Zu den Herausgebern: Univ.-Prof. Dr. Hans Bertram, geb ... · Einleitung – Eltern und Kinder...

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Hans Bertram | C. Katharina Spieß [Hrsg.] Nomos Fragt die Eltern! Ravensburger Elternsurvey Elterliches Wohlbefinden in Deutschland

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Hans Bertram | C. Katharina Spieß [Hrsg.]

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Fragt die Eltern!

Ravensburger Elternsurvey Elterliches Wohlbefinden in Deutschland

ISBN 978-3-8329-6871-7

Neben dem kindlichen Wohlbefinden ist das elterliche Wohlbefinden eine zentrale Dimension des Gelingens von Familie. In diesem Buch wird das elterliche Wohlbefinden in seinen unter-schiedlichen Dimensionen dargestellt und empirisch abgebildet – dazu bietet der Ravensburger Elternsurvey, der über 2000 Eltern deutschlandweit befragt hat, die Grundlage.

Zu den Herausgebern:Univ.-Prof. Dr. Hans Bertram, geb. 1946, Studium der Soziologie, Psychologie und Jura in Münster und Mannheim. 1981-1984 Professur für Soziologie an der Universität der Bundeswehr in München. 1984-1993 Wiss. Direktor des Deutschen Jugendinstituts in München. Seit 1992 Professur für Mikro-soziologie an der HU Berlin. Univ.-Prof. Dr. C. Katharina Spieß, geb. 1966, studierte VWL und Politische Wissenschaften an der Universität Mannheim. 2005 Habilitation an der TU Berlin. Seit 2006 Professorin für Bildungs- und Familienökonomie an der FU Berlin sowie Forschungsdirektorin Bildung am DIW Berlin und Mitglied der Forschergruppe des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).

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2.Auflage

Ravensburger Elternsurvey Elterliches Wohlbefinden in Deutschland

Fragt die Eltern!

Nomos

Prof. Dr. Hans Bertram | Prof. Dr. C. Katharina Spieß [Hrsg.]

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1. Auflage 2011© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2011. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Über-setzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8329-6871-7

Bildnachweis Titel: istockphoto.com

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Inhaltsverzeichnis

Der Ravensburger Elternsurvey – ein Vorwort 5

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 9

Einleitung – Eltern und Kinder 15

Elterliches Wohlbefinden – Eltern, Familie und Kinder1. 27Hans Bertram

Wohlbefinden und Netzwerke – Die multilokaleMehrgenerationenfamilie

2.39

Hans Bertram

Eltern und Zeit für Kinder3. 45Hans Bertram

Subjektives Wohlbefinden4. 61Hans Bertram

Gesundheitliches Wohlbefinden, Persönlichkeit und subjektivesWohlbefinden

5.79

Hans Bertram

Bildung und Wohlbefinden – Bildungsaspirationen bei den Mütternund Vätern

6.89

Sophie Olbrich/Kristina Siewert

Wohlbefinden und Schichtung, Erziehungseinstellungen undArbeitseinstellungen beim Ravensburger Elternsurvey

7.101

Sophie Olbrich

Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Vatersicht – Auswirkungenauf das Wohlbefinden

8.117

Anke Boeckenhoff/Ulrike Ehrlich/Stefanie Vorberger/JaninaWalkemeyer/Susanne Wollin

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Familienpolitisches Wohlbefinden9. 151Eva Muschalik/Frauke H. Peter/C. Katharina Spieß

Materielles Wohlbefinden10. 177Eva Muschalik/Frauke H. Peter/C. Katharina Spieß

Wohlbefinden im Bereich "Erwerbstätigkeit"11. 189Eva Muschalik/Frauke H. Peter/C. Katharina Spieß

Familie, elterliches Wohlbefinden und familienpolitische Präferenzen12. 207Hans Bertram/Nora Freitag/Kristina Siewert

Literaturverzeichnis 241

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Einleitung – Eltern und Kinder

