Zum Teufel mit den Theologen! - ReadingSample€¦ · Buchs von Sertillanges. meinen Freund Georges...

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Zum Teufel mit den Theologen! Die Metaphysik des Thomas von Aquin — Die Lehre der katholischen Kirche Bearbeitet von Bernd Cremer 1. Auflage 2014. Taschenbuch. 236 S. Paperback ISBN 978 3 8495 8891 5 Format (B x L): 14 x 21 cm Gewicht: 346 g Weitere Fachgebiete > Philosophie, Wissenschaftstheorie, Informationswissenschaft > Wissenschaftstheorie > Religionsphilosophie, Philosophische Theologie schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Zum Teufel mit den Theologen!

Die Metaphysik des Thomas von Aquin — Die Lehre der katholischen Kirche

Bearbeitet vonBernd Cremer

1. Auflage 2014. Taschenbuch. 236 S. PaperbackISBN 978 3 8495 8891 5

Format (B x L): 14 x 21 cmGewicht: 346 g

Weitere Fachgebiete > Philosophie, Wissenschaftstheorie, Informationswissenschaft >Wissenschaftstheorie > Religionsphilosophie, Philosophische Theologie

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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Bernd Cremer

Zum Teufel mit den Theologen!

Die Metaphysik des Thomas von Aquin

Die Lehre der katho-lischen Kirche

Nicht geeignet für Jugendliche unter 60

Copyright: © 2014 Bernd Cremer Bildrechte: Derain: ADAGP — Paris 2014 Matisse: smk dk 2014 Mondrian: HCR International 2014 Umschlag & Satz: Erik Kinting / www.buchlektorat.net Verlag: tredition GmbH, Hamburg Printed in Germany Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich ge-schützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elek-tronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Ver-breitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografi-sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Mein Dank an: meine Frau ist mit Worten nicht auszudrücken, meine Freundin Lyse Beucler. die über ihr Internet alle Recher-chen bezüglich des Copyrights und den gesamten Schriftwech-sel mit den zuständigen Museen bzw. Rechteinhabern geführt hat, Computerspezialist und Freund Bernd Sandbothe für Kauf einer gebrauchten Nervensäge, Einführung in ihren Gebrauch und ständiger Helfer in der Not, für eine erste Formatierung:Univ.-Prof. Dr. Volker Stein, Besitzer des Pyriths auf dem Umschlag: mein Enkelkind Noa, eine Auswahl an Fotos davon: Noa und Su. Besonderer Dank gilt J. P. Bachem — Medien GmbH, Köln für die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Zusammenfassung des Buchs von Sertillanges. meinen Freund Georges Hoen, der den gesamten Schriftver-kehr mit Herrn Kinting über das Internet erledigt hat und als ständiger 'Postbote' und 'Nothelfer' im Einsatz war. Von ihm ist auch die Idee für den Titel des Buches. Er konnte so unver-schämt sein, weil es nicht sein Buch ist; ich kann so unver-schämt sein, weil es nicht meine Idee war.

Inhaltsverzeichnis Begegnung mit dem Buch ..................................................... 13 Vorwort ................................................................................. 15 Worte im Zorn ....................................................................... 21 I. Buch — Das Sein 1. Die Metaphysik als Wissenschaft vom Sein ....................... 37 2. Die Einteilung des Seins .................................................... 38 3. Die Einheit ........................................................................ 40 4. Die Wahrheit ..................................................................... 42 5. Das Gute ........................................................................... 45 Von der Erbsünde Die Vertreibung aus dem Paradies 6. Das Übel ........................................................................... 52 Von der Sünde Von der Hölle 7. Die Prädikamente .............................................................. 57 8. Potenz und Akt .................................................................. 59 Von der Taufe 9. Die Substanz ..................................................................... 61 Von der Erfahrbarkeit der Substanz. 10. Die Individuation ............................................................ 64 Von der weltlichen und von der kirchlichen Gerichtsbarkeit II. Buch — Der Ursprung des Seins 11. Prolegomena zum Gottesbeweis ...................................... 75 12. Die angebliche Evidenz Gottes ........................................ 75 13. Der Gottesbeweis — Die fünf Wege................................ 77 14. Der erste Weg .................................................................. 78

