ZWEITSPRACHERWERB BEITRÄGE AUS DER AKTUELLEN … · Drei-Kasus-System Nominativ + Akkusativ +...

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ZWEITSPRACHERWERB ZWEITSPRACHERWERB BEITR BEITR Ä Ä GE AUS DER AKTUELLEN GE AUS DER AKTUELLEN FORSCHUNG FORSCHUNG Prof. Dr. Gabriele Kniffka 04.05.2011

Transcript of ZWEITSPRACHERWERB BEITRÄGE AUS DER AKTUELLEN … · Drei-Kasus-System Nominativ + Akkusativ +...

ZWEITSPRACHERWERB ZWEITSPRACHERWERB ––

BEITRBEITRÄÄGE AUS DER AKTUELLEN GE AUS DER AKTUELLEN  FORSCHUNGFORSCHUNG

Prof. Dr. Gabriele Kniffka

04.05.2011

ErstspracherwerbErstspracherwerb Erlernen der ersten Sprache (L1)Erlernen der ersten Sprache (L1)

monolingual : Erwerb nur einer L1monolingual : Erwerb nur einer L1 bilingual oder mehrsprachig: gleichzeitiger Erwerb von zwei bilingual oder mehrsprachig: gleichzeitiger Erwerb von zwei 

oder mehr Sprachenoder mehr Sprachen Zweitspracherwerb Zweitspracherwerb 

Erlernen der zweiten Sprache (L2)Erlernen der zweiten Sprache (L2) natnatüürlicher L2rlicher L2‐‐ErwerbErwerb

gesteuerter L2gesteuerter L2‐‐ErwerbErwerb

SSpracherwerbstypenpracherwerbstypen

Im Verlauf der Aneignung einer L2 durchläuft ein 

Lerner/eine Lernerin diverse PhasenPhasen. 

PhasePhase: Entwicklungsstadium, in dem der Lerner sich 

bestimmte Formen und Strukturen der L2 erschließt. 

PhasenPhasen

Interlanguages  (Selinker 1972 )

Lernersprachen

PhasenPhasen

„„LernerspracheLernersprache““/ Interlanguage/ Interlanguage

•• Das sich entwickelnde L2Das sich entwickelnde L2‐‐System eines LernersSystem eines Lerners

•• Merkmale der L1 des Lerners oder einer zuvor Merkmale der L1 des Lerners oder einer zuvor 

gelernten Fremdsprachegelernten Fremdsprache

•• Merkmale der zu erlernenden L2Merkmale der zu erlernenden L2

•• Merkmale, die keiner der beiden Sprachsysteme Merkmale, die keiner der beiden Sprachsysteme 

zuzuordnen sind.zuzuordnen sind.

Beispiele: Merkmale aus L1Beispiele: Merkmale aus L1

1.

Der Kiwi ist kleine. 

(Andrea, Erstsprache Spanisch, 5 Wo. DaZ‐Unterricht) 

2.

[der sohn ist froh] ... der kind

ist froh.

(Ylenia, Erstsprache Italienisch, in Deutschland geboren, 6. Klasse)

Beispiele: Merkmale der L2Beispiele: Merkmale der L2

1.

Wir räumen das Zimmer auf. (Zichong, Erstsprache Chinesisch, 8 Wo. DaZ‐Unterricht) 

2.

Wir halten unseren Taschen fest, sie sind zu 

schwer.

(Anastasia, Erstsprache Russisch, 8 Wo. DaZ‐Unterricht)

Beispiele: lernersprachliche MerkmaleBeispiele: lernersprachliche Merkmale

ÜÜbergeneralisierung:bergeneralisierung:

Die vogel kommte

und sie hollte Lukas und sie fliegten.

Simplifizierung:Simplifizierung:

Wir putzen die Tafel.

Wir greifen einen Apfel.

Wir basteln ein Auto. 

„„LernerspracheLernersprache““/ Interlanguage/ Interlanguage

•• Lernersprachen sind in sich systematisch. Lernersprachen sind in sich systematisch. 

•• Sie sind dynamisch, d.h. sie sind stSie sind dynamisch, d.h. sie sind stäändiger ndiger 

VerVeräänderung unterworfen.nderung unterworfen.

SystematizitSystematizitäät von Lernersprachent von Lernersprachen

Bedeutet:Bedeutet:

Sie unterliegen einem eigenen Regelsystem, das mit dem Sie unterliegen einem eigenen Regelsystem, das mit dem 

der zu erwerbenden Sprache partiell der zu erwerbenden Sprache partiell üübereinstimmt und bereinstimmt und 

sich diesem mit fortschreitender Kompetenz des sich diesem mit fortschreitender Kompetenz des 

Lernenden immer stLernenden immer stäärker annrker annääherthert.

