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03/2015 ONKOLOGIE heute UPDATE: THERAPIE MIT TYROSINKINASEINHIBITOREN 41 Quelle: Sebastian Kaulitzki - Fotolia.com Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) zählen zu den wichtigsten pharmakologischen Neuentwicklungen, die in den vergangenen 15 Jahren für onkologische Indikationen zugelassen wurden. Sie wirken relativ spezifisch auf eine wichtige Klasse von zellulären Signalverarbeitungsproteinen, die Tyrosinkinasen, deren übermäßige Aktivierung eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen spielt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Wirkmechanismen von TKI und ihre Anwendungsgebiete in der Onkologie. Am Beispiel der chronisch myeloischen Leukämie (CML), deren Behandlung sich durch die Verfügbarkeit von TKI grundlegend verändert hat, wird das therapeutische Potenzial dieser Substanzklasse aufgezeigt. Die jüngere Forschung hat gezeigt, dass Störungen im zellulären Signal- übertragungs- und Verarbeitungssys- tem eine häufige Ursache der Tumor- entstehung sind. Eine zentrale Rolle in diesen Signalwegen spielen Tyro- sinkinasen [1,2]. Diese fungieren im aktiven Zustand als Enzyme, die die Übertragung einer Phosphatgruppe aus dem Molekül Adenosintriphos- phat (ATP) auf einen regulatorischen Tyrosin-Aminosäurerest eines ande- ren Proteins katalysieren. Auf diese Weise phosphorylierte Proteine kön- nen selbst enzymatisch aktiv werden und Signalverarbeitungssysteme so- wohl aktivierend als auch inhibierend beeinflussen [3]. Seit den 1990-er Jahren ist bekannt, dass dysregulierte Tyrosinkinasen über die inadäquate Vermittlung von Wachstums- und Proliferationssigna- len maßgeblich an der Onkogenese beteiligt sind [4,5]. Beispiele dafür sind die infolge der BCR-ABL 1-Genfu- sion konstitutiv aktivierte ABL-Kinase bei der CML [6] oder die mutationsbe- dingt dysregulierte EGFR-Rezeptorki- nase beim nicht-kleinzelligen Lun- genkarzinom (NSCLC) [7]). Viele der onkogenen Tyrosinkinasen sind membrangebunden und sind Teil eines Rezeptors oder mit diesem asso- ziiert. Diese sog. Rezeptor-Tyrosinki- nasen werden durch Signale aus dem Extrazellulärraum aktiviert. Andere Tyrosinkinasen befinden sich im Zell- innenraum und vermitteln intrazellu- läre Signale. Beide Kinasetypen phos- phorylieren nach entsprechender Ak- tivierung ihr spezifisches Substrat und lösen damit eine Signalkaskade aus, die zu einer zellulären Reaktion auf den Ursprungsreiz führt – z.B. in Form einer veränderten Genaktivität, die zur Einleitung der Zellteilung führen kann (Abb. 1, S. 42). TKI: zielgerichtete designer drugs Auf Basis der Erkenntnis, dass die meisten onkogenen Tyrosinkinasen eine geringe Expression bzw. Aktivi- tät im normalen Gewebe zeigen, in malignen Zellen jedoch übermäßig aktiv sind [8], wurde das Konzept der Inhibition dysregulierter Tyrosinkina- sen mittels spezifischer Hemmstoffe entwickelt. TKI sind somit „designer drugs“, die speziell zur Inhibition be- stimmter Tyrosinkinasen entworfen und optimiert wurden. Dass dieser Ansatz funktioniert, zeigte sich zu- nächst eindrucksvoll am Beispiel der CML: Mit Imatinib, einem niedermo- lekularen Inhibitor der ABL-Kinase und Prototyp der neuen Wirkstoff- klasse konnten bei dieser Erkrankung sehr gute Erfolge erzielt werden [9]. Zielgerichtete Therapie: Tyrosinkinaseinhibitoren in der klinischen Onkologie Stefan Schmidt, Günther Gastl, Universitätsklinik für Innere Medizin V, Schwerpunkt Hämatologie & Onkologie, Innsbruck, Österreich CME

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Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) zählen zu den wichtigsten pharmakologischen Neuentwicklungen, diein den vergangenen 15 Jahren für onkologische Indikationen zugelassen wurden. Sie wirken relativspezifisch auf eine wichtige Klasse von zellulären Signalverarbeitungsproteinen, die Tyrosinkinasen,deren übermäßige Aktivierung eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen spielt.Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Wirkmechanismen von TKI und ihre Anwendungsgebietein der Onkologie. Am Beispiel der chronisch myeloischen Leukämie (CML), deren Behandlung sichdurch die Verfügbarkeit von TKI grundlegend verändert hat, wird das therapeutische Potenzial dieserSubstanzklasse aufgezeigt.

