Zukunft von Bildung - Kernthesen

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Andreas Schleicher, Erfurt, 8. Mai 2010 – Entwurf Herzlichen Dank für die Einladung, ich freue mich insbesondere über das Thema Zukunftsperspektiven. In der turbulenten Diskussion über die Tagespolitik verlieren wir ja oft den Blick darauf, wo die Reise eigentlich hingeht. Slide: There is nowhere to hide Nie zuvor hat Bildung denen, die gut qualifiziert sind, derartig viele Chancen eröffnet. Die Kehrseite aber ist, dass Bildungsmängel heute sinkende Lebensqualität bedeutet, das gilt sowohl für den Einzelnen als auch für Staaten, die am Übergang in die Wissensgesellschaft scheitern. Diese Tendenz hat die Wirtschaftskrise noch einmal deutlich beschleunigt. In einer globalisierten Gesellschaft ist der Maßstab für Erfolg auch nicht mehr allein die Verbesserung der Bildungsergebnisse im nationalen Rahmen, sondern die Leistung der erfolgreichsten Bildungssysteme der Welt. In formalen Abschlüssen gerechnet hat es auch enorme Fortschritte gegeben. Allein in den letzten zehn Jahren ist die Absolventenquote im tertiären Bildungsbereich in den Industriestaaten um durchschnittlich 40% gestiegen, auch wenn Deutschland von dieser Entwicklung weniger profitiert hat als andere Staaten. Slide: Formale Abschl üsse

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Andreas Schleicher, Erfurt, 8. Mai 2010 – Entwurf

Herzlichen Dank für die Einladung, ich freue mich insbesondere über das Thema Zukunftsperspektiven. In der turbulenten Diskussion über die Tagespolitik verlieren wir ja oft den Blick darauf, wo die Reise eigentlich hingeht.

Slide: There is nowhere to hide

Nie zuvor hat Bildung denen, die gut qualifiziert sind, derartig viele Chancen eröffnet. Die Kehrseite aber ist, dass Bildungsmängel heute sinkende Lebensqualität bedeutet, das gilt sowohl für den Einzelnen als auch für Staaten, die am Übergang in die Wissensgesellschaft scheitern. Diese Tendenz hat die Wirtschaftskrise noch einmal deutlich beschleunigt. In einer globalisierten Gesellschaft ist der Maßstab für Erfolg auch nicht mehr allein die Verbesserung der Bildungsergebnisse im nationalen Rahmen, sondern die Leistung der erfolgreichsten Bildungssysteme der Welt.

In formalen Abschlüssen gerechnet hat es auch enorme Fortschritte gegeben. Allein in den letzten zehn Jahren ist die Absolventenquote im tertiären Bildungsbereich in den Industriestaaten um durchschnittlich 40% gestiegen, auch wenn Deutschland von dieser Entwicklung weniger profitiert hat als andere Staaten.

Slide: Formale Abschl üsse

Einige sagen, diese Entwicklung zu immer höheren Qualifikationen muss letztendlich zu einer Entwertung höherer Abschlüsse am Arbeitsmarkt führen, so nach dem Motto, irgendwann werden wir alle mal einen Hochschulabschluss haben und trotzdem zum Mindestlohn arbeiten. Dafür gibt es aber bislang noch keinerlei Anzeichen

Slide: Net present value

Andere sagen es werden uns irgendwann die öffentlichen Gelder ausgehen. Aber auch hier sieht die Rechnung anders aus

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Slide: Public costs and benefits

All diese Daten deuten also auf einen weiteren Ausbau der Bildungssysteme hin.

In einer sich rasant verändernden Welt reicht mehr vom Gleichen aber nicht mehr aus. Die globale Wissenschaft hat die Anforderungen an Schüler, Lehrer und Schulen grundlegend verschoben:

Slide: Transitions

In der Industriegesellschaft waren Märkte stabil, der Wettbewerb national ausgerichtet, und Organisationsformen hierarchisch. In der Wissensgesellschaft sind Märkte dynamisch, der Wettbewerb global und Organisationsformen vernetzt.

