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Zukunft findet Stadt 2017 Dokumentation der Jahresausstellung „mehr wohnen“ des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München

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Zukunft findet Stadt 2017

Dokumentation der Jahresausstellung „mehr wohnen“ des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München

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Verfasser Dr. Agnes Förster, Architektin, Stadtplanerin DASL Leila Unland, B.A., Lea Scholze, B.A. STUDIO | STADT | REGION Räumliche Prozesse gestalten 4architekten GbR Agnes Förster, Dr.-Ing. Architektin, Stadtplanerin DASL Susanna Knopp, Architektin ETH/DWB Jan Kurz, Dipl.-Ing. Architekt Markus Wassmer, Architekt ETH/SIA/DWB [email protected] http://www.studio-stadt-region.de Tel. 0049 (0)89 244 10 33-0, Fax -99 Dom-Pedro-Str. 7, D-80637 München Auftraggeber Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung Öffentlichkeitsarbeit, PlanTreff Blumenstraße 31 D-80331 München Stand München, April 2017

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Zukunft findet Stadt 2017

Dokumentation der Jahresausstellung „mehr wohnen“ des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München

1 Zusammenfassung der Ergebnisse 4

2 Programmübersicht 7 2.1 Das Jahresthema „mehr wohnen“ 7 2.2 Vier Rubriken 9 2.3 Konzept der Ausstellung und Veranstaltungsreihe 11 2.4 Ausstellungseröffnung 13 2.5 Rückmeldungen aus der Ausstellung 14 2.6 Führungen durch die Ausstellung 17

3 Abendveranstaltungen 19 3.1 Wohnen innovativ: Eine Ideenfabrik 19 3.2 Sozial gerecht: Münchens Ziele und Projekte 23 3.3 Region findet Stadt! Wohnen und Mehr 28 3.4 Positionen zur Europäischen Stadt – ein Streitgespräch 33 3.5 Wohnen XL – gestern, heute, morgen 37 3.6 Akteure und Allianzen: Wer trägt die Impulse weiter? 42

4 Jugendworkshop „Mini-Wohnen“ 47

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1 Zusammenfassung der Ergebnisse 4

1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Abbildung 1: „mehr wohnen – mehr wagen!?“ – das Thema begleitete die Diskussionen und die Veranstaltungen rund um die Jahresausstellung 2017. Foto: Krier + McKee

Über sieben Wochen hinweg wurde im Rahmen der Jahresausstellung des Referats für Stadtplanung und Bauordnung 2017 das Thema „mehr wohnen“ in München präsentiert, hinterfragt und diskutiert. Ziel der Ausstellung war es, Bürgerinnen und Bürger einerseits über Projekte und Maßnahmen zu informieren und eine öffentliche Wahrnehmung für das Thema des Wohnens zu erzeugen, andererseits die Bürge-rinnen und Bürger sowie unterschiedliche Akteure einzubinden. Die Ausstellung bot eine Plattform für den Austausch zwischen Politik, Verwaltung, Fachwelt, Akteuren am Wohnungsmarkt und Bürgerschaft. Die Landeshauptstadt München regte damit den Dialog zwischen einer breiten Palette von Akteuren an. Denn „mehr wohnen“ kann nicht durch kommunale Maßnahmen alleine erreicht werden, sondern Ideen und Lösungen müssen gemeinsam entwickelt und zeitnah umgesetzt werden. Die Rubriken „sozial gerecht“, „wohnen innovativ“, „gut zusammenleben“ und „ak-teure + allianzen“ stellen vier zentrale Handlungsfelder dar, die für die Wohnraum-schaffung in der wachsenden Stadt München von besonderer Bedeutung sind. Damit entwarfen Ausstellung und Veranstaltungen einen breiten und vernetzten Blick auf „mehr wohnen“, der über einzelne Projekte und Initiativen, laufende Pro-gramme und flächenhafte Planungen anschaulich und greifbar wird. In den Beiträ-gen der Ausstellung und Diskussionen traten einige Themen und Anliegen deutlich

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1 Zusammenfassung der Ergebnisse 5

hervor. Dabei lässt sich der Abschluss der Jahresausstellung 2017 zugleich als Auftakt verstehen, um die hier eingebrachten und erörterten Hinweise und Ideen in konkreten Projekten sowie räumlichen und thematischen Handlungsebenen weiter-zuentwickeln. Der akute Wohnungsmangel, der die Menschen betrifft, die heute bereits in Mün-chen wohnen oder die gerne hier wohnen würden, ist großes Gesprächsthema bei den Bürgerinnen und Bürgern. Dabei zeigt sich vielfach Unverständnis, warum sich die Lage seit Jahrzehnten nicht verbessert. Die Menschen suchen nach Informati-onsquellen, die ihnen ihre Chancen und Möglichkeiten, Wohnraum als Mieterin und Mieter oder Eigentümerin und Eigentümer zu finden, klar aufzeigen. Auf der Suche nach bezahlbaren Wohnungen werden transparente und intuitiv funktionierende Kommunikationswege gewünscht, die sowohl Hilfsbedürftigen als auch Normalver-dienenden leicht zugänglich sind. Große Lettern zierten die Wand der Rathausgalerie: „mehr wohnen – mehr wa-gen!?“. Wunsch und Bedarf nach neuen, ungewohnten Wegen zur Schaffung von „mehr wohnen“ wurden in Ausstellung und Veranstaltungen von vielen Seiten ge-äußert. Doch was kann das genau heißen? Neue Wege einzuschlagen benötigt einen Vertrauensvorschuss: denn Ergebnis und Erfolg zeigen sich erst nach der Realisierung. So haben beispielsweise die Genossinnen und Genossen des Pro-jekts wagnisArt großen Mut bewiesen, sich auf ein experimentelles Wohnprojekt einzulassen, das für seine ungewöhnliche Architektur und den neuartigen Entwick-lungsprozess heute weltweite Aufmerksamkeit auf sich zieht und mit dem Städte-baupreis 2016 ausgezeichnet wurde. Innovationen benötigen neben der guten Idee ein geeignetes institutionelles Umfeld. Eine Jahresausstellung im Herzen der Stadt ist genau der richtige Ort, damit Politik, Verwaltung und Akteure am Wohnungs-markt ihre Handlungsspielräume neu ausloten und mehr Raum für experimentelle Ansätze schaffen. Denn: Dem Ruf nach mehr Mut schlossen sich in der Jahresaus-stellung viele an – alleine die Umsetzung ist die große Unbekannte. Hinter der Münchner Wohnungskrise steckt die Flächenknappheit der Landes-hauptstadt. Verfügbare Flächen schwinden, die einst verschlossenen Kasernen sind bereits zum großen Teil entwickelt. Nun lautet die zentrale Aufgabe: Flächen noch effizienter nutzen und Möglichkeiten der Verdichtung nach innen ausschöpfen. An vielen Stellen stoßen hier die Interessen der Stadtentwicklung und der lokalen Nachbarschaft deutlich aufeinander. Um in dieser prekären Situation handlungsfä-hig zu bleiben, muss der Dialog mit der Nachbarschaft innerhalb und außerhalb eines Wohnprojekts schon in einem sehr frühen Stadium ansetzen, um gegenseiti-ges Vertrauen zwischen Bürgerschaft, Verwaltung, Bauherrschaft und Planerteam aufzubauen und gemeinsam erfolgreiche, zukunftsweisende Projekte zu realisieren. Und der Blick über die kommunalen Grenzen zeigt: Gelingende Dialoge zur Schaf-fung neuer Wohnungen mit einem Mehrwert auch für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sind in der ganzen Region nachgefragt. Bei all dem technologischen Fortschritt, von dem die vernetzte, globalisierte Gesell-schaft profitiert, halten sich die Menschen weiterhin sehr gerne in den qualitätsvol-len Wohn- und Stadträumen auf, welche die Stadterweiterungen im 19. bis frühen 20. Jahrhundert geschaffen haben. Prof. Christoph Mäckler erläutert die Baulinien-pläne Theodor Fischers, die zum gelungenen Städtebau des dichten Stadtviertels Schwabing führten. Die GEWOFAG initiiert ein Programm mit dem Titel „Zurück zu den Wurzeln“. Auch beim Hinterfragen heutiger Baustandards, deren Komplexität zu erhöhten Baukosten und demzufolge auch zu höheren Mieten führt, wird ver-sucht, vergangene Standards in ihrer Einfachheit neu zu erfinden. Es gilt heute an bewährte Lösungen anzuknüpfen, diese fortzuentwickeln und Innovationen an der richtigen Stelle einzufordern.

Mehr Kommunikation

Mutig zum Erfolg

Flächenknappheit und Nachbarschaft

Zu den Wurzeln

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1 Zusammenfassung der Ergebnisse 6

Die Landeshauptstadt München verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, um Quartiere und Wohnraum sozial gerecht zu erstellen. Die 1994 eingesetzte Sozial-gerechte Bodennutzung (SoBoN) findet zahlreiche Nachahmerinnen und Nachah-mer sowohl bundesweit als auch in den Kommunen der Region. Die akute Wohn-raumknappheit ist eine Chance, die Fragen einer sozial gerechten Stadtwicklung und Bodenpolitik erneut zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Dazu zählen die aktive Grundstücksakquise der Landeshauptstadt München, die Vergabe städti-scher Grundstücke in Erbpacht und die Nutzung von Konzeptausschreibungen. Weitere Akteure wie Unternehmen oder gemeinnützige und kirchliche Organisatio-nen sind bereit, sich für bezahlbaren Wohnraum zu engagieren. In der Quartiers-entwicklung entsteht gemeinschaftliche Infrastruktur durch die Kooperation ver-schiedener Eigentümerinnen und Eigentümer und Trägerinnen und Träger. „mehr wohnen“ heißt auch mehr Verkehr – und das ist der zentrale Diskussions-punkt in fast allen Wohnprojekten und Quartiersentwicklungen. Die Stellplatzfrage wird immer wieder sehr kontrovers diskutiert, der öffentliche Nahverkehr ist zu Stoßzeiten und auf den zentralen Strecken zunehmend überlastet. „mehr wohnen“ wird mit Mobilitätskonzepten flankiert, um aktiv Einfluss auf das Mobilitätsverhalten der neuen Bewohnerinnen und Bewohner zu nehmen. Doch das lokale Bemühen wird durch den hohen Verkehrsdruck, der auf der bestehenden Stadt lastet, überla-gert. Neben auf einzelne Projekte bezogenen Handlungsansätzen gilt es, stadtweit und regional das Thema Mobilität anzugehen. Sowohl in Bezug auf den Ausbau und die Schaffung eines nachhaltigen Mobilitätsangebots als auch für einen Wan-del hin zu einer zukunftsorientierten Mobilitätskultur. Große Potenziale für den Wohnungsbau werden in der Bildung gut funktionierender Allianzen gesehen. Die Organisationsform ist ein mindestens ebenso wichtiger Fak-tor für das Gelingen eines zukunftsfähigen Wohnprojekts wie der Städtebau und die Architektur. Im DomagkPark und im Prinz-Eugen-Park haben sich unterschiedliche Akteure im Wohnungsbau in einem Konsortium zusammengeschlossen, um nicht nur Wohnungen und Häuser, sondern ein lebenswertes Quartier und eine gemein-same Adresse zu schaffen. Modelle wie Genossenschaften und Baugemeinschaf-ten – ursprünglich von einer stadtaffinen Klientel entwickelt – finden Interesse und Zuspruch auch in vielen Orten der Region. Städtische Wohnungsbauunternehmen nutzen die Chance der Kooperation, um in Konsortien Lernprozesse im eigenen Hause anzustoßen oder um im Dialog mit anderen Kommunen einen Beitrag zu bezahlbarem Wohnen in der Region zu leisten. Auch Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, in Kooperationen selbst Wohnraum für ihre Angestellten oder Aus-zubildenden zu schaffen. Die an vielen Orten wahrnehmbare Entwicklungsdynamik in Stadt und Region Mün-chen stößt zugleich auf Bestehendes, Bewährtes und Geliebtes. Innerhalb der Stadt stehen den dicht bebauten Stadtvierteln die locker bebauten Wohngebiete mit zahl-reichen Einfamilienhäusern gegenüber. Auch diese sind ein Stück München. In der Region gibt es ebenfalls ganz unterschiedliche Ausgangspunkte und Entwicklungs-vorstellungen, um Wohnraum zu schaffen: Der Spannungsbogen reicht von der jungen, sich dynamisch entwickelnden Stadt Geretsried einerseits bis zur Gemein-de Oberhaching, die ihren dörflichen Charakter sorgsam pflegt und behutsam fort-entwickelt, anderseits. Die Lebensqualität in Stadt und Region lebt von beiden Cha-rakteren. Mit dem anhaltenden Wachstum verspüren viele Menschen zugleich ein Bedürfnis nach Heimat. Landschaft und Kulturgüter sind wichtige Ressourcen, um in bestehenden und neuen Quartieren Lebensqualität und Identität zu schaffen.

