Zukunft Forschung 0211 - Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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 GEMEINSAM ERFOLGREICH zukunft forschung MAGAZIN FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK  Ausgabe 02|11 thema: warum kooperation viele vorteile bringt | standort: wett-  bewerb hilft | biologie: keim-killer aus der bitterorange | quantenphysik: ver- schränktes leben | bildung: schulforschung | wirtschaft: erfolgreiche spin-offs

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Das Magazin der Universität Innsbruck informiert über aktuelle Forschungsergebnisse und gibt einen Einblick in den Alltag der Forscherinnen und Forscher.

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GEMEINSAM

ERFOLGREICH

zukunftforschung

MAGAZIN FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK

Ausgabe 02|11 thema: warum kooperation viele vorteile bringt | standort: wett-  bewerb hilft | biologie: keim-killer aus der bitterorange | quantenphysik: ver-schränktes leben | bildung: schulforschung | wirtschaft: erfolgreiche spin-offs

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EDITORIAL

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

Die neue Ausgabe unseres Magazins ZUKUNFT FOR-

SCHUNG haben wir unter das Motto „Gemeinsam er-

folgreich“ gestellt. Im ersten Teil des Heftes berichten wir

darüber, welche bedeutende Rolle Kooperation im Gemeinwesen

der Ameisen spielt und welche evolutionären Vorteile damit ver-

 bunden sind. Die seit kurzem an unserer Universität tätige Histo-

rikerin Harriet Rudolph erzählt von der Entwicklung der Diplo-

matie und der internationalen Beziehungen in der Neuzeit, und

mit dem Theologen Wolfgang Palaver werfen wir einen Blick aufden Dialog der Weltreligionen. Außerdem berichten wir, welche

Rolle Zusammenarbeit in der Bauwirtschaft spielt und welche

Handlungsstrategien in der Wirtschaft erfolgreich sind.

Dass gemeinsames Handeln auch in der Forschung eine erfolgs-

versprechende Strategie ist, hat die Universität Innsbruck in den

vergangenen Jahren bewiesen. Die neue Universitätsgesetzgebung

hatte uns die Möglichkeit gegeben, gewisse Veränderungen in der

Forschungsförderung vorzunehmen. Dabei war dem Rektorat die

Schwerpunktbildung von Anfang an ein großes Anliegen. Nämlich

Forschung nicht nur über Einzelforscher zu ermöglichen, sondern

den Vorteil der Zusammenarbeit zu nutzen. Denn eine Gruppe

von Forschern kann mehr und zum Teil auch qualitativ bessere

Forschung durchführen. Als Gruppe ist man eher in der Lage, grö-ßere Projekte anzugehen und einzuwerben. Heute verfügen wir

an der Universität Innsbruck über drei Forschungsschwerpunkte,

sieben Forschungsplattformen und 33 Forschungszentren. Sie er-

 bringen gemeinsam rund die Hälfte der Forschungsleistung un-

serer Universität.

Gemeinsamkeit war auch die Basis für die Anschaffung eines

neuen Supercomputers, den wir mit der Universität Linz zu-

sammen betreiben und der unseren WissenschaftlerInnen neue

Möglichkeiten für aufwändige Rechenaufgabe gibt und sie so im

internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig macht. Ein weiteres

wichtiges Anliegen unserer Universität ist die Zukunft der Leh-rerInnenausbildung. Hier haben wir im Herbst eine wesentliche

Stärkung und ein Angebot zur Neuorganisation der Ausbildung

präsentiert. Von unserer Bildungsexpertin Ilse Schrittesser erfah-

ren Sie dazu mehr. Darüber hinaus finden Sie zahlreiche weitere

Beiträge zu aktuellen Forschungsarbeiten, bei deren Lektüre ich

Ihnen viel Vergnügen wünsche.

Wir freuen uns über Ihre Fragen und Anregungen!

TILMANN MÄRK, GESCHÄFTSFÜHRENDER REKTORUND VIZEREKTOR FÜR FORSCHUNG

IMPRESSUM

Foto: Andreas Friedle

Herausgeber: Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Christoph-Probst-Platz, Innrain 52, 6020 Innsbruck, [email protected], www.uibk.ac.atProjektleitung: Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Kulturservice – Mag. Uwe Steger (us), Dr. Christian Flatz (cf)Medieninhaber & Verleger: ECHO Zeitschriften- und Verlags GmbH, Eduard-Bodem-Gasse 6, 6020 Innsbruck, www.echoonline.atRedaktion: Mag. Melanie Bartos (bs), Mag. Eva Fessler (ef), Mag. Andreas Hauser (ah), Mag. Nina Hausmeister (nh), Mag. Stefan Hohenwarter (sh), Mag. Christian Mathes(mac); Layout & Bildbearbeitung: Thomas Binder; Fotos: Andreas Friedle, Universität InnsbruckDruck: Alpina Druck GmbH, Haller Straße 121, 6014 Innsbruck

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BILD DE

 WISSENSCHAF

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TITELTHEMA 

FORSCHUNG

EDITORIAL/IMPRESSUM 3 | BILD DER WISSENSCHAFT: ALGENKULTUR 4 | NEUBERUFUNG: ANDREA ZINK 6 | FUNDGRUBE VERGANGENHEIT: BEOBACHTUNGS-

STATION HAFELEKAR 7 | BILDGLOSSAR: ZELLKOMMUNIKATION 20 | PATENTE & SPIN-OFFS 24 | MELDUNGEN 35 + 44 | CAST 40 | PREISE & AUSZEICHNUN-

GEN 45 | ZWISCHENSTOPP: ALESSANDRO FABBRIZIO 48 | SPRUNGBRETT INNSBRUCK: THOMAS KARL 49 | ZAHLEN & FAKTEN: CHLOROPHYLL 50

BAUWIRTSCHAFT. Walter Purrer ist für eine Balance zwischenKampf un Kooperation bei er Umsetzung von Bauprojekten. 13

BIOLOGIE. Die Ökologin Birgit Schlick-Steiner untersucht dasenge Kooperationsverhalten von Ameisen. 14

T EO OG E. Fragen zu Weltor nung, Religion un Gewaltspielen beim Dialog der Religionen eine wichtige Rolle. 16

STANDORT. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle überinteruniversitäre Kooperationen und das internationale Standing derUni Innsbruck. 22

MIKROBIOLOGIE. Erstaunliche Erfolge bei der Bekämpfungvon Krankheitserregern bringt der Einsatz von Flavonoiden. 26

GESCHICHTE. Anhand der Rolle Konstantinopels in der frü-hen Neuzeit können die Entwicklung diplomatischer Gepflogen-heiten sowie der Einfluss von Diplomaten auf Krieg und Frieden

 beobachtet und nachvollzogen werden. 8

Der Biologe Markus Nolf (thinkoholic.com) hat während seines Stu-diums dieses Bild von der Algenkultursammlung am Institut für Bota-nik der Universität Innsbruck aufgenommen. Die Sammlung wurdein den späten1950er Jahren gegründet und umfasst an die 1500

Kulturstämme, hauptsächlich aus dem alpinen Bereich Mitteleuropasmit einem Schwerpunkt auf Boden-, Luft- und Flechtenalgen. Die Al-enstämme werden für wissenschaftliche Zwecke auch an andere

Forschungseinrichtungen weitergegeben.

INTERVIEW. Die Astrophysikerin Sabine Schindler spricht überden neuen Supercomputer MACH und Hochleistungsrechnen in

Innsbruck. 30

QUANTENPHYSIK. er Physiker Hans Briegel denkt überQuantenphänomene in der lebenden Natur nach und kommt zuerstaunlichen Ergebnissen. 32

BODENMECHANIK. Dimitrios Kolymbas vom Arbeitsbe-reich für Geotechnik und Tunnelbau untersucht die einzigartigenEigenschaften von Sand. 36

Zu diesen Beiträgen finden Sie weitere Infos auf: www.uibk.ac.at/forschung/magazin/7/ @

T TE . ooperationen bestimmen nicht nur die modernewissenschaftliche Arbeit, sie sind auch Gegenstand aktuel-er Forschung. ZUKUNFT FORSCHUNG zeigt Innsbrucker

Beispiele zum Thema „Gemeinsam erfolgreich“.

 WISSENSCHAFTSSTANDORT. Die Autonomie erUnis war eine ‚Entfesselung‘ im besten Sinne es Wortes“,

sagt Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im Interview.

IOLOGIE. Ein Team run um en Mikrobiologen PaulIllmer erforscht, wie die aus der Bitterorange stammenden

Flavonoide auf Krankheitserreger wirken.

26

22

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RUBRIKEN

Fotos: Andreas Friedle (1), Florian Lechner (1), Markus Nolf (thinkoholic.com) (1), Rijksmuseum Amsterdam (1); COVERFOTO: che/fotolia

INH LT

SCHULFORSCHUNG. lse Schrittesser über die geplante School ofEducation, die Notwendigkeit von Fachwissen und die Anforderungenan zukünftigen Schulunterricht. 38

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 WIRTSCHAFT. In spieltheoretischen Experimenten untersuchteMatthias Sutter die Kooperationsbereitschaft der Menschen. 18

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zukunft forschung 211

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NEUBERUFUNG

MOTIVIERENDER

OST-BLICK Andrea Zink arbeitet gerne an der Schnittestelle zwischen

verschiedenen Disziplinen.

D ie Rolle der Literatur in politischen Um- bruchszeiten ist ein großes Thema inAndrea Zinks Forschung: Für die neue

Universitätsprofessorin für Slawische Literatur-und Kulturwissenschaft gehören die SlawischePhilologie und die Geschichte Ost- und Südosteu-ropas untrennbar zusammen. „Literatur und poli-tische Geschichte sind in der Slawistik besonderseng verwoben. Keine Ahnung von Land und Leu-ten zu haben, geht gar nicht“, sagt Zink. In ihrer

Habilitationsschrift mit dem Titel „Wie aus BauernRussen wurden“ hat sie sich ausgehend von dengroßen russischen Romanen des 19. Jahrhundertsmit der Konstruktion von Volk und Nation aus-einandergesetzt. Aktuell beschäftigt sich Zink mitRaumkonzepten sowohl in der russischen als auchin der bosnisch-kroatisch-serbischen Literatur des20. und 21. Jahrhunderts. Zwar liegt der Schwer-punkt ihrer Professur auf Russland, dennochmöchte sie auch die jugoslawischen Nachfolge-staaten, ihre Sprachen und Kulturen wieder stär-ker in den Mittelpunkt von Lehre und Forschungan der Universität Innsbruck rücken.

BLICK IN EINE ANDERE WELT

Nach Innsbruck kam Zink über mehre StationenNach Abschluss ihres Studiums verbrachte die ge

 bürtige Deutsche ein Forschungsjahr in Leningradund Moskau, dann arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FU Berlin. Bis zu ihrer Berufung an die Uni Innsbruck im Oktober 2011 hattsie am Slavischen Seminar der Universität Baseverschiedene Funktionen inne. Über mehrere Jahrwar sie dort wissenschaftliche Assistentin. Neben

ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit, arbeitete sie unter anderem als Journalistin sowie als Russischlehrerin an Schweizer Gymnasien. Für das Studiumder Slawistik hat Zink sich unter anderem entschieden, weil dem Fach „etwas Exotisches anhaftete“Sie habe noch nicht in der Wiege gewusst, dass siProfessorin werden wolle, erzählt Zink mit einemAugenzwinkern. „Die Slawistik eröffnete mir immer wieder den Blick in eine andere Welt. Das hamich sehr stark motiviert und inspiriert. So kam ichzu meiner ersten Stelle, auf der ich dann auch Gefallen am Unterrichten gefunden habe. Schließlichhat sich alles so ergeben“, so Andrea Fink. ef  

ZUR PERSON

Andrea Zink studierte Slawi-sche Philologie mit den Spra-

chen Russisch und Serbokro-atisch sowie Philosophie undOst- und Südosteuropäische

Geschichte in München,Berlin und Leningrad. 2006

habilitierte sie sich an derUni Basel, seit Oktober

2011 ist sie in Innsbruck. Zuihren Themen in Forschung

und Lehre gehören auch dierussische Literaturtheorie und

die Epoche von Moderneund Avantgarde.

Fotos:Eva Fess

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FUNDGRUBE VERGANGENHEIT

STRAHLENMESSER1912 entdeckte der Physiker und Nobelpreisträger Victor Franz Hessdie Kosmische Strahlung, ab 1931 betrieb er seine Forschungen hoch

über Innsbruck – am Hafelekar, auf 2265 Metern Höhe.

Es war der Tourismus, welcher der Forschung den

Weg in neue Höhen ermöglichte – zumindest in

Innsbruck. Im Sommer 1928 waren die Nordket-

tenbahnen von der Hungerburg über die Seegrube bis

zum Hafelekar eröffnet worden, eine Höhe von rund

2300 Meter ließ sich dadurch schnell und bequem errei-

chen. Kein Wunder also, dass Victor Franz Hess, der 1931einen Ruf an das neu errichtete Institut für Strahlenfor-

schung an der Universität Innsbruck erhalten hatte, das

Hafelekar als idealen Standort für die Dauerbeobachtung

der Kosmischen Strahlung betrachtete, da die Intensität

der Strahlung mit der Höhe zunimmt. Diese Kosmische

Strahlung, eine hochenergetische Teilchenstrahlung aus

dem Weltall, die von der Sonne, der Milchstraße und von

fernen Galaxien kommt, hatte Hess 1912 bei Ballonfahr-

ten in einer Höhe von mehr als 5000 Metern entdeckt.

Eine Entdeckung, die den Ausgangspunkt bildete für

eines der bedeutendsten physikalischen Forschungsge-

 biete – die Hochenergiephysik.

STRAHLUNGSSCHWANKUNG

Zunächst bestand die Station nur aus einem 4,5 mal 4,5

Meter großen Raum, später kamen Schlaf- und Labor-

räume hinzu. Das Kernstück – ein Messgerät – ist ein mit

dem Gas Argon gefüllter Zylinder. Trifft die kosmische

Strahlung auf dieses Gas, wird es elektrisch aufgeladen.

Das bewirkt einen Zeigerausschlag im Elektrometer, der

fotografisch festgehalten wird. Ein 1500 Kilo schwerer

Bleipanzer rund um den Zylinder dient als Schirm gegen

andere Strahlen. Schon im August 1931 konnte mit den

Messungen begonnen werden, das Hauptergebnis der

Registrierungen in den ersten Jahren war der Nachweis

der Existenz einer regelmäßigen täglichen Strahlungs-schwankung nach Ortszeit. Im Laufe der Jahre – nach

dem Wechsel von Hess nach Graz wurde die Station

von seinem Schüler Rudolf Steinmaurer weiterbetreut

– führten die Forschungsarbeiten am Hafelekar zu über

50 Publikationen. Und auch heute noch wird auf der

Nordkette geforscht: Die von einem Neutronenmonitor

gewonnenen Daten werden an die World Data Centers

for Cosmic Rays übermittelt, das Institut für Astro- und

Teilchenphysik nimmt atmosphärische Transparenzmes-

sungen vor, der Lawinenwarndienst Tirol hat eine Stati-

on und die Medizinuniversität Innsbruck betreibt eine

UV-Messstelle zur spektralen Aerosoldicke. ah

VICTOR

FRANZ HESS

Seine Ausbildung erhielt deram 24.6.1883 geboreneVictor Franz Hess in Graz,wo er 1906 „Sub auspiciisImperatoris“ promovierte.Von 1910 bis 1920 arbei-tete er am neu gegründetenInstitut für Radiumforschung

der Österreichischen Akade-mie der Wissenschaften inWien. 1912 entdeckte Hessdie Kosmische Strahlung,die er noch Höhenstrahlungnannte – wofür er 1936 denNobelpreis für Physik erhielt.1919 wurde Hess als außer-ordentlicher Professor an dieUniversität Graz berufen, ab1931 war er als Professoran der Universität Innsbrucktätig. 1937 wurde er neuer-

lich an die Universität Grazberufen. Als Gegner desNationalsozialismus wurdeHess nach dem AnschlussÖsterreichs an das DeutscheReich kurzfristig verhaftet, inden vorläufigen Ruhestandversetzt und im September1938 fristlos entlassen.1938 emigrierte er in dieUSA, wo er am 17.12.1964in Mount Vernon, New Yorkstarb.

Fotos: Universität Innsbruck/Institut für Astro- und Teilchenphysik (3), Universität Innsbruck/Patrick Jussel (1)

Victor Franz Hess mit dem Steinke-Apparatzur Messung der Kosmischen Strahlung (o.),

mit Schwiegertochter und Enkel am Hafe-lekar (Mitte), wo die von ihm gegründete

Forschungsstation heute noch steht und in dersich teilweise noch die originalen Messgeräte

befinden (u.).

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Foto: Rijksmuseum Amsterdam

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Konstantinopel, heute Istanbul, war in der frühen Neuzeitneben Rom das Zentrum der Diplomatie schlechthin. Die

Entwicklung diplomatischer Gepflogenheiten sowie derEinfluss von Diplomaten auf Krieg und Frieden können

hier beobachtet und nachvollzogen werden. Genau dasmacht die Historikerin Prof. Harriet Rudolph: Sie erforscht

die Institutionalisierung der Diplomatie in der Neuzeit.

EUROPÄISCHE

 WURZELN DERDIPLOMATIE

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TITELTHEMA

Für einen europäischen Adeligenmuss es eine erniedrigende Er-fahrung gewesen sein: An beiden

Armen von osmanischen Hofbeamten ge-packt und vor dem Sultan auf den Bodengeworfen zu werden – dieses Zeremoniellwar sonst in Europa nicht üblich: „In derTat verlangte der Sultan unbedingte Unter-werfung, auch von an seinem Hof akkredi-tierten Diplomaten“, erklärt Prof. HarrietRudolph vom Institut für Geschichtswis-senschaften und Europäische Ethnologie.Eines ihrer Forschungsgebiete ist die Ent-

wicklung der Diplomatie in der frühenNeuzeit, und die diplomatischen Beziehun-gen zwischen europäischen Mächten unddem Osmanischen Reich bieten sich hieraus mehreren Gründen als Forschungs-gegenstand an: „Konstantinopel fungiertespätestens ab dem letzten Viertel des 16.

 Jahrhunderts als Zentrum der Diplomatie.Wer etwas auf sich hielt und außenpoli-tische Ambitionen hegte, schickte einenResidenten an die Hohe Pforte“, erläutertHarriet Rudolph. Schließlich befand sichdas Osmanische Reich unter Süleyman

dem Prächtigen an der Spitze seiner MachtKonstantinopel diente als Drehscheibe zwischen Orient und Okzident, wobei es denfremden Machthabern sowohl um die Sicherung ihrer Handelsinteressen vor Orals auch um machtpolitische Ziele ging„Interessant hierbei ist, dass die europäischen Mächte das Osmanische Reich meisdurchaus als Teil Europas begriffen – diesEinstellung sollte sich erst später ändern.Dabei stellt die gerade an diesem Beispie

 besonders gut beobachtbare Verdichtungder diplomatischen Beziehungen einen we

sentlichen Faktor der Herausbildung eineeuropäischen Staatensystems in der FrühenNeuzeit dar.

SCHWIERIGE SITUATIONDie Situation der Diplomaten in Konstantinopel war im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert keinesfalls leichtsetzt in dieser Phase doch eine lang andauernde Krise des Osmanischen Reicheein. Nach Süleymans Tod kam es zu immerascheren Wechseln auf dem Sultansthronsowie im Amt des Großwesirs, der für die

Fotos: Rijksmuseum Amsterdam (1), Kunsthistorisches Museum, Wien (1

Doppelseite: Das Gemälde von Jean-Baptiste Vanmour auf den Seiten 8

und 9 zeigt die Audienz des nie-derländischen Gesandten Cornelis

Calkoen am 14. September 1727 beiSultan Ahmed III., der im linken Teildes Bildes auf einem Diwan thront.

Der Gesandte in der Mitte des Bildeswird vor allem durch die strahlenden

Farben seiner Bekleidung hervorgeho-ben, während seine Begleiter durch je-weils zwei osmanische Würdenträger

bewacht werden.

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zukunft forschung 0211 11

TITELTHEMA

Außenpolitik des Osmanischen Reiches zu-ständig war. „Die sich ständig verändern-den Machtkonstellationen am Sultanshoferschwerten auch die Arbeit der Diploma-ten, denn schließlich mussten ständig neueKontakte geknüpft werden“, sagt HarrietRudolph. Unabdingbar waren dabei wert-volle Geschenke an hohe Funktionäre desReiches, mit denen soziale Beziehungenhergestellt, erhalten oder aber konkreteGegenleistungen wie etwa Informationenüber aktuelle außenpolitische Ziele desSultans belohnt werden sollten (siehe dazu

auch den nebenstehenden Text von HarrietRudolph).