Kinder brauchen für eine gute Entwicklung mindestens einen Menschen, der "ver-rückt nach ihnen“ ist. Die Amerikanische Akademie der Wissenschaften folgt indieser Auffassung Urie Bronfenbrenner (Shonkoff/Phillips 2000) und formuliertdamit eher umgangssprachlich die Einsichten vieler wissenschaftlicher Diszipli-nen, die sich mit der Entwicklung von Kindern in ganz unterschiedlichen Kontextenund zu ganz unterschiedlichen Zeiten auseinandergesetzt haben. Die einen spre-chen von Urvertrauen, das Kinder entwickeln müssen, um selbstsicher den Her-ausforderungen ihrer Entwicklung begegnen zu können. Andere verweisen darauf,dass Kinder in ihrem Entwicklungsprozess mindestens eine Person benötigen, dieunabhängig vom kindlichen Verhalten ihnen auch bei Fehlern und Irrtümern Zu-neigung und Liebe entgegen bringt, damit sie die Erfahrung machen, als Persongeachtet zu werden. Nur so können Kinder die Selbstachtung entwickeln, die nachRawls (1974) eine Voraussetzung für die Achtung anderer Menschen ist. DieseEinsicht ist keinesfalls neu, sie findet sich schon in den Kinderbüchern des 19.Jahrhunderts (Charles Dickens) und formuliert die Erkenntnis, dass Kinder unab-hängig von anderen Menschen und Institutionen immer und überall die Möglichkeithaben müssen, zu den Menschen, denen sie in dieser elementaren Weise vertrauen,ungehinderten Zugang zu haben.

Sowohl in unserer modernen hoch differenzierten Gesellschaft wie auch in vie-len anderen Gesellschaften sind die Mutter und der Vater als zumeist auch leiblicheEltern in den meisten Fällen diese Vertrauenspersonen für ihre Kinder, die ihnendurch ihr Vertrauen und ihre Unterstützung die Möglichkeit geben, sich in unter-schiedlichen Lebensbereichen zu entwickeln und zu bewähren. Die Kinderrechts-konvention der Vereinten Nationen formuliert diesen Zusammenhang so: „DieVertragsstaaten bemühen sich nach besten Kräften, die Anerkennung des Grund-satzes sicherzustellen, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung undEntwicklung des Kindes verantwortlich sind. Für die Erziehung und Entwicklungdes Kindes sind in erster Linie die Eltern oder gegebenenfalls der Vormund ver-antwortlich. Dabei ist das Wohl des Kindes ihr Grundanliegen.“ (Bundesministe-rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2007: 16)

In der Industriegesellschaft glaubte man diese Rechte vor allem durch die in-nerfamiliäre Arbeitsteilung zwischen dem Vater und der Mutter verwirklichen zukönnen. Diese Arbeitsteilung sah vor, dass die ökonomische Existenz der Familiedurch die außerhäusliche Berufstätigkeit des Vaters gesichert wird und die Mutterdamit die Möglichkeit hat, sich ganz den Kindern und dem Haushalt zu widmen.Arlie Hochschild (1998) nennt dieses Familienmodell "traditionell-warm". Beidieser Konzeption geht die Gesellschaft theoretisch davon aus, dass die Fürsorge

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und der Umgang mit den Kindern und ihre Förderung unabhängig von äußerenZwängen und Erwartungen an die Mutter primär in der Beziehung zwischen Mutterund Kind entwickelt wird. Nancy Folbre (2001) zeigt auch, dass dieses Modell nurin wohlhabenden Gesellschaften und Familien realisiert werden konnte, in denendie Väter tatsächlich die entsprechenden Ressourcen zur Existenzsicherung derFamilie erarbeiten konnten. Für Deutschland (Bertram 1992) ist ähnlich wie für dieUSA (Hernandez/Myers 1993) festzustellen, dass dieses Modell zu keinem Zeit-punkt der Geschichte für mehr als die Hälfte der unter 15-jährigen Kinder zutraf.

Obwohl dieses Modell seinen Reiz hatte, weil die Entwicklung und Förderungvon Kindern als Aufgabe der Mütter nicht nur attraktiver als acht oder neun StundenFabrikarbeit war, sondern auch aus einer gesellschaftspolitischen Perspektive be-deutungsvoll, wurde es schon früh kritisiert (König 1946). Denn in diesem Modellwaren die Mütter gleichzeitig von der Teilhabe an vielen anderen gesellschaftlichenBereichen ausgeschlossen, oder mit den Worten von René König "desintegriert".Zudem wurden durch die völlige ökonomische Abhängigkeit der Mütter und Kin-der von den Vätern patriarchalische Strukturen mit asymmetrischen Beziehungenzwischen Vater und Mutter verfestigt. In einem langwierigen und lang dauerndenProzess hat die Politik wie auch das Verfassungsgericht (Gerlach 2010) versucht,diese patriarchalen Strukturen aufzubrechen und die ökonomische Abhängigkeitder Mütter durch ein Modell partnerschaftlicher Beziehungen in der Familie zuersetzen, das beiden Eltern auch unabhängig voneinander eine eigenständige öko-nomische Existenz ermöglicht.

