Zufall der Erinnerung

161
ROBERT WALDL Zufall der Erinnerung

description

Entwurf zur Buchpublikation 2012

Transcript of Zufall der Erinnerung

Page 1: Zufall der Erinnerung

RobeRt Waldl

Zufall der Erinnerung

Page 2: Zufall der Erinnerung

Impressum / Colophon Redaktion / Managing editor:thomas Kussin

Übersetzungen / Translations:megan light

Grafische Gestaltung / Graphic design:thomas Kussin

Schrift / Typeface:CoChin

Druck, Buchbinderei / Printing, Binding:REMAprint

© 2011 Sonderzahl Verlag,und Autoren / and authors

© 2011 für die abgebildeten Werke von / for the reproduced works by Robert Waldl: der Künstler / the artist

Erschienen im / Published bySonderzahl VerlagGroße Neugasse 35!040 WienÖsterreich AustriaTel. +43 1 586 8070Fax +43 1 586 8070 -1www.sonderzahl.at

Sonderzahl books are available internationally at selected bookstores. For more information about our distribution partners, please visit our website at www.sonderzahl.at

ISBN 978-3-7757-3183-6

Printed in Austria

Page 3: Zufall der Erinnerung

RobeRt Waldl

Zufall der Erinnerung

Sonderzahl

Mit Texten von / With texts by

Carl Aigner, Herbert Hrachovec und einem Interview mit dem Künstler

von / and an interview with the artist by Thomas Kussin

Page 4: Zufall der Erinnerung

Brighton, 1986

Page 5: Zufall der Erinnerung
Page 6: Zufall der Erinnerung
Page 7: Zufall der Erinnerung

Wien, 2011

Page 8: Zufall der Erinnerung
Page 9: Zufall der Erinnerung

Theresa K., 1984

Page 10: Zufall der Erinnerung

Wien, 1984(Urban Encounter)

Page 11: Zufall der Erinnerung
Page 12: Zufall der Erinnerung
Page 13: Zufall der Erinnerung

Wien, 1985

Page 14: Zufall der Erinnerung

Wien, 1985

Page 15: Zufall der Erinnerung
Page 16: Zufall der Erinnerung

Nora G., 1990Nora G., 1990

Page 17: Zufall der Erinnerung
Page 18: Zufall der Erinnerung
Page 19: Zufall der Erinnerung

Nora G., 1990Nora G., 1990

Page 20: Zufall der Erinnerung

Wolken 2005

Page 21: Zufall der Erinnerung

Gigi R. , 1986

Page 22: Zufall der Erinnerung

Theodor J. , 1983

Page 23: Zufall der Erinnerung
Page 24: Zufall der Erinnerung

Nora N., 1985

Page 25: Zufall der Erinnerung

Palais Liechtenstein, Wien, 1984 >Palais Liechtenstein, Wien, 1984 >

Page 26: Zufall der Erinnerung
Page 27: Zufall der Erinnerung
Page 28: Zufall der Erinnerung

Budapest, 2008(Urban Encounter)

Page 29: Zufall der Erinnerung

Bewegungsarten und Medientechniken. Zwischen Zugfahrt und Photographie besteht ein besonderes Verhältnis. Aus dem Stand, oder unterwegs zu Fuß, korrelieren die „Feststellung“ des Bildes und ihr Um-feld. Öffnung und Verschluss der Klappe wirken wie eine Guillotine, die einen Zeitpunkt bestimmt und dessen Bild aus dem Ablauf des Geschehens extra-hiert. Auf einem Motorboot oder aus dem Flugzeug ist es in gewisser Weise ähnlich. Die Photographin ist dort zwar rasend schnell unterwegs, doch das Panorama, das sie festhält, gerinnt auch hier zu ei-nem Anblick, einem Schnitt in die Weite, die sich der Betrachterin anbietet. Die Punktartigkeit der Auf-nahme trifft auf den Horizont der Umwelt. Im Zug kommen Faktoren hinzu, die einer solchen Vereinfa-chung kompliziertere Verhältnisse hinzufügen.

Zugfenster zeichnen Kader vor die Landschaft, die im Hintergrund abläuft. Technisch gesehen gilt auch hier das eben beschriebene Schnappschuss-Verfahren, aber das Ambiente ist dazu geeignet, mehr Auskunft über die Beschaffenheit von Photos zu geben. Eine Aufnahme aus dem Fenster, inklusive

Fensterrahmen, fügt dem Bild einen Platzhalter hin-zu, der den Entschluss signalisiert, diesen Ausschnitt festzuhalten. Im fahrenden Zug erhält dieses Setting eine spezielle Form. Die Intervention, abzudrücken, spaltet sich gegenüber dem Anblick, der photogra-phiert werden soll. Ein Teil des Photos gibt den sta-tischen Waggon wieder, ein anderer steht für Über-raschungen, die jede Sekunde neu auf der Bildfläche des Fensters erscheinen können. „Zugfahrt“ ist eine symbolische Kategorie, die am Handwerk nichts än-dert. Doch auf dem Umweg über die Bildbeschrei-bung sagt sie doch etwas über das gebrochene Ver-hältnis des Photos und des Photographen zur Zeit.

Im Vordergrund steht in der Photoästhetik oft die Einmaligkeit des Zugriffs auf den Zeitverlauf. Zeichnungen und Malerei, Filme und Videos sind intrinsisch zeitverhaftete Techniken, Photos dage-gen kommen so daher, als wäre Ablauf ausgeschaltet. Es ist ein Allgemeinplatz, dass sie den Augenblick in eine Fassung bannen. Die Flüchtigkeit, während der Rahmen hält, macht auf kompliziertere Zusam-menhänge aufmerksam. Die Zeit der Photographin

heRbeRt hRaChoveC

Beschleunigt behäbig. Photos am Prüfstand

Page 30: Zufall der Erinnerung

und die Zeit ihres Bildes müssen nicht synchron sein. Ihr Standpunkt befindet sich eventuell in einer Umgebung, deren Zeitfluss in sich verdoppelt ist. Es entsteht ein Kontrast zwischen dem statischen und dem dynamischen Fixtierten. Der vorgegebene Au-genblick enthält eine Zeitfalte. Nach wie vor halten wir eine Photographie in der Hand, aber sie berichtet von Bewegungen, die ihrem Zugriffs unterschiedlich entgehen.

Robert Waldl photographiert gerne Züge, Stras-senbahnen, Metros, Busse. Die Bilder entwickeln ein reichhaltiges Leben, doch die angesprochene Kon-stante taucht immer wieder auf, der Tempowechsel zwischen dem Blick durch einen Rahmen und den visuellen Gestikulationen, die aus Waldls Aufnahmen ein Zwischenreich belebter Schatten machen, die dem Moment entspringen. Er zeigt, dass ein Anhalten der

Zeit das Anhalten zweier verschiedener Zeiten bedeu-ten kann. Diese Beobachtung verweist direkt auf den technischen Vorgang, welcher der Abbildung zugrund liegt. Die Belichtungsdauer eines Photos wird im Normalgebrauch so gewählt, dass kein „Zeitfenster“ entsteht, sprich keine „verwackelten“ Aufnahmen. Realismus wird als die scharfe Sicht auf mittelgroße Objekte verstanden. Diese Vorgabe kann nicht selbst-verständlich bleiben, wenn berücksichtigt wird, dass auch der Schnitt im Zeitverlauf (das „Abdrücken“) eine zeitliche Dimension besitzt. Ab etwa 15 Bildern pro Sekunde geht es zum Film. Eine halbe Sekunde Belichtung bricht die Kontur der Körper auf.

Der Unterschied ist entscheidend. Im einen Fall werden scharfe Umrisse sukzessive vervielfältigt, im anderen wird der Beginn einer Umrissfolge in einem Standbild zurückgehalten. „Das bewegte Bild“ ist

London, 1986––––––––––

Page 31: Zufall der Erinnerung

genau genommen viele Bilder, die in einem besonde-ren Arrangement erscheinen. Demgegenüber bleibt die Photographie beim einen Bild und lädt es mit einer temporalen Spannung auf, die es nicht in eine physische Bewegung ableitet. Eine Fortsetzung, wel-che Platz für weitere scharfe Bilder verlangt, wird zurückgeworfen und zur Geste einer Fortsetzung. Die Ausdrucksform ist nicht neu. Ein fahnenschwin-gender, in Öl gemalter Imperator und später ein fu-turistisches Verkehrschaos sind Beispiele dafür, wie sich das Thema in klassischer Form darstellt.

Die Sonderzeit, die auf diese Weise entsteht, läßt sich vielleicht mit einem Engpass aus einem ganz an-deren Bereich illustrieren. Es kommt immer wieder vor, dass eine Vortragende die Redezeit ausgeschöpft hat und von der Moderatorin aufgefordert wird, ab-zuschließen. Dabei kann man einen eigentümlichen Ablauf beobachten. Schnell flippt die Vortragende die letzten Folien durch und gibt dazu beschleunigt Kommentare, welche das Gesamtbild des Vortrags eher zerfallen als deutlich werden lassen. Nicht un-ähnlich ist das Regime der verlängerten Belichtungs-zeit, wenn man sich vorstellt, dass aus der Undiszi-pliniertheit eine gezielte Strategie gemacht wird. Die Aufgabe bestünde darin, einem Sujet in kürzester Zeit eine Entwicklung abzugewinnen. Filmdarstel-lungen sind vergleichsweise luxuriös. Dem Photo bleibt die Atemlosigkeit, mit der es seiner ureigens-ten Torschlusspanik entgeht und sie durch einen kleinen Spielraum erweitert. Mit einem riskanten Aperçu gesagt: dem Todeskandidaten ist ein letztes Wort gewährt. Die Begriffswelt des Abdrückens, Abschliessens und Ablebens erfasst einige Charak-teristika der allgemeinen photographischen Praxis. Die Bilder Robert Walds zeigen mehr.