Die Sultane selbst gewährten in der Re-gel nur dann eine Audienz, wenn zuvor einGeschenk überreicht worden war. Lediglichdie französischen Diplomaten wurden auchso empfangen, da Frankreich als Verbünde-ter des Osmanischen Reiches galt. Die unü-

 bersichtlichen politischen Verhältnisse, dieabweichenden Vorstellungen der HohenPforte über den Status von Gesandten unddie ständige Konfrontation mit einer alsfremd und bedrohlich empfundenen Kul-

tur förderte die Herausbildung eines heuteselbstverständlichen Phänomens: „Die Di-plomaten begannen, einen Korpsgeist zuentwickeln und sich im Konfliktfall gegen-seitig zu unterstützen – auch unabhängigvon den aktuellen Beziehungen zwischenihren Entsendeländern.“ So wurde am Hofdes Sultans die sonst eingeführte Gepflo-genheit der diplomatischen Immunitätnicht geachtet: Im Fall eines Kriegs ließder Sultan den Botschafter des jeweiligenLandes mitunter kurzerhand als Geiselfestsetzen. So zwang Sultan Murad III. am

DIPLOMATISCHE GESCHENKE

G eschenke spielten in der euro-päischen Diplomatie der Frü-hen Neuzeit eine zentrale Rolle.

Auch am osmanischen Hof war es üblich,dass der Großwesir und andere einfluss-

reiche Personen mit Gaben bedacht wur-den. Was die hier beobachtbare Praxis

 jedoch von der an anderen europäischenHöfen unterschied, war die europäischeDiplomaten irritierende Tatsache, dassosmanische Amtsträger beinahe für je-de Dienstleistung eine Gabe verlangten,auch wenn diese zu ihren üblichen Amts-pflichten gehörte. So stöhnte der kaiserli-che Gesandte Ogier Ghiselin de Busbecq,dass er seine Börse gewissermaßen per-manent öffnen müsse, sobald er nur denBoden des Osmanischen Reiches betrete.

In jenen Phasen, in denen die innenpoli-tischen Verhältnisse sehr unübersichtlichwaren, wurden Geschenke an osmanischeHofbeamte im Gießkannenprinzip ver-teilt, da man hoffte, auf diese Weise allepotenziell wichtigen Entscheidungsträger

 bedient zu haben.

GESCHENKBESTELLUNGENWährend untere Chargen nur kleinereGeldsummen erhielten, wurden hoch-rangige Amtsträger mit kostbaren Uh-ren aus vergoldetem Silber, kunstvoll

ziselierten Waffen oder auch wertvollenStoffen bedacht. Diese Praxis ging sogarso weit, dass regelrechte Geschenkbestel-lungen in Wien eingingen. So hatte derGroßwesir Murads III., Sinan Pascha, um1590 einen Harnisch und einen Helm be-stellt gehabt, den Kaiser Rudolf II. auchanfertigen ließ. Er erhielt das Geschenk 

 jedoch nicht mehr, weil inzwischen derLange Türkenkrieg ausgebrochen war,der mit dieser Gabe ja gerade hatte ver-hindert werden sollen. Da ein Geschenk vor allem dann besondere Wirkung ver-

sprach, wenn es auf die Bedürfnisse desEmpfängers zugeschnitten war, wurdein den Produktionszentren des Heili-gen Römischen Reiches Augsburg oderNürnberg verstärkt Kunsthandwerk mit

osmanischen Stilelementen hergestellt.Dies dürfte die Verarbeitung türkischerMotivik in der europäischen Kunst undKultur gefördert haben, welche schließ-lich in der Turquerie des 18. Jahrhundertsgipfeln sollte. h. rudolph

Geschenke an osmanische Würdenträger spielten an derHohen Pforte eine zentrale Rolle, viel mehr noch als an

europäischen Höfen.

Diese Sturmhaube und der Brust- undRückenharnisch wurden als Geschenkefür den türkischen Großwesir SinanPascha hergestellt, aber auf Grund desLangen Türkenkrieges (1593-1606)nicht mehr geliefert. Die Sturmhaube,oder „Zischägge“, ist wie der auch„Kürass“ genannte Brust- und Rücken-harnisch reich geschmückt.

Das Gemälde von Jean-Baptiste Vanmourzeigt den Blick von der Terrasse der nie-derländischen Gesandtschaft in Pera auf das Goldene Horn, links ist der asiatischeTeil, rechts der europäische Teil Konstan-tinopels mit dem Topkapı Sarayı und derHagia Sophia zu sehen. In Pera (Beyoglu),das im 13. Jahrhundert als genuesischeHandelskolonie gegründet worden war,residierten die Vertreter europäischer Herr-schaftsträger an der Hohen Pforte.

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zukunft forschung 021112 Fotos: istockphoto.com (1), Andreas Friedle (

TITELTHEMA

Beginn des „Langen Türkenkriegs“ (1593-1606) den kaiserlichen Gesandten Friedrichvon Kreckwitz, ihn auf seinen Feldzügenzu begleiten, wo Kreckwitz bereits 1594verstarb. „Dessen Bedienstete, die derGroßwesir Sinan Pascha als Galeerenskla-ven hatte verkaufen lassen, kamen jedochaufgrund einer Intervention des englischenBotschafters wieder frei“, ergänzt HarrietRudolph.

GESANDTE IN EUROPADie Hohe Pforte selbst unterhielt bis 1793keine ständigen Vertretungen in Europa,weil sich die Sultane allen anderen Herr-schaftsträgern als rangmäßig überlegen

 betrachteten. Punktuelle Gesandtschaftengab es allerdings. „Nach Wien entsand-te die Pforte relativ früh Gesandte, wennauch zunächst solche mit niedrigem so-zialem Status, etwa Übersetzer. Das zeigtdie Bedeutung, die dem Heiligen Römi-

Der Topkapı-Palast ist heute eine dergrößten Touristenattraktionen in Istanbulund UNESCO-Weltkulturerbe. Das Bildzeigt einen Audienzraum des Sultans,

der auch auf der zeitgenössischen Dar-stellung von Jean-Baptiste Vanmour am

Beginn des Beitrag zu sehen ist.

Harriet Rudolph (* 1966 in Dresden) studierte Geschichte und Kunstgeschichte in Tübingen und London ab 1989, Dissertation und Habilitati-on in Geschichte an der Universität Trier folgten 1999 und 2008. Seitdem Frühjahr 2011 ist sie Professorin für die Geschichte der Neuzeitin Innsbruck. Ihr Interesse gilt unter anderem den politischen Kulturen inEuropa, der Mediengeschichte, der Historischen Ikonographie sowieder Hof- und Residenzenforschung. Im Rahmen des vorgestellten Projektes beschäftigt sie sich aktuell mit der Bedeutung materieller Ressourcenfür die Handlungsspielräume und die Selbstinszenierung von Diploma-ten an der Hohen Pforte.

ZUR PERSON

schen Reich beigemessen wurde. Nachdem Frieden von 1606 gestand der Sultandem Kaiser formal Gleichrangigkeit zuund entsandte nun ebenfalls repräsentati

ve Gesandtschaften nach Wien“, erläuterHarriet Rudolph. Dabei blieb das Verhältnis bis zum Anfang des 18. Jahrhundertkonfliktreich und damit auch die Lage deDiplomaten in Konstantinopel schwierig„Danach wurde der machtpolitische Niedergang des Osmanischen Reiches immeevidenter, wobei es nun als möglicheBündnispartner bei Kämpfen zwischen deneuropäischen Großmächten an Bedeutunggewann.“ Diese Entwicklungen spiegeltensich in den diplomatischen Beziehungenwider: Wurden im 16. Jahrhundert di

fähigsten Diplomaten an die Hohe Pfortgesandt, so war persönliche Eignung im18. Jahrhundert nicht mehr das wichtigste Auswahlkriterium. „Auch das Bild deeuropäischen Mächte vom OsmanischenReich wandelte sich: Nach dem Ende deosmanischen Expansion hatte sich diangstbesetzte Vorstellung vom barbarischen, gleichwohl kampfstarken Türkenüberholt“, beschreibt Harriet Rudolph.

Die Türkenbilder, die westliche Diplomaten an der hohen Pforte in ihren Berichtenentwarfen, waren allerdings schon zuvo

vielfältiger und mitunter auch deutlichpositiver gewesen. Schließlich fanden sichim Osmanischen Reich zum Beispiel frühAnsätze für einen exterritorialen Status vonResidenten, denn diese wurden nicht voosmanische Gerichte zitiert oder in ihreReligionsausübung gehindert. Auch damacht den besonderen Reiz einer Erforschung von diplomatischen Beziehungenzwischen dem Osmanischen Reich undwesteuropäischen Mächten in der Vormoderne aus. sh

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zukunft forschung 0211 13

TITELTHEMA

Walter Purrer studierte Bauin-genieurwesen mit Vertiefungin den Bereichen Bodenme-chanik, Felsmechanik und

Grundbau in Graz. 1983promovierte er zum Doktorder Montanwissenschaften.Er arbeitete viele Jahre inleitenden Funktionen anzahlreichen internationalenGroßbauprojekten mit, u.a.als technischer Projektleiterbei der Errichtung des Kanal-Tunnels. Im September 2008folgte er dem Ruf an die UniInnsbruck.

ZUR PERSON

Bauprojekte werden zunehmend vomKampf um die Eigeninteressen der ein-zelnen Projektpartner dominiert. Darun-

ter leiden nicht nur die mitwirkenden Menschen,sondern auch die Qualität der zu realisierendenBauvorhaben“, schildert Walter Purrer, Professorfür Baubetrieb, Bauwirtschaft und Baumanage-ment an der Universität Innsbruck ein Problemseiner Branche. Die Erfahrungen, die er selbstals Leiter zahlreicher nationaler und internatio-naler Großprojekte gemacht hat, haben ihn dazumotiviert, jene Denk- und Handlungsmuster, dieer als „typisch“ für Bauingenieure bezeichnet, zu

hinterfragen und mit seiner Arbeitsgruppe „DerMensch in der Bauwirtschaft“ neue Wege zu er-proben. Für seine praxisorientierte Forschungs-arbeit bedient er sich anderer Wissenschaftsdis-ziplinen wie zum Beispiel der Philosophie, derPsychologie, der Biologie, der Soziologie oder derManagementwissenschaften. „Der Bauingenieurdenkt und handelt sehr stark nach rein rationalenPrinzipien wie dem Kausalitätsprinzip. Damit er-leidet man dort, wo Menschen beteiligt sind, oftSchiffbruch“, erklärt Purrer. Seine Ansätze stoßen

 bei Fachkollegen zwar nicht immer auf hundert-prozentiges Verständnis, immerhin aber auf reges

Interesse: So fanden sich bei einer kürzlich vonihm organisierten Tagung zur Frage „Werdenunsere Bauprojekte von Kampf oder Kooperationdominiert?“ nicht nur zahlreiche Referenten ausgroßen Unternehmen ein, auch alle 120 Tagungs-plätze waren restlos ausgebucht.

POLARITÄT AKZEPTIEREN„Bauingenieuren wird bereits während der Aus-

 bildung vermittelt, dass Bauen Kampf ist und Ko-operationsbereitschaft die Gefahr mit sich bringt,über den Tisch gezogen zu werden“, sagt Purrer.Er hingegen plädiert für eine ausgewogene Balan-

ce zwischen Kampf und Kooperation und greift bei seiner Argumentation auf das Polaritätsgesetzaus der hermetischen Philosophie zurück, das be-sagt, dass kein Pol ohne den Gegenpol auskommt.„Kampf und Kooperation sind kein Widerspruch,sondern bedingen einander. In Bauprojekten istder Kampf als Ringen um eine gemeinsame Lö-sung völlig in Ordnung, danach muss wieder Ko-operation stattfinden“, erläutert Purrer, der der fes-ten Überzeugung ist, dass neue Denkansätze vieleProbleme in der Abwicklung von Bauvorhabenlösen können. Seine Arbeitsgruppe erprobt diese

 bereits in der Praxis ef 

KONSTRUKTIVE

 ANSÄTZEWalter Purrer plädiert für eine ausgewogene Balance zwischen

Kampf und Kooperation bei der Realisierung von Bauprojekten.

Fotos: Andreas Friedle (1), istock (1)

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zukunft forschung 021114

TITELTHEMA

SOZIALE INSEKTENAmeisen kooperieren eng und zählen zu den erfolgreichsten

Lebewesen. Die Biologin Birgit Schlick-Steiner untersucht derenSozialverhalten.

D er bekannte amerikanische BiologeEdward O. Wilson nennt Ameisen diekleinen Dinge, die unsere Welt am Lau-

fen halten. „Ameisen zählen sicher zu den erfolg-reichsten Organismen auf unserer Erde. Und das

 beruht auf der Tatsache, dass sie so gut kooperie-ren“, sagt Birgit Schlick-Steiner, seit drei JahrenProfessorin für Molekulare Ökologie an der UniInnsbruck. Wie Bienen, Wespen oder Termitenleben Ameisen eine extreme Form der Gemein-schaft. „Wir sprechen hier von Eusozialität“, er-

klärt Schlick-Steiner. „Die Tiere leben über mehrere Generationen zusammen, pflegen die Brugemeinsam und kümmern sich um die NahrungUnd manche Individuen verzichten sogar daraufsich fortzupflanzen.“ Biologisch ist Kooperationin gewisser Weise unschlagbar, sie hat aber immer auch ihren Preis. Bei den Ameisen wird deVerzicht auf Fortpflanzung durch eine genetischBesonderheit begünstigt. Die Männchen gebennur einen Chromosomensatz weiter, währenddie Königinnen zwei Chromosomensätze an die

Fotos: Andreas Friedle (1), Birgit Schlick-Steiner & Florian Steiner (1

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TITELTHEMA

Nachkommen weiterreichen. „So entsteht unterweiblichen Ameisen ein besonderes Verwandt-schaftsverhältnis, weil das Erbgut des Vatersimmer zur Gänze vererbt wird: Die Schwesternsind im Schnitt zu 75 Prozent verwandt, währenddie Mutter zu den Kindern nur zu 50 Prozentverwandt ist.“ Enge Verwandtschaft wiederum

 begünstigt Kooperation, weil auch bei kleinemNutzen die verhältnismäßig hohen Kosten derZusammenarbeit akzeptiert werden.

Im Laufe der Evolution ist diese Form der eu-sozialen Kooperation bei Hautflüglern mindes-

tens sieben Mal unabhängig voneinander ent-standen. Es gibt aber auch Organismen, die diegenetische Besonderheit nicht haben, und trotz-dem eusoziale Lebensgemeinschaften bilden:zum Beispiel Termiten, Pistolenkrebse, Blattläuseund Nacktmulle. Auch bei Ameisen gibt es Situa-tionen, wo das Verwandtschaftsverhältnis andersgelagert ist. Wenn mehrere Königinnen im Nestsind oder sich eine Königin mehrfach paart, dannist der Verwandtschaftsgrad unter den Tieren ge-ringer. „Dieses genetische Verhältnis findet man

 bei mehr als der Hälfte der Ameisen. Wir nehmenan, dass dies eine sekundäre Entwicklung ist, die

die genetische Diversität unter den Ameisen er-höhen soll“, sagt die Biologin. „Die kooperativeLebensform bleibt davon aber unberührt. EineRückkehr zu nichtkooperativen Formen kommtnicht vor.“ Vor Kurzem konnte das Team umBirgit Schlick-Steiner zeigen, dass Ameisen nicht

 beide Strategien zur Erhöhung der genetischenDiversität gleichzeitig verfolgen: Entweder fin-den sich mehrere Königinnen im Nest oder eineKönigin lässt sich mehrfach begatten.

SUPERKOLONIEN

Die Argentinische Ameise hat sich heute durch

den globalen Handel beinahe weltweit verbrei-tet. Sie bildet sogenannte Superkolonien auszahlreichen Nestern, die sich untereinander nicht

 bekämpfen. Anders als in ihrer Heimat könnensich diese Superkolonien in den Einwanderungs-ländern über riesige Areale erstrecken: Die größtereicht über eine Länge von 6000 Kilometern vomspanischen Galizien über Frankreich bis nach Ita-lien. „Ameisen sind aufgrund dieser Eigenschaf-ten aus Sicht der Invasionsbiologie eigentlich einProblem“, sagt Schlick-Steiner und fügt hinzu:„Sie zählen zu den erfolgreichsten Invasoren un-ter den wirbellosen Landtieren.“

In Österreich entdeckte das Innsbrucker Teameine neue einheimische Wegameise, die zwarkeine Superkolonien bildet, aber dennoch übermehrere Nester hinweg kooperiert. Die vonden Forschern Lasius austriacus benannte Amei-se lebt mit nur einer, einmal begatteten Königinim Nest. Das widersprach den bisher gängigenErklärungsansätzen für die Entstehung von Su-perkolonien, wonach entweder geringe innereVerwandtschaftsgrade oder die gemeinsame Ab-stammung von wenigen Individuen bei Invasi-onsarten für die große Kooperationsbereitschaft

der weit voneinander entfernt lebenden Ameisenverantwortlich sind. „Wir müssen deshalb mehrAugenmerk auf die ökologischen Bedingun-gen legen, zusätzlich zu den Verwandtschafts-aspekten“, resümiert Schlick-Steiner. „Diese Artkann es sich einfach leisten, auf Aggression zuverzichten, weil die Ameisen unterirdisch leben,gut abgegrenzte Nester bauen und Wollläuse alsNahrungsquelle in ihren Nestern halten. Dadurchist der Konkurrenzdruck geringer.“ Die Arbeits-gruppe um Birgit Schlick-Steiner hat im Ötztaleine weitere Ameisenart entdeckt: Tetramorium al-

 pestre. Diese zeigt teils aggressives, teils aber auch

kooperatives Verhalten gegenüber Artgenossenanderer Nester. An dieser Art will sie nun mit ih-rem Team untersuchen, wo im Genom sich die-se Verhaltensänderung manifestiert. Dazu wirdmit Unterstützung des österreichischen Wissen-schaftsfonds FWF erstmals das gesamte Genomdieser Ameisenart entschlüsselt.

KOOPERATION ZWISCHEN ARTEN

Die Zusammenarbeit unter Tieren beschränktsich aber nicht auf die eigene Art. Die Forscherum Schlick-Steiner haben bei einer weiteren ös-terreichischen Ameisenart den sogenannten Mu-

tualismus – Kooperation, von der beide Artenprofitieren – untersucht. Diese benutzt Pilze, umihren Nestern Struktur und Festigkeit zu geben.Die Ameisen zerkleinern dazu Holz und tränkenes mit dem Honigtau von Blattläusen. Auf diesemSubstrat wächst der Pilz, der ohne die Unterstüt-zung der Ameisen nicht überleben würde. „DasSpannende dran ist“, sagt die Biologin, „dass eineAmeisenart immer zwei unterschiedliche Pilzar-ten züchtet, was bei einer so engen Kooperationselten vorkommt.“ Mit genetischen Methodenwollen die Forscher auch dieses Phänomen wei-ter erhellen. cf 

Neben Sozialbiologiezählen Biodiversitäts- undEndemismusforschung so-wie Arbeiten zur schnellenEvolution als Antwort auf den Klimawandel zu denForschungsschwerpunktenvon Birgit Schlick-Steiner.Sie ist seit 2008 Inhaberinder einzigen Professurfür Molekulare Ökologiein Österreich. Ihr For-schungsansatz zeichnet

sich durch die Kombinationverschiedener Methodenaus: von Morphologie undchemischer Ökologie, überMolekulargenetik bis hin zuökologischer Modellierung.Birgit Schlick-Steiner wurde1975 in Wien geboren undstudierte an der UniversitätWien Zoologie. Vor ihrerBerufung nach Innsbruckwar sie zwei Jahre in Aus-tralien tätig.

ZUR PERSON

„ Ameisen zählen sicher zu den erfolgreichsten Organismen auf unserer Erde. Unddas beruht auf der Tatsache, dass sie so gut kooperieren.“ Birgit Schlick-Steiner, Institut für Ökologie

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TITELTHEMA

Fotos: Andreas Friedle(1), Stefano Spaziani/Action Press/picturedesk.com (

DIALOG DER WELTRELIGIONENSeit Jahren beschäftigen sich Innsbrucker Theologen mit Fragen zu

Weltordnung, Religion und Gewalt. Ein Themenkomplex, der auch imDialog der Religionen eine wichtige Rolle spielt.