In der Industriegesellschaft basierten Wachstumsimpulse auf Mechanisierung und Wettbewerbsvorteile auf „economies of scale“. Heute kommen Wachstumsimpulse aus Digitalisierung und Miniaturisierung und Wettbewerbsvorteile beruhen auf Innovation und Zeitnähe.

In der Industriegesellschaft war das Firmenmodell der Einzelbetrieb, heute sind es flexible Allianzen der Mitbewerber.

In der Industriegesellschaft war Vollbeschäftigung das politische Ziel, heute ist es „employability“, Menschen dazu zu befähigen ihren eigenen Horizont in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt zu erweitern.

In der Industriegesellschaft hatten Berufsprofile eine klare Identität im berufsspezifischen Kontext und formale Qualifikationen waren der Schlüssel zum Erfolg. Heute sind Konvergenz, Transformation und lebensbegleitendes Lernen die entscheidenden Voraussetzungen.

Vielleicht die wichtigste Herausforderung an Bildungssysteme ist heute, den Übergang von situationsgebunden Wertesystemen zu nachhaltigen Wertesystemen zu fördern. Wir können uns heute morgen lange darüber unterhalten was die Ursachen der Finanzkrise oder der Umweltkrise sind, aber letztlich stehen hinter all diesen großen Krisen situationsgebundene Wertesysteme, ich tue alles was mir die gegenwärtige Situation erlaubt. Ihr

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Bankmanager gibt Ihnen einen Kredit auch wenn er genau weiß dass Sie diesen nie zurückzahlen können, denn er weiß dass wenn es soweit ist, die Verschuldung längst an jemand anders verkauft wurde. Ich runiere heute die Umwelt weil morgen jemand anders die Folgen dafür übernimmt. Und so funktionieren ja auch unsere nationalen Haushaltsrechnungen. Jeder Stau auf der Straße träg zu unserem Bruttosozialprodukt bei, weil da Benzin verbrannt wird, die Kosten für die Umwelt gehen dort nirgendwo ein. Bildung dagegen steht immer noch auf der Ausgaben und Konsumseite der Haushaltsrechnung. Wir werden die globalen Krisen nur mit nachhaltigen Wertesystemen bewältigen.

In der Vergangenheit konnten Schulen davon ausgehen, dass das Wissen das sie vermitteln für ein Arbeitsleben ausreicht. Heute ist es unverantwortlich, einem Schüler eine Arbeit auf Lebenszeit zu suggerieren. Je mehr Menschen Eigenverantwortung für ihre Karriereplanung sowie wirtschaftliche und soziale Absicherung übernehmen müssen, umso mehr müssen wir erwarten, dass Bildung Schülern hilft, sich in einer sich immer schneller verändernden Welt zurechtzufinden; sie auf Berufe vorbereiten, die wir heute noch nicht kennen; ihnen helfen Technologien zu nutzen, die erst morgen erfunden werden; und strategische Herausforderungen zu bewältigen von denen wir heute noch nicht ahnen dass es sie gibt. Noch einmal, was heute zählt ist die Motivation und Fähigkeit der Menschen ihren eigenen Horizont in einer sich ständig verändernden Gesellschaft jeden Tag zu erweitern. Das erfordert Unterrichtsstrategien, die an die Schüler hohe Erwartungen stellen, die die Schüler in Lernprozesse einbinden, die Lehrer und anderes Personal kreativ und flexibel einsetzen, und die neue Technologien besser nutzen um verschiedene Lernwege und Lernstiele individuell zu unterstützen.

Die Reproduktion von Fachwissen, das man Schülern leicht im Gleichschritt vermitteln kann, reicht für den Erfolg nicht mehr aus, zum einen weil derartiges Wissen schnell veraltet, zum anderen weil Arbeit die digitalisiert oder automatisiert werden kann in Hochlohnländern keine Zukunft mehr hat. Traditionell legen wir in Schulen immer noch großes Gewicht darauf, fachliche Probleme immer weiter zu zerlegen und Schülern die Routinefähigkeiten zu vermitteln die dabei entstehenden Teilprobleme zu lösen. Die großen Durchbrüche und Paradigmenwechsel entstehen heute aber meist dann, wenn

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es gelingt verschiedene Aspekte oder Wissensgebiete, zwischen denen Beziehungen zunächst nicht offensichtlich sind, zu synthetisieren.

