punkt steht jetzt die Arbeit mit und für Senior*innen. Auch in Peru werden die Menschen immer älter. Anders als hierzu-lande bleiben sie traditionell in der Fami-lie und werden dort betreut. Das ist nicht ohne Probleme. „Ich habe Menschen getroffen, die geweint haben, weil sie mit ihren dementen Angehörigen nicht klarkamen“, berichtet Ida Beier. Vor zwei Jahren waren Mitarbeiter von CIAM, ei-ner peruanischen Seniorenorganisation, in Berlin und haben sich auch Angebote für demente Senioren angesehen. Vor al-lem die Zusammenarbeit von Gerontolo-gen, Psychologen und Sozialarbeitern im Alexianer-Krankenhaus Hedwigshöhe hat sie beeindruckt. Mittlerweile gibt es in Cajamarca ein Seniorenzentrum mit einer Beratungsstelle. Aber nicht alles lässt sich 1: 1 übertragen. Man dürfe nicht vorpre-schen, sondern müsse sehen, was Caja-marca braucht. Das sei ein Spagat, weiß

Ida Beier. „Für die Partnerschaft ist es das wichtigste, dass wir da sind, uns interes-sieren und respektieren. Die menschliche Ebene ist das, was hält.“ Bei einem neuen Projekt würde Ida Beier sich nicht mehr den Hut aufsetzen, schließlich sei sie 83 Jahre alt, mitmachen aber würde sie schon noch. „Ich brauche das.“ Claudia Berlin

„Cajamarca ist meine zweite Heimat“

Ida Beier über den Austausch

mit der Partnerstadt in Peru

Dr. Ida Beier behandelt einen peruanischen Patienten

Ida Beier mit zwei Seniorenvertretern aus Cajamarca

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Stolz zeigt Henri seinen selbstgebastelten Pass und die Bordkarte vor. Jeden Don-nerstag – bis Corona ihre „Reise“ stoppt - checken die Kinder aus der Kita „Kleiner Fratz“ in Bohnsdorf ein für den Flug nach Peru. Ihr Ziel ist Cajamarca im Norden des Landes. Dort arbeitet Manja, eine ih-rer Erzieherinnen, bis Ende April im Kin-dergarten Jardin 017. Am „Flugtag“ be-gleiten sie Manja, begrüßen sich mit hola und buenos dias, singen Lieder auf Spa-nisch und kochen zu Mittag peruanisch. Nach dem Mittagessen fliegen die Kinder zurück nach Berlin, mit viel Wissen über ein weit entferntes Land im Gepäck.Seit 20 Jahren verbindet eine enge Partner-schaft zwei Kitas in Berlin mit zwei peru-anischen Kindergärten, fast genauso lange wie es die Städtepartnerschaft zwischen Köpenick und Cajamarca gibt. Eigentlich ein Zufallsprodukt. Auf der Klimakonfe-renz 1995 in Berlin lernte der damalige Köpenicker Bürgermeister Klaus Ulbricht seinen Amtsbruder aus Cajamarca kennen und stellte schnell fest, dass die Peruaner bei der Lokalen Agenda 21 schon einen ganzen Schritt weiter waren. Drei Jahre später reiste eine Delegation zum Erfah-rungsaustausch nach Cajamarca und kam

mit einem Partnerschaftsvertrag zurück. Michael Schrick war bei dieser ersten Reise dabei und leitet seitdem die AG Städtepartnerschaft Treptow-Köpenick – Cajamarca. Die hat zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht. Das älteste ist die Zusammenarbeit der Kitas. Erzieherin-nen reisten über den Atlantik, tauschten Spiel- und Bastelideen und ihre Erfahrun-gen mit unterschiedlichen pädagogischen Konzepten aus. Ein Austausch auf Au-genhöhe. Wie überhaupt die Städtepart-nerschaft von persönlichen Begegnun-gen lebt. Die gab es in diesen 20 Jahren reichlich. Das Jugendtheater der „Alten Möbelfabrik“ zeigte den „Kaukasischen Kreidekreis“ in Cajamarca, Schüler des

