Zirkusmobil drogenfrei

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Rückblick auf sechs Jahre Suchtprävention mit dem Zirkusmobil drogenfrei und Ausblick auf die weitere Arbeit.

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Impressum

HerausgeberCaritasverband für das Kreisdekanat Euskirchen e.V.Wilhelmstraße 52, 53879 Euskirchenwww.caritas-eu.de

Franz Josef FunkenGeschäftsführender Vorstand

Redaktion: Thomas Stihl (verantwortlich),

Layout und Grafik: Carsten DüppengießerDruck: FlyeralarmAuflage: 250 Exemplare

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Liebe Leserin, lieber Leser,

das „ZirkusMobil-drogenfrei“ konnte im Dezember 2005 durch die fi nanzi-elle Unterstützung der Bürgerstiftung der Kreissparkasse Euskirchen als Pro-jekt zur Suchtvorbeugung und Gesund-heitsförderung bei Kindern und Jugend-lichen in Förder- und Hauptschulen im Kreis Euskirchen starten. Im März 2006 haben die Verantwortlichen das Projekt offi ziell vorgestellt.

Ziel des „ZirkusMobil-drogenfrei“ ist es, Schüler/innen und auch Lehrer/innen ein-fache artistische Fähigkeiten und Spaß an der Zirkuskultur zu vermitteln. Zirkus ist Bewegung und lädt zum experimentieren ein, lässt (bisher ungekannte) individu-elle Fähigkeiten und Fertigkeiten zu Tage treten. Die Akteure können eigene Kräfte erproben, auch wenn sie dabei vielleicht an Grenzen stoßen, sie brauchen einander und genießen am Ende den Applaus für ihre Mühen. Sie erfahren sich selbst und entwickeln ein großes Stück Selbstvertrauen.

Gemeinsam haben Caritas (Fachstelle für Suchtvorbeugung) und Kreisverwaltung Euskirchen (Abteilung Gesundheit sowie Abteilung Jugend und Familie) dieses Projekt zur Lebenskompetenzerweiterung für Kinder und Jugendliche konzipiert und setzen es mit den jeweils beteiligten Schulen um. Der hohe fachliche Standard bei der Umsetzung der zirzensischen Projektanteile wird durch den Einsatz profes-sioneller Zirkuspädagog/innen gewährleistet.

Die Materialien des „ZirkusMobil-drogenfrei“ werden, neben der Nutzung im Rah-men des Projektes, vereinzelt und auf Anfrage auch an andere Institutionen der Kinder- und Jugendarbeit verliehen. So profi tieren weitere Kinder und Jugendliche von dem vorhandenen Material.

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„Man muss nicht immer über Sucht reden, um gegen Sucht

etwas zu tun“

Die Wurzeln von Abhängigkeit und süchtigem Verhalten reichen grund-sätzlich bis in das Kindes- und Jugendalter zurück. Dadurch erhält das Thema Suchtprävention eine besonde-re Bedeutung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Süchtiges Verhal-ten ist häufi g eine Ersatzhandlung, die Einsamkeit, Langeweile, mangelnde Ich-Stärke und fehlende Anerkennung kompensieren soll. Bedürfnisse nach aktivem Erleben, Kontakt und Anerkennung bleiben oft unbefriedigt. Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir, dass liebe-volle Zuwendung, klare Orientierung und konstruktive Konfrontation verknüpft mit kreativen Aufgabenstellungen wie auch Unterstützung von Gefühlsäußerun-gen Kinder in ihrer Krisenfestigkeit und Belastbarkeit stärken können. Kinder, die frühzeitig gelernt und erfahren haben, eigene Gefühle wahrzunehmen und auszu-drücken, sich selbst und andere zu akzeptieren, mit Siegen und Niederlagen um-zugehen, selbstbewusst und kreativ ihr Leben zu gestalten, soziale und emotionale Kompetenzen zu erlangen, den eigenen Körper gesund zu erhalten und Bewegung als Bereicherung zu empfi nden, Zuneigung zu erhalten und weiterzugeben, ge-achtet und mit allen Stärken und Schwächen angenommen zu werden, sind mit großer Wahrscheinlichkeit gestärkt dafür, den Konfl ikten des Lebens selbstbe-stimmt zu begegnen und ein genussvolles und glückliches Leben zu führen, ohne ausweichende Verhaltensweisen als scheinbare Glücksbringer und Problemlöser zu benötigen.

