Zur Frage eines renalen Angriffspunktes des Insulins

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Aus dem Physiologischen Institut der Univcrsititt Greifswald. Zur Frage eines renalen Angriffspunktes des Insulins% Yon (it~NTH~R ¥OGE~,. (Eingegangen a,m 11. Oktober 194L) N ach den heute weitgehend anerkannten Ansichten der Filtrations- Reabsorptionstheorie der Harnbereitung w~ren die im Glomerulus- filtrat gelSsten Stoffe in gleicher Konzentration wie im Plasma vor- handen. Eine Ausnahme wtirden nur die hochmolekul~ren EiweiBstoffe bilden, die dureh die Glomeruluswand normalerweise nicht hindurch- treten. Mit dieser Theorie lassen sieh, wie es scheint, viele bisherige Erfahrungen an S/£ugetieren, im grunds/~tzlichen aber auch an den Amphibien, deren Untersuchung wit wesentliche Stfitzen moderner Anschauungen fiber die Bet~tigungsart der Niere verdanken, im groBen und ganzen in Einklang bringen. Dureh l~iickresorption wiirde die groBe Menge pvovisorischen Hams erheblich reduziert, beim Mensehen ~bis auf unter 1% der Ausgangsmenge, wobei die dem KSrper dienlichen Stoffe dem Blur wieder zugefiihrt, w~hrend toxisch wirkende Stoffwechselendprodukte irn endgiiltigen Harn eliminiert werden. Eine Substanz, die beim Gesunden wohl im provisorischen, abet nicht im endgiiltigen Harn erscheint, ist der Traubenzucker, der bis auf einen versehwindenden t~est in den Tubuli wieder rtiekresorbiert wird und damit dem Energie- haushalt des KSrpers erhalten bleibt. Wie wichtig diese Verh~ltnisse sind, wird klar, wcnn man sich die gr6Ben- m/~Sige Bedeutung diescr V0rg~nge vor Augen fiihrt : In 170 Liter menschliehen Vo}harns (das ist die Vorharnproduktion 1 Tages) w~ren 170 g Glukose ent- halten, diese wlederum reprgsentieren einen energetischen Wert yon fund 680 kcal, was tmgefahr einer Energiemenge cntsprieht, mit der ein erwaehsener Menseh etwa 8--9 Stunden seinen Grundumsatz decken kann. Die Rack- resorption yon Glukose ist somit fiir den K6rper ein aul~erordentlieh zweek- maBiger Vorgang. Bei der Glykosurie wird im Harn Zucker ausgesehieden, und man kann yon vornherein nichts darfiber aussagen, ob das Auftreten yon Zueker im Ham zuriickzufiihren ist auf eine StSrung tier Glukose- * Die Arbeit wurde mit Untcrstatzung der Deutsehen Zentralverwaltung far alas Gesundheitswesen in der sowjetisch besetzten Zone durchgefahrt, wofar ieh an dieser Stelle meinen Dank ausspreehe. Durch Mithilfe bei den Versuehen hat reich Herr eand. reed. ADOLSDREWSin dankenswerter Weise unterstatzt.

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Aus dem Physiologischen Institut der Univcrsititt Greifswald.

Zur Frage eines renalen Angriffspunktes des Insulins% Yon

(it~NTH~R ¥OGE~,.

(Eingegangen a,m 11. Oktober 194L)

N ach den heute weitgehend anerkannten Ansichten der Filtrations- Reabsorptionstheorie der Harnbereitung w~ren die im Glomerulus- filtrat gelSsten Stoffe in gleicher Konzentration wie im Plasma vor- handen. Eine Ausnahme wtirden nur die hochmolekul~ren EiweiBstoffe bilden, die dureh die Glomeruluswand normalerweise nicht hindurch- treten. Mit dieser Theorie lassen sieh, wie es scheint, viele bisherige Erfahrungen an S/£ugetieren, im grunds/~tzlichen aber auch an den Amphibien, deren Untersuchung wit wesentliche Stfitzen moderner Anschauungen fiber die Bet~tigungsart der Niere verdanken, im groBen und ganzen in Einklang bringen.

Dureh l~iickresorption wiirde die groBe Menge pvovisorischen Hams erheblich reduziert, beim Mensehen ~ bis auf unter 1% der Ausgangsmenge, wobei die dem KSrper dienlichen Stoffe dem Blur wieder zugefiihrt, w~hrend toxisch wirkende Stoffwechselendprodukte irn endgiiltigen Harn eliminiert werden. Eine Substanz, die beim Gesunden wohl im provisorischen, abet nicht im endgiiltigen Harn erscheint, ist der Traubenzucker, der bis auf einen versehwindenden t~est in den Tubuli wieder rtiekresorbiert wird und damit dem Energie- haushalt des KSrpers erhalten bleibt.

Wie wichtig diese Verh~ltnisse sind, wird klar, wcnn man sich die gr6Ben- m/~Sige Bedeutung diescr V0rg~nge vor Augen fiihrt : In 170 Liter menschliehen Vo}harns (das ist die Vorharnproduktion 1 Tages) w~ren 170 g Glukose ent- halten, diese wlederum reprgsentieren einen energetischen Wert yon fund 680 kcal, was tmgefahr einer Energiemenge cntsprieht, mit der ein erwaehsener Menseh etwa 8--9 Stunden seinen Grundumsatz decken kann. Die Rack- resorption yon Glukose ist somit fiir den K6rper ein aul~erordentlieh zweek- maBiger Vorgang.

Bei der Glykosurie wird im Harn Zucker ausgesehieden, und man kann yon vornherein nichts darfiber aussagen, ob das Auftreten yon Zueker im H a m zuriickzufiihren i s t auf eine StSrung tier Glukose-

* Die Arbeit wurde mit Untcrstatzung der Deutsehen Zentralverwaltung far alas Gesundheitswesen in der sowjetisch besetzten Zone durchgefahrt, wofar ieh an dieser Stelle meinen Dank ausspreehe. Durch Mithilfe bei den Versuehen hat reich Herr eand. reed. ADOLS DREWS in dankenswerter Weise unterstatzt.

