ZENTRUM ZAHNÄRZTLICHE QUALITÄT · nisch erkennbaren Perikoronitis und radiologisch nachweisbaren...

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LEITLINIE THEMA Operative Entfernung von Weisheitszähnen ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. Kurzfassung Dezember 2012 AWMF-Register Nr. 007-003 ZENTRUM ZAHNÄRZTLICHE QUALITÄT

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LEITLINIE

T H E M A

Operative Entfernung von Weisheitszähnen

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Kurzfassung Dezember 2012AWMF-Register Nr. 007-003

ZENTRUMZAHNÄRZTLICHEQUALITÄT

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1 EINLEITUNG

1.1 PriorisierungsgründeGründe für die vordringliche Erstellung einer Leitliniefür die Behandlung von Weisheitszähnen bestehendurch:• Prävalenz des klinischen Problems • Häufigkeit des Eingriffes • Häufigkeit von Komplikationen• Therapeutische Unsicherheit • Gesundheitsökonomische Bedeutung durch Kosten

der Entfernung

1.2 Anwender der LeitlinieZahnärzte und Zahnärzte für Oralchirurgie, Ärzte, spe-ziell Ärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

1.3 Ausnahmen von der LeitlinieNicht unter diese Leitlinie fallen:• Zahnentfernungen aus übergeordneten medizini-

schen Gesichtspunkten (Bestrahlungsbehandlung, Chemotherapie, Immunsuppression, Fokuserkran-kungen, Bisphosphonat-Therapie etc.). Bei diesenProblemfällen kann eine generelle Empfehlungwegen der Variabilität und Komplexität der medi-zinischen Gesichtspunkte nicht ausgesprochenwerden.

• Andere (nicht Weisheitszähne) retinierte Zähne

1.4 Sonderfälle, die im Rahmen der Leitlinie betrach-tet worden sind:

• Weisheitszähne mit manifesten, assoziierten pa-

WAS SIND LEITLINIEN?

Leitlinien sind systematisch entwickelte Entschei-dungshilfen für angemessene ärztliche bzw. zahnärzt-liche Vorgehensweisen bei Präventionsmaßnahmenund speziellen gesundheitlichen Problemen. Sie stel-len einen durch definiertes, transparent gemachtesVorgehen erzielten Konsens mehrerer Experten ausverschiedenen Fachbereichen und/oder Arbeitsgrup-pen dar. Sie sind keine fest vorgeschriebene Richtlinie,sondern Orientierungshilfen im Sinne von „Hand-lungs- und Entscheidungskorridoren“, zur Sicherungund Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung,und sie sind Instrumente der Qualitätssicherung unddes Qualitätsmanagements. Sie sollen Behandlungs-risiken minimieren und zu einer wissenschaftlich be-gründeten, ärztlichen Vorgehensweise motivieren undzugleich die Bedürfnisse und Einstellungen der Patien-ten berücksichtigen. Leitlinien orientieren sich amStand des medizinischen Wissens, unabhängig vomaktuellen Leistungsumfang einzelner Versicherungs-systeme.

Die Aufgabe einer Leitlinie ist ferner die Wertung desaktuellen Wissens zu speziellen Gesundheitsproble-men und ärztlichem Handeln. Sie dient zudem derKlärung gegensätzlicher Standpunkte und wägt Nut-zen und Schaden einer bestimmten Vorgehensweiseab. Außerdem sollten die Ziele der Leitlinie, die Be-deutung des Gesundheitsproblems und die jeweiligeZielgruppe benannt werden.

Die systematische Aufarbeitung und Zusammenstel-lung der verfügbaren Literatur für die Erstellung derLeitlinie berücksichtigt die heute publizierten Evidenz-stärken (wissenschaftliche Nachweisstärken).

Letztlich dienen Leitlinien der Beantwortung folgen-der Fragen: Was ist notwendig und sinnvoll? Was istüberflüssig? Was ist obsolet?