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TITELTHEMA

ZUR PERSON

Wolfgang Palaver (*1958

in Zell am Ziller) studierteSelbstständige Religionspäd-agogik (kath.), Germanistikund Politikwissenschaft ander Universität Innsbruck,1984 schloss er das Studiumder Selbstständigen Religi-onspädagogik ab. Von 1984bis 1987 war Palaver jeweilshalbtägig Leiter der Stadtju-gendseelsorge im Bischöfli-chen Ordinariat der DiözeseInnsbruck sowie Assistent

am Institut für Fundamen-taltheologie der UniversitätInnsbruck, ab 1987 Assistentam Institut für Moraltheologieund Gesellschaftslehre. DiePromotion zum Dr. theol.folgte 1990, 1991/92 warPalaver für einen Forschungs-aufenthalt am Center for Inter-national Security and ArmsControl der Stanford Universi-ty in Kalifornien/USA. 1997habilitierte er sich für das

Fach „Christliche Gesell-schaftslehre“, seit 2002 ister Professor für ChristlicheGesellschaftslehre an derTheologischen Fakultät derUniversität Innsbruck.

A us heutiger Sicht war es fast eine prophe-tische Tat“, sagt Wolfgang Palaver. Wasder Innsbrucker Theologe meint, ist das

Weltgebetstreffen für den Frieden, das zum ers-

ten Mal am 29. Oktober 1986 auf Einladung desdamaligen Papstes Johannes Paul II. veranstaltetwurde. Diesem interreligiösen Treffen von hohenGeistlichen verschiedener Religionen in der ita-lienischen Stadt Assisi folgte ein zweites im Jahr2002, wenige Monate nach den Anschlägen vom11. September 2001. 25 Jahre nach dem ersten Tref-fen rief Papst Benedikt XVI. am 27. Oktober 2011das Treffen zum dritten Mal ein. Zum Abschlussdieses Friedenstreffens bekräftigten Vertreter vonReligionen aus aller Welt ihre Verpflichtung zumFrieden – die Erklärung wurde von Christen, Re-präsentanten anderer Bekenntnisse sowie einem

Nichtglaubenden in mehreren Sprachen verle-sen.

Dies, so Palaver, sei ein wichtiges Zeichen ge-wesen, denn mit jedem Schritt, mit dem man Re-spekt gegenüber anderen Religionen äußere – seies von Religionsführern oder wie von Barack Obama bei seiner Rede in Kairo im Jahr 2009– entwickelt sich das Verhältnis der Religionenaufeinander zu. Speziell das Verhältnis zwischenChristentum und Islam sei für die zukünftige Ent-wicklung entscheidend, da brauche man sich nurdie Zahlen anschauen, meint Palaver: „Bei rundsieben Milliarden Menschen gibt es 1,6 Milliar-

den Moslems und 2,3 Milliarden Christen. Das istmehr als die Hälfte der Menschheit.“ Und geradedas Verhältnis zwischen Moslems und Christenscheint spätestens seit dem 11. September 2001angespannt.

FORSCHUNGSPLATTFORM

Es waren auch die Eindrücke der Terroranschlägeim Jahr 2001 und die damit einhergehenden pro-

 blematischen politischen und gesellschaftlichenEntwicklungen, die an der Universität Innsbruck zu Überlegungen führten, wie die Wissenschaft aufdie Herausforderung von religiösem Fundamenta-

lismus und Gewalt reagieren könne. Der 2004 ver-storbene Universitätsprofessor und Theologe Ray-mund Schwager brachte damals die Idee für eineinterfakultäre Forschungszusammenarbeit vor, diesich der Frage von Weltordnung, Religion und Ge-walt widmen sollte. Diese Frage und das bekun-

dete Interesse an ihrer Bearbeitung seitens einerReihe von Vertretern der Theologie, Geschichte,Literaturwissenschaft, Philosophie, Politologie,Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wurde

zum Ausgangspunkt für eine rege Forschungszu-sammenarbeit, die 2007 letztlich zur Institutiona-lisierung der Forschungsplattform „Weltordnung– Religion – Gewalt“ geführt hat. Seit 2010 ist diesePlattform Teil einer größeren, nämlich der Platt-form „Politik – Religion – Kunst“.

Eine Plattform, die schon auf ein jahrelangesFundament aufbauen konnte, beschäftigten sichInnsbrucker Theologen doch schon seit Langemmit dem Thema der Friedens- und Konfliktfor-schung, speziell mit den Thesen des französi-schen Anthropologen und ReligionsphilosophenRené Girard. Wobei sich Girard in seinen Analy-

sen auf grundlegende Texte des Judentums unddes Christentums beschränkte, eine Öffnungdieser Überlegungen zu anderen Religionen,speziell zum Islam, ist Palaver und seinen For-scherkollegen ein Anliegen. Im April 2011 etwaorganisierte er gemeinsam mit Richard Schenk in Berkeley die Tagung „Girard and World Reli-gions“, die schriftliche Fassung der Referate alsBuch ist in Arbeit. Für 2013 ist eine große Tagungzum Thema „Girard und Islam“ geplant, an der,sagt Palaver, neben Girard-Spezialisten auch Is-lamwissenschaftler und wissenschaftlich tätigeMoslems teilnehmen werden. Palaver ist über-

zeugt, dass die Theorie von René Girard in denentscheidenden Fragen auch auf den Islam um-legbar sein muss. Wenn nicht, wäre es nur eine

 begrenzte Theorie.Und es spricht einiges dafür, denn Christentum

und Islam – so wie das Judentum eine abrahami-tische Religion – verbindet einiges, so etwa dieAbsage an die uralte Praxis der Menschenopfer.So stimmen Bibel und Koran darin überein, dasses gegen den Willen Gottes wäre, wenn Abra-ham seinen Sohn schlachten würde. Palaver:„Auch die Sorge um die Opfer von Gewalt undUnterdrückung kennzeichnet Bibel und Koran.

Beispielhaft kann auf die Geschichte jenes Josefsverwiesen werden, der aus Neid von seinen Brü-dern als Sklave verkauft wird. Bibel und Koranerzählen uns, wie Gott diesen verstoßenen Sün-denbock nicht fallen lässt und durch sein Lebenhindurch begleitet.“  ah

„ Wenn wir Theologen und Religionswissenschaftler einen Beitrag zur Gesellschaftsentwicklung leisten wollen, müssen wir heute die Fragenangehen, die morgen brennende sein werden.“ Wolfgang Palaver, Institut für Systematische Theologie

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zukunft forschung 021118

TITELTHEMA

Fotos: Andreas Friedle (1), istockphoto (

 WIE KOOPERATIV 

IST DER HOMO

OECONOMICUS?In spieltheoretischen Experimenten untersuchte Matthias Sutter die

Kooperationsbereitschaft der Menschen. Das Ergebnis war, dassdiese nicht nach dem theoretischen Konzept eines Homo oecono-

micus agierten, sondern sich konditional kooperativ zeigten.

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TITELTHEMA

Den Egoismus des menschlichen

Verhaltens hat Adam Smith, der

Begründer der Nationalökono-

mie, bereits früh erkannt, als er sagte: „Es

ist nicht die Wohltätigkeit des Metzgers,

des Brauers oder des Bäckers, die uns un-ser Abendessen erwarten lässt, sondern

dass sie nach ihrem eigenen Vorteil trach-

ten.“ Demnach können sich Menschen in

ökonomischen Beziehungen nicht darauf

verlassen, dass sich ihre Verhandlungs-

partner aus Altruismus fair und koope-

rativ verhalten. Vielmehr handeln sie aus

Egoismus, der sie dazu treibt, alles daran

zu setzen, die Kooperation für sich selbst

erfolgreich zu beenden. Dies deckt sich mit

dem wirtschaftswissenschaftlichen Utilita-

rismus, der besagt, dass Menschen immer

den größtmöglichen Nutzen aus einer Situ-ation ziehen wollen. Sie verhalten sich wie

der, von Adam Smith geprägte, rationale

und egoistische Homo oeconomicus, der

als Grundannahme vieler wirtschaftswis-

senschaftlicher, aber auch anderer wissen-

schaftlicher, Modelle gilt.

Der Homo oeconomicus kennt nur öko-

nomische Ziele und ist auf seinen Eigen-

nutzen bedacht. In der öffentlichen Dis-

kussion wird dieser Eigennutzen häufig

automatisch mit Gewinn- und Profitmaxi-

mierung gleichgesetzt. „Das mag in man-

chen Fällen zutreffen, der Eigennutzen istaber ein viel breiteres Konzept. Zum Bei-

spiel kann es jemandem dabei gut gehen,

Geld zu spenden. Wenn man aber davon

ausgeht, dass der Homo oeconomicus ein

reiner Gewinn- und Profitmaximierer ist,

dann beschreibt diese These menschliches

Verhalten zum Teil ganz gut, aber nicht

komplett“, so Professor Matthias Sutter

vom Institut für Finanzwissenschaft. Evi-

dent ist, dass der Homo oeconomicus im

Grunde lediglich ein Konstrukt der volks-

wirtschaftlichen Theorie ist, welches dazu

dient, menschliches Verhalten so einfach

wie möglich abzubilden.

In den letzten zehn Jahren gibt es ein

 breites Forschungsthema in der volkswirt-

schaftlichen experimentell motivierten

Forschung, welches die Veranlassung derMenschen zur Kooperation untersucht.

Eines der wesentlichen Erkenntnisse aus

dieser Forschung ist, dass Vertrauenswür-

digkeit und Kooperationsbereitschaft zu

einem großen Teil auf einer generalisier-

ten Reziprozität beruhen. Sie bewirkt eine

sogenannte konditionale Kooperation, da-

mit ist gemeint, dass Individuen mehr zu

einem Gemeinschaftsgut beitragen, wenn

sie erwarten oder sehen, dass sich andere

auch daran beteiligen. Wenn sie hinge-

gen sehen, dass andere nicht kooperieren,

kooperieren sie auch nicht. Das heißt, imselben Menschen stecken unterschiedli-

che Verhaltensmuster, um in einer Grup-

pe zu agieren. Dies ist abhängig davon,

wie man die anderen Gruppenmitglieder

wahrnimmt und was man vom Verhalten

der anderen erwartet. Viele Studien zei-

gen, dass 60 bis 70 Prozent der Menschen

derartige Verhaltensmuster aufweisen. So

spielt es ökonomisch gesehen eine zentrale

Rolle, wie Entscheidungen in Gruppen ge-

troffen werden. Durch die Entwicklung ex-

perimenteller Methoden ist es möglich, die

Annahmen der konditionalen Kooperationunter kontrollierten Laborbedingungen mit

dem tatsächlichen Handeln von Individuen

zu vergleichen. Matthias Sutter konnte ge-

meinsam mit M. Fernanda Rivas in einem

spieltheoretischen Experiment zeigen, dass

sich die Theorie der konditionalen Koope-

ration in die Praxis transformieren lässt.

SPIELTHEORETISCHES EXPERIMENT

Das Experiment setzte eine Gruppe von

vier Personen voraus. Davon wurde eine

Person bestimmt, die als Gruppenleader

agierte und vor allen anderen einen Bei-

trag in der Größenordnung von 0 bis 25

Geldeinheiten für die Gruppe in einen Ge-

meinschaftstopf leisten sollte. Sobald diese

Person ihre Entscheidung getroffen hatte,

wurde die Beitragsgröße den drei ande-ren Personen mitgeteilt und sie durften

 beschließen, welche Summe sie beitragen

möchten. In allen Fällen war es so, dass die

 beste Entscheidung eines Homo oeconomi-

cus ein Nullbeitrag gewesen wäre.

„Wenn aber alle vier Personen das Ma-

ximum beitragen, geht es allen zusammen

am besten. Die Entscheidung der ersten

Person ist autoritativ für die Entscheidun-

gen der anderen. Wenn der Gruppenleader

viel beiträgt, folgen die anderen; wenn der

Leader wenig beiträgt, tragen die anderen

auch wenig bei. Das Kooperationsniveauhängt ganz evident von der Handlungs-

weise des Gruppenleaders ab“, erklärt

Sutter. Wenn ein Leader in einer Gruppe

eine Vorbildrolle einnimmt und die ande-

ren Mitglieder sehen, dass er im Sinne des

Gruppenwohls handelt, ist das sowohl für

das Gruppenklima als auch die Gruppen-

leistung relevant.

Interessant ist jedoch der Aspekt, dass

Kooperation nur dann funktioniert, wenn

der Leader mit seinem Entschluss eine

Richtlinie in der Gruppe setzt. Die Koopera-

tionsbereitschaft bricht in der Situation zu-sammen, wenn der Leader den anderen drei

Personen den Vortritt zur Erstentscheidung

lässt. Die Ergebnisse dieses Experiments

lassen schlussfolgern, dass bei zwischen-

menschlichen ökonomischen Aktivitäten

das Prinzip der Reziprozität gilt. Menschen

agieren nicht nur nach dem theoretischen

Konzept eines Homo oeconomicus, der

rein egoistisch motiviert ist und handelt,

sondern eben auch nach dem Prinzip „Wie

du mir, so ich dir“. Sie achten auf Fairness

und Status in einer Gruppe. nh

Matthias Sutter (* 1968 in Hard, Vorarlberg) ist Professor am Institut für Finanzwis-senschaft an der Universität Innsbruck und Gastprofessor an der Universität Göte-

borg. Sein Forschungsinteresse bezieht sich vor allem auf die Bereiche Experimen-telle Wirtschaftsforschung, Spieltheorie und Teamentscheidungen. Aktuell forschtProf. Sutter in dem Gebiet der Entwicklung ökonomischen Entscheidungsverhaltens

von Kindern und Jugendlichen. Er erreichte im Jahr 2011 beim HandelsblattÖkonomen-Ranking Platz 5 (unter 2400 Forscherinnen und Forschern im deutsch-

sprachigen Raum) und erhielt 2009 den Tiroler Wissenschaftspreis.

ZUR PERSON

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Einer der faszinierendsten Momente der Evolution war der Übergang von einzelligen

zu vielzelligen Organismen. Als sich mehrere Zellen zusammentaten und Aufgabenim Körper untereinander aufteilten, wurde die Basis für höheres Leben auf der Erdeelegt. „Jede Zelle enthält alle Bausteine des Lebens, aber damit ein Lebewesenaraus wird, müssen die Zellen kooperieren“, sagt Martin Nowak, der aus Österreich

stammende Harvard-Professor für Mathematik und Biologie. Bert Hobmayer und seinTeam am Innsbrucker Institut für Zoologie untersuchen diese kritischen Übergänge iner Phylogenie der Tiere, die zur immensen Verbreitung der verschiedenen Baupläne

im Tierreich führten. Ausgehend von den ursprünglichsten Zellkolonien entwickeltensich in bislang nicht erklärbaren Prozessen organisierte Gewebeschichten, Nerven-und Muskelsysteme, Keimschichten und Körperachsen. Einfach gebaute Nesseltierewie der Süßwasserpolyp Hydra sind ideale Modellsysteme, um herauszufinden, wiesich diese Prozesse vor mehr als 650 Millionen Jahren vollzogen haben.

KOMMUNIKATION ZWISCHEN ZELLEN

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zukunft forschung 211 21

IM ZOOM

In den Fokus der biologischen Forschung geriet die Hydra bereitsvor über 250 Jahren. Ihre enorme Regenerationsfähigkeit – dieTiere können sich in fünf Tagen vollständig erneuern und damittheoretisch unendlich alt werden – macht die Hydra in der moder-nen Forschung zu einem weitverbreiteten Modellorganismus. BeiNesseltieren entwickelten sich auch erstmals im Laufe der Evolution

Kommunikationskontakte zwischen den Zellen. Durch diese Kanä-le werden chemische Informationen ausgetauscht.

Im Vorjahr wurde der genetische Bauplan der Hydra entschlüs-

selt. Die Innsbrucker Hydra-Forschungsgruppe hat dabei mit Hil-fe von bioinformatischen Methoden jene Gene von Süßwasser-polypen identifiziert, die für den Bau von Zell-Zell-Kontaktstellenverantwortlich zeichnen. Durch genetische Manipulation könnenKontaktproteine an einen fluoreszierenden Farbstoff gekoppeltwerden. Dadurch werden die Kontaktstellen in der Körperwandsichtbar gemacht.

Die Kontaktstelle zwischen Nervenzellen und Muskelzellenuntersuchten die Tiroler Biologen mit Hilfe eines Elektronenmik-roskops. In den synapsenartigen Fortsätzen der Neuronen (imBild oberhalb der Linie) fanden sie an den Zellwänden winzigeVesikel („Bläschen“), die Botenstoffe in die benachbarten Mus-kelzellen (im Bild unterhalb der Linie) abgeben. Da der Hydraeinige von höheren Tieren bekannte Gene für Nervenreizleitungfehlen, sind hier vermutlich andere, bislang nicht erforschteSignalmoleküle aktiv.    F

   o    t   o   s   :

    I   n   s    t    i    t   u    t    f    ü   r    Z   o   o    l   o   g    i   e

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zukunft forschung 021122

STANDORT TIROL

ZUKUNFT: Im Bericht der drei ausländischen Experten* zum österreichischen Hochschulplan heißes, dass Wettbewerb und Kooperation zu einer modernen nationalen Universitätslandschaft gehörenWar dies vor 20, 30 Jahren nicht so?KARLHEINZ TÖCHTERLE: Nein, bei weitem nicht

Das UG 2002 hat in diesem Bereich gewaltige Änderungen gebracht – die Autonomie der Universitäten, die „Entfesselung“ im besten Sinne deWortes. Das haben die Unis sehr gut genützt. Ichwar am Anfang durchaus ein Skeptiker des UG2002, muss jetzt aber gestehen, dass es ein mutiger und richtiger Schritt in die Zukunft war. Es isdadurch Wettbewerb entstanden, z.B. eine neuBerufungskultur – es ist jetzt ein klassischer Wett

 bewerb zwischen den Unis der ganzen Welt umdie besten Köpfe. Das habe ich als Rektor bei etw100 Berufungen hautnah gespürt. Weiters habenwir einen Wettbewerb im Drittmittelbereich. Ich

würde mir einen Wettbewerb innerhalb der Studierenden wünschen – den haben wir nicht. Aucheine schlanke gut funktionierende Verwaltung isein Wettbewerbsvorteil. Wettbewerb hilft also sicher, wobei ich betonen möchte, dass ich nicht inallem ein Wettbewerbseuphoriker bin.ZUKUNFT: Explizit heißt es im Bericht auch, dasKooperation weitere Wettbewerbsvorteile bringenkönnte. Wo sehen Sie Kooperationspotenziale?TÖCHTERLE: Sie drängt sich vor allem da auf, woes teuer wird. Es ist besser, ein gutes teures Geräfür mehrere Universitäten zu kaufen, statt drei mittelmäßige Geräte für drei Unis anzuschaffen.

ZUKUNFT: Wie den neuen Supercomputer MACHfür die Unis Innsbruck und Linz.TÖCHTERLE: Ja. Bei Rechnern geht es natürlich relativ leicht, der Standort ist hier egal. Ein weitereKooperationsfeld ist jenes, in dem größere Quantitäten notwendig sind wie bei DoktoratskollegsMit drei Leuten geht das nicht, es braucht zehn20 gute Dissertantinnen und Dissertanten, die imTeam arbeiten. Sinnvoll ist Kooperation auch in

„WETTBEWERB HILFT“Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle über die „Entfesselung“ der heimischenUniversitäten, interuniversitäre Kooperationen, das internationale Standing der UniInnsbruck und warum die Lehrerausbildung ein universitäres Thema bleiben soll.

Fotos: Florian Lechner (2

* Univ.-Prof. Dr. Antonio Loprieno, Rektor und Professor für Ägyptologie/UnBasel; Prof. Dr. Eberhard Menzel, Professor für Elektrische Energietechniund Präsident der Hochschule Ruhr West; Univ.-Prof. Dr. Andrea SchenkerWicki, Professorin für Business Administration/Uni Zürich.