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riickresorption, oder ob vielleicht die Glukosekonzentration des Vor- harns ( = Plasmas) so hoeh ist, dab bei einer begrenzten Resorptions- kapazit~t der Tubuli nicht siimtlieher Zucker rfickresorbiert werden kann, oder ob der Vorharn die Tubuli zu sehnell passiert, so dab die resorptorischen Epithelien deswegen ihre Aufgabe nicht erftillen kSnnen. Um den Zuckergehalt des Blutes (und damit des Vorharns) in ein best immtes Verhgltnis zu dem des I-Iarns zu setzen, wurde der Begriff der Nierensehwelle (fiir einen best immten Stoff) eingeftihrt, der etwas darfiber aussagt, bei welcher Konzentrat ion voa Zueker im Blut Dextrose im Harn erscheint bzw. daraus verschwindet. I s t das Auftreten yon Zucker im Urin eine einfache Funktion der H6he des Blutzuekers, oder ist die I~iere selbst mit ihrem komplizierten Filtra- t ions-Riickresorptionsmechanismus maBgeblich an der Festlegung der ,,Nierensehwelle" und des Verh~ltnisses von Blutzucker : I-Iarnzucker beteiligt ? Diese Frage gewinnt im Lichte der Diabetesforschung eine besondere Bedeutung, wobei der Begriff des Diabetes in der vor- liegenden Untersuehung auf den Begriff des Insulinmangeldiabetes eingeengt werdea soll. Die Problemstellung erscheint dann in fol- gender Fassung: I s t die Glykosurie beim Diabetes allein eine Folge der durch Insulinmangel hervorgerufenen Hyperglyk~mie, oder wird die Glykosurie rtoch verst~rkt oder gefSrdert dadureh, dab infolge des Insulinmangels eine Hemmung der Glukoseriickresorption eintritt , mit anderen Worten: Gibt es einen (schon mehrfaeh behaupteten) renalen Angriffspunkt des Insulins ? Diese Frage erscheint nach den bisherigen Erkenntnissen keineswegs abwegig, sind doch die die Harn- bereitung steuernder~ Kr~fte nicht nur in den einfachen Formen der Osmose oder der Filtration zu sehen, sondern wir haben offensichtlich weitaus kompliziertere Vorg/~nge vor uns, deren Natur noeh nicht bekannt ist, yon denen wir aber wissen, dab Hormone in sie eingreifen. Es sei hier erinnert an die dureh herabgesetzte Wasserrfickresorption hervorgerufene Harnflut infolge Fehlens oder Unterproduktion yon Hypophysenhinterlappenhormon (Diabetes insipidus) oder 'an die Tatsaehe einer abnorm tiefen Glukoseschwelle bei Fehlen yon l~eben- nierenrindenhormon (Morbus Addison), und die Frage einer renalen Insulinwirkung fiigt sich zwanglos in den grOl~eren Problemkreis der fiir die I-larnbereitung wesentlichen extrarenalen Faktoren ein.

Man hat denn schon mehrfaeh versucht, die oben dargelegte Fragestellung experimentell zu kl~tren, jedoeh ergeben sieh ffir die in situ belassene l~iere des S/~ugers erhebliehe methodische Sehwierigkeiten. Wenn man dem Tier Insulin injiziert, eventuell aueh in die A. renalis, um die Wirkung dieses Insulins auf die Niere zu prfifen, wird sich in jedem Falle der Blutzucker des Tieres unter der Insulinwirkung senken, und mithin wird aueh der Glukosegehalt des Vor- harns vermindert werden. Auf diese Art und ~reise liiBt sich eine isolierte Nierenwirkung des Insulins niemals beobachten, man muB die Versuehe am

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durchstr6mten fiberlebenden Nierenpr/~parat machen, dessen Durchstr6mungs- fltissigkeit in ihrem Glukosegehalt unter Insulin nicht alteriert wird. Das Arbeiten mit der kfinstlich durchstr6mten fiberlebenden Warmblfiterniere ist jedoch infolge der Empfindlichkeit derselben gegen Sauerstoffmangel nicht ganz einfach, and Sehlfisse auf die Bet/~tigungsart de r gesunden in situ belassenen Niere sind nur mit Vorsicht zu ziehen, aullerdem waren wir infolge Mangels an geeigneten Versuchstieren gar nicht in der Lage, uns Herz-LungemNierenpr/~parate vom Warmbltiter anzufertigen, so dab wir schon aus diesem Grunde auf das Arbeiten am Kaltblfiter, am Frosch, angewiesen waren. Der tr/ige Stoft~vechsel der Kalt- bltitergewebe macht die Niere des Frosches weitgehend unempfindlich gegen Sauerstoffmangel, der dureh S~ttigung der Durchstr6mungsfliissigkeit mit 02 beseitigt werden kann, und zudem bietet die Froschniere fiiralle Untersuchungen fiber die Harnbereitung den unsch/~tzbaren Vorzug der doppelten Gef/iBver- ' sorgung, seit deren Entdeckung durch NtrSSBAV~ sie zu den beliebtesten Ver- suchsobjekten im Dienste der Nierenphysiologle geworden ist.

Methodik.

Das Ziel de r Versuche war d ie LSsung der F rage , ob das In su l in e inen Einf luB a u f die Zuckeraussche idung der i so l ie r ten Niere h a t und, wenn ja , w ie das In su l in d a n n in den F i l t r a t i o n s - R t i c k r e s o r p t i o n s - mechan i smus der Glukose in der Niere e ingreif t . Es lag u n t e r de r An- n a h m e eines r ena l en Angr i f f spunk te s des Insu l in s nahe , zu v e r m u t e n , d a b die Wi rkungswe i se e twa in e iner F 6 r d e r u n g der Glukoser i ick- r e so rp t ion best / inde, m6gl i che rwe i se de ra r t , d a b die A u f n a h m e yon Glukose in die T u b u l u s e p i t h e l i e n in F o r m yon Glykogen u n t e r ]V[it- w i rkung des Insu l ins zu denken sei. Vie l le icht w/~re auch eine Ab- d i c h t u n g der G lomeru lu skap i l l a r en gegen d ie Abdi f fus ion yon Glukose m6gl ich, obwohl diese l e t z t e re Vors te l lung anges ich ts der A n n a h m e des Glomeru lns als eines Porenf i l t e r s weniger Wahr sche in l i chke i t ffir s ich h a t t e .

