Zukunft. Fragen. Antworten. - Universität Osnabrück · Gehört der Islam genauso zu Deutschland...

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3. Osnabrücker Wissensforum 12. November 2010 Zukunft. Fragen. Antworten. Zukunft. Fragen. Antworten.

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3. Osnabrücker Wissensforum12. November 2010

Zukunft. Fragen. Antworten.Zukunft. Fragen. Antworten.

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Inhalt

Claus Rollinger Informativ, bunt und unterhaltsam.3. Osnabrücker Wissensforum war erneut ein Publikumsmagnet 6

Ingeborg Tömmel Europäische Integration: gewollt, aber nicht gelebt? 8

Sabine Zachgo Groß oder klein? Warum Bäume nicht in den Himmel wachsen. 10

Roland Czada »So wahr mir Gott helfe.« Ist diese Eidesformel noch zeitgemäß? 12

Jochen Gemmer Sekunde Null. Was hat den Urknall ausgelöst? 14

Jürgen Kriz Chaos oder Ordnungswahn? Die Bewältigung von Komplexität 16

Rauf Ceylan Bezahlt von der Türkei. Wollen die Imame in Deutschland eine Parallelgesellschaft entwickeln? 18

Arndt Sinn Terrorgefahr in Europa. Welche Vorkehrungen gibt es gegen den Terrorismus? 20

Susanne Haberstroh Stirn, Nase, Mund. Verrät unser Gesicht den Charakter? 22

Martina Blasberg-Kuhnke Schleier und Scharia. Gehört der Islam genauso zu Deutschland wie das Christen- und Judentum? 24

Claudia Pahl-Wostl Klimawandel. Wird Wassermangel zum globalen Problem? 26

Karin Busch Parkinson, Alzheimer. Welche Rolle spielen die »Kraftwerke der Zelle« bei diesen Krankheiten? 28

May-Britt Kallenrode Kleine grüne Männchen. Gibt es Leben in einer anderen Galaxie? 30

Joachim Wilde Arm trotz Arbeit. Hilft ein gesetzlicher Mindestlohn? 32

Achim Paululat Ochsenfrosch und Wollhandkrabbe. Gefährden Exoten unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt? 34

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Frank Westermann Wachstum statt Rezession. Warum irren sich die Wirtschaftsweisen bei ihren Prognosen? 36

Renate Zimmer Sport – Jogging für das Gehirn? 38

Michael Reichling Nobelpreis für Graphen. Wird die »Bremsspur des Bleistifts« die Elektronik revolutionieren? 40

Sven Walter Wie entstehen Gedanken und Gefühle? 42

Thomas Bals Die Zahl der Studierenden steigt. Warum brauchen wir Fachkräfte aus dem Ausland? 44

Michael Matthies Zukunft Erde. Ist CO2 wirklich der entscheidende Klimakiller? 46

Christina Noack Warum haben Mädchen einen größeren Wortschatz als Jungen? 48

Norbert de Lange Neu vermessen. Warum fehlen dem Kilimandscharo heute fast drei Meter? 50

Henning Allmers Arbeiten bis der Arzt kommt. Wird Burn-out zur Volkskrankheit? 52

Hartmuth Kinzler Fryderyk Chopin. Mehr als »ewiges Gedudel« im Salon? 54

Swen Malte John Immunsystem. Warum leiden immer mehr Menschen an Allergien? 56

Renate Scheibe Hitze, Kälte, Trockenheit. Wie reagieren Pflanzen auf veränderte Umweltbedingungen? 58

Elke Fries Kinderspielzeug. Welche Gefährdung geht von Kunststoffen aus? 60

Reinhold Mokrosch Freiwilligkeit? Warum kassiert der Staat die Kirchensteuer? 62

Oliver Vornberger Cyber-War. Welche Gefahren lauern im Netz? 64

Alexander Bergs Kiss & Ride. Wie prägen Anglizismen unsere Alltagssprache? 66

Wassilis Kassis Gewalttätige Jugend? Phänomene aus dem Nichts? 68

Thomas Vogtherr Stadtbaugeschichte: Wie kam Osnabrück zu seinem Dom? 70

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Informativ, bunt und unterhaltsam3. Osnabrücker Wissensforum war erneut ein Publikumsmagnet

Die dritte Auflage des Osnabrücker Wissensforums war einvoller Erfolg. 32 Professorinnen und Professoren der Universi-tät Osnabrück beantworteten in einer dreieinhalbstündigenMammutveranstaltung Fragen der Osnabrücker Bürgerinnenund Bürger. Und die 200 Zuhörerinnen und Zuhörer warenbegeistert. Das 3. Osnabrücker Wissensforum »Zukunft. Fra-gen. Antworten«, eine Kooperationsveranstaltung zwischender Universität Osnabrück und der Neuen Osnabrücker Zei-tung, war schon Tage vorher komplett ausgebucht.

Warum haben Mädchen einen größeren Wortschatz alsJungen? Wie entstehen unsere Gedanken und Gefühle? Gibtes ein Leben in einer anderen Galaxie? Nur vier Minuten hat-ten unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Zeit, dieihnen gestellte Frage leicht verständlich zu beantworten. Werüberzog, erhielt unbarmherzig die rote Karte.

Im Ergebnis war das eine kurzweilige und unterhaltsameReise durch die Fächer und Fachbereiche und zeigte, wie buntund spannend eine Universität sein kann. 200 Leserinnen undLeser hatten ihre Wissensfragen an die Neue OsnabrückerZeitung eingesandt. Die spannendsten wurden ausgewähltund den Wissenschaftlern vorgelegt. Technische und natur-wissenschaftliche Fragen standen in diesem Jahr im Vorder-grund. Ich freue mich, dass diese Veranstaltung wieder eine sogroße Resonanz in der Öffentlichkeit gefunden hat.

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Zukunft. Fragen. Antworten.

Die Neue Osnabrücker Zeitung publizierte dieBeiträge bereits in einer Serie. Zudem sind im Internet(http://www.uni-osnabrueck.de/16885.php) die Vi-deomitschnitte der Veranstaltung abrufbar.

Nicht nur regional sondern auch überregional be-eindruckt inzwischen das Osnabrücker Wissensforum.Das Kooperationsprojekt erhielt kürzlich den »PR-Fuchs« des Bundesverbandes Hochschulkommunika-tion und des Vereins Pro Wissenschaft. Ausgezeichnetwird damit das kreativste und kosteneffektivste PR-Projekt einer Hochschule. »Der Universität Osna-brück ist es in hervorragender Weise gelungen, dieVielfalt und Faszination des wissenschaftlichen Arbei-tens ihrer Hochschule einer breiten Öffentlichkeit be-kannt zu machen«, konstatierte der Vorsitzende vonPro Wissenschaft, Thomas Richter, bei der Preisver-gabe im Hohenheimer Schloss. Das ist eine hervorra-gende Anerkennung.

Mein besonderer Dank gilt der Neuen Osna -brücker Zeitung und den beteiligten Professorinnenund Professoren. Sie haben es in besonderer Weise ge-

schafft, die Vielfalt und Faszination des wissenschaftli-chen Arbeitens der Universität Osnabrück einer breitenÖffentlichkeit bekannt zu machen. Die Planung undOrganisation der Veranstaltung lag wieder in den Hän-den von Stefan Prinz (Redakteur Neue OsnabrückerZeitung) und unserem Pressesprecher Dr. Utz Lederbo-gen.

Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung bei dieserLektüre. Das 4. Osnabrücker Wissensforum ist bereitsin Planung. Es findet am Freitag, 11. November, imOsnabrücker Schloss statt. Dazu sind Sie herzlich ein-geladen.

Prof. Dr.-Ing Claus RollingerPräsident der Universität Osnabrück

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Europäische Integration: gewollt, aber nicht gelebt?Ingeborg Tömmel

Warum wird die europäische Integration nicht gelebt? Erstens: Politische Entscheidungen der EU sind komplex, ab-strakt und meist nur indirekt wirksam. In Brüssel wird nichtüber Hartz-IV-Sätze, die Gesundheitsreform, die Bildungsmi-sere oder die fehlenden Kita-Plätze debattiert. In Brüssel wirdin erster Linie die Wirtschaft reguliert. Das heißt: Die EU er-lässt zahlreiche Gesetze, die das Funktionieren eines europa-weiten Marktes sicherstellen. Das ist wichtig, aber für die Bür-ger kaum interessant. Allerdings hat die Marktregulierungauch weitreichende Konsequenzen für die Bürger. So schränktder Stabilitätspakt für den Euro den Handlungsspielraum derMitgliedstaaten empfindlich ein, auch und besonders im Sozi-albereich. Brüsseler Entscheidungen betreffen uns, auch wennwir es kaum wahrnehmen.

Zweitens: Das Ordnungsgefüge und die Entscheidungs-prozesse der EU sind schwer durchschaubar. Unklar ist, wer inBrüssel das Sagen hat: die Kommission, der Rat oder das Par-lament. Faktisch spielen alle drei Organe eine wichtige Rolleim Entscheidungsprozess. Im Ergebnis erzielen sie Kompro-misse. Das verschärft allerdings das Problem der Undurch-schaubarkeit. Die Entscheidungsträger können kaum zur Ver-antwortung gezogen werden. Wer ist verantwortlich für un-liebsame Entscheidungen? Wen kann man eventuell politischabstrafen? Wie könnte man sinnvoll am Entscheidungsprozesspartizipieren?

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Was wäre die Lösung? Die komplexen Entschei-dungsprozesse ebenso wie die Vielfalt der europäi-schen Organe entsprechen der Komplexität der zu lö-senden Probleme. Die europäische Integration ist derVersuch, 27 nationale politische Systeme miteinanderkompatibel und gemeinsam handlungsfähig zu ma-chen. Vielfältige Interessenlagen müssen zum Aus-gleich gebracht werden. Die Kommission vertrittdabei das gemeinsame, europäische Interesse. Im Ratwerden die Interessen der einzelnen Staaten vertretenund gegeneinander abgewogen. Das Parlament vertrittdie Bürgerinteressen, teilweise auch vehement gegenden Willen des Rates, wie beispielsweise das Swift-Ab-kommen gezeigt hat.

Man kann diese Vielfalt kaum reduzieren. Mankann aber das System und seine Entscheidungentransparenter machen: durch gezielte Information,durch öffentliche Debatten, durch Stellungnahmender Politiker und Parteien zu EU-Themen. Zudemkann die Teilhabe der Bürger erhöht werden: durchVolksbefragungen, durch Internet-Konsultationen,durch echte Europa-Wahlen. Denn nur wer die euro-päische Integration lebt, wird sie auch wollen.

Prof. i.R. Dr. Ingeborg TömmelUniversität OsnabrückFachbereich SozialwissenschaftenInternationale PolitikE-Mail: [email protected]: http://www.sozialwiss.uni-osnabrueck.de/lehrpersonen.php

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Groß oder klein? Warum Bäume nicht in den Himmel wachsen.Sabine Zachgo

Die Vorläufer der Landpflanzen verließen vor ca. 500 Millio-nen Jahren das Wasser und mussten sich an häufig verän-dernde Klima-, Licht- und Nährstoffverhältnisse anpassen. ImLaufe der Landpflanzenevolution entstanden so bis heute vieleverschiedene Nadel- und Laubbäume mit ganz spezifischenAnpassungen an unterschiedliche Lebensräume. Darunter ent-wickelten sich kleine und große Bäume, abhängig davon, wel-chen Selektionsdrücken sie im Laufe der Evolution ausgesetztwaren.

Charakteristisch für den tropischen Regenwald ist bei-spielsweise ein so genannter Stockwerkbau, der durch die un-terschiedlichen Wuchshöhen der Einzelpflanzen entsteht. Andiese einzelnen Stockwerke mit den dort jeweils unterschied-lich zur Verfügung stehenden Licht-, Wasser- und Nährstoff -angeboten haben sich die verschiedenen Bäume im Laufe derEvolution so angepasst, dass sie die jeweiligen Bedingungendort optimal ausnutzen können, um zu wachsen und sich er-folgreich fortzupflanzen.

Hobbygärtner wissen, dass sich Wachstumssteigerungenmittels Düngergaben – häufig eine Mischung aus Stickstoff,Phosphor und Kalium – erzielen lassen. Ist allerdings nureiner der zum Wachstum benötigten Nährstoffe knapp, sowirkt sich dies – selbst wenn alle anderen Nährstoffe optimalvorhanden sind – nachteilig auf das pflanzliche Wachstum ausund die Pflanzen bleiben kleiner.

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Aber selbst dann, wenn alle Nährstoffe optimalvorhanden sind, gibt es ein Wachstumslimit bei Pflan-zen. Die höchsten unter ihnen, Bäume wie der Riesen-mammutbaum, können eine maximale Höhe von biszu ca. 130 Metern erreichen. Das Wasser wird über dieWurzeln im Boden aufgenommen und legt den Trans-portweg bis zu den oberen Blättern in den Baumkro-nen in dünnen Leitungsbahnen im Baumstamm undin den Ästen zurück. Wenn an den Blättern das Was-ser verdunstet, so ist das, als würde an einem Stroh-halm gesaugt, und dadurch entsteht ein Sog. Da dieeinzelnen Wasserteilchen alle miteinander verbundensind, wird das Wasser als eine Wassersäule von denWurzeln nach oben zu den Blättern transportiert.

Dieser Sogeffekt funktioniert allerdings nicht überbeliebig lange Strecken. Bei 130 Metern ist auch fürRiesenbäume Schluss, die Wassersäule reißt und dieBäume können nicht in den Himmel wachsen, weil sienicht weiter ausreichend mit Wasser versorgt werden!Bis sie diese 130 Meter erreicht haben, brauchen siedann aber auch beachtliche Zeiträume: Riesenmam-mutbäume können über 3.000 Jahre alt werden.

Prof. Dr Sabine Zachgo · Universität OsnabrückFachbereich Biologie/Chemie · BotanikDirektorin des Botanischen Gartens der Universität OsnabrückE-Mail: [email protected]: http://www.biologie.uni-osnabrueck.de/bogos/Zachgo/Zachgo.html

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Gerhard Schröder legte als erster Bundeskanzler den Amtseidohne den Zusatz »So wahr mir Gott helfe« ab und die meistenMinister folgten seinem Beispiel. Als Umweltminister Trittinsich mit dem Satz rechtfertigte: »Warum sollte mir Gott jetzthelfen, er hat mir doch die ganzen Jahre nicht geholfen?«, gabes in kirchlichen und konservativen Kreisen einen Aufschrei.Unter Kanzlerin Merkel wählten mit nur einer Ausnahme alleRegierungsmitglieder die religiöse Eidesformel. Sie mache unsbewusst, so sagte Angela Merkel, »dass all unser Handeln undBestreben fehlbar und begrenzt ist«.

