Zur Normung von Zement - vdz- · PDF fileZur Normung von Zement Anmerkungen und...

34
Zur Normung von Zement Anmerk ungen und Erl äute rungen zur Neubearb eitung der deutschen Zementnor m DIN 11 64 - Fassung Juni 1970 Von Gerd Wischers, Düsseldorf Obersicht Die Zementnorm DIN 1164 hat verschiedene Aufgaben zu erfüllen sie ist zugleich Stoff-, Prüf· , Güte- und Liefernorm, Die DIN 1164 behandelt Port/and-, Eisenportland-, Hochofen- und Traßzement. Diese Normzemente unterscheiden sich in ihrer stofflich en Zusam- mensetzung; sie werden jedOch nach den gleichen Prüf ungen beurteilt und müssen innerhalb der verschiedenen Klassen den gleichen Anforderungen genügen. Sie sind auch untereinander ve rträglich. De r weitaus überwi ege nde Anteil des Zements wird zu Beton ver- arbeitet. Daher interessiert den Zementverbraucher ;n erster Linie das Verhalten des Zements im Beton, insbesondere sein Beitrag zur Festigkeitse ntwicklun g des Betons. Da die Betoneigenschalten jedoch vo n mehreren Einflußgrößen abhängen, könnte der Einffuß des Zements nur an einer stets gleichen Normbeton-Mischung ge- prüft werden, was die Normprüfung der Zemente schon allein wegen der Menge und Kosten für den dann überall gleichen Normzuschlag erschweren würde. Man prüft und beurt eilt das Ver- halten des Zements im Beton daher indirekt durch sogenannte Ana/ogie-Prüfverlahren, die hinsichtlich der für den Beton zu er- wartenden Eigenschaften aussagekräftig, ferner ausreichend repro- duzierbar und einfach sind. Das Erstarren prüft man an Zement- brei, ebenso die Raumbeständigkeit und die Hydratationswärme. Zur Festigkeitsprütung dient ein Normmörte/. Andere Eigenschaf- ten, wie z. B. den Sulfatwiderstand, beurteilt man aufgrund der stoffli chen Zusammensetzung des Zements. Die wichtigste Neuerung in der Zementnorm D/N 1164, Fassung Juni 1970, ist zweifellos die zusätzliche obere Begrenzung der Festigkeit in den einzelnen K/assen. Durch die damit gegebene untere und obere Festigkeitsbegrenzung wird eine hohe Gleich- mäßigkeit der 28-Tage-Festigkeit veran/aßt. Da bei der Prüfung und Uberwachung kein Einzelwert außerhalb der Festigkeitsgren- zen liegen darf, wird die DurchschnittsfesOgkeit jedes Zements etwa in der Mitte des Festigkeitsbereichs der jeweiligen Klassen liegen. Bei einer der Norm zugrunde gelegten Standardabwei- chung von 30 kpl cm 2 (Prül- und Qualitätsstreuung) werden 90 % aller Prüfwerfe eines Zement s um weniger als ± 50 kp/cm 2 von sei nem Mittelwert abweichen. Das bedeutet eine sehr hohe und völlig ausreichende Sicherheit für das zuverlässige Einh alte n einer bestimmten Betonfestigke it , wenn bei einer Betonmischung vom Mittelwert des Festig keitsbereichs der jeweiligen Zementklasse ausgegangen wird . Diese neue Regelung dient so nicht nur der Gleichmäßigkeit und Sicherheit; sie fördert durch Ver ein fachung auch die Rat ionalisierung und Vereinheitlichung der Betonherstel- lung. 55

Transcript of Zur Normung von Zement - vdz- · PDF fileZur Normung von Zement Anmerkungen und...

Zur Normung von Zement Anmerkungen und Erläuterungen zur Neubearbeitung der deutschen Zementnorm DIN 1164 - Fassung Juni 1970

Von Gerd Wischers, Düsseldorf

Obersicht

Die Zementnorm DIN 1164 hat verschiedene Aufgaben zu erfüllen sie ist zugleich Stoff-, Prüf·, Güte- und Liefernorm, Die DIN 1164 behandelt Port/and-, Eisenportland-, Hochofen- und Traßzement. Diese Normzemente unterscheiden sich in ihrer sto fflich en Zusam­mensetzung; sie werden jedOch nach den gleichen Prüfungen beurteilt und müssen innerhalb der verschiedenen Klassen den gleichen Anforderungen genügen. Sie sind auch untereinander verträglich. Der weitaus überwiegende Anteil des Zements wird zu Beton ver­arbeitet. Daher interessiert den Zementverbraucher ;n erster Linie das Verhalten des Zements im Beton, insbesondere sein Beitrag zur Festigkeitsentwicklung des Betons. Da die Betoneigenschalten jedoch von mehreren Einflußgrößen abhängen, könnte der Einffuß des Zements nur an einer stets gleichen Normbeton-Mischung ge­prüft werden , was die Normprüfung der Zemente schon allein wegen der Menge und Kosten für den dann überall gleichen Normzuschlag erschweren würde. Man prüft und beurteilt das Ver­halten des Zements im Beton daher indirekt durch sogenannte Ana/ogie-Prüfverlahren, die hinsichtlich der für den Beton zu er­wartenden Eigenschaften aussagekräftig, ferner ausreichend repro­duzierbar und einfach sind. Das Erstarren prüft man an Zement­brei, ebenso die Raumbeständigkeit und die Hydratationswärme. Zur Festigkeitsprütung dient ein Normmörte/. Andere Eigenschaf­ten, wie z. B. den Sulfatwiderstand, beurteilt man aufgrund der stofflichen Zusammensetzung des Zements.

Die wichtigste Neuerung in der Zementnorm D/N 1164, Fassung Juni 1970, ist zweifellos die zusätzliche obere Begrenzung der Festigkeit in den einzelnen K/assen. Durch die damit gegebene untere und obere Festigkeitsbegrenzung wird eine hohe Gleich­mäßigkeit der 28-Tage-Festigkeit veran/aßt. Da bei der Prüfung und Uberwachung kein Einzelwert außerhalb der Festigkeitsgren­zen liegen darf, wird die DurchschnittsfesOgkeit jedes Zements etwa in de r Mitte des Festigkeitsbereichs der jeweiligen Klassen liegen. Bei einer der Norm zugrunde gelegten Standardabwei­chung von 30 kpl cm2 (Prül- und Qualitätsstreuung) werden 90 % aller Prüfwerfe eines Zements um weniger als ± 50 kp/cm 2 von seinem Mittelwert abweichen. Das bedeutet eine sehr hohe und völlig ausreichende Sicherheit für das zuverlässige Einhalten einer bestimmten Betonfestigkeit, wenn bei einer Betonmischung vom Mittelwert des Festigkeitsbereichs der jeweiligen Zementklasse ausgegangen wird. Diese neue Regelung dient so nicht nur der Gleichmäßigkeit und Sicherheit; sie fö rdert durch Vereinfachung auch die Rationalisierung und Vereinheitlichung der Betonherstel­lung.

55

1. Allgemeines

Den Baustoff Zement kann man als Erzeugnis nicht unmittelbar verwenden, wie beispielsweise Glas, Ziegel oder Stahl, sondern man stellt aus ihm den eigentlichen Baustoff erst her. Oie Anwen­dungsformen reichen von Mörtel und Beton über BOdenverfesti­gungen und Injektionen bis zum zementgebundenen Anstrich; da­bei dürfte die Verarbeitung zu Beton sicherlich mehr als drei Viertel der Zementverwendung ausmachen.

Oie Herstellung und Verarbeitung des Betons verlagert sich stän­dig mehr von einer ursprünglich weitgehend h andwerklichen Tätig­keit au f eine zunehmende industrielle Fertigung. Ursache hierfür sind die durch steigenden Kostendruck erzwungene Rationalisie­rung, aber auch eine angestrebte Nutzung höherwertiger Betone. Hand in Hand damit ging die Entwicklung sowohl der Technologie als auch der dafür notwendigen technischen Einrichtungen, d. h. der Aufbereitungs- und Verarbeitungsanlagen. Oie Betonherstel­lung im industriellen Maßstab hat bereits in den letzten Jahr­zehnten einen hohen Grad angenommen. So werden heute rd. 30 010 des Zements zu Belonwaren und -fertigteilen verarbeitet , weitere rd . 30 °/0 zu Transportbeton, und auf zahlreichen MitteI­und Großbaustellen werden mobile, weit entwickelte Betonauf­bereitungsanlagen benutzt.

Die zunehmenden Anforderungen an die Güte, Gleichmäßigkeit und Wirtschaftlichkei t des Betons bedingen nicht nur teurere Ferti­gungsanlagen, sondern auch entsprechend gesteigerte Anforde­rungen an die Ausgangsstoffe des Betons, also an Zement und Zuschlag.

Die industrielle Herstellung des Massenbaustoffs Beton fordert somit auch einen homogenen, in den Eigenschaften immer gleich­mäßigen Ausgangsstoff Zement. Demgegenüber tritt für den Durchschniltsfall diese oder jene Eigenart einzelner Zemente im­mer stärker zurück.

Daneben veranlaßt die Vielfalt der Anwendungsgebiete allerd ings auch eine zunehmende Nachfrage nach zusätzlichen Sondereigen~

schaften. Sondereigenschaften können bei besonderen Verhält­nissen der Verarbeitung des Betons nützlich sein, z. B. bei der Herstellung von Schleuderbeton, oder für Bauteile notwendig werden , an die Forderungen hinsichtlich chemischer Widerstands-fähigkeit oder Farbe gestellt werden. .

All dem wurde bei der Neubearbeitung der Zernentnorm OIN 1164, die vor mehr als 10 Jah ren aufgenommen und Mitte letzten Jahres abgeschlossen wu rde, Rechnung getragen, soweit dies der Stand der Zementtechnik erlaubt.

2. Zement - Erzeugnis der Sielne-und-Erden-Industrie

Zement ist ein hydraul isches Bindemittel, das als Zementleim (Gemisch aus Zement und Wasser) die Gesteinskörner des Zu­schlags verbindet. Dieses Bindemittel benötigt nur Wasser, er­härtet dann selbständig sowohl an Luft als auch unter Wasser und bleibt wasserfest sowie unter allen gewöhnlichen Umweltbedin­gungen beständig. Kein anderes organisches oder anorganisches Bindem itte l weist zugleich d iese Sonderhei ten auf.

56

Im Jahre 1970 wurden in der Bundesrepublik Deutschland nahezu 35 Mill. t Zement verbaut. - Zum Umfang und zu der Vielartigkeit der Anwendung trägt sicher auch der niedrige Preis bei, der ab Werk trotz aller Kostensteigerungen der letzten Jahre noch immer unter 0,05 DM /kg liegt. Das ist nur durch die Weiterentwicklung der Verfahrenstechnik der Zementherstellung ermöglicht worden, die zwar zu hohen Investitionen führte, jedoch den Arbeitsauf· wand auf unter 1 Std. je Tonne Zement gesenkt hat. Die großen Maschineneinheiten - Drehrohröfen mit einer Leistung von über 3000 t je Tag und Zementmühlen mit über 100 t je Std. - haben zusammen mit der verfeinerten Meß· und Regeltechnik wesentlich zur Vergleichmäßigung der Zementeigenschaften beigetragen.

Dennoch ist zu beachten, daß es sich bei Zement um ein Massen· erzeugnis der Steine·und·Erden·lndustrie handelt , dessen Basis wenig einheitliche mineralische Rohstoffe sind, die aufbereitet und verhüttet werden (Gesteinshültenbetrieb). Gewisse Eigenheiten eines Rohstoffvorkommens müssen dabei hingenommen werden, weil sie mit wi rtschaftlich vert retbarem Aufwand nicht zu ändern sind. Zwar ist es in gewissen Grenzen möglich, fehlende Kompo­nenten zu ergänzen ; es ist jedoch kaum möglich, zu stark im Roh· material vertretene Stoffe vor der Verarbe itung zu entziehen.

Die Zemente können wohl auf wesentliche Eigenschaften, wie z. B. eine 28-Tage-Druckfestigkeit, eingestellt werden, andere Eigen­schaften , wie z. B. die früheren Festigkeiten. sind dann aber durch das Rohstortvorkommen weitgehend geprägt und nur in Grenzen veränderbar. Bei weniger widltigen Eigensdlaften, wie z. B. der Mahlfeinheit, sind Schwankungen, die allerdings bautechnisch kaum spürbar sind, sogar unvermeidlich, weil die Mahlfeinheit eine wichtige Regelgröße für eine gleichmäßige 28-Tage-Festig­keit ist.

3. Prüfverfahren - Grundlage der Normung

Schon in der ersten Zementnorm aus dem Jahre 1877 waren Prü­fungen und Anforderungen für die drei kennzeichnenden und wichtigsten Eigenschaften des Zements (langsames Erstarren, Ent­wicklung der Festigkeit und Beständigkeit nach dem Erhärten) ent­halten ; sie gehören wegen ihrer Bedeutung auch heute noch zum wesentlichen Bestand der neuesten Zementnorm.

Auch das Wesen der Zementnorm hat sich in Deutsch land über die vielen Jahre hinweg nicht geändert ; sie ist u. a. zugleich eine Stoff-, Prüf· , Güte- und Liefernorm I).

Güte- und Liefernormen setzen Prüfverfahren und Maßstäbe vor· aus, au f die sich die Güteanforderungen beziehen und die dem Nachweis der LieferverpfHchtung dienen.

Die Erwartungen des Verbrauchers richten sich unmittelbar auf den mit Zement hergestellten Baustoff, also auf Beton , und nur mittelbar auf den Zement, von dem allerdings ein entscheidender

') Grundsätzlich ist z. B. zwischen Abmessungsnormen , Stoffnormen, Güte­normen, Prüfnormen, Verfahrensnormen, Liefernormen u. a. m. zu unter­scheiden. Vie le Normen schließen jedoch mehrere dieser Typen ein.

57

Beitrag für die gewünschten Eigenschaften des Betons erwartet wird. Da die Eigenschaften des Betons vo n vielen weiteren Ein­flüssen abhängen. sind mit den Eigensdlaften des Zements allein nicht ohne weiteres auch bestimmte Betoneigenschaften gewähr­leistet ; hierzu sind weitere betontechnologische Bedingungen zu erfüllen. Aus dem gleichen Grund kann man daher auch nimt aus den Eigenschaften des Betons ohne weiteres auf die Eigenschaften des Zements schließen, wie dies in der Praxis häufig irrtümlicher­weise unterstellt wird.