Die Durchstr6mung der fiberlebenden Froschniere ermSglicht eine Insulini- sierung des Organs ohne gleichzeitige -~nderang des Glukosegehalts der Durch- strSmungsflfissigkeit, and die doppelte GefiiBversorgung der Froschniere gesta~tet es, einen Stoff, dessen Wirkmig auf die Glomeruli man priifen will, vorwiegend diesen (bei Einhaltung bestimmter Versuchsbedingungen) durch die Aorta zuzuffihren, w/~hrend man den gle~ehen Stoff in erster Linie an die Tubuli durch die V. renoportalis heranbringt. Es soll hier nicht ausffihrlich darauf einge- gangen werden, inwieweit die besondere Gef~Bversorgung der Froschniere tat- s/iehlieh die Funktion der Glomertfli und Tttbuli getrennt zu untersuchen erlaubt, im groBen und ganzen ist die 1Yfethode der doppelten Durchstr~imung fiir unsere Versuehsziele geeignet.

Die E x p e r i m e n t e g l i edern sich gem/~B der F r a g e s t e l l u n g in mehre re R e i h e n :

1. Versuche zur Gewinnung e igener A n s c h a u u n g e n fiber die Zucker- aussche idung unbee inf luBte r Nieren.

2. a ) . Die Zucke raussche idung u n t e r Insulir~mangel , d . h . d u t c h Nie ren d i abe t i s ch g e m a c h t e r Tiere. Der D iabe te s wurde d u t c h eine

Archiv fiir experiment. Path, u. Pharmakol. Bd. 206; 43

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650 a v ~ a x R VoozL:

a m Vor tage vo rgenommene P a n k r e a t e k t o m i e ausgelSst und a m B l u t - zucker der be t re f fenden Tiere nachgewiesen. (Die P a n k r e a s e x s t i r p a t i o n wurde a m Vor tage aus der Erw~gung heraus vorgenommen, d a b infolge des l angsamen Stoffwechsels des K a l t b l i i t e r s be im u n v o r b e h a n d e l t e n n i ch td i abe t i s chen Tier I n se lho rmon lgngere Zei t an den e inze lnen Zel len ha f t en k5nn te u n d d a d u r c h we i t e rwi rk t , so dab bei der kurz - f r i s t igen D u r e h s t r 5 m u n g a m u n v o r b e h a n d e l t e n Pri~parat die Nieren- funk t ion n ich t ohne In su l i nwi rkung abl iefe.)

b) Die Zuckeraussche idung bei Nieren d iabe t i sche r Tiere in zwei Phasen , in der zwei ten Phase un te r Durchs t rSmung mi t insu l inha l t ige r F l i i s s igke i t .

3. Die Zuckeraussche idung durch die Nieren insul in is ie r te r Tiere. (Die FrSsche e rh ie l ten 20 - -1 S tunde vor Versuchsbeginn tox i sche Insu l indosen . )

4. Die Zuckeraussche idung u n v o r b e h a n d e l t e r Nieren u n t e r In su - l inbee inf lussung des T u b u l a r a p p a r a t e s . (Durchs t rSmung yon de r V. r enopor t a l i s her m i t insu l inha l t iger Flf iss igkei t . )

5. Die Zuckeraussche idung der Niere u n t e r Beeinf lussung du rch Insu l in des G l o m e r u l a r a p p a r a t e s :

a) bei d o p p e l t e r D u r c h s t r S m u n g mi t insu l inha l t ige r a o r t a l e r F l i i s s igke i t ;

b) durch Drucke inwi rkung auf die Glomeru l i nach Insu l inzuf i ih rung in d iese lben .

Als Dm'chstrSmungsfliissigkeit benutzten wir nach dem Vorschlag yon HXusmsR 1 eine modifizierte Mi~.s-LSsung 2, die das Kalzium in LSsung hitlt und ausreichend gepuffert ist. Als Puffersystem wurde ein Gemisch yon Na- Azetat und Borsgure verwandt, nicht CO~ und NaHCO3, damit die Gefahr auf jeden Fall ausgeschaltet wurde, dab eventuell freiwerdendes CO 2 yon den Zellen aufgenommen wird, anstatt dab die Zellen CO s an die DurchstrSmungsfltissigkeit abgeben. Im einzelnen hatte die DurchstrSmungsfliissigkeit folgende Zusammen- setzung :

NaC1 : 0,6% KC1 : 0,01% CaCI~ : 0,02 % HsBO a : 0,031%

CHaCOONa plus 3 H~O: 0,068% (Borsat~re und Na-Azetat m/200). Vor und w~hrend des Versuches perlte Sauerstoff durch die Fliissigkeit, die aus MAR[OTTEschen Flaschen das Pritparat durchstrSmte. Der DurchstrSmungs- fliissigkeit wurde Glukose in der gewtinschten Konzentration zugesetzt. Die Technik der Preparation der FrSsche (mgnnlicher Esculenten) und der Durch- str6mung war die yon BAIlqBRIDGE, COLLII~S u n d ~ENZIES 3 und darf iiber- gangen werden, da sie schon des 5fteren in der Literatur mitgeteilt wurde. Die au~s den MARIOTTEschen Flaschen ausstrSmende Fliissigkeit wuxde durch genaue Markierung gemessen. Die aus der V. eava inf. des D'rosehes ausstr6mende Durchsptilungsfliissigkeit wurde ebenfalls genau gemessen, dabei handelte es sich allerdings um die Summe der in die Aorta und die V. abdominalis einge- strSmten Fliissigkeiten. MengenmgBig genau bestimmt wuxde ferner noch der

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sezernierte ,,Harn',. Bei dem benutzten Insulin handelte es sich in einigen wenigen F~llen (Insulinisierung des Gesamttieres vor dem Versuch) um Air-Insulin Bayer, im iibrigen verwandten wir Insulin Degewop, das nns die Schering AG., Berlin, zur Verffigung stellte*.

Urn bei liegenden Kanfilen den notwendigen Wechsel der DurchstrSmungs- 15sungen vornehmen zu kSnnen, verbanden wit die N[ARIOTTEschen Flasehen mit einem Dreiwegehahn, der seinerseits wieder durch Schlaueh und Kaniile mit dem in Frage kommenden GefaB des Frosches (Aorta oder V. abdominalis) verbunden war. So wurde es leieht ermSglicht, dab in das betreffende Gef~B einmat reine und einmal insulinhaltige Flfissigkeit einstrSmen konnte. Der , ,Ham" wlrde in Glaskan/ilen, die in den Ureteren eingebunden lagen, aufge- fangen und ebenso wie die DurchstrSmungsflfissigkeiten nach HAGEDOR~-JE~sE~ {wenn m6glich in Doppelbestimmaugen) auf seinen Zuckergehalt hin untersucht. Die Drucke, unter denen die Fliissigkeiten in das Praparat einstrSmten, wurden so gew~hlt, dab der Druck in der V. abdominalis die H~lfte des in der Aorta herrschenden betrug~ weil auf diese Weise die Druekverh~ltnisse am ~hnlichsten denen der in situ befindliehen Niere sind, und auBerdem so die grSBte Garantie daf/ir gegeben ist, da~ die durch die Aorta eingestrSmte Fliissigkeit die Glomeruli und d i e yon der V. abdominalis einlaufende die Tubuluskapillaren passiert, was fiir die Lokalisation der Insulinwirkung yon ansschlaggebender Bedeutung ist. Die H6he der Drucke wurde in der Aorta zu 24 cm Wasser und in der V. ab- dominalis zu 12 cm Wasser gew~hl~.