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zukunft forschung 0211 23

STANDORT TIROL

der Forschung. Wenn man gute ERC-Grants oderFWF-Projekte einwerben will, braucht es eine ge-wisse Masse und Qualität, was für eine Universitätoder ein Fach allein oft schwer ist. Mit Kooperation

kann man aber auch die Qualität und Vielfalt inder Lehre erhöhen.ZUKUNFT: Wie beim Mechatronik-Studium, dasvon der Universität Innsbruck mit der PrivatuniUMIT angeboten wird.TÖCHTERLE: Dazu hat uns damals sicherlich auchdie Technologieoffensive des Landes animiert. Eskam zur Kooperation, es gibt an beiden Unis Stif-tungsprofessuren, es gibt das gemeinsame Studi-um. Wahrscheinlich gibt es ein paar Kinderkrank-heiten, aber das ist ganz normal. Auf lange Sichtkann es nur so gehen. Festzuhalten ist aber auch,dass immer die Qualität auf allen Seiten stimmen

muss – man muss immer auf gleicher Augenhöhesein, das ist die Voraussetzung.ZUKUNFT: Es gibt in Österreich mehrere Architek-turstudien, sehr viele Wirtschaftsausbildungen. Se-

hen Sie in diesem Bereich Kooperations-, Fusions-oder Konzentrationspotenzial?TÖCHTERLE: Natürlich gäbe es das. Die von Ihnenangeführten Studien sind allerdings Massenstudi-en, da müssen wir über die vielen Anbieter frohsein, sonst könnten wir die Massen noch schlech-ter bewältigen. Da würde ein Konzentration wenig

 bringen. Wichtig ist aber eine Absprache, zu wis-sen, was der andere macht. In diesem Sinne ist einHochschulplan und eine gegenseitige Informationund Abstimmung extrem wichtig.ZUKUNFT: Soll der Hochschulplan eine gewisseSystematik in das Universitätswesen bringen?

TÖCHTERLE: Unser Universitätswesen ist über Jahrhunderte mit sehr vielen Einzelelementen ge-wachsen, die muss man in eine Zusammenschau

 bringen. Nun hat man es aber mit autonomenGebilden zu tun – und die Autonomie gilt es zuwahren –, da muss man sich bei der Abstimmungdementsprechend verhalten. Man kann nicht vonoben herab anschaffen, man kann anstoßen, anre-gen, steuern. Dafür haben wir die österreichischeHochschulkonferenz. Dazu möchte ich noch einessagen. Die Tiroler Hochschulkonferenz ist inzwi-schen beispielgebend in Österreich, Salzburg unddie Steiermark übernehmen die Idee. Das ist sicher

ein Klassiker der Kooperation, wobei man natür-lich auch am Boden bleiben muss. Am Anfang pas-sieren nicht die großen Wunder, allein aber, dassman gemeinsam an einem Tisch sitzt, miteinander

redet, sich abstimmt, das ist ein Qualitätssprungsondergleichen.ZUKUNFT: Wenn es nach den politischen Plänengeht, wird es im Bereich der Lehrerausbildung zuKooperationen kommen. Die Uni Innsbruck hatnun eine „School of Education“ präsentiert, welchedie gesamte Lehrerausbildung an der Universitätansiedelt. Wie sehen Sie das?TÖCHTERLE: Ich habe dazu klare Positionen, dieich argumentativ abstützen kann, auch weil ichselbst Lehrer ausgebildet habe. Es ist schlicht un-denkbar, dass die Universitäten in Zukunft bei derLehrerausbildung eine untergeordnete Rolle spie-

len sollen. Sie sind quantitativ die weitaus größtenAusbildner und vor allem die Stätten, an denendie fachliche Qualität der Lehrerausbildung amehesten abgesichert ist. Für die Qualität eines Leh-rers und einer zukünftigen Schule ist die wissen-schaftsgestützte und -geleitete Lehre unabdingbar.Das gilt primär für die Fachausbildung, aber auchfür die pädagogische Ausbildung. Da mögen jetztdie Pädagogischen Hochschulen böse auf michsein, ich möchte ihre Qualität auch nicht schlechtreden. Wenn sie sich jetzt aber das Ziel setzen müs-sen, dass irgendwann einmal 25 Prozent ihres Per-sonals ein Doktorat haben, dann muss man nicht

mehr nachdenken.ZUKUNFT: Sie haben durch Ihre Funktion inzwi-schen auch eine Außensicht auf die heimischenUnis. Wie bewerten Sie damit die Uni Innsbruck?TÖCHTERLE: Das Standing ist hervorragend, sieist überall bekannt und hat einen guten Klang. Seit2002 hat sie sicherlich dazugewonnen, das siehtman an den internationalen Berufungen: Deutsche,Italiener, Schweizer, Engländer, Rückkehrer ausden USA – das ist nur ein Indiz. Die Uni Innsbruck kann stolz sein, was sie aus ihren Möglichkeitengemacht hat. Mehr geht aber immer, es gibt Fächer,da könne man besser sein.

ZUKUNFT: Wie wird Österreich als Forschungs-land wahrgenommen?TÖCHTERLE: Auch gut. Wir machen uns aberselbst schlecht. Das liegt leider etwas an den Rek-toren – denen ich ja auch angehört habe –, da sieimmer als diejenigen auftreten, die nach mehr Geldrufen. Die Botschaft die hängenbleibt ist, dass un-sere Unis desolat sind, was nicht stimmt. Ich glau-

 be, dass man auch positive Botschaften vermehrtverbreiten sollte. Das heißt aber nicht, dass mansich zurücklehnen darf. ah

„Für Kooperationen muss manauf gleicher Augenhöhe sein.Das ist die Voraussetzung.“Karlheinz Töchterle, Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

Karlheinz Töchterle, geboren1949, studierte KlassischePhilologie und Germanis-tik an der Uni Innsbruckmit Studienaufenthalten inKonstanz und Padua. Pro-motion 1976 in KlassischerPhilologie, 1978 Abschlussder Lehramtsprüfung, 1986

Habilitation, von 1976 bis1997 Assistent am Institut fürKlassische Philologie, Vertre-tungsprofessuren führten ihnnach Graz und München.1997 wurde Töchterle Profes-sor für Klassische Philologiein Innsbruck, von Oktober2007 bis April 2011 war erRektor. Seit dem 21. April2011 ist der parteifreieTöchterle Bundesminister fürWissenschaft und Forschung.

ZUR PERSON

Das gesamte Interview finden Sie auf www.uibk.ac.at/forschung/magazin/7/ 

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zukunft forschung 021124

PATENTE & SPIN-OFFS

DATEN AUS DEM ALL 

Die Schneeausdehnung in den Alpen nahezu in Echtzeit

nachvollziehen und beobachten – dieses Service bringt un-

schätzbaren Mehrwert. Die von Gletschern und dauerhaft

von Schnee bedeckten Gebiete sind europaweit ein Reservoir für

Trink- und Nutzwasser, außerdem können so für die Klimaforschung

wertvolle Daten zur Veränderung der Gletscher erhoben werden. Ein

entsprechendes Vorhaben namens „CryoLand“ wird von ENVEO,

einem Spin-off-Unternehmen der Universität Innsbruck, koordiniert:

„Ziel ist, am Vormittag von Satelliten automatisch aufgenommene

Daten am Nachmittag aufbereitet und ausgewertet online zur Ver-fügung zu stellen“, erklärt Dr. Thomas Nagler. Er hat ENVEO 2001

gemeinsam mit Prof. Helmut Rott vom Institut für Meteorologie und

Geophysik gegründet. Heute leiten sie gemeinsam das Unterneh-

men. Dieses hat sich seit seiner Gründung äußerst erfolgreich auf

die Aufbereitung und Auswertung satellitengestützter Daten spezi-

alisiert und zählt inzwischen zu den ersten Adressen, wenn Expertise

in der Erdbeobachtung aus dem All gefragt sind. „Wir bekommen

Aufträge unterschiedlichster Unternehmen in verschiedenen Berei-

chen – etwa, wenn neue Stauseen oder Pipelines geplant werden. Wir

werten für unsere Auftraggeber die Beschaffenheit der Gegend aus

und liefern so Planungsgrundlagen für solche Großprojekte“, erklärt

Thomas Nagler.

ERDBEOBACHTUNGS-SATELLITENNeben privaten Aufträgen und angewandten Projekten wi

CryoLand, das von der EU-Kommission und der Europäischen

Weltraum-Agentur ESA im Rahmen des Globalen Umwelt- und

Sicherheitsüberwachungs-Projekts ausgeschrieben und finanzier

wird, leistet ENVEO auch wertvolle Grundlagenforschung mi

langfristiger Planung. Ein Beispiel dafür ist „CoReH2O“, ein von

Helmut Rott koordiniertes Projekt im Rahmen der ESA: Hier wer

den neue Technologien für Erdbeobachtungs-Satelliten erforscht

die über bisher noch nicht eingesetzte Radar-Sensoren neue undgenauere Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Erdoberfläch

ermöglichen sollen.

Der von Helmut Rott vorgeschlagene Satellit wäre unter ande

rem in der Lage, trockenen Schnee mittels hochfrequenter Radar

messungen zu erfassen – etwas, was bislang nicht möglich war

„Das bedeutet, dass wir die Schneemengen mit wesentlich höhere

Genauigkeit messen können als bisher“, sagt Helmut Rott. Bevo

der Satellit aber gebaut und ins All geschossen wird, gilt es noch

eine wesentliche Hürde zu überwinden: CoReH2O ist eine von

drei Satellitenmissionen, die nach zwei Evaluierungsrunden noch

im Rennen sind. 2013 wird entschieden, welche der drei letztlich

umgesetzt wird. sh

Diese Karte ist ein Beispiel für die Arbeitdes 2001 von Thomas Nagler (o.) und

Helmut Rott gegründeten Spin-offs ENVEOund zeigt die Schneeausdehnung in den

Ötztaler Alpen (rot).

Fotos: ENVEO/Hintergrund: Google Earth (1), Andreas Friedle (1), Frank Vincentz (

Ein Spin-off-Unternehmen der Uni Innsbruck ist mit seinem Know-how in der Auswer-tung von Satellitendaten führend. Daneben leistet die Firma wertvolle Grundlagenarbeit.

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zukunft forschung 0211 25

PATENTE & SPIN-OFFS

SPEZIALSOFTWARE

In Zeiten knapper werdender Energievorräte

werden alternative Methoden der Energiege-

winnung immer attraktiver. Der Bauingeni-

eur Simon Burger vom Tiroler Forschungs- und

Kompetenzzentrum alpS untersucht das Potenzi-

al oberflächennaher Erdwärme für die Energiege-

winnung in Tirol und Vorarlberg. Damit will er

verbesserte Entscheidungsgrundlagen für Politik,

Wirtschaft und Energieversorgungsunternehmen

schaffen. Die dafür benötigte Software entwickelt

Burger gemeinsam mit hydro-IT, einem Spin-off-

Unternehmen der Universität Innsbruck. Die von

Wolfgang Rauch und Heiko Kinzel geleitete Soft-wareschmiede ist eng mit dem Institut für Um-

welttechnik an der Universität Innsbruck verbun-

den und arbeitet an zahlreichen Forschungspro-

 jekten im Bereich der Umwelttechnik und hier

insbesondere in der Siedlungswasserwirtschaft

mit.

KLÄRANLAGE SIMULIERENEin besonders innovatives Produkt entsteht der-

zeit im Auftrag eines französischen Unterneh-

mens. Das Team um Rauch und Kinzel entwickelt

eine neue Simulationssoftware für Kläranlagen.

„Es ist dies die erste Neuentwicklung in diesem

Bereich seit vielen Jahren“, sagt Kinzel. „Das

Produkt wird gemeinsam mit einem internatio-

nalen Team entwickelt.“ Mit der neuen Software

können chemische und biologische Prozesse in

Anlagen zur Abwasserreinigung auf einem sehr

fortgeschrittenen Niveau simuliert werden.

Ebenfalls federführend beteiligt war hydro-IT

an der Entwicklung einer Software zur Früher-

kennung von Gefahren in kritischen Infrastruk-

turen, die unter Leitung von Michael Möderl

vom Arbeitsbereich Umwelttechnik entstanden

ist. Beim „Achilles Stresstest“ handelt es sich umeine Sensitivitätsanalyse, mit der Gefährdungs-

szenarien in der Wasserversorgung und -ent-

sorgung nachgestellt werden können. Dadurch

können Betreiber rechtzeitig Maßnahmen tref-

fen und die Kosten der Notversorgung auf ein

Minimum reduzieren. Das universitäre Team

entwickelt dabei die Algorithmen zur Schwach-

stellenidentifizierung, die dann von hydro-IT in

einem Planungswerkzeug umgesetzt wurden.

Diese Entwicklung wurde erst kürzlich mit dem

Tiroler Innovationspreis in der Kategorie Dienst-

leistungsinnovation ausgezeichnet. cf 

Das Spin-off-Unternehmen hydro-IT entwickelt hoch spezialisierteSoftwarelösungen in der Umwelttechnik.

SOFTWARE-SCHMIEDEhydro-IT wurde 2007 als uni-versitäres Spin-off gegründetund bietet eine breite Palettevon Produkten und Dienstleis-tungen im Bereich Sied-lungswasserwirtschaft undUmwelttechnik an. Nebenden Forschungsprojekten,die mit lokalen und interna-

tionalen Partnern betriebenwerden, verkauft das hochspezialisierte Unternehmenauch Planungssoftware ankleine Ingenieurbüros, dieFragestellungen in Siedlungs-wasserbau und Geothermielösen. „Unser Team bestehtaus hoch qualifizierten Kräf-ten“, sagt Heiko Kinzel. „Wirhaben kreative Köpfe sowohlaus dem Bauingenieurwesenals auch aus der IT-Branche.“

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zukunft forschung 021126

MIKROBIOLOGIE

Zu einem Schreckgespenst in Krankhäu-sern und Pflegeinstitutionen hat sich in

den vergangenen Jahren Staphylococcus

aureus entwickelt. Er kann in ungünstigen Fällen

lebensbedrohliche Erkrankungen hervorrufen

und aufgrund seiner Resistenz gegen eine Viel-

zahl von Antibiotika nur schwer bekämpft wer-

den. Dass ausgerechnet zwei, für den Menschen

völlig unbedenkliche, sekundäre Pflanzenstoffe

das widerstandsfähige Bakterium in die Knie

zwingen können, war für Paul Illmer, Professor

am Institut für Mikrobiologie der Universität

Innsbruck, überraschend. Bei den vielverspre-

chenden Keim-Killern handelt es sich um die beiden aus der Bitterorange stammenden Flavo-

noide Neohesperidin und Naringenin, die Illmer

seit Kurzem untersucht. Ausgangspunkt seiner

intensiven wissenschaftlichen Beschäftigung

mit diesen beiden Flavonoiden war die Zusam-

menarbeit mit einem Tiroler Unternehmen, das

 biozertifizierte Desinfektions-, Konservierungs-

und Pflanzenschutzmittel entwickelt. „Das Un-

ternehmen hat ein patentiertes Produkt, das

 bereits in großem Umfang eingesetzt wird und

erstaunliche Erfolge erzielt. Man ist mit der Bitte

an mich herangetreten, die Wirkweise genauer

zu untersuchen“, berichtet Illmer.

GERINGE KONZENTRATION

Begonnen hat seine Arbeitsgruppe mit der Ge-

winnung von Basisdaten, die die Wirksamkeit

der Bitterorangen-Flavonoide wissenschaftlich

 belegen sollten. Dazu haben die Forscher ein-

schlägige und gefährliche Pathogene, u.a. Lis-

teria monocytogenes , Salmonella enterica und eben

Staphylococcus aureus  , mit unterschiedlichen

Konzentrationen des flavonoidhaltigen Produkts

 behandelt. „Bei den Listerien konnten wir zum

Beispiel schon bei einer Wirkstoffkonzentration

von ca. einem Mikrogramm pro Milliliter einenWachstumsstopp beobachten“, berichtet Illmer

Handelsübliche Antibiotika hingegen müssen

meist mit deutlich höheren Konzentrationen

eingesetzt werden. Eine so hohe Wirksamkei

 bei so geringer Konzentration ist laut Illmer äu

ßerst ungewöhnlich und kann alternativ nur mi

starken Giften erzeugt werden.

Neohesperidin und Naringenin wirken abe

sogar bakterizid, hemmen also nicht nur da

Wachstum, sondern töten die Bakterien auch

ab, was zum Beispiel angesichts der Multiresis

tenzen des Problem-Keims Staphylococcus aureu

neue Möglichkeiten eröffnet.Auch in der Lebensmittelindustrie könnten

sich die nebenwirkungsfreien Flavonoide al

gesündere Alternative zu gängigen Mitteln zu

Keimkontrolle etablieren. „In der Geflügelindus

trie könnte sowohl in Schlachthäusern, als auch

 bei der Konservierung Flavonoide eingesetz

werden“, zeigt der Mikrobiologe ein Einsatzge

 biet auf. In diesem Zusammenhang macht Ill

mers Forschungsgruppe bereits praxisrelevant

Versuche im Labor. Darüber hinaus sieht Illme

zahlreiche weitere Einsatzbereiche. Flavonoid

wirken übrigens auch gegen verschiedene Pil

ze.Derzeit noch ungeklärt ist, wie die Flavonoid

pathogenen Organismen zu Leibe rücken. „Di

physiologischen Prozesse, die zur Wachstums

hemmung beziehungsweise zum Absterben de

Zellen führen, interessieren uns ganz besonders

In diesem Fall müssen wir das Pferd von hin

ten aufzäumen. Wir sehen jede Menge positive

Wirkungen und wissen nicht, wieso“, sagt Ill

mer. Was er mithilfe eines chromatografischen

Verfahrens bereits herausfinden konnte ist, das

sich die Zellmembran der mit Flavonoiden be

handelten Pathogene verändert: Konkret weis

Fotos: Andreas Friedle (2

KEIM-KILLER AUS

DER BITTERORANGEErstaunliche Erfolge bei der Bekämpfung verschiedenster Krank-heitserreger bringt der Einsatz von Flavonoiden. Wie diese sekun-

dären Pflanzenstoffe wirken, erforscht ein Team rund um PaulIllmer vom Institut für Mikrobiologie.

Paul Illmer, (*1964 in Inns-bruck) studierte an der Uni

Innsbruck Mikrobiologie.1992 promovierte er zum

Doktor der Naturwissen-schaften, 2001 habiltierte er

sich für das Fach Mikrobio-logie. Seit Herbst 2011 ister Universitätsprofessor fürAllgemeine Mikrobiologie.

Die Physiologie von aerobenund anaeroben Mikroorga-

nismen beschäftigt Illmerebenso wie verschiedensteHygieneproblematiken und

Themen aus dem Bereichder Bodenmikrobiologie.

Paul Illmer ist verheiratet undVater von drei Kindern.

ZUR PERSON

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zukunft forschung 0211 27

MIKROBIOLOGIE

Zwei für den Laborversuchvorbereitete Bakterienkultu-

ren: Paul Illmer undseine Arbeitsgruppe habenviel Erfahrung und gut aus-

gestattete Labors, umverschiedenste Mikroorga-

nismen zu kultivieren und zuanalysieren.

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zukunft forschung 021128

MIKROBIOLOGIE

das Fettsäurenmuster der Lipiddoppelschicht,

die die Zelle umgibt, nach der Behandlung ei-

ne andere Struktur auf. Illmer hält es für wahr-

scheinlich, dass durch die Veränderung derFettsäuren die Zellmembran durchlässig wird,

sodass die notwendigen Substanzkonzentra-

tionen im Zellinneren nicht mehr aufrecht er-

halten werden können. „Es wurde beobachtet,

dass Flavonoide auf Nukleinsäure replizierende

Prozesse wirken. Außerdem könnten auch in

trazelluläre Enzyme beeinträchtigt sein”, führ

Illmer weitere Erklärungsansätze an: „Detail

lierte Erkenntnisse dazu gibt es allerdings nochkaum.” Für den gezielten Einsatz sei es jedoch

wichtig, die Wirkweise der vielversprechenden

Stoffe genau zu kennen. Ein Anliegen, das die

Arbeitsgruppe von Paul Illmer in den kommen

den Jahren beschäftigen wird. ef 

Fotos: Andreas Friedle (3), fotolia (1

BUNTE VIELKÖNNER

Als sekundäre Pflanzenwirkstoffe sind Flavonoide in allen höheren Pflanzen, Farnen und Moosen zufinden. Häufig treten sie als Farbstoffe in Blüten oder in der Schale von Früchten auf. Zwar sind sie fürden Grundstoffwechsel der Pflanze nicht notwendig, dennoch haben sie äußerst vielfältige Funktionen.