15. Der fünfte Weg ................................................................ 81 16. Allgemeiner Rückblick auf die Gottesbeweise .................. 85 Du sollst dir kein Gottesbild machen 17. Die Natur Gottes ............................................................. 88 18. Die Einfachheit Gottes .................................................... 89 19. Die Vollkommenheit Gottes ............................................. 89 Vom Sinn, Gott zu loben und zu preisen 20. Über die Ähnlichkeit zwischen den Geschöpfen und Gott 90 Vom Größenwahn des Menschen 21. Unsere Erkenntnis Gottes ................................................ 93 Von den Möglichkeiten einer positiven Aussage über Gott 22. Die Vorsehung Gottes — Die Vorausbestimmung ............ 96 Vom Handeln Gottes in der Welt Vom Zufall Vom Beten III. Buch — Das Entstehen des Seins 23. 'Der Anfang' .................................................................. 109 24. Die Schöpfung .............................................................. 111 DIE Frage Von der Strategie des Katechismus 25. Die Vielheit und die Unterschiedenheit der Dinge ......... 115 26. Das Übel in der Welt ..................................................... 115 Von der Entwicklung in der Natur 27. Der kosmologische Optimismus .................................... 118 IV. Buch — Die Natur 28. Die Prinzipien der Natur ................................................ 123 29. Das substantielle Werden ............................................... 123 30. Die Materie ................................................................... 126 Brecht und die Metaphysik 31. Die Form ....................................................................... 129

32. Das Tätige und das Ziel ................................................. 133 Von der Verpflichtung zum Handeln. 33. Das akzidentelle Werden — Die Bewegung ................... 138 34. Das Unendliche in der Natur ......................................... 140 Thomas, ein Kind seiner Zeit 35. Die Zufälligkeit in der Natur ......................................... 142 Von 'zufälligen' Notwendigkeiten.. V. Buch — Leben und Denken 36. Der allgemeine Begriff des Lebens ................................ 151 37. Die tierische Zeugung ................................................... 153 38. Die Bewegung des Körpers durch die Seele................... 154 39. Die allgemeine Idee der Erkenntnis ............................... 155 40. Die sinnliche Erkenntnis ................................................ 159 41. Der Verstand.................................................................. 160 42. Die Geistigkeit und Unsterblichkeit der Seele ................. 161 43. Das Fortleben der Seele ................................................. 162 Von der Unvergänglichkeit des Geistigen Von der Notwendigkeit des Relativen im Jenseits 44. Der Ursprung der Seele ................................................. 166 VI. Buch — Das Wollen und die Tätigkeit 45. Vom Begehren im Allgemeinen ..................................... 171 46. Die Arten des Begehrvermögens.................................... 174 47. Der Wille — Das notwendige Wollen ............................ 175 48. Der freie Wille............................................................... 177 49. Die Quelle des freien Willens ........................................ 178 50. Die Artbestimmung und die Ausübung .......................... 182 51. Die Bestimmung des Wollens ........................................ 183 52. Die Beweggründe des Wollens ...................................... 186 Vom 'Verdienst' Vom 'Glaubensgehorsam'

Freiheit — Schicksal. Eine Bildbetrachtung 53. Das Ziel des Menschen .................................................. 19254. Das Ziel des Menschen .................................................. 195

Vom Ideal Belohnung — Bestrafung — Vom 'himmlischen Festmahl'

Kleines Bilderbuch

1. "Urteil — Distanz" .......................................................... 2112. Philosophie — moderne Malerei ..................................... 2113. Die Abstraktion in der Malerei ........................................ 2124. "Der rote Baum"................................................................ 2135. "Der graue Baum" ............................................................. 2146. "Der blühende Apfelbaum"................................................ 2157. "Komposition in rot, blau und gelb" 1930 ........................ 2168. "Der Holzfäller" ................................................................ 2189. "Don Quijote" .................................................................... 22110. "Selbstporträt" von Matisse ............................................. 22211. Derain: "Porträt von Matisse ........................................... 22412. "Bäume im Wald" ............................................................ 22813. "Bäume" ........................................................................... 23014. Alter Baum träumt" ......................................................... 232

"Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte ich wie ein Kind, und urteilte ich wie ein Kind. Als ich ein Mann wur-de, legte ich ab, was Kind an mir war."