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Operative Entfernung von Weisheitszähnen

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thologischen Veränderungen (Zysten, Tumoren) • Weisheitszähne im Bruchspalt• Weisheitszähne im Osteotomiegebiet bei geplan-

ter Umstellung des Unterkiefers

2 DEFINITIONEN

Der Begriff der Retention bezeichnet eine Position desWeisheitszahnes, bei der nach Abschluss des Wurzel-wachstums die Okklusionsebene nicht erreicht wird.Als partiell retiniert gilt hierbei ein Zahn, bei dem An-teile der Krone die Mundhöhle erreichen oder über denParodontalapparat des benachbarten 12-Jahr-Molarenmit der Mundhöhle in Verbindung stehen. Als voll-ständig retiniert gelten Zähne, die keinerlei Verbin-dung zur Mundhöhle aufweisen. Der Begriff der Im-paktierung bezeichnet die vollständige knöcherne Ein-bettung des Zahnes. Als verlagert gilt ein Zahn, dessenAchse oder Position von der regulären Durchbruchs-richtung abweicht.

3 ZIELE DER LEITLINIE

Die Leitlinie soll die o. g. Berufsgruppen in der differen-tialtherapeutischen Entscheidung zwischen dem Be-lassen und dem Entfernen von Weisheitszähnen unter-stützen und diejenigen Patienten identifizieren helfen,die von einer Entfernung bzw. dem Belassen der Zähnemit Wahrscheinlichkeit einen Vorteil haben. Darüberhinaus besteht die präventive Ausrichtung, einer Ent-stehung pathologischer Prozesse im Zusammenhangmit retinierten Weisheitszähnen vorzubeugen. Über-geordnetes Ziel der Leitlinie ist damit die Verbesse-rung der Versorgungsqualität für die betroffene Patien-tengruppe durch Vermeidung von Komplikationen:a) aus dem Belassen von Zähnen bei bestehender In-

dikation zur Entfernungb) aus dem Entfernen von Zähnen bei fehlender In-

dikation zur Entfernung

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4 SYMPTOME

Klinische und radiologische Symptome im Zusam-menhang mit Weisheitszähnen können typischerweisesein:• Perikoronare Infektion• Erweiterung des radiologischen Perikoronarrau-

mes• Perikoronare Auftreibung (beispielsweise durch

Zystenbildung)• Schmerzen/Spannungsgefühl im Kiefer-Gesichts-

bereich• Parodontale Schäden, insbesondere distal an 12-

Jahr Molaren• Resorptionen an Nachbarzähnen• Elongation/Kippung• Kariöse Zerstörung/Pulpitis

5 UNTERSUCHUNGEN

5.1 Notwendige Untersuchungen zur Therapieent-scheidung

• Allgemeine und spezielle Anamnese• Inspektion, ggf. Palpation • Röntgenuntersuchung unter vollständiger Dar-

stellung des Zahnes und Darstellung relevanter umgebender anatomischer Strukturen

5.2 In Einzelfällen hilfreiche, weiterführende Unter-suchungen

• Vitalitätsprobe der Nachbarzähne • Sensibilitätsprüfung (N. lingualis und N. mentalis) • Bestimmung parodontaler Parameter (Taschen-

tiefe)• Konventionelle, transversale Tomographie• Digitale Volumentomographie oder Computerto-

mographie bei kritischer Lagebeziehung des Zah-nes zur umgebenden Struktur, insbesondere zumN. alveolaris Inferior

• Biopsie bei pathologischen Veränderungen• Laborchemische Untersuchungen bei Begleiter-

krankungen (z. B. Gerinnungsparameter)

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• Beurteilung der kieferorthopädischen, funktionel-len, prothetischen und restaurativen Situation

6 THERAPIE

6.1 Konservative Therapie• Lokale antiseptische Maßnahmen bei akuten Ent-

zündungen • Antibiotikatherapie bei akuten Infektionen mit

Ausbreitungstendenz

6.2 Operative Therapie• Inzision und Drainage• Chirurgische Freilegung• Intentionelle chirurgische Teilentfernung (Koro-

nektomie) in Ausnahmefällen bei hohem Risikovon Nervschäden

• Chirurgische Entfernung• Transplantation

6.3 Ergänzende Maßnahmen• Kieferorthopädische Einstellung

7 RISIKOFAKTOREN

7.1 Risikofaktoren, die die Zahnentfernung erschwe-ren können

Die nachfolgenden Befunde lassen ein erhöhtes Risikovon Komplikationen bei der Zahnentfernung erwarten:

• Bestehende akute oder chronische Infektion• Wurzelanomalien• Enge Lagebeziehung zu Nachbarzähnen• Projektion des Nerv-Verlaufs des Mandibularka-

nals auf Anteile des retinierten Zahnes• Zahnankylose • Ektope Lage des Weisheitszahnes• Erfolgte Bestrahlung des Kieferknochens• Schwerwiegende Co-Morbiditäten des Patienten,

hohes Lebensalter• Fehlen der kortikalen Abgrenzung zwischen Weis-

heitszahn und Kanalis mandibularis in DVT oderComputertomographie

• Einengung des Canalis mandibularis in DVT oderComputertomographie

• Linguale Lage des Nervkanals in DVT oder Com-putertomographie

7.2 Risikofaktoren beim Belassen der ZähneDie nachfolgenden Befunde lassen ein erhöhtes Risikobeim Belassen der Zähne erwarten:• Abgelaufene Perikoronitis• Erweiterter Perikoronarraum• Resorptionen an benachbarten Zähnen• Kariöse Defekte oder parodontale Läsionen am

Weisheitszahn oder am Nachbarzahn• Teilretention• Partielle Freilegung des nicht einzuordnenden

Weisheitszahnes durch operative Maßnahmen• Zahn unter schleimhautgelagertem Zahnersatz• Junges Lebensalter

Abbildung 1: Retinierte Zähne28 und 38. Bei 38 weist einedeutliche perikoronale Aufhel-lung auf die chronische Peri-koronitis hin.

Abbildung 2: Retinierte Zähne18 und 48. Die Lagebeziehungder Wurzelspitzen des 48 zumNervkanal des N. alveolaris in-ferior weist auf ein erhöhtesRisiko bei der Entfernung hin.

Abbildung 3: Retinierte Zähne18 und 48. Durch die starke Kip-pung des Zahnes 48 ist der Pa-rodontalapparat des Zahnes 47erheblich geschädigt. Eine weit-gehend vollständige Regenera-tion des Zahnhalteapparates isthier nur etwa bis zum 25. Le-bensjahr zu erwarten.

Abbildung 4: Zahnkeime 18 und48. Die unmittelbar distal desZahnes ansteigende Vorderkan-te des aufsteigenden Unterkie-ferastes lässt erwarten, dasseine Einstellung des Zahnkei-mes in die Zahnreihe nicht er-reicht werden kann.

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8 KOMPLIKATIONEN

Obwohl zahlreiche Publikationen die klinische Re-levanz der nachfolgenden Komplikationen stützen,stehen wissenschaftlich abgesicherte Häufigkeitsan-gaben mit epidemiologischer Aussagekraft auf der Ba-sis prospektiver Studien noch aus.

8.1 Komplikationen aus der Entfernung von Weis-heitszähnen

• Schädigung sensibler Trigeminusäste • Postoperative Infektionen• Schädigung des benachbarten zweiten Molaren • Kieferfraktur • Perioperative Blutungskomplikationen • Anästhesiebedingte Schädigungen• Postoperative Schwellung und Schmerzzustände

8.2 Komplikationen aus dem Belassen von Weis-heitszähnen

• Infektionen auf der Basis einer Perikoronitis • Resorptionen der benachbarten Wurzeln des

zweiten Molaren • Parodontale Schädigung des benachbarten zweiten

Molaren • Kariöse Defekte am Weisheitszahn oder am Nach-

barzahn • Ausbildung dentogener Zysten • Entwicklung von Neoplasien • Frakturgefahr des Kiefers • Entstehung einer Störung der dynamischen Ok-

klusion (Elongation, Kippung) ggf. mit Gesichts-schmerz

9 EMPFEHLUNGEN

9.1 Empfehlungen zur dreidimensionalen BildgebungMit der digitalen Volumentomographie ist in den letz-ten Jahren eine dreidimensionale Bildgebungsmetho-dik fur die Indikationsstellung und Behandlung inner-halb der Zahnheilkunde, Oralchirurgie und Mund-,Kiefer- und Gesichtschirurgie umsetzbar geworden. In

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mehreren Studien wurde gezeigt, dass das DVT geeig-net ist, morphologische Besonderheiten, Lageano-malien und insbesondere auch die fehlende Abgren-zung zwischen Zahnfach und Nervkanal darzustellenund damit fu r die Einschätzung des Risikos einerNervschädigung geeignet ist. Allerdings konnte bis-lang nicht gezeigt werden, dass der Gewinn an Infor-mationen uber die Wurzelmorphologie und Topogra-phie durch die 3-D-Diagnostik tatsächlich zu einer an-deren operativen Vorgehensweise gefu hrt hat und dassdiese dann auch in einer verminderten Nerv-Schädi-gungsrate resultiert. Insgesamt können folgende Em-pfehlungen abgeleitet werdena) Eine dreidimensionale Bildgebung ist vor einer