Diese Entwicklung ist aber auch Ergebnis des Wandels der ökonomischenStruktur der Gesellschaft, weil die modernen Dienstleistungsgesellschaften andersals Industriegesellschaften im internationalen Wettbewerb nicht darauf verzichtenkönnen, das Talent, das Engagement und die Bereitschaft von Müttern und Frauen,die ökonomische Entwicklung der Gesellschaft mit zu gestalten, zu nutzen. Aller-dings hat man sich in Deutschland im Unterschied zu vielen anderen Gesellschaftenbei der Entwicklung in diesem Bereich wesentlich darauf konzentriert, das Bezie-hungsverhältnis zwischen Vater und Mutter neu zu strukturieren. Dabei hat manweitgehend darauf verzichtet, aus dem veränderten Verhältnis des gleichberech-tigten Paares, das nun gemeinsam zur ökonomischen Existenzsicherung der Fami-lie beiträgt, Konsequenzen zu ziehen. Das wird am deutlichsten bei der Entwick-lung der Infrastruktur zur Unterstützung von Familien: Der Kindergarten und dieSchule werden wesentlich weiterhin nach dem Muster organisiert, das im 19. Jahr-hundert als Einrichtung einer ständischen Gesellschaft entwickelt wurde. Das istinsoweit erstaunlich, als schon der Zweite Familienbericht der Bundesregierung(Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit 1974) die Notwendigkeitdes Ausbaus der institutionellen Betreuung von Kindern betont hat. Im FünftenFamilienbericht (1994) wurde ökonomisch argumentiert, dass die Unterstützung

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von Familien im unmittelbaren Interesse des Staates und der Gesellschaft liege, dadiese das Humanvermögen als Basis des Humankapitals der modernen Gesellschaftentwickeln.

Heute sind die gesellschaftlichen Anforderungen an die Eltern deutlich gestie-gen. Wenn heute etwa 30 bis 40 Prozent eines Jahrgangs Abitur machen – gegen-über sechs bis acht Prozent in den Sechziger Jahren – bedeutet das auch, dass vielmehr Eltern viel länger ökonomisch in die Existenzsicherung ihrer Kinder inves-tieren und zugleich viel mehr Zeit im Lebensverlauf für ihre Kinder aufwenden.Sie fördern nicht nur deren "sozial produktive Arbeit", die "unsere Kultur ent-wickelt und unsere zukünftige Geschichte generiert, sondern vermitteln ihnen auchdas Vertrauen, das erforderlich ist, um sich in einer komplexen Welt zurechtzu-finden und die Teilhabechancen wahrzunehmen, die ihnen entsprechend ihrer Ta-lente zur Verfügung stehen. Elternschaft hilft Erwachsenen geduldig zu werden,Fürsorge und Liebe für andere zu entwickeln. Darüber hinaus: ohne Elternschaftwürde niemand von uns heute existieren." (Folbre 2001: 19).

Die dahinterliegende gesellschaftspolitische Aufgabe wird in Deutschland bis-her zwar diskutiert, ist aber längst noch nicht gelöst. Diese Aufgabe besteht darin,ein neues Modell emotional warmer und unterstützender Beziehungsformen fürMütter, Väter und Kinder zu entwickeln, das die "traditionell-warme" Konzeptiondes Modells der Industriegesellschaft überwindet. Es besteht jedoch die Gefahr,wie Folbre auch betont, dass dieses Modell durch ein "kalt-modernes" Modell er-setzt wird, in dem das Aufwachsen und die Betreuung der Kinder wesentlich in-stitutionell durch öffentliche Einrichtungen geregelt wird. Dabei bleibt genau dasauf der Strecke, was aus der Sicht der Amerikanischen Akademie der Wissenschaftals wesentlicher Beitrag der Eltern für die kindliche Entwicklung gilt, nämlich denKindern durch Zeit, Präsenz und persönlichen Umgang das Gefühl zu geben, fürsie und ihre Entwicklung nicht nur zur Verfügung zu stehen, sondern ihnen dieMöglichkeit zu geben, jenes Vertrauen zu entwickeln, das die Basis von Selbst-achtung und Achtung vor anderen ist. Denn nur dann, wenn Eltern diese Möglich-keit der personalen Beziehungsgestaltung haben, wird "kein Kind zurückbleiben"("No Child Left Behind" Folbre 2001). Das bedeutet aber auch, dass die Lebens-bedingungen für Eltern und Kinder so gestaltet werden müssen, dass Eltern diehohen Erwartungen erfüllen können, die die Gesellschaft ihnen gegenüber formu-liert und die den Rechten des Kindes auf eine angemessene gesellschaftliche Teil-habe entsprechen.