1. Korinther 13, 11 "Dire la vérité telle que nous la voyons."

Jean-Jacques Servan-Schreiber "Alter und Jugend können nicht in unserem Körper beisammen sein, wohl aber in unserer Seele."

Thomas von Aquin

Foto: Bernd Cremer — Figur: Der Buchleser, Ernst Barlach

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Begegnung mit dem Buch

"Es gibt eine kleine Bronze von Ernst Barlach, die einen le-senden Mann darstellt. Er sitzt vornübergebeugt da, hat die Ellbogen auf die Knie gestützt und hält in den halb erhobenen Händen ein Buch. Sein Kopf neigt sich den bedruckten Blättern entgegen. Jeder Zug des Gesichts, der festgeschlossene Mund, die witternde Nase, die genau blickenden Augen, die hochge-zogenen Brauen, die gefurchte Stirn, das wirre Haar, jeder Zug bekundet eine innere Hinwendung, eine angespannte Aufmerk-samkeit, eine saugende Begierde. Es gibt für ihn nichts anderes mehr als dies, sein Buch. Er ist im brutalen Sinne des Wortes gepackt.

Wer die Bronze eindringlich und geduldig betrachtet, ent-deckt aber in den Mienen des Mannes noch etwas anderes. Hinter der Gepacktheit und hinter der Begierde lebt so etwas wie ein Staunen über das Wunder, das da in seine Hände gege-ben ist. Die Seiten beschwören vor ihm und für ihn eine Welt von seltsamer Überwirklichkeit; die Buchstaben und Worte erregen ein Leben von magischer Macht, erschaffen Schicksale und Ereignisse, bestürzende Fragen und erlösende Deutungen, Rausch und Trauer, Morgenglanz und Finsternis, Verwirrung und Ordnung, Schauder und Glück. Und alles ist auf eine ge-heimnisvolle Weise sein Eigentum. Wie sollte er da nicht stau-nen und dankbar sein?

Und noch etwas, ein Drittes, läßt sich im Gesicht des Man-nes erkennen, besonders in der Gegend der Nasenwurzel: ein Arbeiten der eigenen Gedanken, ein gewisses Abwägen, ja, ein sich Entgegenstemmen. Er will sich, ob er sich dessen bewußt ist oder nicht, keineswegs von dem Buch überwältigen lassen, mag es seinen Geist auch noch so gewaltsam bedrängen. Er ist auch noch vorhanden, er selbst, ein denkender Mensch, eine Persönlichkeit. Und so geht er als ein eigenständiges Ich in die

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wunderbare Welt des Buches hinein und setzt sich mit ihr aus-einander. Und indem er sich mit ihr auseinandersetzt, gewinnt er tiefe und tiefste Einsichten in sein eigenes Wesen, wird er recht eigentlich er selbst, wächst er über sich hinaus, wird er mehr als er selbst."1

Manfred Hausmann

1 Aus: Hausman, Manfred, Bücher — Schlüssel zum Leben — Tore zur

Welt, Frankfurt/Main (Bücherschiff) o.J.

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Vorwort

Die katholische Kirche versteht sich in der direkten Nach-folge Christi und seiner Apostel. Als solche bietet sie sich als Weg zum Heil an. Das ist gut und richtig. Dann aber hält sie ihr Angebot für den einzig möglichen Weg, stellt Glaubenslehren und Dogmen auf, die ich akzeptieren, d. h. glauben muß. Ohne das geht überhaupt nichts.

Hier beginnen meine Fragen. Bin ich überhaupt noch frei in meiner Entscheidung, wenn die Frage lautet: alles oder nichts, Himmel oder Hölle, und das Nichts natürlich nicht in meinem Interesse liegen kann?

Sodann die Frage, ob ich nicht auch ein klein wenig mitden-ken darf, ob der Glaube von Anfang an Glaube ist und mein ganz klein bißchen Verstand — der ist mir doch nicht umsonst mitgegeben — hier einfach nur zu schweigen hat? Klammern sich Heil und Verstand gegenseitig aus? Ausgerechnet in der letztlich alles entscheidenden Frage soll dem Verstand jedes Recht abgesprochen werden? Wo bleibt da noch Platz für mei-ne Verantwortung für mich selbst?