Sozial verpflichtet

Mobilität von morgen

Gemeinsam stark

Dynamik und Tradition

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2 Programmübersicht 7

2 Programmübersicht

2.1 Das Jahresthema „mehr wohnen“

Abbildung 2: Podium am 26.01.2017, Sozial gerecht: Münchens Ziele und Projekte. Gäste: Heide Rieke (SPD), Walter Zöller (CSU), Gülseren Demirel (Bündnis 90 / Die Grünen), Brigitte Wolf (ÖDP, Die Linken). Moderation: Frauke Burgdorff. Fotos: Krier + McKee

München ist attraktiv und München wächst weiter. Spätestens 2030 werden mehr als 1,7 Millionen Menschen in der Stadt leben. Dieses Wachstum zu managen ist eine große Herausforderung für die gesamte Stadtgesellschaft. Die Ausstellung „mehr wohnen“ zeigte vom 11. Januar bis zum 23. Februar 2017 in der Rathausga-lerie am Marienplatz, was die Stadt und ihre Wohnungsbaugesellschaften sowie private Akteure unternehmen, um München auch in Zukunft für alle lebenswert zu gestalten. Das Thema Wohnen brennt in München immer unter den Nägeln. Wohnraum-knappheit oder gar Wohnungsnot kennt die Stadt seit gut 150 Jahren. Heute befin-den sich die Stadt und Region München in einer Entwicklungsphase, in der sich die Wohnraumfrage abermals zuspitzt. Die Treiber dieser Entwicklung liegen im we-sentlichen außerhalb der Gestaltungsmöglichkeiten einer einzelnen Stadt: die wirt-schaftlichen Disparitäten in Deutschland und Europa und die damit verbundenen Bewegungen der Menschen hin zu chancenreichen Lebens- und Arbeitsräumen, der Wandel der Lebensstile hin zu der Wohnpräferenz in mittleren und großen Städ-ten und deren Agglomerationen, die Anlagekrise und die Flucht des Kapitals in Im-

Dauerbrenner Wohnen

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mobilien oder auch die sich jüngst zuspitzende Flüchtlingsbewegung in der Folge militärischer Auseinandersetzungen und der Auswirkungen des Klimawandels. Die Stadt München engagiert sich seit Jahrzehnten für die Themen Wohnungsbau, bezahlbarer Wohnraum und sozial gerechte Nutzung des Bodens als wichtige Fra-gen der Stadtentwicklung. Die Landeshauptstadt München verfügt über langjährige Erfahrungen und wird von vielen anderen Städten in Deutschland als Vorbild wahr-genommen und als Wissensträgerin angefragt. In der Innenwahrnehmung der Münchnerinnen und Münchner werden die kontinuierlichen Aktivitäten der Landes-hauptstadt zur Schaffung und Sicherung von Wohnraum häufig deutlich kritischer wahrgenommen – zu drängend erscheinen die aktuellen Herausforderungen. Mit dem Jahresmotto „mehr wohnen“ soll das Augenmerk auf die vielen laufenden und jüngst angestoßenen Initiativen, Impulse und Projekte rund um das Thema Wohnen in München gelenkt werden. Es tut sich viel: Die Landeshauptstadt Mün-chen zeigt Initiative und engagiert sich mit Förderprogrammen, dem Konzeptionel-len Mietwohnungsbau, der Unterstützung von Genossenschaften und Baugemein-schaften, dem Programm Wohnen für Alle oder der Regionalen Wohnungsbaukon-ferenz. Zugleich sind andere Akteure in jüngster Zeit sehr aktiv: die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, alte und neue Genossenschaften, private Bestands-halterinnen und Bestandshalter, die Initiative „Wohnraum für Alle!“ des Werkbunds Bayern, die Hochschulen, der Bund Deutscher Architekten und die Bayerische Ar-chitektenkammer. Die Ausstellung und das begleitende Veranstaltungsprogramm gaben Einblick in dieses Kaleidoskop der Initiativen, Impulse und Projekte und bildeten eine Platt-form, um diese neu miteinander zu vernetzen. Ausstellung und Programm boten Einblick in die vielen laufenden Projekte und Programme in der Stadt München, um diese durch lebendigen Austausch und Diskussion wiederum mit neuen Ideen zu bereichern und in ihrer Umsetzung voranzutreiben.

Kontinuität in München

Neue Initiativen, Impulse, Projekte

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2.2 Vier Rubriken

Abbildung 3: Tüten mit Informationsmaterialien und Abbildungen aus der Ausstellung stehen zur Mit-nahme bereit. Fotos: Krier + McKee

Die Ausstellung präsentierte Projekte der Stadt München und ihrer Wohnungsbau-gesellschaften, die Denkanstöße geben und neue Lösungswege aufzeigen. Die gemeinsame Aufgabe ist es, kostengünstigen Wohnraum in der Stadt zu erhalten und neu zu schaffen. Die Jahresausstellung machte „mehr wohnen“ in vier Dimen-sionen zum Thema: sozial gerecht, wohnen innovativ, gut zusammenleben und akteure + allianzen. Dabei wurden neue Formen des Zusammenlebens, kosten-günstige Modellvorhaben, das Hinterfragen von Standards und Regularien, Nach-verdichtung und Bestandssanierung sowie Strategien und Programme anhand ei-ner Projektauswahl vorgestellt. Diskussionsveranstaltungen, Workshops und Füh-rungen zu den vier Rubriken boten einen vertieften Einblick und lebendigen Aus-tausch, um diese vier Megathemen für „mehr wohnen“ in München aus verschiede-nen Perspektiven in den Blick zu nehmen. München setzt auf gemischte Quartiere, um soziale Brennpunkte zu vermeiden. Diese geplante “Münchner Mischung“ sorgt für ein ausgewogenes Verhältnis aller Einkommensgruppen. Zusätzlich werden in den Quartieren Integrationsangebote und Wohnprojekte für unterschiedliche Zielgruppen angeboten. Die Abendveranstaltung „Sozial gerecht: Münchens Ziele und Projekte“ am 26. Januar bot Gelegenheit, die Ziele und Strategien der Planungssprecherinnen und

sozial gerecht

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Planungssprecher der Fraktionen des Münchner Stadtrats und der Geschäftsfüh-rungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften zur Schaffung von neuem, bezahlbarem Wohnraum kennenzulernen. Neue Ideen sind gefragt – auch jenseits der gebauten und formalen Standards, um Baukosten und Bauzeit zu senken. Denn in Zukunft müssen preiswerte Wohnungen vor allem schnell entstehen. Es braucht gute Konzepte für verträgliche Dichten und einen flächensparenden Wohnungsbau. Der Wunsch nach individuellen Wohnfor-men, nach mehr Mitbestimmung und gemeinschaftlichem Bauen, aber auch ökolo-gische Gesichtspunkte machen innovative Lösungen erforderlich. Während der Veranstaltung „Wohnen innovativ: Eine Ideenfabrik“ am 17. Januar stellten Querdenkerinnen und Querdenker, Ideengeberinnen und Ideengeber ihre Lieblingsprojekte zum Wohnen vor. Im Mittelpunkt stand die Frage, was innovatives Bauen und Wohnen bedeuten kann. Das Hinterfragen von Baustandards zur Kos-tensenkung, innovative Grundrisslösungen durch Wohnen in der Gemeinschaft und technische Vernetzung wurden zu Diskussionsthemen des Abends. Auch der Workshop mit Schülerinnen und Schülern am 7. Februar bot Gelegenheit, frische Ideen der jungen Wohnungsbauerinnen und Wohnungsbauer und Stadtforscherin-nen und Stadtforscher einzuholen und mit den Vertreterinnen und Vertretern aus Stadtverwaltung und Politik zu diskutieren. München wird bunter, vielfältiger und größer. Der soziale Zusammenhalt vieler Menschen auf engem Raum funktioniert nur im Zusammenspiel aller Bewohnerin-nen und Bewohner. Gutes Zusammenleben wird gefördert durch gemischte Quar-tiere, in denen Alt und Jung, Arm und Reich sowie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur zusammen wohnen, einkaufen, ihre Freizeit gestalten und sich begegnen können. Ganz im Sinne der strategischen Leitlinie „Qualitätsvolle und charakteristische Stadträume“ der Perspektive München. Die Projekte unter der Rubrik „gut zusammenleben“ legten ihren Fokus auf unter-schiedliche Fragen der Nachbarschaft: Nachverdichtungen in innerstädtischen In-nenhöfen, Wohnen und Arbeiten in unmittelbarer Nähe zueinander, aber auch der behutsame Umgang mit Bestandsgebäuden. Dabei wird deutlich, dass das Bauen in bestehenden Stadtgefügen die Toleranz der Stadtgesellschaft fordert. Neubau-projekte versuchen die Identität der Nachbarschaft von Beginn an zu berücksichti-gen, beispielsweise durch große Gemeinschaftsgärten, eine frühzeitige Partizipation bei der städtebaulichen Formfindung, eine enge Verknüpfung zwischen bestehen-den und neuen Wohnvierteln sowie die Verbesserung der Infrastruktur für alte und neue Bewohnerinnen und Bewohner. Die Veranstaltungen „Positionen zur Euro-päischen Stadt. Ein Streitgespräch“ am 8. Februar und „Wohnen XL – gestern, heute, morgen“ am 15. Februar gaben Einblick in die komplexen städtebaulichen und sozialen Fragen, welche sich mit der Schaffung von bezahlbarem Wohnen in lebenswerten Quartieren verbinden. Die Wohnraumfrage ist Chefsache! In Politik und Verwaltung hat das Thema Woh-nen oberste Priorität. Neben der privaten Wohnungswirtschaft braucht es engagier-te Genossenschaften, Baugemeinschaften und die städtischen Wohnungsunter-nehmen, um die ehrgeizigen Ziele für den Wohnungsbau in München zu erreichen. Und: Die Wohnraumfrage kann nur gemeinsam mit der Region gelöst werden. Die Abschlussveranstaltung der Jahresausstellung fand unter dem Titel „Akteure und Allianzen: Wer trägt die Impulse weiter?“ statt. Stadtbaurätin Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk lud ein, den Fokus des Abends auf das Modell des Konsortiums zu legen. Akteure des Wohnungsbaus berichteten über ihre Erfahrungen mit der Ko-operation in einem Konsortium und die Synergieeffekte, die damit einhergehen.

wohnen innovativ

gut zusammenleben

akteure + allianzen

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2.3 Konzept der Ausstellung und Veranstaltungsreihe

Abbildung 4: Impression aus dem Ausstellungsraum. Foto: Krier + McKee

Die Ausstellung in der Rathausgalerie wurde wöchentlich durch thematisch pas-sende Veranstaltungen ergänzt. In den Räumen der Ausstellung boten sechs Abendveranstaltungen die Gelegenheit, mit Vertreterinnen und Vertretern aus Poli-tik, Verwaltung und Planung zu diskutieren. Sechs Stadtspaziergänge führten Bür-gerinnen und Bürger in unterschiedliche Stadtteile, um Projekte vor Ort kennenzu-lernen. Interessierte aus ganz unterschiedlichen Perspektiven kamen in den sechs öffentlichen Führungen durch die Ausstellung gemeinsam ins Gespräch. Der Ort der Ausstellung bildete damit über sieben Wochen hinweg den Rahmen für Veranstaltungen, Information, Begegnung und Vernetzung. Als Plattform für Dis-kussion und Austausch kamen Bürgerinnen und Bürger und Expertinnen und Ex-perten zusammen und es ergab sich ein lebendiger Dialog zur Wohnraumfrage in München. „mehr wohnen“ diente nicht als Leistungsschau; Leitgedanke der Ausstellungskon-zeption war vielmehr, eine Werkstatt für die gemeinsame Diskussion zum Thema Wohnen in München anzubieten. Die präsentierten Projekte, die den vier Rubriken „sozial gerecht“, „wohnen innovativ“, „gut zusammenleben“ und „akteure + allian-zen“ zugeordnet wurden, waren eine Auswahl aus den vielen aktuellen Projekten, die im Stadtgebiet München umgesetzt werden. Ergänzt wurde dieses Portfolio

Konzept Ausstellung

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2 Programmübersicht 12

durch ausgewählte Projekte aus der Region sowie Ideen, die zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Auf Tapeziertischen aufbereitet, vermittelte die Ausstellung einen Werkstatt-Charakter und bot den Besucherinnen und Besuchern Einblick in kürzlich abgeschlossene und noch laufende Wohnprojekte in München. In den sieben Ausstellungswochen zwischen dem 11. Januar und dem 23. Februar 2017 verzeichnete die Ausstellung rund 15.700 Besucherinnen und Besucher. Sechs öffentliche Abendveranstaltungen boten die Möglichkeit, Projektbeteiligte der ausgestellten Wohnprojekte und bundesweit involvierte Expertinnen und Exper-ten zu hören und mit ihnen in den Dialog zu treten. Die Veranstaltungen knüpften an die vier Rubriken der Ausstellung an. Realisierte und geplante Wohn- und Stadt-entwicklungsprojekte wurden in direkte Verbindung gesetzt zur aktuellen Diskussi-on wichtiger Themen des Wohnungsbaus und zu Herausforderungen und Strate-gien der Stadtentwicklung. Jede öffentliche Veranstaltung war mit 100 bis 150 Personen besucht. Das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt entstand wäh-rend sechs öffentlichen Führungen. Freitagnachmittags und während der Langen Nacht der Architektur nahmen insgesamt 130 Besucherinnen und Besucher an den Führungen teil. Neben Fragen zu den konkreten Projekten entstanden auch allgemeine Diskussionen zur Wohnungsfrage in München. Dabei trafen ganz unter-schiedliche Meinungen aufeinander. Darüber hinaus wurden 23 geladene Führungen für Bürgerinnen und Bürger und Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung, weiterer Institutionen und inte-ressierter Gruppen innerhalb und außerhalb der Stadt München veranstaltet.

Konzept Veranstaltungsreihe

Weitere Bausteine der Kommunikation und Vernetzung

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2.4 Ausstellungseröffnung

Abbildung 5: Impressionen aus der Vernissage am 10. Januar 2017. Fotos: Krier + McKee

Oberbürgermeister Dieter Reiter und Stadtbaurätin Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk eröff-neten am Dienstag, 10. Januar 2017, die Jahresausstellung in der Rathausgalerie. Die Ausstellungseröffnung läutete das Jahresthema „mehr wohnen“ ein, bot einen ersten Einblick in die Ausstellung und kündigte das umfassende Veranstaltungs-programm an. Zahlreiche Gäste aus Politik, Verwaltung, Immobilienunternehmen, freien Planungsbüros, Verbänden, Vereinen und Initiativen nutzten die Eröffnung zum intensiven Austausch und netzwerken. Oberbürgermeister und Stadtbaurätin betonten, dass die Herausforderung und Aufgabe „mehr wohnen“ München schon seit vielen Jahrzehnten beschäftige. Die letzte Jahresausstellung zum Thema Woh-nen fand 2007 unter Oberbürgermeister Christian Ude und Stadtbaurätin Christiane Thalgott statt und hatte den Titel „Wohnort: München“. Eine besondere Aufgabe sei es, die Schaffung von Wohnraum aus einer stadtweiten Verantwortung voranzutrei-ben, mit hoher Qualität zu gestalten, dabei zugleich die Wahrnehmungen und Be-dürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den verschiedenen Stadtteilen vor Ort ernst zu nehmen und einen konstruktiven Dialog zu pflegen. Stadtbaurätin Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk lobte ihre Kolleginnen und Kollegen für die guten und rich-tungsweisenden Fortschritte, Pläne und Visionen, appellierte aber auch an die Um-setzung jener Pläne. Außerdem wünschte sie sich mehr Mut: denn „mehr wohnen“ bedeute auch „mehr wagen“!