Fast jeder US-Präsident beschwört die Hilfe Gottes. DieSchweizerischen Bundesräte sind gezwungen, einen mit »Ichschwöre bei Gott dem Allmächtigen« beginnenden Eid zu lei-sten, und auch das englische Eidgesetz von 1868 erzwingt bisheute eine mit »So help me God« endende Eidesformel. Dage-gen durften Ulbricht und Honecker bei ihrer VereidigungGott nicht anrufen. Gleiches gilt für den russischen Präsiden-ten Putin und seinen türkischen Kollegen Erdogan.

Ob es zeitgemäß ist, einen Eid auf Gott zu schwören,kann die Wissenschaft so wenig beantworten wie die Frage, obFrauen heute noch Kleider tragen oder Männer mit Hut die-sen beim Grüßen lüften sollen. Solche Werturteile und Ge-schmacksfragen können, wenn man den Objektivitäts- undWahrheitsanspruch der Wissenschaft Ernst nimmt, nicht Ge-genstand forschender Erkenntnis sein. Die Leistung der Wis-

»So wahr mir Gott helfe.« Ist diese Eidesformel noch zeitgemäß?Roland Czada

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senschaft besteht in der Klärung von Problemen undnicht in der Stiftung von Meinungen und Weltan-schauung.

Wo also liegen die Probleme? Verfassungspolitischist die religiöse Eidesformel da, wo sie erzwungen undvielleicht auch dort, wo sie Gläubigen verwehrt wird,ein Problem. Das wäre mit dem Recht auf Religions-freiheit nicht vereinbar. Auch Theologen haben ihreliebe Not damit. Die frühen Kirchenväter sprachensich noch gegen alles Schwören aus, weil »jedes Wortvon Gläubigen statt eines Eides ist«. Und heißt esnicht in der Bergpredigt »Ich aber sage euch, dass ihrüberhaupt nicht schwören sollt«. Vielleicht ist dies derGrund, weshalb der 681 eingeführte päpstliche Amts-eid heute als unzeitgemäß gilt. Als erster Papst verzich-tete Paul I. nach dem Zweiten Vatikanischen Konzildarauf. Einige Traditionalisten möchten den päpstli-

chen Schwur wieder einführen und etliche davon be-haupten gar, es gäbe wegen seines Fehlens seit 50 Jah-ren keinen rechtmäßigen Papst mehr.

War vielleicht auch Gerhard Schröder kein recht-mäßiger Kanzler, weil er die religiöse Formel schmähte– und Hartz IV ein Teufelswerk ohne den Segen Got-tes? Was soll eine moderne Wissenschaft dazu mehrsagen als: Wer bei Gott schwören will, tue es und wernicht, soll – wie der Papst – darauf verzichten dürfen.

Prof. Dr. Roland Czada · Universität OsnabrückFachbereich SozialwissenschaftenPolitikwissenschaft: Staat und InnenpolitikE-Mail: [email protected]: http://www.politik.uni-osnabrueck.de/RoCzada.htm

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Die ehrliche Antwort ist ebenso kurz wie unbefriedigend: Wirwissen es nicht. Dennoch ist die Betrachtung der verschiedenenphysikalischen und nicht physikalischen Ebenen der Frage loh-nend und interessant. Ein nicht-physikalischer Aspekt entstehtdurch den Begriff »Auslösen«. Wir sind gewohnt in Ursache-Wirkung-Zusammenhängen zu denken, es erscheint uns ratio-nal. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber ein etwas subjekti-ver, fast menschlicher Charakter des Begriffs: Auslösen beinhal-tet immer auch die Möglichkeit des »Nicht-Auslösens«. Manwürde zum Beispiel sagen: »Die Ziege hat die Lawine ausge-löst.« Klar, sie hätte ja nicht im Schneefeld herumspringen müs-sen. Aber würde man sagen, eine Pendelschwingung wurde vonder vorangegangen Schwingung ausgelöst? Wohl eher nicht.

Das physikalische Weltbild entspricht – stark vereinfacht –einer Vielzahl von Pendeln, die untereinander, zum Beispieldurch Schnüre verbunden sind. Das Schwingen eines Pendelsist sowohl Ursache als auch Wirkung des Schwingens andererPendel. Der gerichtete Kausalzusammenhang verliert an Bedeu-tung, man kann nur versuchen, die Bewegung des Systems alsGanzes zu beschreiben. Wir neigen zur Vorstellung einer initia-lisierenden Ursache, weil nicht immer alle Bewegungen einesSystems gleich sichtbar sind: Die physikalischen Prozesse imneuralen System der Ziege, in deren Folge sie in das Schneefeldsprang, sehen wir nicht.

Eine physikalischere Version der Frage könnte also lauten:

Sekunde Null. Was hat den Urknall ausgelöst?Jochen Gemmer

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»Wo und wie bewegten sich die Teilchen des Univer-sums vor ca. 15 Milliarden Jahren?« Leider wissen wirauch das nicht. Aus der Bewegung des Pendelsystems zueiner gegebenen Zeit können wir tatsächlich – nach denGesetzen der Newtonschen Physik – die Bewegung zuirgendeiner vorherigen Zeit ausrechnen.

Versuchen wir nach Einsteins Relativitätstheoriedasselbe mit dem Universum, so finden wir, dass vor ca.14 Milliarden Jahren alle Teilchen des Universums voll-ständig in einem Punkt konzentriert gewesen wären.Bewegung innerhalb eines Punktes gibt es nicht, dem-entsprechend ist ein »Zurückrechnen« hinter diesenZeitpunkt prinzipiell nicht möglich. Unserer Alltagser-fahrung erscheint das fremd, mathematisch ist es abernicht so ungewöhnlich. Vermutlich ist jedoch die klassische Relativitätstheorie,die für unzählige physikalische Vorgänge ausgezeichneteErgebnisse liefert, auf diese frühe Phase des Universumssowieso nicht anwendbar. Nach ihr würden sich zumBeispiel auch schwarze Löcher nie auflösen. Wenn dasso wäre, müssten wir vor der Höhenstrahlung aus demAll und dem großen Teilchenbeschleuniger in Genf(LHC) wirklich Angst haben: Beide erzeugen nämlichschwarze Löcher in unserer Atmosphäre. Erfahrungsge-mäß »verdampfen« diese aber sehr schnell.

Prof. Dr. Jochen Gemmer · Universität OsnabrückFachbereich PhysikTheoretische Physik im Gebiet der MaterialforschungE-Mail: [email protected]://www.gemmer.physik.uni-osnabrueck.de/

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Warum leben manche Menschen gern im Chaos, während an-dere einen Ordnungsfimmel haben? – so lautete eine Leser-frage. Als erste Teilantwort wäre anzuführen, dass sich ein»Hang zur Ordnung« schon evolutionär begründen lässt. Sobetont Friedrich Cramer, Direktor des Max-Planck-Institutsfür theoretische Medizin, in seinem lesenswerten Werk überChaos und Struktur, dass Leben von den ersten Eiweißmole-külen bis hinauf zu komplexen biologischen Vorgängen von»Chaosvermeidungsstrategien« durchzogen ist. Das unfassbarkomplexe, chaotische Geschehen physikalischer Reize mussauf eine fassbare, regelmäßige Ordnung reduziert werden,damit Überleben möglich ist.

Psychologische Experimente zeigen, dass sich der Menschüblicherweise extrem unwohl fühlt, wenn er in eine Welt hin-einversetzt wird, in der er keine Ordnung finden oder sie zu-mindest schaffen kann. Lässt man z.B. Kombinationen ausWörtern und Farben lernen und ändert dabei die Zuord-nungsregeln mit einem Zufallsgenerator, so erfinden die Men-schen Regeln. Und sie reagieren ärgerlich und ungläubig,wenn man hinterher erklärt, dass es gar keine Ordnung gab.Ordnung ermöglicht Vorhersage und schafft damit Sicherheit.Von Patienten wissen wir, dass dies besonders wichtig bei er-lebter Bedrohung ist. Das Ordnungsstreben kann dannschnell übertrieben werden und in Zwangsordnung ausmün-den. Dies ist nicht nur in dividuell zu sehen: Ein Klima der

Chaos oder Ordnungswahn? Die Bewältigung von Komplexität Jürgen Kriz

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Bedrohung wird in Familien oft über Generationenvermittelt. Angesichts der Gräuel des 20. Jahrhunderts– Pogrome, Krieg, Vertreibung – ist Ordnungswahnebenso verständlich wie typisch.

Chaotische Strukturschwäche kann als Gegen -reaktion auf zu viel Ordnung entstehen – sei es, alsProtest der Jugend, sei es aus Unfähigkeit der Eltern,den Sinn von Ordnung angemessen zu vermitteln.Hinzu kommt aber noch, was der amerikanische Psy-chologe Martin Seligman »erlernte Hilflosigkeit«nennt: Schon Tierversuche belegen, dass der Verlustdes erfahrbaren Zusammenhangs von Handlung undWirkung sowohl Resignation als auch hohe Aggressi-vität erzeugt. »Messies«, die in Chaos und Müll versin-ken, haben z.B. oft resigniert.

Gesellschaftlich ist bedeutsam, dass die gestiegeneKomplexität durch Globalisierung, Medienvielfalt etc.vielen Menschen die wichtige Erfahrung von Selbst-wirksamkeit nimmt. Computer-Spielsucht mit Er-folgserfahrung ist daher ebenso zu verstehen wie diehilflose Wut angesichts von Wirkungslosigkeit – zumBeispiel »Stuttgart 21«. Dies sind ernste Mahnzeichen,Menschen einen sinnorientierten Mittelweg zwischenChaos und Ordnungswahn zu bieten.

Prof. Dr. Jürgen Kriz · Universität OsnabrückFachbereich HumanwissenschaftenPsychotherapie und Klinische PsychologieE-Mail: [email protected]: www.jkriz.de

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Der türkische Staat entsendet seit Anfang der 1980er-Jahremit der Gründung der DITIB-Organisation – ein Ableger desPräsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei mit 900Moscheevereinen – staatlich ausgebildete Imame als Beamtenach Deutschland. Deren Tätigkeit wird von den türkischenKonsulaten in Deutschland koordiniert. Ähnlich wie Diplo-maten werden die Imame nach einem Rotationsverfahren allevier bis fünf Jahre ausgetauscht.

Historisch gesehen ist die DITIB in den 1980er Jahrengegründet worden, um die türkischen Gastarbeiter und ihreFamilien in Deutschland religiös und kulturell zu betreuen.Insofern sind die damaligen Ziele dieser Organisation vor demHintergrund zu verstehen, dass die türkischen Muslime in dieTürkei zurückkehren wollten. Daher sollten neben religiösenInhalten auch die Normen und Werte aus der Herkunftsge-sellschaft vermittelt werden.

Allerdings sind seitdem 30 Jahre vergangen und die mei-sten türkischen Muslime verstehen sich nun als Einwanderer.Die Herausforderung für diese Organisation besteht nundarin, diesen Niederlassungsprozess der Muslime anzuerken-nen. Diese Neuorganisation sollte daher zunächst damit be-ginnen, sich vom Ausland zu emanzipieren und unabhängigzu sein. Diesbezüglich sind in den letzten Jahren positive wienegative Entwicklungen festzustellen.

Bezahlt von der Türkei. Wollen die Imame in Deutschland eine Parallelgesellschaft entwickeln?Rauf Ceylan

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Zum einen unterstützt diese Organisation ver-stärkt den deutschsprachigen Islamunterricht an Schu-len. Innerhalb der Organisation ist zudem ein Genera-tionswechsel festzustellen: Immer mehr in Deutsch-land sozialisierte junge Muslime treten in die Vor-stände und forcieren positive Öffnungsprozesse.

Andererseits gibt es Kräfte innerhalb der DITIB,die an den alten Zielen festhalten wollen und die Zei-chen der Zeit nicht erkannt haben. Dies wird zumBeispiel darin deutlich, dass nach wie vor Imame ausder Türkei importiert werden, welche die hiesigen tür-kischen Muslime und unsere Gesellschaft nicht ken-nen sowie die deutsche Sprache nicht beherrschen.Die Frage, ob sich »Parallelgesellschaften« entwickelnwerden, wird davon abhängen, welche Kräfte sich innerhalb der Organisation durchsetzen werden.

Prof. Dr. Rauf Ceylan · Universität OsnabrückFachbereich Erziehungs- und KulturwissenschaftenIslamische ReligionspädagogikE-Mail: [email protected]: http://www.islamische-religionspaedagogik.uni-osnabrueck.de/personen.php

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Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stehtauch die Verhinderung und Verfolgung des Terrorismus wie-der ganz oben auf der Agenda europäischer Rechtspolitik. Sta-tistisch gesehen scheint die Terrorgefahr in Europa aber zu-rückgegangen zu sein. Europol zufolge haben die terroristi-schen Attacken im Vergleich zu 2008 um 33 Prozent und imVerhältnis zu 2007 sogar um ca. 50 Prozent abgenommen. Indiese Statistik fließen jedoch Daten aus dem United Kingdomnicht mit ein, da hier andere Kriterien für terroristische Zwi-schenfälle angewandt werden, als im restlichen Europa. Dasoffenbart bereits ein Problem: Um Terrorismus zu verhindernund zu verfolgen, müsste man zunächst wissen, was Terroris-mus ist.

Hier setzt unter anderem die Bemühung der EU an. DieEU verabschiedete eine Richtlinie über Terrorismus, in derterroristische Taten definiert werden und Strafmaßnahmen inden Mitgliedstaaten angeglichen werden. In der EU geht diegrößte Gefahr – gemessen an der Zahl der Anschläge – vomseparatistischen Terror aus: Hier sind Basken in Spanien undFrankreich sowie korsische Separatisten ebenfalls in Frank-reich sehr aktiv. Die Anzahl linksextremistischer und anarchi-stischer Terrorattacken in der EU hat mit 40 Fällen nach Er-kenntnissen von Europol im Vergleich zum Vorjahr um 43Prozent zugenommen (im Vergleich zu 2007 hat sich die Zahlverdoppelt).