Weisheitszahnentfernung nicht erforderlich, wennnativ radiologisch keine Hinweise auf eine beson-dere Risikosituation vorliegen.

b) Eine CT/DVT-Diagnostik kann indiziert sein, wenn in der nativradiologischen Untersuchung Hinweise auf eine unmittelbare Lagebeziehung zu Risikostrukturen vorhanden sind und gleichzeitig aus Sicht des Behandlers weitere räumliche Infor-mationen entweder fur die Risikoaufklärung desPatienten, Eingriffsplanung oder auch fur die intra-operative Orientierung erforderlich sind.

9.2 Empfehlungen zur IndikationsstellungBei der Indikation zur Therapie wurde traditionell zwi-schen klinisch bzw. radiologisch symptomlosen undsymptomatischen Zähnen unterschieden. Während dieEntfernung klinisch oder radiologisch symptomati-scher Zähne in der Literatur weitgehend einheitlich be-furwortet wird, konnte eine generelle Empfehlung zurEntfernung klinisch symptomloser Weisheitszähnenicht wissenschaftlich belegt werden. Diese strikteEinteilung nach klinischer Symptomatik kann abernach neueren Untersuchungen nicht ohne weiteresaufrechterhalten werden. Unabhängig von einer kli-nisch erkennbaren Perikoronitis und radiologischnachweisbaren perikoronaren Aufhellungen zeigenWeisheitszähne zu einem relevanten Anteil (20->60%)pathologische Veränderungen, die sich auch auf dieparodontale Situation der angrenzenden Molaren und

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Für die Entfernung retinierter Weisheitszähne könnendaher folgende Empfehlungen gegeben werden:

9.2.1 Indikationen zur Entfernung von WeisheitszähnenEine Indikation besteht:a) bei akuten oder chronischen Infektionen (Denti-

tio difficilis) b) bei Pulpaexposition durch Zahnkaries c) bei nicht restaurierfähigen kariös zerstörten Zäh-

nen oder nicht behandelbarer Pulpitisd) wenn sich bei Patienten mit unklarem Gesicht-

schmerz Hinweise ergeben, dass der Weisheits-zahn eine relevante Schmerzursache darstellt

e) bei nicht behandelbaren periapikalen Verände-rungen

f) bei manifesten pathologischen Strukturen in Zu-sammenhang mit Zahnfollikeln (z. B. Zyste, Tu-mor) oder dem Verdacht auf derartige Verän-derungen

g) im Zusammenhang mit der Behandlung von/und Begrenzung des Fortschreitens von parodontalen Erkrankungen

h) bei Zähnen, die bei der kieferorthopädischen und rekonstruktiven Chirurgie stören

i) bei Zähnen im Bruchspalt, die die Frakturbe-handlung erschweren

k) bei der Verwendung des Zahnes zur Transplantation

9.2.2 Mögliche Indikation zur Entfernung von Weis-heitszähnen

Eine Indikation kann bestehen:a) zur prophylaktischen Zahnentfernung aus über-

daruber hinaus auswirken können. Insofern erscheinteine grundsätzliche Unterscheidung zwischen prophy-laktischer und therapeutischer Weisheitszahnentfer-nung nicht mehr gerechtfertigt.

Longitudinale Untersuchungen zeigen, dass sich rund30% der um das 18. Lebensjahr zur Entfernung vorge-sehenen Weisheitszähne im weiteren Verlauf bis zum30. Lebensjahr regulär in die Zahnreihe einstellen. An-dererseits zeigen sich mit zunehmendem Alter zweigegenläufige Entwicklungen im Hinblick auf die Kom-plikationen. Während die Häufigkeit von inflammato-rischen Komplikationen in der Altergruppe zwischen18 und 35 Jahren ein Maximum hat und danach mit zu-nehmendem Lebensalter abnimmt, ergeben sich gleich-zeitig mit zunehmendem Alter vermehrt Kompli- kationen bei der operativen Entfernung.

Ein Nutzen der Weisheitszahnentfernung zur Vermei-dung eines tertiären Engstandes der Unterkieferfront-zähne nach Abschluss der kieferorthopädischenTherapie wird seit langem kontrovers diskutiert undist nicht abschließend geklärt.