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2.5 Rückmeldungen aus der Ausstellung

Abbildung 6: Möglichkeiten zur Rückmeldung und zum Austuasch zu den vier Rubriken. Foto: Krier + McKee

Die vier Rubriken der Ausstellung „mehr wohnen“ wurden in der Ausstellung durch vier Banner vorgestellt, die zugleich als Orientierungshilfe für die thematische Glie-derung der Ausstellung dienten. Auf der Rückseite der Plakate wurden die Besu-cherinnen und Besucher durch Fragen animiert, einen eigenen Beitrag zur Aus-stellung zu leisten. Hinweise, Kommentare und Ideen konnten direkt auf die Pla-kate geschrieben werden. Dadurch war zugleich ein Meinungsaustausch unter den Besuchenden möglich: Einige Hinweise bezogen sich gegenseitig aufeinander, wodurch unterschiedliche Bedürfnisse und Wahrnehmungen deutlich wurden. Welche Zielgruppen sollen in gemischten Quartieren stärker vertreten sein? Der Wunsch nach generationenübergreifendem Wohnen und Wohnraum in der Stadt, der auch im Alter bezahlbar bleibt, wurde vielfach geäußert. Der Mittelstand benötige mehr Wohnungsangebote. Auch alleinerziehende Mütter müssten günsti-gen Wohnraum finden. Das Angebot an barrierefreien Wohnungen solle ausgebaut werden, um auch Menschen mit Behinderung ein Leben in gemischten Quartieren zu ermöglichen. Dass auch Immigrantinnen und Immigranten und geflüchtete Men-schen zu den Zielgruppen gemischer Quartiere gehören, wurde explizit genannt. Was bedeutet „sozial gerecht“ wohnen? Die Mischung von alter und junger Bewohnerschaft in unmittelbarer Nähe mache

Plakatwände

sozial gerecht

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2 Programmübersicht 15

Austausch und gegenseitige Unterstützung möglich, von der alle profitieren. Damit sich mehr Menschen ihre Miete leisten können, wird gefordert, die Wohngeldgren-zen zu erhöhen. „sozial gerecht“ bedeutet für einen Besuchenden, dass sich „jeder Haushalt wohnen leisten kann.“ Auch die Barrierefreiheit wird als ein Merkmal sozial gerechten Bauens eingestuft. Ein anderer Vorschlag schlägt den TÜV für Wohnun-gen vor, zu dem sich Vermieter verpflichten sollen. Statt dem anonymen Nebenei-nander, fördern Gemeinschaftsbereiche Begegnung und Zusammenleben. „mehr wohnen“ für alle und überall – Flächenreserven nutzen? Statt Eigentumswohnungen soll bezahlbarer Wohnraum im Fokus stehen. Die Kommentatorinnen und Kommentatoren setzten sich dafür ein, dass freie städti-sche Grundstücke vorwiegend an Genossenschaften vergeben werden. Private Investoren sollten nur noch Erbpachtgrundstücke erhalten. Andere Stimmen äußer-ten, dass die Landeshauptstadt öfter Gebrauch von ihrem Vorkaufsrecht machen solle. Stapeln, Aufstocken und mehrfach Nutzen wurden als Lösungen gesehen, um mehr Dichte zu erlangen. Gleichzeitig wurde das Verlangen nach mehr Grün und der Sicherung der städtischen Grünflächen, die Luft und Platz zur Erholung bringen, deutlich artikuliert. Mehr Flächen für private Gärten, Dachgärten auf Flachdächern und Bäume werden in der dichten Stadt für die Sicherung der Lebens- und Wohn-qualität erwünscht. Flächenreserven werden über Gewerbe- und Geschäftsgebäu-den sowie auf Parkplätzen gesehen. Flachdächer sollten besser genutzt werden. Wer muss in Zukunft mit ins Boot? Visionärinnen und Visionäre, Querdenkerinnen und Querdenker, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Mieterinnen und Mieter, junge Architektinnen und Architekten und Kinder: Die Besucher zählten ein großes Spektrum unterschiedlichster Personen auf, die gemeinsam aktiv werden müssen. Wenn es heißt Allianzen zu bilden, sollen Genossenschaften, Wohnprojekte und Mietshäuser-Syndikate mit Visionärinnen und Visionären im Team arbeiten, um sich Gedanken zu machen, wie wir in Zukunft leben wollen. Mieterinnen und Mieter, insbesondere auch Seniorinnen und Senio-ren, sollen ihre Stimmung und Meinung stärker einbringen können, beispielsweise über Vereine oder Minigenossenschaften. Es gilt dabei, voneinander zu lernen und gemeinsame Ziele zu erreichen. Investorinnen und Investoren sollen insgesamt weniger zur Sprache kommen, als private und gemeinnützige Akteure. Es brauche aktive statt wütende Bürgerinnen und Bürger. Auch die jungen Architektinnen und Architekten, die in München eine gute universitäre Ausbildung erlangen, können mit dazu beitragen, qualitativ hochwertigen Wohnungsbau zu entwickeln. Wie viel Partizipation ist sinnvoll? Frühzeitige Einbindung und die Nutzung eines großen Spektrums guter Ideen bei der Planung werden als Qualitätssteigerung des späteren Ergebnisses empfunden. Die Stadt solle auch bei privat finanzierten Projekten mehr Vorgaben zum Energie-sparen, zu Mobilität und zur Partizipation einfordern. Wo funktioniert die Zusammenarbeit, wo nicht? Das Verfolgen gemeinsamer Interessen wird als gute Basis für eine Zusammenar-beit bewertet. Auf regionaler Ebene erscheinen die große räumliche Umgriff und die sehr vielfältigen Teilräume der Metropolregion München als Hürden für eine verbes-serte Kooperation. „gut zusammenleben“ – wie funktioniert das? Für das gute Zusammenleben werden Nachbarschaftstreffs, für die Menschen aus-gelegte urbane Plätze und ausreichend Grünflächen in Wohngebieten als wichtige Faktoren genannt. Mischbelegungen und Mischfunktionen tragen zum guten Gefü-ge bei, wobei Toleranz in der Nachbarschaft und Rücksicht auf andere unabkömm-lich sind. Gute Kommunikation und Integration sind prägend für gutes Zusammen-

akteure + allianzen

gut zusammenleben

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leben. Wohngemeinschaften und generationenübergreifendes, barrierefreies Woh-nen, zum Beispiel in Clusterwohnungen, werden als Potentiale benannt. Was muss sich ändern? Die Beziehung zwischen Alt und Jung soll gepflegt werden, da sie zu mehr Zusam-menhalt und Hilfsbereitschaft führt und das achtsame Zusammenleben fördert. Mietpreise müssen stabil bleiben oder sinken. Um der Altersarmut und dem daraus folgenden unfreiwilligen Wegzug aus München zu entgehen, wird mehr Wohnungs-eigentum aber auch der Mietkauf, eine aus Nachbarländern übernommene Idee, vorgeschlagen. Eine andere Stimme meinte, dass der Schlüssel für gutes Zusam-menleben darin liegt, weniger Wert auf das eigene Eigentum zu legen und die Rücksichtnahme und die Auswirkungen der eigenen Handlungen mehr zu reflektie-ren. Vom Haus zum Quartier – weniger Flächen, mehr Gemeinschaft? Funktioniert das? Um Wohnraum zu schaffen wird vorgeschlagen, stärker in die Höhe zu bauen. Gro-ßer Handlungsbedarf wird bei alternativen Mobilitätskonzepten wie Carsharing-Angeboten und dem Ausbau des Radwegenetzes gesehen, denn diese wirken sich positiv auch auf das gemeinschaftliche Leben im Quartier aus. In der dichter wer-denden Stadt wird die Mischung von Arm und Reich zu einer Herausforderung, die nicht unterschätzt werden darf. Einige Besuchende befürchten eine zunehmende Ghettobildung. Eine gute Mischung in den Erdgeschosszonen neuer Siedlungsge-biete, mit Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und Restaurants, sichert die Begegnung im Quartier. „wohnen innovativ“? Gute Beispiele für innovatives Wohnen sind gefragt! Es wurde vielfach der Wunsch geäußert Wohnen, Arbeiten und Freizeit stärker zu vernetzen, um damit mehr Urbanität zu gewinnen. Urbanität erfordere auch Mut zu höheren Gebäuden und ausgefallenen Umsetzungen. Zur Verbesserung des Stadtlebens wurde eine stärkere Verkehrsberuhigung gefordert, welche Autos aus der Innenstadt heraushält. Innovationen und Nachhaltigkeit wurden auch in Bezug auf Materialien angeregt. Lehmbau beispielsweise ist ökologisch und günstig, schafft ein gutes Raumklima und ist energetisch effektiver als Beton. Zahlreiche Kommentare wiesen darauf hin, dass in den Wohnungen vieler älterer Paare, deren Kinder bereits ausgezogen sind, und bei Seniorinnen und Senioren Zimmer unge-nutzt seien, die untervermietet werden könnten. Dabei würden auch die Hauptmie-ter vom guten Austausch profitieren. Da die Kirchengemeinden ihre gemeinschaftli-che Funktion weitestgehend verloren haben, sollten heute die Kommunen Raum schaffen, der für Begegnung und Nachbarschaft zur Verfügung steht. Stapel, Stelzen, Mischen, Teilen – welche Impulse führen weiter? Nachverdichtung könne vor allem durch Aufstockungen stattfinden. Dabei müssen Baustellen deutlich leiser werden. Generell solle nicht nur im rechten Winkel gebaut und geplant werden, damit die Vielfalt des Stadtbildes erhöht wird. Wo kann München mutiger werden? Das Stadtbild solle insgesamt individueller und weniger konservativ gedacht wer-den. Mehr Holz und Ornamentik, geringere Abstandsflächen und mehr Hochhäuser werden vorgeschlagen. München solle sich Wien zum Vorbild nehmen und mehr städtische Wohnungen anbieten. Der Fokus der Stadtentwicklung solle verstärkt auf Umbau, Neugestaltung und auch Neubau von bestehenden und leerstehenden Häusern gelegt werden. Der Ausbau der Infrastruktur kann heute weniger attraktive Viertel neuen Anziehungspunkten machen. Ghettobildungen müssen vermieden werden und Bürgerinnen und Bürger häufiger dazu motiviert werden, ihren sozialen Lebensraum mitzugestalten.

wohnen innovativ

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2 Programmübersicht 17

2.6 Führungen durch die Ausstellung

Abbildung 7: Impression aus der Ausstellung in der Rathausgalerie. Foto: Krier + McKee

Öffentliche Führungen durch die Ausstellung wurden freitagnachmittags von 14 bis 15 Uhr in der Rathausgalerie und zu zwei Terminen während der Langen Nacht der Architektur am 20. Januar 2017 angeboten. An den insgesamt sechs Führungen nahmen jeweils 15 bis 20 Interessierte teil. Teilnehmende waren hauptsächlich Berufstätige unterschiedlichen Alters sowie Seniorinnen und Senioren. Viele der Teilnehmenden sind im Laufe ihres Lebens nach München gezogen, wohnen aber schon seit längerem hier. Neben generell am Thema Interessierten und Wohnungssuchenden waren bei jeder Führung auch Teilnehmende mit fachlichem Hintergrundwissen anwesend. Einige Führungen profitierten von Teilnehmenden, die direkt an Projekten der Ausstellung beteiligt waren und somit zusätzliche Einblicke aus ihrer Perspektive geben konnten. Die Teilnehmenden der Führungen zeigten großes Interesse an den ausgestellten Projekten und stellten vor allem zu Projekten, die sich in Planung und in Realisie-rung befinden, detailierte Fragen. Oft wurde auch nach Kontakten zu Betreibenden und Vermietenden dieser Projekte gefragt. Andere Wohnungssuchende fragten, an wen man sich wenden müsse, um in München Wohnungen zur Miete zu finden. Darüber hinaus gab es Fragen zu konkreten Baukosten sowie zu geförderten Ein-gentumswohnungen nach dem München Modell.

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Neben diesen konkreten Fragen zu Projekten und den Fragen der Wohnungssu-chenden zeigte sich eine hohe Diskussionsbereitschaft zum Thema der wachsen-den Stadt München. Soll und kann man den Zuzug nach München stoppen? Wer-den anerkannte Flüchtlinge bei der Wohnungsvergabe bevorzugt? Mit welchen Landkreisen und Kommunen der Region München ist die Stadt in Kontakt, um ge-meinsam Lösungen zur Bekämpfung des Wohnraummangels zu finden? Die Teil-nehmerinnen und Teilnehmer gingen meist direkt untereinander auf ihre Fragen und Anmerkungen ein. Die Herausforderung der Wohnraumknappheit, vor der München schon lange steht, wurde von den Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlich wahr-genommen. Diejenigen, die keinen direkten Kontakt zu den Planungen und Projek-ten der Stadt München haben, äußern häufig die Wahrnehmung, dass die Stadt München nichts gegen den enormen Wohnungsmangel tue und dass der Zuzug in die Stadt gestoppt werden müsse. Bürgerinnen und Bürger, die über mehr Informa-tionen zu den Vorgängen der Stadtplanung verfügen, nehmen das Handeln der Stadt wesentlich positiver wahr, sind sich aber auch über die ungelöste Herausfor-derung der Wohnraumschaffung im Klaren. Vor dem großen blauen Modell, das die fiktive Entwicklung von Trudering zu einer Selbstbaustadt zeigt, wurde am Ende der Führungen über das Thema „mehr woh-nen – mehr wagen!?“ heiß diskutiert. Nur wenige können sich eine eigene hand-werkliche Beteiligung am selbstgebauten Eigenheim vorstellen. Einige Besucherin-nen und Besucher sahen vor allem die jüngere Generation angesprochen, Auszu-bildende, Studierende und junge Berufstätige, die hier selbst Hand anlegen könn-ten.