Beispielsweise fungieren sie als Radikalfänger, schützen die Pflanze vor UV-Strahlung oder tragen inKombination mit anderen färbenden Stoffen dazu bei, Insekten anzulocken. Sie dienen außerdem alsFraßschutz und unterstützen Pflanzen bei der Abwehr verschiedenster Mikroorganismen. Bereits seit Jahr-tausenden werden flavonoidhaltige Stoffe als Heilmittel eingesetzt. So wird beispielsweise in der Bibeldie heilende Wirkung von Propolis beschrieben, von der auch Hippocrates berichtet. Die TraditionelleChinesische Medizin verwendet ebenfalls zahlreiche flavonoidhältige Kräuter. Chemisch betrachtet sindFlavonoide Polyphenole, also organische Verbindungen, die grundsätzlich aus drei Kohlenstoffringenaufgebaut sind. Bis zum Jahr 2006 wurden bereits über 8000 verschiedene Flavonoide beschrieben.Ihren Namen verdanken die Flavonoide dem lateinischen Wort „flavus“ (gelb). Einige Pflanzen wie zumBeispiel die Färber-Eiche wurden in der Vergangenheit zum Gelbfärben verwendet. Nachdem man ihreInhaltsstoffe identifiziert hatte, bezeichnete man diese Gruppe von Farbstoffen als Flavone. Als manerkannte, dass sehr viele Inhaltsstoffe gleichartig aufgebaut waren, von denen viele anders gefärbt oderfarblos sind, nannte man die Stoffgruppe Flavonoide.

Eine Mitarbeiterin von PaulIllmer beimpft im Labor Ge-

flügelstücke mit Bakterien, um

sie anschließend mit einemFlavonoid-Produkt zu behan-deln. „Im Rahmen der Experi-

mente wird das Überleben derpathogenen Keime auf den

Geflügelproben untersucht undob sich Flavonoide auch für denEinsatz in der Lebensmittelindus-

trie eignen.

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Uniball28.01.2012Einlass 20:00 Uhr - Beginn 21:00 Uhr

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zukunft forschung 021130

HOCHLEISTUNGSRECHNEN

ZUKUNFT: Können Sie den MACH in einen Kon-text bringen? Wie vergleicht sich das mit einem

durchschnittlichen Bürorechner?SABINE SCHINDLER: Der MACH besteht ausvielen Prozessoren, auf denen ein Programmgleichzeitig laufen kann. Das ist bei aufwändi-gen Anwendungen sinnvoll: Wo Sie bei IhremRechner zu Hause eine Woche rechnen müssten,kriegen Sie hier das Ergebnis viel schneller.ZUKUNFT: Welche Anwendungen sind das zumBeispiel?SCHINDLER: Das sind Anwendungen aus allenFachgebieten. Auf dem MACH werden Forscheraus der Mathematik rechnen, der Informatik, derPhysik, der Meteorologie, den Bauingenieurwis-

senschaften, der Biologie, der Pharmazie, der Che-mie, der Mechatronik, der Verfahrenstechnik, derVolkswirtschaftslehre ... Hochleistungsrechnenwird in so vielen Bereichen als Werkzeug verwen-det, dass man derzeit auch noch gar nicht sagenkann, welche Disziplinen da noch einsteigen.ZUKUNFT: Können Sie kurz schildern, wie es zudieser Kooperation zwischen Innsbruck und Linzgekommen ist?SCHINDLER: Wir haben uns vor einem Jahr zumsogenannten Austrian Center for Scientific Com-puting (ACSC) zusammengeschlossen. Einesder Ziele dieser Kooperation war, gemeinsam

Infrastruktur anzuschaffen und auch zu betrei- ben. Moderne Großrechner sind sehr teuer undauch aufwändig im Betrieb, sodass sich eine Uniallein einen großen Rechner kaum noch leistenkann. Neun Mitglieder hat das ACSC bereits undweitere sind in Beitrittsverhandlungen. Einerseits

 braucht man für diese Infrastruktur-Kooperationaber natürlich Geld, deshalb machen beim Bauund beim Betrieb der Rechner vorerst nur jeneEinrichtungen mit, die auch Geld dafür zur Ver-fügung haben – das sind wir und das ist die UniLinz, die Universität Salzburg wird sich nächs-tes Jahr anschließen. Abseits davon kooperieren

wir auch wissenschaftlich: Wir machen verschiedenste Workshops, bei denen auch der wissen

schaftliche Austausch stattfindet. Besonders deinterdisziplinäre Austausch soll da sehr geförderwerden.ZUKUNFT: Die Uni Innsbruck hat mit dem Leo Ieinen eigenen Supercomputer, was passiert midem?SCHINDLER: Den nutzen wir weiter. Das ist einekomplementäre Architektur. Der MACH in Linzarbeitet mit einem Shared-Memory-Modell, dteilen sich die Prozessoren den ganzen SpeicherUnterschiedliche Anwendungen laufen besser audem einen Modell und andere laufen besser audem zweiten. Der Leo II läuft jedenfalls weite

und der Leo III wird gerade aufgebaut.ZUKUNFT: Bei diesen Anwendungen werden jaauch Riesen-Datenmengen übertragen. Gibt es daeinen Flaschenhals bei der Datenübertragung?SCHINDLER: Es kommt darauf an, wohin Sie diDaten übertragen wollen. Selbst wenn Sie zumBeispiel hier am Leo III rechnen, müssen Sie ja diDaten nicht unbedingt auf Ihrem Rechner habenSie können die Daten auch am Leo III direkt prozessieren, sie dort auch auswerten, da müssen Siüberhaupt nichts übertragen und können danneinfach auf die Ergebnisse zugreifen. Selbst wennman viele Daten übertragen muss, ist das derzei

kein Problem, weil das Netz zwischen Innsbruckund Linz schnell genug ist – die Entfernung fällda nicht ins Gewicht. Daher geht die Übertragungmit großer Geschwindigkeit. Aber natürlich werden die Anforderungen im Lauf der Jahre größeund man muss das Netz irgendwann ausbauenAber im Moment ist das nicht nötig.ZUKUNFT: Gibt es eigentlich schon Anwendungen, die für den MACH zu umfassend sind?SCHINDLER: Man kann diese Anwendungenfast immer so hoch treiben, wie man will. Be

 WERTVOLLEKOOPERATION

Der neue Supercomputer MACH in Linz ist ein Projekt der Unis Inns- bruck und Linz. Die Astrophysikerin Sabine Schindler spricht über

dessen Entstehung und Hochleistungsrechnen in Innsbruck.

Das gesamte Interview finden Sie auf www.uibk.ac.at/forschung/magazin/7

Die Astrophysikerin Prof. Sa-bine Schindler (* 1961) lei-tet die Forschungsplattform„Scientific Computing“ undformt in dieser Funktion dieHochleistungsrechner-Strate-gie der Universität Innsbruckmit. Sie leitet das Institut für

Astro- und Teilchenphysik

und ist wirkliches Mitgliedder Österreichischen Aka-demie der Wissenschaften

(ÖAW). Das wissenschaftli-che Interesse der mehrfach

ausgezeichneten Wissen-schaftlerin gilt der Erfor-

schung von Galaxienhaufenund Strukturformationen im

All; für ihre Forschung benö-tigt die gebürtige Erlangerinauch selbst hochleistungsfä-

hige Supercomputer.

ZUR PERSON

Fotos: Andreas Friedle (2

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zukunft forschung 0211 31

HOCHLEISTUNGSRECHNEN

„Ein Beitritt zu unserer Ko-operation ist offen für jeden,der Interesse daran hat. Eini-ge Organisationen sind auch

in Beitrittsverhandlungen.“Sabine Schindler, Institut für Astrophysik 

uns in der Astrophysik ist es zum Beispiel so,dass das von der Auflösung abhängt. Wenn ich

Galaxien rechne, rechne ich die dann immer soexakt wie möglich, und da muss ich mich an dieGegebenheiten, also an den Rechner, anpassen.Der MACH ist immer noch nicht so groß, dassich mit der Genauigkeit rechnen könnte, wieich’s gerne wollte. Aber der MACH ist so groß,dass ich konkurrenzfähige Rechnungen machenkann. Auch meine Kolleginnen und Kollegenin anderen Teilen der Welt können es nicht viel

 besser – das heißt, ich kann meine Rechnungenmachen und kann damit neue Sachen erforschen,die noch nicht gerechnet worden sind. Wenn icheinen kleinen Rechner zur Verfügung habe, dann

kann ich nur Sachen nachmachen, die alle ande-ren schon gemacht haben und damit ist es dannwitzlos. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich nichtnoch einen größeren haben wollte.ZUKUNFT: Wie geht es mit der Kooperation inÖsterreich weiter? Noch sind ja längst nicht alleUnis beteiligt.SCHINDLER: Das ACSC ist offen für jeden, derInteresse daran hat. Es sind bereits einige weite-re Organisationen in Beitrittsverhandlungen mitdem ACSC. Die Wiener Universitäten sind imMoment gut bestückt mit ihrem Vienna ScientificCluster. Die sind so gut ausgerüstet, dass sie im

Moment keine weiteren Kapazitäten brauchen.Das Vienna Scientific Cluster ist allerdings eineandere Architektur, weshalb wir auch übereinge-kommen sind, hier zusammenzuarbeiten – wennWiener Nutzer eine Shared-Memory-Architektur

 brauchen, dann können sie bei uns rechnen undim Ausgleich dazu dürfen „unsere“ Nutzer auchauf dem Cluster in Wien rechnen, wenn sie dieandere Architektur brauchen. Graz hat sich nochnicht entschieden. Dort betrifft es ja auch zweiUnis, die Universität und die TU Graz, die Su-percomputing brauchen. Aber wir sind offen fürBeitritte. sh

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zukunft forschung 021132

QUANTENPHYSIK

 VERSCHRÄNKTESLEBEN?Der Physiker Hans Briegel denkt über Quantenphänomene in derlebenden Natur nach und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen.

Erwin Schrödinger lehnte sich ziemlichweit aus dem Fenster: In seinem 1944 er-schienenen Essay „Was ist Leben“ philo-

sophierte der österreichische Physiker weit überdie Grenzen der Quantenphysik hinaus. Sehrspekulativ, aber seiner Zeit voraus, dachte er lautüber „Informations-Moleküle“ des Lebens nach,als erste theoretische Ansätze der Biogenetik,zehn Jahre vor der Entdeckung der DNA. DesWeiteren führte er Konzepte wie „Negentropie“ein und begründete damit die sogenannte Nicht-gleichgewichtsthermodynamik. 65 Jahre späterdenkt Hans Briegel über ähnliche Probleme im

Spannungsfeld zwischen Physik und Biologinach, wobei er weniger spekuliert, sondern diWerkzeuge der modernen Quanteninformatiknutzt. Hans Briegel ist seit 2003 Professor am Institut für Theoretische Physik und wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik undQuanteninformation (IQOQI) in Innsbruck. Earbeitet an konkreten Fragestellungen, inwieferndie Quantenphysik eine Rolle in biologischenProzessen spielt.

Im Labor können atomare Quantenzuständmittlerweile extrem genau manipuliert werdenDas wird zum Beispiel mit einzelnen gefangenen

Fotos: pixelio.de/Raphael Reischuk (

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zukunft forschung 0211 33

QUANTENPHYSIK

Ionen von den Innsbrucker Experimentalphysi-

kern sehr erfolgreich demonstriert, und nährtden Traum, eines Tages vielleicht einen Quanten-computer bauen zu können. Wenn man jetzt vonQuanteneffekten in der Biologie spricht, scheintes auf den ersten Blick recht absurd – die Umge-

 bung der Systeme könnte unterschiedlicher nichtsein. Im Experiment sind Ultrahochvakuum undhochstabile Laser notwendig. Die Atome müssenextrem gekühlt werden, um Quantenphänomenewie Verschränkung zu erzeugen und nachzuwei-sen. Die Apparaturen füllen ein komplettes La-

 bor, der Aufwand ist immens.„Biologische Systeme sind warm, feucht und

verrauscht“, sagt Briegel. „Daher hat man sichlange Zeit nicht vorstellen können, dass extremeQuantenphänomene wie Verschränkung in soeiner Umgebung überhaupt eine Rolle spielenkönnen.“ Verschränkung ist jene bizarre quanten-mechanische Korrelation von Teilcheneigenschaf-ten, die die Quanteninformation letztendlich somächtig macht. Sie ist aber auch ein überaus de-likates Phänomen, das sehr leicht durch äußereEinflüsse zerstört werden kann, was als Dekohe-renz bezeichnet wird.

Zur großen Überraschung wurden dennochin den letzten Jahren Quantenphänomene in der

Biologie nachgewiesen und erforscht. Ein promi-

nentes Beispiel ist die Photosynthese, ein zentra-ler Mechanismus zur Umwandlung von Energiein der Natur. Ein anderer Fall ist der innere Kom-pass der Zugvögel, wie der des Rotkehlchens.Zu diesem Kompass hat die Arbeitsgruppe vonHans Briegel auch einige interessante Rechnun-gen vorgelegt. Sie untersuchten den sogenann-ten Radikalpaarmechanismus, der eine wichtigeRolle in der Spin-Chemie spielt und auch für denmagnetischen Orientierungssinn der Vögel ver-antwortlich gemacht wird.

KOMPASS DER VÖGEL

Nach einer verbreiteten Hypothese „sehen“Vögel das Erdmagnetfeld, indem in ihrem Au-ge magnetisch sensitive biochemische Prozessestattfinden. Etwas genauer gesagt, werden durchabsorbiertes Licht Moleküle mit zwei ungepaar-ten Elektronen gebildet, ein Radikalpaar. DasMagnetfeld beeinflusst die Konfiguration dermagnetischen Momente der Elektronen (Spins)und bestimmt damit die nachfolgenden bioche-mischen Reaktionen, welche die Vögel als Reizspüren.

Der Spin des Elektrons ist auch eine rein quan-tenmechanische Eigenschaft. Eine interessante Fra-

Der magnetische Orientie-rungssinn von Zugvögeln

wird mit dem Radikalpaar-mechanismus erklärt. Manvermutet im Auge vonVögeln Magnetrezeptoren,die durch Photonen aktiviertwerden und sogenannteRadikalpaare bilden. Ab-hängig von der Ausrichtungder Rezeptoren im Erdmag-netfeld sollen dann im Augeunterschiedliche biochemi-sche Reaktionen ablaufen.

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zukunft forschung 021134

QUANTENPHYSIK

ge ist hierbei, ob die Elektronenspins verschränktsind bzw. ob eine Verschränkung für die Funktiondes Kompasses notwendig ist. Briegel und seineKollegen Jianming Cai und Gian Giacomo Guer-

reschi rechneten den Fall für zwei verschiedeneMoleküle durch. Im Gegensatz zu den einzelnenIonen der Innsbrucker Experimentalphysiker sinddie biochemischen Moleküle so komplex und exo-tisch wie ihre Namen: Pyren-Dimethylanilin (Py-DMA) und ein Molekül in Chryptochrom, wobeiLetzteres der mögliche Kandidat für den Kompassdes Rotkehlchens ist.

Nach den vorliegenden Ergebnissen scheintder Chryptochrom-Kompass zwar auch ohneVerschränkung zu funktionieren. Aber die Fra-ge, ob Vögel für ihre Orientierung die Verschrän-kung zunutze machen, bleibt offen, bis der ge-

naue molekulare Mechanismus geklärt ist. Brie-gels Gruppe hat dazu experimentelle Methodenaus dem Repertoire der Quanteninformations-verarbeitung vorgeschlagen, um die verschiede-nen Hypothesen gegeneinander zu testen. Diesekönnen allerdings wohl nur in Experimenten inder Spin-Chemie eingesetzt werden, da die dafürnotwendigen Hochfrequenzfelder für die Vögelmöglicherweise schädlich wären. „In diesem Fallwürde ich auf den zu erwartenden Erkenntnisge-winn lieber verzichten“, meint Briegel.

Aber auch ohne Verschränkung im Vogelkom-pass bleibt die Geschichte spannend und inter-

essant. Die theoretischen Arbeiten von Briegelzeigen nämlich, wie überhaupt Verschränkung inder Wärme und im Rauschen von biologischenSystemen bestehen kann. Die entscheidende

Erkenntnis ist hier, dass Leben kein Gleichgewichtszustand ist. „Lebende Organismen sindständigen Stoffwechselprozessen unterworfendie Energie zuführen und Entropie abführen“

erklärt Briegel. Mit anderen Worten, biologischeSysteme im thermischen Gleichgewicht sind tot

DYNAMISCHE VERSCHRÄNKUNGSchrödingers Begriff der Negentropie ist zwanicht mehr aktuell, aber Hans Briegel geht egenau um das Konzept des thermodynamischenUngleichgewichts, und dieses „bietet bislang unerwartete Freiräume für das Auftreten neuartigeQuanteneffekte“. Einer davon, auf den der Theoretiker in diesem Zusammenhang gestoßen istist die sogenannte dynamische VerschränkungObwohl in der verrauschten Umgebung von

warmen komplexen Biomolekülen keine statische Verschränkung möglich ist, kann die molekulare Bewegung, die zum Beispiel bei eineFormänderung von Proteinen geschieht, vorü

 bergehende Verschränkungsprozesse auslösen.Noch ist völlig ungeklärt, ob eine solche Ver

schränkung auch wirklich in der Natur vorkommt oder was für einen Nutzen sie überhauphätte. Aber Briegel hat demonstriert, dass sinach der Quantentheorie durchaus möglich istEr zeigt damit den Biologinnen und Biologen, wsie gezielt nach Quanteneffekten suchen könnenBei der Komplexität der Strukturen stehen viele

experimentelle Antworten noch aus. Es sind ersdie Anfänge eines neuen interdisziplinären Forschungsfeldes – der Quantenbiologie.

Als Quanteninformationsexperten haben dieInnsbrucker Physiker einen idealen Ausgangspunkt. „Die Informationsverarbeitung spielt einzentrale Rolle in der Biologie“, sagt Briegel. Unddie neuen Interpretationen der Quantenphysikzusammen mit den experimentellen Fortschrittenhaben die Konzepte der Informationsverarbeitung revolutioniert. Die Frage, ob Quanteninformation in der Biologie eine Rolle spielt, scheingar nicht mehr so absurd.

Auf der Suche nach Antworten können allSeiten der Wissenschaft nur gewinnen. Es gibviele Parallelen bei den Konzepten. Zum Beispieist für die Funktion eines Quantencomputers wi

 beim klassischen Rechner die Fehlerkorrektuessenziell. Und für lebende Organismen, wieBriegel betont, genauso: „Auch in biologischenZellen passiert ständig Fehlerkorrektur.“ Es isalso gut möglich, dass auch hier, wie schon ofin der Geschichte, neue Einblicke in die innerenGetriebe der Natur, neue Ideen für die menschliche (Quanten-)Technologie hervorbringen. Auchwenn das Leben nicht verschränkt ist.  ak

Hans J. Briegel (*1962 inOchsenhausen, Deutsch-land) studierte Physik ander Ludwig-Maximilians-

Universität München, wo er

sich 2002 auch habilitierte.Seit 2003 ist er Professor fürTheoretische Physik an der

Universität Innsbruck undWissenschaftlicher Direktoram Institut für Quantenoptik

und Quanteninformation(IQOQI) der Österreichi-

schen Akademie der Wis-senschaften (ÖAW).

ZUR PERSON

Ultrahochvakuum und hochstabile Laser sind not-wendig, um im Labor atomare Quantenzuständezu kontrollieren.

Fotos: Uni Innsbruck (1), Christoph Lackner (

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zukunft forschung 0211 35

KURZMELDUNGEN

GEBURT VON STERNENIn interstellaren Wolken entstehen bei tiefen Temperaturenneue Moleküle, aus denen sich über viele Millionen Jahre

hinweg riesige Himmelskörper formieren.

Voraussetzung

für die Entste-

hung von Ster-

nen sind Reaktionen

zwischen neutralen Mo-

lekülen und Ionen, also

geladenen Teilchen. Die-

se Prozesse sind schwer

zu erforschen. Sie laufenschließlich unvorstellbar

weit von uns entfernt

über Jahrmillionen und

unter den extremsten

Bedingungen ab. Wer

daher verstehen will, wie

sich die ersten Bausteine

von Sternen bilden, für den

führt kein Weg vorbei an La-

 borastrophysik“, betont der

Physiker Roland Wester.

Der Experimentalphy-

siker hat zusammen mitseinen Mitarbeitern am In-

stitut für Ionenphysik und

Angewandte Physik ein

neues Labor aufgebaut, in

dem er die Vorgänge in den

molekularen Riesenwolken

erforschen kann. Herzstück 

ist eine eigens konstruierte

Ionenfalle. Im November

veröffentlichte Ergebnisse

zeigen, dass die Wechsel-

wirkung interstellarer Mo-

leküle mit Licht mithilfe

dieser ausgeklügelten Er-

findung unter Weltraumbe-

dingungen nachgestellt und

analysiert werden kann.