Die jüngere Forschung hat gezeigt,dass Störungen im zellulären Signal-übertragungs- und Verarbeitungssys-tem eine häufige Ursache der Tumor-entstehung sind. Eine zentrale Rollein diesen Signalwegen spielen Tyro-sinkinasen [1,2]. Diese fungieren imaktiven Zustand als Enzyme, die dieÜbertragung einer Phosphatgruppeaus dem Molekül Adenosintriphos-phat (ATP) auf einen regulatorischenTyrosin-Aminosäurerest eines ande-ren Proteins katalysieren. Auf dieseWeise phosphorylierte Proteine kön-nen selbst enzymatisch aktiv werdenund Signalverarbeitungssysteme so-wohl aktivierend als auch inhibierendbeeinflussen [3].Seit den 1990-er Jahren ist bekannt,dass dysregulierte Tyrosinkinasenüber die inadäquate Vermittlung vonWachstums- und Proliferationssigna-len maßgeblich an der Onkogenesebeteiligt sind [4,5]. Beispiele dafürsind die infolge der BCR-ABL 1-Genfu-sion konstitutiv aktivierte ABL-Kinasebei der CML [6] oder die mutationsbe-dingt dysregulierte EGFR-Rezeptorki-nase beim nicht-kleinzelligen Lun-genkarzinom (NSCLC) [7]).Viele der onkogenen TyrosinkinasensindmembrangebundenundsindTeileines Rezeptors oder mit diesem asso-ziiert. Diese sog. Rezeptor-Tyrosinki-nasen werden durch Signale aus demExtrazellulärraum aktiviert. Andere

Tyrosinkinasen befinden sich im Zell-innenraum und vermitteln intrazellu-läre Signale. Beide Kinasetypen phos-phorylieren nach entsprechender Ak-tivierung ihr spezifisches Substrat undlösen damit eine Signalkaskade aus,die zu einer zellulären Reaktion aufden Ursprungsreiz führt – z.B. in Formeiner veränderten Genaktivität, diezur Einleitung der Zellteilung führenkann (Abb. 1, S. 42).

TKI: zielgerichtete designer drugs

Auf Basis der Erkenntnis, dass diemeisten onkogenen Tyrosinkinaseneine geringe Expression bzw. Aktivi-

tät im normalen Gewebe zeigen, inmalignen Zellen jedoch übermäßigaktiv sind [8], wurde das Konzept derInhibition dysregulierter Tyrosinkina-sen mittels spezifischer Hemmstoffeentwickelt. TKI sind somit „designerdrugs“, die speziell zur Inhibition be-stimmter Tyrosinkinasen entworfenund optimiert wurden. Dass dieserAnsatz funktioniert, zeigte sich zu-nächst eindrucksvoll am Beispiel derCML: Mit Imatinib, einem niedermo-lekularen Inhibitor der ABL-Kinaseund Prototyp der neuen Wirkstoff-klasse konnten bei dieser Erkrankungsehr gute Erfolge erzielt werden [9].

Zielgerichtete Therapie: Tyrosinkinaseinhibitorenin der klinischen OnkologieStefan Schmidt, Günther Gastl, Universitätsklinik für Innere Medizin V, Schwerpunkt Hämatologie & Onkologie,Innsbruck, Österreich

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In den vergangenen Jahren ist eineVielzahl von TKI entwickelt worden,und viele dieser Substanzen sind mitt-lerweile für die klinische Anwendungverfügbar. TKI sind niedermolekulareSubstanzen, deren Molekulargewichtidealerweise zwischen 500 und 900Dalton liegt [10-12]. Sie sind, wie allesmall molecules, oral verfügbar, undkommen als Single-Agent-Therapienoder in Kombination mit Chemothe-rapien oder anderen zielgerichtetenTherapien zum Einsatz.Der Wirkmechanismus aller bisher fürden klinischen Einsatz zugelassenenniedermolekularen TKI basiert aufder Inhibition der katalytischen Akti-vität der anvisierten Tyrosinkinasen,indem entweder die ATP-Bindungoder die Substratbindung im Bereichdes aktiven Zentrums gestört wird[13]. Die meisten der aktuell verfüg-baren TKI sind ATP-kompetitiv [14],d.h., sie hemmen die Aktivität derZielkinase durch räumliche Blockadeder ATP-Bindung. Einige TKI wie Ima-tinib üben zudem einen zusätzlichen

hemmenden Effekt aus, indem sie dieräumliche Struktur der Tyrosinkinasein einem inaktiven Zustand fixieren(semi-kompetitive Hemmung) [15].Die überwiegende Mehrzahl der heu-te eingesetzten TKI richtet sich gegenmembranständige Tyrosinkinasen(Rezeptortyrosinkinasen), die über ei-nen extrazellulären Molekülanteil Si-gnale aus der Zellumgebung aufneh-men. Zu diesen Targets gehören z.B.ErbB-Rezeptoren, VEGFR, c-KIT undPDGFR. Aber auch gegen intrazellulä-re, nicht-membrangebundene Tyro-sinkinasen sind Inhibitoren entwi-ckelt worden, so etwa gegen BCR-ABL, Src, EML4-ALK, Bruton’s Tyrosin-kinase und Januskinase.Die aktuellen TKI sind oft multispezi-fisch, mit einer breiten Wirksamkeitgegen verschiedene Proteinkinasen,(z.B. Sunitinib, Sorafenib, Regorafe-nib), doch gibt es auch TKI mit einerweitgehend selektiven Target-Spezi-fität (z.B. Afatinib als Inhibitor derErbB-Familie, Erlotinib als EGFR-Inhi-bitor und Lapatinib als HER2/EGFR-In-

