ZL 06 28 Mohn

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Singen Auf Stahlgerüsten, im Scheinwerferlicht, In antiken Arenen. In prunkvollen Häusern. In dürftigen Zimmern, unter der Dusche, im Schlamm, auf langen Märschen, am Tresen. An Kinderbetten, an Gräbern. In der Not, in der Freude. Weil wir allein sind und weil wir zusammen sind. Damit wir uns deutlicher hören, damit wir vollständig vorkommen. Von den Tieren können es meisterlich jene, die auch fliegen. Und an manchen Tagen kann es die flüchtigste aller Gewalten. Der Wind. Rainer Malkowski (1939 —2003)

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Singen

Auf Stahlgerüsten, im Scheinwerferlicht,

In antiken Arenen.

In prunkvollen Häusern.

In dürftigen Zimmern, unter der Dusche,

im Schlamm, auf langen Märschen, am Tresen.

An Kinderbetten, an Gräbern.

In der Not, in der Freude.

Weil wir allein sind und weil wir zusammen sind.

Damit wir uns deutlicher hören,

damit wir vollständig vorkommen.

Von den Tieren können es meisterlich jene, die auch fliegen.

Und an manchen Tagen

kann es die flüchtigste aller Gewalten. Der Wind.

Rainer Malkowski (1939 —2003)

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Frühlingsglaube

von Ludwig Uhland

Die linden Lüfte sind erwacht,sie säuseln und weben Tag und Nacht,

sie schaffen an allen Enden.O frischer Duft, o neuer Klang!

Nun, armes Herze, sei nicht bang!Nun muss sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,man weiß nicht, was noch werden mag,

das Blühen will nicht enden.Es blüht das fernste, tiefste Tal:

nun, armes Herz, vergiss der Qual!Nun muss sich alles, alles wenden.

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Text:

Göttliche Fürsorge

Ina Praetorius

Ausgesucht und Foto: Barbara Hummler-Antoni

(Leitung Trauerbegleitung für

Kinder, Jugendliche und Erwachsene)

Wie würde sich Ostern anfühlen, wenn wir die Karwoche als Care – Woche begingen?

Die Vorsilbe Kar- und das englische Care hängen wortgeschichtlich zusammen.

Beides kann Sorge im Sinn von Trauer heißen. Oder Sorge im Sinn von Fürsorge.

Man hat uns daran gewöhnt, die Karwoche als Woche der Trauer um den Kreuzestod des Heilands zu verstehen. Würden wir sie als Care - Woche begehen, wir könnten mehr darauf achten, wie Jesus gelebt hat: sorgsam, achtsam, liebevoll.

Ich bin sicher: Es gibt schon viele Leute, die davon erzählen können, wie das Fest der Auferstehung sich nach einer Care-Woche anfühlt. Und in einem Care-Leben?

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Zwischen Schneevergehn und GrünSturm würzt den TagMit Boreasschwingen gleite ich über Landdurchbreche Schattenlinienhefte mich an weißgesäumte WolkenmeereAngriffe der Stunde fliegen mir von der Stirn

Gedicht: Ostern / Signe Sellke Bild von Manie Van der Hoven auf Pixabay Ausgesucht: Annegret Wochele (ehrenamtliche Mitarbeiterin im ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst)

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Als ich klein war, sollte die Tür zu meinem Kinderzimmer am Abend

immer einen Spalt offenstehen bleiben.

Zu groß war meine Sorge,von der Dunkelheit des Zimmers

verschluckt zu werden.

Die leisen Stimmen meiner Eltern, das sonore Summen

der Geschirrspülmaschine und der fahle Lichtschein,

der durch den Türspalt ins Zimmer fiel, beruhigten mich

und ließen mich schließlich einschlafen.

Und manchmal denke ich, heute:

Wer weiß?