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„Unser Alltag ist arm geworden an außer-gewöhnlichen, spannenden und aus der Eintönigkeit herausragenden Ereignissen. Vor allem den Jugendlichen mangelt es an herausfordernden, risikoreichen Situ-ationen, in denen sie sich bewähren kön-nen. Der pädagogische Wert des sanften Abenteuers Zirkus liegt in der Erziehung zur Selbsterziehung. Die Motivation geht vom Kinde aus. Es erzieht sich selbst dazu, standhaft, beständig und tragfähig zu sein, Haltung zu bewahren, um damit anderen Halt zu geben und den Zusam-menhalt in der Gruppe zu unterstützen. Dabei nimmt jeder Mitwirkende ein kal-kulierbares Risiko auf sich. Die Pyramide kann wackeln und in sich zusammenfal-len. Aber irgendwann steht sie - ein Werk der Gemeinschaftsleistung. Das sind Spit-zenerlebnisse, Highlights und Sternstun-den der Bewährung und des Abenteuers.“

Prof. Dr. Jonny Kiphard

„Kinderzirkus als

erlebnispädagogisches Element“

Das Projekt „ZirkusMobil-drogenfrei“ setzt deshalb an den vorhandenen positiven Möglichkeiten und Eigenschaften der Kinder an und versucht diese in besonderem Maße zu fördern und zu verstärken. Im Zirkus kann jeder etwas, vom Seiltänzer bis zur Zirkusdirektorin, von der Jongleurin bis zum Fakir. Die Kinder stehen in

„Ich schreibe diesen Brief damit sie sich an mich erinnern. Sie haben mir gezeigt das man sich nicht schämen muss. Ich werde sie nicht vergessen und ich freue mich uns wieder zu sehen. deine Sarah“

Unterschrieben von Sarah, Alexander und Benjamin

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der Manege und erleben Erfolg, Misserfolg, Applaus und Enttäuschung, Spaß und Frustration. Sie werden so wie sie in das Projekt kommen ernst genommen und stehen im Vordergrund. Die anderen Beteiligten (Lehrer/innen, Pädagog/innen) leiten sie an, unterstützen sie, ermutigen und begeistern sie.

Projektablauf

Zu Beginn des Projektes haben wir die Schulen im Kreis Euskirchen angespro-chen und ihnen das Konzept des Projek-tes erläutert. Durchweg stießen wir auf positive Resonanz. Alle Schulen wür-den gerne häufi ger Zirkuswochen mit durchführen, was aber sowohl aus per-sonellen als auch aus fi nanziellen Grün-den leider nicht realisierbar ist. Durch das Angebot von Lehrerfortbildungen konnten einige Lehrer/innen motiviert werden eigene Zirkusprojekte mit ihren Schüler/innen durchzuführen, bzw. ent-sprechende AG´s zu gründen.

Eine Projektwoche mit dem „ZirkusMobil-drogenfrei“ beginnt mit dem Kennen-lernen der verschiedenen Zirkustechniken (Jonglage, Artistik, Akrobatik, Zauberei und Clownerie). Die Kinder probieren alle Techniken aus und entdecken ihre per-sönlichen Talente und Interessen. Im Weiteren werden die jeweiligen Fertigkeiten dann spielerisch in der Gruppe oder einzeln erlernt und eingeübt. Neben dem Spaß und der Bestätigung müssen die Kinder aber auch Frustrationen, Enttäuschungen und Wut über sich und andere erfahren und bewältigen. Nicht selten werden die Kinder von uns zur Disziplin und zur Konzentration angehalten. Unterschwellige

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Konfl ikte wie ein Mangel an Durchhaltevermögen treten offen zum Vorschein und müssen von den Kindern mit Hilfe der Erwachsenen ge-löst werden.Der krönende Abschluss und die Belohnung für all die Mühen ist die am fünften Tag durchgeführte Zirkusga-la, zu der die gesamte Schu-le und die Eltern eingeladen wurden. Hier können sich die Kinder mit ihren neu er-worbenen Fähigkeiten präsentieren und erfahren durch den vielfältigen Applaus der Zuschauer ein Höchstmaß an Selbstbestätigung und Anerkennung.

Lehrer/innen und Schulsozialarbeiter/innen werden aktiv in das Projekt einbezo-gen. Der besondere Rahmen bietet den Erwachsenen neue Begegnungsmöglich-keiten und Chancen für das berufl iche Handeln mit den Kindern und Jugendlichen. Fortbildungen im Bereich Suchtvorbeugung und Zirkus werden, wie bereits er-wähnt, angeboten und genutzt.

Zielgruppen

Nachdem die bisherige Zielgruppe in erster Linie Schüler/innen der Förderschu-len im Kreis Euskirchen waren, sollen in Zukunft auch in den Hauptschulen des Kreises verstärkt Projektwochen durchgeführt werden. Die Jahrgangsstufe 7 und 8 (13 – 14 Jahre) ist von der Altersstruktur her besonders geeignet, da sich die Jugend-lichen hier in einer kritische Übergangsphase befi nden. Maßnahmen bei jüngeren Kindern stellen bei Bedarf eine sinnvolle Ergänzung dar.

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Kosten

Durch eine großzügige Spende der Bürgerstiftung der Kreissparkasse Euskirchen wurde dieses Projekt ermöglicht. Mit den zur Verfügung gestellten Mittel konnten umfangreiche Materialien zur Durchführung von Zirkuswochen und Aufführun-gen angeschafft werden. Die Investition in entsprechend professionelles Material hat sich bis heut ausgezahlt. Verschleiß wurde nur vereinzelt festgestellt und war mit relativ geringen Mitteln zu beseitigen.

