Zivilgesellschaftliche Medienregulierung
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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Zivilgesellschaftliche MedienregulierungChancen und Grenzen journalistischer Qualitätssicherung durch das Social Web
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Ausgangslage
Ist das Konzept einer brancheninternen Medienselbstregulierung im Zeitalter der Internets noch sinnvoll?
Kann die durch das Social Web unterstützte Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in die journalistische Qualitätssicherung die Möglichkeiten der nicht-staatlichen Medienregulierung funktionsadäquat erweitern?
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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011 3
Agenda
Media accountability (MA): Definitionen, Akteure, Instrumente
Überblick: Chancen und Grenzen zivilgesellschaftlicher Medienregulierung – Ergebnisse einer qualitativen Expertenbefragung
Einblick: Medienblogs und Medienjournalismus im Vergleich – Ergebnisse einer quantitativen Inhaltsanalyse
Ausblick: Entwicklungsoptionen in kulturvergleichender Perspektive
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Media accountability: Definitionen
“any non-State means of making media responsible towards the public” (Bertrand 2000: 108)
“voluntary or involuntary processes by which the media answer directly or indirectly to their society for the quality and/or consequences of publication” (McQuail 2005: 207)
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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Media accountability: Akteure
(angelehnt an Karmasin 1998: 138)
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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Media accountability: Akteure
(Fengler et al. 2011)
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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Instrumente der media accountability: eine Typologie
Presse-räte
Ombuds-leute
Medien-journalismus
Journalisten-blogs
Journalisten-ausbildung
Bürger-Blogs
Interessen-gruppen
Forschung
journalismusinternjournalismusextern
hoher Grad an Institutionalisierung
Unter-haltungs-formate
Online-Kommentar
e
Leser-briefe
Medienkritik auf SNS
geringer Grad an Institutionalisierung
Medienkritik auf Twitter
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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Netzwerke der media accountability: einFallbeispiel
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Experteninterviews und Inhaltsanalyse:Methode
Qualitative Experteninterviews:
Acht problemzentrierte Interviews mit Fachleuten aus den Bereichen Journalismus, Medienselbstkontrolle, Medienblogosphäre und Internetforschung
Ziele: präzisere Typisierung web-basierter Accountability-Prozesse; fallbezogene Analyse der zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen
Quantitative Inhaltsanalyse:
Vergleich von Medienjournalismus (als Beispiel für Medienselbstregulierung) und Medienblogs (als Beispiel für Medienregulierung unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft)
Untersuchungsgegenstand: Medienseiten vier überregionaler Qualitätszeitungen (SZ, FAZ, FR, taz) und zehn Medienblogs
Ziele: Exemplarische Vertiefung der Befunde aus den Expertengesprächen; Klärung der Ausgangsfrage: Kann das Social Web die herkömmliche Medienselbstregulierung funktionsadäquat ergänzen?