Anne-Frank-Gymnasiums und des Cole-gio San Vicente de Paúl besuchten sich ge-genseitig, Jugendliche aus Treptow-Köpe-nick verbrachten ihr Freiwilliges Soziales Jahr in den Anden. „Alle, die in Peru waren, sehen die Welt mit anderen Augen. Sie haben neue Freun-de gefunden und voneinander gelernt.“ Für Michael Schrick ist das die Essenz der Städtepartnerschaft. Man muss aber nicht unbedingt nach Cajamarca reisen, um peruanische Kultur zu erleben bzw. zu genießen. In der VHS Treptow-Köpenick kann man peruanisch kochen lernen und in den Weltläden „Treptow-Köpenicker Bohne“ kaufen, einen fair gehandelten Kaffee aus dem peruanischen Norden. So stark wie die Städtepartnerschaft. Claudia Berlin

Von den Müggelbergen zu den AndenLebendiger Austausch: Cajamarca und Treptow-Köpenick

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Die Bürgermeister von Cajamarca und Köpenick 1998 hoch über der Andenstadt

Kita-Partnerschaft zwischen Köpenick und Peru

Erzieherinnen aus Bohnsdorf und Cajamarca

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„Seit Mai 2019 bin ich Gastgeberin für die Cöpenicker Zeichenstunde. Meine Zeichnungen hingen damals in der Mit-telpunktbibliothek, dort habe ich auch einen Workshop Naturwissenschaftliches Zeichnen angeboten. Das hat allen viel Spaß gemacht. Seitdem treffen wir uns je-den Sonnabend zwischen 11 und 13 Uhr in der Bibliothek. Bei uns ist jeder will-kommen und jeder kann zeichnen, wozu er Lust hat. Dabei geht es nicht um Per-fektion, sondern einfach um die Freude am Zeichnen, um Austausch und Inspira-tion. Ich genieße diese gemeinsame Zeit, weil ich gern mit anderen gemeinsam ar-beite."

„Fast von Beginn an engagiere ich mich bei Fridays for Future für den Klima-schutz. Ich wollte aber nicht nur bei den Demos mitlaufen und habe mich deshalb dem Orga-Team angeschlossen. Ich bin als Ordner bei den Demos dabei, vor al-lem aber kümmere ich mich um unseren Twitter-Account und bin Ansprechpartner in der AG Social Media. Ich habe durch dieses Engagement viele Freunde gewon-nen und sehe mich als Teil einer wichti-gen Bewegung. Uns läuft die Zeit davon. Natürlich ist es schwierig, Klimaschutz sozialverträglich zu gestalten, aber nichts tun ist schließlich auch keine Alternative.“

„Yoga hat mein Leben verändert, intensi-ver und bunter gemacht. Das wollte ich gern weitergeben, vor allem an ältere, be-wegungseingeschränkte Menschen. Bei einer Fortbildung im Seniorenyoga hörte ich von Yoga auf dem Stuhl. Seit einem Jahr biete ich nun einmal wöchentlich ehrenamtlich diese Form von Yoga an. Wir machen ganz sanfte Übungen, lernen richtig zu atmen und wie wir die Wirbel-säule mobilisieren können. Man bekommt durch Yoga nicht nur ein besseres Körper-gefühl, sondern auch mehr Lebensfreude und Zufriedenheit. Das zu fördern, ist mir ein großes Bedürfnis.“

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Ziel des Vereins ist es, die Beziehungen zu den Partner-städten Treptow-Köpenicks zu fördern. Worin liegt Ihr persönlicher Antrieb? Ich sehe darin einen Beitrag, an der internationalen Völkerver-ständigung, im Kleinen, mitzuarbeiten. Bereits 2008 wurde ich in den Beirat des Partnervereins zur Vorbereitung der Jubilä-umsfeierlichkeiten von Köpenick berufen und habe seitdem einen Kontakt zum Partnerverein. Als ich dann 2011 angefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, für den Vorsitz zu kandi-dieren, habe ich gerne eingewilligt.