Die Kosten der beteiligten Fachkräfte des Caritasverbandes und der Kreisverwal-tung wurden von den jeweiligen Institutionen übernommen. Der größte Kosten-anteil entfi el auf die Honorare für die professionellen Zirkuspädagog/innen.

Der Kreisbauhof in Schleiden stellte dem Projekt einen alten Bauwagen zum Her-richten als Zirkuswagen zur Verfügung. Ein professioneller Graffi tikünstler ge-stalte das Äußere des Wagens. Innen bauten wurde der Wagen für die Lagerung und den Transport des Zirkusmaterials ausgebaut. So sorgte der Zirkuswagen mit seinem unverwechselbaren Erscheinungsbild immer wieder für Aufsehen, wenn er während der Zirkuswoche auf dem Schulhof der jeweiligen Schule stand. Be-dauerlicherweise stellte sich im Laufe der Projektzeit heraus, dass die gestiegenen Transport- und Unterhaltskosten auf Dauer in keinem angemessen Verhältnis zum Nutzen stehen. Deshalb kommt der Zirkuswagen leider nur noch sporadisch zum Einsatz.

Rückblick

Aus den Gesprächen mit den beteiligten Lehrer/innen und Schulsozialarbeiter/innen sowie den Schulleiter/innen lässt sich belegen, dass das Projekt „ZirkusMo-bil-drogenfrei“ nicht nur gut angekommen ist, sondern auch nachhaltig Früchte trägt. Lern- und Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen hat sich nach den

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Projektwochen verbessert. Solche Ergebnisse verblassen allerdings mit der Zeit. Deshalb war es uns immer auch ein Anliegen, dass die jeweiligen Schulen solche Lebenskompetenzprojekte weiterführen oder Alternativen, z.B. Kletterprojekte, anbieten. Dies gelang, nicht zuletzt durch die Begeisterungsfähigkeit von Lehrern und Lehrerinnen, an einigen Schulen. So existieren bereits an mehreren am Projekt beteiligten Schulen seit einigen Jahren Zirkus-AG´s und vergleichbare Maßnahmen zur Lebenskompetenzsteigerung von Kindern und Jugendlichen. Sicherlich beru-hen nicht alle Aktivitäten in diesem Bereich auf der Projektidee des „ZirkusMobil-drogenfrei“, aber das Projekt konnte und kann dank der zur Verfügung stehenden, fi nanziellen Mittel einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten.

An neun Förderschulen und zwei Hauptschulen konnten in den letzten sieben Jah-ren insgesamt 23 Projektwochen durchgeführt werden. Je nach Förderbedarf nah-men zwischen 12 und 15 Kinder an der jeweiligen Projektwoche teil, wodurch ins-gesamt 329 Kinder unmittelbar und direkt erreicht wurden.

Folgende Schulen waren bisher beteiligt:

Astrid-Lindgren-Schule, Schleiden, 2006 und 2009• Don-Bosco-Schule, Euskirchen, 2006 und 2010• Hans-Verbeek-Schule, Euskirchen, 2005 und 2010• Mathias-Hagen-Schule, Euskirchen, 2006 und 2008• Max-Ernst-Schule, Euskirchen, 2008• LVR-Irena-Sendler-Schule, Euskirchen, 2007• Schule an der Erftaue, Euskirchen, 2008 und 2011• OGS der Schule an der Erftaue, Euskirchen, 2008 und 2009• Schule am Veybach (ehemals Barbaraschule), Mechernich, 2007, 2009 und 2012• Stephanus-Schule, Zülpich, 2006, 2009 und 2010• Hauptschule Blankenheim, 2008• Hauptschule Euskirchen-Kuchenheim, 2008 und 2012•

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Darüber hinaus wurden drei Fortbildungen für Lehrer/innen im Kreis durchge-führt, an denen insgesamt 37 Lehrer/innen teilgenommen haben. Auf Anfra-ge von Kindergärten, Schulen und Vereinen wurden die vorhandenen Zirkus-materialien (Manegeplane, Audioanlage, 2 Laufkugeln, Jonglagematerialien, 1 Drahtseil, Einräder, u.a.) auch für andere Zirkusprojekte oder -maßnahmen bis 2011 kostenlos zur Verfügung gestellt. Seit 2012 wird eine Nutzungsgebühr von 50 Euro erhoben, um (Verbrauchs-)Material zu ersetzen und zu ergänzen.

Alle Beteiligten können heute auf ein sehr erfolgreiches Kooperationsprojekt zu-rückblicken und halten eine Weiterführung des Projektes im Rahmen der Sucht-vorbeugung des Kreises Euskirchen für sinnvoll und notwendig.

Ausblick

Nachdem die ursprünglichen Projektmittel aufgebraucht sind, unterstützt die Kreissparkasse Euskirchen die Weiterführung des Projektes aus dem Erlös des PS-Zweckertrages über das Jahr 2012 hinaus. In den nächsten zwei Jahren sind vier bis fünf Projekte sowie mindestens eine Lehrer/innen-Fortbildung geplant.

Caritasverbandfür das KreisdekanatEuskirchen e.V.