Die Familienpolitik kann das unterstützen, indem sie die zeitlichen Anforde-rungen an die Eltern so organisiert, dass sich der Umgang mit den eigenen Kindernan den kindlichen Bedürfnissen orientieren kann. Ein weiterer Ansatzpunkt liegtdarin, dass die ökonomische Existenz der Familie auch dann gesichert ist, wennnur ein alleinerziehender Elternteil die ökonomische Basis erarbeitet. Darüber hi-

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naus sollte die Infrastruktur im Bildungsbereich, im Freizeitbereich und auch inanderen Bereichen so weiterentwickelt werden, dass Eltern diesen hohen Erwar-tungen entsprechen können, weil sie erleben, dass sie nicht allein die Existenz ihrerKinder sichern müssen, sondern die Gemeinde, die Nachbarschaft und die Gesell-schaft sie dabei unterstützen.

Elterliches Wohlbefinden

Der intensive Diskurs über die relative Armut von Kindern, die in allen hoch ent-wickelten Industriegesellschaften (UNICEF 2005; Bertram 2008; Bertram/Kohl2010) vor allem bei alleinerziehenden Eltern und Mehrkindfamilien besteht, hatsicherlich dazu beigetragen, dass in der Wissenschaft, in den Medien und in derPolitik die Einsicht gewachsen ist, dass selbst so hoch entwickelte Industrieländerwie Deutschland ohne die Unterstützung der Eltern und die Stärkung ihrer Res-sourcen Gefahr laufen, die selbst gesteckten Ziele hinsichtlich der kindlichen Ent-wicklung und der Teilhabechancen aller Kinder aus unterschiedlichen sozialen undkulturellen Milieus nicht erreichen zu können (Leventhal/Brooks-Gunn 2003).Obwohl die Diskussion der relativen Armut von Kindern (Rainwater/Smeeding1995) einen wichtigen Impuls für die Diskussion über die Teilhabechancen vonKindern gesetzt hat, wurde in einer Reihe von Interventionsprogrammen (Zigler/Styfco 2004) deutlich, dass die alleinige Konzentration auf die Verbesserung derökonomischen Situation von Kindern durch finanzielle Transferleistungen an dieEltern nicht notwendigerweise die Teilhabechancen der Kinder verbessert. Das istder Fall, wenn etwa das Wohnumfeld nicht über die Infrastruktur verfügt, die esKindern ermöglicht, gemeinsam mit anderen Kindern und anderen Erwachsenenihre Lebensumwelt zu entdecken und damit ihre Teilhabechancen zu verbessern.

Erfolgreiche Interventionsstrategien für das Wohlergehen von Kindern (Kroll/Meditz 2009; Kroll 2010) setzen voraus, dass nicht nur die ökonomischen Res-sourcen der Eltern gestärkt, sondern sie selbst auch dabei unterstützt werden, ent-sprechend ihrer Lebensvorstellung an der Arbeitswelt teilzuhaben, so dass sie ohnestaatliche Transferleistungen aus eigener Kraft die ökonomische Basis der Familiesichern können. Wenn etwa beide Eltern arbeitslos sind, ist damit nicht nur dasmaterielle Wohlbefinden der Eltern infrage gestellt, sondern auch ihr persönlich-subjektives Wohlbefinden. Es ist davon auszugehen, dass die Eltern in einer solchschwierigen Lage möglicherweise nicht die Kraft finden, ihren Kindern die Zu-versicht und Unterstützung zu vermitteln, die notwendig ist, damit die Kinder selbstin ihrer Lebensumwelt positiv und zuversichtlich die ihnen gestellten Entwick-lungsaufgaben bewältigen (Lazarsfeld/Jahoda/Zeisel 1933).

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Bei der Bildungsentwicklung der Kinder kommt es nicht nur darauf an, dass einehinreichende Platzzahl in Krippen, Kindergärten und Gesamtschulen verfügbar ist,sondern auch darauf, dass die Eltern ihre Kinder beim "Begreifen der Welt" ebensowie beim Medienkonsum und der Erledigung der schulischen Aufgaben so unter-stützen, dass die Kinder die Welt tatsächlich "leichter" begreifen können.