Einfach Wissen anzuhäufen bringt deswegen auch wenig, denn dieses Wissen verliert rasant an Wert. Alles was Sie heute ihr eigenes Wissen nennen auf dem Sie ihren Wettbewerbsvorteil aufbauen ist in der Zeit des Internet morgen überall in der Welt ein Handelsgut, jedem zugänglich. Sie können heute fast jede multiple-choice Klassenarbeit mit Hilfe eines SmartPhones in Sekundenschnelle lösen. Wenn Sie wollen, dass Ihre Kinder nicht nur fast so gut wie ein SmartPhone sind, dann müssen Sie Fähigkeiten entwickeln Wissen zu vernetzen, diejenigen denen es gelingt die Punkte isolierter Wissensbereiche zu verbinden aus denen sich die nächste Innovation ergibt sind diejenigen die gewinnen.

Je komplexer unsere Arbeitswelt wird, und je mehr der Umfang kodifizierten Wissens zunimmt, umso mehr gewinnen außerdem Menschen an Bedeutung, die die Komplexität nicht nur verstehen, sondern auch für Menschen anderer Fachrichtungen zugänglich machen können. Fächerübergreifendes Lernen wird in der Schule der Zukunft daher eine immer wichtigere Rolle spielen.

Die Gesellschaft lässt sich auch nicht mehr so einfach in Generalisten und Spezialisten einteilen. Natürlich behalten Generalisten, die einen weiten Wissensbereich überschauen und entsprechend transversal agieren können, ihre Bedeutung. Auch Spezialisten die vertieftes Wissen über einen begrenzten Bereich besitzen, werden innerhalb ihrer Profession weiterhin Anerkennung finden. Der Erfolg von Schule muss sich, wie schon eingangs betont, deshalb an der Fähigkeit und Motivation der Menschen messen, lebensbegleitend zu lernen, sich in einer sich verändernden Welt immer wieder neu zu positionieren, eigenständig und verantwortungsbewusst zu Handeln, und eigene Pläne und Projekte in größere Zusammenhänge zu stellen.

Traditionell erfolgte der Zugang zum Lernen durch den Lehrer, der Wissen vermittelt. Die Zukunft braucht aber Lehrer als Experten, die Schüler begleiten und dabei unterstützten, durch eigenständiges Denken und Handeln selbstständig und kooperativ zu lernen. Es geht um Kreativität und Erfindungsreichtum anstelle von Konformität, um Lernerzentrierung anstelle von Lehrplanzentrierung, um erarbeitetes Wissen anstelle von vermitteltem

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Wissen. Lernen ist dabei ein aktiver und sozialer Prozess, mit wem wir lernen und arbeiten beeinflusst in entscheidender Weise was wir lernen.

Traditionell lernt der Schüler für sich. In der Gesellschaft immer entscheidender wird aber die Fähigkeit, gute und tragfähige Beziehungen aufzubauen, in Teams zu arbeiten, mit Konflikten umzugehen und sie zu lösen, uns in pluralistischen Gesellschaften konstruktiv einzubringen. Soziale Intelligenz, emotionale Sicherheit und Gründergeist sind dabei entscheidende Dimensionen. Die Zukunft braucht deswegen Lehrer, die Schüler dazu befähigen miteinander und voneinander zu lernen.

Lassen Sie mich diese Entwicklung kurz mit einigen Daten nachzeichnen.

Slide: Levy and Murnane

Aber es geht nicht alleine um andere Kompetenzen, die erfolgreichen Bildungssystem zeigen uns auch, dass es um ein Umdenken in der Organisation von Schule geht, in einer Art und Weise die den individuellen Lernfortschritt in den Mittelpunkt stellt, und in der Schulen Verantwortung für ihre Ergebnisse übernehmen anstatt diese auf andere Schulformen oder Institutionen abzuwälzen.