Eine Besonderheit zieht sich durch die meisten Serien. Im dynamisierten Spiel der Umrisse kommt Lichtquellen eine eigene Rolle zu. Generell spielen Lichtverhältnisse für (klassische) Photos eine ent-scheidende Rolle, das ist die Allgemeinweisheit. Im

Photo – und das ist nicht so offensichtlich – sind Lichtquellen sozusagen gezähmte Erinnerungen an die Beleuchtung, welche das Ganze möglich macht. Sie dürfen nicht zu wirksam sein, sonst „ruinieren“ sie die Abbildung. Im Normalfall passen sie in die Komposition wie Dinge, Körperteile und Gesich-ter. Unter den Bedingungen, in denen Robert Waldl photographiert, entwickeln sie eine spezielle Quali-tät. Die Lampen, Scheinwerfer, Ampeln, Kerzen und Fackeln seiner Bilder sind deutlich von den Körper-Konturen abgesetzt. Die Behäbigkeit der Bewegung physischer Volumina bewirkt, dass sie sich in Schat-tenwürfen ausbreiten. Sie vollführen einen Schlei-ertanz. Schön und gut, wir haben seinen Reiz aner-kannt. Aber er ist auch eine Nebelwelt.

Beleuchtungsspots erscheinen im Verfahren der verzögerten Blende als scharf gezogene Linien. Es fehlt ihnen die Ausdehnung und Abtönung, um in den Raum auszufransen. Sie führen zu Lichtspuren, deren Kontur den Auflösungserscheinungen, mit de-nen die Kameratechnik experimentiert, gerade ent-gegenwirkt. Wohin sich die raumfüllenden Impres-sions-Cluster bewegen bleibt unentschieden. In den Markierungen, welche die Lichtquellen auslösen, ist eine Unerbittlichkeit niedergeschrieben. Sie rufen in Erinnerung, dass es sich nach wie vor um eine Kunst der „deadline“ handelt. Ein Punkt macht eine Linie, wie eine Signatur. Unterschriften verwischen ist nicht der Zweck des Photographen.

Welche Belichtungszeit ist richtig? In welchem Aggregatzustand soll man die Häuser, Möbel, Wäl-der wahrnehmen, die uns umgeben? Das sind offen-bar dumme Fragen, geleitet von einem falschen Ideal der Trennschärfe. Es sind aber auch keine dummen Fragen. Die Welt befindet sich nicht permanent in einem unabsehbaren Dekompositionsprozess. Die Defensive gegenüber der Zersetzung hat uns die „re-alistische“ Glorifizierung des Kompakten beschert. Einige Schritte in Richtung Kontrollverlust sollte man schon gehen.

Page 32: Zufall der Erinnerung

Anna Z., 1986

Page 33: Zufall der Erinnerung
Page 34: Zufall der Erinnerung

Celia Z. , 1985

Page 35: Zufall der Erinnerung

Types of movement and techniques in media. There is a special relationship between train travel and pho-tography. From a standing position or underway on foot, a photo’s observation and its surroundings cor-relate. The opening and closing of the shutter work like a guillotine determining a moment in time and extracting the picture from a happening in progress. In a certain way it is similar on a motorboat or on a plane. The photographer is roaring along on the one hand but here too the panorama which she captures runs into one view, one slice of the expanse offering itself to the viewer. The shot hits the horizon of its surroundings. On a train other factors join in to com-plicate such a simplification.

Train windows capture stills over a landscape that runs by in the background. Seen technically the snapshot method described above is relevant here too but the ambience says more about the nature of the photos. A shot out the window, including the win-dow-frame, adds a placeholder aspect to the picture signalising the decision to capture this detail. In a moving train this setting takes on a special form. The

intervention of pressing the shutter release splits it-self when encountering the sight to be photographed. One part of the photo reproduces the static carriage, another represents surprises which can appear on the window screen any second. ‘Train Trip’ is a symbolic category which does not change the handwork itself; however via the detour of a pictorial description it does say something about the broken relationship of the photo and the photographer to time.

Its unique ability to reach into- and access pass-ing time often stands in the foreground of photo aes-thetics. Drawings and paintings, films and videos are techniques intrinsically bound to time. Photos on the other hand appear as if sequential processes have simply been deactivated. It is common knowl-edge that they capture and contain a moment. Their fleetingness held within a frame draws attention to more complicated interconnections. The time of the photographer and the time of her photos need not be synchronous. Her position may be in surroundings in which the flow of time has doubled within itself; a contrast develops between the statically and the dy-

heRbeRt hRaChoveC

Gently accelerated. Photos in review

Page 36: Zufall der Erinnerung

namically fixed. The given moment contains a crease in time. We are still holding a photo in our hand but it speaks of movement which escapes its reach in vari-ous ways.

Robert Waldl likes to photograph trains, trams, undergrounds, buses. His pictures develop a life rich in content but the constants mentioned always reoc-cur; the change in tempo between the view through the frame and the visual gesticulations create from

Waldl’s photos an intermediate realm of animated shadows emanating from the moment. He shows that stopping time can mean stopping two different times and this observation points directly to the technical process lying behind the image. The exposure time of a photo is normally chosen so that no ‘window in time’ appears, i.e. there are no blurry shots. Realism is understood as a sharp focus on middle-sized ob-jects but this cannot remain unchallenged if one con-

Theresa K., 1984––––––––––

Page 37: Zufall der Erinnerung

siders that the cut in the passing of time, the ‘shot’, also possesses a temporal dimension. More than 15 pictures per second constitute a film. Half a second of exposure breaks up the contours of the body.

The difference is crucial. In one case sharp out-lines are successively reproduced while in the other the beginning of a series of outlines is restrained in one static image. To be precise the ‘moving picture’ is many pictures which appear in a particular arrange-ment. In contrast, photography captures one picture and loads it with a temporal tension which it does not relieve in a physical movement. A continuation which demands space for further sharp images is thrown back and becomes the gesture of a contin-uation. This form of expression is not new. A flag-waving emperor painted in oils and, later, futuristic traffic chaos are examples of how the theme presents itself in its classical form.

The particular form of time which arises in this way may perhaps, at a squeeze, be illustrated by looking at quite a different area. It often happens that a speaker runs out of time and is asked by the moderator to conclude. When this happens one may observe a curious course of events. The speaker hur-riedly flips through her last slides and adds a few quick comments which serve more to confuse and detract from the general impression of the presenta-tion than to clarify things. The regime of increased exposure time is similar if one imagines that a spe-cific strategy stems from a lack of discipline, with the task of producing a development in a subject in the shortest possible time. Representation through film is luxurious in comparison. A photo retains a breath-lessness with which it escapes its quintessential fear of a lack of time and is able to lengthen it with a little latitude. If one may be pardoned a daring bon mot, it is like the prisoner who is sentenced to death but is granted a few last words. The world of concepts such as shutter release, closure and death brings together a few characteristics of general photographic prac-

tice. Robert Waldl’s pictures reveal more.One exceptional feature runs through most of the

series. In a dynamised interplay of contours, light sources take on a special role. Generally light condi-tions play a decisive role in (classical) photos; that is common knowledge. In the photo, and that is not so obvious, light sources are so to speak tamed memo-ries of the lighting which makes everything possible. They should not be too effective otherwise they ‘ruin’ the image; normally they fit into the composition like things, body parts and faces. Under the conditions in which Robert Waldl photographs they develop a special quality. The lights, spotlights, traffic lights, candles and torches of his pictures are set clearly apart from body contours. The leisureliness of the movement of physical volumes means they expand into the shadows they cast. They perform a dance of the veils. Yes, we have recognised its charm but it is also a world of swirling fog.

Spotlights appear as sharply drawn lines when de-layed diaphragm action is used. They lack the spread and toning to be able to fade out into the space of the shot. They lead to traces of light, the contours of which work directly against the dissolution effect the camera technique is experimenting with. Where the cluster of impressions filling the field is going, re-mains undecided. There is a relentlessness in those markings which create the sources of light. They re-mind us that we are still dealing with a ‘deadline’ form of art. A dot makes a line, like a signature. Smearing signatures is not the goal of the photographer.

Which exposure time is right? In which state of matter should one perceive the houses, furniture, forests that surround us? They seem to be foolish questions stemming from a false ideal of selectivity. But they are not foolish questions. The world is not permanently in an unpredictable process of decom-position. Opposition to disintegration has given us a ‘realistic’ glorification of the compact. One should re-ally go a few steps towards losing control.

Page 38: Zufall der Erinnerung

Theresa K., 1984

Page 39: Zufall der Erinnerung
Page 40: Zufall der Erinnerung

Wien, 1983

Page 41: Zufall der Erinnerung

Wien, 1983

Page 42: Zufall der Erinnerung

Wien, 1983

Page 43: Zufall der Erinnerung

Romana, 1984

Wien, 1983

Page 44: Zufall der Erinnerung

Christa W., 1984

Page 45: Zufall der Erinnerung

Christa W., 1984

Theresa K., 1984

Page 46: Zufall der Erinnerung

Wien, 2010

Page 47: Zufall der Erinnerung
Page 48: Zufall der Erinnerung

Wien, 2010

Page 49: Zufall der Erinnerung

Wien, 2010

Page 50: Zufall der Erinnerung

Wien/Naschmarkt, 1984(Urban Encounter)

Page 51: Zufall der Erinnerung

Die Photographie, so der französische Semiologe Roland Barthes, ist eine Botschaft ohne genuinen Code. Sie ist damit ein phänomenologisches Ereignis (und in vieler Hinsicht phänomenal!). In der Ver-schränkung von lichtempfindlichem Material (Film), dem immateriellen „Material“ Licht und dem Faktor Zeit (genauer: Belichtungszeit) entfaltet sich eine bildnerische Möglichkeit, welche die Einzigartigkeit von Bild und Welt neu (be-)gründet.

Viele Texte haben die Photographie ontologisch zu situieren versucht – als neuen Bezug von Wirklich-keit und Bild. Geistesgeschichtlich gesehen ist sie ein Kind der Aufklärung und damit der Säkularisierung. Im selben Jahrhundert, als Nietzsche davon sprach, das Gott tot sei, tritt das photographische Bild auf die Bühne der Bilder und wird zum wichtigsten Bildmedium einer Seinsvergewisserung des Subjekts

und der Welt. Dieses existentialistische Vermögen ist zugleich auch die Magie des photographischen Bil-des, umso mehr, als es sich – in gewisser Hinsicht – quasi autokatalytisch produziert, in so ferne es kei-ne menschliche Hand mehr fertigt, sondern ein Ap-parat (wodurch ihr lange der Status einer Kunstfä-higkeit abgesprochen wurde). Damit aber wurde sie für lange Zeit zu einem „archimedischen“ Punkt der Wahrnehmung von Welt und Wirklichkeit; schein-bar außerhalb jedweder Subjektivität vollzieht sich ein souveränes Abbildungsdispositiv, welches durch keinerlei subjektive Implikationen den Blick auf die Welt „vergiftet“, ideologisiert oder rekuperiert.