VersuchSergebnisse. Zun~chs t wurde a m n i c h t v o r b e h a n d e l t e n N i e r e n p r ~ p a r a t d ie

Aussche idung des Zuckers s tud ie r t . W i r h a t t e n folgende E rgebn i s se :

1, Bei D u r c h s t r S m u n g nu r yon der A o r t a aus, d. h. be i e inem Fl i i s - s i gke i t s s t rom A o r t a ~ A . r e n a l i s - - G l o m e r u l i - - V a s a ef ferent ia ~ V v . r e n a l e s - - V , cava inf. wi rd U r i n sezernier t . Die Menge des p r o d u z i e r t e n H a m s i s t abh~ngig yore Druck , u n t e r dem die F l i i s s igke i t in das Pr~pa- r a t e i n s t r S m t : J e hSher der Druck , des to grSl3er die Ha rnmenge . Sie b e t r u g in unseren (4) Versuchen bei e inem D r u c k yon 24 cm W a s s e r 0,51 cm 8 in 1 S tunde fiir be ide Nieren . (Durchschn i t t l i ches Iqieren- gewicht 0,2 g.)

2. Bei D u r c h s t r S m u n g a l le in yon der V. a b d o m i n a l i s aus, d. h. bei e inem F l i i s s igke i t s s t rom V. a b d o m i n a l i s - - V , r e n o p o r t a l i s ~ T u b u l u s - k a p i l l a r e n ~ V v , r e n a l e s - - V , cava inf. k o n n t e bei e inem D r u c k yon 12 cm W a s s e r ke ine Diurese erz ie l t werden.

3. Bei d o p p e l t e r D u r c h s t r 6 m u n g (von der A o r t a u n d der V. abdo- mina l i s aus) k o n n t e n wir in a l len F~l len eine Diurese in Gang br ingen. I n d iesen Versuchen (7 Versuehe an Win te r f rSschen , 25 an Sommer - frSschen) l ag d ie U r i n s e k r e t i o n (je S tunde u n d be ide Nieren) m i t 0 , 7 4 e m 3 be i Sommerf rSschen und 0 ,61 em 3 be i W i n t e r t i e r e n e t w a s hSher als bei re in a r te r ie l l e r Durehs t rSmung . D a in diesen Versuchen

* Der Schering A G., Berlin, bin ieh ffir die ~berlassung des Insulins zu grSBtem Dank verpflichtet.

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652 G~T~Ea VOGEL:

jedoch der arteriell eingestrSmte Anteil der DurchstrSmungsflfissigkeit mengenm~Big unter der DurchstrSmungsmenge bei rein arterieller Durchstr6mung liegt, stellt die Harmnenge hier einen grSgeren Pro- zentsatz der aortalen DurchstrSmungsflfissigkeit dar, als es in den unter 1. geschilderten Versuchen der Fall ist.

4. Es ist mSglich, eine Diurese zu erzeugen, wenn man nach sorg- f~ltiger Unterbindung aller ven6sen Abflfisse yon der Aorta aus die Flfissigkeitss~ule mit einem bestimmten Druck auf dem Nierengef~fi- system lasten l~gt. Diese Form der Diurese soll in der Folge kurz als ,,Druckdiurese" bezeichnet werden, well hier nach unseren Vorstellungen nur durch den auf den Glomeruli lastenden Druck Harn sezerniert wird, der dann ein reines Filtrat darstellen mug. Die so erhaltene Harnmenge ist in unseren Versuchen nicht ver~ndert gewesen gegen- fiber der bei Durchstr6mung des Pr~parats erzielten (0,62 cma/Stunde in 5 Versuchen).

Diese Ergebnisse sind ein Beleg daffir, dab die Untersuchungen NUSSBAUMs 4 im wesentlichen riehtig sind und dag die Froschniere ffir unsere Versuche ein geeignetes Objekt ist.

Was nun die Ausscheidung yon Glukose durch die Nieren anlangt, so kann mit der hier gefibten Versuehsteehnik wegen der zu geringen Harnproduktion nichts fiber die Nierenschwelle ffir Glukose ausgesagt werden. Da einerseits zu jeder Harnzuckerbestimmung mindestens 0,1 cm a Sekret je Niere vorhanden sein mugte und wir andererseits die DurchstrSmungszeiten so kurz als mSglich wi~hlten, um eine Nieren- schi~digung zu vermeiden, mugte als MaB ffir die Zuckerausseheidung ein anderes Kriterium gesueht werden. Weml man die Glukose- konzentration des endgfiltigen Hams von dem gleichen Wert der Durch- strSmungsflfissigkeit subtrahiert, bekommt man einen Wert, der die Ausscheidungsfi~higkeit der Niere ffir Glukose ebenfalls charakterisiert.

Allerdings ist dieser Wert nicht identisch mit dem Begriff der Nierenscbwelle, denn bei diesem handelt es sich am die Glukosekonzentration des Plasmas, bei der Zucker im Urin eben zu erseheinen beginnt, so dais eine Subtraktion beider Werte in der angegebenen Weise nicht in Frage kommt. Es muir jedoch darauf hingewiesen werden, dal] ftir den definierten Differenzwert in der Literatur meist der Ausdruck ,,Nierenschwelle" gebraucht wird, seine Verwendung ist in den vorliegenden und gleichartigen anderen Versuchen unseres Erachtens je- doch nicht statthaft. Wir haben an seiner Stelle den Ausdruck: Plasm~zucker- Harnzuckerdifferenz oder einfach Zuckerdifferenz gew~hlt. Dabei ist fiber das Zustandekommen dieser Differenz selbstversti~ndlich noch nichts zu sagen. Bei allen Angaben fiber die Zuckerdifferenz bezieht sich diese stets auf den Zuckergehalt der aortMen DurehstrSmungsfliissigkeit.