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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Experteninterviews:Traditionelle Medienselbstregulierung
Zahlreiche unterschiedliche Instrumente der media accountability
Aber: Kritik an den etablierten Einrichtungen, vor allem am Deutschen Presserat
Gründe für die mangelnde Effektivität des Presserats: Fehlen von Öffentlichkeit Schwäche der Sanktionen Mängel in der organisatorischen Struktur Ungenügende Berücksichtigung aktueller
Entwicklungen der Internet-Kommunikation
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„Traditionelle Institutionen wie der Presserat wirken vor dem Hintergrund
des Internets antiquiert, wenn man sich ihre Strukturen und ihre
Arbeitsweise anschaut. Schon der Begriff ‚Presserat‘ stammt aus einer
alten Welt. ‚Medienrat‘ wäre ein besserer Name.“ (Klaus Meier, Universität Eichstätt-Ingolstadt)
„Der Presserat ist nicht die Instanz der Qualitätskontrolle in der deutschen Medienlandschaft, sondern nur eine Stimme von vielen. Ich wäre froh,
wenn es viel mehr Stimmen gäbe.“ (Sigrun Müller-Gerbes, Neue
Westfälische, Bielefeld)
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Experteninterviews:Journalismusinterne MA-Instrumente online
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Akteurstransparenz Produktionstransparenz Responsivität
Autorenzeilen Links zu Originalquellen E-Mail, Kontaktformulare
Autorenprofile Online-Korrekturspalten Online-Kommentare
Mission StatementsJournalisten- und Redaktionsblogs
Online-Ombudsmann
Ethik-Kodizes Twitter-AccountsJournalisten- und Redaktionsblogs
Informationen zur Eigentümerschaft
Facebook-Accounts Twitter-Accounts
Journalisten- und Redaktionsblogs
Kollaborative Schreibplattformen
Facebook-Accounts
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Experteninterviews:Journalismusinterne MA-Instrumente online
Große Bandbreite unterschiedlicher Online-Instrumente innerhalb der Redaktionen
Viele dieser Instrumente sind zum Standard geworden (z.B. Autorenzeilen, web-basierte Kontaktmöglichkeiten, Online-Kommentare, Twitter)
Einige Best-practice-Beispiele: Tagesschau-Blog, einestages, „Bronski“
Teilweise jedoch auch Nachholbedarf (z.B. beim Umgang mit Links und Korrekturen)
Teilweise sogar negative Auswirkungen (z.B. durch den Wandel der Kommentarkultur)
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„Das ich als Journalist heute offenlegen muss: Wer bin ich? Was
tue ich? Wie arbeite ich? – Das ist gar nicht mehr wegzudenken. Diese
Transparenz ist ein publizistischer Standard, den Journalisten einhalten
müssen und den Nutzer auch erwarten dürfen.“ (Christian Jakubetz,
Journalist, Dozent, Blogger)
„Das Internet hat die Diskussionskultur stark beeinflusst. Es
hat allerdings eher zu einer zunehmenden Quantität und einer
abnehmenden Qualität der Diskussionen geführt. Es wird mehr, aber unsachlicher diskutiert.“ (Anton Sahlender, Leseranwalt Main-Post)
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Experteninterviews:Journalismusexterne MA-Instrumente online
Vielfältige Beispiele für web-basierte Accountability-Prozesse, die außerhalb des Journalismus initiiert wurden
Lebhafte Medienblogszene (z.B. Watchblogs, Wissenschaftsblogs, Bürgerblogs)
Aber: Kritik am teilweise verantwortungslosen Kommentarstil
Darüber hinaus: Twitter und Facebook als „intermediäre Katalysatoren“ (C. Neuberger) der unorganisierten Medienkritik
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„Medienkritik im Social Web – das muss man sich als gestufte
Öffentlichkeit vorstellen: Auf Twitter fällt den Leuten etwas auf, dann greift
ein Blog das Thema auf, und dann wird das von der professionellen
Medienkritik beobachtet. So kann ein kleiner Flügelschlag nach oben hin verstärkt werden.“ (Robin Meyer-Lucht, berlin institute, carta.info)
„Die meisten Diskussionen im Social Web drehen sich um Marginalien. Komplexe Themen oder wirkliche
Hämmer kann man mit Twitter nicht vermitteln.“ (Klaus Meier, Universität
Eichstätt-Ingolstadt)
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011 14
Inhaltsanalyse: Anzahl und Umfang der Beiträge
Publikation(styp) Anzahl der Beiträge
Anteil der Beiträge
Durchschnittlicher Umfang (Anschl.)
Gesamtumfang (Anschl.)