LernersprachenLernersprachen

MManche Phasen sind sequenziell angeordnet, d.h. es anche Phasen sind sequenziell angeordnet, d.h. es 

gibt eine bestimmte gibt eine bestimmte chronologische Reihenfolge.chronologische Reihenfolge.

Feste Phasenabfolge: Feste Phasenabfolge: „„ErwerbssequenzErwerbssequenz““

oder oder 

„„EntwicklungssequenzEntwicklungssequenz““..

ErwerbssequenzenErwerbssequenzen

Erwerbssequenzen kommen dadurch zustande, dass Erwerbssequenzen kommen dadurch zustande, dass 

Lerner sich die Strukturen der Zielsprache Lerner sich die Strukturen der Zielsprache 

schrittweise erschlieschrittweise erschließßenen..

A Verbalbereich B Satzmodelle C Kasus (ohne Präpositionen)

I

Präkonjugale Phase

(Infinitive; Personalformen nur als

chunks)

.......................................

II

regelmäßige Konjugation im

Präsens

.........................................

III

Konjugation der unregelmäßigen

Verben im Präsens

Modalverb + Infinitiv

........................................

IV

Auxiliar + Partizip

.......................................

V

Präteritum

........................................

VI

Übrige Formen

I

Hauptsatz

(Subjekt-Verb)

.........................................

II

Koordinierte Hauptsätze

W-Fragen

Entscheidungsfragen

.........................................

III

Distanzstellung

(Verbalklammer)

........................................

IV

Nebensatz

........................................

V

Inversion

(X-Verb-Subjekt)

........................................

Erwerb der Satzmodelle I-V

abgeschlossen

I

Ein-Kasus-System

(nur Nominativ-Formen)

.......................................

II

Ein-Kasus-System

(beliebig verteilte Nominativ-,

Akkusativ-,

Dativ-Formen)

.......................................

III

Zwei-Kasus-System

Nominativ + Objektkasus

(Nominativformen + beliebig

verteilte Akkusativ- und Dativ-

Formen)

.......................................

IV

Drei-Kasus-System Nominativ +

Akkusativ + Dativ (Nominativformen

+ Akkusativformen + Dativformen)

ErwerbssequenzenErwerbssequenzen

Schrittweise Bearbeitung der ZielstrukturenSchrittweise Bearbeitung der Zielstrukturen

Zu (festen) Phasenabfolgen kommt es deshalb, weil sich die LerneZu (festen) Phasenabfolgen kommt es deshalb, weil sich die Lernenden die nden die  Zielsprache schrittweise erschlieZielsprache schrittweise erschließßen, d.h. sie bearbeiten nicht ein ganzes en, d.h. sie bearbeiten nicht ein ganzes 

grammatisches Subsystem, etwa das Kasussystem des Deutschen,  augrammatisches Subsystem, etwa das Kasussystem des Deutschen,  auf f  einmal, sondern nach und nach. einmal, sondern nach und nach. 

.

ErwerbssequenzenErwerbssequenzen

•• Abfolgen sind auch von der L1 der Lerner Abfolgen sind auch von der L1 der Lerner 

mitbestimmtmitbestimmt

•• Lassen sich NICHT durch Unterricht manipulieren, Lassen sich NICHT durch Unterricht manipulieren, 

d.h. durch Unterricht kd.h. durch Unterricht köönnen die Abfolgen nicht nnen die Abfolgen nicht 

variiert werden. Konsequenz: Unterricht, der effektiv variiert werden. Konsequenz: Unterricht, der effektiv 

sein will, muss an den Erwerbssequenzen orientiert sein will, muss an den Erwerbssequenzen orientiert 

sein.sein.

LerntempoLerntempo

FFüür die Bearbeitung der zielsprachlichen Strukturen wenden Lerner r die Bearbeitung der zielsprachlichen Strukturen wenden Lerner  aufgrund ihrer individuellen Erwerbssituation unterschiedlich viaufgrund ihrer individuellen Erwerbssituation unterschiedlich viel el 

Zeit auf:Zeit auf:

BBetreträächtliche Variationen bezchtliche Variationen bezüüglich des Lerntemposglich des Lerntempos

.

Erreichbare zweitsprachliche KompetenzErreichbare zweitsprachliche Kompetenz

Grad an erreichter Sprachkompetenz am Ende eines Grad an erreichter Sprachkompetenz am Ende eines 

Deutschkurses /am Ende der Schullaufbahn variiertDeutschkurses /am Ende der Schullaufbahn variiert

Erreichbare zweitsprachliche KompetenzErreichbare zweitsprachliche Kompetenz

• L2L2‐‐Erwerb weniger kontinuierlich als L1Erwerb weniger kontinuierlich als L1‐‐ErwerbErwerb

•• FossilisierungenFossilisierungen

•• RegressionenRegressionen.