Ökonomie und Bildung sind zentrale Elemente für die kindliche Entwicklung,die sich durch die Stärkung der elterlichen Ressourcen positiv beeinflussen lassen.Aber auch andere elementare Faktoren, wie die elterliche Gesundheit, ihre Le-benszuversicht oder ihr persönlicher Stress, sei es im Beruf oder im privaten Be-reich der Partnerschaftsbeziehungen, haben einen erheblichen Einfluss auf diekindliche Entwicklung. So schätzen sich in Längsschnittstudien (Bowles/Gintis/Osborne 2001) die Söhne von Vätern, die sich als eher fatalistisch beurteilen, alsjunge Erwachsene hinsichtlich ihres Berufserfolges häufig negativer ein als andere.

Glücklicherweise leben Familien mit Kindern in der Regel nicht in einem luft-leeren Raum, sondern können auf die Unterstützung der eigenen Eltern, der Ge-schwister, aber auch der Nachbarn und anderer Mitgliedern der Gemeinde zurück-greifen. Diese Ressourcen von Eltern hält Coleman für ein ganz entscheidendesElement der erfolgreichen Sozialisation von Kindern (1973), da die Eltern ohneeine solche Unterstützung in vielen Situationen einfach überfordert sind.

Wenn Eltern erleben, dass sie von der Gesellschaft bei der Aufgabe, wesentlichzur Zukunftssicherung beizutragen, unterstützt werden, beurteilen sie die Politikim Bereich von Familie und Kindheit auch danach, wie gut oder wie schlecht dieseUnterstützung geleistet wird. Dabei mag sich diese Unterstützung auf die Zeit be-ziehen, die die Fürsorge für die Kinder und die gesellschaftliche Teilhabe im Berufbeansprucht, zugleich auf eine differenzierte lokale Bildungsinfrastruktur und auchauf die Sicherung der ökonomischen Selbstständigkeit.

Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass das konstruktive Zusammenwirkenall dieser Faktoren die Lebenszufriedenheit der Eltern und damit ihr subjektivesWohlbefinden quasi „von selbst" steigert, so ist doch anzunehmen, dass das Zu-sammenspiel dieser Faktoren die Eltern bei ihrer subjektiven Lebenseinschätzungin Hinblick auf ihre Kinder, ihre Partnerschaft und ihre Lebensumwelt positiv be-einflusst. Abbildung 1 gibt diesen Zusammenhang als Übersicht wieder.

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Abbildung 1: Das Konzept „Elterliches Wohlbefinden“

Mit diesem Modell gehen wir davon aus, dass das Wohlbefinden von Vater undMutter sich nicht auf eine generelle psychische Disposition reduzieren lässt. Auchgehen wir davon aus, dass die Lebenserfahrung und die Teilhabechancen in denverschiedenen Lebensbereichen der Eltern auch zu sehr unterschiedlichen Ein-schätzungen des subjektiven Wohlbefindens in den einzelnen Bereichen führenkann, deren Kombination aber die gesamte Lebenszufriedenheit und das gesamteWohlbefinden von Vater und Mutter bildet. Ökonomische Schwierigkeiten kön-nen, müssen aber nicht notwendigerweise die partnerschaftlichen Beziehungen, dieeigene Gesundheit und die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. Die Zufrie-denheit am Arbeitsplatz geht nicht zwingend mit materiellem Wohlbefinden einherund muss nicht die eigene Persönlichkeit und die eigene Gesundheit beeinflussen.Das gleiche gilt für die Einschätzung von familienpolitischen Entwicklungen inder Gesellschaft, die Einschätzung der eigenen Bildungskompetenz und der Fami-lienbeziehungen. Diese Faktoren können sich wechselseitig beeinflussen, aber dasAusmaß und die Stärke der Wechselwirkungen ist auch das Ergebnis der subjek-tiven Lebenserfahrung, der Einbettung in soziale Netzwerke, der privaten Bezie-hungen und der Teilhabechancen in unterschiedlichen Lebensbereichen.

Die Annahme, dass der Vater und die Mutter in verschiedenen Lebensbereichensehr unterschiedliche Formen des subjektiven Wohlbefindens erleben können, istunter der Perspektive der Stärkung der elterlichen Ressourcen für ihre Kinder vongroßer Bedeutung. Denn wenn es möglich ist, für bestimmte Elterngruppen in be-stimmten Lebensbereichen besondere Probleme und subjektive Unzufriedenheit zu

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identifizieren, lässt sich daraus viel konkreter als aus einem generellen Modell derLebenszufriedenheit ableiten, wie sich spezifische Ressourcen so stärken lassen,dass sich die subjektive Einschätzung der eigenen Lebenssituation im jeweiligenBereich verbessert.