Traditionell benutzen wir Klassenarbeiten und Zensuren zur Kontrolle, etwa um Leistungen zu zertifizieren und den Zugang zu weiterer Bildung zu rationieren. Was die erfolgreichen Bildungssysteme heute aber auszeichnet, sind motivierende Leistungsrückmeldungen, die Vertrauen in Lernergebnisse schaffen, mit denen Lernpfade und Lernstrategien individuell entwickelt und begleitet werden können.

In Schweden z.B. bekommt der Schüler am Ende des Schuljahres nicht einfach eine Zeugnisnote, sondern der Lehrer setzt sich mit dem Schüler und dessen Eltern zusammen um anhand objektiver Leistungsergebnisse zu überlegen wie weitere Verbesserungen individuell erzielt werden können. Und, wie Herr Kahl immer wieder hervorhebt gilt dabei gilt eine Grundregel: Es beklagt sich bei diesen Gesprächen niemand über die Arbeit des anderen, sondern Schüler, Eltern und Lehrer sind gefordert, ihren eigenen Beitrag zur Verbesserung der Bildungsleistungen darzulegen. Die daraus resultierende verbindliche Vereinbarung ist dann das Zeugnis.

Die große Herausforderung hierbei ist natürlich immer, wie man Flexibilität in den Lernwegen mit Verantwortung auf der Seite der Bildungsanbieter

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verbinden kann. Flexibilität ohne Verantwortung führt ganz schnell zur Herabsetzung der Leistungsanforderungen. David Milliband, der ehemalige Bildungsminister Englands, hat hierfür einmal das Wort „intelligent accountability“ geprägt, ein Konzept das Verbesserung fördert und gleichzeitig intolerant gegenüber Fehlleistungen ist. Damit ist die Bildungspolitik auch gefordert für die fragmentierte Stimme aller Bildungsteilnehmer zu sprechen, und nicht zu akzeptieren dass, um nur ein Beispiel zu nennen, dass Schüler mit Migrationshintergrund fast automatisch in Schulen und Schulformen mit geringeren Leistungsanforderungen landen. Ebenso ist sie gefordert durch verlässliche Informationen das Vertrauen der Lehrer und Eltern zu stärken, Freiräume für Schulen zu schaffen um Bildungsziele kreativ umzusetzen, gleichzeitig aber auch dort gezielt zu unterstützen, wo der Erfolg noch ausbleibt.

Traditionell sind Lehrer und Schulen die letzte ausführende Instanz eines komplexen Verwaltungsapparates. In Zukunft wird sich die Relevanz und Effizienz dieses Verwaltungsapparates, und es ist ganz egal ob das die Gemeinden, Bundesländer oder das Bundesministerium ist, daran messen müssen, wie gut sie jede Schule unterstützen und welchen zusätzlichen Wert sie selber schöpfen, d.h. über das hinaus leisten, was die Schule, als selbstständige und pädagogisch verantwortliche Einheit leisten kann.

In der Vergangenheit, wo der Bedarf an hochqualifizierten Menschen begrenzt war, reichte es für Schulen aus, gute und schlechte Lerner frühzeitig zu sortieren. Heute müssen wir von Schulen erwarten, dass sie das Potenzial aller Schüler mobilisieren und erkennen, dass gewöhnliche Schüler außergewöhnliche Fähigkeiten haben aber unterschiedlich lernen und sie demensprechend individuell fördern, durch Lehr- und Lernformen die nicht defizitär angelegt sind, und den Schüler damit ständig vor Misserfolge stellen, sondern die wirklich auf den einzelnen Schüler zugeschnitten sind. Die Schulen der Zukunft antworten auf die verschiedenen Interessen, Fähigkeiten und sozialen Kontexte der Schüler deswegen nicht mit Selektion und institutioneller Fragmentierung, sondern mit einem konstruktiven und individuellen Umgang mit Vielfalt. Es reicht dazu nicht, überall gleichförmige Lernbedingungen zu schaffen sondern es gilt umgekehrt sicherzustellen, dass Lernbedingungen so flexibilisiert werden, dass Lernerfolg nicht länger vom sozialen Kontext