Die untersuchten negati-

ven Molekül-Ionen werdendabei durch das Licht nicht

so schnell zerstört, wie dies

erwartet worden war. Das

könnte erklären helfen, wa-

rum diese Ionen aus Koh-

lenstoff und Wasserstoff,

die erst vor wenigen Jahren

im Kosmos entdeckt wur-

den, inzwischen in überra-

schend großer Häufigkeit

in verschiedenen Gebieten

in unserer Milchstraße

gefunden wurden.

„Mit unserer Ionen-

falle können wir verein-

facht gesagt, das All ins

Labor holen. Sie hat bis

zu 22 Elektroden und

wird durch ein elek-

trisches Wechselfeldangetrieben. Stark ab-

gekühlte Ionen können

sich in dieser Apparatur

in einem relativ weiten

Bereich frei bewegen

und werden dabei mit einem

UV-Laser beschossen. Wenn

zwei Teilchen reagieren, stö-

ren keine anderen, auch gibt

es durch thermische Energie

keine Einflüsse. Diese Ver-

hältnisse der Versuchsan-

ordnung entsprechen daher jenen in interstellaren Wol-

ken. Dort verdichten sich

Staubwolken, bilden unter

dem Einfluss kosmischer

Strahlung neue Moleküle

und lassen schließlich Sterne

entstehen“, erklärt Dr. Thors-

ten Best, der sich in der Ar-

 beitsgruppe schon seit meh-

reren Jahren mit kalten Ionen

in Fallen beschäftigt.

DIE ALPEN IM WANDEL 

S ich heute mit den Alpen zu befassen, bedeutet eine Reihe großer und unter-

schiedlicher Themen anzugehen. Themen,

die von der Vielfalt und Ausdehnung des

Territoriums, der Größe und der Vielfalt

der Bevölkerung, der Verschiedenheit und

der unterschiedlichen Geschwindigkeit der

Umwandlungsprozesse abhängen. Genau

dies tun die rund 20 Alpenforschungsin-

stitute, die sich im Verein Rete Montagna

zusammengeschlossen haben. Im Novem-

 ber präsentierten sie ein neues Buch, das

aktuelle Diskussionen über die Zukunft der

Alpen zusammenfasst. Dabei wird auf denKlimawandel in den Alpen genauso einge-

gangen, wie auf die Beziehung zwischen

Mensch und Lebensraum und die kulturelle

Vielfalt der Alpen. „Wir müssen die Risiken

und Chancen der Globalisierung genau

untersuchen, denn es handelt sich um Ent-

wicklungen, denen sich der alpine Raum in

 jedem Fall stellen muss“, sagt der Mailänder

Geograf Guglielmo Scaramellini, einer der

Herausgeber dieses in innsbruck university

press erschienenen Buchs.

In einer Ausstellung an der Universität Innsbruck präsentierte das Labor für Alpine Dendrochronologie imHerbst aus Anlass des Internationalen Jahres des Waldes Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre.Wälder waren und sind nicht nur ein bedeutendes Element im Naturraum der Erde, sie liefern auch einwesentliches, schon lange genutztes Rohmaterial: Holz. Die moderne Forschung ermöglicht heute überdie Analyse alter Hölzer und deren Jahrringe die Gewinnung von präzisen Erkenntnissen weit in dieVergangenheit zurück. Ein besonderer Höhepunkt unter den Ausstellungsstücken war ein knapp 3000

 Jahre alter Holztrog, gefunden bei archäologischen Ausgrabungen zum prähistorischen Bergbau inTirol. Dieser Holztrog war erstmals in einer Ausstellung zu sehen. Ein ähnliches Alter weisen ebenfallsausgestellte Holzschaufeln auf, entdeckt in einem über 2000 Meter hoch gelegenen Moor in Südtirol.Diese Holzschaufeln weisen auf Kulthandlungen in der Frühgeschichte im Gebirgsraum von Tirol hin.

HOLZ ERZÄHLT GESCHICHTE

Fotos: ESO (1), pixelio.de/Erich Westendarp (1), Uni Innsbruck (1)

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zukunft forschung 021136

BODENMECHANIK

 AUF SAND GEBAUTSand ist ein ganz besonderes Material, das in der Bauwirtschaft breite Verwendung

findet und bei Naturkatastrophen eine dramatische Rolle spielen kann.Dimitrios Kolymbas vom Arbeitsbereich für Geotechnik und Tunnelbau untersucht

die einzigartigen Eigenschaften von Sand.

D ie klassische Mechanik ist für Einzelkörper konzipiert, die sich wiePunkte bewegen. Dennoch versteh

es die Physik, auch Systeme aus extrem vie

len solchen Körpern zu behandeln. „Obwohmit wachsender Anzahl der Sandkörner diKenntnis von der mikroskopischen Struktur immer geringer wird, werden die Wahrscheinlichkeitsaussagen über makroskopische Größen mit der Zahl der Teilchen immeschärfer“, erklärt Prof. Dimitrios KolymbasDie wissenschaftlichen Methoden dafür liefert die Bodenmechanik, die Sand als räumliches Fachwerk von einzelnen Sandpartikelnauffasst. „Dieses Fachwerk ist sehr wackelig“erklärt Kolymbas. „Bei jeder Belastung lagernsich die Teilchen um.“ Darum bleiben auf de

Sandoberfläche auch Spuren erhalten. DieseVerhalten mathematisch zu modellieren, stellte die Wissenschaft lange vor große Schwierigkeiten. Viele verschiedene sogenannte Stoffgesetze beruhen auf einer Vielzahl von Laborversuchen, bei denen Sandproben deformierund die damit verbundenen Spannungen aufgezeichnet wurden. „Diese mathematischenFormulierungen sind aber noch unvollkommen“, betont Kolymbas.

NEUES STOFFGESETZ

„Ungeachtet seiner granularen Struktur kann

Sand auch als Kontinuum behandelt werden“erzählt der Innsbrucker Bauingenieur. „Das hasich als zweckmäßig erwiesen. Die relevantenGrößen wie Dichte, Verschiebungen, Deformationen, Spannungen werden als stetige Funktionen des Ortes betrachtet. Dadurch könnenwir das mächtige Instrumentarium der Infinitesimalrechnung samt allen analytischen undnumerischen Lösungsmethoden anwenden.Ein von Dimitrios Kolymbas neu entwickelteStoffgesetz, die Barodesie, wurde durch Betrachtung sogenannter asymptotischer Zustände konstruiert. „Diese stellen sich bei langen

Fotos: Andreas�

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zukunft forschung 0211 37

BODENMECHANIK

monotonen oder zyklischen Verformungen einund können als Attraktoren der zugrundeliegen-den Differentialgleichungen aufgefasst werden“,erklärt er.

Dichter Sand hat ein anderes Verhalten als lo-ckerer Sand, schon deswegen, weil er kaum weiterverdichtet werden kann. Dichter Sand ist deshalbauch viel besser als Baugrund geeignet. Wennalso in der Bibel Sand als schlechter Baugrunddargestellt wird, so kann damit nur lockerer Sandgemeint sein. Einige Unternehmen haben sichdarauf spezialisiert, Baugrund zu verdichten oderentsprechende Geräte herzustellen und zu vertrei-

 ben. Wenn die Poren im Sandboden mit Wassergefüllt sind, kann das Verdichten dramatischeFolgen haben. Das Wasser wird dabei verdrängt.Insbesondere bei ganz feinen Poren braucht dies

viel Zeit. Die Wassersättigung der Poren grobkör-niger Böden kann die Verdichtung durch Erschüt-terungen geradezu begünstigen. „Im Wasser, das

nicht sofort entweichen kann, baut sich durch dieErschütterung ein Druck auf, der aber anschlie-ßend abgebaut werden muss. Dies ist auch dieantreibende Kraft der anschließenden Verdich-tung, die aber jetzt eruptionsartig einsetzt. Es bil-den sich dabei kleine Vulkane, aus denen Wasserund Sand ausgespien werden“, erklärt Kolymbasden zugrundeliegenden Mechanismus. Die phy-sikalische Erklärung dieses Phänomens ist nochnicht abgeschlossen, es dürfte aber auf denselbenVorgängen beruhen, die auch bei Lava-Vulkanenmaßgebend sind.

DRAMATISCHE FOLGEN

Besonderes Interesse hat die Wissenschaft anFällen, wo das Gerüst der Sandkörner als Trag-system versagt. Dies kann dramatische Folgen

haben, wie beim Einsturz einer Baugrube oder bei Hangrutschungen nach Erdbeben. „EinKorngerü̈st kann Zustände erreichen, wo seineTragkraft erschöpft ist, d.h. es kann nicht weiter

 belastet werden. Praktisch manifestieren sich sol-che Zustände dadurch, dass sich die Verformungin dünnen Scherfugen lokalisiert und sich eineKette aus mehr oder weniger starren Blöcken bil-det, die aneinander gleiten. Diese Blöcke könnenzerfallen und – im Falle von Erdrutschen – alsMuren oder Gerölllawinen einen Hang hinunter-rutschen“, sagt der Bauingenieur.

Wenn Sand bei Erdbeben verdichtet werden

„will”, verhindert eingeschlossenes Porenwas-ser diese Verdichtung zunächst. Dies führt dazu,dass die gesamte Belastung des Sandkörpers vomPorenwasser aufgenommen wird, was wiederum

 bedeutet, dass das Sand-Wasser-Gemisch sich wieeine Flüssigkeit verhält. Die Konsequenzen sindfatal: Ganze Wohnblöcke können in dieser Flüs-sigkeit versinken.

Neben Sand gibt es auch eine weitere Grup-pe von Feststoffen, die riesige Verformungenerleiden können. Gemeint sind Gesteinspakete,geologische Schichten, ja ganze Kontinente oderder Erdmantel selbst. Sie können gewaltige Ver-

formungen (man denke an Auffaltungen vonGebirgen) erleiden, vorausgesetzt, dass diesesehr langsam und über Jahrmillionen ablaufen.„Wenn man den Zeitmaßstab außer Acht lässt,verhalten sich Gesteinspakete wie Sand“, be-tont Kolymbas. Die Ähnlichkeit von Sand undGestein wird ausgenutzt, um geologische Pro-zesse anhand von Versuchen mit Sand zu simu-lieren. „Daraus erwächst die Vision, geologischeVorgänge anhand von Stoffgesetzen für Sandzu simulieren und Abläufe vorauszusagen“, soDimitrios Kolymbas. cf 

ZUR PERSON

„Sand zeigt dasselbe Verhalten,das von manchen asiatischenKampfsportarten bekannt ist:

 Abbau des Drucks durch Zurück- weichen.“ Dimitrios Kolymbas, Institut für Infrastruktur 

Dimitrios Kolymbas (*1949in Athen) absolvierte seinBauingenieurstudium an derUniversität Karlsruhe, woer von 1972 bis 1982 alsWissenschaftlicher Mitarbei-ter am Institut für Boden- und

Felsmechanik und von 1982bis 1994 als Oberingenieuram Lehrstuhl für Bodenme-chanik und Grundbau tätigwar. Seit 1994 ist KolymbasOrdentlicher Universitäts-professor und Leiter des Ar-beitsbereichs für Geotechnikund Tunnelbau am Institut fürInfrastruktur an der Universi-tät Innsbruck. 

In der japanischen Stadt Niigata sind 1964 nach einem Erdbeben mehrere Wohnblöcke aufgrund von Bodenverflüssigung umgekippt. In Gu-atemala Stadt führte ein defekter Kanal zu einem dramatischen Erdfall, der drei Menschen das Leben kostete. In Köln war es die verhängnisvolleEinwirkung des Grundwassers auf den Boden, die das Stadtarchiv zum Einsturz brachte. (v.li.)

nh

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zukunft forschung 021138

SCHULFORSCHUNG

ZUKUNFT: Die Universität Innsbruck hat

im Oktober 2011 mit der School of Educati-on ein neues Organisationsmodell zur Leh-rerinnen- und Lehrerausbildung vorgestellt.Was ist die Grundidee?ILSE SCHRITTESSER: Die School of Edu-cation soll ein Ort sein, um die Professio-nalisierung von Lehrerinnen und Lehrernvoranzutreiben sowie diesem Professionali-sierungsthema eine Identität zu geben. DieLehrerausbildung ist in Österreich mit Uni-versitäten und Pädagogische Hochschulen,aber auch an den Universitäten fragmen-tiert – die Lehramtsstudenten haben ein

Fach A, ein Fach B und die pädagogische

Ausbildung. Überspitzt formuliert sind siean der Universität nirgends richtig inte-griert. Mit der School of Education wollenwir diese Bereiche unter dem Motto „Pro-fessionalisierung“ zusammenführen unddas Thema zum Zentrum des Curriculumsmachen – was nicht heißt, dass die Fachaus-

 bildung in den Hintergrund gedrängt wird.Im Gegenteil: Gerade die universitäre Leh-rerausbildung legt höchsten Wert auf eine

exzellente Ausbildung im Fach. Und da

soll noch mehr forciert werden.ZUKUNFT: Ist die Fragmentierung deLehrerausbildung – im internationalen Vergleich – ein österreichisches Unikum?SCHRITTESSER: In gewisser Weise schonDie Früh- und Elementarpädagoginnenhaben in fast allen westlichen Industrieländern eine akademische Ausbildung. In denmeisten europäischen Ländern ist die gesamte Lehrerbildung an den Universitätenund wird nicht an einer eigenen Institutionund schon gar nicht an zwei unterschiedlichen Institutionen, angeboten.

„STANDARDSCHÜLERGIBT ES NICHT MEHR“

Ilse Schrittesser über die geplante School of Education als Ort derLehrerausbildung an der Universität Innsbruck, die Notwendigkeit von

Fachwissen und die Anforderungen an zukünftigen Schulunterricht.

Fotos: Andreas Friedle (2

Das gesamte Interview mit Ilse Schrittesser finden Sie auf www.uibk.ac.at/forschung/magazin/7/ 

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SCHULFORSCHUNG

Ilse Schrittesser (*1956) absolvierte dasLehramtsstudium der Anglistik und Romanistikan der Universität Wien und promovierte im

 Jahr 1992. Von 1985 bis 2001 war sie alsAHS-Lehrerin tätig, arbeitete an zahlreichenForschungsprojekten zur Unterrichts- und mitSchulentwicklung mit. Im Jahr 2001 wurdesie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institutfür die Schulpraktische Ausbildung der Uni-

versität Wien, 2004 folgte die Habilitation,danach war sie Außerordentliche Universi-tätsprofessorin am Institut für Bildungswis-senschaft der Universität Wien. Seit Oktober2010 ist Schrittesser Professorin für Lehr- undLernforschung am Institut für LehrerInnenbil-dung und Schulforschung der UniversitätInnsbruck.

ZUR PERSON

ZUKUNFT: Künftig soll es Institute fürFachdidaktiken der Naturwissenschaften

  bzw. der Geisteswissenschaften geben.Braucht es unterschiedliche fachdidaktische

Ansätze?SCHRITTESSER: Meiner Beobachtung nachsind die zwei Bereiche unterschiedlich. Ineinem Fall geht es darum, wie lerne undlehre ich naturwissenschaftliches Denken,wie erfasst man die Welt in naturwissen-schaftlichen Denkstrukturen – also nichtnur um die Vermittlung von Fachwissen,sondern auch um den Bildungssinn desFachs. Meines Erachtens ist gerade die-ses Gebiet ein ganz zentrales Thema, wasden gesellschaftlichen Umgang mit natur-wissenschaftlichem Wissen betrifft. Es ist

gesellschaftspolitisch ein hochbrisantesThema, dass Menschen eine enorm entwi-ckelte Technologie, in der sie sich ständig

 bewegen, basal verstehen können. Bei denKultur- und Geisteswissenschaften gehtes auch um Vermittlung von gesellschaft-lich bedeutenden Fragen – wie erwerbeich Sprache, wie bewege ich mich auf dieWelt zu usw. Generell möchte ich aber da-zu sagen: Wenn man in der Schule etwasunterrichtet, dann muss man sich mit demBildungssinn eines Faches auf Forschungs-ebene, auf wissenschafts-theoretischer Ebe-

ne auseinandersetzen.ZUKUNFT: Die Gesellschaft sieht Lehrerheute anders als vor 20 Jahren. Auch Leh-rer sehen sich anders als damals. In welcheRichtung soll die Lehrerbildung gehen, dassdie Pädagogen in 20 Jahren den zukünfti-gen Anforderungen gewachsen sind?SCHRITTESSER: In einer Welt, in der Wis-sen sich ständig weiterentwickelt, ist einefundierte fachliche Lehrerausbildung un-erlässlich. Pädagoginnen und Pädagogendürfen den Kindern keine falschen Welt-

 bilder vermitteln – nicht im Sinne von Ide-

ologien, sondern im Sinne von Verstehenvon Wirklichkeit. In den Sekundarstufen 1und 2 liegt es auf der Hand, dass Kinder einRecht haben, etwa nach einem erfolgreichenEnglischunterricht fließend Englisch spre-chen zu können. Das kann man auf andereFächer umlegen. Es geht um die Vermitt-lung von fundiertem Wissen, gekoppeltaber auch mit Kompetenzen. Da kommtder schon erwähnte Professionalisierungs-aspekt hinzu, dass man in der Ausbildungdie Vermittlerrolle mitdenkt, dass Lehrerin-nen und Lehrer wissen, wie man ein Thema

anbietet, sodass Kinder und Jugendliche einVerständnis für die Sache bekommen.ZUKUNFT: Gibt es noch weiter Aspekte?

SCHRITTESSER: Ja, der Umgang mit Hetero-genität. Wir haben es nicht nur mit ethnischsowie schichtspezifisch unterschiedlichenMenschen zu tun – durch die Modernisie-rungsprozesse unserer Gesellschaft gibtes keine einheitlichen Lebenswelten derSchulkinder mehr. Wenn Kinder aus relativeinheitlichen sozialen Schichten – ein Bil-dungsbürgerbezirk in Wien etwa – kommen,möchte man meinen, dass man eine relativhomogene Klassengemeinschaft hat – dasimmer noch vorhandene Idealbild einerGymnasialklasse. Das ist aber nicht der Fall.

Das ist auch der Grund, warum an diesenSchulen ein relativer Frustrationspegel desLehrkörpers festzustellen ist – weil in vielenSchulen noch nicht angekommen ist, dass esDEN Standardschüler, DIE Erziehung, dieHomogenität der Gesellschaft nicht mehrgibt. Es handelt sich heute um unterschied-lichste Formen der familiären Sozialisation,unterschiedliche Schwerpunktsetzungen,Regeln, Routinen in den Familien, welchedie Kinder ganz selbstverständlich in dieSchule mitbringen – mit diesen Unterschie-den muss man arbeiten können.

ZUKUNFT: Sie betonen immer wieder dasfundierte Fachwissen. Woher sollen zukünf-tige Lehrer dies bekommen?

SCHRITTESSER: Im Rahmen von Schulfor-schungsprojekten konnten wir immer wie-der feststellen, dass Fachwissen ein Angel-punkt für einen erfolgreichen Unterricht ist,es aber für einen erfolgreichen Unterrichtnicht ausreicht. Und diese Ausbildung imFachwissen ist an den Pädagogischen Hoch-schulen, aufgrund ihrer fehlenden oder ge-rade im Aufbau befindlichen Forschungs-tradition, (noch) nicht gut vertreten.ZUKUNFT: Warum polarisiert eigentlichdas Thema Schule derart?SCHRITTESSER: Erstens: Wir waren alle

in der Schule, haben sie erlebt, vielleichtauch nicht positiv – das setzt sich im „kol-lektiven Unbewussten“ fest und lässt dasThema immer wieder hochkochen. Zwei-tens: Schule ist hochpolitisch. Es ist hoch-politisch, was ich Heranwachsenden inder Schule beibringe, wie ich ihnen Wissenzugänglich mache. Ob man damit ein kriti-sches Potenzial entwickelt, also Bildung imursprünglichsten Sinn ermöglicht, oder obman möglichst anpassungsfähige, durchausqualifizierte Arbeitskräfte heranzieht. Daspolarisiert einfach. ah

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zukunft forschung 021140

GRÜNDUNGEN

EFFIZIENTKOMMUNIZIEREN

Können Unternehmen in Tirol neue Chancen im Internet nutzen und die damitverbundenen Herausforderungen meistern? Ein Spin-off des Semantic Technology

Institute Innsbruck bietet eine neue Lösung für die Online-Kommunikation.