Unseres Wissens wird ein solches komplexes Modell in dieser Form hier zumersten Mal getestet. Daher haben wir uns entschieden, im ersten Schritt der Analysedie einzelnen Lebensbereiche, die hier als Dimensionen des elterlichen Wohlbe-findens benannt wurden, einzeln zu untersuchen. Diese Passagen machen denHauptteil des Buches aus. Der Leser kann die einzelnen Kapitel zu den verschie-denen Bereichen auch unabhängig von den anderen Kapiteln lesen, denn alle Ana-lysen basieren auf der selben Gruppe von untersuchten Vätern und Müttern, wurdenaber ohne Bezug auf die anderen Analysen durchgeführt.

Im Schlusskapitel haben wir versucht das Gesamtmodell zu testen, wobei sichdie Gewichtung in den einzelnen Bereichen etwas verschoben hat. Wir haben unsaber nach der Analyse des Gesamtmodells entschieden, die einzelnen Teilbereichenicht dem Gesamtmodell anzupassen, da die empirische Entwicklung eines Mo-dells des elterlichen Wohlbefindens noch nicht abgeschlossen ist. Wer mit kom-plexen Modellen und einer Fülle von Variablen arbeitet, weiß, dass die endgültigeAuswahl eines Gesamtmodells zwar auf der Basis statistischer Kriterien erfolgt,dass es in einem solchen Modell aber auch eine Reihe von Varianten gibt, die dieseKriterien erfüllen. Weil wir der Auffassung sind, dass dieser erste Entwurf unseresKonzepts des elterlichen Wohlbefindens noch weiterzuentwickeln ist, erschien esuns sinnvoll, die Ergebnisse der jeweiligen Detailanalysen der einzelnen Kapiteloffen zu publizieren, auch wenn diese zum Teil eine Variante des Gesamtmodellswiedergeben, um die Möglichkeit zu haben, diese unterschiedlichen Varianten zuthematisieren. Längerfristig ist es natürlich unser Ziel, ein gut messbares, in sichkonsistentes und gut reproduzierbares Modell des elterlichen Wohlbefindens zuentwickeln. Das hier vorgestellte Modell stellt einen ersten Schritt in diese Rich-tung dar, mit allen Stärken und allen Schwächen, die ein solcher Versuch mit sichbringt.

Parallel zu dieser empirischen Analyse muss natürlich auch die theoretischeEntwicklung weiter vorangetrieben werden, da der hier behauptete Zusammenhangzwischen elterlichen Ressourcen, elterlichem Wohlbefinden, kindlichem Wohlbe-finden und kindlichen Entwicklungschancen eine neue und wichtige Ergänzungder Analyse von familienpolitischen und kinderpolitischen Maßnahmen darstellt.Bisher wurde etwa davon ausgegangen, die relative Armut bekämpfen zu können,indem die finanziellen Transferleistungen für die betroffenen Gruppen soweit auf-gestockt werden, bis die gemessene relative Armut signifikant verringert wird.Demgegenüber geht dieser Ansatz zur Stärkung des elterlichen Wohlbefindens da-von aus, dass sich die Ressourcen der Eltern und damit auch ihr Wohlbefinden nicht

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notwendigerweise allein durch die Aufstockung von finanziellen Transferleistun-gen verbessern lassen, sondern unabhängig davon beispielsweise auch durch einverbessertes Bildungsangebot für ihre Kinder.

Ein solches Modell stellt in der Tradition von Urie Bronfenbrenner ein interak-tives Modell der wechselseitigen Beeinflussung der elterlichen Ressourcen dar. Esist zwar theoretisch und empirisch nicht einfach zu realisieren, wird vermutlichaber auf Dauer bei der Analyse politischer und anderer Maßnahmen effektiver sein,da die Interaktionseffekte zwischen den Lebensbereichen der Eltern und der Kinderals konstitutiv für die Wirksamkeit vom politischen Maßnahmen angenommenwerden. Das entspricht einem Befund der über dreißigjährigen Tradition der pä-dagogischen und familienpolitischen Interventionsprogramme in den USA (Zigler/Styfco 2004): Viele der erwarteten Effekte dieser Interventionen direkt auf dieschulische Entwicklung oder die Gesundheit der Kinder traten nicht ein, die Teil-habechancen der Kinder, die an diesen Programmen teilnahmen, verbesserten sichjedoch im Lebensverlauf deutlich, da sie trotz durchgängig nicht überragenderSchulleistungen überproportional häufig den Weg in den Arbeitsmarkt und in eineselbstständige und vergleichsweise zufriedenstellende Lebensführung gefundenhaben.