Terrorgefahr in Europa. Welche Vorkehrungen gibt es gegen den Terrorismus?Prof. Dr. Arndt Sinn

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Die vier Pfeiler des Gesamtkonzepts gegen Terro-rismus sind Prävention, Schutz, Verfolgung und Ab-wehrbereitschaft. Konkret geht es um:

• Vertiefung des internationalen Konsens und Ver-stärkung der internationalen Anstrengungen zur Be-kämpfung des Terrorismus

• Eindämmung des Zugangs von Terroristen zu fi-nanziellen/wirtschaftlichen Ressourcen

• Maximierung der Kapazitäten der EU und ihrerMitgliedstaaten zur Verhinderung terroristischer An-schläge/Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung vonTerroristen

• Gewährleistung der Sicherheit des internationalenVerkehrs und wirksamer Grenzkontrollsysteme• Stärkung der Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaatenzur Bewältigung der Folgen eines Terroranschlags

• Untersuchung der Faktoren, die Unterstützung/Anwachsen terroristischer Kreise fördern

• Bündelung von EU-Maßnahmen im Bereich aus-wärtige Beziehungen auf prioritäre Drittländer, indenen Kapazitäten/Bereitschaft zur Terrorismusbe-kämpfung gestärkt werden müssen

Prof. Dr. Arndt Sinn · Universität OsnabrückFachbereich RechtswissenschaftenDeutsches und Europäisches Straf- und Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht sowie StrafrechtsvergleichungE-Mail: [email protected]: http://www.internationales-strafrecht.uni-osnabrueck.de/

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»Das Gesicht ist ein Abbild der Seele«, so nahm bereits Cicerovor über 2.000 Jahren an. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dassauch heutzutage rund drei Viertel der Befragten der Ansichtsind, dass sich der Charakter einer Person in deren Gesichtzeigt. Ist an dieser laienpsychologischen Annahme etwas Wah-res dran?

Lässt man Probanden Gesichter bewerten, so kann manzum einen beobachten, wie sehr die Einschätzungen durchverschiedene Beurteiler übereinstimmen – wie einig sich alsoPersonen darin sind, welche Charaktereigenschaften sie ent-decken können, unabhängig davon, wie akkurat diese Ein-schätzungen sind. Und tatsächlich zeigt sich in Bezug auf ei-nige Merkmale wie Extraversion, Dominanz oder auch Ver-trauenswürdigkeit eine große Übereinstimmung zwischen ver-schiedenen Beurteilern. Personen sind sich also weitgehenddarin einig, wer Vertrauenswürdigkeit oder Dominanz aus-strahlt. Aber liegen sie mit dieser Einschätzung richtig?

Vergleicht man die Beurteilungen des Gesichts einer Per-son durch andere mit der Selbsteinschätzung dieser Personoder mit ihrem Verhalten, so zeigt sich das berühmte »kleineKörnchen Wahrheit« – allerdings scheint es sich um ein tat-sächlich sehr kleines Körnchen zu handeln. Für einige Merk-male wie zum Beispiel Extraversion oder Gewissenhaftigkeitgibt es durchaus einen kleinen Zusammenhang zwischen derEinschätzung des Gesichts einer Person und deren Verhalten.

Stirn, Nase, Mund. Verrät unser Gesicht den Charakter?Susanne Haberstroh

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Dass wir überhaupt – wenn auch nur in geringemAusmaß – in der Lage sind, die Persönlichkeit andererMenschen an deren Gesicht zu erkennen, ist vor allemdurch Erwartungseffekte zu erklären: Wenn von einemMenschen aufgrund seiner Gesichtszüge immer wiederein bestimmtes Verhalten erwartet wird, steigt dieWahrscheinlichkeit dafür, dass er das erwartete Verhal-ten auch irgendwann zeigen wird (sich selbst erfül-lende Prophezeiung).

Die meisten anderen Persönlichkeitsmerkmalekönnen wir jedoch nicht im Gesicht einer Person er-kennen. Die erstaunlich hohe Übereinstimmung zwischen Personen bei der Beurteilung von Gesichternist daher nicht darauf zurück zu führen, dass man tat-sächlich Eigenschaften an Gesichtern ablesen kann.Vielmehr scheint es sich um eine Übergeneralisierungvon bekannten Schemata zu handeln: Das typische»babyface« beispielsweise steht für Jugend und somitauch für Harmlosigkeit oder Naivität. Erwachsenen,die entsprechende Gesichtszüge aufweisen, werdendann – häufig fälschlicherweise – ebenfalls solche Per-sönlichkeitseigenschaften zugeschrieben.

Prof. Dr. Susanne Haberstroh · Universität OsnabrückFachbereich HumanwissenschaftenSozialpsychologieE-Mail:[email protected]: www.psycho.uni-osnabrueck.de/fachgebiete/sozial

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»Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland« –Selten hat ein Satz in der deutschen politischen Öffentlichkeitsoviel Furore gemacht, wie diese Aussage von BundespräsidentChristian Wulff in seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deut-schen Einheit am 3. Oktober 2010.

Gehört der Islam tatsächlich genauso zu Deutschland wiedas Christen- und Judentum? Zunächst einmal: Das hat Wulffgar nicht behauptet. Als Theologin bin ich gewöhnt, Aussagenim Kontext zu lesen, so wie es für die historisch-kritische Aus-legung der Heiligen Schriften von Judentum, Christentumund Islam, von Thora, Bibel und Koran, selbstverständlich ge-worden ist. Der Bundespräsident hat gesagt: »Das Christen-tum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehörtzweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdischeGeschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zuDeutschland. Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei.«

Mit der Teilnahme an einem ökumenischen Gottesdienstin Tarsus hat der Bundespräsident religiös-symbolisch zumAusdruck gebracht, was historisch nicht zu bestreiten ist: DerVölkerapostel Paulus, dem die weltweite Ausbreitung des jun-gen christlichen Glaubens über Israel hinaus zu verdanken ist,stammt aus Tarsus.

Hat Wulff mit seiner Aussage, auch der Islam gehöre in-zwischen zu Deutschland, eine ähnlich unbestreitbare Positionbezogen?

Schleier und Scharia. Gehört der Islam genauso zu Deutschland wie das Christen- und Judentum?Martina Blasberg-Kuhnke

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Europa und auch Deutschland leben seit Jahrhun-derten vom Diskurs der abrahamischen Religionen –der, das darf nicht verschwiegen werden, eben oft auchin Gewalt, Verfolgung, Ausgrenzung, Diskriminierungund in Kriege gemündet ist. Wer die jüdisch-christli-chen Wurzeln Deutschlands zu Recht erinnert, darfden Holocaust niemals verschweigen. Wer über dasZusammenleben mit Muslimen spricht, muss diewechselvolle Geschichte des religiösen und kulturellenDialogs kennen.

Schleier und Scharia: Die Emotionen auslösendenStichwörter sind wenig dazu angetan, sich grundlegendüber die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland zuverständigen.

Kontextualisierung und Inkulturation, nämlicheine kulturelle Prägung und Entwicklung des Islamdurch seine Beheimatung in Deutschland, sind längstin vollem Gange. Es gilt, fundamentalistischen Ten-denzen entgegenzuwirken. Wir brauchen eine in derBundesrepublik Deutschland beheimatete islamischeTheologie, die auf akademischer Ebene Theologietreibt, die den hier lebenden Musliminnen und Musli-men Antworten auf ihre vielfältigen Fragen im Lebengeben kann und die die Integration der hier lebendenMuslime positiv unterstützt und fördert. Unsere Uni-

versität leistet mit der Ausbildung von islamischen Re-ligionslehrerinnen und -lehrern, Seelsorgerinnen undImamen und dem Aufbau eines Zentrums für Islam-studien, dazu einen gewichtigen Beitrag.

Prof. Dr. Martina Blasberg-Kuhnke · Universität OsnabrückFachbereich Erziehungs- und KulturwissenschaftenKatholische Theologie: Pastoraltheologie/ReligionspädagogikE-Mail: [email protected]: http://www.kath-theologie.uos.de/

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Global sind die verfügbaren Süßwasserressourcen nicht knapp.Sie sind jedoch ungleich zwischen Weltregionen, zwischenLändern und gesellschaftlichen Gruppen verteilt. Währendzum Beispiel der tägliche pro Kopfverbrauch in den USA bei380 und in Deutschland bei 130 Litern liegt, müssen Men-schen in Entwicklungsländern mit 20 bis 30 Litern ihreGrundbedürfnisse befriedigen.

Wasserressourcen werden übernutzt, und es kommt zuNutzungskonflikten. Grundwasserspiegel sinken weltweit rapide. Viele Flüsse (zum Beispiel Colorado oder Gelber Fluss)sind bereits ausgetrocknet, bevor sie das Meer erreichen. Auen-gebiete gehen verloren und die Biodiversität der Ökosys temenimmt dramatisch ab. Der zu erwartende Klimawandel wirddie bereits bestehenden Probleme noch verschärfen.

Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen? Zumeinen können Effizienz der bestehenden Wassernutzungsprak-tiken (zum Beispiel Bewässerungslandwirtschaft) und Bewirt-schaftungssysteme wesentlich erhöht werden. Mit Effizienzstei-gerungen alleine können die Verteilungsprobleme nicht gelöstwerden. Ein Durchbruch in der gerechten Verteilung vonknappen Trinkwasserressourcen wurde in diesem Jahr durchdie Anerkennung des Rechts auf sauberes Wasser als Men-schenrecht durch die Vereinten Nationen erzielt. Damit wirddie Sicherstellung der für das Überleben notwendigen Trink-wasserressourcen über wirtschaftliche Interessen gestellt.

Klimawandel. Wird Wassermangel zum globalen Problem? Claudia Pahl-Wostl

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Für die Verteilung zwischen verschiedenen Wirt-schaftssektoren ist es jedoch sinnvoll, Wasser als ökono-misches Gut zu betrachten und diesem einen, seinemWert entsprechenden, Preis zu geben. Langfristig wirdman dem drohenden Wassermangel nur durch grund-legende Veränderungen der bestehenden Landnutzungbegegnen können – hin zu einer Landnutzung, die sicham zur Verfügung stehenden Wasser angebot orientiert.

Landwirtschaftliche Produktion sollte in Regionenmit ausreichendem Wasserangebot verlagert werden.Das ungebremste Wachstum urbaner Zentren in Wü-stenregionen – wie Phönix, der am schnellsten wach-senden Großstadt in den USA – sollte einer kritischenAnalyse unterzogen werden. Auch die Verbraucher inindustrialisierten Ländern können durch bewusstenKonsum einen Beitrag leisten. Das Konzept des virtuel-len (bei Herstellung eines Gutes verbrauchten) Wassersbietet eine Grundlage für umfassendere Bilanzierun-gen.

Das Verhindern einer drohenden globalen Wasser-krise ist möglich – jedoch nur durch vorausschauendesHandeln auf verschiedenen Ebenen.

Prof. Dr. Claudia Pahl-Wostl · Universität OsnabrückFachbereich Mathematik/InformatikAngewandte SystemwissenschaftE-Mail: [email protected]: www.usf.uni-osnabrueck.de/~pahl/IA/General_Set-up.html

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Die Sehnsucht nach dem Jungbleiben ist alt und – wird wirk-licher. Innerhalb von 200 Jahren haben wir unsere Lebenser-wartung mehr als verdoppelt. Doch Altern ist noch immer be-gleitet von physischen und psychischen Einschränkungen;eine Demenzerkrankung ist heute schon die siebthäufigste To-desursache. Gesundes Altern scheint noch fern zu sein. Papa-geien z.B. können ebenfalls über hundert Jahre alt werden,aber sie bleiben gesund – und fallen dann einfach um. Warumkönnen wir das nicht?

Hier kommt unser Energieumsatz ins Spiel und damitsind wir bei den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle.Diese zellulären Einheiten bilden aus den aufgenommenenNahrungsmitteln mithilfe von Sauerstoff eine Energiewäh-rung, mit der die meisten energieverbrauchenden Prozesse imKörper bezahlt werden. Als Nebenprodukt dieser Aktivitätentstehen reaktive Sauerstoffradikale, die in erhöhter Dosisschädigend wirken. Um die Anhäufung von Schäden zu ver-meiden, wandern die Mitochondrien durch die Zelle und tau-schen sich aus. Wenn ein einzelnes Mitochondrium trotzdemfunktionsunfähig wird, wird es aussortiert und recycelt.

Nun scheint eines der zentralen Probleme bei neuro-de -generativen Erkrankungen zu sein, dass dieses ausbalancierteSystem gestört ist. Plaque-Ablagerung in Mitochondrien sowiebestimmte Proteine vermindern die mitochondriale Aktivität.Modifizierte Tau-Proteine, die bei Alzheimer vermehrt die zel-

Parkinson, Alzheimer. Welche Rolle spielen die »Kraftwerke der Zelle« bei diesen Krankheiten?Karin Busch

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lulären Autobahnen zerstören, verhindern den Trans-port von Mitochondrien zu den Stellen hohen Ener-gieverbrauchs.

Da der Transport auch Voraussetzung für denAustausch zwischen Mitochondrien ist, können diesesich gegenseitig nicht mehr reparieren. Konsequenz:die Schäden nehmen zu, immer mehr Kraftwerke ar-beiten immer schlechter. Wenn die Unterversorgungzu drastisch zunimmt, wird der Zelltod eingeleitet.Dies ist im Prinzip ein gesunder Mechanismus umfunktionslose oder degenerierte Zellen, zum BeispielKrebszellen, zu eliminieren, wird aber dann problema-tisch, wenn der Zelltod überhand nimmt, und vorallem dort, wo Zellen nicht ersetzbar sind, wie in denNerven-Zellen oder Herz-Muskel-Zellen.Was ist nun bei Vögeln wie Papageien anders? Siehaben so viele Mitochondrien, dass diese nur beihöchstem Energiebedarf – während des Fluges – vollausgelastet sind. Ansonsten arbeiten sie mit halber Lei-stung und – bilden wenig schädliche Radikale! Könn-ten auch wir uns diesen Luxus leisten ...