Vielleicht hört das ja nie auf, dass da einer auf Zehenspitzen

noch einmal in dein Schlafzimmer schleicht,mit gespitzten Ohren nach deinem Atem horcht

und dann ganz sachte die Tür anlehnt,sodass eine Ahnung von Licht

in deine Dunkelheit fällt und du dich nicht fürchten musst.

Hanna Buiting

gefunden von Juliane Löffler

Bild von fujikama auf Pixabay

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Ich suche

eine Insel

wo man atmen kann

und träumen,

daß die Menschen gut sind

Gedicht: „Ich suche“ von Rose Ausländer Ausgesucht: Barbara Hummler-Antoni (Leitung Trauerbegleitung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene)

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Du hast das Recht, unfertig zu sein, nicht weiter zu wissen, durcheinander, verunsichert und ohne Orientierung zu sein.

Du hast auch das Recht, es zuzugeben,und musst es nicht verstecken, als wärst du schon vollkommen und es gäbe nichts Neues mehr für dich.

Du hast das Recht zu sagen: “Ich habe keine Ahnung“.“Ich weiß nicht weiter“. “Ich habe den Durchblick verloren“. “Ich bin am Lernen“.

Wenn du offen bist für die Welt mit ihren unlösbaren Problemen, mit ihrer Komplexität, mit ihrer sich überstürzenden Entwicklung, dann wirst du immer wieder unfertig sein. Es ist ein Zeichen deiner Offenheit.

Und wenn dir dafür jemand ein schlechtes Gewissen machen will, dann erinnere dich an dein Recht, ein Unfertiger sein zu dürfen.

Ulrich SchafferGefunden von Monika Merkel,

ehrenamtliche Mitarbeiterin

Foto: Juliane Löffler

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Es mussTage geben

da nichts geschiehtda die Aufgaben wegfallen

und keiner Buch führt darüberwas du getan

oder nicht getan

Es mussTage geben

da die Gedanken Flügel tragenda das Festgelegte nicht giltund keiner sich darum schert

was du gut heißtoder verwirfst

Es mussTage geben

da nur du wichtig bistda die Beziehungen ruhen

und keiner fragtwohin du gehstoder nicht gehst

„Tage“ von Lars Björklund

Gefunden und Foto: Barbara Hummler-Antoni

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Vergiss es nie - Originaltitel: I Got You

Vergiss es nie: Dass du lebst war keine eigene Idee,und dass du atmest, kein Entschluss von dir.

Vergiss es nie: Dass du lebst, war eines anderen Idee,und dass du atmest, sein Geschenk an dich.

Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur,ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.

Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.Du bist du… Das ist der Clou …Ja, du bist du.

Vergiss es nie: Niemand denkt und fühlt und handelt so wie duund niemand lächelt so, wie du’s gerade tust.

Vergiss es nie: Niemand sieht den Himmel ganz genau wie du,und niemand hat je, was du weißt, gewusst.

Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur,ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.

Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.Du bist du… Das ist der Clou …Ja, du bist du.

Vergiss es nie: Dein Gesicht hat niemand sonst auf dieser Welt,und solche Augen hast alleine du.

Vergiss es nie: Du bist reich, egal ob mit, ob ohne Geld,denn du kannst leben! Niemand lebt wie du.

Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur,ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.

Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.Du bist du… Das ist der Clou …Ja, du bist du.

Text und Melodie von Paul Janz - Deutsch: Jürgen Werth

Bild von Free-Photos auf Pixabay

Klangbeispiel: https://www.youtube.com/watch?v=Mk3tjKj-wN0

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Gedicht: „Mondnacht“ des Dichters Joseph von Eichendorff,Bild von JUAN FERNANDO YECKLE auf Pixabay von kien virak auf Pixabay

Es war, als hätt’ der HimmelDie Erde still geküßt,

Daß sie im BlütenschimmerVon ihm nun träumen müßt'.

Die Luft ging durch die Felder,Die Ähren wogten sacht,

Es rauschten leis’ die Wälder,So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannteWeit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,Als flöge sie nach Haus.