Die Untersuchung

Durch die Unterstützung der Stiftung Ravensburger Verlag konnte der LehrstuhlMikrosoziologie der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit der Ab-teilung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschafts-forschung (DIW Berlin) die TNS Infratest Sozialforschung damit beauftragen, etwa1.000 Väter und 1.000 Mütter mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren zuden im vorigen Abschnitt skizzierten Dimensionen des elterlichen Wohlbefindenszu befragen. Bei der Entwicklung des Fragebogens wurden Indikatoren konstruiert,die theoretisch erwarten lassen, dass sie die sieben genannten Dimensionen deselterlichen Wohlbefindens abbilden. Darüber hinaus wurde auch berücksichtigt,dass die eingesetzten Fragen und Fragebatterien die Vergleichbarkeit mit anderenempirischen Studien zulassen, die ihrerseits eine oder mehrere Dimensionen inanderem Zusammenhang geprüft haben. Denn es geht bei der Darstellung einesKonzepts des elterlichen Wohlbefindens nicht allein darum, einzelne Dimensionenseparat zu untersuchen, sondern darüber hinaus zu analysieren, ob und inwieweitzwischen den einzelnen Dimensionen ein Zusammenhang besteht oder Wechsel-wirkungen auftreten.

Die Erhebung wurde im Frühsommer 2009 (1. April 2009 bis 27. Mai 2009)durchgeführt, also kurz nach Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise. Daher haben

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sich die Stiftung Ravensburger Verlag und die Studienleiter entschlossen, einigeTeilergebnisse der Studie schon im Januar 2010 vorzustellen, obwohl die Gesamt-auswertung der Studie und die Überprüfung des gesamten Konzepts nicht in einemZeitraums von sechs Monaten durchzuführen war. Die jetzt vorgelegte Publikationmit den Einzelanalysen und dem Gesamtmodell ergänzt die damals vorgelegteneher deskriptiven Befunde und versucht die Beeinflussung der einzelnen Dimen-sionen des Wohlbefindens durch andere Faktoren der elterlichen Lebenssituationaufzuzeigen.

Dabei liegt ein Schwerpunkt der Analysen auf den Einstellungen der Eltern zuunterschiedlichen Aspekten der Familienpolitik. Dabei geht es nicht darum zu prü-fen, ob die Eltern mit dieser oder jener konkreten Politik oder Maßnahme zufriedensind. Vielmehr ist es das Ziel herauszufinden, welche Schwerpunkte und Perspek-tiven die jungen Väter und Mütter aus ihrer konkreten Lebenssituation heraus inBezug auf Familienpolitik und angrenzende Politikfelder erwarten. Diese Heran-gehensweise erscheint uns sinnvoller, als nur einzelne politische Aspekte undMaßnahmen abzufragen, die zumeist in Bundeszuständigkeit sind. Denn nach un-serer Auffassung werden das elterliche Wohlbefinden und das Wohlbefinden vonKindern nur teilweise von den allgemeinen Rahmenbedingungen bestimmt, die diePolitik auf Bundesebene beeinflussen kann. Das Leben von Eltern und Kindernspielt sich konkret in Gemeinden und Nachbarschaften ab. Damit gewinnen dieKrippe, der Kindergarten und die Schule erheblich mehr Bedeutung für den Le-bensalltag von Eltern und Kindern, so dass ohne die Berücksichtigung der Länderund Kommunen bei der Gestaltung familiären Lebens nur wenig über die Bedin-gungen des elterlichen und kindlichen Wohlbefindens zu erfahren ist.

Im Rahmen dieser Untersuchung wollten wir sicherstellen, dass unsere Ergeb-nisse mit anderen Befunden aus der Forschung zur allgemeinen Lebenszufrieden-heit vergleichbar sind. Daher wurden bei den Analysen Fragen, die heute zur Er-forschung der allgemeinen Lebenszufriedenheit herangezogen werden, berück-sichtigt (Diener et al. 2009; Frey/Stutzer 2002; Layard 2005).