Prof. Dr. Karin Busch · Universität OsnabrückFachbereich BiologieMitochondriale DynamikE-Mail: [email protected]: http://www.karin-busch.org/

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: Jein. Den-ken wir bei Leben an Menschen oder typische Außerirdischein Science-Fiction Filmen, so ist es unwahrscheinlich, dass esjetzt auf einem anderen Planeten in unserer oder einer ande-ren Galaxie Außerirdische gibt. Auch wenn wir mit den Voya-ger-Sonden genaue Informationen über uns in die Weiten desAlls geschossen haben – dort ist kein E.T., der mit uns Kon-takt aufnehmen wird.

Betrachten wir Leben in einfacher Form, so ist es sehrwahrscheinlich, dass es auf anderen Planeten Leben gibt. Eswerden immer mehr Planeten um andere Sterne als unsereSonne entdeckt. Jedoch bieten nicht alle die Bedingungen fürdie Entwicklung von Leben. Dazu gehört eine Substanz, inder sich Leben entwickeln kann und die Hauptbestandteil desLebens ist – in unserem Fall Wasser. Dazu gehören chemischeBausteine, auf deren Basis sich Leben entwickeln kann – inunserem Fall hauptsächlich Kohlenstoff. Dazu gehört Energie– hier das Sonnenlicht. Und dazu gehört der Schutz vor ge-fährlicher Strahlung – hier die Atmosphäre. Dann könnensich komplexe Moleküle bilden, die die Bauvorschrift zu ihrerVermehrung in sich tragen – hier die DNS. Das ist eine einfa-che Form von Leben.

Im Wechselspiel zwischen Planeten und diesem einfachenLeben entwickelt sich Leben weiter. So hat sich auf der Erdein den Urozeanen ein einfaches Bakterium entwickelt, das

Kleine grüne Männchen. Gibt es Leben in einer anderen Galaxie?May-Britt Kallenrode

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Cyanobakterium. Der Name erinnert nicht zufällig anZyanid; dieses Bakterium ist unserem Leben feindlich.Und gleichzeitig hat es unser Leben erst ermöglicht:Die Uratmosphäre enthielt keinen Sauerstoff unddamit auch keine Ozonschicht, so dass Leben auf demLand von der UV-Strahlung der Sonne zerstört wor-den wäre. Die Cyanobakterien haben die Uratmo-sphäre mit ihren Ausscheidungen verdreckt: So kamder Sauerstoff in die Atmosphäre. Damit konnte sicheine Ozonschicht ausbilden, so dass weiter entwickel-tes Leben aus den Ozeanen an Land kriechen und sichdort weiter entwickeln konnte – bis hin zum Men-schen.

Mit anderen chemischen Bausteinen und einemanderen Hauptbestandteil als Wasser können sich aufanderen Planeten völlig andere Moleküle und damit

andere elementare Lebensformen entwickeln. Entspre-chend würde sich dort im Laufe der Zeit und imWechselspiel mit dem Planeten ein anderes höheresLeben entwickeln können. Dass derartige Planetenaber gerade zu dieser Zeit ein intelligentes Leben tra-gen, mit dem wir in Kontakt treten können, ist un-wahrscheinlich. Und genauso unwahrscheinlich ist es,dass wir auf diesen Planeten ohne technische Hilfsmit-tel überleben könnten.

Prof. Dr. May-Britt Kallenrode · Universität OsnabrückFachbereich PhysikNumerische Physik: ModellierungE-Mail: may-britt.kallenrode@uni-osnabrück.deInternet: www.uni-osnabrueck.de/1942.html

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Ein gesetzlicher Mindestlohn ist kein treffsicheres Instrument,um Armut zu bekämpfen. Denn bei der Armut geht es um einniedriges Einkommen, beim Mindestlohn um eine geringeBezahlung. Beides hängt zwar zusammen, ist aber nicht dasGleiche. Wenn beispielsweise die Frau eines Vorstandsvorsit-zenden für fünf Euro die Stunde jobbt, dann hat sie einenniedrigen Lohn, aber kein niedriges Einkommen, weil sienoch über andere Einkommensquellen verfügt. Ein Mindest-lohn greift also auch in Arbeitsverhältnisse ein, bei denen garkein Armutsproblem besteht. Umgekehrt löst er das Armuts-problem nicht immer – wobei ich Armut im Weiteren als einEinkommen unter Hartz IV-Niveau definiere.

Schauen wir uns ein konkretes Beispiel an. Diskutiertwird ein Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde. Bei 160 Ar-beitsstunden im Monat führt dieser zu einem Bruttomonats-lohn von 1.200 Euro. Für einen Alleinstehenden bleiben netto906 Euro. Erhielte er Hartz IV, bekäme er den Regelsatz von359 Euro zzgl. einer örtlich verschiedenen Warmmiete. Fürdas Osnabrücker Land wären dies bis zu 321 Euro, so dasssich in der Summe maximal 680 Euro ergäben. Das heißt, fürAlleinstehende würde der Mindestlohn Armut vermeiden.

Anders sähe es für einen alleinverdienenden Familienvatermit zwei Kindern aus: Ihm blieben netto zzgl. Kindergeld1.322 Euro. Bei Hartz IV erhielte er bei einem Kind im Vor-und einem im Grundschulalter in der Summe bis zu 1.605

Arm trotz Arbeit – Hilft ein gesetzlicher Mindestlohn?Joachim Wilde

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Euro. Das heißt, das Erwerbseinkommen plus Kinder-geld läge deutlich unter den Hartz IV-Leistungen.Diese Schere würde sich mit zunehmender Haushalts-größe weiter vergrößern.

Hinzu kommt: Damit ein Arbeitgeber einen Ar-beitnehmer zu einem Mindestlohn einstellen kann,muss dieser im Gegenzug mindestens so viel erwirt-schaften, wie er kostet. Ist der Mindestlohn höher alsdie Gegenleistung, die der Arbeitnehmer erbringenkann, wird er nicht eingestellt. Bei einem gesetzlichenMindestlohn besteht also die Gefahr, dass Menschenmit geringen Qualifikationen keine Chance mehr aufdem ersten Arbeitsmarkt haben. Hochrechnungen für2006 ergaben ca. 3,5 Millionen Menschen inDeutschland mit einem Stundenlohn unter 7,50 Euro.Etliche der entsprechenden Jobs würden bei einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wegfallen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Einigen Menschenwürde ein Mindestlohn helfen, bei anderen würde erwirkungslos verpuffen und bei einer dritten Gruppeschließlich würde er dazu führen, dass die Betreffendenkeinen Job mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt finden.

Prof. Dr. Joachim Wilde · Universität OsnabrückFachbereich WirtschaftswissenschaftenÖkonometrie und StatistikE-Mail: [email protected]: http://www.empstat.uni-osnabrueck.de/

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Die Einschleppung von exotischen Tier- (Neozoen) undPflanzenarten (Neophyten) durch den Menschen wird als einewichtige Ursache für die Gefährdung der Artenvielfalt, derBiodiversität, angesehen. Viele dieser Exoten – das Umwelt-bundesamt geht von etwa 2.000 in Deutschland eingeschlepp-ten Tierarten aus – stehen unter Verdacht, einheimische Artenaus ihren Biotopen zu verdrängen. So etwa der wohl durchden Tierhandel eingeführte Amerikanische Ochsenfrosch, derüber ein Kilogramm schwer werden kann und kleinere heimi-sche Amphibien als Beute betrachtet.

Die Ausbreitung der sich seit 2006 in der Ostsee rasantvermehrenden Rippenqualle Mnemiopsis wird mit ebenfallsgroßer Sorge betrachtet, da sie möglicherweise die natürlichenFischbestände, etwa die Dorschvorkommen, schädigt. DasKieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften konntejüngst nachweisen, dass diese Qualle mit dem Ballastwasservon Schiffen aus Neuengland eingeschleppt wurde. In solchenSchiffstanks reisen Tiere rund um die Welt und siedeln sichbei geeigneten Bedingungen an neuen Standorten an.

Seit Leben auf unserer Erde existiert, hat es immer einKommen und Gehen von Arten gegeben, ein ganz natürlicherProzess. Allerdings beschleunigt sich die Aussterberate derzeiterheblich. Nach einer aktuellen Schätzung des World WildlifeFund (WWF) sterben derzeit etwa 20.000 Tier- und Pflanzen-arten pro Jahr aus. Neben der Invasion von Exoten gibt es

Ochsenfrosch und Wollhandkrabbe. Gefährden Exoten unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt?Achim Paululat

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hierfür weitere wichtige Gründe. So hat etwa dieÜberfischung in der Ostsee zu einem dramatischenRückgang der Bestände von Hering und Sprotte ge-führt.

Die größte Gefahr für die Biodiversität geht aller-dings von der Zerstörung der Lebensräume aus.Durch Industrialisierung, Städte- und Straßenbau,durch großflächige Abholzung und durch landwirt-schaftliche Monokulturen sind Ökosysteme gefährdet.Nach einer Studie der UNESCO geht zirka 70 Prozentdes globalen Artensterbens zu Lasten der Lebensraum-zerstörung. Neben Einzelmaßnahmen wird derzeiteine Schutzmaßnahme der besonderen Art favorisiert:durch Landkauf von Naturschutzorganisationen undPrivatpersonen werden Biotope der endgültigen Zer-störung entzogen, um so die Artenvielfalt für zukünf-tige Generationen zu erhalten.

Prof. Dr. Achim Paululat · Universität OsnabrückFachbereich Biologie/ChemieLehrstuhl für Zoologie-EntwicklungsbiologieE-Mail: [email protected]: www.biologie.uni-osnabrueck.de/Fachbereich

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Zunächst einmal muss man sagen: So schlecht sind die Pro-gnosen gar nicht! Die Forschungsinstitute können den Wertdes Bruttoinlandsprodukts (BIP) außerordentlich gut prog -nostizieren, viel besser als beispielsweise das Wetter, Finanz-marktdaten, oder seltene Ereignisse wie Erdbeben.

Die BIP-Prognose errechnet sich unter anderem aus Umfragen bei Unternehmen, die z.B. vom Münchner ifo Institut durchgeführt werden und ist eine solide Grundlagefür die Steuerschätzung und andere Zwecke. Weil dies zu soverläss lichen Ergebnissen führt, versucht man aber auch nochdie Veränderungsraten, also das Wachstum zu prognostizieren,was wesentlich schwieriger ist. Hier ist Kritik durchaus ange-bracht, vor allem weil von den Wirtschaftsweisen und denForschungsinstituten, die mit der Prognose offiziell beauftragtsind, nur sogenannte Punktschätzungen publiziert werden,also exakte Werte, statt Schwankungsintervalle.

Studierende der Universität Osnabrück kamen bei eigen-ständigen Schätzungen – einer statistischen Auswertung vonhistorischen Daten – auf ganz ähnliche Ergebnisse. Sie konn-ten dabei aber zusätzlich Aussagen über die Sicherheit geben,mit denen man den Prognosen der Wirtschaftsweisen trauenkann. Die Schwankungen um die Prognose, die zwei bis dreiQuartale in die Zukunft reichen, sind recht gering. Ab demvierten Quartal, also ein Jahr in die Zukunft, waren die Prog -nosen jedoch nicht mehr statistisch signifikant. Das heißt,

Wachstum statt Rezession. Warum irren sich die Wirtschaftsweisen bei ihren Prognosen?Frank Westermann

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man konnte mit 95-prozentiger Sicherheit nicht ein-mal sagen, ob das Wachstum überhaupt unterschied-lich von null ist, obwohl der erwartete Wert für 2010bei 3,9 Prozent lag – und damit sehr nahe bei derProg nose der Forschungsinstitute, die ein Wirtschafts-wachstum von 3,5 Prozent vorausgesagt hatten.

In der Volkswirtschaftslehre spielen die Problemebei der Prognose der Wachstumsraten nur eine unter-geordnete Rolle. Zentrale Fragen, zum Beispiel, wiereagiert das Bruttoinlandsprodukt auf Zinsänderungenoder Staatsausgaben, kann man empirisch sehr gutquantifizieren, auch ohne eine Prognose des gesamtenBIP tätigen zu können.Eine kontrafaktische Analysewürde hier fragen: Wie groß wäre das Bruttoinlands-produkt gewesen, wenn die Politikmaßnahme nichtdurchgeführt worden wäre? Viele Fragen betreffen

weiterhin nicht das BIP, sondern die Wohlfahrt einesLandes, also den Nutzen, den Konsumenten, Produ-zenten und der Staats aus der gesamten Produktionhaben. Es kann beispielsweise möglich sein zu sagen,dass die Wohlfahrt eines Landes sinkt, wenn eine be-stimmte Steuer erhöht wird, auch wenn man nichtsagen kann, ob die umgesetzte Menge dabei steigtoder fällt.

Prof. Dr. Frank WestermannUniversität OsnabrückFachbereich WirtschaftswissenschaftenVWL/Internationale WirtschaftspolitikE-Mail: [email protected]: http://www.wipo.uni-osnabrueck.de/7005.htm

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Das Lösen von Denksportaufgaben gilt seit jeher als eine guteMethode des Gehirntrainings. Der wirkliche Nutzen wirddurch neuere Studien allerdings angezweifelt. Aufgaben wieSudoku und Kreuzworträtsel reichen nicht, um das Gedächt-nis zu trainieren und das Gehirn fit bis ins hohe Alter zu hal-ten. Dazu sind andere Herausforderungen notwendig.Wie zum Beispiel echtes Joggen! Neuere empirische Befundebelegen, dass regelmäßiges moderates Bewegungstraining dieDurchblutung des Gehirns stärkt und die Bildung neuer Nervenzellverbindungen fördert.

Vor allem körperliche Aktivitäten halten das Gehirn bisins hohe Alter flexibel. Jogging ist besser als Gehirnjogging.Sudoku und Kreuzworträtsel wirken bestenfalls auf Einzel -leistungen des Denkorgans, haben aber keine Auswirkungenauf die gesamte Hirnleistung. Zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, sich auf neue Situationen und Probleme schnelleinzustellen, sind vielseitige, verschiedenartige geistige Aktivi-täten eher empfehlenswert – und vor allem regelmäßiges kör-perliches Training. Das Gehirn reagiert darauf ähnlich wie einMuskel: Es passt sich neuen Belastungen an. Egal ob Sie ge-rade laufen, schwimmen, Fußball spielen oder feinmotorischeÜbungen ausführen – das Gehirn wird besser durchblutet undist nach einer gewissen Trainingszeit sogar in der Lage, neueSynapsen zu bilden.