Das Faszinosum der Photographie liegt jedoch in ihrer pikturalen Ambivalenz, in ihrer diabolischen Zweischneidigkeit gewissermaßen. So ist sie Appa-rat und Hand-Werk zugleich, Affirmation und Sus-pension, Abbildung und Herausbildung. Am wohl vehementesten wird dies in ihrer Temporalität sicht-bar. Als erstes Zeit-Bild in der Geschichte der Bilder ist Zeit ihr Konstitutionsfaktor schlechthin. Es ist das 19. Jahrhundert, welches den Paradigmenwech-

Die Wirklichkeit, von der wir sprechen können

ist nie die Wirklichkeit an sich…

WeRneR heisenbeRg

CaRl aigneR

Photographie als Blick

Page 52: Zufall der Erinnerung

Wien/Naschmarkt, 1984 (Urban Encounter)

Page 53: Zufall der Erinnerung

sel von Zeit und Raum vollzieht und die Priorität der Zeit gegenüber dem Raum situiert: Die Chronokra-tie der Welt etabliert sich neben der Eisenbahn zu al-lererst als photographisches Bild, welches eine Poli-tik der Zeit mitbegründet. Die Photographie vermag darüber hinaus auch eine neue Gegenwärtigkeit (den photographischen Augenblick) zu begründen, indem sie einerseits „Zeit“ fixiert und als aufgehobene Zeit konserviert, andererseits aber das Fluss der Zeit auf-reißt, fragmentarisiert, kurzum: zu einem Zeitpunkt verwandelt. In dieser Ambivalenz verpuppt sich Zeitlichkeit als Schnittstelle von Vergangenem und Zukünftigen.

Jede Gesellschaft schafft sich jene Instrumenta-rien der Beherrschung von Zeit, welche sie implizit zu ihrer Konstituierung und Identität/Nichtidentität benötigt. In dieser Hinsicht ist die Photographie so-wohl Dokument als auch Monument, Bestätigung als auch Getriebeöl der sich enorm zu Beschleuni-gen beginnenden Gesellschaft des vorletzten Jahr-hunderts. Im photographischen Bild kulminiert und amalgamiert sich die „kopernikanische“ Zeitenwen-de der europäischen Gesellschaften schlechthin: Sie ist die Chronographie und „agent provocateur“ zu-gleich einer auf Beschleunigung basierenden Zeitim-plosion. Die Ubiqutät des photographischen Bildes verbunden mit seiner Serialität (welche sie als Bild-medium überhaupt erst begründet und nicht die Ma-ler des (Spät-)Impressionismus) erfüllt das enorme Begehren einer beschleunigten Gesellschaft nach ei-nem Stillstand von Zeit (ist es nicht aufschlussreich, dass seit dem 19. Jahrhundert das Gewinnen von Zeit, also ihrem Innehalten, durch das Phantasma der Beschleunigung imaginiert wird: Je schneller wir werden, umso mehr gewinnen wir Zeit!). Die Photographie ist damit nicht nur die Sichtbarkeits-werdung von Zeit, sondern gleichzeitig auch ihre Phänomenologie.

Parallel zu den medienreflexiven und konzeptu-ellen photographischen Arbeiten, durch die er sich

auch einen Namen in der österreichischen Photo-kunstszene machen konnte, hat Robert Waldl ein umfangreiches, vielteiliges, serielles photographi-sches Streetwork-Projekt entfaltet, das nicht mehr analytischen Strategien nachspürt, sondern photo-graphischen Wahrnehmungsphänomenen. Gehen und Sehen als sich verschränkende Apperzeption sind dabei Leitmotive jahrzehntelanger Wahrneh-mungsarbeit qua Photographie. Das daraus resultie-rende Bilddispositiv der Unschärfe ist ursächlicher Effekt dieser Verfahrensweise der Bildgewinnung. Die Koppelung eines doppelten Bewegungsvorgan-ges – die Bewegung des Photographen Waldl so-wie die Bewegung der Menschen auf den Strassen – vollziehen eine Retroaktionsschleife, mittels der Zeitlichkeit als pikturale Unschärferelation sichtbar wird. Unprätentiös, scheinbar beiläufig und beliebig werden die Aufnahmen zu etwas, was dem Künstler zu fällt: Glücksmomente des Augenblicks.

Es ist die Photographie, welche das Moment des Zufalls als Bildfaktor überhaupt erst in die Ge-schichte der Bilder einzuführen begonnen hat – es ist sozusagen das „Unbewusste/Latente“ des photo-graphischen Bildes. Robert Waldl macht dieses Ver-mögen zum eigentlichen Bildgeschehen. Ausschnitte, Perspektiven, Sujets sind das Zufallen von Bewe-gung und Örtlichkeit. Indem er die Photographie als (unbewussten) Registrator von visuellen Phänome-nen begreift, gelingt es ihm, eine transsubjetive Hal-tung zu gewinnen. Es geht nicht mehr darum, etwas abzubilden oder Bildkunst zu machen, sondern um das Situieren eines phänomenologischen „Scannens“ urbaner Lebenswirklichkeiten.

Dabei unterliegt er keiner Ideologie einer Neut-ralität. Seine wissenschaftlich-philosophische Be-schäftigung mit Wahrnehmung und Erkenntnisthe-orie als dialogische Episteme machten ihm deutlich, dass Wahrnehmung und Sichtbarkeit immer einer Heisenberg’schen Unschärferelation unterliegen. „Es zeigt sich was sich dann eben zeigt, d.h. für mich

Page 54: Zufall der Erinnerung

sind diese Arbeiten relativ genaue phänomenologi-sche Untersuchungen. Dass ich mich selbst bewege und den Moment des Photographierens bestimme, tut dieser Genauigkeit keinen Abbruch – wir wissen seit den Systemtheorien der Konstruktivisten, dass wir uns aus dem Betrachtungssystem ohnedies nicht herausnehmen können“, formuliert es Robert Waldl selbst.

Das Phänomen der Unschärfe ist die seismogra-phische Verortung einer derartigen Seharbeit. We-sentlich dabei ist, dass das Moment von Unschärfe und Schärfe erst durch die Photographie in der Ge-schichte der Bilder virulent geworden ist. Sie resul-tiert aus dem Moment der Beschleunigung und dem Vermögen der Photographie, durch das Moment der Zeit Bewegung als Unschärfe zu konstituieren: der schnelle Bewegungsablauf kollidiert sozusagen mit einer zu langen Belichtungszeit. Auch hier zeigt sich eine weitere faszinierende Ambivalenz der Photogra-phie: Einerseits vermag sie Bewegungsabläufe sicht-bar zu machen (Eadweard Muybridge und Etienne-Jules Marey!), andererseits arretiert sie diese auch wieder im selben Augenblick.

Lange bevor in den späten 1990er Jahren die Un-schärfe zu einem ästhetischen Gestaltungsprinzip photokünstlerischer Positionen geworden ist, ist sie

für Robert Waldl eine phänomenologische Möglich-keit geworden (die er nur Kraft der Photographie realisieren kann), eine Zeitdiagnostik zu formuleren: „Urban Encounter“ ist eine Metapher für das durch die Beschleunigungsvehements unserer Gesellschaft entstandene Lebensdispositiv der Flüchtigkeit, des Momentanen. Das photographische Bild verwandelt den Blick in eine neue Temporalität, in ein neues Uni-versum der Zeit, die sich als Unschärfephänomen vi-sualisiert „Letztlich entsprechen meine photographi-schen Arbeiten der Flüchtigkeit unserer Existenz“, analogisiert der Künstler selbst die Verfahrensweise seiner Bilder.

Es ist kein Zufall, dass der Flaneur eine Erschei-nung des 19. Jahrhunderts mit seiner rasanten Ur-banisierung ist. Es ist soziologisch die adäquate Figur einer beschleunigten Gesellschaft mit ihren verschiedenen Formen von Zeiteskapismen. Denn der Flaneur ist eine Person, die gegen den Strom sei-ner Zeit schwimmt, in diesem Falle der Kontrahent der sich beschleunigenden Gesellschaft. Es scheint, als ob heute kulturgeschichtlich gesehen nur mehr der Künstler ein „Müßiggänger“ sein kann, eben ein Flaneur der Zeit. Denn der Blick des Flaneurs ist zwar Gelassenheit, aber nicht eine Negation be-schleunigter Realität, sondern vielmehr deren dialek-tische Affirmation

„Urban Encounter“ ist derart eine Metaerzählung über Zeit und Leben, über Gegenwart und Sein, über Bild und Blick, aber auch über das Subjekt im Angesicht des Blicks. Mehr noch: es ist eine Erzäh-lung über die Fülle des Lebens und die Begegnung als Nichtbegegnung, eine permanente Dynamik von Anziehung und Abstoßung: Der Mensch als bezie-hungs- und bezugloses Atom in der Masse urbaner Sozialität – das „Punctum“ (Roland Barthes) des photographischen Blicks. Für Robert Waldl wird die urbane Lebenswirklichkeit und ist zugleich „auch eine Metapher unserer Existenz“ schlechthin, wie er es formuliert.

Wien, 2010––––––––––

Page 55: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003(Urban Encounter)

Page 56: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003(Urban Encounter)

Page 57: Zufall der Erinnerung
Page 58: Zufall der Erinnerung
Page 59: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003(Urban Encounter)

Page 60: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003(Urban Encounter)

Page 61: Zufall der Erinnerung
Page 62: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003(Urban Encounter)

Page 63: Zufall der Erinnerung
Page 64: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003(Urban Encounter)

Page 65: Zufall der Erinnerung

CaRl aigneR

Photography - A Point Of View

Photography, according to the French semiologist, Roland Barthes, is a message without a genuine code; it is thus a phenomenological event and, in many re-spects, phenomenal. By combining light-sensitive material (film), the immaterial ‘material’ light, and the factor of time (more specifically, exposure time), a new visual medium is created which re-establishes the singularity of the image and the world.