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3 Abendveranstaltungen 19

3 Abendveranstaltungen

3.1 Wohnen innovativ: Eine Ideenfabrik

Abbildung 8: Dr. Alexandra Cerny moderierte zusammen mit Anne Hogeback die Veranstaltung „Wohnen innovativ“. Fotos: Stefan Klitzsch

Die erste Abendveranstaltung der Jahresausstellung mit dem Titel „Wohnen innova-tiv – eine Ideenfabrik“ fand am 17. Januar 2017 statt. Der Abend galt der Vorstel-lung innovativer Wohnprojekte, die von sieben geladenen Gästen aus Architektur, Stadtplanung und Projektentwicklung vorgestellt wurden. Die geladenen Expertin-nen und Experten präsentierten ihre Lieblingsprojekte zu innovativem Wohnen in nur zehn Minuten. Die Vorgabe war, ein Projekt zu wählen, das größer ist als eine Wohnung und kleiner als ein ganzes Quartier. Es sollte erläutert werden, was das „Lieblings-Projekt“ besonders innovativ macht, sei es beispielsweise die besondere Finanzierung, die außergewöhnliche Akteurskonstellation oder das soziale Konzept. Jeweils im Anschluss war das Publikum dazu aufgerufen, das präsentierte Projekt mit einer der vier bunten Karten unter den vier Rubriken der Ausstellung „besonders gut zusammenleben“, „besonders sozial gerecht“, „besonders durch seine akteure + allianzen“ oder „rundum besonders innovativ“ zu bewerten. Referenten nach der Reihenfolge ihrer Kurzvorträge waren: – Rainer Hofmann, Architekt und Stadtplaner,

Büroinhaber bogevischs buero, München

Thema und Ablauf der Veranstaltung

Mitwirkende

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– Susanne Flynn, Architektin, Aufsichtsrat KunstWohnWerke München eG

– Klaus Illigmann, Stadtentwicklungsplanung, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, München

– Natalie Schaller, Projektleitung und Öffentlichkeitsarbeit, Mitbauzentrale München

– Gerda Peter, Geschäftsführerin GWG München

– Anaïs Wiedenhöfer, Master-Absolventin Urban Design, HafenCity Universität Hamburg

– Christiane Schmidt, Architektin, BeL Sozietät für Architektur BDA, Köln Moderation: Alexandra Cerny und Anne Hogeback, PlanTreff Rainer Hofmann sprach über den ungewöhnlichen Entwicklungsprozess des Wohnprojekts WagnisArt als Teil des Konsortiums im Münchner DomagkPark. Aus-schlaggebend für das Ergebnis des Projekts sei gewesen, dass die Meinung der Genossinnen und Genossen bereits während der frühen Planungsphasen sehr ernst genommen wurde. Die moderierenden Architekten setzten die im Dialog entstande-nen Skizzen formell um. Das Potential des Vorgehens lag darin, dass der entstan-dene Entwurf im späteren Verhandlungsprozess durch die starke Identifikation der Genossinnen und Genossen mit der entstandenen Form weiterentwickelt und durchgesetzt werden konnte. Dabei entstand eine vielfältige Mischung verschiede-ner Wohnungstypen, darunter die erste Clusterwohnanlage Münchens, in der sich acht Bewohnerinnen und Bewohner einen 100 Quadratmeter großen Gemein-schaftsbereich teilen. Das Projekt streitfeld in einer alten Kleiderfabrik in Berg am Laim ist die lang erar-beitete Realisierung eines Gewerbe- und Wohnraumprojekts der Genossenschaft KunstWohnWerke eG. Das Prinzip „mehr Leben durch Mischung“ erläuterte Susanne Flynn am Beispiel einer Malerin, die ihre Lebensbereiche Wohnen und Arbeiten räumlich durch Bad und Küche trennt. Sie besitzt einen Atelier- und einen Wohnvertrag. Im Außenraum konnte zudem Grün erhalten bleiben, da unter ande-rem der 24-Stunden-Betrieb weniger Stellplätze notwendig machte. Mit dem Pilotprojekt „Smarter Together“ wird die Transformation der Bestandsarea-le Westkreuz / Neuaubing durch den Einsatz intelligenter Technologien im urba-nen Umfeld getestet. Die Landeshauptstadt München hat hier ein Reallabor eröff-net. Klaus Illigmann erklärte, dass mit Hilfe neuer Technologien Lösungen geliefert werden, um komplexe Prozesse mit Blick auf integrierte Infrastruktur und Dienste, Mobilität und Energie umzusetzen. Zukünftig soll damit auch andernorts auf den enormen Transformationsdruck, der auf bestehenden Strukturen lastet, intelligent reagiert werden. Natalie Schaller lobt das Wohnprojekt Wien für das harmonische Zusammenpassen der Werte und der Stimmung von Gebäude und Menschen sowie das Gelingen, in einer „selbstverwalteten Gemeinschaft“ „nachhaltig zu leben“. Nach dem Prinzip der Soziokratie zeige sich hier basisdemokratisches Handeln mit hoher Profes-sionalität in der guten Organisation und dem hohen Maß an Mitbestimmung. Der „Verein für nachhaltiges Leben“ setzt sich als Bauherr den bewussten Verbrauch zum Ziel und fordert ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Als „Wohnheim“ funk-tionierend, verzichtet das Projekt auf Stellplätze. Natalie Schaller betonte, dass der Architektin und dem Architekten in seiner Rolle als Dienstleister die Übersetzung von Wünschen und Visionen im gelebten Raum gelingen muss. Dabei solle den mündigen Bauherrinnen und Bauherren Platz gegeben, den Meinungen und Emp-

Inputs und Diskussionsbeiträge

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findungen der Bürgerinnen und Bürger Vertrauen geschenkt und allgemein mehr Mut und Experimentierfreudigkeit gezeigt werden. „Weniger ist mehr“: Das Minimalprojekt der GWG versucht, zurück zum Ursprüngli-chen zu finden und Standards zu vereinfachen. Gerda Peter stellte Innovation im Kontext Wohnungsbau in Bezug zu Bezahlbarkeit. Mit der Strategie, Richtlinien, technische und strukturelle Standards grundlegend zu hinterfragen, ist es der GWG gelungen, die Baukosten zu senken und 20 Prozent unter den Wertstandards zu bleiben. Der geplante Mietpreis beläuft sich auf zehn Euro pro Quadratmeter. Die Master-Absolventin Anaïs Wiedenhöfer erörterte, wie der Zusammenschluss vieler Akteure Innovation auf dem HunzigerAreal in Zürich möglich machte und dabei eine Lern- und Innovationsplattform für Genossenschaften entstanden ist. Durch den kuratierten Partizipations- und Kommunikationsprozess, sich enga-gierende Personen und den offenen Umgang mit Regularien, ist ein Flächenver-brauch von 35 Quadratmeter pro Person ermöglicht worden. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die sich auf konkrete Wohnungen beworben hatten, profitieren von der Nutzungsmischung des Areals und den gemeinschaftlichen Funktionen. Selbst-organisation und Toleranz gehören zum Alltag. Mit einem fiktiven Stadtbauprojekt für die Biennale 2016 übertrugen BeL Architek-ten das Prinzip des Selberbauens auf den Maßstab des Städtebaus, die „Selbst-baustädte“. Das Projekt „Grundbau und Siedler“ für die Internationale Bauausstel-lung Hamburg 2013 wurde im Sinne eines „elastischen Städtebau“ weiterentwi-ckelt. Das Prinzip wird in vier Stadtvierteln vier deutscher Großstädte fiktiv auspro-biert und in einem großen blauen Styrodurmodell bildlich dargestellt. Es gilt heraus-zufinden: Wie viel Eigenbeteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner kann bei der Errichtung ihres Wohnraums verlangt und gewagt werden? Eines erscheint sicher: Die Dauer-Eigenbau-Baustellen brächten eine große Vielfalt in die Städte zurück.

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Abbildung 9: Impressionen aus der Veranstaltung Wohnen innovativ: Eine Ideenfabrik. Fotos: Stefan Klitzsch

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3.2 Sozial gerecht: Münchens Ziele und Projekte

Abbildung 10: Impression aus der Veranstaltung „Sozial gerecht: Münchens Ziele und Projekte“. Auf der Bühne: Prof. Dr. Engelbert Lütke Daldrup. Foto: Krier + McKee

Im Rahmen der zweiten Abendveranstaltung „Sozial gerecht: Münchens Ziele und Projekte“ wurden durch jeweils abwechselnde Impulsvorträge und Podiumsdiskus-sionen die Mittel, Wege und Projekte zur Umsetzung des kommunalen Handlungs-programms „Wohnen in München VI“ dargestellt. 870 Millionen Euro sollen von 2017 bis 2021 durch das städtische Förderprogramm in neue, bezahlbare Woh-nungen investiert werden. Prof. Dr. Engelbert Lütke Daldrup, damals Staatssekretär für Flughafenpolitik und Strategien für Berlin, leitete den Abend mit einem Impuls-vortrag ein. In der darauffolgenden Podiumsdiskussion präsentierten Stadträtinnen und Stadträte verschiedener Parteien ihre Positionen zum Thema. Auf den nachfol-genden Impulsvortrag von Michael Hardi, Architekt und Ressortleiter Bau bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG folgte eine zweite Podiumsdis-kussion mit den Geschäftsführungen der GEWOFAG und GWG. Begrüßung – Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München

Thema und Ablauf der Veranstaltung

Mitwirkende

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Impulsvortrag: – Prof. Dr. Engelbert Lütke Daldrup, damals Staatssekretär Flughafenpolitik und

Strategien für Berlin Podiumsdiskussion I: Stadträtinnen und Stadträte – Heide Rieke, SPD-Fraktion

– Walter Zöller, CSU-Fraktion

– Gülseren Demirel, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen / Rosa Liste

– Brigitte Wolf, Ausschussgemeinschaft ÖDP / Die Linke Impulsvortrag – Michael Hardi, Architekt, Ressortleiter Bau bei der städtischen Wohnungsbau-

gesellschaft GEWOFAG Podiumsdiskussion II: Geschäftsführungen der städtischen Wohnungsbaugesell-schaften – Dr. Klaus-Michael Dengler, GEWOFAG

– Max Straßer, GEWOFAG

– Christian Amlong, GWG

– Gerda Peter, GWG Moderation: Frauke Burgdorff, Burgdorff Stadt, Bochum Die Veranstaltung begann mit der Begrüßung durch Stadtbaurätin Prof. Dr.(I) Elisa-beth Merk. Die Wichtigkeit und Aktualität des Themas der Abendveranstaltung wurden hervorgehoben. Im Rahmen des Programms „Wohnen in München VI“ werden bis 2021 von der Landeshauptstadt über 800 Millionen Euro, insgesamt sogar 1,5 Milliarden Euro, investiert. Der Abend bot Gelegenheit, die Rolle der Lan-deshauptstadt sowie der städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu diskutieren. In einem ersten Impulsvortrag behandelte Prof. Dr. Engelbert Lütke Daldrup die Frage des Wohnens und wie mit den Herausforderungen des Wachstums umge-gangen werden kann. Nach dem Ende der DDR wurden in Berlin viele neue Projek-te intiiert. Durch die Entwicklungsmaßnahmen aus dieser Zeit können heute in Ber-lin in großem Maße Baurecht erteilt und neue Quartiere entwickelt werden. Durch den Bedarf der Städte, schnell neuen Wohnraum zu schaffen, müssten alle Reser-ven im Bestand für eine dichte, kompakte Entwicklung genutzt werden. Brach-flächen und Freiflächen sollten – unter Berücksichtigung stadtklimatischer und öko-logischer Anforderungen – umstrukturiert werden. Das Thema Wohnraumschaffung ist heute eine drängende Aufgabe zahlreicher Städte in ganz Europa. Zahlreiche Internationale Bauausstellungen behandeln das Thema. Schnell wachsende Städte gelten als attraktive, urbane, wissensintensi-ve Lebens-, Arbeits- und Lernorte. Die Weiterentwicklung der europäischen Stadt wird laut Lütke Daldrup insbesondere durch die lebendige Mischung, die Vermei-dung von Schlafstädten, die Mischung von Arbeiten und Wohnen, die Förderung von öffentlichem Raum und den Ausbau von Mobilität vorangetrieben. Das Ziel sollte sein, die europäische Stadt als eine emissionsarme Stadt zu entwickeln. Dieses Ziel befindet sich jedoch nach wie vor in den Anfängen.