Sport – Jogging für das Gehirn?Renate Zimmer

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Die Ergebnisse von Studien beweisen: Der natür-liche Abbau von Nervenzellen kann nicht nur aufge-halten werden, die Leistung des Gehirns lässt sich tat-sächlich steigern.

Wer nun aber meint, viel Sport helfe auch ganzbesonders viel, der irrt! Eine leichte Dauerbelastungstimuliert das Gehirn am besten. Bereits bei einer Be-lastung auf dem Fahrradergometer mit 25 Watt (dasentspricht etwa einem Spaziergang) kommt es zunachweislichen Durchblutungssteigerungen in be-stimmten Gehirnbezirken. Und: Sport hilft auchgegen Gedächtnisschwächen!

Bereits zweieinhalb Stunden Sport pro Woche ge-nügen, um den Gedächtnisverlust spürbar zu bremsen.Das berichten australische Forscher. Sie hatten 140Menschen ab 50 Jahren beobachtet, die zu Beginn derStudie über Erinnerungsprobleme klagten. Die eineGruppe absolvierte pro Woche drei mal 50 Minutenleichte sportliche Aktivitäten. Bereits nach sechs Mo-naten zeigte sich ein positiver Effekt auf das Gedächt-

nis: Die Sporttreibenden schnitten im Hinblick aufihre Gedächtnisleistung, Orientierungsfähigkeit undAufmerksamkeit signifikant besser ab als die Ver-gleichsgruppe.

Und noch ein weiterer positiver Effekt konntenachgewiesen werden: Bewegung aktiviert viele wei-tere Prozesse im Gehirn, zum Beispiel die Bildung desNeuro-Transmitters Serotonin. Dieser Botenstoff be-findet sich auch in einigen Anti-Depressiva und führtzu einer Verbesserung der psychischen Befindlichkeit.

Fazit: Sport ist hervorragend geeignet, die Gehirn-leistung bis ins hohe Alter zu erhalten – und hilft,dabei die gute Laune zu bewahren.

Prof. Dr. Renate Zimmer · Universität OsnabrückFachbereich Erziehungs- und KulturwissenschaftenSportpädagogikE-Mail: [email protected]: http://www.renatezimmer.de/

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Man nehme ein Stück Graphit, ziehe mittels eines Klebestrei-fens einen kleinen Stapel des in ebenen Lagen aus Kohlen -stoff atomen geordneten Materials ab und übertrage einigeLagen durch Abreiben auf eine glatte Oberfläche – fertig! Mitdiesen einfachen Handgriffen legten die russischen PhysikerAndre Geim und Konstantin Novoselov den Grundstein fürihre nun mit dem Nobelpreis für Physik gekrönten Entdek-kungen. Sie konnten zeigen, dass sich mit diesem einfachenVerfahren hauchdünne Schichten herstellen lassen, von deneneinige nur aus einzigen atomaren Lagen bestehen – Graphen,das dünnste Material der Welt war identifiziert.

Geim und Novoselov fanden aber nicht nur verblüffendeinfache Wege, Graphen herzustellen und nachzuweisen, son-dern führten auch bahnbrechende Experimente durch, mitdenen sie die ganz besonderen Eigenschaften dieses zwei -dimensionalen Materials demonstrieren konnten. Hierzu zäh-len insbesondere die Transporteigenschaften für Elektronen.Graphen ist nicht nur ein ausgezeichneter elektrischer Leiter,sondern die Elektronen weisen in diesem Material bei Raum-temperatur eine sensationell hohe Beweglichkeit auf, was ineinem elektrischen Schaltkreis aus Graphen extrem hoheSchaltgeschwindigkeiten ermöglichen würde.

Graphen ist weiterhin ein extrem stabiles Material undfür sichtbares Licht praktisch vollkommen durchsichtig. Diehervorragenden Eigenschaften des Materials bleiben auch er-

Nobelpreis für Graphen. Wird die »Bremsspur des Bleistifts« die Elektronik revolutionieren?Michael Reichling

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Zukunft. Fragen. Antworten.

halten, wenn man es in Bauelemente von nur wenigenNanometern (ein Nanometer ist der millionste Teileines Millimeters) Seitenlänge zerteilt. Die Kombina-tion dieser hervorragenden Eigenschaften prädestiniertGraphen als Zukunftsmaterial für zahlreiche Bereicheder Elektronik und Energietechnik wie Hochleistungs-rechner, Displaytechnologie, Solarzellenentwicklungund Sensortechnik.

Die Forschungen von Geim und Novoselov lösteneine Lawine an Forschungsaktivitäten aus, die sowohlfundamentale physikalische Fragestellungen als auchdie Weiterentwicklung des Materials für Anwendun-gen zum Gegenstand haben. Auf der Grundlage vonGraphen werden sicher mehrere revolutionäre Tech -nologien bis zur Industriereife entwickelt werden.Welche sich davon durchsetzen werden, wird von denzukünftigen Marktbedingungen bei der Einführungder neuen Technologien abhängen. Graphen geht imWettbewerb mit anderen Zukunftstechnologien abermit großem Schub an den Start.

Prof. Dr. Michael Reichling · Universität OsnabrückFachbereich Physik · ExperimentalphysikE-Mail: [email protected]: http://reichling.physik.uni-osnabrueck.de/

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Primär entstehen Gedanken und Gefühle natürlich im Ge-hirn. Die Amygdala z.B. gilt als Zentrum affektiver Bewer-tung. Läsionen dort führen dazu, dass Gefahrensituationenzwar kog nitiv erkannt, aber affektiv nicht korrekt bewertetwerden. Auch Gedanken entstehen im Gehirn. Der Gyrus fu-siformis zum Beispiel ist für die Gesichtserkennung zuständig,der Gyrus parahippocampalis für die Repräsentation vonLandschaften und Gebäuden. Durch Messung der Gehirnak-tivität in diesen Arealen konnten Forscher 2000 daher sagen,ob Versuchspersonen an Personen oder Orte dachten.

Es geht noch genauer: Es wurden kleine Neuronengrup-pen oder gar einzelne Neurone identifiziert, die nur dannaktiv waren, wenn Versuchspersonen Fotos von zum BeispielJennifer Aniston, Oprah Winfrey oder der Oper von Sydneysahen beziehungsweise den Namen hörten oder lasen. Aller-dings, man verzeiht es ihm, feuerte das »Oprah Winfrey Neu-ron« auch bei Whoopie Goldberg.

Gedanken und Gefühle haben auch evolutionären Ur-sprung. Wir stehen auf Fettiges und Süßes, weil kalorienreicheNahrung für unsere Vorfahren vorteilhaft war, die sich aufihrem Savannentrip zwar Säbelzahntigern, aber noch nicht derunausgesetzten Versuchung durch Quarter Pounders und Tri-ple Caramel Fudge Macchiati erwehren mussten. Dass dermoderne metrosexuelle Mann trotz allem auf junge, vollbu-sige Blondinen steht, Frauen ungeachtet aller Emanzipation

Wie entstehen Gedanken und Gefühle?Sven Walter

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aber nach wie vor den dominanten, wohlhabendenAnzugträger mit grauen Schläfen bevorzugen, liegt,der Evolution sei’s gedankt – oder auch nicht –, eben-falls nicht (nur) an uns, sondern am Fortpflanzungs-zwang bzw. -drang unserer Vorfahren.

Schließlich unterliegen Gefühle und Gedankenunbewussten Einflüssen. Warum die eine Architektinin Augsburg, der andere Barista in Berlin wird, ist unsweniger klar als wir meinen. Eine Studie 2002 zeigte,dass Frauen namens Florence und Männer namensGeorge überproportional häufig nach Florida bzw.Georgia ziehen, dass nach Five Points, Alabama, über-proportional viele am 5.5. Geborene ziehen und dassFrauen namens Denise überproportional häufig Zahn-arzt (»dentists«) werden, ebenso wie Männer namensGeorge Geowissenschaftler.

Das rationalistische Ideal verklärt den Gedankenund verdammt das Gefühl, aber gefühlsgeleitete»Bauchentscheidungen« erweisen sich gerade in kom-plexen Entscheidungssituationen als faszinierend er-folgreich. »Das Herz hat seine Gründe, die der Ver-stand nicht kennt«, schrieb Blaise Pascal. Wir solltendiesen Herzensgründen öfter folgen, auch wenn sieuns als Barista nach Berlin – oder als Professor nachOsnabrück – beordern.

Prof. Dr. Sven Walter · Universität OsnabrückFachbereich HumanwissenschaftenPhilosophie des GeistesE-Mail: [email protected]: http://www.philosophy-online.de/

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Es ist nicht nur ein gefühlter Studentenboom, den Lehrendeund Studierende zum Beispiel beim Besuch der Mensa undder Suche nach einem freien Sitzplatz erleben, sondern es hat,wie der aktuelle nationale Bildungsbericht belegt, in den letz-ten Jahren tatsächlich einen bemerkenswerten Anstieg der Stu-dierenden gegeben, der das Schlagwort vom »Studenten-boom« rechtfertigt.

In der Folge ist auch die Zahl der Hochschulabsolventenmit einem Erstabschluss seit 2001 kontinuierlich um mehr als50 Prozent auf 260.000 im Jahr 2008 gestiegen. Im interna-tionalen Vergleich gilt diese Hochschulabsolventenquote vonzur Zeit 23 Prozent eines Altersjahrgangs trotzdem gegenüberLändern wie USA und Großbritannien mit einer 35-prozenti-gen Quote als unterdurchschnittlich. Bezüglich des Bedarfs anPersonen mit Hochschulabschluss in Deutschland variierendie einschlägigen Prognosen, wobei im Jahr 2020 für die Qua-lifikationsgruppe der Hochschulabsolventen ein Anteil von ca.24 Prozent an allen Erwerbspersonen nicht unrealistisch er-scheint. Damit entspräche der Bedarf grundsätzlichen der Di-mension der zu diesem Zeitpunkt prognostizierten Hoch-schulabsolventen.

In der Realität würde dieser Gleichstand aber bereits eineArbeitskräftelücke bedeuten, weil keine unbegrenzte regionaleund fachliche Mobilität und Flexibilität der Arbeitskräfte un-terstellt werden kann. Letztlich stehen also gegenwärtig und in

Die Zahl der Studierenden steigt. Warum brauchen wir Fachkräfte aus dem Ausland?Thomas Bals

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der näheren Zukunft prinzipiell genügend Arbeits-kräfte mit Hochschulabschluss auf dem nationalen Ar-beitsmarkt insgesamt zur Verfügung, die jedoch ausfachlichen Gründen die freien Stellen nicht besetzenkönnen. In diesem Fall wird im Wirtschaftsjargon von»Mismatch« (mangelnde Übereinstimmung) gespro-chen.

Genau hierfür aber ist die Zuwanderung, dasheißt die Rekrutierung von ausländischen Fachkräftenmit spezifischem Qualifikationsprofil, eines der Mittelder Wahl. Sie gilt besonders bei kurzfristigen Engpäs-sen als effizientes Instrument, wobei solche kurzfristi-gen Problemlagen relativ häufig sind, da viele Progno-sen über zukünftige Entwicklungen oft unzuverlässigbeziehungsweise spekulativ sind.

Im Fazit bedeutet dies für den Bedarf an ausländi-schen akademischen Fachkräften, dass es perspekti-visch und sektoral einen diesbezüglichen Handlungs-bedarf gibt. Geeignete Instrumente zur Beförderungdieser Mobilität der ausländischen Fachkräfte sind mitdem »Anerkennungsgesetz« und dem Europäischenund Deutschen Qualifikationsrahmen inzwischen vor-handen.

Prof. Dr. Thomas Bals · Universität OsnabrückFachbereich Erziehungs- und KulturwissenschaftenBerufspädagogikE-Mail: [email protected]: http://www.paedagogik.uni-osnabrueck.de/1474.php

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Um die Antwort gleich am Anfang zu geben: Ja, Kohlendioxid,CO2, ist das entscheidende, aber nicht allein wirksame Gas fürdie globale Erwärmung! Ein Klimakiller ist es jedoch nicht.Das Klima schwankt aufgrund geologischer und anderer na-türlicher Einflüsse beträchtlich. Neu jedoch ist, dass derMensch massiv in das Klimageschehen eingreift.

Wasserdampf ist der wichtigste Verursacher des natürli-chen Treibhauseffektes, ohne den es auf der Erde über 20Grad Celsius kälter wäre. Das zweitwichtigste natürlicheTreibhausgas ist CO2, das ca. 7 Grad Celsius zum natürlichenTreibhauseffekt beiträgt und damit das Erdklima so einstellt,dass wir gut auf der Erde leben können. Weitere klimarele-vante Spurengase sind unter anderem Methan, Stickoxide,Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) sowie Staubpartikelvon Vulkanausbrüchen, die in der Vergangenheit erheblich zurAbkühlung beigetragen haben.

Der atmosphärische Gehalt aller genannten Spurengaseist insbesondere in den letzten 50 Jahren steil angestiegen.Nur die FCKW gehen seit einigen Jahren zurück, was ein Er-folg des Montreal-Protokolls zum Schutz der Ozonschicht von1987 ist. Warum kommt es vor allem auf die Reduzierung derEmission von CO2 an, um die Erderwärmung zu mildern? CO2 hat eine über 1.000-fach höhere Konzentration in derAtmosphäre als Stickoxide, die von Kfz und Ackerböden emit-tiert werden, und eine 250-fach höhere als Methan, welches

Zukunft Erde. Ist CO2 wirklich der entscheidende Klimakiller?Michael Matthies

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unter anderem von Milchkühen und Reisfeldern frei-gesetzt wird. Obwohl jedes Molekül Stickoxid 300-mal und Methan 25-mal stärker als CO2 die Erdtem-peratur anheizt, dominiert das CO2 aufgrund seinerhohen Konzentration und Emission. CO2 ist also dieHaupt-Triebkraft der globalen Erwärmung (»Strah-lungsantrieb«), jedoch nicht die einzige; ebenso wich-tig ist es, die anderen Klimaschadgase zu reduzieren.

Besonders fatal sind die sogenannten »Teufels-kreise«, wissenschaftlich positive Rückkopplung ge-nannt, die die Klimaerwärmung besonders anheizen,zum Beispiel setzt das Auftauen der PermafrostbödenMethan frei, das wiederum das Klima anheizt oder dasAbschmelzen der Polkappen bewirkt, so dass dieRückstrahlung in den Weltraum reduziert und damitdie Temperatur erhöht wird.