Mit einem Wort: Bin ich als Mensch zu dumm? Oder zu schlecht? Oder gar beides? Bin ich im ganzen Reich der Natur das einzige Wesen, das seinen Weg nicht alleine gehen kann? Also eine absolute 'Fehlkonstruktion'? Noch nicht mal zum Glauben kann ich alleine finden, obwohl Gott sich doch offenbart hat und die Heilige Schrift davon Zeugnis ablegt. "Nur durch die Gnade und den inne-ren Beistand des Heiligen Geistes ist man imstande, zu glauben..." (Katechismus der kath. Kirche, R. Oldenbourg Verlag 1993). Und wer entscheidet darüber, ob ich davon etwas abbekomme oder nicht? Gott garantiert nicht, denn wenn ich darauf angewiesen wä-re, um meine Glückseligkeit zu erreichen, so hätte er mir beides mitgegeben, wie er der Eiche oder dem Sperling auch alles mitge-geben hat, was sie zu ihrer Entwicklung brauchen.

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Das und andere sind meine Fragen, und ich suche Antworten darauf zu finden. Um es hier zu Anfang in aller Deutlichkeit zu sagen: Das sind persönliche, meine Fragen, das ist mein Weg, das sind meine Antworten; mit anderen Worten: Ich sehe das so, mehr nicht. Freilich: Wenn mein Suchen für andere Anlaß geben sollte, über das eine oder andere aus diesem Themenkreis tiefer nachzudenken, — mit einem Ergebnis, das zur Ruhe kommen läßt, das ist das Entscheidende, nicht ein bestimmtes — wenn Thomas von Aquin (1225 — 1274) noch mal in den Blickpunkt des Interesses gerückt würde, so wäre viel erreicht.

Wenn ich ausgerechnet ihn und seine Metaphysik zum Weg-begleiter für meine hinterfragenden Gedanken gewählt habe, so mag das Befremden hervorrufen. Aber ich mache keineswegs den Bock zum Gärtner. Es ist ein Unterschied zu machen zwi-schen Theologe und Theologe. Der eine befaßt sich mit der göttlichen Offenbarung, der andere mit der Theologie als einem Teilgebiet der Metaphysik. Thomas tat beides, aber Letzteren habe ich gewählt, um mir zu helfen bei der Suche nach Ant-worten. Ich höre schon den Einwand: Mensch, das ist ja fins-terstes Mittelalter, fast 800 Jahre her! Mag sein, aber Kolumbus ist auch schon 500 Jahre her, und die Erde ist noch immer eine Kugel.

Die Worte von Papst Leo XIII. rechtfertigen meine Wahl: "Indem Thomas, wie es sich gebührt, zwischen Vernunft und Glaube genau unterschied, beide aber wie in einem Freund-schaftsbunde einte, hat er die Rechte beider gewahrt, aber ebenso für beider Würde Sorge getragen. Die Vernunft, gleich-sam auf den Flügeln des heiligen Thomas zu höchster Voll-endung emporgetragen, vermag kaum noch höher zu steigen; der Glaube hingegen kann kaum noch weitere und wirksamere Hilfe fordern, als ihm durch Thomas schon zuteil wurde." (En-zyklika 'Aeterni Patris' 1879)

Thomas hat seine Metaphysik nie in einer zusammenhän-genden Schrift dargelegt. Das ist das nicht hoch genug einzu-

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schätzende Verdienst des französischen Dominikaners A. D. Sertillanges: "Saint Thomas d'Aquin" 1907. Seine Darlegungen gebe ich nur in einer Zusammenfassung, aber stets wörtlich und in nicht kursivgesetzter Times-Schrift wieder. Wenn ich ganze Kapitel vernachlässige, so liegt das entweder an meiner Zielsetzung oder an Sertillanges selbst, der, ähnlich einem Eichhörnchen, nicht einfach einen Baum gerade hinaufläuft, sondern sich ständig auf irgendwelchen Ästen und Zweigen rumtummelt, um schließlich wieder zum Stamm zurückzukeh-ren und weiter nach oben zu laufen. Er ist immer wieder damit beschäftigt, Thomas gegen irgendwen oder irgendwas zu ver-teidigen, den Ausgangspunkt bei Aristoteles zu erklären, Miß-verständnissen vorzubeugen oder auf andere philosophische Richtungen einzugehen.