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Aus der Pfingstnovene 2020 „Trotzdem blühen“Gefunden: Barbara Hummler-Antoni

Geduld in Gottes behutsames Arbeiten haben

Gebet

Nein, ich kann nichtdas Gras schneller wachsen lassen,noch die Knospe zum Blühen bringen

ich kann nichtdie Krise beendenund einfach zur Tagesordnung übergehen

ich kann nichtden RESET – Schalter drücken:zurück zur Normalität

ich kann in meiner Ungeduldkeinen Schritt überspringen

o Gott,lehre mich Geduld zu habenGeduld mit deinem Tempoin dem du wirkst in unserer Welt

lass mich geduldig harrenund vertrauen auf dein Wort:ich lasse euch nicht alleinich werde euch meinen Beistand senden

Amen

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Text von Gisela Matthae

Gefunden: Barbara Hummler-Antoni

Reisevorbereitungen

Schnell noch die Wäsche gewaschen,

die Pflanzen unter das Vordach gebracht,

den Mülleimer geleert,

der Nachbarin den Schlüssel gebracht,

die Tageszeitung umbestellt,

die Schuhe vom Schuster geholt,

ein farblich passendes T-Shirt gekauft,

getankt, die Checkliste durchgegangen,

das Vergessene in den Koffer gequetscht,

doch noch das eine Buch rein gestopft,

die Schwester kurz angerufen........

Bevor ich irgendwo ankomme, muss ich erst einmal loskommen.

Bevor ich loskomme, muss ich erst einmal runterkommen.

Bevor ich runterkomme, mache ich mir jetzt einen Kaffee,

setze mich auf das Balkönchen und stelle mir den See vor, an dem ich morgen sitzen werde.

Ich atme tief ein.

Dann trage ich das Gepäck runter.

Und fahre los.

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Gedicht: Werner Lutz Bild: Larisa Koshkina / Pixabay

Gefunden: Annegret Wochele ehrenamtliche Mitarbeiterin

Hinter der Hecke aus Nacht

müssen Rosenstöcke sein

die jeden Schläfer betäuben

mit tausendjährigem Duft

am Ende aller Wege

muss es weitere Wege geben

und Uhren ohne Uhrwerk

die sich durchs Zeitlose ticken

in aufreizender Sinnlosigkeit

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Gedicht: Frederick von Leo Leonni Bild: chun li / Pixabay Gefunden: Barbara Hummler-Antoni

Rund um die Wiese herum, wo Kühe und Pferde grasten, stand eine alte, alte Steinmauer. In dieser Mauer, nahe bei Scheune und Kornspeicher, wohnt eine Familie schwatzhafter Feldmäuse. Aber die Bauern waren weggezogen, Scheune und Kornspeicher standen leer. Und weil es bald Winter wurde, begannen die kleinen Feldmäuse Körner, Nüsse, Weizen und Stroh zu sammeln. Alle Mäuse arbeiteten Tag und Nacht. Alle, bis auf die Maus Frederick.

„Frederick, warum arbeitest du nicht?“ fragten sie. „Ich arbeite doch“, sagte Frederick, „ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage.“

Und als sie Frederick so dasitzen sahen, wie er auf die Wiese starrte, sagten sie: „Und nun, Frederick, wir sind alle am Arbeiten, was machst du jetzt?“ „Ich, ich sammle Farben“, sagte er nur, „denn der Winter ist lang und grau.“

Und einmal sah es so aus, als sei Frederick halb eingeschlafen, während die anderen hart schufteten. „Träumst du, Frederick?“ fragten die Mäuse vorwurfsvoll. „Aber nein“, sagte er, „ich sammle Wörter. Es gibt lange, dunkle Wintertage und dann wissen wir nicht mehr, worüber wir sprechen sollen.“

Als nun der Winter kam und der erste Schnee fiel, zogen sich die fünf kleinen Feldmäuse in ihr Versteck zwischen den Steinen zurück.