Welche Vorteile ergeben sich aus einer aktiven Städ-tepartnerschaft?Erstens sind fremde Menschen, wenn man sie kennenlernt, nicht mehr fremd. Und zweitens bereichern andere Kulturen immer die eigene, ob es ums Essen, um Klamotten, um Tänze oder Anderes geht. Je mehr wir miteinander und voneinander zu lernen bereit sind, umso mehr erfahren wir von unserer Ähnlichkeit: Wir alle sind Menschen!

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Marianne Schmitz

„Völkerverständigung im Kleinen“

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Interview mit Volker Thiel vom Verein Partner Treptow-Köpenick e.V.

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„Seit zehn Jahren arbeite ich ehrenamtlich bei „wellcome“. Das heißt, ich unterstütze Mütter im ersten Jahr nach der Geburt ih-res Kindes. Mittlerweile habe ich acht oder neun Familien geholfen. Meist in ganz praktischen Dingen: die Geschwisterkinder aus der Kita abholen, auch mal was zu essen machen oder die Kinder ins Bett bringen. Das setzt natürlich ein enges Vertrauens-verhältnis voraus. Auch wenn ich nicht zur Familie gehöre, habe ich oft noch Kontakt zu den Kindern, wenn sie längst zur Schu-le gehen. Ich freue mich immer, wenn ich ein Stück zu ihrer Entwicklung beitragen konnte.“

„An meiner Haustür hing vor einiger Zeit ein Zettel des Nachbarschaftsnetzwerks ‚Nebenan‘ mit dem Aufruf, ältere und kranke Menschen im Corona-Alltag zu un-terstützen. Eine super gute Idee. Ich gehe jetzt für zwei ältere Nachbarinnen einkau-fen. In den Supermarkt muss ich ja sowie-so, da bringe ich gern ein paar Sachen mit. Wie gut, dass viele Leute so hilfsbereit und solidarisch sind. Und hoffentlich ist genug davon übrig, wenn die Corona-Krise vorbei ist. Austausch und gegenseitige Unterstüt-zung, das brauchen wir immer.“

STERNE des Monats

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich in Ihrer Arbeit für den Verein konfrontiert?Den Verein am Leben zu erhalten, konkret neue Mitstreiter*innen zur aktiven Mitarbeit zu gewinnen. Viele teilen unsere Bemü-hungen und finden sie positiv, sind aber zu einem persönlichen Engagement nicht bereit.

Wie unterstützt der Verein Partner Treptow-Köpenick e.V. die Bemühungen des Bezirksamtes?Wann immer es gewünscht ist, sind wir zur personellen und finanziellen Unterstützung bereit. Das gilt lokal für Treptow-Köpenick, aber auch vor Ort in unseren Partnerstädten.

Welche Projekte, Treffen o. Ä. gab es in der Vergangenheit zwischen Treptow-Köpenick und Warschau-Mokotów? Was ist geplant?In der Vergangenheit gab es diverse Besuche auf administrati-ver Ebene. Den Jugendaustausch zu ermöglichen, mit Schulen, Vereinen oder kirchlichen Gruppen, ist für die Zukunft geplant. Zwischen 2015 und 2018 fand auch schon ein Projekt zum The-ma „Seniors in the city“ zwischen Schüler*innen aus Bologna, Warschau-Mokotów und der Evangelischen Schule Köpenick statt. Die Jugendlichen diskutierten, wie ein Austausch zwi-schen Jung und Alt verbessert werden kann und präsentierten gemeinsam ihre Lösungen dafür.