Andererseits besteht ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers an dem Beitrag des Zements zu den Eigenschaften des Betons. insbesondere zur Festigkeit des Betons. Die Prüfverfahren für Zement und die darauf bezogenen genormten Güteanforderungen müssen daher ein Maß für die bautechnischen Eigenschaften des Zements im Beton sein.

Für eine Güte- und Liefernorm würden Prüfverfahren , die nur die bautechnischen Eigenschaften des Zements erfassen, möglicher­weise ausreichen. Die Zementnorm ist jedoch auch eine Stoffnorm . die für die Erzeugung einen Rahmen gibt, in dem die gewünschten bautechnischen Eigenschaften erreichbar sind. Die bloße Nach­prüfung des fertigen Zements reicht also nicht aus ; z. B. müssen von der chemischen Zusammensetzung des Rohstoffs oder seiner Feinheit her schon vielfält ige Messungen, Steuerungen und Rege­lungen bereits am Ausgangspunkt der Erzeugung einsetzen.

Allgemein sollte jedes Prüfverfahren drei grundlegenden Bedin­gungen entsprechen. Zunächst muß es aussagekräftig hinsichtlich des Prüfzwecks sein; das ist an sich selbstverständlich, wird jedoch bei der Entwicklung von Prüfverfahren manchmal weniger beachtet. Prüfverfahren, die bei der Beurte ilung maßgeblicher Eigenschaften eine graduelle Abstufung erlauben, sind im allgemeinen aussage­krärtiger. Bei Randbedingungen , die weniger wesentlich sind, deren Bestehen lediglich eine Voraussetzung für die Brauchbar­keit ist, können sogenannte Ja-Nein-Prüfungen sogar zweck­mäßiger sein.

Prüfverfahren müssen außerdem in jedem Fall eine ausreichende Reproduz ierbarkeit aufweisen, d. h., wenn man mit dem gleichen Stoff die gleiche Prüfung durchführt, dann sollte man in jeder Prüfstelle Prüfergebnisse mit möglichst kleiner Abweichung er· halten. Natürlich nimmt mit abnehmender Prüfstreuung die Schärte der Beurteilung des Erzeugnisses zu . Es ist jedoch nicht sinnvoll, der Reproduzierbarkeit eines Prüfverfahrens auf Kosten seiner eigentli chen Aufgabe unbedingten Vorrang zu geben; denn es kann durchaus ein Prüfverfahren mit hoher Aussagekraft, aber noch angemessener mäßiger Reproduzierbarkeit zweckmäßiger sein als ein umgekehrtes Verhältnis.

Zum Dritten sollte ein Prüfverfahren möglichst einfach und mit be· grenztem Aufwand auszuführen sein. Letzteres gilt vor allem für verhältnismäßig billige Massenerzeugnisse, wie z. B. Zement. Häufig läßt sich eine über das erforderliche Mindestmaß hinaus­gehende Reproduzierbarkeit nur mit wesentlich höheren Kosten erreichen.

Im Hinblick auf die besondere Bedeutung eines Prüfverfahrens für die bautechnische Beurteilung des Zements liegt der Gedanke

58

nahe, Zement mittels Beton zu prüfen. Da die Eigenschaften des Betons jedoch nicht nur vom Zement, sondern in gleichem oder stärkerem Maße von anderen Einflußgrößen abhängen, wie z. B. dem Wasserzementwert, müßten alle diese anderen Einflüsse gleichgehalten werden , was zu einer tür die Zementprüfung fest­zulegenden Normbeton-Mischung führen würde. Soweit dem Ver­fasser bekannt, ist dieser Weg - allerdings aus anderen Grün­den - bislang lediglich in Großbritannien 1958 [1] zusätzlich tür eine Prüfung der Zementfestigkeit beschritten worden. Dabei ist für den Beton kein bestimmter Normzuschlag vorgeschrieben worden, sondern es kann jeder irgendwo verfügbare natürliche Zuschlag, der bestimmten Eigenschaften entspricht, verwendet werden. Es kann trotzdem nicht unbeachtet bleiben , daß die verschiedenartigen Zuschläge dabei zu gewissen systematischen Unterschieden in der Festigkeit Anlaß geben können.

Ob eine Normbeton-Mischung für den Festigkeitsbeitrag des Ze­ments im Beton aussagekräftiger ist als eine zweckmäßig zusam­mengesetzte Normmörtel-Mischung, wie sie alle anderen Zement­normen vorschreiben , erscheint fraglich, insbesondere weil auch die Normbetonmischung nur einen bestimmten Wasserzementwert vorsieht. Die Reproduzierbarkeit dürfte auf keinen Fall besser, sondern eher schlechter sein. Auf jeden Fall wäre eine solche Prüfung wesentlich aufwendiger, zum einen wegen der großen Mengen Normzuschlag und zum anderen wegen der wesent­lich größeren Prüfkörper, Geräte, Lagerbehälter und Prüfmaschi­nen. Außerdem würde die Prüfung anderer bautechnischer Eigen­schaften, wie z. B. des Erstarrens, der Raumbeständigkeit oder des Sulfatwiderstands, mit der Normbeton-Mischung einen unge­wöhnlich großen Aufwand verlangen .

Solange man daher Zement prüft und normt - also seit rd. 100 Jahren - , hat man alle bautechnischen Eigenschaften nicht un­mittelbar, sondern mittelbar durch sogenannte Ana logie-Prüfver­fahren untersucht und beurteilt, die mehr oder wen iger aussage­kräftig im Hinblick auf das Verhalten des Zements im Beton sind. Bei einigen Verfahren gehen daher die Auffassungen der Fach­leute auseinander, ohne daß es in diesen Fällen bisher gelungen ist, ähnlich einfache, jedoch aussagekräftigere Verfahren zu finden. Den weiteren allgemeinen Anforderungen an Prüfverfahren ge­nügen sie jedoch, d. h., sie haben eine ausreichende Reproduzier­barkeit, sie sind meist einfach und erfordern auch nur einen zu­mutbaren Aufwand.

4. Zement - Hauptbeslandteile und Zementarten

Der feingemahlene Zement besteht im wesentl ichen aus bestimm­ten Verbindungen von Calciumoxid, Siliciumdioxid, Aluminium­oxid und Eisenoxid , die im allgemeinen künstlich durch Sintern oder Schmelzen entstanden sind oder an einzelnen Stellen als puzzolanischer Rohstoff (Traß) in der Natur vorkommen. Die deutsche Zement norm DIN 1164, Ausgabe Juni 1970, führt als Hauptbestandteile Portlandzementklinker, Hüttensand (granulierte Hochofenschlacke) und Traß auf sowie als Nebenbeslandteile u. a. das zur Regelung des Erstarrens zugesetzte Calciumsulfat

59

4.1 Portlandzementklinker

Portlandzementklinker entsteht durch Brennen bis zur Sinterung einer fein aufbereiteten Mischung aus Kalkstein und Ton, die in der Natur als Kalkmergel vorkommt oder aus mehreren Rohstoff­komponenten zusammengesetzt wird. Träger der Erhärtung sind im wesen tlichen die beim Brennen entstehenden Verbindungen des Kalks mit der Kieselsäure, die Calciumsilicate. Das Rohmehl muß jedoch einen geringen Anteil an Tonerd e und Eisenoxid be­sitzen, weil nur dann die Calciumsilicate mit einem technisch und wirtschaftlich zu vertretenden Aufwand beim Brennen entstehen. Fein gemahlener Portlandzementklinker erhärtet selbständig.

Bei dem Zement als einem in großen Mengen hergestellten Ge­steinshüttenerzeugnis kann man nicht unterstellen, daß es voll­ständig homogen ist, d. h., daß jedes Zementkorn gen au die gleiche chemische Zusammensetzung aufweist oder immer gleich­artig gebrannt ist. Geringfügige Unterschiede sind unvermeidbar. Damit jedoch der aus dem Werksbetrieb stammende Anteil an nichtgebrannten Stoffen so klein bleibt, daß er keinerlei nach­teiligen Einfluß hat, begrenzt die neue Norm den GlühverJust, den Kohlendiox idgehalt und den unlöslichen Rückstand des fertigen Zements. Dadurch werden auch mögliche Beimengungen , wie z. B. andere Mineralstoffe, in einem zum Regeln des Erstarrens zu­gegebenen Gipsstein mit erfaßt. Der damit abgegrenzte höchst­zulässige Gehalt an nichtgebrannten Bestandteilen schließt mit Sicherheit jeden nachteiligen Einfluß aus. (Als einzige Zement­norm schreibt dementsprechend die DIN 1164 eine Grenze für den Koh lendioxidgehalt vor, die Carbonate, die beim Salzsäureauf­schluß als solche nicht erkennbar werden, wirksam begrenzt.)

4.2 Hüttensand

Gran ulierte Hocho fenschlacke bezeichnet man als Hüttensand; er entsteht durch schnelles Abkühlen feuerflüssiger Hochofenschlacke aus dem Eisenhüttenbetrieb. " Saure" Schlacken sind im allge~ meinen weniger geeignet. Daher schreibt die deutsche Norm vor, daß das Gewicht!:iverhältnis von Kalk plus Magnesia plus Tonerde zu Kieselsäure gleich oder gröBer 1,00 ist. Diese Formel schließt Hüttensande aus, die in der Mischung mit dem Portlandzement­klinker (z. B. tür Eisenportland- oder Hochofenzement) zur Erhär­tung nichts oder zuwenig beitragen ; andererseits sind jedoch nicht alle Hüttensande, die der Formel entsprechen, besonders geeignet. Aus diesem Grunde weisen ausländische Zementnormen dieses Beurteilungskriterium häufig nicht au f, nehmen aber an­dererseits in Kauf, daß möglicherweise wenig hydraul ische Hütten­sande Verwendung finden. Fein gemahlener Hütlensand ist latent hydraulisch, d. h., er bedarf im wesentli chen eines Anregers , um die ihm eigene Hydraulizität hinreichend schnell zu entfalten. Als Anrege r ist in Deutsch land bei Normzement nur Portlandzement­k linker zugelassen . Andere Anreger, wie z. B. Kalk und Sulfat, wären gleichfalls möglich , liefern jedoch insgesamt weniger gün­stige Bindemittel.

4.3 Traß

Traß ist ein natü rl icher, puzzolanischer Stoff, d. h., er enthält durch Reaktion mit Kalk hydraulische Eigenschaften. Der genormte Traß-

60

zement ist ein fein gemahlenes Gemisch aus Portlandzement~

klinker und Traß, bei dem der während des Erhärtens des Port~ landzementklinkers abgespaltene Kalk mit dem Traß hydraulische Verbindungen eingeht. Traß muß den Anforderungen der Traß~ norm D1N 51043 entsprechen. Seine Puzzolanität wird mit einem Traß~Kalk-Normmörtel nachgewiesen, der nach Wasserlagerung bestimmte Mindestfestigke iten erreichen muß.

In Italien prüft man nicht den puzzolan ischen Stoff, sondern den fertigen Puzzolanzement, der erstens eine ausreichende Festigkeit aufweisen und bei dem zweitens als Nachweis der puzzo lanischen Reaktion der Kalkgehalt des Wassers einer Puzzolanzement~

Wasse r~Suspens io n unterhalb der Ka lksättigung liegen mu ß.

4.4 Zementarten

Die verschiedenen genormten Zementarten unterscheiden sich stofflich durch unterschiedliche Anteile der drei Hauptbestandteile. In die neue deutsche Norm wurden jedoch nur Mischungen aus Portlandzementklinker und jeweils einem der beiden anderen, nicht selbständig erhärtenden Hauptbestandteile (Hüttensand bzw. Traß) aufgenommen . Andere Zemente, wie Traßhochofen~ zement und Ölschieferzement, die jeweils nur in einem Bundes­land erzeugt werden, dürfen jedoch ebenfalls gemäß ih rer bau~ aufs ichtlichen Zulassung für tragende Beton- und Stahlbetonbau~ teile verwendet werden.

Bezogen auf die Hauptbestandtei le weisen die vier genormten Zementarten die in Tafel 1 wiedergegebene Zusammensetzung auf.

Tafel 1 Zusammensetzung der Normzemente nach DIN 1164 (Juni 1970) Summe aus PorliandzemenlkJinker und Hüllensand bzw. Traß gleich 100%

gesetzt

Porttandzement-Hüllensand Traß

Zementart klinker

Gew.-o:, Gew.· ... Gew.·~o

Portlandzemenl 100 - -

~isenportlandzement 65 .. 99 1, _ 35 -Hochofenzement 15 .. 64 3. 85 -Traßzemenl 60 .. 80 - 20 ... 40

Die fü r Hüttensand charakterist ischen Eigenschaften wi rken sich naturgemäß mit zu nehmendem Anteil stärker auf die Zement­eigenschaften aus ; praktisch besteh t ein kontinu ier licher Übergang vom Portlandzemen t über den Eisenportlandzement mit geringem Hüttensandgehalt zum hüttensandreichen Hochofenzement mi t ei nem Anteil von 70 bis 85 Gew.-o/o. Der zwischen Eisenportland ~

und Hochofenzement jetzt in der neuen deutschen Zementnorm festgelegte Grenz-Hüttensandgehalt von 35 Gew.-Ofo ist weniger durch bautechnische Eigenschaften bedingt als vielmehr eine Konvention , die der ISO-Empfehlung Nr. 771 folgt. Auch für den

61

in einigen Ländern zusätzlich festgelegten Mindesthüttensand· gehalt von 20 Gew.-o/o für Eisenportlandzement gibt es kaum eine bautechnische Begründung . Demgegenüber haben Hochofen· zemente mit hohem Hüttensandgehalt, insbesondere jene mit mehr als 70 Gew.-O/o Hüttensandanteil , eindeutig besondere bautech· nische Eigenschaften, z. B. hohen Sulfatwiderstand und im all· gemeinen auch niedrige Hydratationswärme.

Traßzement muß einen Traßgehalt von wenigstens 20 Gew.-ofo auf­weisen, damit sich die besonderen Eigenschaften des Trasses, z. B. sein Wasserrückhaltevermögen, im Frischbeton durch den Traßzement entsprechend auswirken.

Bei der Herstellung von Eisenportland-, Hochofen- und Traß­zement müssen Portlandzementklinker und Hüllensand bzw. Traß im Werk gemeinsam miteinander vermahlen werden. Technisch ist es auch möglich, diese Stoffe getrennt zu vermahlen und dann homogen zu vermischen . In der Norm ist jedoch nur die gemein­same Vermahlung aufgenommen worden, weil hierdurch eine homogene Verteilung der Ausgangsstoffe ohne weiteres sicher­gestellt ist. Diese Voraussetzung wäre anderenfalls nur mit be­sonderen Verfahren möglich, die bislang in der Zementindustrie noch nicht allgemein üblich und erprobt sind. Aufgabe einer Norm ist es jedoch, den häu figer angewendeten und gesicherten Stand zu erfassen, während für abweichende Verfahren allgemein der Weg über eine besondere Zulassung möglich ist.

