Zu Den Klavierkonzerten Von Mozart

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Gedanken beim Hören sämtlicher Klavierkonzerte von Mozart. Nicht alles ist "Mozart", wo "Mozart" drauf steht.

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Zu den Klavierkonzerten von W. A. Mozart

Anmerkungen beim Hören einer alten Gesamtaufnahme der Klavierkonzerte (aufgenommen von Alfred Brendel, Dir. Neville Marriner; Philips).

Literatur, Analysen, Deutungsversuche gibt es zu den Hauptwerken Mozarts in grosser Fülle. Sie sind leicht in jeder Musikbibliothek aufzufinden. Das Mozart-Konzert des Zürcher Kammer-orchesters mit dem Pianisten Fazil Say am 16.2. 2008 im Konzerthaus Dortmund war Anlass, mich erneut in die wunderbare Brendel-Gesamtaufnahme zu vertiefen. Zum Konzert erschien ein ausgezeichnet gemachtes Programmheft. Die sehr gut zusammengestellten Texte sind von Ulrich Schardt:

„Die Klavierkonzerte nehmen innerhalb des Gesamtwerkes Mozarts einen besonderen Rang ein. Der dramatische Dialog zwischen Klavier und Orchester und die permanente Spannung zwischen Virtuosität des Klavierparts und dem Farbenreichtum des Orchestersatzes sind ein-malig für diese Gattung und besonders zu Mozarts Zeit ohne jedes adäquate kompositorische Vorbild. Die Konzerte erfüllen allesamt sinfonische Ansprüche, der Orchestersatz ist oft von Holzbläser-Soli angeführt, die einzelnen Streichinstrumentengruppen sind eigenständig und selbstbewusst geführt. Nichts erinnert bei Mozart an eine schematische Kompositionsweise, und doch sind sämtliche Klavierkonzerte dreisätzig (schnell – langsam – schnell), werden meist von ausladenden und kompositorisch höchst anspruchsvollen Orchestereinleitungen eröffnet, bieten dem Pianisten im ersten und letzten Satz Raum für eigene Kreativität in der Improvisati-on von Kadenzen. Aber diese Fakten stellen für Mozart lediglich den formalen Rahmen dar, in dem er sich zwar bewegt, diesen aber durch einen unendlichen Reichtum an Klangfarben, Stimmungswechseln (dank plötzlicher Modulationen von Dur nach moll und umgekehrt) und eine schier unerschöpfliche Themen- und Ideenvielfalt ausweitet. Insofern hat das [titelspen-dende] Zitat „Krönung und Gipfel seines Schaffens“ des Musikwissenschaftlers Alfred Einstein, das den besonderen Rang der Klavierkonzerte herausstellt, mehr als seine Berechtigung.“

Dies schönen und treffenden Formulierungen gelten sicher nur für die reiferen Klavierkonzerte Mozarts.

„Insgesamt 17 seiner 23 Klavierkonzerte1 schreibt Mozart in seinen Wiener Jahren zwischen 1781 und 1791. Im Herbst des Jahres 1782 beginnt Mozart in Wien mit der Komposition der Klavierkonzerte KV 413–415. Er beabsichtigt, diese in handgeschriebenen Kopien auf Subskrip-tion zu vertreiben und kündigt sie im Januar 1783 in der Wiener Zeitung an: »3 conzerten, wel-che man sowohl bey großem Orchestre mit blasenden instrumenten, als auch nur a quattro nämlich mit 2 violinen, 1 viole, und violoncello aufführen kann.« Dies hat natürlich aufführungs-praktische Gründe, denn Mozart ist interessiert, diese Werke nicht nur in den großen öffentli-chen »Akademien« im josephinischen Wien zur Aufführung gelangen zu lassen, sondern sie auch in die privaten und halböffentlichen Soireen und Konzerten in den Palais und Salons ein-zuführen. Für diese Art der Konzerte ist ein Orchester schlichtweg zu teuer, sodass Mozart eben auch die Kammermusikfassung gleich mit vermarktet.