Klimamodelle bilden diese Rückkopplungen abund liefern eine Erklärung für die vergangenenSchwankungen sowie die Grundlage für die Prognoseder zukünftigen Klimaentwicklung. Alle denkbarenSze narien sagen eine Erhöhung der Erdtemperaturund Zunahme extremer Ereignisse voraus, an der dasCO2 den entscheidenden Anteil hat.

Prof. Dr. Michael Matthies · Universität OsnabrückFachbereich Mathematik/InformatikAngewandte SystemwissenschaftE-Mail: [email protected]: http://www.usf.uni-osnabrueck.de/~matthies/

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Dass Mädchen den Jungen in bestimmten sprachlichen Berei-chen überlegen sind, ist mehr als ein Klischee. Die Spracher-werbsforschung konnte mehrfach bestätigen, dass Mädchen be-reits im Kleinkindalter im Durchschnitt über einen größerenWortschatz verfügen als gleichaltrige Jungen, die dagegen imräumlich-visuellen Bereich häufig kompetenter sind.

Eine Studie an über 1.000 Kleinkindern in den 1990erJahren hat beispielsweise ergeben, dass Mädchen im Alter zwi-schen 16 Monaten und zweieinhalb Jahren ihren männlichenAltersgenossen im Wortschatz ca. 8 Wochen voraus sind. Auchim Schulalter zeigen sich immer wieder Wortschatz-Vorsprüngebei weiblichen Probandinnen.

In der DESI- Studie (»Deutsch-Englisch-SchülerleistungenInternational«), die die Sprachproduktion und das Sprachver-stehen von Neuntklässlern prüfte, zeigten die Mädchen im Teil-aspekt »Wortschatz« deutlich bessere Ergebnisse, während inder Aussprache und der Sprechflüssigkeit allerdings die Jungenvorne lagen. Die These, dass Mädchen in sprachlichen Dingengenerell kompetenter wären, ist empirisch also nicht haltbar.

Zur wissenschaftlichen Erklärung der kognitivenGeschlechter unterschiede gibt es mehrere Theorien. Wohl ampopulärsten ist die These von der Spezialisierung der Gehirn-hälften. Die linke Hälfte, die für die Speicherung bekannterPhänomene zuständig ist, und damit auch für die Repräsenta-tion von Wörtern, müsste also bei Mädchen aktiver sein. Bei

Warum haben Mädchen einen größeren Wortschatz als Jungen?Christina Noack

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Jungen arbeitet dagegen die rechte Hälfte stärker, in derneue, unbekannte Strukturen verarbeitet werden(räumliches Denken, aber auch Sprechflüssigkeit).

Neben den Gehirnhälften wird auch der Hormon-spiegel bei Ungeborenen für den frühkindlichen Wort-schatzvorsprung verantwortlich gemacht. Danach solldie Konzentration männlicher und weiblicher Hor-mone eine Ursache für bestimmte Fähigkeiten sein,zum Beispiel in der Sprache oder im räumlichen Den-ken, und diesen Einfluss sogar lebenslang ausüben.Wiederum andere Erklärungsansätze setzen angeboreneUnterschiede mit sozialen Faktoren in Beziehung undbehaupten, dass die jeweils unterschiedlichen Erwar-tungen, die an Mädchen und Jungen herangetragenwerden – von Eltern, Lehrern/Erziehern und der Ge-sellschaft – die frühkindlichen Veranlagungen weiterverstärken können. Dies würde z.B. erklären, warumsich stereotype Interessen und Neigungen im späterenLeben häufig sogar noch verfestigen.

Wie dem auch sei – die geschlechtsspezifischenUnterschiede sind insgesamt eher gering ausgeprägtund individuell ganz unterschiedlich. So finden wirselbstverständlich unter den Jungen ebenso Sprachge-nies wie es wortkarge Mädchen gibt.

Prof. Dr. Christina Noack · Universität OsnabrückFachbereich Sprach- und LiteraturwissenschaftGermanistik/Didaktik der deutschen SpracheE-Mail: [email protected]: http://www.ifg.uni-osnabrueck.de/Main/Verwaltung

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Der Kilimandscharo ist mit über 5.800 Metern das höchsteBergmassiv des afrikanischen Kontinents, etwa 340 Kilometersüdlich des Äquators im Norden Tansanias. Der Berg liegtsomit in den tropisch-heißen Regionen der Erde. Das Massivbietet durch eine klimabedingte Höhenstufung einzigartigeLandschaftsunterscheide vom tropischen Regenwald bis zuFrostschuttwüsten und Schneefeldern.

Das Kilimandscharo-Massiv setzt sich im Wesentlichenaus drei erloschenen Vulkanen zusammen, von denen derKibo (»Der Helle«) mit dem Gipfel Uhuru Peak der höchsteist. Genau für diese Gipfelhöhe bestehen differierende Höhen-abgaben, die auf unterschiedlichen Messverfahren beruhen. Inder Literatur und in vielen Karten oder Atlanten wird dieHöhe mit 5895 Metern ü. N.N. angegeben.

Diese Höhenangabe beruht auf einer Triangulationsver-messung aus dem Jahre 1952, bei der mit Hilfe von Theo -doliten ein Vermessungsnetz erstellt und Höhen berechnetwurden. Mit dieser klassischen Methode der Geodäsie, dieohne Entfernungsbestimmung zum Beispiel mit Hilfe der La-sertechnologie auskam, waren durchaus genaue Messwerte zuerzielen. Mit diesem Winkelmessinstrument mussten aber inAfrika Vertikalwinkel über große Entfernungen und Höhen-unterschiede bestimmt werden. Unter diesen Bedingungenwaren Höhengenauigkeiten, die besser als ein Meter waren,beinahe grundsätzlich nicht zu erwarten. Vor diesem Hinter-

Neu vermessen. Warum fehlen dem Kilimandscharo heute fast drei Meter?Norbert de Lange

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grund und im Vergleich zu der mit den heutigen tech-nischen Möglichkeiten bestimmten Höhe ist die da-mals ermittelte Angabe sensationell genau.

Im Jahre 1999 erfolgte eine Neuvermessung desKilimandscharo und des Uhuru Peaks mit Hilfe derGPS-Technologie. Ausgehend von einer Basisstation,für die hochgenaue Koordinaten berechnet werdenkonnten, wurde ein dichtes GPS-Triangulationsnetzbestimmt.

Diese satellitengestützte Technik ermittelt soge-nannte GPS-Höhen. Hierbei wird die Erde durch einEllipsoid angenähert (d.h. durch einen »eiförmigenKörper« und nicht stark vereinfacht durch eineKugel). Bezugsfläche für die GPS-Höhe eines Punktesist dann die Oberfläche des Ellipsoiden. Diese GPS-Höhe des Uhuru-Peaks wurde mit 5.875,50 Meternberechnet, wobei die Genauigkeit mit fünf Zentime-tern angenommen werden kann.

Allerdings entspricht die GPS-Höhe nicht der üb-lichen Höhe über dem mittleren Meeresniveau. So istder gedachte Meeresspiegel, der »unter« den Konti-

nenten verläuft, die Bezugsfläche für unsere »normale«Höhe, das heißt für die orthometrische Höhe. Diesergedachte Meeresspiegel und die Oberfläche des Ellip-soiden sind nicht identisch. Aus den Angaben zumHöhensystem Tansanias, d.h. unter Berücksichtigungder Unterschiede zwischen dem Ellipsoiden und derMeerespiegelhöhe, wurde eine orthometrische Höhedes Uhuru-Peaks von 5.892,55 Meter über dem mitt-leren Meeresspiegel berechnet.

Prof. Dr. Norbert de Lange · Universität OsnabrückFachbereich Kultur- und GeowissenschaftenGeoinformatik und FernerkundungE-Mail: [email protected]: http://www.igf.uni-osnabrueck.de/mitarbeiter/de-lange/index.html

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Ob sich das Burn-out-Syndrom zu einer Volkskrankheit ent-wickelt, kann nicht beantwortet werden, da es hierzu keinebelastbaren statistischen Daten gibt.

Der Begriff Syndrom bezeichnet einen Symptomen -komplex, das heißt eine Gruppe von gleichzeitig auftretendenKrankheitszeichen. Nach einer Schätzung derBetriebskranken kassen sind 9 Millionen Beschäftigte vomBurn-out-Syndrom betroffen. Konkrete Zahlen gibt es nicht,da es keine einheitliche Definition des Burn-out-Syndromsgibt.

Vermutlich stehen hinter der Frage, ob sich das Burn-out-Syndrom zu einer Volkskrankheit entwickelt, die Statistikender Krankenkassen, aus denen hervorgeht, dass sich die durchpsychische Erkrankungen verursachten Arbeitsunfähigkeits -zeiten in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt haben. ImJahr 2008 betrug der Anteil von Frühberentungen wegeneiner psychischen Erkrankung 57.409 Fälle von insgesamt161.265 Rentenzugängen, dies entspricht einem Anteil von36 Prozent.

Ob psychische Erkrankungen in den letzten Jahrzehntentatsächlich zugenommen haben oder nur die Anzahl der be-handelten Fälle anstieg, kann nicht mit aktuellen Belegenüberprüft werden, denn die Daten der Krankenkassen bezie-hen sich nur auf die Häufigkeit der behandelten psychischenErkrankungen und Verhaltensstörungen.

Arbeiten bis der Arzt kommt. Wird Burn-out zur Volkskrankheit?Henning Allmers

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Zukunft. Fragen. Antworten.

»Burn-out« ist weder in der internationalen Klassifika-tion der Krankheiten, 10. Revision (ICD-10) noch imDiagnostischen und Statistischen Handbuch psychi-scher Störungen (DSM-IV) eine eigenständige Dia-gnose.

Um in die Statistik der Arbeitsunfähigkeitszeitenaufgenommen zu werden, muss eine Kodierung nachder ICD 10 vorgenommen werden. Hier kommtBurn-out aber nur als so genannte Z-Diagnose vor.Z73: Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei derLebensbewältigung inklusive: Akzentuierung von Per-sönlichkeitszügen, unzulängliche soziale Fähigkeiten,Zustand der totalen Erschöpfung, Ausgebranntsein[Burn out].

Stichprobenuntersuchungen in der Bevölkerungzur Häufigkeit von psychischen Erkrankungen wurdenzuletzt im Kontext des Bundes-Gesundheitssurvey1998 veröffentlicht. Im Rahmen des Aufbaus eineskontinuierlichen Gesundheitsmonitorings am RobertKoch-Institut wurde im November 2008 mit einer

neuen Studie (11/2008 bis 10/2011) zur GesundheitErwachsener in Deutschland (DEGS) begonnen(www.rki.de/degs), auch psychische Störungen werdenmittels eines spezifischen Zusatzmoduls des DEGS erfasst.Derzeit wird in Deutschland eine bevölkerungsbe -zogene Kohortenstudie (Nationale Kohorte) geplant,in deren Rahmen 200.000 gesunde Bürger über einenZeitraum von ca. 20 Jahren beobachtet werden sollen.Diese Studie soll auch Antworten auf eine Vielzahlepidemiologischer Fragen zu Volkskrankheiten liefern.Darin werden auch psychische Erkrankungen ein -geschlossen sein.

Apl. Prof. Dr. Henning Allmers · Universität OsnabrückFachbereich HumanwissenschaftenGesundheitswissenschaftenE-Mail: [email protected]: www.agw.uni-osnabrueck.de/index.php?n=Main.Mitarbeiter

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Die Frage, ob Fryderyk Chopins Musik mehr sei als ein »ewi-ges Gedudel« im Salon oder gar – schlimmer noch – »Geklim-per«, lässt sich rasch beantworten: Selbstverständlich ist sieunendlich viel mehr als das. Es ist richtig, dass Chopin, derfast ausschließlich für das Klavier komponierte, als Pianist vorAuftritten in großen öffentlichen Konzertsälen zurückscheuteund die intime Atmosphäre und die Kennerschaft der Zuhö-rer in den aristokratischen Salons vorzog. Diesen Ort gibt esjedoch heute – sozialgeschichtlich gesehen – gar nicht mehr,und wenn von Salonmusik die Rede ist, war wohl schonimmer die gute Stube des bürgerlichen Haushaltes gemeint, inder das Klavier, von der »höheren« Tochter bespielt, sein sonn-und feiertägliches Dasein fristete.

Weitere Faktoren, die das Bild der Chopinschen Musikgeprägt haben, änderten sich ebenfalls seit den Zeiten desKomponisten. Da ist zum einen der melancholisch-aristokra-tische Gestus seiner Musik: Was heute mit Aristokratie, zumalin der Regenbogenpresse, verbunden wird, hat nichts mitjener vornehmen Zurückhaltung zu tun, die deren Bild in denKöpfen der Bürgerlichen bestimmte. Was bleibt, ist entsa-gende Melancholie, die die meisten seiner Werke in ihremmusikalischen Gehalt bestimmen. Chopin ist auch nicht mehrwie früher der Komponist der Krankenzimmer und Sanato-rien.

Fryderyk Chopin. Mehr als »ewiges Gedudel« im Salon?Hartmuth Kinzler

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Das vielleicht heikelste Moment ist das nationale:Chopins Musik ist in weiten Teilen polnische Musik,und das nicht nur in den polnischen Tänzen wie demMazurek, dem Karkowiak oder der Polonaise, die eraus der Sphäre der bloßen Tanzmusik in das Bereichder Kunst- und Konzertmusik hob; auch manche sei-ner großen einsätzigen Formen erzählen davon, dass»Polen noch nicht verloren« sei. Und das wohl ist auchder Grund, weshalb die Nationalsozialisten, als siePolen überfallen und Warschau okkupiert hatten, dieAufführung Chopins Musik verboten. Ob Nationalesheute noch naiv zur Identifizierung des Zuhörers tau-gen kann, mag aber bezweifelt werden.

Die musikalische Substanz der ChopinschenMusik jedenfalls ist derart originell und ausdruckstark,dass sie auch heute noch fast alle Zuhörer zu faszinie-ren vermag, ganz zu schweigen von jenen, die sich –selbst spielend – an den neuartigen immensen klavier-technischen Schwierigkeiten versuchen. Auch in Kla-vierwettbewerben hat Chopin seinen festen Platz undfügt man manchen seiner Stücke ein Orchester mitSchlagzeugbegleitung hinzu, können gelegentlich siesogar den Weg in die Charts finden.