D

as Internet hat in den den letzenzwei Jahrzehnten unser Kom-munikationsverhalten revoluti-

oniert wie kaum ein anderes Medium zu-vor. Schon jetzt ist es möglich, mit jedemMenschen auf dem Planeten in Echtzeit zukommunizieren. Doch wir sind noch langenicht am Ende unserer Reise angekommen.Es werden heute mehr mobile Endgeräteals Computer verkauft. Das Telefon wirdzum Mittelpunkt der Onlinepräsenz, klas-sische PC- und Laptopsysteme verlierenkonstant an Bedeutung.

Die Grenzen zwischen Informations-produzenten und -konsumenten beginnenzu verschwimmen. YouTube zum Beispiel

wirbt mit dem Slogan „Broadcast yourself“,was in etwa soviel bedeutet wie „stell dichselbst dar, mach dich öffentlich“. In diesemWeb 2.0, dem Mitmachweb, produzierenNutzerinnen und Nutzer den Inhalt für

DAS SPIN-OFF DACODIdacodi steht für DAta and COntent DIs-

tribution und spiegelt die Kernkompetenzdes Unternehmens wider. Als Spin-off des

Semantic Technology Institute Innsbruck

verwendet das Unternehmen Cutting-edgeTechnologien aus dem Bereich des seman-

tischen Web. Durch Abstraktion des jeweilsbranchenspezifischen Kommunikationsmo-

dells von den eigentlichen Kanälen, wird dieverteilte Publikation von Inhalten vereinfacht.

Langfristiges Ziel der Forschungsaktivitätenist eine skalierbare Differenzierung und

Verflechtung von Inhalten und der zugrun-deliegenden Kommunikation. Das Projekt

wird seit Mitte 2011 von CAST unterstützt,die Unternehmensgründung ist für 2012

geplant. www.dacodi.at

Foto: daco

andere und konsumieren Inhalte andereBenutzer. Diese „Prosumenten“ haben unter anderem ein gemeinsames Ziel: soziale

Vernetzung. Plattformen wie Facebook undTwitter sind für viele nicht mehr aus demAlltag wegzudenken.

Damit ergibt sich natürlich ein grundlegendes Problem: Die Kommunikation imInternet wird immer fragmentierter. Besonders für Unternehmen, die neue Chancen im Web nutzen wollen, wird die Füllan Möglichkeiten (z. B. Homepage, BlogFacebook, Twitter, Xing, diverse ForenGoogle+) zur fast unverwaltbaren Aufga

 be. Nicht jede kleine Firma kann sich eineWerbeagentur oder einen dedizierten Socia

Media Manager leisten.

ONLINE KANÄLE SIND INSELNNeue Kanäle entstehen, viele verschwinden, alte Kanäle ändern ihre Funktionalität oder Benutzeroberfläche. Dies alles geschieht oft ohne Wissen und in den meistenFällen ohne Kontrolle der Nutzerinnen undNutzer. Daten sind das Kapital von OnlinePlattformen und so verhalten sie sich wieInseln, die die Nutzer am besten täglich

 besuchen müssen.Um die Online-Kommunikation fü

Unternehmen wieder transparent zu machen und Publikation von Inhalten in allenKanälen mit einem Klick zu ermöglichenmüssen alle diese Online-Inseln wiedezentral zusammengeführt werden.

Die Lösung: dacodi. Eine Software degleichnamigen Innsbrucker Spin-offs, dies Unternehmen ermöglicht, Inhalte schnelund einfach auf allen Online-Kanälen zupublizieren, Feedback aus diesen Kanälenzentral zu sammeln und statistisch den Erfolg der Online-Präsenz (Return on Investment) auszuwerten. cast

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zukunft forschung 0211 41

GRÜNDUNGEN

M it Fleiß und Zielstrebigkeit hat sichdie Forschungsgruppe Quality En-gineering um Ruth Breu mit ihrem

Kernthema Qualitätskritische Kooperative Sys-teme einen hervorragenden Ruf erworben. Aufinternationalem Parkett ist das mittlerweile 30-köpfige Team ebenso bekannt wie in der Regi-on.

Kooperative Systeme sind die neue Genera-tion von IT-Systemen. Sie zeichnen sich durchVernetzung, Mobilität und Kooperation über

Unternehmensgrenzen hinweg aus. „Dadurchermöglichen sie neue Geschäftsmodelle, eröff-nen neue Kommunikationskanäle zu Kundenund unterstützen effiziente Arbeitsprozesse überOrganisationsgrenzen hinaus“, erklärt Prof. Dr.Ruth Breu. „Erhöhte Qualitätsanforderungen,insbesondere hinsichtlich der Sicherheit und Zu-verlässigkeit sind die Folge.“ „Hierfür braucht esneue Qualitätsmanagement-Prozesse und einepassende IT-Unterstützung“, ergänzt Dr. Micha-el Felderer, zukünftiger Geschäftsführer der QELaB Business Services GmbH. „An diesen Fra-gestellungen arbeiten wir seit bald zehn Jahren

und erproben die Ergebnisse in Kooperationenmit zahlreichen Unternehmen.“ Die Qualität derIT entscheidet zunehmend über den Geschäfts-erfolg von Unternehmen. Investitionen in dasQualitätsmanagement ihrer IT-Landschaften sinddaher unabdingbar. Viele Gespräche mit Projekt-partnern, mit Unternehmern und eigene Markt-forschung bewogen die Gründer zum Schritt inein eigenes Unternehmen. Einen zusätzlichenImpuls lieferte das QE LaB - Laura Bassi Centreof Expertise. Diese Auszeichnung für exzellente

Forschung beinhaltet den Auftrag, die Ergebnissein die Praxis zu bringen. Daher wird die QE LaBBusiness Services GmbH die in QE- und QE LaB-Forschungsprojekten entwickelten Werkzeug-Prototypen zu Produkten weiterentwickeln.

Besonderes Augenmerk legen die Spezialistenvon QE auf die IT-Security. „Unternehmen kön-nen ihre Systeme nur nach außen öffnen, wenn dieSicherheitsvorkehrungen stimmen“, konstatiertDr. Michael Breu, Dritter im Team. „Mit unserenMethoden, modernster Technologie und langjähri-ger Erfahrung können wir Unternehmen in dieserHinsicht wirkungsvoll voranbringen.“ cast

• Anfang 2012: geplanteGründung der QE LaBBusiness Services GmbHunter Beteiligung derUniversität InnsbruckUnternehmensbeteiligungs-gesellschaft mbH

• 2011: Förderung derUnternehmensgründungdurch CAST

• 2009: Projektstart QE LaBunter der Leitung von Prof.Dr. Ruth Breu, Förderungdurch das BMWFJ undvier Industriepartner, qe-lab.at

• 2002: Gründung derForschungsgruppe QualityEngineering am Institut fürInformatik, q-e.at

INFO

Foto: fotostanger.com

Die Gründer Dr. Michael Felderer, Prof. Dr. Ruth Breu und Dr. Michael Breu.

QUALITÄT UNDSICHERHEIT

QE LaB Laura Bassi Zentrum gründet aus – die QE LaB BusinessServices GmbH unterstützt Unternehmen, agile kooperative IT-

Systeme zu beherrschen.

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42

GRÜNDUNGEN

KOMMENTAR

 WANDEL UND

KONTINUITÄT

E in wesentliches Kriterium imBereich von Innovation undTechnologie ist die ständige

Veränderung. So spannend dies ei-nerseits ist, so findet man andererseitsfast täglich völlig Unbekanntes undmanchmal auch Befremdendes. DieserUmstand erfordert sehr gut ausgebilde-te Personen mit einem großem Erfah-rungsschatz, eine innovative Unter-

nehmenskultur die Neues zulässt undauch ein Umfeld, das Veränderungengut aufnehmen kann.

Verfolgt man jedoch die Aussagendiverser Politiker bzw. Schlüsselper-sonen in wichtigen Institutionen imForschungs- und Technologiebereich,so scheint es, dass seit Jahren zwar mo-derne Reformen in Angriff genommenwerden, aber dass die tatsächliche Um-setzung sehr oft auf der Strecke bleibt.

Gerade in der Bildungs-, Innovati-ons- und Technologiepolitik sind die

Auswirkungen von Maßnahmen (oderdessen Fehlen!) nur sehr stark zeitver-zögert spürbar, dann allerdings umsodramatischer. Richtungsänderungenin den angesprochenen Bereichen ent-falten – vergleichbar mit dem Fahrver-halten eines großen Tankers – nur sehrzeitverzögert ihre Wirkung. UnsereWelt verändert sich aber seit Jahrendramatisch, die Rahmenbedingungenoder die Konzepte in der Politikge-staltung sind in unserem Land aber

 beharrlich starr geblieben. Eine ehr-

liche und rasche Veränderung, in derBalance zwischen Wandel und Konti-nuität, ist dringend notwendig. Wennwir uns weiter so vehement gegen Ver-änderung sträuben, wird unser Landin zehn Jahren aus den europäischenKrisenschlagzeilen nicht mehr wegzu-denken sein.

Wir alle sind gefordert, nach unserenMöglichkeiten, Veränderungsprozessein unserem eigenen Wirkungskreis um-zusetzen. Auf Hilfe von Dritten werdenwir vergeblich warten. mac

GET YOUR BUSINESS

STARTED!Der internationale Businessplanwettbewerb „bob - bestof biotech“ geht im Februar 2012 in seine sechste Runde.

M ittlerweile hat sich der internati-onale Businessplanwettbewerb„bob - best of biotech“ (www.

 bestofbiotech.at) als wichtiges Sprungbrettauf dem Weg von der Wissenschaft in dieWirtschaft etabliert . Gesucht werden dabeiinnovative Geschäftsideen aus den Berei-chen Life Sciences und Medtech. Forsche-rInnen, Studierende und kreative Innovati-onsträger, die aus ihren vielversprechenden

Forschungsergebnissen und Geschäftsideenein Unternehmen machen möchten, sindeingeladen, diese zu einem vollständigenBusinessplan auszubauen.

Der Wettbewerb unterteilt sich in zwePhasen. In der ersten (Februar - Mai 2012

können Kurzkonzepte eingereicht werdenIn der anschließenden zweiten Phase (Ma- Oktober 2012) werden diese zu einem vollständigen Businessplan ausgebaut. In beidenPhasen werden die TeilnehmerInnen mit intensivem Coaching in One-on-One-Meetingdurch den Wettbewerb begleitet. Die Gewinner können sich auf Preisgelder in Höhe voninsgesamt 44.500 Euro freuen.

CAST, als Partner von bob, ist Ansprechpartner für Einreichungen aus Tirol und bietet beratende Begleitung sowie Coaching füalle bob-TeilnehmerInnen. Im Mai gibt es die

Möglichkeit an einem Intensivworkshop inWien teilzunehmen. Die zehn besten Teamhaben Gelegenheit, vor dem Jury-Meetingnoch ein intensives Training in der Coachingsession zu erhalten.

Getragen wird bob vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugendim Rahmen des SchwerpunktprogrammLife Science Austria (LISA) der austria wirtschaftsservice (aws). www.cast-tyrol.comwww.awsg.at bw/cast

TIROLER BUSINESSPLANWETTBEWERB ADVENTURE X

Fotos: aws (1), Standortagentur Tirol (42 zukunft forschung 0211

Gründungsinteressierte aus dem Kreise der Tiroler ForscherInnen sind ab Jänner 2012wieder aufgerufen, ihre Geschäftsidee im Rahmen des adventure X in einem Businessplan

auszuarbeiten, die OptionSelbständigkeit für sich zu prü-fen und den Grundstein für eineigenes Unternehmen zu legen.Fachkundige Unterstützung stehin Form von Coaching-Abendenund Seminarwochenenden zurVerfügung – und das kostenlos!www.adventurex.info

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zukunft forschung 0211 43

TRANSIDEE

 ALPINE ORIGINALEÜberregionales Kooperationsprojekt als Beispiel für die optimale Verwertung

von universitärem Wissen.

A ls im Herbst des Vorjahres die Agrarmarketing Tirol beimuniversitären Transferzentrum transidee anfragte, ob an derUniversität Innsbruck die Möglichkeit besteht, Lebensmit-

tel auf deren Herkunft hin zu analysieren, fiel den Projektentwick-

lern von transidee sofort ein Name ein: Christian Huck. Mit seinemTeam am Institut für Analytische Chemie und Radiochemie setzt erseit vielen Jahren die Nah-Infrarot-Spektroskopie auf innovative Artund Weise zur Analyse verschiedener Feststoffe ein. Unter der Fe-derführung von transidee Mitarbeiter Peter Buchberger wurde einKonzept für das Interreg IV Programm entwickelt, das nun auch alseines der besten eingereichten Konsortialprojekte mit 760000 Eurogefördert wird. Ziel ist es, Herkunft und Qualität heimischer Produk-te mit Hilfe der Nah-Infrarot-Spektroskopie in Zukunft schnell undkostengünstig zu überprüfen.

HERKUNFT UND QUALITÄTDie Herkunftsgarantie gibt vielen Konsumenten bei ihrem Griff zu

regionalen Lebensmitteln Sicherheit. Konsumenten, die heimischenLebensmitteln den Vorzug geben, und Produzenten und Händler,die Regionalität wirklich leben, sollen durch das neue Verfahren un-terstützt werden. Bereits 2006 hat die Agrarmarketing Tirol in engerZusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Laimburg in Südtirolerste Schritte zur Bestimmung der Herkunft von Lebensmitteln durchdie Isotopenanalyse gesetzt. Da der Isotopennachweis aber teuer undlangwierig ist, soll die an der Universität Innsbruck entwickelte neueNah-Infrarot-Methode hier deutliche Fortschritte bringen. Wendelin

 Juen, Geschäftsführer Agrarmarketing Tirol: „Das Gütesiegel ‚Quali-tät Tiro‘ und das Herkunftsversprechen ‚gewachsen und veredelt inTirol‘ werden durch dieses Vorhaben ganz im Sinne der Erwartungender Konsumenten gestärkt.“ Der geschäftsführende Rektor Tilmann

Märk ergänzt: „Ich bin überzeugt davon, dass die wissenschaftlichenErgebnisse den Tiroler Agrarbetrieben helfen werden, auf dem Marktweiter mit erhöhter Qualität zu punkten. Ein Anspruch, den wir alsführende Forschungsuniversität in Österreich, auch an unsere eigene

Arbeit stellen, und der sich in dieser Kooperation ideal verbindenwird.“

Es muss nicht immer ein Lizenzvertrag oder ein Patentverkaufsein, wenn es um die optimale Verwertung universitären Wissensgeht. „Ein Kooperationsprojekt wie im vorliegenden Fall kann mit-unter einen weitaus größeren Nutzen bringen, da durch die Zusam-menarbeit mit kompetenten Partnern der Wert der eigenen Idee we-sentlich gesteigert werden kann“, sagt Sara Matt-Leubner, Geschäfts-führerin von transidee. „Dieses Projekt bringt nicht nur einen hohenNutzen für die Vermarktung regionaler Produkte, sondern erhöhtauch die Sichtbarkeit und Reputation der Universität Innsbruck alskompetenter Forschungspartner. Darüber hinaus zeigt dieses Projekt,dass die Universität sich aktiv darum bemüht, das generierte Wissen

auch in die Praxis überzuführen.“

INFO

Projektpartner: Universität Innsbruck – Leadpartner; AgrarmarketingTirol; Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg/Südtirol; Universität Bozen; Sennereiverband SüdtirolLaufzeit: drei Jahre, Start Herbst 2011Projektschiene: Interreg Iva Italien-ÖsterreichProjektvolumen: 910.000 Euro(Förderung 760.000)

Foto: BMLFUW/Rita Newman

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zukunft forschung 021144

KURZMELDUNGEN

INFORMATIONSSICHERHEITVerfügbarkeit und Schutz von Informationen und Wissen werden

immer wichtiger für Wirtschaft und Gesellschaft.

Investoren, Kunden, Mitar-

 beiter und Behörden stellen

vielfältige Sicherheitsan-

forderungen an Unternehmen.

Werden diese von den Firmen

nicht erfüllt, so kann dies zu

Vertrauensverlust oder bei Ver-

letzung der gesetzlichen Sorg-

faltspflicht auch zu zivil- und

strafrechtlichen Folgen führen.

Für moderne Unternehmenstellt Informationssicherheit

deshalb einen wesentlichen Er-

folgsfaktor dar. Während aber

technische Informationssicher-

heit Gegenstand intensiver For-

schung ist, wurde kooperatives

Sicherheitsmanagement bisher

kaum untersucht.

In einem vom Land Tirol

über die Standortagentur Tirol

geförderten Projekt haben das

Institut für Informatik und der

Bereich Wirtschaftsinformatik I ein marktorientiertes, ganz-

heitliches Managementkonzept

erarbeitet. Dabei wird Informa-

tionssicherheit systematisch in

den Arbeitsalltag aller Beteilig-

ten integriert, über die Definiti-

on klarer und kohärenter Ziele,

Rollen und Verantwortungen.

Praktische, einprägsame Schu-

lungen und Richtlinien, eine

laufende Sensibilisierung und

der sichtbare Einsatz der Ge-

schäftsleitung fördern laut ei-

ner durchgeführten Befragung

das Sicherheitsverständnis von

Mitarbeiterinnen und Mitarbei-

tern. Durch aktivitätsorientier-

te Statusinformationen werden

nötige Anpassungen an interne

und externe Veränderungenfrühzeitig erkannt. Kohärente,

empfängerorientierte Sicher-

heitsberichte dokumentieren

die Einhaltung aller Verpflich-

tungen und kommunizieren

den Nutzen der Informations-

sicherheit. So wird diese als

Mehrwert für Kunden und

Unternehmen von allen Betei-

ligten gemeinsam effizient und

effektiv umgesetzt.

„IT-Ris ikomanagemen

kann nicht verordnet werden

sondern bedarf einer gut ge

planten Vorgehensweise zu

Einführung im IT-Bereich und

Unternehmen“, erläutert Ha

rald Oleschko von der Tirole

Wasserkraft AG, die gemein

sam mit dem Holzunternehmen EGGER in das Projekt ein

gebunden war. Michael Danzl

IT Security Officer der EGGER

Gruppe, ergänzt aus seine

Erfahrung: „Nachweisbare Si

cherheit schützt sowohl da

gesamte Unternehmen als auch

die Mitarbeiter und schafft Frei

raum für Innovation.“

MEDIEN-

 WANDEL 

W ir leben in einer Zeit umwäl-

zender Veränderungen von

Kommunikationstechnologien, die

große Auswirkungen, sowohl auf

die Mediennutzung als auch auf

die Arbeit der Medienschaffen-

den, haben. Diese Veränderungen

zu verstehen, zu erklären und zu

gestalten, ist das Ziel des inter-

disziplinären Forschungsbereichs

innsbruck media studies (ims). Ge-meinsam mit der Tiroler Tageszei-

tung stellt sich die Uni Innsbruck 

im Rahmen dieses Medienschwer-

punkts zentralen Zukunftsfragen

in Medien, Kommunikation und

 Journalismus. Zahlreiche promi-

nente nationale und internationale

Medienexperten sind dazu in Inns-

 bruck zu Gast. „Die sogenannte

Macht der Medien, ihre Funkti-

onsweise, der Umgang mit ihnen

und ihre Weiterentwicklung in

einer digitalen Welt ist ein interes-santes Forschungsfeld, das an der

Universität seit vielen Jahren sehr

interdisziplinär bearbeitet wird.

Die Zusammenarbeit mit der Mo-

ser Holding eröffnet hier unseren

Wissenschaftlerinnen und Wis-

senschaftlern, aber auch unseren

Studierenden neue Möglichkeiten,

weil nun auch eine professionelle

Innensicht medialer Entwicklun-

gen hinzukommt“, betont Rektor

Tilmann Märk.

 VORLESUNGEN ONLINE

Ein ganzes Semester lang begleiten Tutorinnen und Tutoren die Einführungsvorlesungen in denFächern Biologie, Physik, Psychologie und Sprachwissenschaft und zeichnen die Vorträge als Videoauf. Die Universität Innsbruck macht die kompletten Vorlesungen online und über das Portal iTunes U

öffentlich zugänglich. Das vom Vizerektorat für Lehreund Studierende finanzierte Vorhaben unterstützt Stu-dierende beim Studium und gibt Interessierten einenersten Einblick in die einzelnen Fachrichtungen. „Dieöffentliche Präsentation von Vorlesungsinhalten eröff-net neue Informationsmöglichkeiten für Studierwilligeund Wissenshungrige, gibt aber auch Studierendeneine Unterstützung beim Lernen“, freut sich Prof. Mar-gret Friedrich, Vizerektorin für Lehre und Studierendeüber das neue Angebot.