Many texts have tried to define photography on-tologically, as a new relationship between reality and image. Seen in terms of the history of ideas, it is a child of the Enlightenment and therefore of secularization. In the same century as Nietzsche declared God dead, the photographic image emerges and becomes the most important pictorial means of affirming the ex-istence of a subject and the world. This existential capacity is also the magic of the photographic image,

particularly as in a certain respect it produces itself auto-catalytically, i.e. it is not a product of the human hand but of an apparatus, a fact which caused it to be long denied the status of an art. Consequently it became an ‘Archimedean’ point of perception of the world and reality for many years; seemingly beyond all subjectivity, a superior image dispositif is created which does not ‘poison’, ideologize or reclaim a view of the world through any subjective implications.

The fascination of photography lies however in its pictorial ambivalence, in its diabolic double-sided sharpness as it were; it is an apparatus and handcraft, an affirmation and suspension, a representation and an elaboration, and it is most clearly seen in its tem-porality. As the first intimately time-linked image in the history of pictures, time is its integral factor. It is the nineteenth century which completes the para-digm shift in time and space, prioritizing time over space. The chronocracy of the world establishes it-self, along with the railway, firstly as a photographic image which co-founds a politics of time. In addition, photography is able to create a new present, (the

The reality of which we are able to speak

Is never reality itself.

WeRneR heisenbeRg

Page 66: Zufall der Erinnerung

photographic moment), by capturing and preserving time on the one hand while tearing or fragmenting its flow on the other, in short by transforming it into a moment. In this ambivalence, temporality reveals itself as an interface between the past and the future.

Each society creates those instruments for master-ing time which it implicitly requires for its founding and identity/non-identity. In this respect photogra-phy is a document as well as a monument, a confir-mation as well as oil in the machinery of a society which two centuries ago was beginning to accelerate enormously. The ‘Copernican revolution’ in Europe-an societies truly culminates and amalgamates in the

Urban Encounter, 2010––––––––––

Page 67: Zufall der Erinnerung

photographic image. It is both the chronograph and ‘agent provocateur’ of a time implosion based on ac-celeration. The ubiquity of the photographic image, combined with its seriality (introduced here for the first time to the medium of picture, and not by the art-ists of (late) Impressionism), satisfies the enormous desire of an accelerated society for time to stand still. (Is it not revealing that since the nineteenth century saving time or halting it has been imagined alongside the phantasm of acceleration: the faster we become, the more time we save). The photograph is thus not only time made visible but also its phenomenology.

Parallel to medium-reflective- and conceptual pho-tographic work through which he has made a name for himself in the Austrian art photography scene, Robert Waldl has developed his Streetwork project, a comprehensive photographic series which no lon-ger traces analytical strategies but the phenomena of photographic perception instead. Walking and view-ing together in a combined apperception have been the leitmotif of decades of perception work in the form of photography. The resulting image dispositif is inherent to this method of creating pictures. The coupling of two sequences of movement, photogra-pher Waldl’s as well as that of people on the street, creates a retroactive loop which becomes visible as variations of indistinctness or ‘uncertainty’ by means of temporality. Unpretentious, apparently incidental and random, the photos become something which happens for the artist: moments of serendipity.

It is photography which first introduces the chance moment as a determining factor in the history of pictures; it could be expressed as the unconscious / latent in the photographic image. Robert Waldl makes this quality the image’s actual motif. Details, perspectives and subjects are coincidences of move-ment and location. By perceiving photography as an (unconscious) registrar of visual phenomena he is able to achieve a trans-subjective vantage point. It is no longer a matter of photographing something or

creating visual art but of focusing a phenomenologi-cal ‘scanner’ on the realities of urban life. In doing so he does not succumb to an ideology of neutrality. His scientific-philosophical occupation with percep-tion and epistemology as dialogue have made clear to him that perception and visibility are always subject to the Heisenberg uncertainty principle. As Robert Waldl formulates it, ‘That which is shown, is sim-ply that which shows itself. To me these works are relatively accurate phenomenological investigations. Even though I am moving and determine the moment of photographing, that doesn’t detract from their ac-curacy. From systems theories of the constructivists we know that we cannot remove ourselves from the observation system.’

The phenomenon of uncertainty or indistinct-ness is the seismographic locating process in such observation work. In this it is important to note that the moments of indistinctness and clarity first became virulent in the history of pictures through photography. It results from the moment of ac-celeration and the ability of photography to depict movement as indistinctness at one moment in time: the rapid sequence of movements ‘collides’ with an overlong exposure time. Here a further fascinating ambivalence of photography reveals itself: it is able to make sequences of movements visible (Eadweard Muybridge and Etienne-Jules Marey), by stopping or ‘freezing’ them.

Long before the late 1990s when indistinctness became an aesthetic creative principle in art photog-raphy, it became a phenomenological means for Rob-ert Waldl to formulate a diagnosis of time: ‘Urban Encounter’ is a metaphor for the dispositif of a life of transience, of the momentary, resulting from our society’s fervour for acceleration. The photographic image transforms our perspective to a new temporal-ity, to a new universe of time which visualises itself as a phenomenon of indistinctness. ‘In the end, my photographic work corresponds to the transience of

Page 68: Zufall der Erinnerung

our existence’ says the artist of the modus operandi of his pictures.

It is not coincidental that the pedestrian stroller is a phenomenon of the nineteenth century with its rapid urbanisation. It is the sociologically appropri-ate representative of an accelerated society with its different forms of temporal escapism. The stroller is a person swimming against the tide of their own times, in this case the antagonist of an accelerating society. Today, when seen in the context of cultural history, it appears that only the artist can be an idler, a stroller in time. The stroller’s leisurely gaze may be calm but that is not a negation of accelerated reality, it is much more its dialectic affirmation.

‘Urban Encounter’ is a meta-tale of time and life, of the present and existence, of the image and the gaze cast upon it but also of the subject being viewed. Even more, it is the tale of the fullness of life and the encounter as a non-encounter, a permanent dynamic of attraction and repulsion: the human being as an unrelated, irrelevant atom in the mass of urban so-ciality, the punctum (Roland Barthes) of the photo-graphic view. For Robert Waldl, the urban reality of life becomes a symbol of the everyday. As he himself has aptly put it, it is per se ‘a metaphor of our exis-tence’.

Page 69: Zufall der Erinnerung

Italien, 1984

Page 70: Zufall der Erinnerung
Page 71: Zufall der Erinnerung
Page 72: Zufall der Erinnerung

Ulrich E. , 1985

Page 73: Zufall der Erinnerung

Kunsthistorisches Museum Wien, 2004 Kunsthistorisches Museum Wien, 2004

Page 74: Zufall der Erinnerung
Page 75: Zufall der Erinnerung

Wien, 1985

Page 76: Zufall der Erinnerung

Marrakesh, 2006

Page 77: Zufall der Erinnerung
Page 78: Zufall der Erinnerung
Page 79: Zufall der Erinnerung

Wien, 1984

Page 80: Zufall der Erinnerung

Wien, 1985

Page 81: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003

Page 82: Zufall der Erinnerung
Page 83: Zufall der Erinnerung

Griechenland, 1984

Page 84: Zufall der Erinnerung
Page 85: Zufall der Erinnerung

Wien, 2003

Marrakesh, 2006

Page 86: Zufall der Erinnerung

Vorchdorf, 2009

Page 87: Zufall der Erinnerung

Vorchdorf, 2009

folgende Doppelseiten (3) Vorchdorf, 2009 >

Page 88: Zufall der Erinnerung
Page 89: Zufall der Erinnerung
Page 90: Zufall der Erinnerung
Page 91: Zufall der Erinnerung
Page 92: Zufall der Erinnerung
Page 93: Zufall der Erinnerung

Wolken 2005

Page 94: Zufall der Erinnerung

Gustav G., 1985

Page 95: Zufall der Erinnerung

Ilse I . , 1985

Page 96: Zufall der Erinnerung

Wien, 1985

Page 97: Zufall der Erinnerung
Page 98: Zufall der Erinnerung

Marrakesh, 2006

Page 99: Zufall der Erinnerung

Theresa K., 1984

Page 100: Zufall der Erinnerung

Kreta, 1984

Page 101: Zufall der Erinnerung

Kreta, 1984

Page 102: Zufall der Erinnerung

Mädchen, 2011

Page 103: Zufall der Erinnerung

Millstatt, 2003 Kunsthistorisches Museum Wien, 2004

Schloss Ambrass, 1985 >

Page 104: Zufall der Erinnerung
Page 105: Zufall der Erinnerung
Page 106: Zufall der Erinnerung

Wald, 2011

Page 107: Zufall der Erinnerung
Page 108: Zufall der Erinnerung

Miami, 2005

Page 109: Zufall der Erinnerung

Burgenland, 1985

Page 110: Zufall der Erinnerung
Page 111: Zufall der Erinnerung

Westbahn, 2006

Page 112: Zufall der Erinnerung
Page 113: Zufall der Erinnerung
Page 114: Zufall der Erinnerung

Tirol, 1985

< Freunde, 1985

Page 115: Zufall der Erinnerung

ein gespRäCh mit RobeRt Waldl

Ich finde viele momente gut, um ein foto zu machen…

Du hast in den 80er Jahren die Unschärfe im Foto, als Prin-zip deiner Bildproduktion entdeckt. Wie war die Akzeptanz deiner Umgebung? Ich war 1984 für drei Monate mit einer Kiste voll Filmen, Foto- und Laborausrüstung in Griechenland und unter den tausenden Fotos und Dias, die ich heimbrachte, war kein scharfes Bild. Da ich einen Erklärungsnotstand befürchtete und ich niemanden kränken wollte, habe ich in Griechen-land noch einen Stapel Ansichtskarten gekauft.