hibitor). Einige TKI inhibieren zudembestimmte mutierte Varianten einerRezeptortyrosinkinase wesentlichstärker als andere Mutanten oder denWildtyp. Dadurch kommt es zu einerdeutlichhöherenklinischenWirksam-keit bei Patienten, die positiv für ent-sprechende Mutationen sind. Gefiti-nib etwa, ein TKI zur Behandlung desnicht-kleinzelligen Bronchialkarzi-noms (NSCLC), zeigt nur bei jenenNSCLC-Patienten Wirksamkeit, derenTumore bestimmte mutierte Varian-ten des EGF-Rezeptors tragen [16].Die vergleichsweise hohe Spezifitätvon TKI hat somit oftmals eine nur ge-ringe Wirkbreite zufolge. Daher mussin einigen Fällen vor der Behandlungdurch entsprechende molekulareTests geprüft werden, ob ein Patientvon einer bestimmten Substanz über-haupt profitieren kann.

Konsequentes Nebenwirkungs-management notwendig

Obwohl TKI im Vergleich zu Zytostati-ka deutlich selektiver wirken und bes-ser verträglich sind, haben gerademultispezifische Substanzen ein brei-tes Nebenwirkungsspektrum, das sichvom Toxizitätsprofil der klassischenChemotherapie deutlich unterschei-det und ein konsequentes Manage-ment erfordert. Häufige Nebenwir-kungen sind Müdigkeit, Diarrhö, Mu-kositis, Hautveränderungen, Hyper-tonie und Blutbildveränderungen.Der folgende Abschnitt stellt die ak-tuell in Deutschland für die onkologi-scheTherapieverfügbarenTKIund ih-re Einsatzgebiete vor.

Wirksubstanzen/Anwendungen

Multitarget-Inhibitoren mit antian-giogener und antiproliferativer Wir-kung: Die Substanzen dieser Gruppehemmen neben den für die (Tumor-)Angiogenese relevanten Rezeptorty-rosinkinasen der VEGFR-Familie ver-schiedene weitere Kinasen (z.B.PDGFR, FGFR, EGFR, RET, MET, KIT, B-RAF), wodurch sie zugleich antiangio-gen und antiproliferativ wirken.

Änderung der Genexpression

Signalübertragung

IntrazelluläresSignal

Extrazelluläres Signal

TKRTK

Empfänger-Protein

Empfänger-Protein

Empfänger-Protein

P

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P

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ATP

ATP

Abb. 1. Signalübertragung durch Tyrosinkinasen: Rezeptortyrosinkinasen (RTK) wer-den durch extrazelluläre Reize, nicht-membranständige, zytoplasmatische Tyrosin-kinasen (TK) durch intrazelluläre Reize aktiviert. Aktivierte RTK und TK übertrageneine Phosphatgruppe von ATP auf Empfängerproteine, die dadurch ihrerseits in ihrerFunktion beeinflusst werden. Die so ausgelöste Signalkaskade kann zu einer Ände-rung der Genexpression und damit zu einem veränderten Zellverhalten führen.

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Sunitinib, ein Inhibitor der Rezep-tortyrosinkinasen VEGFR 1-3, PDGFR,c-KIT, FLT3, RET und CSFR1, ist seit Juli2006 zur Behandlung von Patientenmit fortgeschrittenem Nierenzellkar-zinom (Erst- und Zweitlinie) zugelas-sen. In der Erstlinie konnte mit Suniti-nib eine Verdopplung des medianenprogressionsfreien Überlebens (PFS )und eine deutlichere Tumorgrößen-abnahme im Vergleich zum früherenStandard Interferon-> erzielt werden[17]. Sunitinib gilt heute als Standardfür die Erstlinientherapie des metas-tasierten Nierenzellkarzinoms mitgünstigem/mittlerem Risikoprofil.Ebenfalls seit 2006 ist Sunitinib auchfür die Therapie von Patienten mitfortgeschrittenen gastrointestinalenStromatumoren (GIST) nach Versagenvon Imatinib verfügbar, und seit 2010für die Behandlung fortgeschrittenerneuroendokriner Tumoren des Pank-reas (pNET). Die Zulassung basierte inbeiden Indikationen auf einer deutli-chen PFS-Verlängerung im Vergleichzu Plazebo [18,19].Sorafenib, ein Inhibitor von VEGFR 2-3, PDGFR-?, c-Kit, FLT3 und Kinasender RAS/RAF-Kaskade, ist seit 2006 fürdie Zweitlinientherapie des fortge-schrittenen Nierenzellkarzinoms zu-gelassen. Hier zeigte sich eine beina-he Verdopplung des medianen PFS imVergleich zu Plazebo [20]. 2007 er-hielt Sorafenib die Zulassung für dieBehandlung des inoperablen hepato-zellulären Karzinoms [21] und im Mai2014 als erster TKI die Zulassung zurTherapie des metastasierten, Ra-dioiod-refraktären differenziertenSchilddrüsenkarzinoms [22].Pazopanib, das eine hohe und zudemrelativ selektive Affinität zu allen dreiVEGF-Rezeptor-Tyrosinkinasen zeigt,ist seit Juli 2010 zur Erst- und Zweitli-nienbehandlung des fortgeschritte-nen Nierenzellkarzinoms zugelassen.In der Erstlinientherapie des Nieren-zellkarzinoms ist Pazopanib ähnlichwirksam wie Sunitinib, bei einem et-was günstigeren Nebenwirkungspro-fil [23]. Pazopanib steht seit2012auch