Inputs und Diskussionsbeiträge

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Gentrifizierung müsse vermieden, die Beweglichkeit innerhalb der Städte ge-fördert werden. Wachstumsschmerzen sollten durch neue Formen der Zusam-menarbeit, das Vermeiden einseitiger Entscheidungsprozesse und das Verfolgen langsfristiger strategischer Ziele und Entwicklungskonzepte überwunden werden. Dies alles bedarf allerdings langfristiger Anstrengungen. In der darauffolgenden Podiumsdiskussion sprach Gülseren Demirel, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, über die Wichtigkeit des sozialen Indikators im Woh-nungsbau in München. Dabei müsse zugleich auf eine Milieumischung geachtet werden, um sozial problematische Polarisierungen zu vermeiden. Genossenschaf-ten gilt es zu unterstützen, weil diese eine stabilisierende Wirkung in den Quartieren entfalten. Brigitte Wolf, Ausschussgemeinschaft ÖDP / Die Linke, hob das Flächenproblem Münchens und die daraus resultierende Konzentration auf Nachverdichtung her-vor. Lediglich Freiham und der Münchner Nordosten bieten noch Möglichkeiten des Neubaus innerhalb des Stadtgebietes. Auf städtischen Flächen werden 50 Prozent des Neubaus im geförderten, 40 Prozent im sozialen Wohnungsbau und 10 Prozent im Eigentum realisiert. Walter Zöller, CSU-Fraktion, betonte die Wichtigkeit von Wohnungsbaupro-grammen. Dabei hält er die Subjektförderung für sehr bedeutend, um Fehlbele-gungen zu verhindern und Förderungen nur so lange wie nötig laufen zu lassen. „Je mehr wir bauen, desto mehr haben wir zu wenig“, sagte Walter Zöller. Heide Rieke aus der SPD-Fraktion sieht die bisherigen Methoden und Instrumente als erschöpft an. Aus ihrer Perspektive müssen die Fragen Mietentwicklung, Ver-kehr, Arbeitsplätze und Gewerbeflächen mit in die Stadtentwicklung einbezogen werden. Soziale Gerechtigkeit besteht nicht nur in der Individualförderung. Mietzu-schüsse führten bei privater Vermietung zu höheren Mieten. Aus diesem Grund müssen Wohnungsgruppen mit unterschiedlichen Förderungen und Sonder-projekte entwickelt werden. Das Handlungsprogramm „Wohnen in München VI“ definiert konzeptionellen Mietwohnungsbau mit Auflagen. Die Einbindung von Ge-nossenschaften fördert Vielfalt und Zusammenleben im Quartier. Dabei ist die In-tegration von weiteren Einrichtungen sehr wichtig. Gülseren Demirel verdeutlichte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit im Bereich der Sozialplanung. Es gilt, Schulen, Kitas und Jugendeinrichtungen in die Planung zu integrieren. Der Bedarf an neuem Wohnraum ist immens. Gleichzeitig müssen un-versiegelte Freiflächen und Grünzonen weitestgehend erhalten werden. Dabei stellt sich die Frage, ob, wenn nicht in die Breite gebaut werden kann, eine stärkere Verdichtung in die Höhe sinnvoll wäre. Im zweiten Impulsvortrag von Michael Hardi werden die Aufgaben der GEWOFAG als Wohnungsbaugesellschaft dargestellt. Bezahlbaren, sozial nachhaltigen Wohn-raum mit einer Beständigkeit zu schaffen und zu halten, sind die Aufgaben der GEWOFAG. Durch Reduktion von Baukosten und Unterhalt sowie das Management des Wohnungsbestands vor Ort im Quartier können eine hohe Mieterzufriedenheit und hoher Wohnwert erreicht werden. Dabei gilt es, vier Prinzipien zu beachten: – Einfachheit – ,,weniger ist mehr’’ mit einer Balance von Technik und Detail

sowie der Vereinfachung von Prozessen

– Wiederholung – nicht ständig neue Modelle entwickeln, sondern auf bewährte Architektur zurückgreifen

– Wirksamkeit – Nutzung von Erdgeschosszonen, Förderung der Baukultur

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– Kommunikation – Zusammenarbeit zwischen Bauwirtschaft, Politik, Nachbar-schaft, Bürgerinnen und Bürgern, Planerinnen und Planern und verbesserte Vernetzung der verschiedenen Mitstreiter

Michael Hardi wünschte sich Abstand vom Prototyp, vom individuellen Einzelpro-jekt, und Annäherung an die Kleinserien. In der darauffolgenden Podiumsdiskussion diskutierten Gerda Peter und Christian Amlong sowie Klaus-Michael Dengler und Max Straßer die Aufgaben städtischer Wohnungsbaugesellschaften. Gerda Peter sieht wie Michael Hardi eine Chance in Kleinserien und der Optimierung von Prozessen. Vorfertigungen können Baupro-zesse auslagern und beschleunigen und somit Phasen von Planungsabläufen än-dern. Ansprüche an Komplexität sollten zurückgestellt werden, um die wesentlichen Fragen des Wohnungsbaus aufgreifen zu können. Was erwarten Bürgerinnen und Bürger von einem neuen Wohnumfeld? Dr. Klaus-Michael Dengler hob die Wichtigkeit einer guten Durchmischung verschiedener Einkommensstrukturen in einem Haus als Schlüssel zu einem erfolgreichen Zu-sammenleben hervor. Eine Durchmischung darf nicht nur auf Quartiersebene, son-dern muss auch auf Gebäudeebene erreicht werden. Quartiersarbeit wird als wich-tiger Baustein für eine erfolgreiche Quartiersentwicklung gesehen. Eine Publikumsfrage zum möglichem Wohnungstausch bei Veränderungen der individuellen Platzbedürfnisse wurde als wichtiges Thema aufgenommen. Die GWG ist interessiert, solche Möglichkeiten mehr zu nutzen. In Einzelfällen ist ein Woh-nungstausch bereits erfolgt. In einigen Projekten wird bereits im Neubau ein zweiter Eingang eingeplant, um eine spätere Nachrüstung und eine Teilung der Wohnung möglich zu machen.

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Abbildung 11: Impressionen aus der Veranstaltung „Sozial gerecht: Münchens Ziele und Projekte“. Fotos: Krier + McKee

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3.3 Region findet Stadt! Wohnen und Mehr

Abbildung 12: Ideenbausteine als Medium des regionalen Dialogs. Foto: Sebastian Gabriel

In der Einleitung zur Veranstaltung „Region findet Stadt! Wohnen und Mehr“ ver-wies Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk auf die Schwierigkeit, im angespannten Woh-nungsmarkt bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Das Wohnungsproblem scheint sich auf die Städte zu fokussieren, doch diese können sich nur gemeinsam mit ihren Regionen nachhaltig weiterentwickeln. Im Sinne der Habitat III Konferenz gilt es, in einer integrierten Stadtentwicklung nationale Rahmenbedingungen und Ziel-vorstellungen vor Ort zu konkretisieren und umzusetzen. Zugleich ist Stadtentwick-lung auf nationale und europäische Fördertöpfe angewiesen. Auf der Ebene der Region können Städte und Gemeinden zum einen ihre gemeinsamen und miteinan-der verknüpften Herausforderungen bearbeiten und sich zum anderen gemeinsam deutlicher Gehör verschaffen, wenn es um Investitionen und Unterstützung auf der Ebene von Freistaat, Bund und EU geht. Die Veranstaltung „Region findet Stadt!“ lud zu einem Erfahrungsaustausch zwi-schen Verantwortlichen in der Region München ein. Zu Beginn präsentierten vier Experten Positionen, Projekte und Kooperationen aus Stadt und Region. Sowohl die geladenen Gäste als auch das Publikum waren eingeladen, Anregungen und Ideen für mehr bezahlbares Wohnen in der Region auf Bausteinen zu notieren und auf einem großen Tisch aufzubauen. Die anschließende Podiumsdiskussion lotete die Möglichkeiten und Grenzen der eingegangenen Impulse aus.

Thema und Ablauf der Veranstaltung

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Kurzvorträge – Axel Markwardt, Kommunalreferent, Landeshauptstadt München

– Christian Böhm, Architekt, Vorsitzender Deutscher Werkbund Bayern, Partner bgsm, München

– Michael Ehret, Immobilienökonom, Geschäftsführer ehret+klein GmbH, Starnberg

– Michael Käfer, Feinkost-Händler, Geschäftsführer Käfer GmbH & Co. Verwaltungs- und Beteiligungs KG, Parsdorf

Podiumsdiskussion – Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München

– Michael Müller, Bürgermeister, Stadt Geretsried

– Barbara Schelle, Stadtbaumeisterin, Stadt Freising

– Stefan Schelle, Bürgermeister, Gemeinde Oberhaching Moderation: Anja Wilde, Coaching, München/Landsberg am Lech Bezugnehmend auf die Einleitung von Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk „Die Zukunft liegt in den Städten“ hob Christian Böhm den Bedarf sowohl an preisgünstigen Woh-nungen als auch an kurzfristigen Wohnmöglichkeiten für Flüchtlinge hervor. Die Kommunen stehen dabei vor der Aufgabe selbst zu handeln und andere Akteure zu unterstützen. Mit Abflauen des Flüchtlingsstroms besteht zwar gefühlt weniger Druck für den Wohnungsbau, diese benötigt jedoch nach wie vor höchste Priorität. Ein wichtiges Konzept im Rahmen der Initiative „Wohnraum für Alle!“ des Deut-schen Werkbunds Bayern ist die Förderung integrativer Elemente des gemein-schaftlichen Wohnens. Viele eingegangene Vorschläge machen den Wunsch nach mehr Mut und Zielstrebigkeit deutlich. Eine besondere Schwierigkeit liegt in der Förderung der erarbeiteten Projekte und Strategien. Im Wesentlichen sollten Grundstücke zu günstigen Preisen erworben werden können und Flächen, die bis-her kein Baurecht haben, klar bestimmt werden. Ein weiterer wichtiger Handlungsansatz ist der kommunale Wohnungsbau. Eine Förderung ist eine einfache und sichere Lösung für die Kommunen. Auch Kommu-nen ohne Wohnungsunternehmen sollten sich mit dem Thema des kommunalen Wohnungsbaus auseinandersetzen und Wohnungen im eigenen Bestand erstellen und langfristig halten. Darüber hinaus sollten Wohnungsinitiativen Unterstützung finden, also das En-gagement und die Angebote privater Eigentümer genutzt werden. Dabei sollten Kommunen weniger die Probleme suchen, als vielmehr Wege aufzeigen, wie Woh-nungsbau funktionieren kann und wie Kommunen private Investoren unterstützen können. Das Thema ist zugleich eine gesellschaftliche Frage. Nicht nur Kommunen, son-dern auch Bürgerinnen und Bürger sollten bereit sein Initiative zu ergreifen und alternative Lösungen mitzuentwickeln. Ein großes Ziel ist kompaktes Wohnen, also die Reduktion des individuellen Flächenbedarfs. Der Fokus liegt auf mehr Nut-zungsangeboten und Gemeinschaftsflächen und weniger individuellem Wohnraum. Die Bereitschaft und mögliche Konzepte existieren, sie warten lediglich auf ihre Umsetzung.

Mitwirkende

Inputs und Diskussionsbeiträge

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Michael Käfer gab als Unternehmer eine weitere Sicht auf den Wohnungsmarkt. Auch er spürt angesichts der hohen Mietpreise die Schwierigkeit, Wohnungen für Arbeitnehmer zu finden. Sein Wunsch ist es, gemeinsam mit der Stadt München Standorte zu kaufen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Mittelständische Unternehmen sollten die Möglichkeit erhalten, in privater Initiative günstig zu bauen. So wie er seien viele seiner Kolleginnen und Kollegen bereit, gleiches zu tun, wenn Grundstücke verfügbar wären. Ein gemeinschaftliches Wohnprojekt, durch ein Konsortium von Unternehmen entwickelt, könnte ein wichtiger Beitrag zur Bewälti-gung des Wohnungsproblems sein. Die Stadt München hat einen Immobilienbestand von 899 Objekten und insgesamt 3300 Grundstücken. Kommunalreferent der Landeshauptstadt München Axel Markwardt hob hervor, dass sich einige dieser Flächen außerhalb der Stadt Mün-chen befinden. Nach einer intensiven Prüfung erfüllen lediglich 93 der 500 nicht bebauten Grundstücke die Anforderungen für eine Nachverdichtung. Der Erwerb von Grundstücksflächen durch die Stadt wird laufend fortgeführt. Im Fall der Flä-chen außerhalb des Gebiets der Landeshauptstadt besteht die Herausforderung darin, dass die Planungshoheit bei anderen Gemeinden liegt. Fragen des Verkehrs und der Erschließung müssen durch die Kommunen gelöst werden, jedoch sind infrastrukturelle Erweiterungen sehr kostenintensiv. Daher ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Landeshauptstadt essenziell. Auch das Vertrauen zwischen Landeshauptstadt München und privaten Grundstückseigen-tümerinnen und -eigentümern kann durch Gespräche und das Einhalten von Ver-einbarungen und Zeitplänen gefördert werden und wachsen. Im letzten Impulsvortrag erläuterte Michael Ehret die Schwierigkeiten der Projekt-entwicklung. Die Herausforderungen, Freiraum zu erhalten, gleichzeitig verschie-dene Dichten zu schaffen und Mischnutzungen zu ermöglichen, führen zu einer hohen Komplexität in der Schaffung von Wohnraum. Ein früher Dialog mit der Öf-fentlichkeit ist wichtig, dafür gibt es jedoch keine Blaupause. Die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger müssen wahrgenommen und integriert werden. Sie sollten dabei nicht vor vollendete Konzepte gestellt, sondern vielmehr skizzenhaft an Pro-jekte herangeführt werden. In städtebaulichen Wettbewerben sollten Monokulturen vermieden werden, um eine Vielfalt an Formen und Haptiken gestalten zu können. Eine wichtige Rolle könnte ein Lenkungskreis aus Kommune, Entwicklerinnen und Entwicklern und Bürgerinnen und Bürger haben. Gemeinsam sollten Emp-fehlungen entwickelt werden, welche sich von den klassischen Gedanken des eige-nen Hauses mit Garten entfernen. Die Bedürfnisse und Vorstellungen der Bürge-rinnen und Bürger sowie ihre Kenntnisse und Sensibilität für den Ort gilt es zu berücksichtigen und früh in den Planungs- und Gestaltungsprozess zu integrieren. Im Anschluss wurden sowohl die geladenen Gäste wie auch die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung aufgefordert, ihre Thesen, Argumente und Meinungen zum Thema „Wohnen und Mehr“ auf Würfeln festzuhalten. In einer darauffolgenden Podiumsdiskussion evaluierten Stadtbaurätin Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Bürger-meister der Stadt Geretsried Michael Müller, Stadtbaumeisterin der Stadt Freising Barbara Schelle und Bürgermeister der Gemeinde Oberhaching Stefan Schelle einige der beschrifteten Würfel. Barbara Schelle verdeutlichte die Wichtigkeit von Urbanität als Qualität. Freising besteht zu 93 Prozent aus Einfamilienhäusern. Angst vor Dichte besteht zumeist deshalb, weil Dichte zugleich mit Problemvierteln assoziiert wird. Bürgerinnen und Bürger haben oftmals andere Vorstellungen von Dichte, daher muss über Bürgerbe-teiligung hinaus gearbeitet werden. So könnten Referenzen und Erfolgsbeispiele in München den Bürgerinnen und Bürgern in der Region nahegebracht werden.