Die Bewertung von Resorptionen an der distalen Radixzweiter Molaren ist durch die Überlagerung mit reti-nierten Zähnen in der konventionellen Panorama-schichtaufnahme ausgesprochen unsicher.Mitder Aus-weitung der DVT-Bildgebung ist zu erwarten, dass Re-sorptionen an 12-Jahr-Molaren zukunftig häufiger er-kannt und in die Entscheidung uber eine Weisheits-zahnentfernung einbezogen werden mu ssen. Bei abseh-barer oder initialer Resorption an der distalen Wurzeldes 12-Jahr-Molaren sollte eine Entfernung oder ggf.kieferorthopädische Einstellung des ursächlichenWeisheitszahnes erfolgen. Liegt dagegen eine fortge-schrittene Resorption am 12-Jahr-Molaren vor, sollteeine kieferorthopädische Einstellung des Weisheits-zahnes nach Entfernung des 12-Jahr-Molaren empfoh-len werden.

Abbildung 5: Typische Schnitt-führung zur Entfernung des reti-nierten Zahnes 48. Zur Vermei-dung einer Schädigung des N.lingualis muss der distale Ent-lastungsschnitt nach lateral ge-führt werden.

Abbildung 6: Eine gebräuchlicheMethode zum Schutz des N. lin-gualis bei der Osteotomie durchEinstellen eines Raspatoriums.

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geordneten, der Lebensführung zuzuordnenden Gesichtspunkten (z.B. fehlende Verfügbarkeit me-dizinischer Versorgung etc.)

b) wenn andere Maßnahmen unter Narkose vorge-nommen werden und eine erneute Narkose zur Entfernung eines Weisheitszahnes durchgeführtwerden müsste

c) bei geplanter prothetischer Versorgung, wenn ein sekundärer Durchbruch aufgrund der weiteren Atrophie des Alveolarkammes bzw. aufgrund der Druckbelastung durch herausnehmbaren Zahn-ersatz zu erwarten steht

d) zur Vereinfachung der kieferorthopädischen Zahnbewegungen und/oder zur Erleichterung der kieferorthopädischen Retention

e) bei Resorptionen an benachbarten Zähnen (s.o.)f) wenn der elongierte/gekippte Weisheitszahn eine

manifeste Störung der dynamischen Okklusion darstellt

9.2.3 Indikationen zum Belassen von WeisheitszähnenWeisheitszähne sollen belassen werden, wenn:a) eine spontane, regelrechte Einstellung der Weis-

heitszähne in die Zahnreihe zu erwarten istb) eine Extraktion anderer Zähne und/oder eine kie-

ferorthopädische Behandlung mit Einordnung desZahnes durchgeführt werden soll

c) bei tief impaktierten und verlagerten Zähne ohne assoziierte pathologische Befunde, bei denen ein hohes Risiko operativer Komplikationen besteht

9.3 Empfehlungen zur Durchführung operativer Maß-nahmen

9.3.1 Ambulante/Stationäre Behandlung/Narkosebe-handlung

a) In der Regel ist eine ambulante Behandlung unterLokalanästhesie möglich. Die Zahnentfernungkann dabei quadrantenweise erfolgen oder meh-rere Zähne in einer Sitzung umfassen.

b) Der Einsatz weiterer Verfahren im Rahmen derSchmerzausschaltung (Analgosedierung/Narko- se) orientiert sich am Gesamtumfang der chirur-gischen Maßnahmen, an der Mitarbeit des Pa-

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tienten, an bekannten Risikofaktoren (siehe un-ter 7) und nach Berucksichtigung dieser und all-gemeinmedizinischer Kriterien an der Präferenzdes Patienten.

c) Eine stationäre Behandlung kann beispielsweisebei schwerwiegenden Allgemeinerkrankungen oder besonderen OP-Verläufen indiziert sein.

9.3.2 Durchführung der ZahnentfernungGrundsätzlich sind sämtliche Anteile eines Zahnes zuentfernen. Als Alternative zur vollständigen Zahnent-fernung kann bei enger Lagebeziehung zum N. alveola-ris inferior mit erwartbar hohem Schädigungsrisikoeine Koronektomie vorgenommen werden.

