Zivilgesellschaftliche Medienregulierung

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Tobias Eberwein, Janis Brinkmann & Andreas Sträter | München, 17. Februar 2011 Zivilgesellschaftliche Medienregulierung Chancen und Grenzen journalistischer Qualitätssicherung durch das Social Web

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Zivilgesellschaftliche MedienregulierungChancen und Grenzen journalistischer Qualitätssicherung durch das Social Web

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Ausgangslage

Ist das Konzept einer brancheninternen Medienselbstregulierung im Zeitalter der Internets noch sinnvoll?

Kann die durch das Social Web unterstützte Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in die journalistische Qualitätssicherung die Möglichkeiten der nicht-staatlichen Medienregulierung funktionsadäquat erweitern?

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Agenda

Media accountability (MA): Definitionen, Akteure, Instrumente

Überblick: Chancen und Grenzen zivilgesellschaftlicher Medienregulierung – Ergebnisse einer qualitativen Expertenbefragung

Einblick: Medienblogs und Medienjournalismus im Vergleich – Ergebnisse einer quantitativen Inhaltsanalyse

Ausblick: Entwicklungsoptionen in kulturvergleichender Perspektive

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Media accountability: Definitionen

“any non-State means of making media responsible towards the public” (Bertrand 2000: 108)

“voluntary or involuntary processes by which the media answer directly or indirectly to their society for the quality and/or consequences of publication” (McQuail 2005: 207)

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Media accountability: Akteure

(angelehnt an Karmasin 1998: 138)

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Media accountability: Akteure

(Fengler et al. 2011)

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Instrumente der media accountability: eine Typologie

Presse-räte

Ombuds-leute

Medien-journalismus

Journalisten-blogs

Journalisten-ausbildung

Bürger-Blogs

Interessen-gruppen

Forschung

journalismusinternjournalismusextern

hoher Grad an Institutionalisierung

Unter-haltungs-formate

Online-Kommentar

e

Leser-briefe

Medienkritik auf SNS

geringer Grad an Institutionalisierung

Medienkritik auf Twitter

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Netzwerke der media accountability: einFallbeispiel

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Experteninterviews und Inhaltsanalyse:Methode

Qualitative Experteninterviews:

Acht problemzentrierte Interviews mit Fachleuten aus den Bereichen Journalismus, Medienselbstkontrolle, Medienblogosphäre und Internetforschung

Ziele: präzisere Typisierung web-basierter Accountability-Prozesse; fallbezogene Analyse der zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen

Quantitative Inhaltsanalyse:

Vergleich von Medienjournalismus (als Beispiel für Medienselbstregulierung) und Medienblogs (als Beispiel für Medienregulierung unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft)

Untersuchungsgegenstand: Medienseiten vier überregionaler Qualitätszeitungen (SZ, FAZ, FR, taz) und zehn Medienblogs

Ziele: Exemplarische Vertiefung der Befunde aus den Expertengesprächen; Klärung der Ausgangsfrage: Kann das Social Web die herkömmliche Medienselbstregulierung funktionsadäquat ergänzen?

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Experteninterviews:Traditionelle Medienselbstregulierung

Zahlreiche unterschiedliche Instrumente der media accountability

Aber: Kritik an den etablierten Einrichtungen, vor allem am Deutschen Presserat

Gründe für die mangelnde Effektivität des Presserats: Fehlen von Öffentlichkeit Schwäche der Sanktionen Mängel in der organisatorischen Struktur Ungenügende Berücksichtigung aktueller

Entwicklungen der Internet-Kommunikation

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„Traditionelle Institutionen wie der Presserat wirken vor dem Hintergrund

des Internets antiquiert, wenn man sich ihre Strukturen und ihre

Arbeitsweise anschaut. Schon der Begriff ‚Presserat‘ stammt aus einer

alten Welt. ‚Medienrat‘ wäre ein besserer Name.“ (Klaus Meier, Universität Eichstätt-Ingolstadt)