In der ersten Zeit gab es noch viel zu essen, und die Mäuse erzählten sich Geschichten, über singende Füchse und tanzende Katzen. Da war die Mäusefamilie glücklich! Aber nach und nach waren fast alle Nüsse und Beeren aufgeknabbert, das Stroh war alle und an die Körner konnten sie sich kaum noch erinnern. Es war auf einmal sehr kalt zwischen den Steinen der alten Mauer und keiner wollte mehr sprechen.

Da fiel ihnen plötzlich ein, wie Frederick von Sonnenstrahlen, Farben und Wörtern gesprochen hatte.

„Frederick!“ riefen sie, „was machen deine Vorräte?“ „Macht die Augen zu“, sagte Frederick und kletterte auf einen großen Stein.

„Jetzt schicke ich euch Sonnenstrahlen. Fühlt ihr schon, wie warm sie sind? Warm, schön und golden?“ Und während Frederick so von der Sonne erzählte, wurde den vier kleinen Mäusen schon viel wärmer. Ob das Fredericks Stimme gemacht hatte? Oder war es ein Zauber?

„Und was ist mit den Farben, Frederick?“ fragten sie aufgeregt. „Macht wieder eure Augen zu“, sagte Frederick. Und als er von blauen Kornblumen und roten Mohnblumen im gelben Kornfeld und von grünen Blättern am Beerenbusch erzählte, da sah sie die Farben so klar und deutlich vor sich, als wären sie aufgemalt in ihren kleinen Mäuseköpfen.

„Und die Wörter, Frederick?“ Frederick räusperte sich, wartete einen Augenblick und dann sprach er wie von einer Bühne herab: „Wer streut die Schneeflocken, wer schmilzt das Eis? Wer macht lautes Wetter, wer macht es leis? Wer bringt den Glücksklee im Juni heran? Wer verdunkelt den Tag, wer zündet die Mondlampe an? Vier kleine Feldmäuse, wie du und ich, wohnen im Himmel und denken an dich. Die erste ist die Frühlingsmaus, die lässt den Regen lachen. Als Maler hat die Sommermaus die Blumen bunt zu machen. Die Herbstmaus schickt mit Nuss und Weizen schöne Grüße. Pantoffeln braucht die Wintermaus, für ihre kalten Füße.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind vier Jahreszeiten. Keine weniger und keine mehr. Vier verschiedene Fröhlichkeiten.

“Als Frederick aufgehört hatte klatschten alle fröhlich, lachten und riefen: „Frederick, du bist ja ein Dichter!“

Frederick wurde rot, verbeugte sich und sagte bescheiden: „Ich weiß es, ihr lieben Mäusegesichter.“

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Pfingstsequenz von Stephen Langton (um 1150 bis 1228)

Bild: Anja / Pixabay

Ausgesucht: Pfarrer Laub - stellvertretender Stadtdekan

ein Klangbeispiel: https://www.youtube.com/watch?v=g2YPncO78GE

Komm herab, o Heil‘ger Geist,der die finstre Nacht zerreißt,strahle Licht in diese Welt.

Komm, der alle Armen liebt,komm, der gute Gaben gibt,komm, der jedes Herz erhellt.

Höchster Tröster in der Zeit,Gast, der Herz und Sinn erfreut,köstlich Labsal in der Not,in der Unrast schenkst du Ruh,hauchst in Hitze Kühlung zu,spendest Trost in Leid und Tod.

Komm, o du glückselig Licht,ülle Herz und Angesicht,dring bis auf der Seele Grund.

Ohne dein lebendig Wehnkann im Menschen nichts bestehn,kann nichts heil sein noch gesund.

Was befleckt ist, wasche rein,Dürrem gieße Leben ein,heile du, wo Krankheit quält.