5. Erstarren

Das Erstarren des Betons hängt von vielen Einflußg rößen ab. Zwar bewirkt immer der Zement das anfängliche Versteifen, das in zu­nehmendes Erhärten übergeht, doch können sich andere Einflüsse, wie z. B. die Konsistenz, die Temperatur oder der Wasserzement­wert , u. U. wesentlich stärker auf den zeitlichen Ab[auf auswirken als das hinsichtlich des Erstarrens unterschiedliche Verhalten ver­schiedener Zemente.

Die Baupraxis stel[t die Forderung, daß der Beton nach dem An­machen ausreichend lange verarbeitbar bleibt. Welcher Zeitraum hierfür angemessen ist, darüber gehen die Meinungen ausein­ander. Schwierig ist eine einheitliche Beurteilung beim Beton, weil es bislang kein allgemein übernommenes Prüfverfahren für sein Erstarren gibt. Man kann zwar durch das Messen der Konsistenz in bestimmten Zeitabständen das Versteifen des Betons erfassen, Regeln für die Durchführung und Auswertung gibt es jedoch nicht. Immerhin bietet die amerikanische Norm ASTM C 403-70 [21 ein Verfahren, mit dem die Versteifung durch den Widerstand eines Stabes beim Eindrücken in den Feinmörtel des Betons gemessen wird.

Das Erstarren des Zements wird praktisch auf der ganzen Welt mit dem Nadelgerät nach Vicat geprüft (siehe DIN 1164 Blatt 5) , bei dem der Widerstand eines nur mit Wasser angemachten Zement­breis gegen das Eindringen einer zylindrischen Nadel von 1 mm2

Querschnitt gemessen wird. (Die amerikanischen Prüfnormen füh­ren neben dem Gerät von Vicat auch das Gerät von Gillmore auf, das nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet.)

62

Der frisch angemachte Zementbrei muß bei der Prüfung nach Vicat eine vorgeschriebene Konsistenz haben, die man als Normsteife bezeichnet und die man mit dem gleichen Gerät bestimmen kann, indem man die Vicatnadel durch einen Tauchstab ersetzt. Je nach der Mahlfeinheit des Zements, seiner Zusammensetzung und auch je nach der Intensität der Bearbeitung des Zementbreis beim An­machen von Hand benötigt der Zement für die Normsteife einen verschieden hohen Wasserzusatz zwischen 23 und 30 Gew.-Ofa.

Die rein konventionellen Festlegungen dieses Prüfverfahrens gehen aus der stark vereinfachten, schematischen Darstellung in Bild 1 hervor. Ausgangspunkt ist ein Zementbrei mit Normsteife. Mit zunehmender Zei t nimmt auch der Widerstand gegen Verfor­mung zu, zunächst wenig, dann stärker, bis das Erstarren in das Erhärten übergeht. Den Erstarrungsbeginn hat man so definiert, daß die Vicatnadel mit einem Gewicht von 300 g durch eine 40 mm dicke Breischicht nicht mehr ganz durchstößt, sondern 3 bis 5 mm über dem Boden der Schicht steckenbleibt. Der Widerstand beim Erstarrungsende muß so groß sein, daß die Nadel höchstens 1 mm in den erstarrten Brei eindringt. Durch wiederhaltes Prüfen an dem versteifenden Zementbrei wird die Zeit nach dem Anmachen bis zum Erstarrungsbeginn und bis zum Erstarrungsende festgestellt.

Das Prüfverfahren mit dem Nadelgerät ist einfach und erfordert keinen großen Aufwand. Die Reproduzierbarke it ist allerdings nicht besonders gut. So betrug bei einer größeren Vergleichs­prüfung die Standardabweichung für den Erstarrungsbeginn rd . 30 Minuten, was einem Variationskoeffizienten von über 16 °/0 ent­sprach. Die DIN 1164 Blatt 5, Fassung Juni 1970, sieht darum vor, daß der Zementbrei nicht mehr von Hand, sondern 3 Minuten im Mörtelmischer gemischt wird, um die Reproduzierbarkeit zu ver­bessern.

ErsforrungsBnde - -------- --------..... ---------

Erstarrungsbeginn

Normstelfe

Zeit in Stunden

Bild 1 Schematische Darstellung des Versteilens von Zementbrei (Ermittlung des Erstarrung sbeginns und -en des eines Zements)

63

Ob die Ergebnisse mit dem Vicatgerät direkt auf das Verhalten des Zements im Beton übertragen werden können - ob also z. B. ein doppelt so langer Erstarrungsbeginn nadl Vicat auch eine doppelt so lange Verarbeitungszeit eines Betons ergibt -, ist nach Wissen des Verfassers bis lang noch nicht untersucht oder ver­öffentlicht worden, vermutlich , weil es für das Erstarren des Betons kein geeignetes Prüfverfahren gibt. Man kann daher auch nicht umgekehrt aus den Erfordernissen der Betonpraxis die Grenz­werte für das Verfahren nach Vicat ableiten , sondern man kann allenfalls beurteilen, ob die bisherigen Fest legungen den prak­tischen Bedürfnissen en tsprechen. Wie bisher sch reibt die DIN 1164, Fassung Juni 1970, vor, daß der Erstarrungsbeginn nicht vor einer Stunde eintreten dart und daß das Erstarrungsende inner­halb von 12 Stunden eingetreten sein muß.

Bautechnische Bedeutung hat im allgemeinen nur der Erstarrungs­beginn. Die Festlegung, daß der Erstarrungsbeginn nicht vor einer Stunde eintreten darf, reicht im allgemeinen für die Praxis aus. Für Betonwaren kann im Hinblick auf eine baldige Mindeslfestig­keit des jungen Betons ein Erstarrungsbeginn , der nur wenig über einer Stunde liegt, erwünscht sein. Umgekehrt kann für Transport­beton im Hinblick auf ein vorzeitiges Ansteiten bei sehr langen Anfah rwegen ein später eintretender Erstarrungsbeginn zweck­mäßig sein.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Auswertung von 43 internationalen Zementnormen nach [3]. Fünf Länder erlauben einen Erstarrungsbeg inn bereits nach 30 Minuten, ungefähr ein Drittel der Länder nach 45 Minuten und nahezu die Hälfte aller Länder nach einer Stunde. In einem Land wird ein Erstarrungs­beginn frühestens nach 3 Stunden vorgesch rieben.

Tafe l 2 Fes tlegung über Erstarrungsbeginn und -ende in verschiedenen Ländern nach [3]

Erslilrrllngsbe gtnn Erslarrllngsende

Zell In Mlnulen Anzahl

der Lander Zell In Slunden

fruheslens nach 30 5 fruhcstens nach 3 frühestens nach 40 fruhestens nilch 4 fruhestens nach 45 14 spätestens naCh 6 fruhestcns nach 60 20 fruhestens nach 7 frühestens nach 120 spateslens nach 8 frühestens nach 150 spätestens naCh 10 frühestens nach 180 spatestens nach 12

spalestens nach 15

Anzahl der Umder

2

1 3

14 8 2

Etwa ein Viertel aller Lander verzichtet auf eine zeitliche Begren· zung des Erstarrungsendes, was nach Auffassung des Verfassers auch ke ine nach teiligen Folgen haben muß, da der Zement zu· sälz lich nach bestimmten Zeiten den Festigkeitsansprüchen ge· nügen muß. Die Hälfte aller Länder schreibt jedoch ein Erslar· rungsende innerhalb von 10 oder 12 Stunden vor, so auch Deutsch­land. Im Hinblick auf den 8-Stunden·Arbeitstag ist die Prüfung

64

des Erstarrungsen des, das für durchschnittliche Verhältnisse des Betonbaus keine bautechn ische Bedeutung hat, nicht praktisch, so daß bei einer späteren überarbeitung diese Festlegung überprüft werden sollte.

Insgesamt entsprechen die Festlegungen hinsichtlich des Erstar­rens in der neuen deutschen Zementnorm den international am weitesten verbreiteten Gepflogenheiten.

6. Erhärten des Zements - Festigkeitsklassen

Der erstarrte Zementleim gewinnt zunehmend an Festigkeit und wird damit zum Zementstein. Die Festigkeit von Normalbeton wird im wesentlichen nur vom Wasserzementwert und von dem Festig­keitsbeitrag des jeweiligen Zements bestimmt. Sowohl das Prüf­verfahren für die Festigkeit des Zements als auch die auf den Prüf­ergebnissen beruhende Einteilung der Zemente in Festigkeits­klassen müssen den Festigkeitsbeitrag des Zements im Beton zuverlässig erfassen und kennzeichnen.

6.1 Prüfverfahren für die Festigkeit des Zements

Wenn man von der bereits erwähnten , in Großbritannien alternativ zugelassenen Festigkeitsprüfung des Zements mit einem Norm­beton absieht, dann wird - soweit dem Verfasser bekannt - aul der ganzen Welt die Festigkeit des Zements an genormten Ze­mentmörteln geprüft. Die Festlegungen hinsichtlich des Prüfmörtels sind in den einzelnen Ländern allerdings sehr verschieden. Die unterschiedlichen Festlegungen gehen im Grunde auf die ver­schiedene Beantwortung der beiden Fragen zurück,

1. ob man einen gleichen Wassergehalt für alle Zemente fest­legen oder eine gleiche Mörte lkonsistenz für jeden Zement einstellen soll und

2. ob man die Konsistenz so weich festlegen soll , daß keine Ver­dichtung nötig ist, oder ob man bei einem steiferen Mörtel die Verdichtung genau festlegen soll.

Wie in den meisten anderen Ländern sieht die neue deutsche Zementnorm - ebenso wie die vorangegangenen Ausgaben - einen konstanten Wassergehalt für den Normmörtel vor. Dieser Ent­scheidung liegt die Überlegung zugrunde, daß der Wasseranspruch üblichen Betons für eine bestimmte Konsistenz in erster linie vom Zuschlaggemisch bestimmt wird und daß man daher den Einfluß des Zements auf die Konsistenz vernach lässigen kann. Dies tr ifft sicherlich für Betone mit geringem und mittlerem Zementgehalt sowie für Zemente geringer und mittlerer Feinheit zu. Sehr ze­mentreiche Betonmischungen (mehr als 350 kg/m3) aus Zementen sehr hoher Mahlfeinheit (mehr als 5000 cm2/ g) haben jedoch einen deutlich höheren Wasseranspruch für eine bestimmte Konsistenz. Die bei einer Zementprüfung mit einem konstanten Wassergehalt an sehr feinen Zementen ermitte lten hohen Festigkeiten ergeben daher häufig wegen des gesteigerten Wasseranspruchs unter bau­praktischen Bedingungen keinen entsprechend hohen Festigkeits­beitrag im Beton. Da die Zemente mit sehr hoher Mahlfeinheit nur einige wenige Prozente der Erzeugung ausmachen, ist es gerecht­fertigt, die tür die überwiegende Zahl aller Zemente brauchbare

65

Beurteilung durch einen Prü fmörtel mit konstantem Wassergehalt zu wählen.

Nach der amerikani schen Prüfvorschrift ASTM C 109-70 wird an­dererseits der Wassergehalt nich t konstant festgelegt, sondern muß so groß gewählt werden, daß der Prüfmörtel eine vorgeschriebene Konsistenz aufweist. Sehr feine Zemente w erden nach dieser Norm au fgrund ihres meist größeren Wasseranspruchs mit einem höheren Wasserzementwert geprüft als grobe und mittelfeine Ze­mente und liefern daher eine relat iv kleine re Normfestigkeit als bei Prüfung mit konstantem Wassergehalt.

Bei der Prüfung mit konstantem Wassergehalt ist dieser in den Zementnormen der verschiedenen Länder unterschiedlich hoch . Ausgedrückt als Wasserzementwert liegen d ie Festlegungen in dem weiten Bereich von 0,30 bis 0,65. Da es sich immer um sehr zementreiche Prüfmörtel handelt, wird die Konsistenz des Prüf­mörtels vom Wasserzementwert bestimmt. So entsteht mit einem Wasserzementwert von 0,30 ein pastenförmiger Zementleim, mit einem Wasserzementwert von 0,65 hingegen ein dünnflüssiger Zementleim. Dabei ist auch zu beachten, daß schon Zementleime mi t Wasserzementwerten über 0,40 je nach Zement mehr oder weniger zum Wasserabsondern (Bluten) neigen.

Konsistenz und Wasserabsondern hängen ferner vom Normsand im Prüfmörtel ab, und zwar sowohl von dem Mischungsverhältnis Zement zu Normsand als auch von der Kornzusammensetzung des Normsands. Das Mischungsverhältnis Zement zu Sand ist in aHen Normen festgelegt; in 38 von 44 Ländern beträgt es 1 : 3 [4}. In Japan gilt ein Mischungsverhältnis von 1 : 2, in den USA sowie in weiteren vier amerikanischen Staaten ein Mischungsverhältnis von 1 : 2,75. Die neue deutsche Zementnorm - ebenso wie die voran­gegangenen Ausgaben - verwendet ebenfal ls ein Mischungsver­hältnis 1 : 3 und entspricht darin ebenso wie in anderen Fest­legungen der ISQ-Recommendation No. 772. Diese ISO-Empfeh­lung gibt das Prüfverfahren wieder, das in den 50er Jahren von den im Cembureau zusammengeschlossenen westeuropäischen Zementinstitu ten (Federführung Belgien) ausgearbeitet wurde und das auch von R1LEM übernommen wurde.

Die Kornzusammensetzung der Normsande unterscheidet sich in den verschiedenen No rmen zum Teil erheblich, sowohl was das Größtkorn und den Verlau f der Sieblinie als auch was die zu läs­sigen Abweichungen betrifft. Der neue deutsche Normsand weist eine stetig verlaufende Sieblinie mit eng b eg renzten zulässigen Abweichungen und einem Größtkorn von 2.0 mm auf. Der Norm­sand der bisherigen deutschen Zementnorm (Ausgabe 1942) setzte sich aus zwei eng begrenzten Korngruppen mit einem Größtkorn von 1,25 mm zusammen und entsprach einer " Ausfallkörnung". Der neue Normsand mit stetiger Kornverteilung hat den Vorteil. daß sein Wasserrückha ltevermögen wesen tlich größer ist als das des bisherigen Normsands, d. h., er wi rkt einem Wasserabsondern (Blu ten) des Prü fmörtels entgegen.