für die Therapie von Patienten mittherapierefraktären Weichteilsarko-men außer Liposarkomen zur Verfü-gung. In der Zulassungsstudie zeigtesich unter Pazopanib eine beinahedreifache PFS-Verlängerung im Ver-gleich zu Plazebo [24].Axitinib, ein relativ selektiver Inhibi-tor der Rezeptortyrosinkinasen derVEGFR 1-3, ist seit September 2012 zurTherapie des fortgeschrittenen Nie-renzellkarzinoms nach Versagen ei-ner vorherigen Therapie mit Sunitiniboder einem Zytokin zugelassen. In derZulassungsstudie war unter Axitinibdas mediane PFS gegenüber Sorafe-nib deutlich verbessert [25].Sunitinib, Sorafenib, Axitinib und Pa-zopanib haben einen festen Stellen-wert in der Therapie des fortgeschrit-tenen Nierenzellkarzinoms, wo siegemäß ihres Zulassungsstatus’ im Sin-ne einer Sequenztherapie eingesetztwerden. Aktuelle Studien beschäfti-gen sich mit der Frage der optimalenTherapiesequenz.Nintedanib, ein dreifacher Angioki-nasehemmer, ist in der EU seit Dezem-ber 2014 in Kombination mit Doceta-xel für die Zweitlinientherapie des lo-kal fortgeschrittenen oder metasta-sierten NSCLC mit Adenokarzinom-Histologie zugelassen. In diesemprognostisch ungünstigen Patienten-kollektiv stieg durch Nintedanib diemediane Überlebenszeit gegenübereiner Docetaxel-Monotherapie um 2Monate ohne zusätzliche Beeinträch-tigung der Lebensqualität [26].Regorafenib, ein Inhibitor multiplerProteinkinasen mit hemmenden Ef-fekten auf die Onkogenese (Kit, RET,RAF-1, BRAF, BRAFV600E), Angioge-nese (VEGFR1-3, TIE2) und Tumormi-kroumgebung (PDGFR-?, FGFR), istseit2013fürdieBehandlungdeskolo-rektalen Karzinoms zugelassen, wo esunabhängig vom RAS-Mutationssta-tus vor allem in späteren Therapielini-en eingesetzt wird. Bei stark vorbe-handelten Patienten führte Regora-fenib gegenüber Plazebo zu einer si-gnifikanten Verlängerung des Ge-

samtüberlebens um 1,4 Monate [27].Seit August 2014 ist Regorafenib auchfür die Drittlinientherapie inoperab-ler oder metastasierter gastrointesti-naler Stromatumoren (GIST) nachProgression unter Imatinib und Suni-tinib verfügbar. In diesem Kollektivzeigte sich im Vergleich zu Plazeboein deutlicher PFS-Vorteil in allen un-tersuchten Subgruppen [28].Vandetanib ist seit Februar 2012 undCabozantinib seit April 2014 zur Be-handlung des fortgeschrittenen odermetastasierten medullären Schild-drüsenkarzinoms zugelassen. Für bei-de Substanzen wurde eine PFS-Ver-längerung im Vergleich zu Plazebobeschrieben [29,30]. Ob eine Verbes-serung des Gesamtüberlebens (OS)durch diese Substanzen möglich ist,ist noch unklar. Als weiterer TKI mitWirksamkeit gegen Schilddrüsenkar-zinome steht Lenvatinib kurz vor derEU-Zulassung (Stand 1. April 2015).Der selektive Inhibitor von VEGFR 1-3,FDFR 1-4, PDGF, RET und Kit zeigte Ef-fektivität gegen das Radioiod-refrak-täre differenzierte Schilddrüsenkarzi-nom. In Studien lag die Ansprechrateunter Lenvatinib bei ca. 65%, mit ei-ner Verfünffachung des mittleren PFSim Vergleich zu Plazebo [31].