Die unscharfen Bilder hast du also erst einmal zur Privatsa-che erklärt? Aber nein! Einen sogenannten Diaabend habe ich in besonderer Erinnerung: Ich habe in den 80er Jahren neben dem Studium auf der Angewand-ten, auf der Universität Wien Kunstgeschichte stu-diert. Im ersten Studienabschnitt gehört dort eine Österreich-Exkursion zum Pflichtprogramm. Ich habe während der einwöchigen Reise von einem Ba-rockfresko zum nächsten laufend fotografiert. Nach der Exkursion war ich zum Präsentationsabend ein-geladen. Ich hätte gerne über den zeitgenössischen Blick auf die Kunst des achtzehnten Jahrhunderts

diskutiert. Als ich jedoch das hundertste Dia mit bewegungsunscharfen Aufnahmen von Barockmale-rei gezeigt habe, war eine derartige Anspannung im Raum, dass ich es vorzog mich zu verabschieden. Meinten deine Professoren, in der Kunst seist du besser auf-gehoben als in der Kunstgeschichte? Mir hat in den 80er Jahren ein Resonanzraum für meine Arbeit gefehlt. Die Suche nach einem Lehrer war schwierig. Ar-nulf Rainer, den ich als Künstler sehr schätzte, hatte angeblich ein Fotolabor in seiner Klasse eingerich-tet. Dort wollte ich hin. Rainer blättert also meine Mappe durch und sagt dann unbeteiligt: „Geh‘ zum Weibel, der kann auch nicht malen!“ und das Labor, das existierte gar nicht. Also studierte ich bei Peter Weibel, von dem ich zweifellos viel profitiert habe. Ausstellungen, Stipendien, ja sogar Sammler zu be-kommen war in der damaligen Aufbruchsstimmung nicht schwierig. Nur zu Diskussionen über das, was man tat, kam es selten.Du hast also nur ein Fotolabor gesucht und bist so an der Kunsthochschule gelandet. Oder war da schon länger der

Page 116: Zufall der Erinnerung

Wunsch, Fotokünstler zu werden? 1982 habe ich mich mit einer Mappe mit inszenierter Fotografie an der Kunsthochschule beworben. Ich hatte jedoch schon länger ein intensives Verhältnis zur Fotografie.

Ich bin in einem kleinen oberösterreichischen Dorf aufgewachsen. Die geläufigsten Methoden zur Behandlung von ländlichen Depressionen sind dort bis heute das schnelle Autofahren und das Saufen. Ich hatte Glück, weil ich eine ältere Freundin hatte, die von beidem nicht viel hielt. Ich fotografierte sie bei endlosen Spaziergängen in den Traunauen.Nachdem ich einen aufregenden Diavortrag von einem Bergkletterer erlebte, habe ich durch meine gesamte Volksschulzeit hindurch immer wieder an einem selbstentworfenen Diaprojektor gearbeitet, der von mir ständig verbessert, aber nie fertiggebaut wurde.

Mit zwanzig Jahren wollte ich weg – hatte genü-gend Geld gespart um eine einjährige reise um den Globus zu beginnen – die Kamera dabei, mit der mein Vater mich schon als Baby fotografiert hatte. Auf meiner Weltreise wollte ich einen lebenden Gott oder eine lebende Göttin fotografieren. An einem Hindufeiertag wartete ich mit vielen Gläubigen vor einem Palast in Katmandu. Dort sollte ein junges Mädchen, die Reinkarnation der Göttin Kamuri dem Volk gezeigt werden. Wir warteten einige Stunden, während rituelle Musik aus dem Palast zu hören war. Es war schon später Nachmittag und die Wolken der Regenzeit waren dicht und dunkel, als sich die Tore öffneten. Von vielen Trägern wurde ein nahezu schwarzer Holzkasten mit der, hinter Tüllvorhängen sitzenden, maskenhaft geschminkten jungen Göttin herausgetragen.

Meine Aufnahmen gerieten völlig unterbelichtet und unscharf. Vielleicht hätte ein versierter sozial-kritischer Fotograf die Erbärmlichkeit der ganzen Szene besser einfangen können, als ich es mit mei-nen Aufnahmen tat. Ich war jedoch mit meinem Ergebnis zufrieden. Irgendetwas von menschlicher

Vermessenheit und Scheitern und von der Begrenzt-heit unseres Existierens, schien mir in meinen Foto-grafien angemessen abgebildet. Ich begann mich für Aufnahmen zu interessieren, die nicht der herkömm-lichen Ästhetik entsprachen.

Der Begriff der Unschärfe hat nicht nur im Zusammenhang mit Fotos eine abwertende Bedeutung. Ich verwende ihn nicht gern in Bezug auf deine Arbeit. Mir fällt aber auch nichts Besseres ein. Wie ist das mit dem Sehen und Erkennen. Ist Schärfe generell eine Gefahr, sich im Detail zu verlieren? Ja, du hast recht. der Begriff „Unschärfe“ ist ein negativer Begriff. Es wird mit ihm ein Mangel aus-gedrückt. Natürlich könnte ich jetzt argumentieren, dass eine absolute Schärfe in der Fotografie nicht er-reichbar ist. Eine unendliche scharfe Aufnahme wäre unendlich dunkel, bräuchte sie doch eine sehr kleine Blendenöffnung etc. aber auf solche formale Spitz-findigkeiten möchte ich mich nicht einlassen. Ich denke noch darüber nach, ob mir eine positive Be-zeichnung für meine Art des Fotografierens einfällt.

Worum geht es dir dabei? Mir geht es jedenfalls nicht um Stimmungen oder malerische Qualitäten. Das sind übrigens Begriffe, bei denen ich Gänsehaut be-komme. Ich kann nur sagen, dass ich am Gegenüber, am Objekt höchst interessiert bin. Es geht mir dabei nicht um eine Bewegungsunschärfe an und für sich. Sie haftet meinem Gegenüber und mir als Fotograf einfach an.

Wilhelm Busch hat einmal gereimt „Schnell kommt der Mensch ans Malen, doch nur schwer an Leute, die‘s bezah-len“. Die Kunstproduktion als ökonomische Basis hast du schon vor Jahren abgelehnt, du verdienst dein Geld als Psy-chotherapeut – trotz deiner Erfolge mit Ausstellungen, zahl-reichen Stipendien und Verkäufen. Ja, der Kunstbetrieb hat etwas Faszinierendes. Neben Stipendien, Förde-rungen und Sammlern suchte ich zur Finanzierung immer den Kontakt zur Wirtschaft. Einmal kaufte

Page 117: Zufall der Erinnerung

eine große internationale Werbeagentur die Rechte an einer meiner unscharfen Fotoserien und das zu ei-nem für mich sagenhaften Preis. Ich habe mir nicht vorstellen können, was die mit meinen Fotos machen könnten. Die Leute der Werbeagentur wußten es of-fenbar auch nicht, denn die Aufnahmen wurden bis heute nicht verwendet. Ein anderes Mal finanzierte eine Pharmafirma einige Monate lang meine Arbeit ohne mir irgendwelche Vorgaben oder Auflagen zu machen. Die Pharmafirma suchte nach einem Medi-kament gegen Tremor (ungewolltes starkes Zittern) und ich machte Bewegungsunscharfe also verwackel-te Aufnahmen. Ich fand diese Parallele ja einigerma-ßen makaber. Die PR-Leute der Firma fanden das nach einiger Zeit auch und beendeten das Sponsoring.

Nachdem ich mich von einem Experiment zum nächsten bewegte, meine Neugierde schärfte, etwas genau wissen wollte und dafür einen kreativen Aus-druck suchte, wollten die Galeristen „pieces“ sehen. Meine Fotografien, auch meine Objekte, haben für mich die Bedeutung von Skizzen, Tagebüchern oder Zwischenergebnissen. Schwer, sie als fertiges Pro-dukt zu sehen. Vor wenigen Jahren erst wurde mir klar, dass ich nie daran gedacht hatte etwas Schönes, Fertiges zu produzieren. Erst der Satz von Freun-den, die eine großformatige Fotografie gekauft hat-ten, gab mir zu denken: „Das Bild ist schön!“ Viel-leicht sollte ich daran manchmal denken! (lacht)

Du hast dich nicht nur mit der Produktion, sondern auch mit der Vermittlung von Kunst beschäftigt. Mit welchem Ziel hast du das gemacht? Ich war 1989 bei einer wis-senschaftlichen Tagung und habe dort das Internet kennengelernt. Das war noch einige Jahre vor einer allgemeinen Nutzung des dem World Wide Web. Ungefähr zu dieser Zeit gab es auch die erste digitale Fotografie. Diese war qualitativ noch weit von der analogen Fotografie entfernt. Mir war sofort klar, wenn digitale Daten durch die Telefonleitung fließen und wenn Fotografie zu digitalen Daten wird, dann

wird bald auch die Fotografie durch die Telefonlei-tung strömen. Ich habe 1992 mit einem Freund, der eine Softwarefirma besitzt, begonnen die Galerie bois zu betreiben. Die Ausstellungen waren ausschließ-lich über Computer und Telefonleitung zugänglich. Heute klingt das ziemlich banal, aber 1992–1994 war das noch ein ziemlich avantgardistisches Statement.

Der Start des Projektes verlief sehr schleppend. Da noch niemand e-Mails empfangen konnte, ver-schickten wir gedruckte Einladungen und Anleitun-gen wie man unsere Galerie im elektronischen Raum finden konnte. Man sagte uns, wir hätten Straße und Hausnummer der Galerie vergessen. Manche warfen uns eine Art technischen Rassismus vor, da ja noch fast niemand ein Modem für seinen Computer hat-te. Wir wollten das Projekt schon wieder einstellen, als der Durchbruch in Form eines Interviews für die Zeitung Der Standard kam. Ich fand dann reihenwei-se Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter, von Bekannten, die sagten sie hätten sich ein Modem gekauft, ob ich ihnen Tipps für die Installation ge-ben könne. Schließlich kam ein Telefax vom ORF. Ich sollte in einer Kultursendung live vorführen, wie man die Galerie bois über Computer und Telefonlei-tung besuchen könne.