.

L1L1‐‐Einfluss auf L2Einfluss auf L2‐‐ErwerbErwerb

Unbestritten: Unbestritten: PrPräägender Einfluss der L1 auf den L2gender Einfluss der L1 auf den L2‐‐ErwerbErwerb. . 

„„Transfer aus der L1 gilt nicht mehr, wie zu Zeiten des BehavioriTransfer aus der L1 gilt nicht mehr, wie zu Zeiten des Behaviorismus, als smus, als 

mmööglichst zu eliminierender Stglichst zu eliminierender Stöörfaktor, sondern als rfaktor, sondern als ‚‚kognitiv begrkognitiv begrüündete ndete 

ProduktionsstrategieProduktionsstrategie’’

(Jordens 1988, 43), die f(Jordens 1988, 43), die füür den L2r den L2‐‐Erwerb wesentliche Erwerb wesentliche 

Impulse liefert.Impulse liefert.““

Beispiel LernerspracheBeispiel Lernersprache L1: TL1: Tüürkischrkisch

Es war einmal ein Junge. Er lebte in einem dorf, das Es war einmal ein Junge. Er lebte in einem dorf, das 

war sehr arm. Er lebte mit seinem mutter und mit war sehr arm. Er lebte mit seinem mutter und mit 

seinem zwei gescwester. Er hatte nur einem er wollte seinem zwei gescwester. Er hatte nur einem er wollte 

kköönig sein, aber es war unmnig sein, aber es war unmööglich. Eines tag laufte in glich. Eines tag laufte in 

wald, hat er ein geruch gehwald, hat er ein geruch gehöört. Er hatte Angst. Er hat rt. Er hatte Angst. Er hat 

weiter gegangen. Er siehte da einem riesigen vogel. weiter gegangen. Er siehte da einem riesigen vogel. 

L2 in der SchuleL2 in der Schule

Jemand, der Jemand, der üüber Fertigkeiten in der ber Fertigkeiten in der 

Alltagskommunikation verfAlltagskommunikation verfüügt, vermag gt, vermag 

konzeptionellkonzeptionell‐‐mmüündliche Texte und ndliche Texte und ÄÄuußßerungen zu erungen zu 

produzieren. produzieren. 

Bildungssprache hingegen umfasst vor allem Bildungssprache hingegen umfasst vor allem 

konzeptionellkonzeptionell‐‐schriftsprachliche Fschriftsprachliche Fäähigkeiten. higkeiten. 

L2 in der SchuleL2 in der Schule

J. Cummins:J. Cummins:

Unterscheidung zwischen BICS (Unterscheidung zwischen BICS („„Basic Interpersonal Basic Interpersonal 

Communication SkillsCommunication Skills““) und CALP (Cognitive Academic ) und CALP (Cognitive Academic 

Language ProficiencyLanguage Proficiency““))

L2:  Kompetenz in schulischen L2:  Kompetenz in schulischen  FachsprachenFachsprachen

Schulerfolg ist abhängig von der Kompetenz in 

schulischen Fachsprachen / Bildungssprache

Im Sekundar‐Bereich werden die sprachlichen 

Anforderungen komplexer.

L2: Kompetenz in schulischen L2: Kompetenz in schulischen  FachsprachenFachsprachen

Schüler/innen müssen fachliche Denkweisen entwickeln – Hypothesen formulieren, Voraussagen treffen, 

Analysen versprachlichen, Rückschlüsse ziehen  ‐

in  ihrer L2 Deutsch.

Weitere Aufgaben: Tabellen / Grafiken interpretieren,  Rollen innerhalb einer Gruppenarbeit einnehmen ...

L2L2‐‐LiteracyLiteracy

•• L2L2‐‐Lernende benLernende benöötigen tigen ––

ebenso wie Muttersprachler ebenso wie Muttersprachler ––

einen einen  qualitativ hochwertigen (Fachqualitativ hochwertigen (Fach‐‐) Unterricht. Allerdings ben) Unterricht. Allerdings benöötigen tigen 

sie sie ––

methodisch gesehen methodisch gesehen ––

Anpassung an ihren Sprachstand und Anpassung an ihren Sprachstand und  sprachliche Unterstsprachliche Unterstüützung, um ihre Deutschkenntnisse voll zu tzung, um ihre Deutschkenntnisse voll zu 

entwickeln. entwickeln. 

•• L2L2‐‐Lernende benLernende benöötigen explizite Wortschatzerweiterungtigen explizite Wortschatzerweiterung