Zum Stil der drei Klavierkonzerte KV 413 – 415, zur Balance zwischen Eingängigkeit und kom-positorischem Niveauanspruch, schreibt Mozart in einem Brief vom 28. Dezember 1782 an sei-

                                                            1 Eine Nummerierung ist nicht sehr zuverlässig, da es frühe „Klavierkonzerte“ gibt, die in die Nummerierung einbe‐zogen werden können; dann ergeben sich 26. Die KV‐Nummer ist immer verlässlich. 

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nen Vater: »die concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht – sind sehr Brillant – angenehm in die Ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – dass die nichtkenner damit zufrie-den seyn müssen, ohne zu wissen warum.«

(…) Schon in den Jahren 1783 und 1784 ist Mozart einer der begehrtesten Pianisten Wiens. Er spielt in vielen »Akademien« und schreibt sechs Klavierkonzerte. Die Werke werden schlicht benötigt, weil das anspruchsvolle Publikum immer nach neuen und Aufsehen erregenden Kom-positionen verlangt. Welch eine konträre Situation erleben wir im heutigen Musikleben des Jah-res 2008, wo sich das Publikum nach »alten« Werken sehnt, nur nicht nach solchen zeitgenös-sischer Komponisten…

(…) Während seiner letzten fünf Lebensjahre schreibt Mozart noch zwei Klavierkonzerte. Im Februar 1788 komponiert der in Wien lebende gebürtige Salzburger sein vorletztes Klavierkon-zert, jenes in D-Dur [KV 537]. Ob er es in Wien gespielt hat, ist nicht bekannt. Sicher ist hinge-gen, dass Mozart dieses Werk 1789 auf seiner Reise nach Berlin in Dresden und in Potsdam aufgeführt hat. Auch spielt er es am 15. Oktober 1790 in Frankfurt anlässlich der Kaiserkrönung Leopolds II. So trägt dieses Klavierkonzert bis heute den Beinamen »Krönungskonzert«. Den erhofften Kapellmeisterposten bei dem neuen Monarchen erhält Mozart allerdings nicht, und spendabel war der Kaiser wohl auch nicht. Denn Mozart schreibt an seine Frau Konstanze, die Aufführung sei »von Seiten der Ehre herrlich, aber in Begriff des geldes mager ausgefallen.« Vom historischen und gesellschaftlichen Ereignis der Kaiserkrönung hält Mozart ebenso wenig, den Rummel kommentiert er gewohnt bissig und lakonisch »tschiri tschitschi – das beste ist zu fliehen«.

(…) Mozarts Werk wäre mehr als unvollständig ohne den Reichtum kompositorischer Einfälle, den seine Klavierkonzerte enthalten, und sämtliche nachfolgenden Werke dieser Gattung, ob nun von Beethoven, Chopin oder selbst Brahms, sind ohne Mozarts pianistisch-sinfonische Mei-lensteine so nicht denkbar.“

2Eine schöne Würdigung. Mozart (1756 – 1791) hat schon als Kind begonnen zu komponieren. Während der Zeit, in der ihn sein Vater auf Konzertreisen als Wunderkind präsentierte, entstan-den viele kleinere Werke bis hin zu Opern. Aufgrund des Standortes Salzburg und der Anstel-lung beim Fürstbischof natürlich auch kirchliche Werke. Viele dieser Werke sind dafür gedacht, bei den Vorzeige-Konzerten das Publikum zu verblüffen und zu zeigen, dass der kleine Virtuose sogar selbst schon komponierte. Bemerkenswert ist in der Tat, dass Mozart das in so jugendli-chem Alter überhaupt schon konnte. Und zwar in einer Qualität, welche die Zuhörer und Be-wunderer seiner Fingerfertigkeit erstaunte und überraschte. Sie hielt wohl damals schon den Vergleich mit vielen der „Hof- und Musikmeister“ der adligen oder geistlichen Würdenträger stand, die sich um die möglichst abwechslungsreiche musikalische Unterhaltung ihrer Dienst-herren zu kümmern hatten. Aber von den Elaboraten und Kompositionen dieser sich um den musikalischen Alltag kümmernden Kunsthandwerker hat kaum etwas den Zeiten standgehalten und überlebt. Weil Mozart zum Giganten, zur übermächtigen Lichtgestalt geworden ist, neigt man heute dazu, jeder noch so mediocren musikalischen Äusserung Gewicht und Bedeutung beizumessen.