Atelier Davidgasse, Wien, 1984––––––––––

Page 118: Zufall der Erinnerung

Compaq hat die Galerie bois von Anbeginn an groß-zügig unterstützt und wir bekamen finanzielle För-dermittel aus dem Kunstministerium. Ich wollte Ar-beiten von österreichischen Fotokünstlern zeigen, jedoch nicht bloß einfach deren Arbeiten digitalisie-ren. Daher verliehen wir PCs an die Künstler und be-zahlten ihnen EDV-Kurse. Als Gegenleistung wur-den deren Arbeiten in der Galerie bois ausgestellt. Es machte großen Spaß bei der Beschleunigung der Fotografie dabei zu sein. Als das www gewisserma-ßen für alle zugänglich auf der bildschirmoberfläche erschien, war klar, dass unser kleiner Beitrag sich bald in einem großen Meer auflösen würde.

Mit der Idee des Originalgenies aus dem 19 Jahrhundert scheinst du nicht viel im Sinn zu haben. Deine Bilder pro-duzierst du parallel zu deiner Arbeit als Psychotherapeut. Sie sind für dich aber kein Produkt, das zwangsläufig zum Verkauf bestimmt ist, um deinen Lebensunterhalt zu fi-nanzieren. Ist deine Biografie so etwas wie eine Antithese zur gängigen Künstlerbiografie? Ja, es gibt in unserer Gesellschaft ziemlich romantische Vorstellungen zur Persönlichkeit des Künstlers. Dieses Idealbild von einem Genie befriedigt verschiedene Sehnsüchte.

Unterhaltsam für das Publikum, aber oft nicht für den Künstler. Da gibt es das Verlangen nach Einma-ligkeit, nach Unverwechselbarkeit, ebenso wie den Wunsch durch ein künstlerisches Werk Unsterblich-keit zu erreichen. Das romantische Ideal von einem genialen, vielleicht verrückten, an seiner Unverstan-denheit leidenden Künstler ist ein Bild, dem ich nicht so viel abgewinnen kann. Ich schätze einen humanistischen Kunstbegriff, der sich an aufgeklärte Rezipienten wendet. Ich sehe mich vor allem als Person, die sich entwickeln möch-te. das heißt ich sehe Neugierde als Antrieb – will etwas genau wissen und dafür einen kreativen Aus-druck finden. Mich hat die Kombination von Kunst, Philosophie und Psychologie interessiert. Das war schon immer so. Als Jugendlicher las ich ein Buch von Kant. Aber ich verstand Kant nicht – dann entdeckte ich Freud. Und der verstand mich! Ich interessierte mich für den Surrealismus und malte im surrealistischen Stil. Und dann war da die Musik. Neben dem Tod von Hendrix, Joplin und Morrison schmerzte mich als Jugendlichen die Tatsache am meisten, dass Freud die Surrealisten nicht mochte.

Die Wechselwirkung von Fotografie und Malerei hat in-zwischen eine lange Geschichte. Deine jüngeren Arbeiten, speziell die Pfade, stellen mit ihren malerischen Qualitäten, die Frage nach deiner Beziehung zu diesem Medium. Dazu fällt mir etwas ein, mit dem ich noch einmal das Thema „Kunstmarkt“ streifen möchte. Vor einigen Jahren kam ein Sammler, der meine Arbeiten von Reproduktionen kannte, in mein Atelier. Er war sich sicher, bei meinen Bildern handle es sich um Malerei. Er wollte nur Malerei kaufen, keine Fotografie. Ent-täuscht ging er. Enttäuscht schaute ich hintendrein. Aber zurück zur Frage. Ich war zunächst überrascht als ich merkte, dass der Fotografische Blick die Ma-lerei schon seit mehreren Jahrhunderten beeinflusst hat. Zunächst über die Camera Obscura und dann

Herwig Turk, „Galerie Bois“, 1994––––––––––

Page 119: Zufall der Erinnerung

durch tragbare Apparate, deren Bilder man aber erst seit dem 19. Jahrhundert fixieren kann. Ich sehe die Bewegungsunschärfe als etwas spezi-fisch fotografisches. Weder Film noch Malerei kann Bewegung so abbilden, wie die Fotografie es kann. Letztlich zeigt jede Fotografie eine Spur von reflek-tiertem Licht. Durch kurze Belichtungszeiten ist die Lichtspur so kurz, dass wir sie nicht wahrnehmen. Wir glauben beim Betrachten von statischen Foto-grafien auf die Menschen oder Gegenstände an sich zu blicken. Da ein großes, kulturell bedingtes, Be-dürfnis nach eingefrorenen Aufnahmen besteht, gilt die statische Fotografie als Synonym für Fotografie schlechthin.Eine dynamische Fotografie kann unserem Erleben sehr nahe sein. Wir sehen dann nicht ein unscharfes Foto, sondern etwas aus der Aufnahme spricht uns ganz direkt an. Eine solche Erlebnisnähe wurde auch von Malern immer wieder versucht umzusetzen. William Turner ließ sich in den wildesten Sturmböen an Schiffsmasten festbinden, um so zu Eindrücken für seine Gemälde zu kommen.

Besteht zwischen deiner Arbeit als Künstler und der als Psy-chotherapeut eine Wechselwirkung? Als Psychotherapeut bin ich mit meinen Klienten in einem dialogischen Kontakt. Wir beschäftigen uns mit den Erfahrungen des Klienten. Im Verlauf der Psychotherapie wird das subjektive Erleben immer deutlicher benennbar, bis es in der Sprache eine ganz präzise Entsprechung – man kann auch sagen Abbildung – findet. Das Erleben wird jedoch nicht objektiv deutbar oder in einem naturwissenschaftlichen Sinn meßbar. Die Be-gegnung mit dem Anderen bietet uns die Möglichkeit zur konkreten Teilnahme, zur deutlichen Überprü-fung und zur benennbaren, persönlichen Entwick-lung. die Deutungshoheit des eigenen Erlebens, die Prüfung von unseren Wertsetzungen, bleibt in der Autonomie und Verantwortung eines jeden Einzel-nen von uns.

Unser Erleben ist konkret und unscharf zugleich. Das klar Benennbare hat immer einen Rand, einen Horizont, hinter dem wieder Ungeklärtes und Un-scharfes auftaucht. Da ist immer ein Etwas, das erst sortiert, befühlt, betrachtet und benannt werden muß. Es gibt verschiedene Horizonte. Wir wenden uns als Forscher und Entdecker gerne dem Unbe-kannten am äußeren Horizont zu. Aber auch mitten im Bekannten gibt es Horizonte. Es gibt unscharfe Stellen in unseren Bildern. Da ist immer etwas un-terschwellig Wahrgenommenes, etwas das wir wie-der vergessen haben oder noch nie gewußt haben. Freud hat dieses Gebiet das Unbewußte genannt.Meine Fotografie ist zwischen den polen scharf und unscharf, benennbar und unklar, zwischen objektiv und subjektiv aufgespannt. Die Aufnahmen sind durch ein Objektives Gerät, durch Fotoobjektiv zu-stande gekommen und zugleich zeigen sie die subjek-tiven Bedingungen ihres Zustandekommens.

Ist die Arbeitsweise des Künstlers mit der des Therapeuten verwandt? Der Künstler ist kein Therapeut, spiegelt aber doch seine Umgebung und gibt damit anderen die Gelegen-heit, die Welt neu zu sehen. Würdest du deine Arbeit in diesem Sinn vergleichen wollen; gibts es da Berührungen oder sind da gewissermaßen zwei Menschen am Werk? Ich beginne immer an Stellen zu arbeiten, bei denen ich zunächst nicht sicher sein kann, etwas zu finden. Manchmal bleibt das gefundene redundant oder belanglos, dann ist eine Idee, ein Gedanke abgearbeitet und ich kann schnell zum nächsten übergehen. Die Arbeiten die bestehen bleiben, sind ein Angebot an den Betrach-ter. Rückmeldungen können wie ein gelungener Di-alog den Kreis schließen und neue Formulierungen beeinflussen. Der Künstler der seine Umwelt spiegelt und etwas sichtbar macht ist ein Glücksfall, manch-mal auch ein schwer erreichbares Ideal.Die Arbeit in der Psychotherapie ist ähnlich, aber hoffentlich treffsicherer. Hier ist der Dialog im-manent und der Prozeß wird durch ihn gesteuert

Page 120: Zufall der Erinnerung

und gleichzeitig weitergetragen. Die größte Über-einstimmung in meiner Arbeit als Künstler und als Psychotherapeut sehe ich in der zugrundeliegenden dialogischen Haltung. Der Prozess geht immer vom noch nicht benennbaren zum benennbaren, vom Un-bewußten zum Wissen, vom Privaten zum Sozialen. Wenn man als Künstler jemandem die Gelegenheit gibt, etwas neu zu sehen, dann ist natürlich viel ge-lungen.

Bei deinen Bildern glaubt man oft, dass es sich um einen Filmkader handelt. Eine erzählerische Frische begleitet deine Bilder. Sind die Fotos inszeniert oder entspringen sie direkt dem Leben? Ich habe mich Anfang der 80er Jahre einige Zeit mit inszenierter Fotografie beschäftigt. Danach nur noch selten. Die meiste Zeit habe ich den Fotoapparat einfach dabei. So entstehen tage-buchartige Sequenzen. Ich warte eigentlich nicht auf den sogenannten richtigen Augenblick. Ich finde vie-le Momente gut, um ein Foto zu machen, besonders wenn ich mit Menschen zusammen bin. Manchmal entstehen lange Serien beim Gehen. Ich fotografiere in kurzen Abständen, vielleicht alle paar Sekunden oder Schritte. Die Serien haben sehr un-terschiedliche Qualitäten, je nachdem ob ich mich in der Natur oder in der Stadt bewege. Bei Wande-rungen in den Bergen oder durch Wälder entstehen meditative Sequenzen, mit abstrakten Bildinhalten. In der Stadt thematisiere ich das aneinander vorbei-strömen der Menschen, ein grußloses einander nicht begegnen, wie es nur in Städten stattfindet. Wir se-hen dabei einander, sonst würden wir zusammen-stoßen, wir blicken jedoch einander nicht an, weil wir uns nicht kennen. Nur wenn ein uns bekanntes Gesicht auftaucht, grüßen wir oder bleiben für ein Gespräch stehen. Wenn wir uns eine halbe Stunde durch die Stadt bewegen, scannt unser Blick auf die-se Art und Weise Hunderte Gesichter. Dafür habe ich für mich den Begriff urban encounter gefunden.