In Einzelfällen kann das primär nicht intendierte Be-lassen von minimalen Zahnanteilen auch bei der regu-lären Zahnentfernung nicht entzundlich veränderterZähne zur Vermeidung schwerwiegender operations-bedingter Komplikationen (z. B. Nervläsionen oder un-verhältnismäßige Knochendefekte) gerechtfertigt sein(Guterabwägung). Als Alternative zur konventionellenOsteotomie kann die Piezo-Osteotomie fur die Weis-heitszahnentfernung bei gefährdeten anatomischenNachbarstrukturen eingesetzt werden. Eine abschlie-ßende Bewertung zum klinischen Nutzen insbesonde-re im Hinblick auf die Reduktion von Nervläsionen istauf der Basis der verfugbaren Literaturevidenz bislangnicht möglich.

9.3.3 Adjuvante Therapiea) Eine perioperative antibiotische Prophylaxe soll-

te bei der Weisheitszahnentfernung erfolgen.b) Eine antiphlogistische Prophylaxe ist effektiv im

Hinblick auf eine Reduktion der postoperativenSchwellung, sie ist aber nicht in jedem Fall erfor-derlich.

9.3.4 Spezielle OP-Situationen und Befundkonstella-tionen

FürspezifischeSituationen (Co-Morbiditäten: z.B.Herz-klappenersatz) verweisen wir auf die entsprechendenLeitlinien/Links (siehe auch Punkt 10 dieser Leitlinie).

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10 LINKS

Wissenschaftliche Stellungnahmen/Leitlinien der DGZMK

- Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrosen (S3) http://www. dgzmk.de/zahnaerzte/wissenschaft-forschung/leitlinien/details/ document/bisphosphonat-assoziierte-kiefernekrosen-bp-onj-und-andere-medikamenten-assoziierte-kiefernekrosen.html

- Zahnsanierung vor Herzklappenersatz (S2k) http://www. dgzmk.de/zahnaerzte/wissenschaftforschung/leitlinien/details/document/zahnsanierung-vorherzklappenersatz.html?cHash=854b719efdabe 07d3f6a4d7ca4168f6a&type=98

- Systemische Antibiotikaprophylaxe bei Patienten ohne Systemer- krankungen zur Vermeidung postoperativer Wundinfektionenhttp://www.dgzmk.de/zahnaerzte/wissenschaftorschung/stellungnahmen/details/document/systemische-antibiotikaprophylaxe-bei-patienten-ohne-systemerkrankungen-zur-vermeidung-postoperati-ve.html

- Dentale Volumentomographie (S1) http://www.dgzmk.de/zahnaerz-te/wissenschaftforschung/leitlinien/details/document/dentale-volumentomographie-s1.html

- Prophylaxe der infektiösen Endokarditis http://www.dgzmk.de/zahnaerzte/wissenschaftforschung/leitlinien/details/document/prophylaxe-der-infektioesen-endokarditis.html

- Die Pflicht zur Dokumentation http://www.dgzmk.de/zahnaerz-te/wissenschaftforschung/mitteilungen/details/document/pflicht-zur-dokumentation.html

11 WO FINDEN SIE WEITERE

INFORMATIONEN?

Die auf der Basis einer systematischen Auswertung dermedizinischen Fachliteratur und einer Fachkonferenzvon Experten aktualisierte vollständige Leitlinie undLiteraturliste zur operativen Entfernung vonWeisheits-zähnen finden Sie auf der Homepage der Zahnärztli-chen Zentralstelle Qualitätssicherung:www.zzq-berlin.de unter Schwerpunkte/Leitlinien

Die Leitlinie wird 2017 aktualisiert.

12 AUTOREN

Autor und Fotodokumentation:Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel, Bochum

13 AM KONSENSUSVERFAHREN BETEILIGTE

ORGANISATIONEN UND FACHGESELL-

SCHAFTEN:

Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und KieferheilkundeDGZMKDeutsche Gesellschaft fur KieferorthopädieLeitliniengruppe „Dentoalveoläre Chirurgie“ in der DGMKGDeutsche Gesellschaft fur Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,DGMKGArbeitsgemeinschaft fur KieferchirurgieArbeitskreis Oralpathologie und Oralmedizin in der DGZMKBundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellenBAG SelbsthilfeBundeszahnärztekammerKassenzahnärztliche Bundesvereinigung

in Trägerschaft von:BUNDESZAHNÄRZTEKAMMERArbeitsgemeinschaft der DeutschenZahnärztekammern e.V.KASSENZAHNÄRZTLICHE BUNDESVEREINIGUNGKörperschaft des öffentlichen Rechts

Chausseestraße 1310115 BerlinTelefon: 030-40005-311 Fax: 030-40005-200E-Mail: [email protected]

ISBN 3-00-018315-9

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