Wir wären nicht in der Lage gewesen, dieses Buch in der vorliegenden Formfertigzustellen, wenn uns nicht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studentin-nen und Studenten in Projektseminaren bei der Analyse und Aufbereitung der Da-ten geholfen hätten. Dafür sei insbesondere Kristina Siewert, Nora Freitag, EvaMuschalik, Frauke Peter und Sophie Olbrich gedankt. Die Studentinnen Anke Bö-ckenhoff, Ulrike Ehrlich, Stefanie Vorberger, Janina Walkemeyer und SusanneWollin führten im Rahmen eines Projektseminars die Analyse zu den neuen Vätern(Kapitel 8) durch.

Diese Vorgehensweise ergab sich auch aus dem Umstand, dass die Untersu-chung durch das gewählte Verfahren der direkten Befragung relativ teuer war. Wirhaben uns für dieses Verfahren entschieden, weil der Fragebogen aufgrund des

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komplexen Modells des elterlichen Wohlbefindens nur so angemessen eingesetztwerden konnte. Der Methodenbericht von TNS Infratest Sozialforschung zeigte,dass die Ausschöpfung und das Antwortverhalten der Befragten in dieser Studiezu reliablen und validen Ergebnissen führt. Der Methodenbericht, sowie alle Ta-bellen und Grafiken, die für die Auswertung erstellt wurden, aber aus Gründen derLesbarkeit nicht im Text wiedergegeben werden können, können von der Inter-netseite des Verlags heruntergeladen werden (www.nomos-shop.de/13936).

Frau Dorothee Hess-Maier und Frau Andrea Reidt haben für die Stiftung Ra-vensburger Verlag mit uns das Konzept der Studie diskutiert und begleitet. Ihnenist dafür zu danken, dass sie nicht nur mit großem Interesse und hoher Kompetenzden ganzen Prozess von der Genese des Fragebogens bis zur Auswertung begleitethaben, sondern dass sie auch die Ruhe und Gelassenheit aufgebracht haben, dieendgültigen Ergebnisse abzuwarten, ohne Druck auszuüben, besonders schnellfertig zu werden.

Auch wenn diese Studie nicht ohne diese vielfältige Unterstützung hätte pro-duziert werden können, liegt die Verantwortung für alle Fehler allein bei den Her-ausgebern.

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„Ravensburger Elternsurvey“ – Die StichprobeMit dem „Ravensburger Elternsurvey“ soll das Wohlbefinden von Eltern erfasstwerden. Als zu untersuchende „Elternpopulation“ wurden Mütter und Väter mitKindern unter 6 Jahren, die im Haushalt leben und noch nicht zur Schule gehen,ausgewählt. Es wurden 1.050 Mütter und 1002 Väter im Frühjahr 2009 befragt.Um eine umfassende Konzeptualisierung von elterlichem Wohlbefinden zu ge-währleisten, wurden die Eltern zu einer Bandbreite von Themen befragt: Dazuzählen z.B. ihre Zufriedenheit in verschieden Lebensbereichen, sowie ihre All-tagssituationen, Erwerbssituation, Betreuungssituation, Persönlichkeitsmerkma-len und ihrer Einstellung zu familienpolitischen Maßnahmen.Die Erhebung (mündliche Interviews) erfolgte im Auftrag Forschergruppe durchTNS Infratest Sozialforschung, München. Die Ziehung der zu befragenden Elternwurde mit Hilfe eines „Quota-Verfahrens“ durchgeführt. Hierbei wird die anvi-sierte Stichprobenpopulation aufgrund bestimmter Merkmale ausgewählt. DieseMerkmale sollen in der ausgewählten Gruppe ebenso häufig vertreten sein wiein der Grundgesamtheit – in unserem Fall wie in der deutschen Bevölkerung. Fürden Ravensburger Elternsurvey wurden als Quotierungsmerkmale Geschlecht,Nationalität, Anteil der Alleinerziehenden und Bundesland festgelegt. Um denAnteil der Alleinerziehenden an die Gesamtbevölkerung anzugleichen, wurdedie Verteilung in unserer „Elternpopulation“ für Frauen und Männer getrennterfasst (für eine ausführlichere Darstellung der Quotierung siehe „MethodenKapitel“ im Online Appendix). Für die Erfassung der regionalen Zusammenset-zung des Ravensburger Elternsurveys wurden Mütter und Väter in den Bundes-ländern proportional zur Gesamtbevölkerung erhoben. Die Datenerhebung fandim Zeitraum von Anfang April bis Ende Mai 2009 statt.Entsprechend den jeweiligen Anteilen in der Gesamtbevölkerung kann die Stich-probe des Ravensburger Elternsurveys gewichtet werden. Für die Generierungentsprechender Gewichte vgl. das Methodenkapitel im Online Appendix.

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