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Michael Müller äußerte den Wunsch nach einer Kooperation zwischen Unter-nehmen und Kommunen im Wohnungsbau. Örtliche Unternehmer sollten in Wohnungsbauprojekte integriert werden. Geretsried will keine Schlafstadt sein und auch nicht Münchens Probleme lösen. Gegenseitige Synergien müssen genutzt werden. Dafür sei die Einbindung aller Akteure erforderlich, die dadurch zugleich einen längeren Planungsprozess gemeinsam gestalten und durchzustehen müssen. Oberhaching hat eine lange Planungstradition. Der Wunsch nach einem organi-schen Wachstum steht nach wie vor im Vordergrund. Stefan Schelle verdeutlicht, dass im Jahr 2017 120 neue Wohneinheiten durch die Gemeinde Oberhaching ent-wickelt werden, darunter lediglich acht Einfamilienhäuser. Oft wird Nachverdichtung dann möglich, wenn die Erbinnen und Erben verkaufen. Zusammengefasst geht es darum, die vielen gestarteten Inititativen zielstrebig weiterzuentwickeln. Die Wohnungsfrage betrifft nicht nur die Stadt, sondern die Region insgesamt als den Raum, der deutschlandweit die größten Wachstums-prognosen aufweist. Es gibt gute Ziele auf fachlicher und politischer Ebene. Der Dialog mit der Bürgerschaft wird vielerorts geführt. Oft wird das Denken zu stark durch die eigenen Interessen geprägt. Daher fordert Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk im Schlusswort, einen Mehrwert für alle zu schaffen. Wohnen ist und bleibt eine Her-ausforderung, die Bereitschaft sich dieser Herausforderung zu stellen, ist präsent. Während der Veranstaltung gingen 52 Ideenbausteine ein. Dabei zeigen sich ver-schiedene Themen, die Herausforderungen und Handlungsansätze bei der gemein-samen Entwicklung von Stadt und Region München beschreiben. Die Planungskultur der Landeshauptstadt München sollte dynamischer und trans-parenter werden. Es wird der Bedarf nach mehr Information und weiter ausgebau-ten Möglichkeiten der Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger geäußert. Zudem sollten Instrumente überprüft werden, um Flächenreserven – beispielsweise durch Aufstockungen – noch besser zu nutzen. Der Mut zu innovativer Architektur könnte die Baukultur bestärken. Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Bewältigung der Wohn-raumfrage wird im Thema Urbanität als Qualität gesehen. Es geht um eine starke Mischung von Funktionen und Angeboten innerhalb der Quartiere und kürzere We-ge durch die verbesserte Verknüpfung von Wohnen und Arbeiten. Der Wunsch nach mehr genossenschaftlichen Wohnprojekten und Mehrgenera-tionenwohnen ist auch in den Kommunen der Region hoch. Das Einbeziehen der Unternehmen der Region in die Wohnraumschaffung und in den Ausbau der Infra-struktur stößt in einigen Beiträgen auf Zustimmung und weiteren Diskussionsbe-darf. Die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere des ÖPNVs, ist ein zentrales Thema, um weitere attraktive Wohnstandorte in der Region zu schaffen. Dies könnte zum Beispiel in Form einer Regio-Tram mit Flughafenan-schluss im Norden umgesetzt werden. Zudem erscheint die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Kommunen zur Erarbeitung gemeinsamer Visio-nen und Leitbilder unerlässlich, um der Wohnungsnot der Metropolregion München mit positiven Entwicklungen zu begegnen. Einige Bausteine benennen ganz konkrete Lösungsvorschläge: Eine Tauschbörse von Mieterinnen und Mietern untereinander, um beispielsweise zu große, aber sehr günstige Wohnungen mit zu kleinen, teuren Wohnungen zwischen alleinstehenden Seniorinnen und Senioren und jungen Familien zu tauschen und dabei die jeweils eigene Miethöhe halten zu können. Auch der Vorschlag neue Städte in der Region zwischen Augsburg und Ingolstadt oder auch in etwas größerer Entfernung zum Beispiel in Nordostbayern als „Münchner Kolonien“ zu entwickeln, werden als Antwort auf das immer dichter werdende München ins Spiel gebracht.

Ideenbausteine

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Abbildung 13: Impressionen aus der Veranstaltung „Region findet Stadt!“. Fotos: Sebastian Gabriel

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3.4 Positionen zur Europäischen Stadt – ein Streitge-spräch

Abbildung 14: Impression aus der Veranstaltung „Positionen zur Europäischen Stadt“ , hier Prof. Julian Wékel und Prof. Christoph Mäckler. Foto: Sebastian Gabriel.

Zur Zeit erleben viele Städte Europas eine große Transformation. Diese ist in der wachsenden Stadt München besonders spürbar. Das Europäische Kulturerbejahr 2018 mit dem Titel „Sharing Heritage“ rückt das reiche kulturelle Erbe Europas in den Mittelpunkt, weil es Träger der gemeinsamen europäischen wie auch lokalen Identität ist. Europas Städte bieten strukturelle, städtebauliche und architektoni-sche Qualitäten, Integration und Qualifikation. Die Abendveranstaltung „Positionen zur Europäischen Stadt“ startet mit vier kurzen Inputvorträgen zu Fragen von Stadtgestalt und Wohnraumschaffung, welche in der anschließenden Podiumsdis-kussion erörtert wurden. Podiumsgäste – Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München,

Präsidentin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung

– Andrea Gebhard, Mahl Gebhard Konzepte, München, Vorsitzende Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung Landesgruppe Bayern

– Prof. em. Dr. Johann Jessen, Städtebau-Institut, Universität Stuttgart

– Prof. Christoph Mäckler, Lehrstuhl für Städtebau, Technische Universität Dortmund

Thema und Ablauf der Veranstaltung

Mitwirkende

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– Prof. em. Julian Wékel, Lehrstuhl Entwerfen und Stadtplanung, Technische Universität Darmstadt, Direktor des Instituts für Städtebau und Wohnungswe-sen, München

Moderation: Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München Andrea Gebhard verdeutlichte im ersten Inputvortrag die geschichtliche Entwick-lung der europäischen Stadt. Die europäische Stadt sei überall im Stadtgebiet, denn Stadt definiere sich über räumliche Zusammenhänge und geschichtliche Kon-tinuität. Friedrich Ludwig von Skell erstellte einen Generalplan von München, wel-cher Raum für 30.000 – 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner schaffen sollte. Die Gestaltung eines großzügigen kulturellen und öffentlichen Angebots für die kommende Stadterweiterung war ein zentrales Anliegen dieses Plans. Eine kom-mende Stadterweiterung in München liegt im Nordosten der Landeshauptstadt. Auch hier bestehe die Frage nach der Konzeption und Umsetzung offener Räume, qualitätsvoller Parklandschaften und kultureller Angebote. Prof. Dr. Johann Jessen erläuterte anhand drei kurzer Beispiele die Definition der europäischen Stadt. Das Werksviertel in München könne als Leitbild der europäi-schen Stadt gesehen werden. Es ist dicht, funktionsgemischt, von hoher Gestal-tungsqualität und ausgestattet mit sozialer Mischung und robusten öffentlichen Räumen. Doch reicht das Leitbild der europäischen Stadt? Regionale Perspektiven würden oftmals vernachlässigt. Die Attraktivität der zentralen Lage lässt Preise stei-gen. Dies führt zu Verdrängung und sozialer Einseitigkeit innerhalb der Stadt. In Hamburgs Landschaftsachse Horner Geest hatten 500.000 Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, im Planungsprozess mitzuwirken. Das Resultat sind viele Modelle und Projekte. Es muss jedoch bewusst bleiben, dass jedes Projekt einma-lig ist und in den meisten Fällen nicht auf einen anderen Standort übertragbar sein wird. Die Großsiedlung Wartberg in der Kleinstadt Wertheim besteht aus 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in einer Stadt mit insgesamt 23.000 Einwohnerin-nen und Einwohnern. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind mehrheitlich Russ-landdeutsche, die im Gemeinderat nicht vertreten sind. Mit einer an die bisher ver-nachlässigte Siedlung direkt angrenzenden Flüchtlingsunterkunft entstehen Span-nungen. Denn Stadtpolitik und Stadtplanung haben die Bewohnerinnen und Be-wohner Wartbergs bisher vergessen. Auch hier sieht Prof. Johann Jessen eine Lü-cke im Konzept der europäischen Stadt. Prof. Christoph Mäckler definiert den öffentlichen Raum als einen großen Sozial-raum Europas. Jeder kann könne nutzen. In der Stadt gebe es keine Freiräume, lediglich Platzräume und Straßenräume. Der Unterschied zwischen Platz und Platz-fläche wird dabei hervorgehoben: Der Platz ist meist von Häusern umgeben, die Platzfläche existiert unabhängig von Gebäuden. Haustypologien und die Funktio-nen des Wohnhauses seien dabei wichtig. Bewährte Typologien werden beispiels-weise in Lübeck aufgegriffen. Das historische Konzept einer sozialen und funktiona-len Mischung wird auf einer einer Parzelle durch Vorder- und Hinterhaus ermöglicht. Anhand der Entwicklung des Potsdamer Platzes in Berlin zeigte Prof. Julian Wékel die wesentlichen Paradigma im Städtebau auf. In der planerischen Vorarbeit sei es maßgebend, die Anforderungen zu begreifen, zentrale Orte zu bestimmen und diese mit heutigen Mitteln funktional und städtebaulich neu zu bestimmen. Wie weit kommt man der Leitvorstellung der europäischen Stadt unter den heutigen Bedin-gungen? Am Potsdamer Platz wurden lediglich 10 bis 15 Prozent der Fläche für Wohnraum entwickelt. Der Großteil der Flächen werden für Büros genutzt, ergänzt durch kulturelle Nutzungen. Trotz einer guten Nutzungsmischung ist dieser Stand-ort aus Sicht von Prof. Julian Wékel kein gelungenes Beispiel der europäischen

Inputs und Diskussionsbeiträge

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Stadt. Sehr wichtige Themen seien neue Formen der Gemeinschaft und integrative Wohnformen, um den am Beispiel des Potsdamer Platzes gezeigten Schwierigkei-ten der Entwicklung der europäischen Stadt entgegenzuwirken. In der folgenden Podiumsdiskussion wurden die Ursachen für die nicht nur positive Resonanz des Potsdamer Platzes erörtert. Andrea Gebhard ging dabei auf den Platz selbst ein. Durch die große Dimension des Potsdamer Platzes fehle die Maß-stäblichkeit. Der Platz brauche Zeit zur Entwicklung. Es wurde gefragt, ob der Potsdamer Platz nicht eher eine Straßenkreuzung sei als ein Platz. Prof. Christoph Mäckler verwies auf das Problem der Anordnung von Monofunktionen ohne Parzel-lierung und die fehlende Mischung von Wohnen und Arbeiten. Prof. Christoph Mäckler betonte, wie wichtig das Erstellen eines funktionierenden Stadtraums sei. Dazu gehören seiner Ansicht nach erkennbare Straßen und groß-zügige Höfe zum Leben und Arbeiten. Der Weiterbau der Stadt sei eine große Auf-gabe: Nicht nur brachliegende Flächen müssen, sondern auch Siedlungen und ver-gessene Stadtstrukturen müssen neu definiert werden. Dabei muss nicht alles neu erfunden werden. Es gebe Strukturen, die sich bewährt haben. Prof. Dr. Johann Jessen hinterfragt, ob neue bauliche Lösungen immer der richtige Weg seien und betont die soziale Dimension der europäischen Stadt. Prof. Christoph Mäckler sieht vergessene Typen aus der Gründerzeit des Wohnungsbaus als mögliche Lösungen. Die europäische Stadt biete so viele Möglichkeiten des sozialen und funktionalen Zusammenlebens, von denen man heute noch lernen könne. Das Interesse am Städtebau sei für Architekten wichtig. Beispiele in Wien und München zeigen, wie gut die damalige Wohnstruktur mit Hofnutzung auch heute noch funktioniert. Die städtische Mischung im sozialen und funktionalen Stadtraum ist wichtig. Prof. Dr. Johann Jessen sieht in der Sicherung von Mischung eine zentrale Aufgabe er-folgreicher Stadtentwicklung. Wenn es wirklich gewollt sei, lasse sich an mehr Standorten die Mischung von Wohnen und Arbeiten erreichen.

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Abbildung 15: Impressionen aus der Veranstaltung „Positionen zur Europäischen Stadt“. Fotos: Sebastian Gabriel.

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3.5 Wohnen XL – gestern, heute, morgen

Abbildung 16: Impressionen aus der Veranstaltung „Wohnen XL“. Foto: Sebastian Gabriel

Die Entwicklung neuer Stadtquartiere ist heute in vielen Städten wieder aktuell, um die anstehende Wohnungsfrage zu lösen. Die Veranstaltung „Wohnen XL – gestern, heute, morgen“ brachte die Erfahrungen unterschiedlicher Quartiere in einen Dialog und verstand sich zugleich als Zeitreise durch unterschiedliche Etappen und Para-digmen der Stadtentwicklung. Die Veranstaltung bot einen Erfahrungsaustausch innerhalb der Stadt und zwischen verschiedenen Generationen von Planerinnen und Planern. Expertinnen und Experten aus Neuperlach, Freiham und dem Münch-ner Nordosten sprachen über ihre Ziele und aktuelle Entwicklungen in ihren Quar-tieren. Mit einem „Mitbringsel“ führten sie das Publikum in die Besonderheiten und Qualitäten ihres Stadtviertels ein. Begrüßung – Stephan Reiß-Schmidt, Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung,

Referat für Stadtplanung und Bauordnung, München Gäste Neuperlach – Sigrid Bretzel, ehemals Projektplanung Neuperlach im

Referat für Stadtplanung und Bauordnung, München

– Thomas Kauer, Vorsitzender Bezirksausschuss 16 Ramersdorf-Perlach

Thema und Ablauf der Veranstaltung

Mitwirkende

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– Ulrike Klar, Leiterin der Hauptabteilung Stadtsanierung und Wohnungsbau, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, München

Gäste Freiham – Steffen Kercher, Projektplanung Freiham,

Referat für Stadtplanung und Bauordnung, München

– Florian Otto, Landschaftsarchitekt und Partner bei bauchplan

– Jürgen Thum, Stadtbaumeister Germering Gäste Nordosten – Andrea Gebhard, Mahl Gebhard Konzepte, München,

Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL)