Die deutsche Zementnorm vor 1942 schrieb einen Wasserzement­wert von 0,32 vor, der einen erdfeuchten Normmörtel lieferte. Dieser sehr steife Prüfmö rtel mußte einer starken, defin ierten Ver­dichlung (Einschlagen mit einem Hammerapparat) unterzogen werden. Nach der bisherigen Zementnorm (Ausgabe 1942) betrug

66

der Wasserzementwert 0,60. Dabei entstand weicher Zementmörtel , der sich mit dem Handstampfer le icht verd ichten ließ und bei dem daher die Verdichtungsart und - intensität praktisch ohne Einfluß auf das Ergebnis war. Andererseits neigte dieser Prüfmörte l we­gen seines hohen Wasserzementwerts und seiner wen ig günstigen Kornzusammensetzung des Normsandes zum Wasserabsondern, und zwar um so mehr, je geringer das Wasserrückhaltevermögen des Zements war. Nach dem Wasserabsondern des in der Form verdichteten Prü fmörtels lag der wahre Wasserzementwert daher nicht bei dem Anmachwasserzementwert von 0,60, sondern dar­unter, und zwar - je nach Zement - bis hinab zu 0,50 oder sogar in Einzelfällen noch tiefer.

Diesen Nachteil des unterschiedl ich starken Wasserabsonderns hat der Normmörtel de r neuen deutschen Zementnorm nicht, weil sein Wasserzementwert auf 0,50 vermindert wurde und weil der Normsand mit stetiger Kornverteilung ein besseres Wasserrück­haltevermögen hat. Andererseits bedarf dieser nun nicht mehr weiche, sondern plastische Normmörtel einer definierten Verd ich­tung. Die ISO-Empfehlung schlägt für die Verdichtung einen Schocktisch vor; in der neuen deutschen Norm wurde hierfür ein Rütteltisch vorgeschrieben, der gleiche Ergebnisse liefert, jedoch praktischer in der Handhabung ist. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß der im Vergleich zu früher jetzt zähk lebrigere PrüF­mörtel beim Mischen etwas Luft einzieht und daß das vo llständ ige Austreiben der feinsten Luftporen auch bei intensiver Verdichtung schwier ig ist. Hierauf ist ein Tei l der Prüfstreuungen zurück­zuführen .

Zur Beurteilung der Aussagekraft des Prüfverfahrens wurden ins­gesamt 29 Zemente, die repräsentativ für alle in Deutschland her­gestellten Zementarten und Festigkeilsklassen waren, nach der neuen DIN 1164 (1970), der alten DlN 1164 (1942) sowie ver­gleichsweise auch nach ASTM C 109 geprüft. Außerdem wurde mit allen Zementen ein sonst gleicher Beton hergestellt, der bei einem Zementgehal t von rd. 300 kg/ml und einem Wasserzement­wert von 0,60 eine für die Praxis durchschnittliche Zusammen­setzung aufwies. Zur Auswertung wurde in ersler Linie die 28-Tage-Druckfestigkeit von Zement und Beton herangezogen 2). Bild 2 enlhält die Ergebnisse; auf der Ordinate ist die Betondruck­festigkeit und auf der Abszisse die Zementdruckfesligkeit nach den drei Prüfverfahren aufgetragen.

Lineare Regressionen zwischen der Beton- und der jeweiligen Zementfestigkeit lieferten die in Bitd 2 eingezeichneten Geraden . Die Aussagekraft eines Zementprüfverfahrens hinsichtlich des Festigkeitsbeitrags, den die einzelnen Zemente im Beton leisten , ist um so größer, je näher die Meßpunkte an der jeweiligen Re-

1) Diese Auswertung wird dem amerikanischen Zementprufverfahren ASTM C 109 nich t ganz gerecht, weil bei der Zementp rüru ng eine gleiche Kon~ sistenz des Prüfmörle ls, bei der Betonprürung hingegen ohne Berücksich­tigung der Betonkonsistenz stets die gleiche Zusammensetzung gewählt wurde. Die Unterschi ede in der Betonkonsistenz waren jedoch nich t sehr groß, so daß eine Korreklur keinen großen Einl1uß auf das Ergebnis ge­habt hätte.

67

'" ~ co E2: GD, ~ ..'i' .s: SDO : - --.~.~ .~

i;; -'< o 1100 11--- ._- -_~ '" ~ g {;

" -I? &l Q, & ')' ill

. y . ...::v. •

1 7 '-- • /' ..

V

300

200

100

ASiM eros

--

'"' V

/ y

_.-V .Y

~"'" ~l

- - - - --- - -~~

--;~ ~: • -.--

r.. V-• r-- --

/' ,/

011 11M fit / OI~ 116~ peu o o 100 BOa 300 ~OO 500 600 700 0 100 BOa 300 ~oo 500 600 700 0 100 800 300 ~OO 500 600 700

e8-Toge -Zementtestig/;eit in /;p/cm8

Bild 2 Beziehung zwischen der 2S-Tage-Be tondruckfestigkeit und der 2S-Tage- Zementresligkeit, ermittelt nach ASTM C 109, DIN 1164 all (1942) und DIN 1164 neu (1970; entspricht ISO-Verfahren)

gressionsgeraden liegen. Eine zahlenmäßIge Beurteilung hierfür stellt das Bestimmtheitsmaß dar. Für die drei Zementprüfverfah­ren errechnete es sich für ASTM C 109 zu 56%, für DIN 1164 alt (1942) zu 85 Ofo und für DIN 1164 neu (1970) zu 91 Dfo. Für tech­nische Vorgänge bedeuten bereits Bestimmtheitsmaße über 60 0/ 0

ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und eine Grundlage für Regel ­vorgänge. Das den ISO-Empfehlungen entsprechende Prüfverfah­ren der neuen deutschen Zementnorm DIN 11 64 besitzt somit eine hohe Aussagekraft hinsichtlich des Festigkeitsbeitrags des Ze­ments im Beton. Aber auch das bisherige Prüfverfahren nach D1N 1164 alt (1942) entsprach dieser Forderung, was auch bislang eine verhältnismäßig zuverläss ige Berechnung von Betonmischungen erlaubte.

Neben seiner Aussagekraft muß ein Prüfverfahren reproduzier­bare Ergebnisse liefern . Hierzu wurden um fangreiche Verg leichs­versuche Innerhalb e iner Arbeitsgruppe des Cembureaus, ferner im Arbeitskreis ~ Fest igkeit" des VDZ und im Forschungsinstitut der Zementindustrie durchgeführt. Die Erwartungen hinsichtlich der Reproduzierbarkeit, die möglicherweise ursprünglich etwas zu hoch waren, haben sich b is lang noch nicht ganz erfül lt, obwohl das Prü fverfahren in OIN 1164 Blatt 7 (1970) einschließlich der zulässigen Toleranzen für die Prüfeinrichtungen seh r detailliert besch rieben ist. Nur in Laboratorien , die hinsichtrich der Klima­tis ierung, der Ebenheit der Formen , der Mechanik der Prü f­maschine, der Belastungsgeschwindigkeit u. a. m. einen über das Übliche hinausgehenden Aufwand treiben und deren Laboranten ständig Übung mit der Zementprüfung haben, kann bei Wieder­holungsprüfungen am gleichen Zement eine Standardabweichung von 10 bis 15 kp/cm2 erreicht werden, was einem Variationskoef­fizienten in der Größenordnung von 2 Ofo entspricht. Bei Ver­gleichsversuchen meh rerer, entsprechend gut eingerichteter Labo­ratorien lag die Standardabweichung um 20 kp/cm2• Wenn ver­schiedene Zemenle und alle für die Zementprüfung amtlich aner­kannten Prüfstellen einbezogen wurden, überschritt die Standard­abweichung 25 kp!cm2 deutlich . Ein gleiches Ergebnis wurde auch bei einem Vergleichsversuch unter 6 Referenzlaboratorien der EWG gefunden, bei dem der Variationskoeffizient ebenfalls 5 0/ 0

überschritt. Selbst bei weiterer Einarbeitung mit dem neuen Prüf­verfahren muß damit gerech net werden, daß die durchschnittliche Standardabweichung in der Größenordnung von 20 bis 25 kp!cm2

liegen wird . Das bisherige Prüfverfahren nach DIN 1164 alt (1942) hatte trotz jahrelanger Einarbeitung sogar eine noch etwas größere durchschnittliche Standardabweichung, die vermutlich in erster Lin ie durch das mehr oder weniger unterschiedliche Bluten des Prü fmörtel s bedingt war. Insgesamt kann man das der ISO ent­sprechende Prüfverfahren OIN 11 64 (1970) nach dem derzeitigen Stand als das hinsichtlich Aussagekraft und Reproduzierbarkeit beste Prüfverfahren bezeichnen; das Verfahren ist allerdings nicht ganz einfach, es erfordert hohe Sorgfalt und verursacht auch nicht unbeträchtl iche Kosten .

6.2 Festigkeitsklassen der Zemente

Ebenso wie alle anderen Zementnormen sah auch die bisherige DIN 1164 für die verschiedenen Festigkei tsk lassen nur Mindest-

69

festigkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten vor; sie konnten be­liebig hoch überschritten werden. Die über die nach der Mindest­festigkeit bezeichnete Klasse hinausgehende Oberfestigkeit war von Zement zu Zement untersch iedlich und - insbesondere bei der unteren Klasse Z 275 - teilweise beträchtlich. Daher war die Festigkeitsk lasse auch kein ausreichendes Kriterium für die Be­urteilung des Festigkeitsbeitrags eines Zements im Beton, so daß bei den Zemenlverbrauchern ein berecht igtes Interesse an der wahren Normfestigkeit eines Zements vorlag. Bauaufsichtl ich und rechtl ich hatte die Einteilung nach der Mindestfestigkeit den Nachteil , daß nur die Mindestfestigkeit garantiert und überwacht war, daß daher Schwankungen oberhalb der Mindeslfestigkeit keiner Begrenzung unterlagen und daß dadurch gewisse Unsicher­heiten entstehen konnten.

Die Einteilung der FestigkeitskJassen nach der neuen deutschen Zementnorm will vor all em diesen Mangel beheben. Bei den Über­legungen hierzu wurde von einem Zielwert für die 28-Tag e-Festig­keit ausgegangen, der für al le Zernente einer Klasse unabhängig von ihrer Art anzustreben ist. Nun sind die Einstellmöglichkeiten für die 28-Tage-Druckfestigkeit des Erzeugnisses Zement (siehe auch Abschnitt 2) beschränkt. Wenn z.B. die bestimmte Norm-Druck­festigke it von 450 kp/cm 2 angezielt wird, so ist eine Abweichung davon in einer Größenordnung von rd . ± 20 kp/cm2 dem Einfluß des Herstellers entzogen. Außerdem weist das Prüfverfahren, mit dem die Einhaltung des Zielwerts überwacht wird , die im voran­gegangenen Abschn itt beschriebenen, relativ großen Streuungen auf. Es müssen also Toleranzen von dem Zielwert zugestanden werden, die die sich geometrisch addierenden Prüf- und Qualitäts­streuungen berücksichtigen.

Ursprünglich war daran gedacht - ähnlich wie dies bei anderen Erzeugnissen geregelt ist -, relativ enge Grenzen anzugeben, z. B. ± 50 kp/cm' , die von einer bestimmten Fraktile, z. B. einer 5 %­Fraktile , unter- bzw. übersch ritten werden durften. Diese Regelung hätte jedoch verlragsrechtliche Schwierigkeiten enthalten , weil der Nachweis, ob z. B. nur 5 % aller Werte einer Lieferung unterhalb der Grenze liegen würden , eine Vielzahl von Prüfungen voraus­gesetzt hätte. Man hat sich daher entschlossen, die vom Zielwert abweichenden Toleranzgrenzen bei gleicher statistischer Sicher­heit so groß zu machen , daß jede Einzelprüfung innerhalb dieses Bereichs liegen muß. Da die Prüfstreuung allein bereits 25 kp/cm2

beträgt, wurde für die geometrische Summe aus Prüf- und Quali­lätsslreuung eine Standardabweichung 5 von 30 kp/cm1 zugrunde gelegl (bei der also die Prüfstreuung eindeutig dominiert). Wenn 100 0J0 alter Einzelprüfungen innerhalb des Toleranzbereiches l ie­gen sollen (was nach strenger statistischer Aus legung nicht mög­lieh ist) , dann muß der Bereich wen igstens ± 3 s betragen (ent­spricht 99,7 0/0), d. h., kein Einzelwert darf den Zielwert um mehr als 90 kp/cm 2 unter- oder überschreiten (gewählt wurden in der Norm 100 kp/cm 2).

In die Norm selbst wurde nich t der Zielwert aufgenommen und zur Bezeichnung der Festigkeitsklasse gewählt, sondern aus mehr formalen Gründen (Übereinstimmung mit anderen Baunormen) der untere To!eranzwert als Mindestfestigkeit und der obere Toleranz­wert als obere Festigkeitsg renze, die beide bei keiner Einzel-

70

prüfung überschritten werden dürfen . Die Spanne zwischen un­terer und oberer Fest igkeitsgrenze beträgt mithin 200 kp/ cm2, was auf den ersten Blick groß erscheint. In Wirk lichkeit ist dies eine strenge Forderung ; um sie einzuhalten, muß bei der Zementher­stellung ein Wert in der Mitte zwischen unterer und oberer Festig­keitsgrenze angezielt werden, damit alle Prüfergebnisse innerhalb der zu lässigen Festigke itsspanne liegen. Damit kann man davon ausgehen, daß 90 % aller Festigkeilswerte von d iesem Mittelwert nur um ± 50 kp/cm 2 abweichen (5 0/0- und 95 0 /o-Fraktile) und daß zwei Drittel aller Werte sogar nur um rd. ± 30 kp/cm1 hiervon ab­weichen. Die Grenzen sind in Wirkl ichkeit daher angemessen eng.

Statt der bisherigen Güteklassen Z 275, Z 375 und Z 475 sind in der neuen deutschen Zementnorm die Festigkeitsklassen Z 350, Z 450 und Z 550 festgelegt worden (die Zahlen geben jeweils die Mindestfestigkeit nach 28 Tagen an). Auch wenn man berück­sichtigt, daß durch das neue Prüfverfahren für den gleichen Ze­ment im allgemeinen etwas höhere Festigkeitswerte ermi ttelt werden, so sind doch in der neuen Norm d ie Mindestfestigkeiten um rd. 50 kp /cm 1 angehoben worden. Für die beiden Klassen Z 350 und Z 450 sind die um 200 kp/cm 1 höher liegenden, oberen Festigkeitsgrenzen eingeführt worden. Für die oberste Festigkeits­klasse Z 550 erübrigte sich die Festlegung einer oberen Grenze, weil hier die Technologie der Zementherstellung Grenzen setzt und weil eine nach noch höherer Festigkeit gerichtete Entw ick lung des Zements nicht behindert werden sollte.