Anteil des Gesamtumfangs
SZ 117 14,0% 2167,84 253.637 15,3%
FAZ 124 14,9% 2213,58 274.484 16,6%
FR 71 8,5% 1879,31 133.431 8,0%
taz 124 14,9% 1141,13 141.500 8,5%
Tageszeitungen 436 52,2% 1841,86 803.052 48,4%
Bildblog 38 4,6% 1908,42 72.520 4,4%
Stefan Niggemeier 27 3,2% 1981,70 53.506 3,2%
netzwertig.com 48 5,7% 3471,85 166.649 10,0%
Indiskr.Ehrensache 29 3,5% 2509,66 72.780 4,4%
medienlese.com 39 4,7% 2597,41 101.299 6,1%
Off the record 43 5,1% 1206,12 51.863 3,1%
turi2 83 9,9% 2164,20 179.629 10,8%
Coffee and TV 34 4,1% 1556,65 52.926 3,2%
Tagesschau-Blog 36 4,3% 1751,86 63.067 3,8%
Blogbar 22 2,6% 1862,82 40.982 2,5%
Medienblogs 399 47,8% 2143,41 855.221 51,6%
Gesamt 835 100,0% 1985,96 1.658.273 100,0%
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011 15
Inhaltsanalyse: Medienbezug
31,0
2,5
58,3
8,0
0,2
23,3
0,3
15,0
50,6
10,8
0 10 20 30 40 50 60 70
Hörfunk
Fernsehen
Internet
kein Medienbezug
Tageszeitungen
Medienblogs
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011 16
Inhaltsanalyse: Themenfelder
17,0
27,7
35,8
19,5
8,7
46,1
26,6
14,0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
Normenkontext
Strukturkontext
Funktionskontext
Rollenkontext
Tageszeitungen
Medienblogs
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011 17
Inhaltsanalyse: Akteure
25,9
28,9
26,1
13,5
0,9
0,0
4,6
38,1
7,0
25,6
8,1
16,8
2,5
2,1
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
Journalisten
Filmregisseure,Schauspieler, Musiker
(medien)wirtschaftlicheAkteure
(medien)politische Akteure
Blogger
Rezipienten
sonstige Akteure
Tageszeitungen
Medienblogs
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Inhaltsanalyse: Recherchemuster
11,0
30,3
58,7
12,8
47,6
39,6
0 10 20 30 40 50 60 70
Reproduktion vonFremdmaterial
Addition
aktive Informationssammlung
Tageszeitungen
Medienblogs
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Schlussfolgerungen
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Wenigstens fallweise können Medienblogs und Co. durch die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure einen erheblichen Einfluss auf den professionellen Journalismus erwirken. Ein funktionsadäquater Ersatz für eine brancheninterne Selbstregulierung sind sie jedoch nicht.
Experteninterviews: einhellige Betonung der vielfältigen Chancen, die web-basierte Accountability-Prozesse für die journalistische Qualitätssicherung mit sich bringen
Aber: Beschränkung des Wirkungspotenzials durch „Anekdotenhaftigkeit“ und mangelnde Glaubwürdigkeit
Inhaltsanalyse: Medienblogs können die Leistungen des Medienjournalismus punktuell ergänzen
Aber: starke Selbstreferenzialität, wenig Eigenrecherche, kaum Rezipientenbezüge
Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Media Accountability and Transparency in Europe (MediaAcT)
Kulturvergleichende Analyse durch 13 Projektpartner in Europa und der arabischen Welt
Vergleich von media accountability offline und online
Projektlaufzeit: Februar 2010 – Juli 2013
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Zivilgesellschaftliche MedienregulierungChancen und Grenzen journalistischer Qualitätssicherung durch das Social Web
Kontakt:
Dipl.-Journ. Tobias EberweinErich-Brost-Institut für internationalen JournalismusTU DortmundOtto-Hahn-Straße 2D-44227 Dortmund
Tel: +49 231 755-6987Fax: +49 231 755-6955E-Mail: [email protected]
http://www.journalistik-dortmund.de http://www.brost.org http://www.mediaact.eu
21Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011
Fotos: steffne/photocase.com, Leubner, SimSullen/flickr.com, medium.blogsport.de, froodmat/photocase.com