„Der Presserat ist nicht die Instanz der Qualitätskontrolle in der deutschen Medienlandschaft, sondern nur eine Stimme von vielen. Ich wäre froh,

wenn es viel mehr Stimmen gäbe.“ (Sigrun Müller-Gerbes, Neue

Westfälische, Bielefeld)

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Experteninterviews:Journalismusinterne MA-Instrumente online

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Akteurstransparenz Produktionstransparenz Responsivität

Autorenzeilen Links zu Originalquellen E-Mail, Kontaktformulare

Autorenprofile Online-Korrekturspalten Online-Kommentare

Mission StatementsJournalisten- und Redaktionsblogs

Online-Ombudsmann

Ethik-Kodizes Twitter-AccountsJournalisten- und Redaktionsblogs

Informationen zur Eigentümerschaft

Facebook-Accounts Twitter-Accounts

Journalisten- und Redaktionsblogs

Kollaborative Schreibplattformen

Facebook-Accounts

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Experteninterviews:Journalismusinterne MA-Instrumente online

Große Bandbreite unterschiedlicher Online-Instrumente innerhalb der Redaktionen

Viele dieser Instrumente sind zum Standard geworden (z.B. Autorenzeilen, web-basierte Kontaktmöglichkeiten, Online-Kommentare, Twitter)

Einige Best-practice-Beispiele: Tagesschau-Blog, einestages, „Bronski“

Teilweise jedoch auch Nachholbedarf (z.B. beim Umgang mit Links und Korrekturen)

Teilweise sogar negative Auswirkungen (z.B. durch den Wandel der Kommentarkultur)

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„Das ich als Journalist heute offenlegen muss: Wer bin ich? Was

tue ich? Wie arbeite ich? – Das ist gar nicht mehr wegzudenken. Diese

Transparenz ist ein publizistischer Standard, den Journalisten einhalten

müssen und den Nutzer auch erwarten dürfen.“ (Christian Jakubetz,

Journalist, Dozent, Blogger)

„Das Internet hat die Diskussionskultur stark beeinflusst. Es

hat allerdings eher zu einer zunehmenden Quantität und einer

abnehmenden Qualität der Diskussionen geführt. Es wird mehr, aber unsachlicher diskutiert.“ (Anton Sahlender, Leseranwalt Main-Post)

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Experteninterviews:Journalismusexterne MA-Instrumente online

Vielfältige Beispiele für web-basierte Accountability-Prozesse, die außerhalb des Journalismus initiiert wurden

Lebhafte Medienblogszene (z.B. Watchblogs, Wissenschaftsblogs, Bürgerblogs)

Aber: Kritik am teilweise verantwortungslosen Kommentarstil

Darüber hinaus: Twitter und Facebook als „intermediäre Katalysatoren“ (C. Neuberger) der unorganisierten Medienkritik

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„Medienkritik im Social Web – das muss man sich als gestufte

Öffentlichkeit vorstellen: Auf Twitter fällt den Leuten etwas auf, dann greift

ein Blog das Thema auf, und dann wird das von der professionellen

Medienkritik beobachtet. So kann ein kleiner Flügelschlag nach oben hin verstärkt werden.“ (Robin Meyer-Lucht, berlin institute, carta.info)

„Die meisten Diskussionen im Social Web drehen sich um Marginalien. Komplexe Themen oder wirkliche

Hämmer kann man mit Twitter nicht vermitteln.“ (Klaus Meier, Universität

Eichstätt-Ingolstadt)

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Inhaltsanalyse: Anzahl und Umfang der Beiträge

Publikation(styp) Anzahl der Beiträge

Anteil der Beiträge

Durchschnittlicher Umfang (Anschl.)

Gesamtumfang (Anschl.)