– Angelika Pilz-Strasser, Vorsitzende Bezirksausschuss 13 Bogenhausen Moderation: Dr. Agnes Förster, STUDIO | STADT | REGION, München Zu Beginn der Veranstaltung wurden die Quartiere chronologisch eingeführt. Neu-perlach wurde von Sigrid Bretzel, Thomas Kauer und Ulrike Klar vorgestellt. 1960 – in Zeiten größter Wohnungsnot – beschloss der Münchner Stadtrat den Bau drei großer Entlastungsstädte: Neuperlach, Freiham und Oberschleißheim. Neuper-lach wurde gebaut, die Grundsteinlegung fand vor 50 Jahren statt. Geplant waren einst 80.000, später 70.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Heute leben in Neu-perlach rund 55.000 Menschen. 2016 wurden im Stadtrat die vorbereitenden Unter-suchungen für die Stadtsanierung beschlossen. Damit macht sich in Neuperlach heute eine neue Planergeneration ans Werk. Mit einem Reistopf als „Mitbringsel“ verdeutlichte Ulrike Klar den in Neuperlach stattfindenden multikulturellen Aus-tausch. Sowohl damals als auch heute bietet Neuperlach eine Mischung aus Wohnen und Arbeiten. Das Quartier ist immer belebt und sowohl durch den ÖPNV als auch für den Individualverkehr gut erschlossen. Mit der nun anstehenden Sanie-rung und den möglichen Förderungen sollen unter anderem die Barrierefreiheit ver-bessert und die Freiraumqualität weiter ausgearbeitet werden. Thomas Kauer brachte ein Plakat „50 Jahre Neuperlach“ mit und lud das Publikum herzlich zum großen Stadtteilfest vom 11. bis 14. Mai 2017 ein. In Antwort auf Ulri-ke Klar hinterfragte er, weshalb ein Quartier bereits nach 50 Jahren saniert werden muss. Die verkehrstechnischen Pläne für Neuperlach sind gut, das gesamte Quar-tier ist sehr grün, die Wohnungen bieten gute Grundrisse, Arbeiten und Wohnen können verbunden werden. Die Demographie hat sich jedoch geändert. Viele Erstbewohnerinnen und -bewohner in Neuperlach sind mittlerweile gealtert und die Infrastruktur muss an diese Bedürfnisse angepasst werden. Die Nachverdichtung ist eine große Herausforderung, bietet gleichzeitig aber auch Chancen. Für Sigrid Bretzel ist insbesondere der Städtebau typisch und prägend für Neu-perlach, und zwar entsprechend der Entwicklungsphasen nach verschiedenen Paradigmen. Während in den 1960er Jahren vielgeschossige Wohngebäude in ei-nem fließenden Landschaftsraum erstellt wurden, begann ab 1972 die Straßenrand- und Blockbebauung im südlichen Bereich des Quartiers. Das Strukturkonzept von 1965 umfasste ein extensives Fußwegnetz für strukturelle Zusammenhänge – den entsprechenden Plan brachte Sigrid Bretzel als „Mitbringsel“ mit. Es wurde jedoch bis heute keine Urbanität in Neuperlach erreicht. Jetzt – 50 Jahre nach Neuperlach – rollen die ersten Bagger in Freiham Nord an. Hier sollen einmal rund 20.000 Menschen wohnen. Der Satzungsbeschluss zum

Inputs und Diskussionsbeiträge

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ersten Realisierungsabschnitt Freiham-Nord wurde im Herbst 2015 vom Stadtrat getroffen. Aktuell läuft auch das Wettbewerbsverfahren für die Realisierung des Landschaftsparks. Steffen Kercher, Florian Otto und Jürgen Thum sprachen über die Ziele und aktuellen Entwicklungen von Freiham. Steffen Kercher, im Referat für Stadtplanung und Bauordnung fünf Jahre lang für die Entwicklung in Freiham zuständig, zeigte „Aubinger Originale“. Das sind Men-schen aus Aubing, deren Familien oder Unternehmungen das Dorfgeschehen über Generationen prägten. Damit hob er die Bedeutung von gelebter Nachbarschaft für die erfolgreiche Entwicklung eines neuen Stadtquartiers hervor. Freiham bietet über 10.000 Arbeitsplätze, einen nahe gelegenen Autobahnanschluss, zwei S-Bahnhaltestellen und mehrere Schulen. Die Bewohnerinnen und Bewohner wer-den aber erst in den kommenden Jahren an den Standort zuziehen. Die Möglichkeit an die in der Nachbarschaft bestehenden gemeinschaftlichen Strukturen anzu-schließen ist deshalb von hohem Wert. Jürgen Thum sprach als Stadtbaumeister in Germering über die Wahrnehmung des Standortes als Nachbar. Er brachte eine Broschüre zu Freiham mit, welche auch die Bürgerinnen und Bürger in Germering über die aktuellen Entwicklungen im neu entstehenden Quartier informiert. Er verwies auf die anfängliche Skepsis der Nachbarschaft gegenüber der Entwicklung in Freiham. Dabei stehen besonders die verkehrlichen Auswirkungen bei den Nachbarinnen und Nachbarn in Germering im Fokus. Der zukünftige Landschaftspark hingegen wird als die Stadtgrenze überschreitender Zugewinn an Lebensqualität wahrgenommen. Florian Otto verdeutlichte mit der mitgebrachten Gießkanne die Herausforderung, dass Identität nicht schnell hingeplant werden kann, sondern nur langsam wächst. Der Freiluftsupermarkt in Freiham mache bereits frühzeitig auf das neue, noch nicht existierende Quartier Freiham aufmerksam. Die Entwicklung von Nach-barschaft benötige Zeit, kann aber durch gemeinsame Aktivitäten gefördert werden. Freiham soll nicht nur ein Name, sondern auch ein Ort sein. Die Stadtentwicklung im Münchner Nordosten findet bisher noch auf dem Papier statt. Seit 2014 laufen die Planungen für ein integriertes Strukturkonzept. Hier geht es um etwa 600 Hektar – auf denen Raum für rund 30.000 Menschen und 10.000 Arbeitsplätze entstehen soll. Siedlung, Landschaft und Mobilität werden integriert betrachtet. Ein interdisziplinäres Planerteam hat drei Varianten für die räumliche Entwicklung im Nordosten entwickelt. Am 7. März startete der öffentliche Dialog – in dem diese Varianten umfassend erörtert werden. Andrea Gebhard und Angelika Pilz-Strasser geben Einblick in die laufende Planung und bevorstehende öffentliche Diskussion. Andrea Gebhard zeigte das aktuelle Journal mit einem Überblick über die drei ent-wickelten Varianten. Aus ihrer Sicht ist es bei solchen großen Planungen wichtig, ganz breit zusammenzuarbeiten, insbesondere mit den Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Identität dort haben. Im Nordosten gelte es, neue Ideen zu entwickeln und neben dem Bestehenden auch Orte und Qualitäten mit neuer Identität zu schaf-fen. Im Nordosten arbeiten Fachleute ganz unterschiedlicher Disziplinen in einem engen Dialog mit der Öffentlichkeit zusammen. Die Landschaft ist hier ganz be-sonders wichtig, Freiräume gilt es zu erhalten und zu einem Identität stiftenden Herz des neuen Stadtteils fortzuentwickeln. Gleichzeitig ist es aber auch das Ziel, einen dichten, gemischten und lebendigen Stadtteil zu schaffen. Angelika Pilz-Strasser präsentierte frische Beeren als Symbol für Qualitäten im Nordosten. Das Beerencafé erfreut sich in den Sommermonaten heute bereits gro-ßer Beliebtheit. Aus ihrer Sicht ist der Münchner Nordosten ein Rohdiamant, den

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es zu schleifen gilt, damit ein Stadtteil mit exzellenten Qualitäten entsteht. Die heute fehlende ÖPNV-Anbindung sei dabei eine zentrale Herausforderung. Nach Festle-gung auf ein Strukturkonzept müsse daher zunächst die Infrastruktur geplant wer-den, damit diese vor den neuen Bewohnerinnen und Bewohner da ist. Nach der anstehenden Öffentlichkeitsphase von März bis April 2017 soll es begleitend zum Fortgang der Planungen unbedingt weitere Informationsveranstaltungen und Dialo-gangebote geben. Im Anschluss an die Kurzvorstellung der drei Stadtviertel wurden wichtige Zutaten für die Quartiersentwicklung im großen Maßstab erörtert. Am Beispiel von Frei-ham zeigt sich, dass mit einem europäisch ausgeschriebenen Wettbewerb ein ex-zellenter und zeitgemäßer Städtebau für das Quartier gefunden werden konnte. In Freiham wird die Infrastruktur vor den Wohnungen erstellt. Dazu zählen der S-Bahn-Anschluss, der Schulcampus und das Stadtteilzentrum. Zudem wird die Neu-entwicklung mit der Aufwertung des benachbarten Quartiers verknüpft. Das Stadt-teilmanagement ist hier ein wichtiges Instrument, unter anderem um bestehende und neue Bewohnerinnen und Bewohner zu vernetzen. Fast zwei Generationen von Menschen haben bisher in Neuperlach gelebt. Welche Partner braucht ein Quartier für ein erfolgreiches Zusammenleben? Der Bezirks-ausschuss mit seinem „Ohr vor Ort“ ist ein wesentlicher Partner. Zudem können ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger, die auf Bewohnerebene wirken, Bildungs-lokale und Beratungsstellen, ein Stadtteilladen und ein Quartiersmanagement das Zusammenleben verbessern. In Bezug auf den demografischen Wandel und die wechselnden Bedürfnisse im Alter können insbesondere Bewohnerarbeit und eine intakte Nachbarschaft unterstützend wirken. Der Standort Freiham profitiert von seiner guten regionalen Einbindung, unter ande-rem durch die S-Bahn, Radwege und Grünverbindungen. Doch Nachbarschaft ent-steht nicht nur durch Infrastruktur, sondern zu einem maßgebenden Teil durch die Menschen. Angelika Pilz-Strasser sieht die dialogorientierte Stadtentwicklung und städti-sche Plätze als Orte der Begegnung als wichtige Ressourcen für ein gelingendes Zusammenleben im Quartier. Auch die gemeinsame Diskussion und Entwicklung mit angrenzenden Gemeinden sei dabei wichtig. Erst dadurch könne eine Gemein-schaft über die Grenzen hinaus entstehen. Im Nordosten besteht die Herausforde-rung und zugleich die Chance, gutes Zusammenleben und Nachbarschaft, ausge-hend von der heute schon dort lebenden Bevölkerung, zu entwickeln. Dafür ist es aber notwendig, die Bürgerinnen und Bürger ganz eng in den Planungsprozess einzubeziehen. Das Beispiel Freiham macht deutlich, dass nicht nur die neuen Be-wohnerinnen und Bewohner, sondern auch die bestehenden Nachbarschaften von neuen Infrastrukturen profitieren. Abschließend benannten die Gäste ihre Wünsche und Hoffungen für ihre zu entwi-ckelnden Quartiere. Ulrike Klar sieht die Schaffung von Identität als maßgebend für das Zusammenleben. Angelika Pilz-Strasser sieht die Wichtigkeit darin, voneinan-der zu lernen und Rücksicht auf verschiedene Interessen zu nehmen. Andrea Geb-hard hofft auf neue Identitäten für die neuen Quartiere im Münchner Nordosten.

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Abbildung 17: Impressionen aus der Veranstaltung „Wohnen XL“. Fotos: Sebastian Gabriel

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3.6 Akteure und Allianzen: Wer trägt die Impulse wei-ter?

Abbildung 18: Impressionen aus der Veranstaltung „Akteure und Allianzen“. Christian Stupka und Nicolette Baumeis-ter. Foto: Sebastian Gabriel

Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe wurde der Fokus auf die handelnden Ak-teure im Wohnungsmarkt gelegt. Anhand des Beispiels Prinz-Eugen-Park wurden die Chancen einer kooperativen Quartiersentwicklung aufgezeigt und diskutiert. In den kommenden Jahren werden in der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne 4.000 Menschen rund 1.800 Wohnungen beziehen. Damit ein lebendiges Quartier ent-steht, arbeiten Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften, Bauträger, Bau-gemeinschaften und weitere Bauherrinnen und Bauherren in einem Konsortium zusammen. Die Veranstaltung bot Raum, um die Motivation und Position der ver-schiedenen Konsorten vorzustellen und im Anschluss die Chancen und Herausfor-derungen des Konsortiums zu diskutieren. Begrüßung – Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München Impulsvortrag – Christian Stupka, stattbau münchen GmbH

Thema und Ablauf der Veranstaltung

Mitwirkende

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Statements von Akteuren aus dem Konsortium Prinz-Eugen-Park – Ariane Groß, Aufsichtsrätin Progeno, Genossenschaft

– Jörg Kosziol, Vorstand Bauverein Haidhausen eG

– Thomas Kremer, Wogeno, Geschäftsführer Cohaus München GmbH

– Michael Lehner, Prinz Eugen Park GbR, Baugemeinschaft, Plan Z Architekten

– Angelika Pilz-Strasser, Vorsitzende Bezirksausschuss 13 (Bogenhausen)

– Erwin J. Schimmer, Geschäftsführer Grund-Idee GmbH, Bauträger

– Dr. Doris Zoller, Leitung Stabsstelle Steuerungsunterstützung, GEWOFG Projektgesellschaft mbH