Neu geschaffen worden ist außerdem die Festigkeitsk lasse Z 250. Zemente dieser Festigkeitsklasse, die ebenfalls eine um 200 kp/cm2

höher liegende, obere Festigkeitsgrenze aufweist, müssen stets besondere Eigenschaften, wie niedrige Hydratationswärme und/ oder hohen Suifatwiderstand, besitzen. In dieser neuen Klasse, die z. B. für sehr massige Betonbauten zweckmäßig sein kann, werden also ausschließlich Zemente mit besonderen Eigenschaften hergestellt. In anderen Festigkeitsklassen können dagegen zum Teil normale Zemente oder so lche mit besonderen Eigenschaften wahlweise geliefert werden (extreme Wünsche, wie z. B. sehr hohe Festigkeit eines Z 550 und niedr ige Hydratationswärme, schließen sich dabei allerd ings aus zementtechnischen Gründen aus).

Die vier neuen Festigkeitsklassen unterscheiden sich in der Min­destfestig keit nach 28 Tagen um 100 kp/cm 2. Da der Bereich zwi­schen Mindest- und Höchstfes tigkeit 200 kp/cm2 beträgt, über­schneiden sich die zu den einzelnen Klassen gehörenden Festigkeitsbereiche. Unter Berücksichtigung der Ausführungen in Abschnitt 6.1 ist es praktisch nicht mög lich, einen Zement im übersch neidungsbereich zweier benachbarter Festigkeitsklassen herzustellen. Denn fü r jeden Zement ergibt sich bei einer großen Zahl von Prüfungen eine Häufigkeitsvertei lung , wie sie in Bild 3 dargestellt ist. Für Z 350 sind beispielsweise der Mittelwert (450 kp/cm2) sowie unterhalb der Abszisse der gesamte zu lässige Bereich fü r Einzelprüfungen (200 kp/cm 2 von 350 bis 550 kp/cm2)

und die 5 %- bzw. 95 Ofo-Fraktile (400 und 500 kp/cm2) eingetragen . Es l iegen also (siehe Abschnilt 6.1) 90 Ofo aller Werte von EinzeI­prüfungen in einem Kernbere ich von 400 bis 500 kp/cm2• Diese Kernbereiche der einzelnen Festigkeitsklassen überschneiden sich

71

o

z e50 Z 350 Z lISO

100 eOO 300 1100 500 600

eD - Toge-DrucMf.estigl-leit in Hp/cm ß

--kSOilpfcm'k-5% 95 %

aOOilp!cm'

Z 550 l 700 800

Bild 3 Häufigkei tsverte ilung sehr vieler Ei nzelprüfun gen von Zementen, die nach DIN 1164 neu (1 970) hergesle lll werden

somit nicht. Nur jeweils 5 010 der Einzelwerte liegen in dem Kern­bereich der angrenzenden, niedrigeren bzw. höheren Festigkeits­klasse. Wie in Abschn itt 6.1 dargelegt, sind die Gesamtstreuungen in erster Linie auf die Prüfstreuungen zurückzuführen, d. h., die wahre Festig keit und damit der Festigkeitsbeitrag des Zements im Beton werden wesentl ich weniger streuen und innerhalb des Kernbereichs der jeweilig en Klasse liegen.

Die neue Zemenlnorm DIN 1164 (1970) berücksichtigt daher zwei wesent liche Wünsche der Bauaufs icht und der Verbraucher : Sie erzwingt eine für ein Steine- und Erden-Erzeugnis bislang nicht geforderte Gleichmäßigkeit, und sie legt außerdem die Festig­keit aHer Zemente einer Festigkeitsklasse auf einem einheitlichen Niveau fest.

Erst die Voraussetzung einer etwa gleichen mittleren Festigkeit der Zemente einer Klasse und der geringen Streuungen der wah­ren Festigkeit ermöglichte die Aufnahme der Bedingungen für einen " Rezeptbeton " in die neue deutsche Betonnorm DIN 1045 (1971). Tafel 3 gibt den Mindestzementgehalt von Z 350 für Re­zeptbetone mit einem Größtkorn von 32 mm der Fes tigkeitsklassen Bn 50 bis Sn 250 in Abhängigkeit vom Sieblin ienbereich des Zu­schlags und der Konsistenz wieder. Der Zementgehalt muß bei Zement der Klasse Z 250 um 15 % erhöht, er darf bei Z 450 um höchstens 10 % verringert werden. Auch bei einem kleineren Größtkorn als 32 mm muß der Zementgehalt erhöht werden ; an­dererseits kann er bei einem größeren Größtkorn als 32 mm ver­ringert werden.

Die Festlegungen der neuen Zementnorm DIN 1164 (1970) haben ebenfalls Vorteile für Beton B 11 , der aufgrund einer Eignungs­prüfung zusammengesetzt wird . Für den Mischungsentwurf war bisher die Kenntnis der mittl eren Normdruckfestigkeit und mög­licher Schwankungen erforderlich. Nach der neuen Zementnorm

72

Tafel :1 Mindeslzementgehalt für Z 350 nach DIN 1045 (1971) für Beton I mit einem Größtkorn von 32 mm

Festigkeits- SiebJinlen- Mindestzemenlgehall in kg je m3 klasse bereich verdichleten Betons

d" d" für Konsislenzbereich Betons Zuschlags K l ' ) K 2 K 3

SO .) gunslig 140 160 -Bo brauchbar 160 180 -

Bn 100') günstig 190 2 10 230 brauchbar 21 0 230 260

8n 150 günslig 240 270 300 brauchbar 270 300 330

Sn 250 günstig 280 310 3 40 brauchbar 310 340 380

') Nur rur unbewehrten Beton.

kann eine durchschnittliche Normfestigkeit des Zements in der Mitte zwischen untere r und oberer Festigkeitsgrenze sow ie eine Standardabwe ichung (ei nschließlich Prüfstreuung) von 30 kp!cm 2

vorausgesetzt werden. Es ist daher möglich, für jede Festigkeits­klasse unmittelbar die von K. Walz [51 veröffentlichten Kurven (Bi ld 4) zu verwenden und daraus für den Mischungsentwurf den für eine bestimmte Betondruckfesti gkeit höchstzulässigen Wasser­zementwert abzulesen. Damit en tfäll t auch tür den Betontechno­logen die bisherige Bedeutung von Jahresmittelwerten und EinzeI­ergebnissen von Zementprüfungen. Im Hinbl ick auf die unvermeid­baren Prüfstreuungen is t es vielmehr abweg ig, einem Mischungs­entwurf Zementfestigkeiten von Einzelprüfungen zugrunde zu legen.

Neben der 28-Tage-Druckfestigkeit kann auch die Festigkeitsent­wicklung, also die Anfangsfestigkeit nach ein igen Tagen , eine wicht ige Kenngröße für einen Zement sein; sie hat baupraktische Bedeutung, z. B. für das Ausschalen , Vorspannen oder Betonieren bei niedriger Temperatur. Die Festigkeitsentwicklung hängt im wesentlichen von den Rohstoffen und der Mahlfeinheit des Ze­ments ab. Bei einem gegebenen RohstOff ist es technisch nicht möglich, zugleich die Anfangs- und die 28-Tage-Druckfestigkeil eines Zements beliebig zu ändern . Muß eine bestimmte 28-Tage­Druckfestigke it erreicht werden, dann kann die Anfangsfestigkeit nur in relativ engen Grenzen verändert werden, d. h., es stellt sich eine von Rohstoff, Zusammensetzung und Mahlfeinheit abhängige, nich t weiter regelbare Anfangsfestigkeit ein. Bild 5 ze igt schema­tisch die untersch iedliche Festigkeitsen twicklung von zwei Zemen­ten gleicher 28-Tage-Druckfest igkeit.

Bisher wurde in Deutschland - wie in vielen anderen Ländern -die Anfangsfestigkeit der Zemente nicht einheitlich zu einem be­stimmten Zeitpunkt, sondern bei Zementen hoher Anfangsfestig­keit früher als bei den anderen Zementen geprüft. Das halte zwar für die Praxis zum Teil eine Berecht igung, erschwerte jedoch den Verg leich der An fangsfesligkeit versch iedener Zemente. Auch war der Prüfaufwand bei besonders frühfes ten Zementen durch vier Prüflermine im Vergleich zu der dadurch gewonnenen erweiterten

73

700 ! I !

, ,

t -, -- I-- -,-

~ , , ~

- - -1\ -- ,

t--.. - T - ~~ . - r-

~--- f--

-'" I-r! " - \ j -

,

I N l~ ._~~ l' -J\", " ;& ~ _ r , \'"'r\ I :r KI-;; - ':ß '\ T

K ~ L "0 1 _. •

- '\, -1\ 1\ ' I I \ __ c\ -'\ ,

l-I 1'\ ~ I

. ---t

~

100

, 1 --

- -

.. . --

;

, , I

- I

~ "--

"--

- - -

j-- -

----

-t--, ,

_.

~b ,

- -----

-------

~ r{:: ~ ". -

Bild 4 Abh ängigkeit der Betondruck­festigkeit vom Wasserzemenl­wert und von der Festigkeits­klasse des Zements ge­mäß DI N 1164 (1970) nach K. Walz [5)

0,i0 0,40 0,50 0,60 0,70 0.80 0.90 1.D0 Wosserzementwert w

600 ,-,------,--------,-----------------,

Eoof-f~~--~---------+----------------~

°0~~E~-----77--------~,"~----------------~~

Alter in Tagen

Bild 5 Schematische Darstell ung der unterschiedlichen Festigkei lsenLwick. lung von zwei Zemen ten mit gleicher 2S-Tage-Druckfesligkeit

74

Beurteilung sehr hoch . Zur Kennzeichnung der frühen Festigkeits­entwick lung re ich t es aus, wenn neben der 2S·Tage·Oruckfestig· keit die Anfangsfestigkeit nur zu einem charakteristischen Zeit­punkt bestimmt wird. Allerdings ist dieser Zeitpunkt je nach Festigkeitsentwicklung des Zements verschieden (bei hochfesten Zementen früher). Um dem Wunsch nach Vergleichbarkeit der Zemente zu entsprechen , wurde in der neuen deutschen Zement· norm OIN 1164 (1970) für die Anfangsfestigkeit zunächst nur ein einheitlicher Prüftermin nach 2 Tagen vorgesehen. Man fand je­doch, daß die 2-Tage-Festigkeit für die langsamerer erhärtenden Zemente der Festigkeitsklassen Z 250 und Z 350 wenig Bedeutung hat, so daß der Grundsatz der Vergleichbarkeit sämtlicher Zemente

800:~~~a 600 500 ~OO

300 ~r- V

,5o1----~~---t7-- --

,oo ~~~~~-----~--~~--+--~ 180 ~--------f--/ ---- f---160 f-------------t~-- - --- - - -

l: IYO f---~---;.;;- ----f-- -----

'" leG 1-------- ? - -- ---- ----- -­s 1ii '" ~ ,00~-~~------~--4_---+_-~

~ 90V-------- - -t--- -- - --­~ ~ ~ , -~ ~ ~

80 f------------- --------

701---- --------

60 f------ - --- ---- ---- - ---- t-- - t-

50,L----------~3---~3---~7-~2~8

Priifalter in Togen

Bild 6 Nomogramm zu r Ermit tl ung der Druckfestigkeit von Zemenlmörtel in Abhäng igkeit vom Prüfa1ter nach G. Sadran und R. Del1yes {61 . Aus der Festi gkeit nach beispielsweise ?: und 28 Tag en kan n die Festig­keit zu einem anderen Zeitpunkt , z. B. nach 1 oder 7 Tagen, bestimmt werden

75

verlassen werden mußte und fü r diese beiden Zemente eine Prü­fung erst nach 7 Tagen festgelegt wurde. M an kann aber einen Verg leich mit der 2-Tage-Festigkeit anstel len. Sind nämlich die Festigkeiten an zwei Prüfterminen bekannt, dann kann man mit dem von G. Sadran und R. Deltyes [6] entwicke lten Nomogramm (Bild 6) einfach und - wie sich erwies - zuverlässig die Festig­keit zu einem anderen frühen Zeitpunkt graphisch ermitteln.

Die Zemente Z 350 und Z 450, die mehr als 95 Ofo der Erzeugung ausmachen , weisen bei jeweils gleicher 2B-Tage-Druckfestigkeit je nach ihre r Zusammensetzung unterschiedliche Anfangsfestigkeiten au f (vergleiche Bild 5). Diese beiden Festigkei tsklassen sind da­her in Zemente mit langsamerer Anfangse rhärtung (zusätzliches Kennzeichen L) und solche mit höherer Anfangsfestigkeit (zusätz­liches Kennzeichen F) unterteilt worden . Für die Klasse Z 250, in der praktisch nur Zemente mit langsamerer Anfangserhärtung hergestel lt werden, und rür die Klasse Z 550 mit besonders hoher Anfangsfestigkeit schien eine Unterteilung in L und F dagegen nicht notwendig.

Tafel 4 enthält die in der neuen deutschen Zementnorm DIN 1164 (1970) fes tgelegten Festigkeitsk lassen mit den dafür maßgeblichen Anforderungen .

Tafel 4 Zementfestigkeitsklassen nach DIN 11 64 (Ausgabe Juni 1970)

Fesligkeils-Druckfestigkeit in kp/cmJ nach

2 Tagen 7 Tagen 28 Tagen klasse min mm mm

250·) i - 100 250

L I - 175 350 350

F 100 -L

! 100 -

450 450 F 200 -

550 I 300 - 550

m" 450

550

650

-') Nur für Zemenl mit niedriger HydralaliOnswärme und/ode r hohem Sutfatwldersland

Das Festigke itsniveau dieser Klassen liegt um etwa 5 bis 20 °/0 über den Anforderungen der meisten anderen Zementnormen ; das gilt für die 28-Tage-Druckfestigkei t, insbesondere jedoch für die Anfangsfestig keit des Z 450 F und des Z 550. Um nämlich die ge­forderten Mindestfestigkeiten von 200 bzw, 300 kp/cm 2 nach zwei Tagen zuverlässig einhalten zu kön nen, ist ein darüber hinaus­gehendes Vorhaftemaß von etwa 40 bis 50 kp/cm 2 notwendig. Die bisherigen Erfah rungen zeigen jedoch, daß diese Anforderungen bei dem heutigen Stand der ZementherstelJung erfü llbar sind, wenngleich sie erhöhte Herste llkosten veru rsachen.