Bei doppelter Durchstr6mung ergab sieh, dag die Zuckerdifferenz ffir WinterfrSsehe bei 49,3mg-% lag (13Versuehe), ffir Sommer- frSsche dagegen (23 Versuche) bei 32,2 rag-%. Die Nieren von Winter- frSschen sind also zweifellos undurchl~ssiger ffir Glukose als die von Sommerfr6schem Die Zuckerdifferenz bei rein aortaler DurchstrSmung

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betrug in 5 Versuchen an SommerfrSschea 36,8 mg-%. Die Zucker- differenz bei ,,Druckdiurese" yon der Aorta her (24 cm Wasserdruck) betrug 13,5 mg-% (7 Versuche an SommerfrSschen).

W~hrend die bei aortaler DurchstrSmung erhaltene Zuckerdifferenz sich also nicht erheblich yon der bei doppelter DurchstrSmung er- haltenen unterscheidet, ist der bei ,,Druckdiurese" erhaltene Wert erheblich vermindert.

Bei DurchstrSmung glukosefreier aortaler LSsung und glukose- haltiger LSsung durch die V. renoportatis liel~ sich zeigen, dab unter den iiblichen Durckbedingungen Glukose im Harn auch bei hohen Konzentrationen (bis, etwa 250 rag-% in der venSsen Fliissigkeit) nicht erscheint /dab Zucker demnach nicht aus den Tubuluskapillaren in die Harnkanglchen iibertritt. Das Tubulusepithel ist riickl~ufig impermeabel fiir Glukose.

Ein Iasulinmangeldiabetes lgi~t sieh am Tier am leichtesten durch die Pankreatektomie erzeugen. Fiir die Nieren derartiger Versuchs- tiere miiBte eine etwa vorhandene Iasulinwirkung ausfallen, Wegen des langsamen Stoffwechsels und der dadurch bedingten langsamen Entwicklung eines Diubetes nahmen wir die Pankreatektomie min- destens 24 Stunden vor Beginn der Preparation der Nieren vor, was sich als ausreichende Zeitspanne erwies.

In Urethann~rkose wurde das Abdomen des Tieres laaramedian erSffnet undnach sorgflaltiger Blutstillung das Pankreas entfernt. Bei der Sektion am folgenden Tage zeig~en sich in wenigen Fallen h~morrhagisehe Infarzierungen des Darmes im Bereieh des Duodenum. In mehreren Fallen waren Magen nnd Darm mit zghem glasigem Schleim gefiillt. Ganz auffallig war in allen FMlen die nicht zu iibersehende Bluteindickung und Blutmengenverminderung, die nicht durch den geringen operativen Blutverlust erklgrt werden kann. Das Blur war schleimig und f~denziehend, und oft reiehte die bei Dekapitation ge- wonnene Blutmenge nicht einmal zur Zuckerbestimmung.

W~hrend in Kontrollversuchen der durchschnittliehe Blutzucker des verwendeten Tiermaterials zu 27 mg-% bestimmt wurde, stieg er 24Stunden nach Pankreatektomie auf einen Mittelwert yon 86 mg-%; es hatte sich demnach eine deu~liche Hyperglykgmie ent- wickeR. In diesem Zustand erfolgte die Anfertigung des Nieren- pri~p~rates und die DurchstrSmung unter den gleichen Bedingungen wie am nieht vorbehandelten Tier. Wghrend wir von 10 verwertbaren Versuchen 7 Durchstr6mungen ohne Insulinzusatz durchfiihrten, wur- den 3 Versuche zweiph~sig gestaltet, indem unter gleichen Bedingungen in der zweiten Phase der venSs einstrSmenden Fltissigkeit Insulin beige- geben wurde, und zwar in folgenden Konzentrationen : 1 : 1000, 1 : 2000, 1:4000. Die pankreatektomierten 7 Tiere der 1. Versuchsreihe - - es handelte sich ausschlie$1ich um SommerfrSsche - - wiesen bei Durch- strSmungen mit Glukosekonzentrationen zwischen 73 und 245 mg-% eine durchschnittliehe Zuckerdifferenz yon 34mg-% auf, die sieh

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nicht wesentlich yon der unvorbehandelter Sommerfr6sche unter- schied. Die 3 Tiere der 2. Versuchsgruppe hat ten dagegen eine durch- schnittliche Zuckerdifferenz von 27 rag-%, die sich jed0ch unter den angegebenen Insulinkonzentrationen in der renoportalen Fliissigkeit auf 15,6 rag-% erniedrigte, also um 11,4 mg-% sank. Wenn auch die Zahl der Versuche zu gering ist, um aus den Ergebnissen eine Gesetz- m~Bigkeit ableiten zu kSnner~, so mug doch geschlossen werden, dal~ eine InsulinwirkurLg im Sinne einer :F6rderung der Reabsorption von Glukose nicht stat tgefunden haben kann. Wenn eine derartige Wir- kung aufgetreten wi~re, dann mtiBte man keine Erniedrigung, sondern eine Erh6hung der Zuckerdifferenz finden, weil die Harnzuckerkon- zentrat ion infolge vermehrter Riickresorption kleiner geworden w~re.

Bei der Betrachtung der Insulinwirkung, die durch Injekt ion vor Anfertigung des NierenprKparates erzeugt wird, mug betont werden, dab den Tieren Insulin in toxischer krampferzeugender Dosis gegeben wurde. Die 30--40 g schweren FrSsche erhielten 20--1 Stunde vor der Operation 4,5 und 5 Einheiten Air-Insulin Bayer subkutan, worauf der Versuch in der iiblichen Anordnung vorgenommen wurde. Die Zuckerdifferenz wurde zu 42 rag-% im Mittelwert best immt. Da es sich bei den 3 Tieren um Winterfr6sche handelte, w~re das eine Er- niedrigung des Wertes um 7,3 mg-% gegeniiber unvorbehandelten WinterfrSschen, deren Harnprodukt ion unter gleichen Bedingungen auch deutlich grSBer war. Auch diese Versuchsergebnisse sprechen

gege, l eine reabsorptionsf6rdernde Insulinwirkung, da sieh bei einer solchen die Zuekerdifferenz nicht senken, sondern erhShen miiBte.