Traumsequenzen werden im Film nicht selten in Unschär-fe aufgenommen. Es scheint also, dass es sich hier um eine assoziativ akzeptierte visuelle Umsetzung handelt. Zwi-schen Psychoanalyse und Traum besteht ein Naheverhält-nis. Besteht hier vielleicht auch eine Verbindung zu deiner künstlerischen Arbeit? Diese Parallele zu den unschar-fen Traumsequenzen in Filmen existiert natürlich. Träume entstehen, unter anderem durch Erinne-rungsarbeit. Fotografie war, bis zum auftauchen der digitalen Fotografie, stets ein Zurückverweisen auf den Moment der Aufnahme – also auch eine Art Er-innerungsleistung. Die Möglichkeit mit Fotografie Augenblicke in ei-ner hohen Detailgenauigkeit festhalten zu können übersteigt unsere menschliche Aufnahme- und Er-innerungsfähigkeit. Mit den vielen Details einer Fo-tografie kann das „wie“ eines Objekts gut beschrie-ben werden. Man kommt bei der Betrachtung einer solchen Aufnahme aber nicht zu dem Punkt, sich zu wundern, dass Objekte überhaupt existieren. Ist es so, dass dich das „Wie“ der Objekte nicht interessiert? Ich versuche mich an eine Essenz heranzuarbeiten, die sich nicht in der Detailliertheit einer Fotografie wiederfindet. Letztlich belegen meine Aufnahmen nur mehr die Existenz eines Objektes. Um so zu neuen Erkenntnissen über eine Person zu kom-men? Mich interessiert auch die Nähe zu unserer Erfahrung. Es ist uns gar nicht bewusst, dass unser Sehfeld überwiegend unscharf ist. Ich habe mich mit Physiologie und Psychologie unserer Wahrnehmung und Erinnerung beschäftigt. Ich suche in meiner Ar-beit jedoch nicht nach einfachen Entsprechung. Ich glaube, dass so etwas wie Bewegung, Unschärfe und Flüchtigkeit schwer zu akzeptierende Aspekte unse-rer Existenz sind.

Page 121: Zufall der Erinnerung

Paternoster, 1984

Page 122: Zufall der Erinnerung

London, 1986

Page 123: Zufall der Erinnerung
Page 124: Zufall der Erinnerung

Palais Liechtenstein,Wien, 1984

Page 125: Zufall der Erinnerung
Page 126: Zufall der Erinnerung
Page 127: Zufall der Erinnerung

Staatsoper,Wien, 1990 Staatsoper,Wien, 1990

Page 128: Zufall der Erinnerung

Performance, 1984Performance, 1984

Page 129: Zufall der Erinnerung

You discovered indistinctness as the principle of your pho-tography in the 80s. How was it accepted by those around you? In 1984 I was in Greece for 3 months with a box full of films, camera and lab equipment and among the thousand photos and slides that I brought home, there wasn’t one clear picture. And because I was afraid I’d have some explaining to do and I didn’t want to hurt anyone’s feelings, I bought a stack of postcards in Greece.

So you kept those blurry photos to yourself at first? Not at all. I remember clearly one so-called slide night in the 80s. As well as my studies at the University of Ap-plied Arts I was studying art history at the University of Vienna. In the first part of these studies there was a compulsory excursion through Austria. During the one-week trip I photographed one Baroque fresco af-ter the other and after the excursion I was invited to participate in a presentation evening. I would have liked to discuss the contemporary view of art of the eighteenth century but as I showed my hundredth slide of a motion - blurred photo of Baroque painting,

there was so much tension in the room that I decided it was better to finish.

Did your professors think you would be better off in creative art rather than art history? I felt the space in which my work could resonate was missing in the 80s. It was hard to find a teacher. Arnulf Rainer, who I greatly value as an artist, had apparently set up a photo lab in his class and that’s where I wanted to go. Rainer leafed through my portfolio and said with complete indifference, ‘Go to Weibel, he can’t paint either!’ And the lab, that didn’t even exist. So I studied with Peter Weibel, from whom I undoubtedly profited a lot. It wasn’t difficult to come by exhibitions, grants, even collectors in the inspired atmosphere of that time. But discussions on what was being done were rare.

So you were only looking for a photo lab and you landed at the University of Applied Arts, or had the wish to become a photographic artist existed within you for a while? In 1982 I applied at the University with a portfolio of staged

ein gespRäCh mit RobeRt Waldl

‚I think a lot of moments are good for taking a photo‘

Page 130: Zufall der Erinnerung

photography but I had already had a longer, intense interest in photography. I grew up in a small vil-lage in Upper Austria. The most common methods for treating rural depression were, and still are, fast driving and drink. I was lucky because I had an older girlfriend who didn’t think much of either. I photo-graphed her on endless walks on the flood plains of the Traun. After seeing an exciting slideshow by a mountain climber, I worked all through primary

school on designing my own projector which I was always improving but never finished. When I was twenty I wanted to leave. I’d saved enough money to set off on a one-year trip around the world, taking the camera with which my father had photographed me as a baby.

On my trip around the world I wanted to photo-graph a living god or goddess. On a Hindu holiday I was waiting outside a palace in Kathmandu with

Ilse Haider, „Galerie bois“, 1993; Ines Nikolavcic, „Galerie Bois“, 1994––––––––––

Page 131: Zufall der Erinnerung

a crowd of believers. There a young girl, the rein-carnation of the goddess Kamuri, was to be shown to the people. We waited for several hours during which ritual music could be heard coming from the palace. It was already late afternoon and the clouds of the rainy season were heavy and dark as the gates opened. Borne by many men, an almost black wood-en box was carried out and in it, behind tulle cur-tains, sat the young goddess in a mask of make-up.

My photos turned out to be completely under-lit and fuzzy. Perhaps a more practised, socially-critical photographer could have captured the whole scene better than I with my photos but I was satisfied with the results. Something of human temerity and failure, and the limitations of our existence seemed to me to be adequately conveyed in my pictures. I began to be interested in photos which didn’t correspond to conventional aesthetics.

The idea of indistinctness has a negative connotation, and not only with regard to photos. I don’t like using the word with regard to your work but nothing better occurs to me. What can be said about observing and recognising? Does clarity generally bring with it the danger of losing oneself in details? Yes, you’re right. The idea of ‘indistinctness’ or ‘blurriness’ is a negative concept which expresses a certain shortcoming or defect. Naturally I could now argue that absolute sharpness in photography is not achievable. An endlessly sharp image would be endlessly dark as it requires a very small aperture, etc. but I don’t want to get involved in such formal hairsplitting. I’m still thinking about whether I can come up with a positive name for my way of photo-graphing.

What is it all about for you? I’m not in any way inter-ested in atmosphere or painterly qualities. They are concepts, by the way, which give me goose-bumps. I can only say that I’m extremely interested in my subject, or object, as the case may be. Motion blur,

indistinctness through movement, is actually not im-portant to me, it simply clings to my subject and to me as the photographer.

Wilhelm Busch once said ‘It’s easy to get into painting. The difficult thing is to find someone who’s willing to pay for it’. You rejected the idea of producing art on a business basis years ago. You make your living as a psychotherapist despite your success with exhibitions, numerous grants and sales. Yes, the art business has something fascinating about it. In addition to grants and collectors I have always sought contact to the world of business for financ-ing purposes. Once a large, international advertising agency bought the rights to one of my blurred photo series and paid, to my mind, a phenomenal price. I couldn’t imagine what they could possibly do with my photos and the people from the advertising agen-cy obviously didn’t either because the pictures have never been used to this day. Another time a pharma-ceutical company financed my work for a few months without any instructions or conditions. At the time they were working on a drug to treat tremors (in-voluntary twitching of the muscles), and I worked with motion blur, took fuzzy pictures. I found these parallels somewhat macabre and after a while the PR people of the company seemed to as well and they stopped their sponsorship.

After I had moved from one experiment to the next, had sharpened my curiosity and desire to know the exact nature of things and searched for a way to express this creatively, owners of galleries wanted to see ‘pieces’. For me my photos and my objects too are like sketches, diaries or interim results. It’s hard to see them as finished products. It became clear to me just a few years ago that I had never thought of pro-ducing anything beautiful, anything finished. It was only when friends who had bought a large format work said, ‘The picture is beautiful!’, that I started to think about it. Maybe I should think about it some-times! (laughs).

Page 132: Zufall der Erinnerung

You have not only been occupied with the production but also the placement of art. Why have you done that? In 1989 I was at a scientific congress and first got to know about the internet. That was a few years before the general use of the World Wide Web. Around that time digi-tal photography also appeared though quality-wise it was still far-removed from analog photography. It was immediately clear to me that if digital data could flow along telephone lines and photography became digital, photos would soon be streaming along those lines too. In 1992 I began to run the Gallery bois with a friend of mine, who owned a software company. The exhibitions were only accessible via the comput-er and telephone line. Today that sounds fairly banal but in the years of 1992 to 1994 it was still quite an avant-garde statement.

The project took off very slowly. Because nobody could receive emails, we sent out printed invitations and instructions on how to find our gallery out in electronic space. We were told we had forgotten to mention the house number and street the gallery was in. Some accused us of a kind of technical racism since hardly anybody had a modem for their com-puter. We were ready to give up the whole project just as the breakthrough came in the form of an in-terview with the newspaper ‘Der Standard’. Then I found one message after the other on my answering machine from acquaintances saying they had bought a modem and asking if I could tell them how to install it. Finally there was a fax from the ORF [Austrian Broadcasting] asking me to demonstrate how one could visit the Gallery bois via computer and tele-phone line, live on one of their culture programs.

Compaq supported the Gallery bois generously from the beginning and we received funding from the Ministry of Culture. I wanted to show the work of Austrian photographic artists and not simply digi-talise their work so we lent computers to artists and paid for them to take computer courses. In return their work was exhibited in the Gallery bois. It was enormous fun to take part in the acceleration of pho-tographic development, though once the web seemed accessible via the screen to more or less everyone, it was clear to us that our small contribution would soon dissolve in the great sea of data.