Moderation: Nicolette Baumeister, Büro Baumeister, München In seinem Inputvortrag gab Christian Stupka einen kurzen Überblick über die Ent-stehung des DomagkParks, auf dessen Erfahrungen das Konsortium Prinz-Eugen-Park aufbaut. Neubauquartiere müssen lebendig sein, die Erdgeschosszonen anderweitig als für Wohnungen genutzt werden. Das Ziel war eine frühzeitige Vergabe von Grundstücken, um die Eigentümerinnen und Eigentümer so früh wie möglich in den Entwicklungsprozess einbeziehen zu können. Gemeinsam haben die GEWOFAG, Genossenschaften, Baugemeinschaften und weitere Bauträger ver-schiedene Konzeptbausteine für Nachbarschaft, Zusammenleben und Mobilität entwickelt und den Verantwortlichen in der Stadt vorgestellt. Der vorgeschlagene Ansatz einer kooperativen Quartiersentwicklung stieß auf positive Resonanz, mit dem Ergebnis, dass im Folgenden die Grundstücksvergabe an Konzepte gebunden wurde. Der private Zusammenschluss der verschiedenen Wohnungsbauerinnen und Woh-nungsbauer in einem Konsortium sollte die Quartiersentwicklung vereinfachen. Die gemeinsame Zielsetzung für das Quartier wurde in Form von Bausteinen festge-legt. Durch das Konsortium gestaltete sich auch die Zusammenarbeit mit den Fachstellen leichter. So konnten Bauabläufe mit externen Unternehmen in einem Termin für alle gemeinsam abgestimmt werden. Stellplatzschlüssel konnten durch ein übergreifendes Mobilitätskonzept reduziert und damit Aufenthaltsqualitäten für die Bewohnerinnen und Bewohner gefördert werden. Durch eine alternative Angebotsschaffung, wie beispielsweise E-Bike Stationen, Lastenfahrräder oder übertragbare Isarkarten, wurden die Bewohnerinnen und Bewohner des Domagk-Parks unterstützt alternative Mobilitätsangebote zu verwenden. Es war wichtig, dass die Vergabe der Baufelder durch die Stadt möglichst zeitgleich erfolgte, um einen gemeinsamen Baubeginn der Konsorten zu ermöglichen. Für Angelika Pilz-Strasser sind sowohl der DomagkPark also auch der Prinz-Eugen-Park gute Lernbeispiele. Der Stadtrand sei oftmals konfrontiert mit Verdichtung und Verlust von Grünflächen ohne das Schaffen einer höheren Wohnqualität. Insbe-sondere das Verständnis, keine Angst vor Leerstand im Erdgeschoss zu haben, um langfristig einen Mehrwert in das Quartier zu schaffen, wird sich bewähren. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Mitnutzung sind für die weitere Nach-barschaft sehr wichtig. Dann diese befördern eine aktive Auseinandersetzung mit dem Neubaugebiet und ermöglichen eine positive Austrahlung in die benachbarten Quartiere. Die Erstellung und Umsetzung von Mobilitätskonzepten sei bei der Ent-wicklung eines solchen Projekts eine zentrale Aufgabe. Dabei müsse über das Quartier hinaus gedacht werden. Jörg Kosziol sieht aus der Perspektive des Bauvereins Haidhausen eG, ebenfalls Mitglied im Konsortium Prinz-Eugen-Park, einen zentralen Vorteil der Zusammenar-

Inputs und Diskussionsbeiträge

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beit darin, Wissen zwischen den verschiedenen Partnern zu teilen. Zudem schaffe das Konsortium eine Plattform, auf welcher sich neue Mieterinnen und Mie-ter kennenlernen und sich gemeinsam für die Quartiersentwicklung einsetzen kön-nen. Weitere Vorteile des Konsortiums liegen aus seiner Perspektive insbesondere in der Abstimmung von Kaufverträgen, baulichen Prozessen, den gemeinsam ent-wickelten Mobilitätskonzepten und dem Schaffen von Nachbarschaft. Thomas Kremer, Geschäftsführer der Cohaus München GmbH, sieht die besondere Möglichkeit von Genossenschaft und Konsortien Gemeinschaftsangebote zu schaffen. Die Wogeno hat sich entschieden ein zentrales Grundstück am Quar-tiersplatz zu erwerben, um dort eine Quartierszentrale in das Wohngebäude zu integrieren. Ein Conciergedienst als Anlaufstelle für Bewohnerinnen und Bewohner des gesamten Quartiers, eine Mobilitätsstation, eine Fahrradwerkstatt und ein Be-wohnercafé lassen das Gebäude zu einer zentralen Anlaufstelle des Gesamtquar-tiers werden. Alleine wäre solch ein Konzept wirtschaftlich nicht umsetzbar. Ledig-lich durch die Kooperation innerhalb des Konsortiums und die Beteiligung aller Konsorten können zentrale Angebote geschaffen werden. Ein Quartierszentrum wurde im DompagkPark nicht realisiert und im Prinz-Eugen-Park nun als wichtiges Angebot hinzugefügt. Die GEWOFAG hat als größter Bauherr mit 637 Wohnungen eine besondere Ver-antwortung im Prinz-Eugen-Park. Dr. Doris Zoller von der GEWOFAG sieht den Erfolg des Konsortiums insbesondere darin, dass durch interne Kommunikation und Arbeitsgruppen der Entwicklungsprozess beschleunigt werden kann. Lö-sungen, wie Mieterinnen und Mieter früher eingebunden werden können, sind von einem Großkonzern wie der GEWOFAG schwer allein lösbar. Insbesondere für die GEWOFAG ist dies ein wichtiges Thema, da die Interessen der Mieterinnen und Mieter bis zum Einzug durch die GEWOFAG selbst vertreten werden müssen. Erwin J. Schimmer, Geschäftsführer der Grund-Idee GmbH, erläuterte aus der Per-spektive eines Bauträgers, wie wichtig die gemeinsame Konzeptentwicklung im Rahmen des Konsortiums ist. Durch diese Konzepte können neue Standards ge-setzt werden. Das Konsortium bietet die Möglichkeit, Ideen und Konzepte im ge-samten Areal zu realisieren und sich nicht nur auf das eigene Grundstück zu kon-zentrieren. Damit entsteht langfristig ein großer Mehrwert für das gesamte Quartier. Ariane Groß, Aufsichtsrätin der Progeno, erläuterte die Gründung der Genossen-schaft, mit dem Ziel generationenübergreifendes Wohnen und Leben zu schaf-fen und gleichzeitig Wohnraum für alle sozialen Schichten zu etablieren. In einer Konzeptstudie mit fünf Architekturbüros wurde ein Konzept für 48 Wohnungen in verschiedenen Größen und unterschiedlichen Modellen entwickelt. Kleine Co-Working Bereiche und Gästeapartments sollen das Zusammenleben fördern. Die Genossenschaft besteht aus 70 Mitgliedern, welche alle voraussichtlich 2018 dort einziehen werden. Ein wichtiges Angebot ist die Baugruppe, die den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern die Mitgestaltung am Bau und der Gemeinschaft ermöglicht. Die Teilnahme an Vernetzungstreffen bildet dabei die Grundlage für eine gute Integration in das Quartier, regelmäßige Treffen und Austausch und die Entstehung von Synergien werden sehr geschätzt. Die junge Genossenschaft kann durch den regen Austausch im Konsortium von den Erfahrungen der anderen profitieren. Michael Lehner, in Vertretung der Baugemeinschaft Prinz Eugen Park GbR und von Plan Z Architekten, sieht aus der Perspektive des Projektsteuerers die Chance der Baugemeinschaft darin, für Familien mit geringem Einkommen eine Wohnung zu finden und gleichzeitig eine gute Gemeinschaft und Nachbarschaft bilden zu kön-nen. Die frühe Beteiligung der Familien, bereits drei Jahre vor Bezug, ermögliche,

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dass alle Akteure zur Quartiersentwicklung beitragen können. Die gemeinsame Abstimmung von Freiflächen, Mobilitätsstationen und die Beteiligung jedes Konsor-ten am Gesamtkonzept fördere eine funktionierende Gemeinschaft. Als Planer sieht er einen weiteren Vorteil in der Abstimmung der Baustellen über die Baugebiete hinweg. Probleme mit Lagerflächen, die bei gleichzeitigem Bau oftmals entstehen, werden innerhalb des Konsortiums gelöst. Diese Kooperationen bilden die Grund-lage für die spätere Quartiersarbeit. In einer abschließenden Diskussion wurden die Potenziale von Konsortien für andere Entwicklungsgebiete erörtert. Bis zu welcher Größenordnung sind Kon-sortien möglich? Die Beteiligten des Prinz-Eugen-Parks sehen die Chance, auch mit 30 bis 40 Konsorten noch effektiv intern arbeiten zu können. Eine interessante Weiterentwicklung wäre auch, Konsortien für urbane Gebiete zu entwickeln, und damit Wohnen und Arbeiten stärker zu mischen.

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Abbildung 19: Impressionen aus der Veranstaltung „Akteure und Allianzen“. Fotos: Sebastian Gabriel

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Abbildung 20: Blick durch ein Modell der jungen Wohnungsbauerinnen und Wohnungsbauer während der Abschluss-präsentation. Foto: Sebastian Gabriel

Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Altersstufen aus drei Münchner Schulen waren als Wohnexpertinnen und Wohnexperten sowie Raumerfinderinnen und Raumerfinder am Dienstag, den 7. Februar 2017, in die Rathausgalerie eingeladen. Das Ziel war, junge Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner in die Bedürfnisanaly-se und Ideensammlung zu innovativen, zeitgemäßen Wohnformen einzubinden. Zugleich bot der Workshop Gelegenheit, sich mit der aktuellen Stadtentwicklung rund um den Viehhof zu beschäftigen – zwei Schulklassen wurden aus dem Umfeld des Viehhofs zu dem Workshop eingeladen. Mit dem Workshop bekamen die Schü-lerinnen und Schüler zudem Einblicke in die Stadtentwicklung aus politischer, pla-nerischer und künstlerischer Sicht und in die damit verbundenen Berufsfelder. Nach einer kurzen Einführung im Plenum der Rathausgalerie wurden im Workshop drei Aufgaben interaktiv und kreativ in Modellen, Collagen und Zeichnungen bear-beitet: „Wohnungsbauer“, „Stadtforscher“ und „Platz-Sparer“. Abschließend prä-sentierten sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig ihre Ergebnisse. Neben den Vertreterinnen und Vertretern des Referats für Stadtplanung und Bauordnung waren als Gastkritikerinnen und Gastkritiker aus dem Bezirksausschuss 2 Ludwigs-vorstadt-Isarvorstadt Beate Bidjanbeg, Kinder- und Jugendbeauftragte, und Paul Bickelbacher anwesend. Beiden liegen die kinderfreundliche Gestaltung von Stra-

Thema und Ablauf der Veranstaltung

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ßen und Plätzen und die Förderung stadtverträglicher Mobilität im Stadtbezirk am Herzen. Die Ergebnisse des Kinder- und Jugendworkshops mit den bunt gestalteten und beschrifteten Modellen und Collagen wurden anschließend in der Ausstellung in der Rathausgalerie gezeigt. Schulklassen und ihre Lehrkräfte – Grundschule an der Stielerstraße 6, Klasse 4b

– Klenzegymnasium, Klasse 7b

– Klasse der SchaUSchule Gastkritiker – Beate Bidjanbeg, zweite Vorsitzende und Kinder- und Jugendbeauftrage Be-

zirksausschuss Isarvorstadt

– Paul Bickelbacher, Bezirksausschuss Isarvorstadt, Stadtratsfraktion der Grü-nen

Einführung und Moderation: – Referat für Stadtplanung und Bauordnung: Dr. Alexandra Cerny, Kurt Da-

maschke, Verena Barth, Sabrina Rott

– Team von STUDIO | STADT | REGION: Dr. Agnes Förster, Leila Unland, Constanze Ackermann, Stephanie Fabich

„Wohnungsbauer“: Fünf Modelle von Stadthäusern wurden von den Schülerinnen und Schülern der vierten und siebten Klasse mit Ideen angereichert. Im ersten Schritt galt es, einzelne Wohnungen jeweils zu zweit zu gestalten und über die not-wendigen Elemente von privatem Wohnraum nachzudenken. Im zweiten Schritt wurden Erdgeschosse, Fassaden und Außenräume in gemeinsamer Diskussion in der Gruppe – wie in einer Baugemeinschaft – entwickelt. Neben Wohnungen im Erdgeschoss und einer gemeinsamen Bowlingbahn im ersten Stock wird auch der Ausbau einer großen Tiefgarage für gemeinschaftliche Nutzungen vorgeschlagen. Die Ergebnisse zeigen den Wunsch nach mehr Freizeitangeboten im Außenraum: beispielsweise nach einem Fußballfeld, einem Basketball-Court oder Wasserflächen vor, auf und hinter dem Haus. „Stadtforscher“: Die Schülerinnen und Schüler des Klenzegymnasiums schlüpften in die Rolle der Stadtforscherinnen und Stadtforscher und analysierten den Lebens-raum im Stadtviertel um den Viehhof. Dazu erstellten sie räumliche Collagen, in denen vor allem die Anbindung des Viertels an die benachbarten Quartiere, das öffentliche Angebot für die Bewohnerinnen und Bewohner und die Qualitäten des neuen Zusammenlebens im Quartier betrachtet wurden. Zugleich wurden Entwick-lungsvorschläge für den alten Viehhof skizziert. Es wurde deutlich, dass das Areal weiterhin möglichst bunt und lebendig bleiben soll. Versorgungsangebote für Ob-dachlose und Flüchtlinge gekoppelt mit Räumlichkeiten für neue Freizeitangebote und einem Treffpunkt im Viertel, eine neue Viehhof-Schule, die brückenähnliche Überbauung der angrenzenden Bahnflächen und auch zusätzliche Parkmöglichkei-ten zeigen die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten, die sich die Jugendlichen für das Viehhofareal vorstellen. „Platzsparer“: Auch die Schülerinnen und Schüler der SchlaU-Schule, also Ju-gendliche, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind, waren eingela-

Mitwirkende

Inputs und Diskussionsbeiträge

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den, über die wichtigsten Funktionen des eigenen Wohnraums zu sprechen und dies in Modellen darzustellen. Der Wunsch nach privatem Rückzugsraum, in dem es möglich ist, in Ruhe zu lesen oder zu lernen, war großes Gesprächsthema. Die Funktionen von Küche und Bad können dabei gerne gemeinschaftlich genutzt wer-den. Alle Gruppen erklärten die Gedanken und Ideen ihrer fertigen Modelle schlüssig und nachvollziehbar vor den anderen Kindern und Jugendlichen und stellen sich gegen-seitig Fragen zu ihren Ergebnissen. Beate Bidjanbeg und Paul Bickelbacher stellten Fragen zu den Projekten der Schüler und lobten die Ergebnisse. Die Perspektive der jungen Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner zeigte ihnen eine interessante Wahrnehmung des Lebensraums im Areal rund um den Viehhof und bestätigt Ver-besserungspotentiale.

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Abbildung 21: Impressionen aus dem Jugendworkshop „Mini-Wohnen“. Fotos: Sebastian Gabriel

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Abbildung 22: Impressionen aus der gemeinsamen Präsentation der Ergebnisse des Jugendworkshops „Mini-Wohnen“. Fotos: Sebastian Gabriel