Fotos: istockphoto (2), Uni Innsbruck (

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zukunft forschung 0211 45

PREISE & AUSZEICHNUNGEN

ERFOLGREICHER

NACHWUCHSIn diesem Jahr haben Forscher der Uni Innsbruck fünf der

prestigeträchtigsten Nachwuchspreise in Österreich und der EU ergattert.

Der wissenschaftliche Nachwuchsträgt rund 80 Prozent zur For-

schungsleistung der UniversitätInnsbruck bei und ist damit eine tragendeSäule des Forschungsbetriebs. Dass Inns-

 brucks Nachwuchs international mit denführenden Vertreterinnen und Vertreternihrer Fächer mithalten können, zeigen dieregelmäßigen Erfolge bei der Einwerbungvon hochdotierten Nachwuchspreisen.Insbesondere junge Physikerinnen undPhysiker schneiden im internationalen Ver-gleich immer wieder hervorragend ab. Das

 beweisen auch die diesjährigen Auszeichnungen für fünf Physikeraus mehreren Instituten durch den Europäischen Forschungsrat

(ERC) und den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF).

PIONIERFORSCHUNG

Markus Hennrich, Hanns-Christoph Nägerl und Roland Westererhielten im Sommer die Zusagen für einen ERC Starting Grantfür ihre eingereichten Projekte. Ihnen stehen damit in den nächs-ten fünf Jahren jeweils rund 1,5 Millionen Euro für ihre Forschun-gen zur Verfügung. Der Europäische Forschungsrat unterstütztgrundlagenorientierte Pionierforschung von herausragendenWissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Hanns-Christoph Nä-gerl wird mittels Quantengasmikroskopie stark wechselwirkendeQuantengase untersuchen und Markus Hennrich mit gefangenenRiesen-Ionen schnellere und skalierbare Quantencomputer bauen.

Roland Wester will Terahertz-Strahlungfür die Spektroskopie von Molekülverbin-

dungen nutzbar machen. Forscherinnenund Forscher der Universität Innsbruck konnten bereits in den vergangenen Jah-ren drei ERC Starting Grants einwerben:2008 der Chemiker Thomas Lörting, 2010Francesca Ferlaino und Gregor Weihs,ebenfalls von der Innsbrucker Physik.

Mit der höchsten österreichischen Aus-zeichnung für Nachwuchsforscherinnenund -forscher wurden in diesem Jahr Se-

 bastian Diehl und Peter Rabl ausgezeich-net. Sie erhalten jeweils rund eine Million Euro für ihre Forschun-gen. Diehl möchte mit seinen theoretischen Arbeiten die Gebiete

der Quantenoptik und der Vielteilchenphysik näher verknüpfen.Rabl beschäftigt sich mit neuen Ansätzen zum besseren Verständ-nis der Physik von opto- und nanomechanischen Systemen imQuantenregime.

Der START-Preis des österreichischen Wissenschaftsministeri-ums wird durch den österreichischen Wissenschaftsfonds FWFvergeben. Die Preisträger werden von einer internationalen Fach-

 jury ausgewählt. Junge Forscherinnen und Forscher sollen auf-grund ihrer bisher geleisteten wissenschaftlichen Arbeit die Chan-ce erhalten, in sechs Jahren finanziell weitgehend abgesichert ihreForschungsarbeiten zu planen und eine eigene Arbeitsgruppeaufzubauen. Nach drei Jahren haben sie sich einer Zwischeneva-luierung zu stellen.

Ein erfolgreiches Jahr für die InnsbruckerPhysik: START-Preisträger Sebastian Diehl

vom Institut für Theoretische Physik, ERC-Starting-Grant-Empfänger Roland Westervom Institut für Ionenphysik und Ange-wandte Physik sowie Markus Hennrich undHanns-Christoph Nägerl vom Institut fürExperimentalphysik und START-PreisträgerPeter Rabl vom Institut für Quantenoptikund Quanteninformation der Österreichi-schen Akademie der Wissenschaften (v.li.).

Fotos: Uni Innsbruck (2), Markus Knabl (3)

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zukunft forschung 021146

PREISE & AUSZEICHNUNGEN

D er Wissenschaftspreis für außergewöhnliche Forschungsleistungen deStiftung Südtiroler Sparkasse ging in diesem Jahr an zwei herausragendForscher der Universität Innsbruck, den Quantenphysiker Rainer Blat

und den Biomediziner Jörg Striessnig. Blatt (im Bild links) ist einer der international führenden Pioniere beim Bau eines zukünftigen Quantencomputers. Erskürzlich realisierte das Team um Blatt außerdem den ersten digitalen und damiuniversellen Quantensimulator. Die Innsbrucker Physiker um Blatt verschränktendarüber hinaus in diesem Jahr erstmals 14 Atome kontrolliert miteinander undrealisierten so das größte bisher gebaute Quantenregister. Blatt wurde 1995 an

die Universität Innsbruck berufen und leitet seit 2000 das Institut für Experimentalphysik. Er ist Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik undQuanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften2008 erhielt Blatt vom Europäischen Forschungsrat einen ERC Advanced Grant.

Im Mittelpunkt der Forschungen von Jörg Striessnig steht die Funktion und Modulation sogenannter spannungsabhängiger Kalziumkanäle und deren pharmakologische Bedeutung. Durch die Entwicklung geeigneter Forschungsansätze konnteseine Arbeitsgruppe systematisch Einblick in die Bedeutung einzelner Kalziumkanalisoformen für wichtige physiologische Prozesse erlangen. Striessnig ist seit 200Professor am Institut für Pharmazie und leitet die Abteilung Pharmakologie undToxikologie. Er wurde bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und ist Mitgliedder Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Die mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbundene Auszeichnung ist dehöchstdotierte Wissenschaftspreis, der an der Universität Innsbruck vergeben wirdKarl Franz Pichler, Mitglied des Verwaltungsrats der Stiftung Südtiroler Sparkasseüberreichte im Oktober die Urkunden an die Preisträger. Neben den Wissenschaftspreisen wurden weitere Forschungspreise der Stiftung Südtiroler Sparkasse in deHöhe von je 2500 Euro verliehen: Martin Kirchmair und Rosa Margesin vom Institufür Mikrobiologie, Hanns-Christoph Nägerl vom Institut für ExperimentalphysikAnna Gamper vom Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehresowie Peter Hilpold vom Institut für Italienisches Recht.

Rainer Blatt und Jörg Striessnig erhielten denWissenschaftspreis der Stiftung Südtiroler Sparkasse

UNTER DEN BESTEN

Die Volkswirte der Universität Innsbruck zählenzu den Besten im deutschsprachigen Raum. Dies

bestätigt erneut das diesjährige Ranking der deut-schen Tageszeitung Handelsblatt. Innsbruck belegt

den elften Platz unter 81 erfassten Universitätenim deutschsprachigen Raum. „Nach der Universi-tät Wien ist Innsbruck in Österreich die Nummer

zwei in der Volkswirtschaftslehre“, schreibt das

Handelsblatt. „Vor allem dank des Experimen-talökonomen Matthias Sutter.“ Das Handelsblatt-Ranking misst die Forschungsleistungen in den

Bereichen Volkswirtschaftslehre und Statistik undzählt zu den umfassendsten und aussagekräftigs-

ten Ranglisten im deutschsprachigen Raum.

CREMER-STIPENDIEN

Silke Ötsch und Claudia Paganini werden im Rah-men des Erika-Cremer-Programms bei ihrem Habi-litationsvorhaben unterstützt. Die vom Vizerektoratfür Personal und dem Büro für Gleichstellung undGender Studies initiierte Förderung wurde EndeSeptember zum zweiten Mal vergeben und sollexzellenten Forscherinnen den entscheidendenSchritt in den Wissenschaftsbetrieb erleichtern.

SÜDTIROLER PREISDer Chemiker GüntherBonn erhielt im Sommer

in Budapest für seine her-ausragenden Forschungs-leistungen die Csaba Hor-váth Erinnerungsmedaille,

die an den Erfinder derHochleistungsflüssigkeits-

chromatographie erinnert.Bonn beschäftigt sich vorallem mit Trennmateriali-

en, mit denen Biomoleküle wie DNA und Proteinesepariert werden können. Die in seinem Labor

entwickelten und verbesserten Verfahren sind we-gen des raschen Fortschritts in Genetik, Proteomik

und Metabolics von besonderem Interesse.

CSABA HORVÁTH MEDAILLE

Fotos: Christoph Lackner (1), Uni Innsbruck (

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zukunft forschung 0211 47

PREISE & AUSZEICHNUNGEN

HAMBURGER PREIS

Dem QuantenphysikerPeter Zoller wurde Ende

November der Hambur-ger Preis für TheoretischePhysik verliehen – undzwar für besondereLeistungen im Bereich derQuantenoptik und Laser-physik. Die Auszeichnungist mit einem Preisgeldvon 40.000 Euro sowie

einem Forschungsaufenthalt an der UniversitätHamburg verbunden. Zoller hat als Theoretikerwesentliche Arbeiten zur Wechselwirkung vonLaserlicht und Atomen verfasst. Neben grundsätz-

lichen Entwicklungen in der Quantenoptik ist ihminsbesondere auch der Brückenschlag zur Quan-teninformation und Festkörperphysik gelungen.NACHWUCHS WIRD GEFÖRDERT

Die Doktoratsstipendien wur-

den 2005 zur Unterstützungder Doktoratsstudien an der

Universität Innsbruck ins Leben geru-fen. Seitdem investiert die Universität

 jährlich rund eine Million Euro in denwissenschaftlichen Nachwuchs. „DerUniversität liegt die Förderung deswissenschaftlichen Nachwuchses sehram Herzen. Deshalb wollen wir exzel-lente junge Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler bereits in den Anfän-gen fördern“, erklärt der geschäftsfüh-rende Rektor Tilmann Märk.

Die Förderung des wissenschaftli-chen Nachwuchses ist ein wichtigesZiel der Universität Innsbruck. Aufdem Weg zur Wissensgesellschaftsollen optimale Bedingungen zur För-derung junger Menschen geschaffenwerden, damit es für die besten Köpfenach wie vor attraktiv ist, eine Karrie-re als Wissenschaftlerin oder Wissen-schaftler zu starten. Dazu gehört unteranderem eine exzellente Ausbildungim Rahmen des Doktoratsstudiums.Als forschungsorientierte Universität

legt die Uni Innsbruck besonderen

Wert auf diesen Teil der Ausbildung.„Aus diesen Gründen nimmt die Uni-versität die Förderung junger Wis-senschaftlerinnen und Wissenschaft-ler sehr ernst und greift ihnen in derersten Phase ihrer wissenschaftlichenLaufbahn finanziell unter die Arme“,sagt Rektor Märk. Pro Jahr werdenetwa 100 Studierende gefördert. DieKriterien für die Auswahl der Sti-pendienbezieherinnen und -beziehersind neben einem ausgezeichnetenProjektantrag auch die Qualität der

Diplomarbeit sowie ein exzellenterStudienerfolg.

BREITES SPEKTRUMElf Wissenschaftlerinnen und sechsWissenschaftler aus sieben Fakultätenerhielten Ende Oktober eine Förderzu-sage für ihr Dissertationsprojekt. Sie

 bekommen über sechs Monate hinweg jeweils 678 Euro; nach einem positivenZwischenbericht kann die Förderungfür weitere sechs Monate verlängertwerden.

Zahlreiche angehende Doktorinnen und Doktorenerhalten finanzielle Unterstützung in Form eines

Stipendiums der Universität.

TIROLER ADLER ORDEN

Klaus Schredelseker vom Institut für Banken undFinanzen erhielt für seine großen Verdienste umdie Gründung und Leitung des Studiengangs„Internationale Wirtschaftswissenschaften“ denTiroler Adler Orden in Gold. Dieser Studienganggenießt seit über 20 Jahren auf akademischer

und wirtschaftlicher Ebene im In- und Auslandhöchste Anerkennung. Ebenfalls mit dem AdlerOrden in Gold geehrt wurde Kerstin Fink vomBereich Wirtschaftsinformatik, die seit kurzemRektorin der Fachhochschule Salzburg ist.

MR. INTERNATIONAL

Erich Thöni vom Institutfür Finanzwissenschaftwar 19 Jahre lang inunterschiedlichen Funktio-

nen mit den internationa-len Beziehungen der UniInnsbruck betraut, zuletztals Universitätsbeauftrag-ter für die InternationalenBeziehungen. Ende

September endete seine Funktionsperiode. „DieInternationalisierungsbewegung erreichte Endeder 80er, Anfang der 90er Jahre die Universitä-ten und es war notwendig, sich Gedanken überdie internationale Ausrichtung der Universität zumachen und Strategien zu entwerfen. Das habenwir getan“, so Thöni rückblickend.

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zukunft forschung 021148

ZWISCHENSTOPP IN INNSBRUCK

H alogene sind sehr reaktionsfreudi-ge chemische Elemente. Mit Fluorund Chlor und deren Vorkommen

im Inneren der Erde beschäftigt sich der Iita-

lienische Vulkanologe Alessandro Fabbrizio.Denn bis heute ist kaum bekannt, wie vieldavon im Erdmantel vorhanden ist. „BeiVulkanausbrüchen werden besonders hoheKonzentrationen der Halogene freigesetzt“,erzählt Fabbrizio. „Eine bessere Kenntnisder Halogenvorkommen in der Erde könnteunser Verständnis vulkanischer Aktivitätendeutlich verbessern.“ Er untersucht deshalbMineralien wie Olivin und Pyroxen auf de-ren Halogengehalt. „Im Labor können wirTemperatur- und Druckverhältnisse wie imOberen Erdmantel erzeugen: Temperaturen

zwischen 900 und 1300 Grad Celsius undein Druck von 20 kbar.“ Über mehrere Tagewerden die Gesteinsproben so den Haloge-nen ausgesetzt. Mit analytischen Methoden

 bestimmt Alessandro Fabbrizio dann dieKonzentration von Fluor und Chlor in deneinzelnen Mineralen des Gesteins. „Wir ver-wenden Elektronenstrahlmikroanalyse undMassenspektrometrie, um die Konzentratio-nen in den Proben zu bestimmen“, sagt derGastwissenschaftler. Diese Ergebnisse ver-

gleicht Fabbrizio dann mit natürlichen Pro ben. Dazu sammelt er Steine von verschiedensten Orten auf der Erde und analysiersie ebenfalls im Labor. Aus den ermittelten

Halogenkonzentrationen kann er dann audie Entstehungsgeschichte dieser Steinrückschließen.

BERGSPORTLERInnsbruck als Forschungsstätte hat Alessandro Fabbrizio ausgewählt, weil diUniversität über ein sehr gut ausgestattetes Labor verfügt, das mit jenen seiner früheren Wirkungsstätten – ETH Zürich undCaltech – mithalten kann. Außerdem bieteÖsterreich als eines von wenigen Ländernein Stipendienprogramm für ausländisch

Gastwissenschaftler an. Der österreichischWissenschaftsfonds FWF unterstützt denitalienischen Postdoc zwei Jahre lang mieinem Lise-Meitner-Stipendium bei seinenForschungen. Fabbrizio liebt auch die Berge und fühlt sich deshalb in Innsbruck sehwohl. Schon sein erster Besuch in Innsbruckführte ihn auf die Skipiste, er nahm als Doktorand an der Skimeisterschaft der italienischen Universitäten in Tirol teil. Ein weitereMal kam er nach Innsbruck, um an der Internationalen Konferenz für experimentelle Mineralogie, Petrologie und Geochemie teilzu

nehmen. Als Gastforscher an der UniversitäInnsbruck kann er sich hier nun öfter seinenHobbys Bergsteigen und Skifahren widmen. Fabbrizios Forschungen liefern aucheinen wichtigen Beitrag zur Debatte um denKlimawandel, denn Halogene sind die chemischen Auslöser für den Abbau der Ozonschicht. Auf Basis seiner Daten kann genaueevaluiert und prognostiziert werden, welchMengen an gasförmigen Halogenen bei Vulkanausbrüchen in die Atmosphäre abgege

 ben werden und welchen Einfluss das audie Zerstörung der Ozonschicht hat. cf 

BLICK IN DEN

ERDMANTEL Der Gastforscher Alessandro Fabbrizio untersucht die Konzentration von Halogenen in

Mineralen und liefert damit wichtige Beiträge zur Vulkanologie und zur Klimaforschung.

Alessandro Fabbrizio wurde in Maceratain den italienischen Marken geboren undstudierte an der Universität Camerino, einerder ältesten Hochschulen Italiens. Nach derPromotion folgten längere Forschungsaufent-halte an der ETH Zürich und dem CaliforniaInstitute of Technology in Pasadena, USA.Seit Anfang 2011 forscht Fabbrizio miteinem Lise-Meitner-Stipendium des öster-reichischen Wissenschaftsfonds FWF amInstitut für Mineralogie und Petrographie derUniversität Innsbruck.

ZUR PERSON

Foto: Andreas Fried

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GASEN AUF DER SPURNach dem Studium in Innsbruck ging der Physiker Thomas Karl in die USA.

Dort untersucht er heute, wie der Klimawandel diechemische Zusammensetzung der Atmosphäre verändert.

T homas Karl ist kürzlich mit dem ASCINA Award ausgezeich-net worden. Dieser Preis wird vom Wissenschaftsministeri-um und dem Netzwerk österreichischer Forscher in Norda-

merika (ASCINA) an herausragende Nachwuchsforscherinnen und-forscher verliehen. Seine im Vorjahr in Science veröffentlichte Arbeitzum Austausch flüchtiger Spurengase in der Atmosphäre wurde inNew York mit 10.000 Euro prämiert. Dr. Thomas Karl beschäftigtesich in dieser Arbeit mit der Einwirkung von Luftschadstoffen aufMischwälder. Er analysierte dazu den Austausch von chemischenSpurengasen zwischen der Atmosphäre und der Biosphäre.

ATMOSPHÄRE UND KLIMAWANDEL„Diese chemischen Stoffe – sogenannte flüchtige oxygenierte Koh-lenwasserstoffverbindungen (oVOC) – spielen eine zentrale Rolle fürdie Chemie der Atmosphäre und das Klima. Sie dienen als Vorläu-fersubstanzen für Aerosole und beeinflussen damit unter anderemauch die Wolkenbildung“, erklärt Karl, der am National Center forAtmospheric Research in Boulder, Colorado, forscht. Durch die An-wendung neuartiger Spurenanalytik stellte er mit seinem Team fest,dass bei Pflanzen gewisse stressinduzierte Situationen die Aufnah-meraten von oVOC drastisch erhöhen können. Mit seinen Arbeitenliefert Thomas Karl wichtige Beiträge zu einem besseren Verständnisfundamentaler Prozesse in Atmosphärenchemie- und Klimamodel-len. Karl hat an der TU Graz studiert und kam für das Doktoratsstu-

dium an das Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik inInnsbruck, um hier in einem anwendungsnahen Forschungsgebiet zuarbeiten. „An der Uni Innsbruck erlernte ich Grundlagen, sammelteaber vor allem experimentelle Erfahrung im Bereich der Atmosphä-renphysik und -chemie“, erzählt er. Heute interessiert er sich beson-ders dafür, wie der Klimawandel die chemische Zusammensetzungder Atmosphäre verändert und welche Konsequenzen dies hat. Indiesem Bereich arbeitet er auch nach wie vor mit der InnsbruckerArbeitsgruppe um Prof. Armin Hansel zusammen. Derzeit plant ereinige große Projekte in den USA und im Amazonasgebiet, um wei-tere Erkenntnis in dieser für die Weltgemeinschaft entscheidenden

Frage zu finden. Flexibilität und Mobilität sind für ihn dabei selbst-verständlich, denn sie sind seiner Meinung nach die wichtigsten Er-folgsfaktoren im Forschungsbetrieb. cf 

SPRUNGBRETT INNSBRUCK

Thomas Karl wuchs in Tirol auf, studierte an der TU Graz Physikund promovierte an der Uni Innsbruck. 2000 ging er als Postdoc andas National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder,Colorado, wo er heute als Projektleiter tätig ist. Das NCAR wird vonder University Cooperation for Atmospheric Research betrieben undvon der amerikanischen National Science Foundation finanziert.

ZUR PERSON

Foto: Privat