Prof. Dr. Hartmuth Kinzler · Universität OsnabrückFachbereich Erziehungs- und KulturwissenschaftenMusik/MusikwissenschaftE-Mail: [email protected]: www.musik.uni-osnabrueck.de/lehrende/kinzler

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Unser körpereigenes Abwehrsystem (Immunsystem) hateinen weit reichenden Auftrag. Wir sind umgeben vonMyriaden von Mikroorganismen, für die wir ein Schla-raffenland sind: Aus der Perspektive von Bakterien,Viren, Pilzen, Parasiten bieten unsere Körper nahezu un-erschöpfliche Vorräte an Eiweißen, Kohlenhydraten, Fet-ten, Spurenelementen und das alles bei 37 Grad Celsius.

Dass wir der Übermacht der vielen kleinen Feindenicht zum Opfer fallen, verdanken wir unserem Immun-system, das sie uns im Allgemeinen wirksam vom Leibehält. Dafür muss es aber auch mit weit reichenden Voll-machten ausgestattet sein. Wo das Immunsystem hin-schlägt, da wächst kein Gras mehr (und keine Bakterien)!Wehe aber, wenn es sich dabei einmal vertut und sich ausVersehen auf eigentlich harmlose Partikel unserer Umge-bung einschießt, also den totalen Krieg gegen den fal-schen Feind vom Zaun bricht. Dann handelt es sich umeine Allergie und es geht uns dabei unter Umständen soschlecht, als wenn uns eine schwere Infektion erwischthätte. Allergien können an der Schleimhaut auftretenund sich zum Beispiel gegen Pollen, Hausstaubmilben,Schimmelpilze richten, sie können aber auch die Hautbetreffen und dann eine Ursache für die inzwischen beijedem fünften Kind auftretende Neurodermitis sein.

Wenn unser Immunsystem nicht in der frühenKindheit durch Infektionen herausgefordert wird, son-dern stattdessen quasi arbeitslos bleibt, dann kann es aufdumme Gedanken kommen. Es hält zum Beispiel harm-lose Gräserpollen plötzlich für eine ernsthafte Bedrohungmit der Folge eines Heuschnupfens oder allergischenAsthmas. Das ist der Grund, weshalb Bauernkinder,deren Immunsystem durch vielfältigste Infektionserreger

Immunsystem. Warum leiden immer mehr Menschen an Allergien?Swen Malte John

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im Stall beim Umgang mit Tieren früh zeitig herausgefordert wird,weniger von Heuschnupfen, Asthma und Neurodermitis betrof-fen sind. Das gleiche gilt übrigens für Kinder aus Großfamilienund Migrantenfamilien.

Ein anderes Problem sind die Kontaktallergien; diese be-kommt man nur, wenn man mit dem Stoff länger mit der Hautin direkten Kontakt gekommen ist (zum Beispiel Modeschmuck -ekzem am Ohrläppchen). Viele der Stoffe, die dafür in Fragekommen, zum Beispiel auch Duftstoffe, Konservierungsstoffe,Kunstharze, kommen sowohl im Privatleben als auch am Arbeits-platz vor. Umso mehr sollte man wissen, wie man vermeidet, dassman überhaupt eine Allergie bekommt. Eine bundesweite Ak -tionswoche Haut & Job mit kostenlosen Beratungsangebotenbeim Hautarzt, in Schulen und Betrieben wird nächstes Jahr (5. -9. Dezember 2011) speziell dieser Frage gewidmet sein. Siewird hier in Osnabrück koordiniert.

Apl. Prof. Dr. Swen-Malte John · Universität OsnabrückFachbereich HumanwissenschaftenDermatologie, Umweltmedizin und GesundheitstheorieGeschäftsführender Leiter des Instituts für interdisziplinäre dermatologische Prävention und Rehabilitation (iDerm)E-Mail: [email protected]: www.agw.uni-osnabrueck.de/index.php?n= Main.HomePage

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Es wird viel gesprochen vom »Global Warming«, doch der An-stieg der jährlichen Durchschnittstemperatur ist eher gering.Tatsächlich verzeichnen wir aber immer häufiger das unerwar-tete Auftreten von extremen Schwankungen: Wärmeperiodenim Winter, Spätfröste, sehr heiße Sommer mit Dürre, aber auchÜberflutungen.

Im Gegensatz zu uns Menschen, die wir uns zumindest ei-nigermaßen vor diesen Extremen schützen können, sind diePflanzen ja ortsgebunden und können nicht weglaufen. Pflan-zen, die wir an einem bestimmten Ort antreffen, sind aber ansolche Stresssituationen angepasst, denn in den letzten 10.000Jahren nach der letzten Eiszeit waren sie starken Klimaschwan-kungen ausgesetzt. Die natürlicherweise an einem Ort vorkom-menden Pflanzen können also mit Stress umgehen, ihn tolerie-ren oder vermeiden. Sonst wären sie dort nicht mehr existent.

Für Pflanzen im gemäßigten Klima hier bei uns ist es zumBeispiel lebenswichtig, bei Frost Eisbildung innerhalb ihrer le-benden Zellen zu vermeiden. Diese wäre nämlich absolut töd-lich. Pflanzen, die bei uns im Winter Temperaturen unter demGefrierpunkt ertragen, leiten schon im Herbst ihre Frosthär-tung ein, denn sie wissen: Der nächste Winter kommt be-stimmt! So lagern sie Frostschutzmittel ein oder verfallen ineinen Zustand mit minimalen Lebensaktivitäten in Form vonruhenden Knospen, unterirdischen Speicherorganen oderSamen, die kaum Wasser enthalten.

Hitze, Kälte, Trockenheit – Wie reagieren Pflanzen auf veränderte Umweltbedingungen?Renate Scheibe

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Aus gefährdeten Teilen, wie den Laubblättern, werdenim geordneten Rückzug alle wertvollen Stoffe abgezo-gen, um sie für einen erneuten Austrieb im Frühjahrzu speichern. Der Rest besteht vor allem noch ausZellwänden und den wunderschönen Herbstfarbenund wird abgeworfen. Im Fall der Nadelbäume wer-den im Herbst vorausschauend sogar die grünenTriebe frosthart gemacht. Die Pflanzen registrieren diesinkenden Temperaturen und die gleichzeitig kürzerwerdenden Tage. Im Sommer würde nämlich auch einNadelbaum keinen Frost ertragen; er ist dann enthär-tet.

Pflanzen aus den Tropen, wie die beliebten Usam-baraveilchen aus Ostafrika, vertragen nicht einmaleine Abkühlung auf einige Grade über Null, sie sinderkältungsempfindlich und erleiden auf unseren Fen-sterbrettern schon beim ausgiebigen Lüften im Winterirreversible Schäden. Nach einem solchen »Chilling«-Stress werden ihre Blätter matschig und die Pflanzensterben ab. Tropische Pflanzen brauchten keinen Me-chanismus zu entwickeln, der sie davor schützt; dennan ihrem natürlichen Standort kommen niedrige Tem-peraturen nie vor.

Prof. Dr. Renate Scheibe · Universität OsnabrückFachbereich Biologie/ChemiePflanzenphysiologieE-Mail: [email protected]: http://www.biologie.uni-osnabrueck.de/Fachbereich/?x=ae,ar

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Die einfachste Antwort auf die Frage lautet: Keine, wenn El-tern Kinderzimmer zu einer kunststofffreien Zone erklärenwürden. Doch so einfach ist es leider nicht. Besonders in derVorweihnachtszeit sehen sich Eltern und Großeltern immerwieder im Konflikt zwischen Wunscherfüllung und Sorge umdie Gesundheit der Kinder und Enkelkinder – denn werkennt sie nicht, die glänzenden Kinderaugen beim Anblickvon Teddy, Eisenbahn, Quietscheentchen & Co? Es ist sicherkein Zufall, dass Stiftung Warentest so kurz vor dem Weih-nachtsgeschäft in der Oktoberausgabe 2010 warnt: »Spielzeug:Alarm im Kinderzimmer«.

Plüschtiere, Puppen und Plastikspielzeug, aber auch bun-tes Holzspielzeug können aromatische Amine, Formaldehyd,Nickel, Phenole, polybromierte Diphenylether, polyzyklischearomatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Phthalate, Schwerme-talle und zinnorganische Verbindungen enthalten. Darunterbefinden sich auch Stoffe, die womöglich krebserregend, erb-gutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind (soge-nannte CMR-Stoffe).

Die Sicherheit von Spielzeug wurde daher in der Spiel-zeugrichtlinie der Europäischen Union vom 18. Juni 2009(RL 2009/48/EG) neu geregelt. Bei Spielzeug für Kinderunter drei Jahren darf die Freisetzung von CMR-Stoffen dar-aus nicht analytisch nachweisbar sein. In meinen eigenen For-schungsarbeiten weise ich mit modernster Analysentechnik

Kinderspielzeug. Welche Gefährdung geht von Kunststoffen aus?Elke Fries

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die Freisetzung zum Beispiel von PAK aus Kunststof-fen bis zu einer Konzentration nach, die der Mengevon einem Stück Würfelzucker aufgelöst in drei Milli-arden Liter Wasser entspricht. Die erlaubten freisetz-baren Mengen sind also sehr gering. Bei Spielzeug fürKinder über drei Jahren wird dagegen nicht die Frei-setzung begrenzt, sondern es gelten festgelegte Grenz-werte.

Im Folgenden möchte ich daher ein paar Tippsfür den Weihnachtseinkauf geben: Meiden Sieschwarze Materialien (PAK) und Kunststoffe aus PVC(Phthalate)! Lackiertes Holzspielzeug sollte speichelfestsein. Machen Sie den Geruchstest, denn Chemie»riecht«! Kaufen Sie möglichst Spielzeug, das das GS-

Zeichen, das TÜV Proof-Zeichen oder das LGA-Qua-litätszertifikat trägt. Im Gegensatz zum CE Zeichengewährleisten diese Prüfsiegel, dass das Spielzeug voneiner unabhängigen Prüfstelle kontrolliert wurde. Undzu guter Letzt gilt: Teureres Qualitätsspielzeug ist we-sentlich seltener mit Schadstoffen belastet als Billig-spielzeuge.

Prof. Dr. Elke Fries · Universität OsnabrückFachbereich Mathematik/InformatikAngewandte Umweltsystemanalyse.E-Mail: [email protected]: http://www.usf.uni-osnabrueck.de/~fries/

Zukunft. Fragen. Antworten.

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Der Grund für die Entstehung des staatlichen Einzugs vonKirchensteuern geht auf den Reichsdeputationsschluss von1803 zurück. Im Zuge der Säkularisierung hatten die deut-schen Fürsten alle Kirchengüter enteignet. Für den Finanzbe-darf der Kirchen, so meinten sie, sollten die Kirchenmitgliederselbst aufkommen. Allerdings erklärten sie sich bereit, bei derEintreibung der Steuern gegen eine Verwaltungsgebühr behilf-lich zu sein. So ist es noch heute: In 15 Bundesländern (außerBayern) »kassiert« der Staat die Kirchensteuer. Das ist für dieKirchen finanziell günstig.

Acht Prozent bis neun Prozent der Lohn- bzw. Einkom-menssteuer wird von Berufstätigen, Rentnern und Pensionä-ren als Annexsteuer einbehalten. Das sind bei Geringverdie-nern ca. 350 Euro, bei Superverdienern bis zu zwei MillionenEuro pro Jahr. Letztere finden aber Schlupflöcher und zahlenoft nur drei Prozent. Arbeitslose und nichterwerbstätige Ehe-partner zahlen nichts, weil sie kein Einkommen haben. Weilaber auch sie von der Kirche profitieren, wird von ihnen (undanderen) ein Kirchgeld von 12 Euro pro Jahr erhoben.

An wen überweist der Staat das einbehaltene Geld? Andie Landeskirchen/Diözesen, die dann ihrerseits die Finanz-mittel an ihre Gemeinden je nach Bedürftigkeit auszahlen.Wer hat Anspruch auf staatlichen Steuereinzug? Jede Religi-onsgemeinschaft – nicht nur die Großkirchen! Allerdings ver-

Freiwilligkeit? Warum kassiert der Staat die Kirchensteuer?Reinhold Mokrosch

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zichten die Zeugen Jehovas, Adventisten, Freikirchen,Neuapostolische Kirchen, Mormonen und Orthodoxedarauf.

Ist das staatliche Kirchensteuereinzugssystem inOrdnung? Fragen drängen sich auf, zum Beispiel:Wird das Prinzip der Trennung von Staat und Kirchehier nicht durchbrochen? FDP, Grüne, Linke und Hu-manisten sind strikt gegen staatlichen Kirchensteuer-einzug. Zu Recht, wenn Staat und Kirche sich da-durch beeinflussen würden. Das ist meiner Einsichtnach aber nicht der Fall. Deshalb akzeptiere ich denstaatlichen Einzug.

Ferner: Sollte man das Geld nicht besser als frei-willige Spende einziehen – à la USA? Wir wissen, dassin diesem Fall höchstens die Hälfte der gegenwärtigenSteuern zusammen käme. Deshalb bevorzuge ich denstaatlichen Einzug.

Schließlich: Ist es zu verantworten, dass der ge-taufte Säugling später, wenn er erstmals berufstätig ist,automatisch Kirchensteuer zahlen muss? Nein, das ist

nicht zu verantworten! Denn hier wird das Evange-lium der Taufe mit der Mitgliedschaft in der Kirchevermischt. Deshalb sollte der erstmals Berufstätige ei-gentlich gefragt werden, ob er/sie Kirchensteuer zah-len möchte. Aber wir wissen: Das würde zum Zusam-menbruch der Volkskirche führen. Denn 50 Prozentwürden »Nein« antworten. Deshalb hüte ich mich, dasöffentlich zu fordern.

Der staatliche Kirchensteuereinzug ist effizient.Nur so können die Kirchen ihren Auftrag erfüllen.Aber: Staat und Kirche müssen getrennt bleiben. Und:Der Zusammenhang von Taufe und Kirchensteuer istund bleibt problematisch.