7. Raumbeständigkeit

Der Zement leim muß nach dem Anmachen nich t nur fest werden, er muß auch als Zementstein fest und raumb eständig ble iben. Das

76

Prüfen der Beständigkeit ist schon allein deswegen problematisch, weil die Beständigkeit in Wirklichkeit dauernd gewährleistet sein muß, die Prü fung sich hingegen allenfalls nur über Tage erstreckt, so daß es sich stets um ein Schnellprüfverfahren handelt. Selbst bei solchen Schnellprüfverfahren , die eine graduelle Abstufung liefern, ist häufig die Beziehung des Ergebnisses zum langjähri­gen Verhallen unter praktischen Bedingungen direkt nicht gege­ben und - ebenfalls aus zeitlichen Gründen - selten systema­ti sch untersucht worden. In vielen Fällen werden daher Anforde­rungen anhand von Schnellprüfverlahren gestellt, die sehr auf der sicheren Seite liegen, d . h. unangemessen scharf sind.

Oie Beständigkeit des Zementsteins kann durch die Zusammen­setzung des Zements und durch äußere Einflüsse in Frage gestellt sein. Zu den vom Zement herrührenden Ursachen gehören in er­ster Linie das Überschreiten eines bestimmten Gehalts an freiem, hart gebranntem Kalk oder an freiem Magnesiumoxid im Portland­zementklinker sowie an Sulfat im Zement. Die äußeren Ursachen sind physikalisdle und chemische Einwirkungen.

Al le Schnellprüfverfahren der Raumbeständigkeit hinsichtlich freien Kalks und zum Teil auch Magnesia sehen eine Alterung durch Warmbehandlung vor, z. B. durch Kochen, Darren in Dampf oder Härten im Autoklaven. Hierzu werden heute in den Zement­normen überwiegend d rei Prü fverfahren verwendet. und zwar der Kochversuch , der Le-Chatelier-Versuch und der Autoklavversuch. Daneben ist vielfach der 28tägige Kaltwasserversuch vorgeschrie­ben.

7.1 Kochversuch

Hierzu wird ein Kuchen aus Zementbrei (Wasserzementwert wie bei der Prü fung des Erstarrens zwischen 0,23 und 0,30) auf einer Glasplatte hergestell t und nach 24stündigem Erhärten in feuchtig­keitsgesättigter Luft in einen Topf mit kallem Wasser gelegt, das in einer Viertelstunde zum Kochen gebracht wird. Der Kuchen soll in der Mitte 1,0 bis 1,5 cm dick sein und etwa 10 cm Durchmesser haben . Nach dem Kochen muß der Kuchen scharfkantig und ris­sefrei sein und darf sich nicht erheblich verkrümmt haben . In der neuen deutschen Zementnorm DIN 1164, Ausgabe Juni 1970, wurde erstmalig festge legt, was unter "erheblich " verkrümmt zu verstehen ist, nämlich ein Stich der vor dem Kochen ebenen Bodenfläche des Kuchens von mehr als 2 mm.

Von den in [4] erfaßten Zementnormen von 44 Ländern sehen 18 den Kochversuch als alleinige oder eine unter mehreren Raumbe­sländigkeitsprüfungen vor. Recht unterschiedlich ist allerdings die vorgeschriebene Dauer des Kochens ; sie liegt zwischen 'h und 6 Stunden und beträgt meist 2 oder 3 Stunden. Ein längeres Kochen verschärft zwar in gewissem Grade das Prüfverfahren, jedoch dürfte ein über 2 oder 3 Stunden hinausgehendes Kochen bei der nur augenscheinlichen Beurteilung kaum zu einer gesi­cherteren Aussage führen. In Deutschland ist sowohl in der bis­herigen als auch in der neuen Zement norm eine Kochdauer von 2 Stunden vorgeschrieben.

77

Der Kochversuch ist eIne Ja-Nein-Prüfung, d ie in erster Lin ie den Gehalt an freiem, hart gebranntem Kalk auf ein für nahezu alle Anwendungsfälle unschädliches Maß beg renzl. Ist der Zement noch sehr fr isch, dann kann das Prüfverfahren übertrieben scharf ansprechen, d. h., obwohl die Prüfung nicht bestanden wird, ist der Zement dennoch für normalerhärtenden Beton geeignet. Aus diesem Grunde sehen die meis ten Zementnormen vor, daß bei einem negativen Prüfbefund der Zement 3 oder 7 Tage an Luft auszubreiten und die Prüfung mit diesem Ze ment zu wiederholen ist ; maßgebend ist dann die zweite Prüfung.

Warmbehandelte oder damplgehär lete Betone aus zementreichen, sehr ste ifen und besonders stark verd ichteten Mischungen sind während der Behand lung wesentlich empfindlicher hinsicht lich irgendwelcher Einflüsse auf die Raumbeständigkeit als normaler­härtende Belone. In solchen Fällen kann es sein, daß die Aussa­gekraft des Kochversuchs beim seltenen Zusammentreffen mehre­rer ungünstiger Einflüsse nicht ausreicht. In einigen Ländern enthal­ten die Zementnormen daher zusätzliche schärfere Prüfungen, die jedoch gesondert vereinbart werden müssen, oder es ist in der Norm die Anforderung an "Sonderzement für Warmbehandlung " festgelegt.

Unter Berücksichtigung der Aussagekraft di eses in seiner Durch­führung ein fachen und nur wenig Kosten verursachenden Ja-Nein­Prüfverfahrens ist die Reproduzierbarkeit des Kochversuchs aus­reichend.

7.2 Le-Chatelier-Versuch

Bei dem nach dem französischen Zeme ntchemiker benannten Versuch handelt es sich im Prinzip um den Kochversuch, mit dem Unterschied, daß der Wasserzusatz des Zementbreis etwas ger in­ger ist und daß mit einer einfachen Versuchseinrichtung (Man­schelle mit zwei 16,5 cm langen Nadeln) die Dehnung eines Zylin­ders von 30 mm Durchmesser in Millimeter gemessen wird. Man erhält bei der Prüfung also Zahlenwerte und umg eht damit die Un­sicherheiten einer Beurte ilung nach Augenschein . Die Messungen sind damit zwar eindeutig, jedoch wird die Aussagekra rt des Prü f­verfahrens dadurch nicht verbessert, wei l d ie Relation zwischen den so gefundenen Meßwerten und der Raumbeständ igkeit des Betons unter den verschiedensten Bedingungen nicht bekannt ist, mög licherweise auch gar nicht hinreichend korreliert. Das geht auch aus den auf praktischer Erfahrung beruhenden Festlegungen der noch zulässigen Dehnung in den Zementnormen der Länder hervor, in denen der Le-Chalelier-Versuch für die Raumbeständ ig­keit des Zements maßgebend ist (meh r als die Hälfte aller Länder benutzt diese Prüfung).

Ähn lich wie beim Kochversuch liegt die vorgeschriebene Dauer des Kochens zwischen 1 und 6 Stunden, überwiegend bei 3 Stun­den. In ein igen Ländern muß die Kochdauer verlängert werden, wenn der MgO-Gehalt 3,0 Gew.-Ofo übersteigt. Der Beurteilung der Meßwerte liegen in den verschiedenen Ländern sehr unterschied­lich höchstzulässige Dehnungen zwischen 3 und 10 mm zug runde, meist allerdings 10 mm nach ein er Kochdauer von 1 bis 6 Stun-

78

den. Zwei Länder sch reiben für verschiedene Zemenlarten bzw. ~typen bei gleicher Kochdauer verschiedene obere Grenzwerte vor. Ebenso wie beim Kochversuch dar f in den meisten Ländern der Le~Chatelier-Versuch an 7 Tage an Luft ausgebreitetem Zement wiederholt werden, wenn die Prüfung zunächst nicht be· standen wurde. Wenn fü r die erste Prüfung eine relativ große Deh~ nung von 10 mm zugestanden wird, dann darf bei der Wiederho­lung am 7 Tage lang belü fteten Zement die Dehn ung häufig nur noch 5 mm erre ichen.

Hinsichtlich Aussagekraft und Reproduzierbarkeit sind der Koch­und der Le~Chate1ier-Versuch etwa gleich. Das objektive Messen von Dehnungen beim Le-Chatelier-Versuch ermögl icht jedoch un­terschiedliche Anfo rderungen , z. B. bei der Wiederholung oder bei Zementen für spezie lle Anwendu ngsbereiche. Andererseits ist noch offen, ob bei einem so stark und grob verein fachenden Schnellprüfverfahren, wie es das Kochen eines 1 Tag alten Zementsteins darstellt , die Beur teilung mittels Zah lenwerten nicht eine Aussagekrart vortäuscht, die in Wirklichkeit gar nicht vorhan­den ist, so daß eine Ja-Nein-Beurte ilung für ein solches Schnell­verfahren angemessener ist.

7.3 Autoklav-Versuch

Beim Autoklav-Versuch, der in Nord ~ und Südamerika fast aus· schließlich in den Normen vorgeschrieben ist, wird ein Zementbrei mit Normensteife in Prismenformen 2,5 X 2,5 X 25 cm gefüllt und nach 24stündigem Erhärten in einem Autoklav innerhalb von rd. 1 Stunde auf rd . 21 atü und 216 ° C gebracht und unter diesen Be­dingungen 3 Stunden dampfgehärtet. Nach dem ebenfalls in be~ sUmmler Weise vorgeschriebenen Abkühlen wird die Dehnung ge· messen. Während durch Koch- und Le~Chatelier-Versuch nur die Dehnungen durch den freien Ka lk vollständig erlaßt werden, er­faßt der Autoklav-Versuch zusätzlich etwaige Dehnungen infolge eines unzulässig hohen MgO~Geha lts vollständig. Auch für die Au toklav~Schnellprülung gibt es keine durch umfangreiche Lang ~

zeitversuche gesicherten Relationen zum Verhalten des Zements im Beton, so daß die Anforderungen in den Normen lediglich auf der sicheren Seite liegende Erfahrungen der Praxis darstellen. Die vorgeschriebenen höchstzulässigen Dehnungen sind in den ver~ schiedenen Normen recht unterschiedlich festgelegt ; sie liegen zwischen 0,2 und 1,0 %, in der Mehrzahl bei 0,8 bis 1,0 %.

Im Verg leich zum Koch- und Le~Chatelier-Versuch hat der Auto· k lav~Versuch den Vorteil, daß er einen kritischen Gehalt an freiem MgO durch das Prüfverfahren erfaßt. Wird die Gefahr eines MgO­Tre ibens durch Festlegen einer Grenze für den MgO~Geha1t aus~

gesch lossen (s iehe Abschnitt 7.5), dann sind die Aussagekraft und Reproduzierbarke it des Autoklav-Versuchs nicht besser als die des Koch ~ oder Le-Chate lier~Versuchs. Das Verfahren ist anderer­sei ts nicht so einfach in der Durchführung , und es ist vor allem apparativ sehr aufwendig, so daß unter Berücksichligung sämt­licher Kriterien für ein genorm tes, allgemein verbindliches Prüf~

verfahren bei Eingrenzung des MgO~Gehalts für einzelne Zement­arten dem Koch~ oder Le-Chatel ier-Versuch der Vorzug zu geben ist. Das schließt nicht aus, daß der Autoklav-Versuch in besonde~

79

ren Fällen ein aufschlußreiches Prüfverfahren darstellt , z. B. wenn aus Rohstoffgründen Zemente mit überhöhtem MgO-Gehalt herge­ste llt werden sollen.

7.4 Kaftwasser-Versuch

Gleiche Kuchen aus Zementbrei wie beim Kochversuch werden bis zum Alter von 28 Tagen unter Wasser von rd . 20 oe gelagert und anschließend nach Augenschein beurteilt. Der Kaltwasserver­such ist von allen Raumbeständigkeitsprüfungen am einfachsten durchzuführen. Seine Aussagekrart ist jedoch beschränkt, we il bei diesen Lagerungsbed ingungen innerhalb von 4 Wochen ein Trei­ben in folge eines zu hohen Antei lS an freiem, hart gebranntem Ka lk oder an Sullat nicht unbedingt festsleIlbar isl. Das gleiche gilt auch fü r einen unzulässig hohen MgO-Gehalt. Die treibende Wirkung sehr hoher Gehalte an freiem Kalk und vor allem Sulfat wird jedoch erkennbar. Wegen se iner geringen Aussagekraft ist der Kaltwasserversuch, der bisher in der de utschen Zementnorm enthalten war, in die neue DIN 1164, Ausgabe Juni 1970, nicht mehr übernommen worden.

7.5 MgO·Gehall

Alle 44 in [41 aufgeführten Normen der Welt begrenzen den MgO­Gehalt im Po rtlandzement, und zwar auch dann, wenn in den Nor­men eine Autoklavprüfung vorgeschrieben ist. Der höchstzulässige Gehalt an MgO ist in den Normen unterschied lich festgelegt ; er liegt zwischen 3 und 6 Gew.-%, meistens bei 5 Gew.-%.

Ein höherer Gehalt an freiem MgO führt nu r bei Por tlandzement­klinker zu Treiben, bei Hüttensand hingegen nicht. Aus diesem Grunde ist in den Normen einiger Länder, so z. B. auch in Deutschland, nur der MgO-Gehalt im Portlandzementklinker be­grenzt. In anderen Normen darf der MgO-Gehalt von Hochofenze­ment größer se in als der von PorUandzement, und zwar bis zu 8 %.

Die Begrenzung des MgO-Gehalts im Po rtlandzementklinker auf 5 Gew.-% ist eine verläßliche Grenze, daß kein MgO-Treiben aurtdt!. Eine gesonderte Prüfung, wie z. B. der Autoklav-Versuch, ist dann entbehrlich.

7.6 SuUalgehalt

Dem Zement wird beim Mahlen Sulfat, gewöhnlich als Gipsste in oder Anhydrit, zugesetzt, um das Erstarren zu regeln; außerdem wird dadurch die An fangsfestigkeit des Zements günstig beei n­flußt. Der Sulfatgehalt wird im allg emeinen als S03 in Gew.-% an­gegeben. Ein höherer S03-Gehalt kann zu Quellen (z. B. für Quell­zement) , ein darüber hinausgehende r Gehalt zu zerstörendem Treiben durch Ettringitbildung führen . Ob ein S03-Gehalt zu Quellen oder Treiben führt, hängt nicht nu r von seiner Höhe ab, sondern auch von der Zusammensetzung und Mahlfeinheit des Zements, ferner von der Betonzusammensetzung und den Lage­rungsbedingungen. Von großem Einfluß ist die Lagerungstempera­tur, z. B. kann unter sonst gleichen Bedingungen eine Lagerung bei 5 oe zu Treiben führen, bei 20 oe hingegen nicht. Aus diesem

80

Grunde sind auch Prüfungen mit einer Lagerungstemperatur von 20 oe , wie z. B. der Kaltwasserversuch, kein ausreichendes Krite· riurn .