I m Hinblick auf den vermuteten Insulineffekt auf die Tubular- epithetien waren uns die (9) Versuehe mit selektiver Beeinflussung der Tubuli yon besonderer Bedeutung. Die Durchstr6mung erfolgte in der ersten Phase mit insulinfreier LSsung yon der V. renoportalis aus, in der zweiten mit insulinhaltiger, wobei steigende Konzentrat ionen (Insulin Degewop) yon l :10 000 000--1 : 1000 verwandt wurden. Der in der ersten DurchstrSmungsphase gewonnene , ,Harn" wurde dann hinsichtlich seines Glukosegehaltes mit dem in der zweiteu Phase ge- wonnener~ verglichen. Bei dieser Versuchstechnik erniedrigte sich die Zuckerdifferenz in 4 F~llen, blieb in einem gleich und erhShte sich in weiteren 4 Fi~llen. Die Schwankungen der Zuckerdiffereilz betrugen bis zu =L 4,2 mg-%. Weder konnte eine gesetzmi~Bige Xnderung der Glukoseausscheidung iiberha~pt gefunden werden, noch eine Beziehung zwischen der Insulir~konzentration und den VerKnderungen der Zucker- differenz. I m Gegensatz dazu ergab sich eine eindeutige Wirkung des Insulins auf die Gr6Be der Harnsekret ion im Sinne einer Oligurie. Es war jedoch nicht nur die Urinmenge vermindert , auch die Menge der durchstrSmenden Fliissigkeit war deutlich verkleinert, in einigen

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F~llen kam es sogar zu Anurie bei vSlligem Stillstand der I)urch- str6mung. Die arterielle DurchstrSmungsmenge war im Durchschnitt um 41% in der zweiten Phase gegeniiber der ersten herabgesetzt, die venSse um 42 %, die Harnsekretion um 50%. In einigen F~llen ergab sich eine verbliiffende ~bereinst immung in der prozentualen Min- derung yon DurchstrSmungsmenge und Harnsekretion.

Versuch Nr.

Tabelle 1.

Ve~6se Arterielle Durchstr6mung Durchstr6mung % %

Harnsekretion %

454443 . Verminderung: 468271 416179 457770

Die Zahlen, die sich auf die Durchstr6nmng beziehen,.bedeuten die prozentuale Verminderung der Durchstr6mung in der zweiten Phase (mit Insulin) gegenfiber der ersten. Die Zahlen der Harnsekretion bedeuten das Analoge. Siimtlicho Werte sind auf DurchstrSmungsdauern Yon je 1 Stande berechnet.

Auch fiir die selektive Beeinflussung der Glomeruli bei doppelter zweiphasiger Durchstr6mung liel~ sich kein eindeutiges Ergebnis ge- winnen. Das Insulin (Insulin Degewop) wurde in Konzentrat ionen yon 1 : 3 0 0 0 - - 1 : 7 0 0 der aortalen Durchstr6mungsfliissigkeit zugesetzt. Die Ver~nderungen der Zuckerdifferenz betrugen bis zu ± 4,6 mg-%, und ihre Richtung war nicht eindeutig festgelegt (3mal Erh6hung, 3mal Erniedrigung, Imal Gleichbleiben); sie war nicht abh~ngig yon der Insulinkonzentration. Auch in diesen Versuchen fanden sich Oligurie und Verminderung der durchgestrSmten Fliissigkeitsmengen in

- folgendem Ausmai~ :

Tabdle 2.

A~terielle Ven6se Durchs~rbmung Durchstr(imung Harnsekretion

% % %

Verminderung . . 39 35 50 Erkl~rung s. Tabelle 1.

Eine etwaige sinnvolle Insulinwirkung k6nnte sich an den Glo- meru l i nur in einer Verdichtung der Membran entfalten, die die Ab- diffusion yon Glukose verhinderte oder erschwerte. Dann mfiBte aber eine ErhShung der Zuckerdifferenz zu finden sein. Die Ergebnisse lassen einen derartigen Schlul~ nicht zu.

Bei Ausschaltung des Fliissigkeitsstroms durch die Tubulus- kapillaren infolge rein arterieller DurchstrSmung miiBte eine glome- rul~re Insulinwirkung noch deutlicher werden. Zwei Versuche mit

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656 G O ~ a V o ~ :

Insulinkonzentrationen yon l:1000 und 1:1500 bei rein aorta ler DurchstrSmung zeigen jedoch wiederum nur die Verminderung der DurchstrSmungsmengen und keinerlei Einfluft auf die Zuckerdurch- l~ssigkeit der Nieren.

Bei der sog. ,,Druckdiurese", d .h . bei einem yon der Aorta her auf den Nierengefi~en lastenden Druck bei Versperrung des mSglichen Ausstroins ist dieser Druck die einzige in Frage kommende Kraft (Filtrationsdruck) fiir die Sekretion voa Harn, der dann infolge des Ausfallens der Riickresorption ein reines Glomerulusfiltrat darstellt. L~L~t man mit dieser Methodik in einer 1, Phase Harn produzieren, durchstrSmt dann mit insulinhaltiger Flfissigkeit, bringt also Insulin an die Glomeruli heran und l~Bt dann in einer 3. Phase diese insulin- haltige Fliissigkeit den Druck ausiibei1, so erh~lt man in den Harn- glukosekonzentrationen der 1. und 3. Phase vergleichbare Werte. Mit dieser Versuchsanordnung lieit sich hinsichtlich der Zuckerdifferenz kein Insulirminflul3 feststellen, ebenso nicht hinsichtlieh der GrSile der Urinproduktion.

Es sei im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Druckdiurese an dieser Stelle hervorgehoben, da~ man in dem durch die geschilderte Versuchsanordnung (auch ohae Irlsulineinflul~!) gewoanenen H a r n nie die gleiche Konzentratio~l an Dextrose finder wie in der Durch- strSmungsflfissigkeit, wenn auch die Harnzuckerkonzentration sich stark deren Zuckerkonzentration nghert. Jedenfalls liegt der Harn- zuckergehalt immer erheblich hSher als es in Urinen, die bei doppelter Durchstr5mung gewonnen wurden, der Fall ist. Fiir die Zucker- differenz heii3t das: diese ist bei ,,Druckdiurese" stets vermindert und n~hert sich (relativ zu den Werten bei doppelter DurchstrSmung) 0, ohne 0 jedoch zu erreichen.