EGFR/ErbB-Inhibitoren: Die EGFR-In-hibitoren Gefitinib und Erlotinib sindseit 2009 bzw. 2011 für die Erstlinien-therapie von Patienten mit fortge-schrittenemNSCLCundaktivierendenEGFR-Mutationen zugelassen. In die-ser Krankheitssituation konnte durchGefitinib und Erlotinib eine signifi-kante PFS-Verbesserung im Vergleichzu einer konventionellen Chemothe-rapie erzielt werden [32-34]. Mit Afa-tinib steht seit Ende 2013 ein weitererTKI mit Wirksamkeit gegen das NSCLCmit EGFR-Mutation zur Verfügung.Afatinib weist als pan-ErbB-InhibitorAktivität gegen EGFR und drei weite-re Mitglieder der ErbB-Familie –HER2/neu, ErbB-3, ErbB4 – auf. In denzulassungsrelevanten Studien zeigteauch Afatinib einen deutlichen PFS-

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Vorteil gegenüber Chemotherapie[35]. Besonders Patienten mit Del19-Mutation profitierten [36] (Abb. 2).Für die Anwendung dieser TKI ist eineMutationstestung nötig.Erlotinib ist seit 2007 kombiniert mitGemcitabin auch für Patienten mitmetastasiertem Pankreaskarzinomzugelassen. Das Auftreten einesHautausschlags – eine typische Ne-benwirkung von Erlotinib – ist dabeiprädiktiv für das Ansprechen auf dieKombinationstherapie [37].Lapatinib, ein dualer Inhibitor vonEGFR und HER2/neu, ist seit 2008 inKombination mit Capecitabin für dasmetastasierte HER2-positive Mamma-karzinom ab der zweiten Therapieli-nie nach Versagen von Trastuzumabzugelassen. Da mittlerweile jedochgezeigtwurde,dassbeiTrastuzumab-vorbehandelten Patientinnen derWirkstoff T-DM1 der Kombinationaus Lapatinib und Capecitabin über-legen ist [38], wird Lapatinib plus Ca-pecitabin erst für die BehandlungnachderZweitlinieempfohlen.Fürei-ne doppelte Blockade des HER2-Re-zeptors kann Lapatinib auch in Kom-bination mit Trastuzumab eingesetztwerden. Diese Kombination wird auf-grund ihrer vergleichsweise gutenVerträglichkeit insbesondere beimehrfach vorbehandelten Patientin-nen empfohlen [39,40].

ALK-Inhibitoren: Der ALK-spezifischeTKI Crizotinib ist seit Oktober 2012 fürdie Therapie der NSCLC mit ALK-Translokation in der fortgeschritte-nen Krankheitssituation zugelassen.Die ALK-Translokation, nachgewie-sen durch das Fusionsgen EML4-ALK,geht mit einer gesteigerten ALK-Ki-naseaktivität einher und ist bei etwa3-4% der NSCLC-Patienten mit Ade-nokarzinom-Histologie nachweisbar.Die Zulassung für Crizotinib basiertauf einer Phase-III-Studie, in der mitCrizotinib überlegene PFS- und An-sprechdaten im Vergleich zu Chemo-therapie erzielt werden konnten [41].Voraussetzung für die Anwendung

von Crizotinib ist der Nachweis derALK-Translokation.Mit Ceritinib steht nun ein Zweitge-nerations-ALK-Inhibitor kurz vor derZulassung (Stand 1. April 2015). Pati-enten mit EML4-ALK-Translokationzeigten unter dieser Substanz hoheResponseraten, wobei auch Crizoti-nib-vorbehandelte Patienten nochvon der Therapie profitierten [42].

Inhibitoren von BCR-ABL: Für die the-rapeutische Inhibition der konstitutivaktivierten BCR-ABL-Kinase bei derPhiladelphia-Chromosom-positiven(Ph+) CML sind derzeit fünf Substan-zen zugelassen: Imatinib, Nilotinib,Dasatinib, Ponatinib, Bosutinib. Allefünf Inhibitoren hemmen neben BCR-ABL noch weitere Kinasen. Imatinib,in Deutschland seit 2001 für die The-rapie der CML verfügbar, ist nicht zu-letzt aufgrund seiner guten Verträg-lichkeit der aktuelle Standard zurErstlinientherapie. Die TKI der 2. Ge-neration Dasatinib (Erstzulassung2006) und Nilotinib (Erstzulassung2007) stehen für die Erst- und Zweitli-nientherapie zur Verfügung [43,44] ,die Inhibitoren der 3. Generation Bo-sutinib (bedingte Zulassung März2013) und Ponatinib (Zulassung Juli2013) zur Zweit- und Drittlinienthera-pie [45,46]. Ponatinib, das auch zurTherapie der Ph+ ALL zugelassen ist,wird insbesondere bei Auftreten derT3151-Mutation von BCR-ABL oderResistenzgegenüberdenanderenTKIeingesetzt [47].

Imatinib ist darüber hinaus der medi-kamentöse Therapiestandard beifortgeschrittenen GIST. Hier spielt diehemmende Wirkung von Imatinib ge-gen die Tyrosinkinase c-KIT die ent-scheidende Rolle. Viele GIST weiseneine aktivierende Mutation des Kit-Gens auf. Bereits in den ersten klini-schen Studien zeigte sich eine objekti-veAnsprechratevon40-50%undeineTumorwachstumshemmung bei über80% der Patienten [48]. Die Zulassungfür diese Indikation erfolgte 2002.