Zu meiner Sprache und Denkweise: Ich liebe mein Öcher Platt, meine Muttersprache aus Kindertagen und Jugend. Die-ses Dialekt ist nicht so wort-, nicht so nuancenreich wie das Hochdeutsch, aber die ungeschminkte, bildreiche Art seiner Ausdrucksweise ist umwerfend. Es ist kräftig, bisweilen derb und oft sehr direkt, aber stets voller Untertöne und voller Seele.

In der Auseinandersetzung mit der Gedankenwelt des Tho-mas beziehungsweise mit dem Kommentar von Sertillanges ist mir bewußt geworden, wie arglos ich oft mit Sprache umgehe. Ich habe mit der Lektüre des Textes begonnen in der Erwar-tung, daß es bei mir einfach klick macht und weiter geht's. Ein Irrtum! Das Wort 'begreifen' zum Beispiel drückt zwar im Er-gebnis 'begriffen' ein Klick aus, aber da muß man erst mal hin-kommen. Ein Blinder macht uns den Prozesscharakter sehr deutlich. Er sucht auf einem Tisch, auf dem noch eine Reihe anderer Dinge liegen, nach einem Medikament. Seine tastende Hand beurteilt rasch alles, was ihm unter die Finger kommt, was er begreift, bis er endlich eine Schachtel in Händen hält. Um jedoch einen Irrtum auszuschließen, sucht er die Oberseite. Die Blindenschrift auf der Packung gibt ihm die Gewißheit, das

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Gesuchte gefunden zu haben. Über das Begreifen gelangt er zum Begriffenen.

Bei einem so schwierigen Text wie dem von Sertillanges war es für mich nicht damit getan, den Gedanken begriffen zu haben, sondern ich mußte mich sodann vergewissern, ob das, was ich glaubte verstanden zu haben, mit dem übereinstimmt, was ich gelesen hatte. Ich hatte also mein Urteil auf den Prüf-stand zu stellen, um Identität herzustellen zwischen meinem Urteil und dem Text. Bis hierher bin ich auf einer Linie mit dem Blinden.

Aber mir wurde schnell deutlich, daß mir das eben noch Be-

griffene schnell wieder entglitten war. Ich hatte etwas verstan-den, aber es gehörte mir noch nicht. Ich habe mir deshalb an-gewöhnt, Pausen zu machen, um, wie ich es nenne, das Ge-lesene sacken zu lassen. Ich verinnerliche dann, während ich zum Fenster rausschaue, mein beurteiltes Urteil, und ich bin mir sicher, daß in diesen Momenten Entscheidendes ohne mein Dazutun geschieht.

Ein Letztes: Ich bin nicht des Glaubens, daß Thomas den 'Herrgott bei den Zehen' hat, soll heißen, daß er im Besitz der Wahrheit ist. Er nicht, und auch alle anderen Philosophen nicht. Ein jeder unternimmt nur den Versuch, das Weltganze zu erklä-ren — und dann haben wir ein System — oder zu besonderen Fragen Stellung zu nehmen, die dann aber auf den Prüfstand gehören. Wer zu welchem System neigt, ist eine sehr persönli-che Angelegenheit.

Zur Dreiteilung des Buches: "Worte im Zorn" sollen deutlich machen, daß man zwar die

Amtskirche mit ihrer Lehre über Bord werfen kann, aber damit Gott noch lange nicht 'erledigt' ist.

Im Hauptteil habe ich meiner widerspenstigen Seele Raum gegeben, um 'reinen Tisch' zu machen in mir, und um zu er-kunden, ob, wie und wo ich Halt finden kann.

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Das "kleine Bilderbuch" macht die Nähe der Metaphysik des Thomas zur modernen Malerei erkennbar und zeigt andere Möglichkeiten der Selbst- beziehungsweise Wahrheitsfindung, die nicht weniger leicht sind als irgendein philosophisches Sys-tem aber ebenfalls von einem 'Ringen' um das Wesentliche zeugen.

Bernd Cremer

PS: Der Titel ist nicht meine Art, aber ich sah keine andere Möglichkeit, christgläubige Menschen davon abzuhalten, nach diesem Buch zu greifen.

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