Besprechung der Ergebnisse. Ausschlaggebend fiir den gesamten hier aufgeworfenen Problem-

komplex ist die Frage nach der Art und Weise des Zustandekommens der Zuckerdifferenz und naeh der Lokalisation der Glukoseretention. Kommen wir mit den iiblichen Vorstellungen der Filtrations-Riick- resorptionstheorie nach CusH~Y 5 aus, oder sind die Verh~ltnisse bei Amphibietl etwa anders ?

Die Befunde hervorragender Kenner der NierentAtigkeit yon Amphibien in vivo und bei DttrehstrSmung wie WgIT~ 6, der mit Nec~urus arbeitete, und It6~ER ~ sprechen dafiir, dab Glukose in den Tubuli riickresorbiert wird. Der gleichen Meinung sind neben vielen anderen Autoren WAK• s und EI~OO 9, w~h- rend andere japaniscbe Autoren, die sich eingehend mit dieser Frage befai3t haben, den Sitz der Glukoseretention in erster Linie in den Glomerulus verlegen (MI~AMgRA TM, HOSArA 11, IMAGAWA12). Eigene (nicht ver6ffentliehte) Versuehe spreehen ftir die MSgliehkeit einer Riiekresorption von Glukose und Wasser in

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den Tubuli yon WinterfrSschen (R. temporaria), jedoch muB betont werden, dab die Riickresorptionskapazit~t des Frosches grSl]enordnungsm/~Big weir unter der des Saugers liegt. Sehon der anatomisehe Anfban der Frosehniere mit ihrem wenig ausgebildeten diinnen Schenkel der H~.NLEsehen Sehleife und die im Vergleieh zum S/~uger weitaus grS[iere Harnmenge, die bis 30% des Eigen- gewichtes des Tieres je Tag betragen kann 13 und die gegentiber dem Blut deutlieh hypoton ist, spreehen gegen eine Bedeutung der Rfickresorption, wie sie an S/~ugern v0n POULSSON 14 und yon SHA~N01~ und FISHER 15 speziell fiir Gluk0se erwiesen ist. F/it die Amphibienniere (sieher fiir R. temporaria und bufo jap.) wird demnaeh der Sitz der Glukoseretention nieht nur in den Tubuli, sondern ebensogut und wahrscheinlieh noeh mehr in der Undurchl/~ssigkeit der Glomerulus- kapillaren zu suehen sein. Diese Ansehauung, naeh der das Glomerulusfiltrat hinsiehtlich der Glukose dem Plasma nieht /~quimolekular ist, sohdern weniger Zueker enth/~lt, der dann auch noeh riickresorbier~ werden kann, wird auch dureh die eigenen Versuche gestfitzt, wenigstens im Bereieh der yon uns ange- wandten Glukosekonzentrationen. So ist z. B. die Zuckerdifferenz bei ,,Druek- diurese" erheblich herabgesetzt, erreicht aber nie den Wert 0, was sie unter 2 Voraussetzungen tun miii]te: 1. Wenn der produzierte ,,I-Iarn" tats~ehlich reines Glomerulusfiltrat ware und 2. wenn - - bei Allgemeingiiltigkeit der An- nahmen der Filtrations-Rfiekresorptionstheorie - - im Glomerulusffltrat Glukose in gleieher Konzentration wie in der DurehstrSmungsfliissi~keit enthalten w~re.

CLARK 16 gibt an, dab bei doppelter Durehstr6mung an Winterfr6sehen erst dann Zueker im Urin auftrat, wenn die Glukose in der DurchstrSmungsfliissigkeit einen Wert yon 52 mg- % fiberschritten hatte, was sieh auffallend mit der Zucker- differenz unserer WinterfrSsche yon 49 mg- % deckt. Die Unterschiede zwischen der Nierenfunktion von Sommer- und Wintertieren sind ein Teil der Xnderung der Bet/~tigungsweise in den Exkretionsorganen im jahreszeitlichen Rhythmus, wie sie yon Er.r~I~GEa und HIRT 1~ in fluoreszenzmikroskopischen Untersuchungen am lebenden Tier sogar f/~rberisch demonstriert werden konnten.

Die Niere darf in ihrer 1%lie im Kohlenhydratstoffwechsel nicht als sche- matisch arbeitendes starres ~berlaufventil fiir Glukose angesehen werden, wobei die Gr6Be der Glykosurie allein vonde r H6he des BlutzuekersPiegels abhangt. Vielmehr muB man in der Zuckerdifferenz und der l~ierenschwelle aueh einen Ausdruek des Funktionszustandes der Niere selbst seben, denn diese Werte sind durchaus nicht starr festgelegt und werden in ihrer Veri~nderlichkeit offensiehtlich von Faktoren bestimmt, die nieht nur in der Blutglukose zu suchen sind. Die klinisehen Erfahrungen am Bride der sog. renalen Glykosurie spreehen ganz in diesem Sinne, wobei jedoeh noch nicht erwiesen ist, ob es sieh bei dieser Form einer abnorm hohen Zuckerdurchl/~ssigkeit der l~iere tats/~chlich um eine Glukose- reabsorptionsstSrung handelt wie etwa bei der Phlorrhizinglykosurie, oder ob andere Griinde ffir das Auftreten einer solchen renalen Glykosurie verantwortlich zu machen sind. Die Tatsache, dab einem sieh manifestierenden Diabetes mellitus oft jahrelang eine renale Glykosurie ohne Hyperglykamie voraufgeht, bzw. dal] an derselben PerSon Zeiten eines echten manifesten Diabetes mit solchen nur renaler Glykosurie abweehseln, l~I]t die Vermutung (LIc~TWITZ TM) naheliegen, dab auch die renale Glykosurie letztlich eine Folge des Insullnmangels sein kSnnte. Es soll nach LXCHTWITZ durch Insulin zur Hemmung der Glykogen- bildung in den l~ierenzellen kommen (im Gegensatz zur Leber), bei Insulinmangel dagegen zu iibersteiger~er Glykogenbildung und Glykosurie. Andererseits ist im Widerspruch zu dieser Hypothese die NichtbeeinfluBbarkeit der renalen Glykosurie dureh Insulin bekannt und kann nur mit einer Insulinresistenz der Niere erkl~rt werden. Eine therapeutische oder experimente!le Beeinflussung der renalen Glykosurie bedeutet ~nderung der Nierensehwelle fiir Glukose bzw.