Anteil des Gesamtumfangs

SZ 117 14,0% 2167,84 253.637 15,3%

FAZ 124 14,9% 2213,58 274.484 16,6%

FR 71 8,5% 1879,31 133.431 8,0%

taz 124 14,9% 1141,13 141.500 8,5%

Tageszeitungen 436 52,2% 1841,86 803.052 48,4%

Bildblog 38 4,6% 1908,42 72.520 4,4%

Stefan Niggemeier 27 3,2% 1981,70 53.506 3,2%

netzwertig.com 48 5,7% 3471,85 166.649 10,0%

Indiskr.Ehrensache 29 3,5% 2509,66 72.780 4,4%

medienlese.com 39 4,7% 2597,41 101.299 6,1%

Off the record 43 5,1% 1206,12 51.863 3,1%

turi2 83 9,9% 2164,20 179.629 10,8%

Coffee and TV 34 4,1% 1556,65 52.926 3,2%

Tagesschau-Blog 36 4,3% 1751,86 63.067 3,8%

Blogbar 22 2,6% 1862,82 40.982 2,5%

Medienblogs 399 47,8% 2143,41 855.221 51,6%

Gesamt 835 100,0% 1985,96 1.658.273 100,0%

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Inhaltsanalyse: Medienbezug

31,0

2,5

58,3

8,0

0,2

23,3

0,3

15,0

50,6

10,8

0 10 20 30 40 50 60 70

Print

Hörfunk

Fernsehen

Internet

kein Medienbezug

Tageszeitungen

Medienblogs

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Inhaltsanalyse: Themenfelder

17,0

27,7

35,8

19,5

8,7

46,1

26,6

14,0

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Normenkontext

Strukturkontext

Funktionskontext

Rollenkontext

Tageszeitungen

Medienblogs

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Inhaltsanalyse: Akteure

25,9

28,9

26,1

13,5

0,9

0,0

4,6

38,1

7,0

25,6

8,1

16,8

2,5

2,1

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Journalisten

Filmregisseure,Schauspieler, Musiker

(medien)wirtschaftlicheAkteure

(medien)politische Akteure

Blogger

Rezipienten

sonstige Akteure

Tageszeitungen

Medienblogs

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Inhaltsanalyse: Recherchemuster

11,0

30,3

58,7

12,8

47,6

39,6

0 10 20 30 40 50 60 70

Reproduktion vonFremdmaterial

Addition

aktive Informationssammlung

Tageszeitungen

Medienblogs

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Schlussfolgerungen

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Wenigstens fallweise können Medienblogs und Co. durch die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure einen erheblichen Einfluss auf den professionellen Journalismus erwirken. Ein funktionsadäquater Ersatz für eine brancheninterne Selbstregulierung sind sie jedoch nicht.

Experteninterviews: einhellige Betonung der vielfältigen Chancen, die web-basierte Accountability-Prozesse für die journalistische Qualitätssicherung mit sich bringen

Aber: Beschränkung des Wirkungspotenzials durch „Anekdotenhaftigkeit“ und mangelnde Glaubwürdigkeit

Inhaltsanalyse: Medienblogs können die Leistungen des Medienjournalismus punktuell ergänzen

Aber: starke Selbstreferenzialität, wenig Eigenrecherche, kaum Rezipientenbezüge

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Media Accountability and Transparency in Europe (MediaAcT)

Kulturvergleichende Analyse durch 13 Projektpartner in Europa und der arabischen Welt

Vergleich von media accountability offline und online

Projektlaufzeit: Februar 2010 – Juli 2013

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Zivilgesellschaftliche MedienregulierungChancen und Grenzen journalistischer Qualitätssicherung durch das Social Web

Kontakt:

Dipl.-Journ. Tobias EberweinErich-Brost-Institut für internationalen JournalismusTU DortmundOtto-Hahn-Straße 2D-44227 Dortmund

Tel: +49 231 755-6987Fax: +49 231 755-6955E-Mail: [email protected]

http://www.journalistik-dortmund.de http://www.brost.org http://www.mediaact.eu

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Fotos: steffne/photocase.com, Leubner, SimSullen/flickr.com, medium.blogsport.de, froodmat/photocase.com