Dabei sind diese Kompositionen bei allen hin und wieder aufzufindenden hübschen Einfällen doch sehr geprägt von dem, was der junge Mozart hörte und lernte. 1767 schrieb er seine erste Oper „Apollo und Hyacinthus“. Wie auch die anderen Werke des Jugendlichen war sie darauf angelegt zu gefallen und bediente sich konventioneller Stilmittel, um die noch nicht sehr präg-

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nante, geschweige denn unverwechselbar eigenständige melodische Erfindung zu entwickeln und darzustellen.

Mozarts musikalische Herkunft war das Klavier. Heute kennen wir ihn als Schöpfer genialer und grossartiger Opern, Sinfonien, Kammermusik und der jedem Klavierschüler bekannten Klavier-sonaten. Die sich durch sein Leben ziehende Serie von Klavierkonzerten scheint besonders gut geeignet, die Entwicklung eines Pianisten als Komponist zu dokumentieren. An ihnen zeigt sich, auch im Vergleich mit den übrigen Kompositionen, ein deutlicher Anstieg der musikalischen Qualität, Erfindungsgabe und souveräner Verarbeitungskraft, als Mozart etwa zwanzig Jahre alt war. Das Klavierkonzert KV 238, B-Dur, vom Januar 1776, noch in Salzburg komponiert, ist das erste dieser musikalischen Juwelen. Es zeigt, das Mozart vom Rüstzeug her mehr als bereit war, es mit der grossen Welt aufzunehmen.

Danach folgt ein Sprung ins Jahr 1782/83, als Mozart schon in Wien lebte. Dort schrieb der nun 27jährige sein Klavierkonzert KV 413 in F-Dur. Und in der Folgezeit bis zu seinem Tode am 5. Dezember 1791 schrieb er eine Reihe beseelter, von erstaunlichen musikalischen Einfällen überreichlich angefüllter Meisterwerke. Besonders hervorzuheben wären die Klavierkonzerte KV 451, 453, 466 (das berühmte in D-moll vom Februar 1785), 467, 482, 491 und das oben angeführte KV 537, das „Krönungskonzert“.

Die wunderbare Gesamtaufnahme des berühmten Mozart-Interpreten Alfred Brendel, der sämt-liche Klavierkonzerte eingespielt hat, auch die ersten Versuche, zeigt diese hier skizzierte Ent-wicklung sehr deutlich. Sie kann dazu verhelfen, Mozarts frühe Werke in richtigem Lichte bes-ser einschätzen zu können. Nicht alles ist „Mozart“, was der spätere Meister geschrieben hat. Wenn heute manche Bühnen, Orchester oder Interpreten etwas von diesen Jugendwerken des noch Lernenden „ausgraben“ und „promoten“ und damit musikalische Schatzgräberei betreiben, ist dies dem Wunsch zuzuschreiben, dass von dem Glanz des Namens Mozart davon eine ge-hörige Portion auf sie selbst fallen möge. Mozart ist durch solche „Fingerübungen“ zu dem ge-worden, als was wir ihn heute kennen, zum musikalischen Genie. Und der Weg dahin, so lehr-reich es auch für Mozart-Bewunderer ist, ihn verfolgen zu können, zeigt nur das Material, durch das dieses Genie zu unbestittener Meisterschaft gelangt ist.

Registrieren wir also den Weg mit seinem oft belanglosen Geklingel früherer Versuche, legen das einmal Gehörte ad acta und geniessen schwelgend, ungeniert und bewundernd Mozarts Meisterwerke.

Michael Spaeth