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~58 G~NTHER VOGEL:

der Zuckerdifferenz, und es sind schon mehrfach Versuche in der Richtung gemacht worden, bestimmte Beziehungen zwischen diesen GrSflen und Inkret- drfisen zu finden. HETENY 19 Z. B. land unter Schilddrfisenextrakt eine Er- niedrigung des Schwellenwertes, unter Parathormon ein Gleichbleiben (Ca-Stoff- wechsel), w~hrend Insulin ,,wahrscheinlich" eine ErhShung zur Folge hatte. Keinen Einflul3 des Insulins auf den Glukoseschwellenwert der Niere land ELIAS u n d GUDEMANN 2° am Menschen, w~hrend MAROCCHINI und ~ATALE 21 ein Ab- sinken des Schwellenwertes unter Insulin feststellen konnten. ErhShung des Schwellenwertes durch Inselhormon fanden SORGE ~ am Menschen und keinen Effekt oder manchmal eine geringffigige ErhShung B u ~ o 2a an Hunden, letzterer zum Tell bei direkter Einffihrung des Insulins in die Nierenarterie, wobei die Dosierung allerdings weit fiber dem physiologischen Mal~ lag. Zwei besonders interessierende Arbeiten am Kaltblfiter sind die von VAN CREVELD und vAI~ DAlai 24, die sowohl am Froschnierenpri~parat bei DurchstrSmung mit insu]inhaltiger Fliissigkeit als aueh bei DurchstrSmung der lqieren eines vorher insulinisie1~en Tieres eine Verminderung der Zuckerdurchli~ssigkeit der ~Niere feststellen zu kSnnen glaubten, und die yon SHoJI 2~. Dieser finder bei DurchstrSmung der Nieren japanischer KrSten sowohl bei glomeruli~rer als auch tubul~rer Appli- kation des Insulins in einer Konzentration yon 1:1000 eine Verst~rkung der Glykosurie, die bei h6heren Insulindosen wieder zum Verschwinden gebracht werden kann. Insulin in einer Konzentration yon 1:2000 war nieht mehr wirk- sam. Im fibrigenweist SHoJI aufdie unter Insulinwirkung auftretende Oligurie hin.

Man darf wohl die in diesen Versuchen verwendeten Insulindosen als un- physiologisch hoeh bezeichnen und mul3 sich hiiten, aus der Wirkung solch groBer Hormongaben auf deren pbysiologische Aufgabe zu schlieBen.

I n den eigenen Versuchen war weder bei hohen (toxischen) noch bei physiologischen Insu l indosen ein gesetzmi~Biger Einflul~ auf die Zuckerdurchli~ssigkeit der Niere e rkennbar . Es war dabei gleichgtiltig, ob das I n su l i n der aor ta len oder der venSsen DurchstrSmungsfl i iss ig- kei t zugesetzt worden war. Die gefundenen Unterschiede in der Zucker- differenz der Nieren waren eine Folge des verschiedenen Tiermater ia ls (Sommer- u n d Winter t ie re) und der verschiedenen F o r m e n der Durch- s t rSmung. Auffal lend war jedoch die un t e r I n su l i n regelmgl]ig auf- t r e tende Oligurie, die mi t einer Verminderung der arteriel len u n d venSsen Durehst rSmungsf l i i ss igkei t gleieherlnal3en ungef~hr parallel ging. Das kSnnte m a n auf eine al lgemeine Vasokonstr ikt ion, vielleicht auch auf eine Quellung der Zellen der Niere zuriickfiihren, ha t aber sicher n ich ts mi t der physiologischen Aufgabe des Insu l ins zu tun . Jedenfa l l s konn te durch die vorl iegenden Exper imen te die Exis tenz eines renalen Angr i f fspunktes des Insu l ins n icht erwiesen werden.

Zusammen/assung. Am d u r c h s t r S m t e n Froschn ie renpr~para t nach BAI~]3RIDGE, COL-

LINS u n d ME,z ip s werden die Aussche idungsbedingungen fiir Glukose un te r such t . Glukose wird in den Nieren durch die Glomeruli ausge- schieden, die Tubularep i the l ien sind in R ich tung B lu t -Ha rnkan~ lchen undurchl~ssig fiir Glukose.

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]3er durch Sub t r ak t ion der G lukosekonzen t r a t ion des H a m s yon der der Durchs t rSmungsf l i i ss igkei t e rhal tene Wer t wurde als , ,Zucker- dif ferenz" bezeiehnet . Sie l iegt fiir Winterf rSsche mi t 4 9 m g - % deut l ich hSher als die der Sommerf rSsche yon 32 m g : % . Die Nieren yon Winter f rSschen s ind demnaeh fiir Glukose , ,dichter" als die von SommerfrSschen. Die Glukosekonzen t ra t ion des H a r ns ist auch bei F i l t r a t i o n des Ur ins durch Drucke inwi rkung v o n d e r Aor ta her nie gleich der e ins t rSmenden bzw. Druek ausf ibenden Fli issigkeit , was im Sinne einer gewissen Zucker re t en t ion in den Glomerul i gedeute t werden muB.

Die Durchl/ issigkeit de r Niere ffir Glukose pank rea t ek tomie r t e r d iabet iseher FrSsche ist gegenfiber der unvo rbehande l t e r Tiere n i ch t ve r~nder t u n d wird aueh durch sp~teren Insu l inzusa tz i n der Durch- s t rSmungsf l i iss igkei t n ich t beeinfluBt.

Die Zuckerdurchl/~ssigkeit der Niere yon FrSschen, die mi t toxischen Insu l indosen vorbehande l t waren, ist n i ch t e indeut ig gegeniiber der N o r m ver~nder t .

Ebensowenig /~ndert In su l inzusa t z zur venSsen Durchs t rSmungs- fl i issigkeit die Zuckerdifferenz als Ausdruck ffir die Durchl~ssigkei t der Niere fiir Glukose in den K o n z e n t r a t i o n e n yon 1 : 1000--1 : 10000000 oder Insu l inzusa tz zur aor ta len DurchstrSmungsf l f iss igkei t bei doppel ter oder re in arteriel ler Durehs t rSmung oder bei H a r n p r o d u k t i o n al le in du rch D r u c k e i n w i r k u n g ,

I n al len F~l len i n s u l i n b e h a n d e l t e r Nieren t r a t als Folge eine afis- gesprochene Oligurie auf. Die Verminde rung der H a r n m e n g e giag der Verminderung der du rchs t rSmten Fl i iss igkei t parallel .

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