Jak1/2-Inhibitor: Mit Ruxolitinib, ei-nem Inhibitor der Januskinasen Jak1und Jak2, wurde 2012 für die Myelo-fibrose erstmals eine gezielte Thera-pie verfügbar. Bei der Myelofibroseist eine Überaktivierung des Jak/STAT-Signalwegs krankheitstypisch.In den Zulassungsstudien verbesserteRuxolitinib im Vergleich zu Plazebodie krankheitsassoziierte Symptoma-tik signifikant, und es zeigte sich eineanhaltende positive Wirkung hin-sichtlich der Milzgröße und der Le-bensqualität [49,50]. Ruxolitinib wirdaktuell als Standardtherapie der Mye-lofibrose empfohlen.

Inhibitoren B-Zell-relevanter Signal-wege: Mit Ibrutinib und Idelalisib sindseit Herbst 2014 zwei neue Kinasein-hibitorenfürdieBehandlungder rezi-divierten und Hochrisiko-CLL verfüg-bar. Diese Substanzen sind gegen Ty-rosinkinasen gerichtet, die eine zen-trale Rolle bei der intrazellulären Sig-

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LUX-Lung 3 (Del19-Patienten)

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33,3 0,54 (0,36–0,79), p=0,0015

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Abb. 2: Lux-Lung 3-Studie: Gesamtüberleben (OS) unter Afatiniv vs. Cisplatin/Peme-trexed (Cis/Pem) in der Subgruppe der Patienten mit Del19-Mutation

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nalübertragung in B-Lymphozytenspielen und bei B-Zell-Malignitätenübermäßig aktiviert sind – die Bru-ton-Tyrosinkinase (Ibrutinib) bzw. diePhosphatidyl-inositol-3-Kinase-delta(Idelalisib). Ibrutinib zeigte bei vorbe-handelten CLL-Patienten eine signifi-kante Überlegenheit hinsichtlich desPFS und OS im Vergleich zum CD20-Antikörper Ofatumumab [51]. Idelali-sib, das für die Indikation CLL in Kom-bination mit dem CD20-AntikörperRituximab zugelassen ist, führte indieser Kombination bei Patienten mitrezidivierter CLL zu einer signifikan-ten Verbesserung des PFS, der Ge-samtansprechrate und des OS im Ver-gleich zum gegenwärtigen Standard[52]. Ibrutinib ist darüber hinaus zurTherapie vorbehandelter PatientenmitMantelzelllymphom[53],und Ide-lalisib (als Monotherapie) zur Be-handlung von Patienten mit refraktä-rem follikulärem Lymphom zugelas-sen [54].

Therapeutisches Potenzial vonTKI am Beispiel der CML

Die CML ist durch eine einzige ursäch-liche genetische Veränderung, dieTranslokation t(9;22) mit dem darausresultierenden Fusionsgen BCR-ABL1gekennzeichnet. Das entstehende Fu-sionsgen ist eine konstitutiv aktive Ty-rosinkinase, die u.a. die downstreamgelegenen Signalwege von STAT5,RAS-RAF-MEK-ERK und PI3K aktiviert[55]. Daraus resultieren ein veränder-tes Adhäsionsverhalten der Zellen so-wie eine vermehrte Proliferations-und eine verminderte Apoptoserateder Zellen. Die CML ist zum Paradig-ma der gezielten Therapie und derBehandlung mit TKI geworden.TKI sind heute die Standardtherapieder CML in der chronischen Phase undkönnen eine Krankheitskontrolle aufdem Niveau einer minimalen Rester-krankung erzielen. Diese zu erhaltenerfordert aber eine kontinuierliche,möglicherweise lebenslange Behand-lung. Die Prognose unter laufenderImatinib-Therapie ist lautder IRIS-Stu-