Prof. Dr. i.R. Reinhold MokroschUniversität OsnabrückFachbereich Erziehungs- und KulturwissenschaftenEvangelische TheologieE-Mail: [email protected]: www.ev-theologie.uni-osnabrueck.de/Main/Mokrosch

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Cyber War heißt Krieg der Computer. Wie kann das sein, wodie Maschinen doch von Menschen in bester Absicht pro-grammiert werden? Nun, ein paar Scherzbolde haben es schonimmer verstanden, schadhafte Programmstücke, genanntViren oder Würmer, auf einen PC einzuschleusen. Wenn Siezum Beispiel eine Mail von Susi Sorglos erhalten mit dem An-hang sonnenuntergang.exe, dann wird Windows, wenn Siedarauf doppelklicken, keinen Sonnenuntergang anzeigen, son-dern die Befehle aus der Datei sonnen unter gang.exe ausfüh-ren.

Je nachdem, wie boshaft der Absender war, kann da schonmal der Bildschirm zu blinken anfangen oder auch die Fest-platte gelöscht werden. So plump geht natürlich heute keinermehr vor, sondern ein Virus gelangt meistens über ein Netz-werk auf Ihren Computer, wo er dann zum Beispiel mit ihremOnline-Banking Programm shoppen geht. Passend dazu gibtes schon mal die Schlagzeile »Schäden durch Computervirenim dreistelligen Millionenbereich«.

Das hört sich dramatisch an, aber zwei Seiten weiter lesenwir: 4 Milliarden Euro Schaden durch Ladendiebstahl, verur-sacht jeweils zur Hälfte von unehrlichen Angestellten unddreisten Kunden. Das heißt, die Chance, dass Ihnen auf derGroßen Straße jemand ganz konventionell das Portemonnaieklaut, ist viel höher, als dass Ihnen jemand mit einem Compu-terwurm das Girokonto abräumt. Natürlich sind solche Com-

Cyber War. Welche Gefahren lauern im Netz?Oliver Vornberger

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puterhacker viel faszinierender als ein popeliger Ta-schendieb, und daher hatte schon 1993 die amerikani-sche Rand Corporation ein Buch verfasst »Cyber Waris coming«, aber er kam einfach nicht.

Oder vielleicht jetzt doch? Seit September geisterndiverse Meldungen durch die Medien bezüglich desComputerwurms Stuxnet. Stuxnet gelangt über einenUSB-Stick auf einen Windows-PC und verbreitet sichdann über die angeschlossenen Netzwerke. Stuxnetstiehlt keine Kreditkartennummern, sondern schautnach, ob auf dem Rechner ein bestimmter HardwareController von Siemens verbaut ist und schleust danndort fehlerhafte Kommandos ein.

Unter anderem wurden zahlreiche PCs im Iran imUmfeld von Atomanlagen befallen. Nach Ansicht vonExperten hat die Entwicklung von Stuxnet Millionengekostet, da er mehrere bisher unveröffentlichteSchwachstellen ausnutzt. Pubertierende Teenagerkommen also nicht in Frage, sondern wohl eher eineRegierung mit unbegrenzten Ressourcen. USA? Israel?Aber da wir so gut wie nichts über Stuxnet wissen, bie-tet er den idealen Nährboden für Verschwörungstheo-rien. Und darüber lesen wir immer gerne in unsererZeitung.

Prof. Dr. Oliver VornbergerUniversität OsnabrückFachbereich Mathematik/InformatikPraktische InformatikE-Mail: [email protected]: www.informatik.uni-osnabrueck.de/oliver/

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»Für die Schüler ist Ski im Januar ein Abenteuer, wenn auf derBank kein Groschen mehr ist.« Hier handelt es sich wohl umeinen guten »deutschen« Satz, in dem es keine bemerkens-werte Überfrachtung mit Lehnworten gibt. Oder? So kannman sich täuschen: Praktisch alle Hauptwörter des Satzeskommen nicht aus dem Deutschen, sondern wurden entlehnt:Schüler, Januar, Abenteuer und sogar Groschen kommen ausdem Lateinischen, Bank ist ein italienisches Wort, Ski kommtaus dem Altnordischen. Würden wir hier von Überfrachtungmit Fremdworten sprechen? Allgegenwärtigen Latinismen?Vermutlich nicht.

Dennoch finden wir immer wieder in der Öffentlichkeitdie Debatte um Anglizismen, Lehnworte aus dem Englischen.In der Tat lassen sich einige seltsam anmutende Konstruktio-nen finden, oft in der Werbung und Geschäftssprache. »Kiss& Ride« ist ein Beispiel, ebenso wie das »City-Night-Line«-Angebot der Bahn und Werbeslogans wie »come in and findout«. Diese Anglizismen stechen natürlich ins Auge und fallenauch dadurch auf, dass sie unnötig oder unsinnig sind.Warum nicht vom »Nachtzug-Angebot« sprechen? »Kommrein und find’s raus« wäre auch denkbar, entlarvt aber auchden groben Unfug dieser Werbebotschaft.

Wir finden aber auch in der Alltagssprache viele Worteenglischen Ursprungs: Event, Highlight, Pullover, Keks, Film(Movie), Stress, fit, Bar. Manche von Ihnen haben nahezu be-

Kiss & Ride. Wie prägen Anglizismen unsere Alltagssprache?Alexander Bergs

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deutungsgleiche deutsche Äquivalente: Event und Er-eignis. Bei anderen entpuppt sich die Äquivalenz dochals subtile Differenz. Ist eine Kneipe immer eine Bar?Und wem vertraut man lieber sein Geld an, dem Ban-kier (pardon, ein Franzismus!) oder dem Banker?

In die Debatte mischen sich diverse halboffizielleStimmen ein. Neben eher populären als wissenschaftli-chen Analysen im Stile Bastian Sicks findet sich zumBeispiel der Verein für Deutsche Sprache, der zurReinhaltung des Deutschen im Internet einen Angli-zismenindex pflegt und gerne deutsche Entsprechun-gen für Anglizismen anbietet. Worin der Vorteil liegt,zum Beispiel »backstage« mit »hinter der Bühne« zuumschreiben, mag jeder selber beurteilen.

Fakt ist, dass das Deutsche wie nahezu jede andereSprache zu allen Zeiten Fremdworte aus den verschie-densten Sprachen entlehnt hat. Dass unser gegenwär-

tiger Wortschatz bereits durchzogen von Fremdwortenist, ist uns nur selten bekannt oder bewusst. Hat es derdeutschen Sprache geschadet? Nein, im Gegenteil. Eshat sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Einen Scha-den an der deutschen Sprache durch Anglizismen,oder gar ihr Verlust, ist für die nächsten Jahrhundertekaum zu erwarten.

Prof. Dr. Alexander BergsUniversität OsnabrückFachbereich Sprach- und LiteraturwissenschaftInstitut für Anglistik / AmerikanistikE-Mail: [email protected]: http://www.ifaa.uni-osnabrueck.de/mitarbeiter/abergs

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Abgesehen von vereinzelten verwirrten Geistern geht niemandernsthaft davon aus, dass genetische Strukturen oder eine be-stimmte Religionszugehörigkeit für beobachtbare Jugendge-waltphänomene verantwortlich sind. Das weltweit am bestengesicherte Forschungsergebnis zur Jugendgewalt lautet: Ju-gendliche sind nicht gewalttätig, sondern sie werden gewalttä-tig. Um gewalttätig zu werden, müssen dabei Jugendliche übereine längere Zeit massiven Belastungsfaktoren ausgesetzt wor-den sein. Jugendgewalt ist demnach ein sozial erlerntes asozia-les Verhalten.

Trotzdem: Nichts ist plausibler als die Vorurteile in vielenKöpfen, wenn es darum geht, Jugendgewalt zu erklären. Undnichts klingt in vielen Ohren und Herzen verlockender undkaum etwas rutscht den meisten Erziehungsverantwortlichenleichter über die Lippen als der Appell an die (männlichen)Jugendlichen, sich zu bemühen und nicht gewalttätig zu sein,sondern sich so grundanständig und friedfertig wie wir Er-wachsenen zu gebärden. Hierbei wird vergessen, dass die Er-wachsenen sehr häufig selbst nicht »friedlich« sind.

So hat eine von uns durchgeführte repräsentative Unter-suchung in vier europäischen Ländern ergeben, dass in rund25 Prozent aller Familien die Kinder von den Eltern körper-lich misshandelt werden und in jeder sechsten Familie die El-tern sich gegenseitig schlagen. Diese Familien kommen, so dasübereinstimmende Ergebnis in allen untersuchten Ländern,

Gewalttätige Jugend? Phänomene aus dem Nichts?Wassilis Kassis

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regelrecht aus der »Mitte« der Gesellschaft. Weder dersozio-ökonomische Status noch der Migrationshinter-grund bestimmen in hinreichendem Maße die fami-liäre Gewaltaufschaukelung. Wir halten somit die Jun-gendlichengewalt für alarmierend, »vergessen« aberallzu leicht die Erwachsenenanteile daran – und diesesind enorm.

Der Ruf nach einem Mehr an Ordnung als All-heilmittel zur Begegnung von Jugendgewalt muss des-wegen ebenso deutlich zurückgewiesen werden wie einbagatellisierendes Schulterzucken oder gar ein Ver-nachlässigen der Opfer. Von allen drei Zugangsweisenhaben wir bislang hinreichend gehabt und sie habenallesamt zu negativen mittel- und langfristigen Folgengeführt.

Es ist das soziale Milieu in Elternhaus (Partnerge-walt, körperliche Misshandlung Jugendlicher), Schule(Beleidigung durch Lehrpersonen) und Freizeitkultur

(Alkohol- und Drogenmissbrauch), welches regelrechtdarüber bestimmt, ob Jugendliche gewalttätigwerden – und dies unbesehen ihres Migrations- oderdes Bildungshintergrunds. Dabei sei gesagt, dass wirzu einer regelrecht umwerfenden Reduktion der Ge-walt im Alltag unserer Kinder keinen Cent ausgebenmüssten! Wir müssten uns einzig endlich dafür ent-scheiden, das zu tun, was bereits seit vielen Jahren imGesetz fest verankert ist und dies auch durchsetzen.

Prof. Dr. Wassilis KassisUniversität OsnabrückFachbereich Erziehungs- und KulturwissenschaftenInstitut für Erziehungswissenschaft: SozialisationE-Mail: [email protected]: http://www.paedagogik.uni-osnabrueck.de/1908.php

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Während der Sachsenkriege Karls des Großen entstanden seitden 770er-Jahren Missionsstationen. Eine dieser Stationenwird in Osnabrück gelegen haben und wurde auf dem Sand-hügel westlich der Hase im heutigen Bereich des Doms errich-tet. Die erste dort errichtete Kirche war eine Steinkirche, eineeinschiffige Kirche mit einer kleinen halbrunden Apsis, einetypische Bauform karolingischer Zeit.

Auch die weitere Entwicklung des Osnabrücker Dombausverlief in ganz typischer Weise: Nach der Bistumsgründungwurde die Kirche bereits zwischen 800 und 805 ersetzt. Einekreuzförmige Kirche mit einem Chor im Osten und einemQuerhaus zwischen Chor und Langhaus wurde errichtet. Spä-testens aber in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts wurdeauch diese Kirche schon wieder erweitert und vergrößert. Fürdie Domheiligen Crispin und Crispinian und deren Reliquienwurde eine adäquate Stätte der Verehrung gebaut, für die ver-storbenen Bischöfe eine Begräbnisstätte: So entstand eine un-terirdische Krypta.

Unter Bischof Benno II. in den Jahren 1068-88 fand derWeiterbau statt: Das Querhaus wurde weiter ausgebaut. DerDom erreichte damals etwa das heutige Format. 1100 brannteder Dom ab, eine der zahlreichen Brandkatastrophen mittelal-terlicher Kirchen, die im Allgemeinen grundlegende Neubau-ten zur Konsequenz hatten. Wenig später, jedenfalls noch vor

Stadtbaugeschichte: Wie kam Osnabrück zu seinem Dom?Thomas Vogtherr

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1120, entstand die Westfassade mit den Turmunterge-schossen, wie sie heute noch zu sehen ist.

Das heutige Aussehen erhält der Dom im 13.Jahrhundert: Langhaus und Querhaus wurden durch-greifend modernisiert, die südlich ans Querhaus ange-baute Sakristei wird erbaut. Nach einem nochmaligenBrand von 1254 entstanden Vierung und Chorhaus.

Im 15. Jahrhundert kam der Chorumgang mitden einzelnen Kapellen hinzu, zwischen 1509 und1544 der heute noch so mächtig aussehende Südwest-turm. Er erhielt im 18. Jahrhundert eine barockeTurmhaube, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.Dicke Mauern geben diesem Turm eine erheblich größere Standfestigkeit, die man dringend brauchte,um die zahlreichen und schweren Glocken ohne Ri-siko läuten lassen zu können.

Mehr als sieben Jahrhunderte lang wurde derDom ausgebaut und umgebaut, bis er den modernenAnforderungen der Neuzeit entsprach. Auf einer vor-her wahrscheinlich unbesiedelten Sanddüne entstandein bedeutendes und die Stadt bis heute prägendesBauwerk, das in einzelnen Teilen, die auf die verschie-denen Bauphasen zurückverweisen, noch heute seineeigene Geschichte erzählt.

Prof. Dr. Thomas VogtherrUniversität OsnabrückFachbereich Kultur- und GeowissenschaftenGeschichte des MittelaltersE-Mail: [email protected]: http://www.geschichte.uni-osnabrueck.de/personen.php

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Zukunft. Fragen. Antworten.3. Osnabrücker Wissensforum 12. November 2010

Eine Kooperationsveranstaltung der Universität Osnabrück und der Neuen Osnabrücker Zeitung

Moderation: Prof. Dr.-Ing. Claus Rollinger, Präsident der Universität OsnabrückDr. Berthold Hamelmann, Chefredaktion Neue Osnabrücker Zeitung

Planung und Organisation: Dr. Utz Lederbogen, Pressesprecher der Universität OsnabrückStefan Prinz, Redakteur Neue Osnabrücker Zeitung

Videoaufzeichnung: Günter Rückforth, Zentrum für Informationsmanagement und virtuelle Lehre (virtUOS)der Universität Osnabrück

Fotografie: Jörn Martens, Neue Osnabrücker Zeitung

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ImpressumHerausgeber:Der Präsident der Universität OsnabrückRedaktion: Dr. Utz Lederbogen, Stabsstelle Kommunikation und MarketingFotos: Jörn Martens, Neue Osnabrücker Zeitung und Manfred Pollert (1)Titelbild: Anton Balazh, Fotolia.comGestaltung: Rothe Grafik, GeorgsmarienhütteDruck: GroteDruck, Bad IburgMai 2011

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www.uni-osnabrueck.de