Interview: Katrin Spiess

Protokolle: Claudia Berlin

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„Zweimal in der Woche bin ich im Haus Hebron in Schöneweide. Hier leben von Wohnungsnot betroffene Menschen, die außerdem gesundheitlich beeinträchtigt sind. Ich höre ihnen zu, spreche mit ih-nen über ihre Sorgen und mache ihnen Mut. Dazu gekommen bin ich durch einen Schicksalsschlag. Mein Sohn war drogen-abhängig. Es war lange nicht klar, ob er die Sucht überleben würde. Ich war zuvor nicht gläubig, habe damals aber angefan-gen, zu Gott zu beten. Das hat mir Kraft gegeben. Auch Bewohner, die mit Gott nichts anfangen können, bitten mich oft um ein Gespräch. Ich unterstütze sie auch in praktischen Dingen, begleite sie z. B. zu Ärzten. Aber das Spirituelle, das brauchen wir Menschen auch.“

...Alle Porträts auch online unter: www.sternenfischer.org/freiwillige/sterne-des-monats

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Impressum: Jahrgang 9, Ausgabe 1/2020 | Herausgeber: STERNENFISCHER Freiwilligenzentrum Treptow-Köpenick, Oberspreestraße 182, 12557 Berlin, Telefon: 030 / 24 35 85 75, Fax 030 / 68 07 41 61, www.sternenfischer.org, www.facebook.com/STERNENFISCHER.Freiwilligenzentrum | STERNENFISCHER ist ein Projekt der Stiftung Unionhilfswerk Berlin. | V. i. S. d. P.: Stefanie Wind | Projektleitung: Elisabeth Schwiontek, STERNENFISCHER | Redaktion: Claudia Berlin, Reginald Gramatté, Claudia Korte, Annette Kunsch, Andrea Paproth, Stephan Schulte, Katrin Spiess | E-Mail: [email protected] Layout: USE-Mediengestaltung (Ines Kersting) | Druck: Union Sozialer Einrichtungen gemeinnützige GmbH (USE gGmbH). Gedruckt auf 100% chlorfrei gebleichtem Papier. | Erschei-nungsweise: halbjährlich | Auflage: 1.500 Stück | Redaktionsschluss der aktuellen Ausgabe: 05. 05. 2020, Hinweis: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. | Spendenkonto: Stiftung Unionhilfswerk Berlin, IBAN: DE17 1002 0500 0001 4080 00, BIC: BFSWDE33BER, Verwendungszweck: »Spende STERNENFISCHER« | Spendenbescheinigung auf Wunsch

Für jede/n das passende Engagement: Das STERNENFISCHER Freiwilligenzentrum Treptow-Köpenick berät Menschen und Einrichtungen, die sich ehrenamtlich enga-gieren oder mit Freiwilligen zusammenarbeiten möchten.

Oberspreestr. 182, 12557 Berlin www.sternenfischer.org Ein Projekt der Stiftung Unionhilfswerk Berlin

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Freiwilliges Engagement rund um die Corona-Pandemie in Treptow-Köpenick: STERNENFISCHER ist für Sie da!

Benötigen Sie Unterstützung im Alltag, oder möchten Sie einfach mal mit jemandem reden?

Möchten Sie Hilfe anbieten?

Suchen Sie als Einrichtungen/Initiative freiwillige Helfer*innen?

Unterstützungsmöglichkeiten sind: Einkaufen, Apothekengänge, Betreuung eines Haustieres, telefonischer Besuchsdienst.

Das STERNENFISCHER Freiwilligenzentrum koordiniert das bürgerschaftliche Engagement rund um die Corona-Pandemie gemeinsam mit dem Verein offensiv´91 e.V., in Zusammenarbeit mit der Sozialraumorientierten Planungskoordination (SPK) des Bezirksamtes Treptow-Köpenick und mit Unterstützung der Senatskanzlei Berlin.

Melden Sie sich unter 030/ 24 35 85 75 (Mo−Fr: 10−16 Uhr) schreiben Sie eine E-Mail an [email protected] oder registrieren Sie sich auf www.sternenfischer.org

Laure Larisch (l.) und Luisa Clauß vom Team STERNENFISCHER

Regina Stubenrauch beim Masken-versand für Freiwillige

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