die mit einem 8-Jahres Gesamtüberle-ben von 85% und einem CML-spezifi-schen OS von 93% assoziiert [56].Auch zur Induktionstherapie in akze-lerierter Phase oder Blastenkrise wer-den TKI eingesetzt, aber der Thera-pieerfolg in diesen Krankheitsphasenist ungleich schlechter; in der Regelwird, sofern möglich, eine Stammzell-transplantation angestrebt [57].Der Wirkmechanismus der TKI in derBehandlung der CML beruht auf derHemmung der nachgeschalteten Sig-nalwege und ist effektiv im periphe-ren Blut. Neben dem Fusionsgen BCR-ABL 1 werden auch andere Tyrosinki-nasen inhibiert, so ABL, PDGFR, c-KIT,FGR, FYN, HCK, LCK, LYN, SRC, YES,EPHB4. Der Mechanismus erscheintaber insofern kontextabhängig, alsdass CML-Stammzellen, die ebenfallsBCR-ABL1 positiv sind, durch Blocka-de des BCR-ABL-Signalweges nichteradiziert werden [58].Trotz der großen Wirksamkeit einerTKI-Therapie werden nach 5 bzw.6Jahren nur noch etwa 50-60% derCML-Patienten mit dem initialen TKIbehandelt [59,60]. Ein wichtigerGrund sind Resistenzen, deren Me-chanismus im Falle von Mutationenoder Genduplikation des BCR-ABL,bzw. der Expression von Resistenz-vermittelnden Transportproteinenbereits gut verstanden werden [61].Gerade die Identifikation von Imati-nib-Resistenz-mediierenden BCR-ABL1-MutationenführtezurEntwick-lung neuer TKI. Über 70 Mutationender Kinasedomäne von BCR-ABL1sindbekannt,nurwenigesindklinischbedeutsam. Während Y253H,E255K/V und F359 V/C/I-Resistenzengegen Nilotinib vermitteln, führendie Mutationen V299L, F317L/I/V/C zurelevanten Dasatinib-Resistenzen[62]. Die Mutation T315A führt zu kli-nisch relevanten Resistenzen gegen-über allen TKI außer Ponatinib [63].Die Prognose der CML hat sich seit derEinführung der TKI grundsätzlich ge-wandelt: Während Patienten, die füreine Stammzelltransplantation nicht

geeignet waren, zuvor eine infaustePrognose hatten, ist der Krankheits-verlauf unter TKI-Therapie nun einchronischer. Die Effektivität der The-rapie hat auch neue Maßstäbe desTherapieansprechens nötig gemacht.Während das Ansprechen in der Prä-TKI-Ära primär nach hämatologi-schen/zytogenetischen Kriterien be-urteilt wurde, ist nun das Monitoringder BCR-ABL1-Transkriptzahl die Säu-le des Krankheitsmanagements.Das unter TKI erzielte Ansprechen er-forderte auch die Etablierung einerstandardisierten und internationalvergleichbaren molekularen Remissi-onsbeurteilung mittels quantitativerPCR, der sog. International Scale [64-68]. Der Referenzwert ist eine empiri-sche, auf der Basis von Proben aus derIRIS-Studie, die zu Krankheitsbeginngewonnen wurden, durchschnittlicheBCR-ABL-Transkriptanzahl und stelltnicht den individuell ermittelten Aus-gangswert dar. Prognostisch relevantist das Erreichen eines log-3-Abfallesvom standardisierten Referenzwert,auch als Major Molecular Response(MMR) bezeichnet. Für die meistenLabore entspricht heute ein Abfallvon 4.5 log-Stufen der Sensitivitäts-grenzedesMessverfahrensunddamitder früher üblichen BezeichnungCMR (komplette molekulare Remissi-on). Aktuell wird eine vierteljährlicheKontrolle der Remissionstiefe bis zumErreichen einer MMR (MR 3.0) emp-fohlen und das weitere Kontrollinter-vall mit 3- bis 6-monatlich wenigerstrikt definiert. Alternativ zum mole-kularen Monitoring wird eine Analy-se des zytogenetischen Ansprechensaus Knochenmarksaspiraten 3, 6 und12 Monate nach Therapiebeginn biszumErreicheneinerkomplettenzyto-genetischen Remission empfohlen.Danach reicht eine jährliche Kontrolleauf Basis einer FISH-Analyse aus peri-pherem Blut aus [69].ELN-Empfehlungen: Die Empfehlun-gen des European Leukemia Net(ELN) von 2006 orientieren das CML-Management an definierten Meilen-

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ONKOLOGIE heute 03/2015

UPDATE: THERAPIE MIT TYROSINKINASEINHIBITOREN46

Dr. med.Stefan Schmidt

Universitätsklinikfür Innere Medizin VInnsbruckÖsterreich

steinen, wobei zu vordefinierten Zeit-punkten mit zunehmender Therapie-dauer immer tiefere Remissionsnive-aus gefordert werden. Die Empfeh-lungen wurden im Laufe der Jahre im-mer stringenter und fokussierten frühauf das molekulare Ansprechen, wäh-rend sich die Richtlinien in Regionen,in denen flächendeckendes BCR-ABL1-Monitoring nicht möglich war,noch länger am zytogenetischen An-sprechen orientierten (NCCN). Die ge-genwärtigen Empfehlungen basierenauf der Kinetik des Therapieanspre-chens. Prognostische Scores wie derder noch aus der Prä-TKI-Ära stam-mende SOKAL- oder der neuere EU-TOS score sind hinsichtlich PFS und OSprädiktiv [70-73], aber kein primäresKriterium der ELN-Kriterien. Für denTherapiebeginn in chronischer Phasesind Imatinib, Dasatinib und Nilotinibzugelassen. Für Patienten mit T315I-Mutation kann zudem Ponatinib ein-gesetzt werden, der einzige TKI, dereine Wirksamkeit bei dieser Mutationaufweist [45,74]. Die ELN-Empfehlun-gen definieren u.a. Kriterien für The-rapieversagen, für das ein Wechselder TKI-Therapie empfohlen wird.In der Zweit- und DrittlinientherapiewirdderEinsatzderneuerenTKIemp-fohlen, wobei nach Versagen vonImatinib zunächst Dasatinib oder Ni-lotinib, nach Versagen von Dasatiniboder Nilotinib entweder der jeweilsandere Zweitgenerations-TKI (Dasati-nib oder Nilotinib) bzw. Bosutiniboder Ponatinib empfohlen werden.Der Einsatz der letztgenannten erfor-dert ein vorangegangenes Therapie-versagen von Dasatinib oder Niloti-nib. Ab der Zweitlinienbehandlungkann jeder verbliebene TKI eingesetztwerden. Aus diesen Empfehlungenergibt sich eine Vielzahl von mögli-chen TKI-Sequenzen, die es unwahr-scheinlich macht, dass in absehbarerZeit das therapeutische Vorgehen fürdiese Patientengruppe durch klini-sche Studien gestützt werden kann.Für Patienten in der Zweitlinienthera-pie wird die Typisierung möglicher