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abhängt. Genau hier muss auch die Förderung in sozial benachteiligten Gebieten ansetzen, denn es ist ja nicht das Potenzial junger Menschen an den sozialen Hintergrund gekoppelt, sondern die Unterstützung und Rahmenbedingungen die Schüler aus benachteiligten Schichten in Deutschland vorfinden um ihr Potenzial zu nutzen, ganz egal ob in der Schule oder zu Hause. Ebenso gilt es natürlich das im deutschsprachigen Raum weit verbreitete Phänomen zu überwinden, das den Schülern Erfolg in der Schule peinlich ist und das dieser Erfolg nicht entsprechend anerkannt und gefördert wird, weil er eben an der anderen Seite des Leistungsspektrums aus dem Raster fällt.

Fortlaufende Diagnostik, im angelsächsischen Sprachgebrauch „assessment for learning“ und der ständige Dialog zwischen Schüler und Lehrer sind dabei Grundvoraussetzung um Schülern strukturierte Rückmeldungen zu geben, um individuelle Lernpfade festzulegen, und um Unterrichtsplanung auf die individuellen Anforderungen der Schüler auszurichten.

Die Schule der Zukunft ist auch nur eine von mehreren Lernumgebungen. Es geht nicht mehr darum, den Schüler zur Schule zu bringen, sondern darum, das Lernen und die Lernumgebung zum Lernenden zu bringen, Lernen als Aktivität aufzugreifen, nicht als Ort. Die Infrastruktur der zukünftigen Schule wird sicher noch örtlich bestehen, aber zunehmend virtuell geprägt sein. Neue Technologien können dabei neue Perspektiven eröffnen: Sie schaffen authentische Kontexte die viel spannender sind als langweilige Schulbücher. Sie können virtuelle Gemeinschaften innerhalb aber auch zwischen Schulen schaffen, nicht nur für Schüler sondern auch für Lehrer. Und sie erlauben, neue Fähigkeiten zu entwickeln und Lehrmaterialien "just in time" ins Unterrichtsgeschehen zu integrieren. Dazu wird man neue Verknüpfungen und Netzwerke zwischen den Lernenden, sozialen Innovatoren, den Bildungsanbietern, den Ressourcen und den Innovatoren finden.

Wir beklagen uns hier heute darüber, dass Schüler das Interesse an Schule verlieren und im schlimmsten Fall die Schule abbrechen. Supermarkt.

Es wird in der Schule der Zukunft auch um andere Anreiz- und Unterstützungssystemen gehen, die Lehrer in ihrer täglichen Arbeit vorfinden. Viele hoch qualifizierte und motivierte Menschen brauchen ein Arbeitsumfeld, das Perspektiven für Entwicklung und Kreativität bietet, sich durch mehr Differenzierung im Aufgabenbereich, bessere Karriereaussichten, eine Stärkung der Verbindungen zu anderen Berufsfeldern und mehr Verantwortung für

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Lernergebnisse auszeichnet. Ein Arbeitsumfeld, in dem die Schule Lernorganisation wird, mit einem professionellen Management, das sich durch interne Kooperation und Kommunikation, etwa in den Feldern strategische Planung, Qualitätsmanagement, Selbstevaluation und Weiterbildung auszeichnet, aber auch durch Dialog nach außen mit den verschiedenen Interessengruppen, vor allem mit den Eltern. In der Schule der Zukunft wird es deswegen mehr Vielfalt in den Arbeitsbedingungen und vertraglichen Vereinbarungen der Lehrer geben, mehr Mobilität in der Lehrerschaft und, insbesondere, ein Zusammenwirken vielfältiger Professionen auf gleicher Augenhöhe, im Zusammenspiel mit anderen gesellschaftlichen Trägern. Warum gibt es heute in Finnland 10 Bewerber für jede Lehrerstelle, obwohl die Bezahlung der Lehrer deutlich schlechter ist als in Deutschland? Weil das Arbeitsumfeld, nicht allein das Geld, Wissensarbeiter überzeugt den Lehrerberuf zu ergreifen.