In allen Zementnormen der Welt wird der S03-Gehalt begrenzt, meist mit einem für alle Zemente auf der sicheren Seite liegenden Wert in der Größenordnung von 3 Gew.-Ofo. Diese ein rache Rege· lung wird der heutigen Zementtechnologie nicht gerecht, weil für einige Zemente ein etwas höherer SOl-Gehalt nicht nur unbedenk­lich, sondern wegen dann verbesserter Zementeigenschaften sogar erwünscht ist. lm Forschungsinstitut der Zementindustrie ist man daher der Frage nachgegangen, welche speziellen Zementeigen· schaften einen höheren S03-Gehalt erwünscht erscheinen lassen. Höhere S03-Gehalte sind vor allem unbedenklich (aud"! bei niedri­gen Temperaturen) und darüber hinaus angebrad1t, wenn der Zement sehr fein gemahlen wird , wenn der Gehalt an Tricalc ium­aluminat hoch ist und wenn der Zement einen hohen Hüttensand­anteil aufwe ist. Daneben spielen einige weitere Zementeigen· schaften eine, wenn auch weniger bedeutsame Rolle.

Ähnlich wie bereits in anderen Zementnormen, sieht die neue DIN 1164, Ausgabe Juni 1970, daher unterschiedlich höchstzulässige S03-Gehalte vor, die zwischen 3,5 und 4,5 Gew.-% liegen. Port­land-, Eisenportland- und Traßzement dürfen bei einer Mahlfein­heit bis zu 4000 cm1/g einen S03-Gehalt von 3,5 %, bei höherer Mahlfeinheit dagegen 4,0 Gew.-Ofo S03 aufweisen. Unabhängig von der Mahlfeinheit darf der S03-Gehalt von Hochofenzement mit bis zu 70 Gew.-Ofo Hüttensandanteil 4,0 Gew.-% betragen, bei einem höhe­ren Hüttensandgehalt 4,5 Gew.-Ofo. Diese Regelung berücksichtigt die beiden wichtigsten Einflußgrößen, andere hingegen nicht; sie stellt einen für die Praxis leicht überschaubaren Komprorniß dar, ohne daß damit ausgedrückt sein soll , daß nicht andere Regelun­gen ebenso zweckmäßig sein könnten. Die im Forschungsinstitut der Zementindustrie durchgeführten Untersuchungen haben aller­dings gezeigt, daß d iese Festlegungen auch bei ungünstigen Be­dingungen ein Treiben durch zu hohen Sulfatgehalt ausschließen.

8. Mahlfeinheit

Durch weitergehende Zerk leinerung, also feineres Mah len , steigt die spezifische Oberfläche des Zements (cm 2/ g) an, die beim An~ machen mit dem Wasser in Berührung kommt und reagiert. Die Zemente nach DIN 1164 weisen im allgemeinen spezifische Ober­flächen zwischen 2200 und 6000 cm2/ g auf. Feinere Zemente hydrat isieren wegen ihrer größeren Oberfläche schneller und liefern insbesondere in den ersten Tagen eine höhere Festigkeit. Auf andere bautechnische Eigenschaften des erhär­teten Betons hat die Mahlfeinheit nur einen untergeordneten Einfluß. Wird der Zement sehr grob oder sehr fein gemahlen, so ändern sich allerdings in gewissen Grenzen die Fr ischbetoneigen­schaften. Grobe Zemente (wesentlich unter 2500 cm2/ g) haben ein geringeres WasserrÜckhaltevermögen und neigen daher zum Was­serabsondern (Bluten) ; das ist manchmal erwünscht, zum Bei­sp iel bei der Herstellung von Asbestzementwaren oder Schleuder~ betonrohren, bei üblichem Baubeton jedoch weniger günstig. Sehr

81

feine Zemente (wesentlich über 5000 cm2/ g) haben einen für eine bestimmte Konsistenz erhöhten Wasseransp ruch und liefern bei niedrigen Wasserzementwerten einen zähklebrigen Zementleim, so daß für die Verarbei tung von zementreichen Mischungen dann meist ein etwas höherer Wasserzementwert gewählt wird und damit ein Teil der Vorzüge des sehr feinen Mahlens (besonders hohe Anfangsfestigkei t) nicht wirksam wird. Demgegenüber ist in einem mittleren Bereich der Mahlfeinheit, der größenordnungsmä­ßig zwischen 2800 und 4200 cm2/g liegt, der Einfluß auf die Frisch­beloneigenschalten im allgemeinen vernachläss igbar klein ; es ist daher bedeutungslos, wenn die Zemente zur Einhaltung des ange­strebten Zielwertes für die 28-Tage-Festigke it in der Mahlfeinheit selbst um einige Hundert cm2/ g schwan ken.

Geprüft wurde die Mahlfeinheit früher ausschließlich und auch heute noch in zahlreichen l ändern durch den Gewichtsrückstand auf einem Prüfs ieb, für dessen Maschenweite in den meisten l än­dern ein Wert zwischen 74 und 90 ",m vo rgesch rieben ist. Die Eigenschaften des Zements werden jedoch überwiegend vom An­teil der Zementkörner unter 30 11m (0,03 mm) bestimmt. Entspre­chende feine Prü fsiebe, die an sich angem essen wären, haben jedoch im Dauereinsatz erhebliche prüftechnische Nachtei le. Frü­her, als d ie Kornverteilung der Zemente wegen des gleichen Müh­lentyps überall annähernd gleich oder ähnlich war, hatte der Rückstand auf dem 9D-llm-Sieb noch eine gewisse Aussagekraft. Bei den heutigen Mahlanlagen, bei denen die feineren Bestand­te ile während des Mahlens te ilweise durch Sichter ausgeschieden werden, reicht dieser Rückstand zur Beurteilung der Mahlfeinheil nicht mehr aus.

Es sind daher andere Prüfverfahren entwickelt worden, mit denen man entweder die Anteile feinerer Korngrößen bestimmen kann, zum Beispie l durch Sichten oder Sedimentation, oder mi t denen man ind irekt die spezifische Oberfläche des Zements messen kann , zum Beispiel durch luftdu rch lässigkeitsmessungen eines Pulverbettes oder durch Lichtabsorption einer Suspension. Von den Prüfverfahren fü r die Mahlfeinheit [71 dü rfte die spezifische Oberfl äche die größte Aussagekraft für die b autechnischen Eigen­sChaften des Zements haben. Einschränkend ist allerdings anzu­merken, daß schon wenige Prozente von äußerst feinen Bestand­teilen zu einem - gemessen an den bautechnischen Eigenschaf­ten des Zements - überproportionalen Ansteigen der spezifischen Oberfläche führen. Von den Prüfverfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche hat das auf der Messung der luftdurch­lässigkeit beruhende Verfahren von Blaine, das auch in die neue deutSChe Zementnorm aufgenommen worden ist, die bre iteste Aufnahme in Normen gefunden. Daneben en thalten einige Normen zur Bestimmung der spezHischen Oberfläche auch das nach dem gleichen Prinzip arbeitende Verfahren von Lea und Nurse oder das au f der Lich tabsorp tion beruhende Verfahren mit einem Turb i­dimeter nach Wagner. Bei dem gleichen Zement findet man mit dem Verfahren nach Blaine etwa die 1,75fache spezifische Ober­fläche wie mit dem Turbidimeter nach Wagner.

Ob und gegebenenfalls welche Anforderungen man aus bautech­nischen Gründen an die Mahlfeinheit des Zements stellen sollte,

82

läßt sich nicht ohne weiteres begründen, weil je nach Anwen­dungsbereich ein grober oder feiner Zement günstiger sein kann. Im übrigen kommt der Einfluß der Mahlfeinheit auf die Festigkeits­entwicklung bereits bei der Festigkeitsprüfung in der Norm zur Geltung. 15 Dfo aller Normen enthalten keine Anforderungen an die Mah[feinheit. In den anderen Normen wird eine Mindest-Mahlfein­heit vorgeschrieben , die jedoch bewußt niedrig gehalten ist, damit auch vom Verbraucher manchmal gewünschte oder in vielen Fäl­ren noch gut anwendbare grobe Zemente ebenfalls normgerecht sind. Solche Grenzen, wie zum Beispiel der vorgeschriebene höchstzulässige Rückstand von 15 oder 20 % auf dem 90-~lm-Sieb, haben jedoch kaum eine Aussagekraft.

In der neuen deutschen Zemenlnorm DIN 1164, Fassung Juni 1970, ist als untere Grenze der Mahlfeinheit 2200 cm2/ g (nach Blaine) und für Sonderfälle 2000 cm2/g festgelegt. Außerdem darf der Rückstand auf dem sehr groben 200-f-lm-Sieb (0,2 mm) nicht größer als 3 Gew.-% sein; dadurch wird der Anteil etwaiger grobe­rer Bestandteile beschränkt. Die Normen anderer Länder schrei­ben zum Teil eine ähnliche oder etwas feinere Mindest-Mahlfein­heit (größenordnungsmäßig 2500 cm2/ g) vor, vereinzelt auch für verschiedene Festigkeitsklassen versch ieden hohe Mindest-Mahl­feinheiten; dies ist jedoch aus baulechnischer Sicht nicht begrün­det. Aus alldem ergibt sich, daß die Mahlfeinheit eine wichtige Kenn- und Regelgröße bei der Zementherstellung is t und nur in Sonderfällen eine bautechnische Bedeu tung hat.

9. Sulfalwidersland

[n erhärteten Beton eindringende Sulfationen können durch Reak~ t ionen mit den Hydratphasen des Zementsteins ein Treiben bewir­ken (Bildung von Ettringit-Kristallen) . Neben betontechnischen Einflüssen hängt der Widerstand des Betons gegen Sulfatangriff vom Zement ab, denn die Zemente weisen einen recht unter­schiedlichen Sulfatwiderstand auf.

Es gibt zahlreiche Prüfverfahren für den Sulfatwiderstand des Zements. Dabei werden meist erhärtete Probekörper aus Zement­stein, Zementmörtel oder Beton nach einer festgelegten Vorlage­rung in Sulfatlösungen mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Konzentration eingelagert. Zu verschiedenen Lagerungszeiten - wenigstens Wochen und meist Monate - werden die Probekör­per untersucht, und zwar je nach Prüfverfahren sehr unterschied­lich, zum Beisipel nach Augenschein, durch Wiegen, durch Deh­nungsmessungen, durch Festigkeitsbestimmungen oder durch Ultraschallmessungen.

Da das Sulfattreiben in der Praxis gewöhnlich erst nach Monaten oder Jahren auftritt, handelt es sich bei allen obengenannten Prüf­verfahren um SchneJlprürverfahren, deren Übertragbarkeit auf das Langzeitverhalten wie bei allen Raumbeständigkeitsprüfungen nicht direkt gegeben ist. Eine zumindest qualitative Aussage ist jedoch für einige Verfahren durch Vergleich mit mehrjährigen Lagerungsversuchen von Beton nachgewiesen worden.

Sehr umfangreiche und mehr als ein Jahrzehnt dauernde Untersu­chungen des Arbeitskreises "Sulfatwiderstand" im Verein Deut-

83

scher Zementwerke haben allerdings ergeben, daß diese Schnell­prüfverlahren - selbst bei Lagerungszeiten von drei oder vier Monaten - hohe Streuungen aufweisen. We nn sie zur Beurteilung des Zements und zum Festlegen von Anforderungen in einer Norm herangezogen würden, müßte bei einer Einzelprülung ein unangemessen hohes Vorhaltemaß gewählt oder für eine gesi­cherte Beurteilung ein Mittelwert aus ausreichend vielen Parallel­versuchen gebildet werden. Beide Bedingungen bedeuten einen nicht trag baren Aufwand; außerdem ist ein Monate in Anspruch nehmendes Prü fverfahren für eine Norm, die der laufenden Güte­überwachung dient und auch den Liefervereinbarungen zwischen Herste ller und Verbraucher zugrunde gelegt wird, wen ig geeignet. Denn ein Nachweis der normgerechten Beschaffenheit dauert un­zumutbar lange. Die ursprüng liche Absicht, in die neue deutsche Norm ein technologisches Prüfverfahren für den Sulfatwiderstand des Zements aufzunehmen, wurde aus diesen Gründen aufgege­ben.

Aus den obengenannten Untersuchungen sowie aus dem Schrift­tum geht andererseits hervor, daß zweckmäßig hergestellter Beton prakt isch sullatbeständig ist, wenn Port landzement mit einem sehr kleinen Gehalt an Tricalciumaluminat (CaA) oder wenn Hochofen­zement mit seinem sehr hohen Hüttensandgehalt verwendet wird. Eine hierauf beruhende Unterscheidung der Zemente nach ihrem Sulfatwiderstand übernahm man daher statt eines technologi­schen Prüfverfahrens in die neue deutsche Zementnorm (siehe Schluß dieses Abschnittes).

Der C3A-GehaH von Portlandzement kann dadurch gesenkt wer­den, daß dem Rohmehl erhöhte Mengen an Eisenoxid zugegeben werden, weil sich in der Schmelze zunächst Calciumaluminatferrit bildet und nur der darüber hinausgehende Anteil an Aluminium­oxid für die C3A-Bitdung zur Verfügung steht. Eingehendere Unter­suchungen ergaben weiter, daß der Sulfalwiderstand von Portland· zement dann geringer ist, wenn das Rohmehl einen hohen Anteil an Aluminiumoxid enthält, auch wenn für die Herstellung eines CsA-armen Zements entsprechend viel Eisenoxid zugegeben wird. Aus diesem Grunde wurde in der neuen deutschen Zementnorm nicht nur der C3A-Gehalt, sondern zusätzlich der Aluminiumoxid­gehalt begrenzt.

Der Sulfatwiderstand von Hochofenzement ist nicht ausschlagge­bend von der Zusammensetzung des Hüttensandes abhängig. Ein geringer oder mittlerer Hüttensandgehalt vermag den Sulfatwider­stand eines Zements aus nicht sUlfatwiderstandsfähigem Portland­zementklinker nicht wesentlich zu verbessern. Hierzu ist ein hoher Gehalt an Hüttensand errorderlich, dessen Höhe in gewissen Grenzen von der Beschaffenheit und der Zusammensetzung des Hültensandes und des Klinkers abhängt. Die genaue Bestimmung des Hüttensandgehalts in einem Zement ist schwier ig ; man muß mit einem Fehler in der Größenordnung von 3 bis 5 010 rem­nen. Der in der neuen deutschen Zementnorm festgelegte Hütten­sandgehalt von mindestens 70 Gew.-% bietet unter Berücksichti­gung dieses PrüffehJers und unabhängig von der Beschaffenheit und Zusammensetzung von Hültensand und Klinker stets die Ge­währ für einen Hochofenzement mit hohem Sulfalwiderstand.