You don’t seem to make much of the nineteenth century’s idea of the genius. You produce your photos alongside your work as a psychotherapist but for you they aren’t necessarily products determined for sale in order to finance your living. Is your biography something like an antithesis of the typical artist’s biography? Yes, in our society there are rather romantic ideas about the personality of the artist. The ideal of a genius satisfies a variety of longings, entertaining for the onlooker but generally not for the artist. There is the longing for uniqueness, for

Herwig Turk, „Galerie Bois“, 1994––––––––––

Page 133: Zufall der Erinnerung

distinctiveness, as well as the wish to achieve immor-tality through a work of art. The romantic ideal of a genial, perhaps mad artist suffering because nobody understands him is a picture which doesn’t really do much for me.

I value the humanistic concept of art which ap-peals to an enlightened audience. I see myself above all as a person who would like to develop himself. That means I see curiosity as an impetus, I want to know the exact nature of things and find creative ex-pression for that. The combination of art, philosophy and psychology interests me and always has.

When I was young I read a book by Kant. I didn’t understand Kant but then I discovered Freud, and he understood me! I was interested in Surrealism and I painted in the Surrealist style. And then there was music. Apart from the deaths of Hendrix, Joplin and Morrison the thing that pained me most as a young person was that Freud didn’t like the Surrealists.

The interaction between photography and painting has a long history in the meantime. Your later works, especially the ‘paths’, with their painterly qualities, raise the question regarding your relationship to this medium. That reminds me of something which brings me back to the theme of the art market. A few years ago a collector came to my studio who knew my work from reproductions. He was sure that my pictures were paintings. As he only wanted to buy paintings, not photography, he went away disappointed. I watched him go, disap-pointed.

But back to your question. I was at first surprised when I realised that the photographic viewpoint had influenced paintings for several centuries already, initially through the camera obscura, then through portable equipment, the pictures from which it has only been possible to fix since the nineteenth century.

I see motion blur as something specifically photo-graphic. Neither film nor painting can depict move-ment like photography can. In the end every photo

shows a trace of reflected light although through short exposure times that trace of light is so short that we can not perceive it. We believe while look-ing at static photos that we are looking at the actual people or objects. As there is a great culturally-deter-mined need for ‘frozen’ shots, static photography is the synonym for photography in general.

A dynamic photo can come very close to our expe-rience of something. Then we don’t see an indistinct photo but something in the picture appeals to us di-

Nepal, 2000––––––––––

Page 134: Zufall der Erinnerung

rectly instead. Such a proximity to experience was something painters tried again and again to achieve. William Turner had himself strapped to a ship’s mast in the wildest gales in order to gather impressions for his paintings.

Is there an interaction between your work as an artist and that as a psychotherapist? As a psychotherapist I am

in dialogical contact with my clients. We look at the client’s experiences. In the course of psychotherapy subjective experience becomes more clearly express-ible until it finds a very precise representation; one could also say a depiction. The experience cannot be interpreted objectively however, or measured in a scientific sense. The encounter with another indi-vidual offers us the opportunity for concrete partici-pation, a clear examination and a nameable personal development. The authority to interpret one’s experi-ence and to evaluate one’s values remains the respon-sibility and within the autonomy of each one of us.

Our perception of our experience is clear and unclear at the same time. That which can be clearly named always has a limit, a horizon beyond which the unclear and indistinct appears. There is always a something that first has to be sorted, felt, consid-ered and named and there are different horizons. As researchers and explorers we like to direct our at-tention to the unknown on the furthest horizon but there are horizons too in the midst of the familiar and there are blurry spots in our pictures. There is always something perceived subliminally, something that we have either forgotten again or have never known. Freud called this region the unconscious.

My photography is between the poles of the clear and unclear, the nameable and indistinct, stretched between the objective and the subjective. The pho-tos are taken through an objective instrument, through the photographic objective and at the same time show the subjective conditions of the process through which they originate.

Is the working method of the artist related to that of the therapist? The artist is not a therapist but reflects their en-vironment and thereby gives others the opportunity to see the world afresh. Could you compare your work in this sense; are there points of contact or are there, to a certain extent, two people at work? I always begin to work in places in which I can’t be sure of finding something. Some-

„MAK“, Wien, 1984––––––––––

Page 135: Zufall der Erinnerung

times the thing I find is redundant or inconsequen-tial and then an idea, a thought is worked through and I can quickly move on to the next. Those works which remain are an offer to the viewer. Feedback, like a successful dialog, can close the circle and in-fluence new formulations. The artist who reflects his surroundings and makes something visible is the em-bodiment of a stroke of luck, sometimes it is also an ideal which is difficult to attain.

Work in psychotherapy is similar but hopefully more on target. Here dialog is immanent and it al-ways directs and carries the process further at the same time. The greatest similarity I see between my work as an artist and as a psychotherapist is the fun-damentally dialogical approach. The process always goes from the as-yet- unnameable to the nameable, from the unconscious to knowledge, from the private to the societal. If, as an artist, you give someone the opportunity to see something new you have really achieved something.

One often has the feeling that your pictures are photo stills from films. There is a narrative freshness accompanying your pictures. Are the photos staged or do they come directly from real life? At the beginning of the 80s I spent some time looking into staged photography, after that only rarely. Most of the time I simply have my camera with me and diary-like sequences just happen like that. I don’t actually wait for the so-called right moment. I think a lot of moments are good for taking a photo, especially when I’m together with other people.

Sometimes long series develop when I’m out walking. I shoot things at short intervals, maybe every few steps or seconds. Those series have very different qualities depending on whether I’m out in the wild or walking in the city. Meditative sequences emerge on hikes in the mountains or through forests, with a more abstract pictorial content.

In the city I focus on the people streaming by, passing, not greeting, not encountering each other,

as can only happen in a city. We see each other other-wise we would collide but we don’t look at each other because we don’t know each other. Only when a fa-miliar face appears do we greet that person and stop for a talk. When we walk through the city for half an hour, our gaze scans hundreds of faces like that. I’ve called this phenomenon the ‘urban encounter’.

Dream sequences are often shot indistinctly in films. It seems then that it is an associatively accepted visual interpretation. There is a close relationship between psychoanalysis and dreams. Is there possibly also a connection here to your artis-tic work? The parallels to indistinct dream sequences in films naturally exist. Dreams arise through work-ing on memories, among other things. Until digital photography appeared on the scene, photography was always a reminder of the moment of the actual shot so in that respect it was always a kind of feat of memory.

Photography’s ability to record moments with enormous accuracy and detail exceeds our human capacity to take it all in and remember it. The ‘how’ of an object can be well described through all the de-tails in a photo but when viewing such a photo one doesn’t reach the point of wonder over the actual ex-istence of objects.

Is that because the ‘how’ of the object isn’t interesting to you? I try to work towards an essence that doesn’t lie in the details of a photo. In the end my photos only prove the existence of an object.

In order to understand more about a person? I’m also inter-ested in the proximity we have to our experience. We aren’t conscious that our vision is predominantly un-clear. I’ve looked into the physiology and psychology of our perception and memory but I don’t look for a simple reflection of this in my work. Indistinctness and transience are aspects of our existence that are difficult for us to accept.

Page 136: Zufall der Erinnerung

Knabe, 1985

Page 137: Zufall der Erinnerung
Page 138: Zufall der Erinnerung

Rita M., 1985

Page 139: Zufall der Erinnerung
Page 140: Zufall der Erinnerung

Struktur, 2008

Page 141: Zufall der Erinnerung
Page 142: Zufall der Erinnerung

Brighton, 1986

Page 143: Zufall der Erinnerung

Nora N., 1985

Page 144: Zufall der Erinnerung

London, 1987

Page 145: Zufall der Erinnerung

Budapest, 2008

Page 146: Zufall der Erinnerung

Wien, 1984

Page 147: Zufall der Erinnerung
Page 148: Zufall der Erinnerung

Hüttschlag, 2005Langbathsee, 2011

Page 149: Zufall der Erinnerung

Klosterneuburg, 2011

Hüttschlag, 2005

Page 150: Zufall der Erinnerung

Wien, 2011

Page 151: Zufall der Erinnerung

Klosterneuburg, 2011

Wien, 2011

Page 152: Zufall der Erinnerung

Athen, 1984(Theresa K.)

Page 153: Zufall der Erinnerung
Page 154: Zufall der Erinnerung
Page 155: Zufall der Erinnerung

Hüttschlag, 2005

Page 156: Zufall der Erinnerung

Langbathsee, 2011

Page 157: Zufall der Erinnerung
Page 158: Zufall der Erinnerung
Page 159: Zufall der Erinnerung

*1958 in Wels, Oberösterreichlebt und arbeitet in Wien

Waldl beginnt 1982

zunächst mit dem Studium der Kunstgeschichte an

der Universität Wien, studiert dann Medienkunst an der Hochschule

für Angewandte Kunst bei Peter Weibel und gründet 1992 das Medienprojekt „Galerie bois“, das er bis 1995 leitet.

Nun beginnt er eine Ausbildung in Psychotherapie und Wirtschaftscoaching, um nach deren Abschluss nochmals an die

Universität Wien zurückzukehren und hier Philosophie zu studieren.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit betreibt er heute eine

Praxis, in welcher er im Rahmen von Organisationsberatung, Coaching

und Psychotherapie zahlreiche Klienten betreut.

Robert Waldl www.bois.at

*1958 in Wels. Upper Austria.Lives and works in Vienna. In 1982 Waldl starts studying the History of art at the University of Vienna, then studies Media Art with Peter Weibl at the University of Applied Arts. In 1992 he founds the media project ‚Gallery bois‘ which he continues to head until 1995. He then begins training in psychotherapy and business coaching, returning to the University of Vienna where he studies Philosophy. Today, in addition to his artistic work, he runs a practice in which he supports numerous clients in the fi elds of organisational consulting, coaching and psychotherapy.

Page 160: Zufall der Erinnerung

Dank an / Thanks to:Elisabeth Förster, Gerd Voss, Elisabeth Förster,

Gerd Voss, Elisabeth Förster,Elisabeth Förster, Gerd Voss, Elisabeth Förster,

Elisabeth Förster, Gerd Voss, undElisabeth Förster, Gerd Voss,

Page 161: Zufall der Erinnerung