Geschwisterspender und im Falleeines Therapieversagens nach Dasa-atinib oder Nilotinib auch die Einlei-tung einer Fremdspendersuche emp-fohlen.

Therapiefreie Remission (TFR): Dasunter TKI-Therapie erreichte tiefeteilweise jenseits der Sensitivitäts-grenze liegende molekulare Anspre-chen hat die Frage nach einer mögli-chen Heilung der CML durch eine TKI-Behandlung aufgeworfen. Eine Reihevon Studien, in denen die TKI-Thera-pie nach Erreichen tiefer Remissionenbeendet wurde hat gezeigt, dass 40 -50% der Patienten ohne kontinuierli-che Therapie die erreichte Remissionerhalten können, während etwa 50-60% der Patienten relabieren [75-77].Diese Patienten sprechen auf eineneuerliche Behandlung mit einem TKIhervorragend an und erreichen in derRegel dieselbe Remissionstiefe. DieZweitgenerations-TKI spielen hier in-sofern eine besondere Rolle, als dar-unter ein größerer Anteil von Patien-ten – im Vergleich zu einer Behand-lung mit Imatinib – das für eine nach-folgende Absetz-Strategie erforderli-che tiefere Ansprechen erreicht. AuchPatienten in einer Second-line-Thera-pie erreichten in einer Studie ver-gleichbareRateneiner therapiefreienRemission. Ein kleinerer Teil von Pati-enten erzielte trotz eines Relapses imerstem Absetzversuch in einem 2. Ver-such die therapiefreie Remission [78].Die Möglichkeit, eine therapiefreieRemission zu erreichen, die Kosten,insbesondere die der neueren TKI ei-nerseits sowie das bevorstehende En-de des Patentschutzes von Imatinibandererseits, stimulieren die Suchenach weiteren Therapie-Strategien.

Nebenwirkungen: Gemeinsam ist al-lenbei der CML eingesetzten TKI einedem Wirkmechanismus inhärente Hä-matotoxizität, die eine Therapieun-terbrechung oder Dosisreduktion er-forderlich machen kann. Bei Imatinib,Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib und

Ponatinib treten u.a. Flüssigkeits-retentionen, Diarrhöen, Exanthemeund Muskelschmerzen auf [79]. Zuden substanzspezifischen Nebenwir-kungen zählen z.B. Pleuraergüsseoder eine pulmonale Hypertonie fürDasatinib [80], Hyperglykämien, Er-höhung von Amylase, Lipase sowiePankreatitiden für Nilotinib und vor-wiegend gastrointestinale Nebenwir-kungenfürBosutinib [81].Derzeit ste-hen vaskuläre Verschlussereignisse,die vermehrt unter Ponatinib, aberauch unter Nilotinib und seltener Da-satinib und Bosutinib beobachtetwurden, im Fokus des wissenschaftli-chen Interesses [82-86]. Für Nilotinibwurde ein möglicher Mechanismusdurch proatherogene und antiangio-gene Effekte beschrieben [87,88].

Fazit: Mit der TKI-Therapie ist einevergleichsweise gezielte und meistnebenwirkungsärmere Therapiemöglich geworden. Die hämato-onkologische Therapie hat eine wei-tere Säule erhalten, die in einigen In-dikationen eine Chemotherapie er-setzt hat. Die teilweise hohe Selektivi-tät dieser Substanzen spaltet Entitä-ten in Sub-Entitäten und resultiertu.a. in hohen Therapiekosten für klei-ne Kollektive. Bislang ist mit TKI unterkontinuierlicher Therapie zumeistbestenfalls eine Krankheitskontrolleauf dem Niveau einer minimalenResterkrankung zu erzielen.

Korrespondenzadresse:Dr.med. Stefan SchmidtUniversitätsklinik für Innere Medizin V –Schwerpunkt Hämatologie & OnkologieAnichstr. 35, 6020 Innsbruck,Ö[email protected]

Literatur: www.onkologie-heute.info

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