Schließlich muss die Schule der Zukunft Systeme von kontinuierlicher Innovation und Rückmeldung aufbauen, so dass Lehrer und Schulen miteinander, und Bildungssysteme voneinander lernen, Lehrpläne, Bildungsstandards, Rückmelde- und Unterstützungssysteme eng verknüpft sind, die Lehrenden eingebunden sind in den Prozess der Entwicklung und informiert sind über die Wirkungen ihres Handelns.

Kurz zusammengefasst:

Im alten System des verwalteten Lernens, waren die Lehrer oft alleine gelassen im Klassenzimmer, mit vielerlei Anweisungen was sie wie, wo und wann zu unterrichten hatten. Zukünftige Bildungssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass sie anspruchsvolle Bildungsstandards setzen die aufzeigen, was Schüler können sollten und wie gute Lernergebnisse aussehen, und den Lehrkräften dann die Instrumente anbietet, die sie benötigen um für die ihnen anvertrauten Schüler geeignete Unterrichtsmaterialien und Unterichtsformen zu schaffen. In der Vergangenheit ging es um überlieferte Weisheit, in der Zukunft geht es über Nutzergeneriertes Wissen, und das gilt für Schüler und Lehrer gleichermaßen.

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In der Vergangenheit wurden verschiedene Schüler in gleicher Weise unterrichtet. Heute geht es heute um individualisierte Lernerfahrungen. Die Vergangenheit war Lehrplanzentriert, die Zukunft ist Lernerzentriert.

In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt von Bildungspolitik auf dem Lernangebot, heute geht es um Lernergebnisse, darum den Blick der heraufschaut zur nächsten Ebene der Bildungsverwaltung zu verlagern auf den Blick zum nächsten Lehrer, der nächsten Schule. Angesichts der wachsenden Komplexität moderner Bildungssysteme kann auch der beste Bildungsminister nicht die Probleme von zigtausenden Schülern und Lehrern lösen. Wohl aber können zigtausende Schüler und Lehrer die Probleme des einen Bildungssystems lösen, wenn sie vernetzt an der Lösung der Probleme arbeiten. Genau das ist ja, was die Wissensgesellschaft ausmacht und dafür müssen moderne Bildungssysteme die Grundlagen schaffen.

Bildungssysteme haben schon immer über Chancengerechtigkeit geredet. Bildungssysteme in Finnland, Japan oder Kanada zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Einfluss von sozialem Hintergrund auf Bildungsergebnisse erfolgreich moderieren. In der Vergangenheit haben wir sozialen Hintergrund und kulturelle Vielfalt als Hindernis für Bildungserfolg betrachtet, heute geht es darum wir das Potenzial das in der Verschiedenheit der Lerner liegt nutzbar machen. Vielfalt ist nicht das Problem sondern das Potenzial der Wissensgesellschaft.

Ein Schlüsselbegriff für die Nutzung neuer Technologien war lange Zeit „Interaktivität“. Heute geht es um „Partizipation“. Der Schlüssel zur Nutzung des Potenzials der Globalisierung liegt in der Fähigkeit Wissen zu vernetzen und neues Wissen zu schaffen.

In der Vergangenheit ging es um Schulmanagement. Das Schlüsselwort heute ist Leadership, mit dem Schwerpunkt auf der Unterstützung, Evaluation und Entwicklung der Lehrer, nicht der Verwaltung von Schulgebäuden.

Und noch einmal, Lernen ist kein Ort, sondern eine Aktivität. Bildungssysteme müssen darauf eingehen, dass Individuen unterschiedlich lernen, und dass sich Lernverhalten und Lernmuster auch über den Lebensverlauf beständig verändern.

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Die Herausforderungen sind groß, aber der internationale Vergleich zeigt auch, dass diese Herausforderungen durchaus gemeistert werden können, dass Qualität und Chancengerechtigkeit miteinander vereinbar sind und sogar das gute Bildung zu einem vertretbaren Preis realisiert werden kann.