84

Aus den vorangegangenen Ausführungen geht hervor, daß es im Hinblick auf Beständigkeit einen Zement mit "mäßigem " Sulfatwi­derstand nicht geben kann , obschon bei einem mäßigen Sulfatan­griff auch mit anderen Zementen ein verhältnismäßig widerstands­fäh iger Beton hergestell t werden kann . Die neue deutsche Zementnorm sieht daher als besondere Eigenschaft nu r Zement mit "hohem" Sulfalwiderstand vor , d. h., es handelt sich bei den Anforderungen um ein Ja-Nein-Kriterium. Eine so lche einfache Unterteilung in Zemente ohne und mit hohem Sulfatwiderstand reicht auch für die praktischen Belange vollständ ig aus, wenn man die weiteren Festlegungen über die Beurteilung sulfatangrei­fender Wässer und Böden in DIN 4030 sowie die Maßnahmen bei bestimmten Angriffsgraden nach DIN 1045 mit heranzieht.

DIN 4030 sieht bei sul fathaitigen Wässern drei Angriffsgrade in Abhäng igkeit vom 80 4-Gehalt vor, und zwar

Sulfalgehalt S04 In mg/l

AngriHsgrad

200 bis 600

schwach angreifend

600 bis 3000

slark angrei fend

uber 3000

sehr stark angreifend

Die zugehörigen betontechnischen Maßnahmen enthält DIN 1045, Abschnitt 6.5.7.4. Bis zu einem Sulfatgehalt von 200 mgl1 wird jeder " dichte" Beton unabhängig vom verwendeten Zement als ausreichend widerstandsfähig angesehen. Bei darüber hinausge­henden Sulfatgehalten ist die Dichtigkeit nachzuweisen ; außerdem muß bei sulfathaitigen Wässern mit über 400 mgll 804 oder bei sulfatha itigen Böden mit über 3000 mg 804 je kg lufUrockenen Bodens Zement mit hohem Sulfatwiderstand verwendet werden. Nach der neuen deutschen Zementnorm DIN 11 64, Fassung Juni 1970, gelten als Zemente mit hohem 8ulfatwiderstand:

Portlandzement mit einem rechnerischen Gehal t an Tricalciumalu ­minat CJA von höchstens 3 Gew.-% und mit einem Gehalt an Alu­miniumoxid AI 20 a von höchstens 5 Gew.-olo,

Hochofenzemenl mit mindestens 70 Gew.Ofo HüUensand und höch~ stens 30 Gew.-Ofo Port!andzementklinker.

Der Gehalt an Tricalciumaluminat wird aus der chemischen Ana­lyse nach der Formel C,.A = 2.65 A I~03 - 1,69 Fe,0 3 errechnet (Angaben in Gew.~o/o) : dabei wird AI 20 3 als Differenz durch Abzug von Fe"20~ von der Summe der Sesquioxide bestimmt.

10. Hydratationswärme

Die Hydratation des Zements ist ein exothermer Vorgang, bei dem die Wärme um so schneller freigesetzt wird, je höher die Anfangsw

festigkeit des Zements ist, und bei dem insgesamt mehr Wärme freigesetzt wird , je höher die Endfestigkeit ist. Das Verhä ltnis von freigesetzter Wärme zum Festigkeitsbeitrag ist allerdings bei den verschiedenen Zementbestandteilen verschieden. Bezogen auf durchschnittliche Verhältnisse liefern TricaJciumaluminat und Triw

85

calciumsilicat mehr Wärme je Einheit Festigkeitsbeitrag, Dlcal­ciumsilicat sowie Hüttensand hingegen weniger Wärme.

Zemente, die bezogen auf ihre Festigkeit eine insgesamt niedrige Hydratationswärme aufweisen und die diese Wärme auch noch vergleichsweise langsam abgeben (also langsam hydratisieren), sind bei massigen Betonbautei len vorteilhaft, wei l dann geringere Spannungen in folge Erwärmung und Temperaturunterschieden entstehen. Andererseits können auch schnell hydratisierende Zemente mit hoher Anfangsfestigkeit, die eine vergleichsweise hohe Wärmemenge in den ersten Tagen freisetzen , vorteilhaft se in, z. B. im Winterbau bei niedrigen Temperaturen. Der in der Praxis des ölte ren geäUßerte Wunsch nach Zement mit hoher An­fangsfestigkeit und zugleich niedriger Hydratationswärme ist dagegen wegen des untrennbaren Reaktionsmechanismus nicht zu verwirklichen.

Für die Bestimmung der Hydratalionswärme bielet sich entweder das Lösungskalorimeter mit vorangegangener isothermer Lage­rung der Prüfkörper oder das adiabatische Kalorimeter an, in dem die Tempera tur des Probekörpers proportional zur entwickelten Wärmemenge ansteigt. Außerdem ist die Bestimmung in einem isolierten Gefäß, z. B. einem Dewar-Gefäß, möglich, bei dem der Wärmeabfluß lediglich behindert, jedoch durch Eichung bekannt is t ; die Lagerung ist daher weder rein isotherm noch rein adiabatisch .

Die adiabatische Lagerung entspricht etwa den Verhältnissen im lnnern massiger Bautei te, d. h. , eine Prüfung mit dem adiabati­schen Kalorim eter läßt grundsätzlich eine größere Aussagekraft hinsichtlich dieser bautechnischen Eigenschan erwarten. Für eine isotherme Lagerung, z. B. bei 20 oe, spr icht, daß auch die übrigen Zementeigenschaften, wie z. B. die Festigkeilsentwicklung, bei isothermer Lagerung ermittelt werden. Obschon bei einem Abwä­gen al ler Gesichtspunkte das adiabatische Prüfen der Hydrata­tionswärme des Zements ein ige Vorteile hinsichtlich der direkten Übertragbarkeit auf bautechnische Eigenschaften haben mag, ste­hen diese Vorteile in gar keinem Verhältnis zu den vielfach höhe­ren Kosten einer Prüfung mit dem adiabatischen Kalorimeter. Diese ungewöhnl ich hohen Untersuchungskosten ergeben sich dadurch, daß jeweils ein recht aufwendiges Ka lorimeter für eine Probe während ihrer gesamten Erhärtungszeit , also meist eine Woche, belegt ist. Beim isothermen Prüfverfahren erhärtet die Probe getrennt, und die Prüfung dauert allenfalls einige Stunden, so daß mit einem Prüfgerät nacheinander zahlreiche Proben ge­prüft werden können. Obwohl der Arbeitskre is " Hydratations­wärme" des Vereins Deutscher Zementwerke auch die Bedingun­gen für Aufbau und Arbei tsweise eines adiabatischen Kalorimeters erarbeitete und veröffentlichte (a), wurde vor allem wegen des für das adiabaUsche Kalorimeter unangemessen hohen Prüfaufwands in die neue deutsche Zementnorm DIN 1164, Blatt 8, nur die Bestimmung mit dem Lösungskalorimeter als alleiniges Prüfver­fahren aufgenom men.

Die mit einem Wasserzementwert von 0,40 unmittelbar nach dem Anmachen versiege lte Zementle improbe lagert bei 20 oe bis zur Prüfung. Die Hydratationswärme in cal/g errechnet sich aus der Lösungswärme des unhydratisierten Zements und des über eine

86

bestimmte Zeit erhärteten Zementsteins in einem Gemisch aus Salpeter- und Flußsäure. Einen überblick über die so bestimmte Hydratationswärme der deutschen Zemente nach 1, 3, 7 und 28 Tagen gibt TafelS.

Tafel5Hydratationswärme von deutschen Zementen, bestimmt als Lösungswärme nach DIN 1164, Blatt 8, Ausgabe Juni 1970

Zement· Hydratationswärme in cal/g nach Tagen festigkeits-

klasse 1 3 7 28

Z 250, Z 350 L 15. .40 30 ... 60 35. .. 70 50 . 90

Z 350 F, Z 450 30 . .. 50 50 . .. 80 65 . . . 90 70 . . 100

Z 550 50. .. 65 70 ... 85 80 ... 90 90 . . 100

Welcher Prüftermin für eine Normung der Anforderungen an Zement NW mit niedriger Hydratationswärme zweckmäßig ist, läßt sich nicht ohne weiteres beantworten; je dicker nämlich Beton­bauteile sind, desto länger liegen im lnnern quasi adiabatische Verhältnisse vor und desto später erreicht die Temperatur im Be­toninnern ihr Maximum. Für Betonbauteile mit mittleren Abmes­sungen bis etwa 2 m dürfte die mit dem Lösungskalorimeter nach 3 Tagen ermittelte Hydratationswärme kennzeichnend sein, für dickere BauteiJe hingegen die nach 7 Tagen ermittelte. In Anleh­nung an die US-Norm ASTM C 150 und die Britische Norm B. S. 1370 wurde schl ießlich die Hydratationswärme nach 7 Tagen als maßgebend festgelegt. Nach der neuen deutschen Zementnorm DIN 1164, Fassung Juni 1970, darf Zement NW mit niedriger Hydratationswärme in den ersten 7 Tagen eine Wärmemenge von höchstens 65 cal je g Zement entwickeln. Diese Forderung ist nicht sehr streng. Wie aus Tafel 5 ers ichtlich, liegt die Hydrata­tionswärme zum Teil erheblich niedriger, insbesondere wenn es sich um Z 250 handelt. Dabei ist jedoch zu beachten, daß für eine bestimmte Betonfestigkeit bei Verwendung von Zement einer nied­rigen Festigkeitsklasse mehr Zement erforderlich ist als bei Zement einer höheren Festigkeitsklasse, so daß nicht nur die Hydratationswärme allein, sondern die au f die Festigkeit bezogene Hydratationswärme beurteilt werden sollte.

11. Schlußbetrachtung

Der Wunsch, die besondere Qualität des hydraulischen Binde­mittels Zement für jeden Verbraucher nachweislich zu gewähr­leisten, war vor rund 100 Jahren der Anlaß, in Deutschland die erste Zementnorm der Welt aufzustellen. Ihrem Charakter nach war sie eine Güte- und Liefernorm, in der sowohl die Prüfver­fahren als auch die darauf beruhenden Anforderungen festgelegt waren. Im Mittelpunkt standen die auch noch heute gültigen drei Hauptanforderungen, nämlich daß Zement eine ausreichend lange Verarbeitungszeit aufweist, daß er fest wird und daß er - auch unter Wasser - fest und raumbeständig bleibt.

Im Verlauf der technischen Entwicklung und der dadurch ver­anlaßten Überarbeitungen der Zementnorm hat sich ihr Auf-

87

gabenbereich erweitert. Sie dient heute als Stoffnorm auch der Zementhersteltung, ferner berücksichtigt sie in starkem Maße die bauaufsichtl ichen Belange hinsichtlich der Sicherheit.

Seit der ersten Normung waren für die Festigkeit nur Mindest­anforderungen festgelegt, die beliebig hoch überschritten werden konnten, so daß Zemente gleicher Bezeichnung , jedoch ver­sch iedener Provenienz recht unterschiedliche Festigkeiten auf­weisen konnten. Solche an die Zementmarke gebundenen Eigen­schaften erschwerten die Industrialisierung der Betonbauweise. Die neue deutsche Zementnorm OIN 1164, Fassung Juni 1970, träg t der technischen Entwicklung als erste Zementnorm dadurch Rechnung , daß für die verschiedenen Klassen nicht wie bisher lediglich Mindestanforderungen gestellt werden, sondern daß alle Zemente der gleichen Bezeichnung den gleichen Zielwert für die Festigkeit anstreben müssen. Dies Wird dadurch erreicht, daß zusätzlich für jede Klasse obere Festigkeitsgrenzen ein­geführt worden sind.

Neben einem auf den überwiegenden Teil des Baugeschehens abgestimmten Massenbaustoff erfordert die technische Entwick­lung in einzelnen Fällen zusätzlich Sondereigenschaften. Oie neue deutsche Zementnorm ist so aufgebaut, daß solche Sonder­eigenschaften neben der normgerechten Beschaffenheit möglich sind. Für die beiden wichtigsten Sondereigenschaften - hoher Sulfatwiderstand und niedrige Hydratationswärme - enthält die Norm Festlegungen ; andere Sondereigenschaften , wie z. B, weißer Zement oder hydrophober Zement, erfordern im Rahmen der Normeigenschaften zusätzl ich entsprechende Liefervere inbarungen zwischen Hersteller und Verbraucher.

SCHRIFTTUM

[1J British Slandard 12: 1958 (Amendments 1Y60 and 1952) Portl and Cement (Ordlnaryand Rapid-Hardening) . BrHish Standards Institution, Londen.

[2J A$TM C 403-70: Time of selling o f conerele mixtures by penetration rasisl­ence. 1970 Annual Book of ASTM Standards, Part 10. American Society for Tasling and Materials, Philadelphia.

131 Hae\lermann. G' Prüfung der technischen Eigenschaften der Zemente Handbuch der Werkstoffprüfung, Bd. 3, 2. Auf!. Springer-Verlag , BerUnl Gölt ingen/Heidelberg 1957, S. 3561396.

(4J Cemenl standards of the world. Herausgegeben vom Cembureau, Paris Beton-Verlag, Düsse ldor! 1968.

[5J Walz, K. : Herstellung von Beton nach DIN 1045. Beton-verlag , Düsse ldorl 1971 .

[5] Sadran, G., und R. Dellyes : Representation linaaire de Ja resislance mecanique des ciments en lonclion du tamps. Rev ue des Materiaux de Construclion (1966) Nr. 506, $ . 93/105.

17) Mahlfe inheit von Zement, Rich t linien für die Bestimm ung. Heraus­gegeben vom Verein Deutscher Zemenlwerke , Düsseldorf. Sch rirtenreihe der Zementindustri e, Heft 33 , Beton-Verlag , Düssetdorl 1957.

ISI Vorläufiges Merkblatt lür die Messung der Temperalurerhöhung des Be tons mit dem adiabatischen Kalorimeter, Fassung Dezember 1970. Herausgegeben vom Verein Deutscher Zemenlwerke, Düsse ldorf. beton 20 (1970), H. 12, S. 545f549; ebenso Be len technische BerIchte 1970, Belen-Verlag, Düsse ldorf 1971. S. 179/192.

88