Wärme du, was kalt und hart,löse, was in sich erstarrt,lenke, was den Weg verfehlt.

Gib dem Volk, das dir vertraut,das auf deine Hilfe baut,deine Gaben zum Geleit.

Lass es in der Zeit bestehn,deines Heils Vollendung sehnund der Freuden Ewigkeit.

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Text: „Behalte die Gabel“ von Kristina ReftelAusgesucht: Juliane Löffler

Als der Arzt ihr mitteilte, dass sie höchstens noch drei Monate zu leben hätte beschloss sie, sofort alle Details ihrer Beerdigung festzulegen. Zusammen mit dem Pfarrer besprach sie. welche Lieder gesungen werden sollten, welche Texte verlesen werden sollten und welche Kleider sie anhaben wollte.

‚Und da gibt es noch eine sehr wichtige Sache! Ich will mit einer Gabel in der Hand begraben werden’. sagte sie schließlich. Der Pfarrer konnte seine Verwunderung nicht verbergen. Eine Gabel? – Darf ich fragen, warum?’, wollte er vorsichtig wissen.

‚Das kann ich erklären’, antwortete die Frau mit einem Lächeln: ‚Ich war in meinem Leben zu vielen verschiedenen Abendessen eingeladen. Und ich habe immer die Gänge am liebsten gemocht, wo diejenigen, die abgedeckt haben, gesagt haben:

Die Gabel kannst du behalten.

Da wusste ich, dass noch etwas Besseres kommen würde. Nicht nur Eis oder Pudding, sondern etwas Richtiges, ein Auflauf oder etwas Ähnliches.

Ich will, dass die Leute auf mich schauen, wenn ich da in meinem Sarg liege mit einer Gabel in der Hand. Da werden sie sich fragen:

Was hat es denn mit der Gabel auf sich?

Und dann können Sie ihnen erklären, was ich gesagt habe.

Und dann grüßen Sie sie und sagen ihnen. dass sie auch die Gabel behalten sollen.

Es kommt noch etwas Besseres.

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Text: Sandor MaraiGefunden und Foto: Sabine Novak

Der Garten

Nun ist der Garten komplett.

Dies ist sein Auftritt, die große Premiere, die Galavorstellung.Alles und jedes an seinem Platz.

Die Farne stehen in aufgeregter Feierlichkeit Spalier für die feenhafte Rose, die ängstliche Nelke und die vor Aufregung leichenblasse Lilie.

Der Garten hat sich gefüllt mit dem einzigen Inhalt und Zweck, welcher der so geheimnisvolle und so alltägliche Sinn seines Daseins ist.

Er hat sich mit etwas gefüllt, an dem zugleich Gärtner und Florfliege, der Wind und der Regen, Gott und die Bienen gearbeitet haben.

Ein geheimnisvolles Zusammenwirken! Tag und Nacht haben sie gesponnen und geflochten, aufgebaut und zerstört, gemalt und gerichtet, gestaltet und gezähmt im Garten, Monate hindurch.

Nun steht er da, in voller Reife und hat keinerlei Ziel, will nicht einmal nützlich sein.

Nur sein – eine große Schule ist das !

Verstehst du sie?

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Text: WIEDER ZU LEUCHTEN von Thilo KrauseBild: JensG auf Pixabay

Gefunden: Annegret Wochele - ehrenamtliche Mitarbeiterin

Mohn siedelte auf der Terrassekroch aus den Ritzen,

blühte bis der Regen ihn rupfte.

Wir trugen die Blättchenan nackten Füßen ins Haus

fanden sie im Bett,vor Schränken, Regalen

als wuchsen und welkten die Dinge selbst.

Kapsel um Kapsel zerborsten.

Trotzige Körnchen Schwarz.

Wir bliesen sie zurück in die Ritzenund ließen sie da unten:

dunkle Sonnen mit der Kraftaus dem Vergessen wieder zu leuchten.