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2/2009 HERAUSGEBER: SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS

2/2009 HERAUSGEBER: SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS

20 Jahre Friedliche Revolution Gelebte Geschichte im Unterricht

r e p o r ta g e

Lernen im Tigerkäfig – ein Klassen-Besuch in Bautzen II _ Seite 6/ 7 p e r s o n e n

Frank Richter, Direktor der SLpB _ Seite 10/11 r e p o r ta g e

»Geschichtsvermittlung mit Lack und Leinwand« _ Seite 12/13 m e d i e n s c h a u

Ausgewählte Webseiten, Filme und Publikationen _ Seite 8

DAS M AGA ZI N FÜR SCH U LE I N SACHSEN

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Besuch der staatskanzlei: online-anmeldung für gruppen Schulklassen und Gruppen, die eine Hausführung in der Sächsischen Staats-kanzlei planen, können sich ab sofort bequem online anmelden. Auf der neu eingerichteten Seite ist die Anmeldung direkt mit der Übersicht über freie Ter-mine verknüpft. Gewünschten Termin aussuchen, Gruppenstärke und Adresse des Verantwortlichen angeben und auf »Senden« drücken – schon ist die Anmel-dung vollzogen. Jeden Tag zwischen 11 und 14 Uhr bietet das Besuchsprogramm der Staats-kanzlei Einblicke in die Arbeit der Re-gierung. Wie funktioniert die Staats-regierung? Warum nennt man sie auch »Kabinett« und in welchem Verhältnis steht sie zum Landtag? Wie spannend kann eine Pressekonferenz sein und wa-rum findet sie in der Staatskanzlei hinter gelben Fenstern statt? Das sind nur einige der Fragen, die die Schüler vor Ort wäh-rend der Führungen beantwortet bekom-men. Ziel ist, Politik so greif- und erleb-bar zu machen. Die Führungen sind kostenlos und für Gruppengrößen zwischen 15 und 50 Personen ausgelegt. Das Besuchspro-gramm der Sächsischen Staatskanzlei bietet neben seinem Beitrag zur allgemei-nen Bildung zahlreiche Anknüpfungs-punkte zum Sächsischen Lehrplan.

pa n o r a m a

mehr informationen unter:Eric Braun, LSR,www.lsr-sachsen.de [email protected]

Eine Schulklasse beim Rundgang in der Staatskanzlei

»demokratie in schülerhänden« 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution stellt der Landesschü-lerrat (LSR) die Frage: Wie steht es eigentlich um die demokrati-schen Strukturen an unseren Schulen? Dazu planen LSR und das Sächsische Staatsministerium für Kultus gemeinsam mit der Pro-jektschmiede Dresden am 5. und 6. Dezember 2009 eine Veran-staltung mit dem Arbeitstitel »Demokratie in Schülerhänden«. »Es ist wichtig, dass man solche Themen auch und gerade außerhalb des Unterrichts bringt«, sagt Eric Braun, Vorsitzender des sächsischen Landesschülerrats. »Für uns ist wichtig zu zeigen, es gibt da noch ein Gremium, das was macht, das Stellung bezieht, das da ist.« Dazu hat man sich auf eine ganz neue Veran-staltungsform verständigt: eine sogenannte Open-Space-Konfe-renz. Die zeichnet aus, dass es thematisch zu Beginn nur das Über-thema als Vorgabe gibt. In einer ersten großen Runde werden

zu Beginn der Veranstaltung Stichwörter und Themenwünsche gesammelt und erst dann der konkrete Veranstaltungsablauf festgelegt. Die Teilnehmer sind so von Anfang an wesentlich stärker und dichter in den Ablauf eingebunden, die Ergebnisse deswegen meist wesentlich konkreter. Veranstaltungsort ist das zentrale Hörsaalgebäude der TU Chemnitz, als Teilnehmerzahl sind 350 Schülerinnen und Schü-ler vorgesehen.

Mehr Informationen unter:www. sk.sachsen.de

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Alle tourdaten sind im Internet zu finden un-ter der Adresse: www.89-90.sachsen.de

Liebe Leserinnen und Leser,

2009 häufen sich die Jahrestage. Die Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik haben bereits begonnen und im Herbst begehen wir den 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution von 1989. Damals haben gerade die Sachsen mit ihrem Mut zur Veränderung deutsche Geschichte geschrieben. Für uns Grund genug, Geschichte aufleben zu lassen. Mit un-serem Heft »20 Jahre Friedliche Revolution – Gelebte Geschichte im Unterricht« wollen wir zeigen, wie Schulen sich des Themas annähern können. Wie war er, der Herbst 1989? Einen besseren Zeitzeugen als Frank Richter, den neuen Direktor der Sächsischen Landeszent-rale für politischen Bildung, konnten wir kaum finden. Im Inter-view auf den Seiten 10 und 11 erzählt er von seinen Erlebnissen, von Revolutionären, der Demokratie und der Macht des Volkes. Die Reportage vom Schulbesuch in Bautzen zeigt eindrucks-voll, wie Schülern an historischen Orten Geschichte vermittelt werden kann (Seite 6/7). Eine ganz andere Art der Vermittlung und Herangehensweise wählt das Projekt »Demokratie Versprühen«. Lesen Sie dazu den Beitrag ab Seite 12. Was erleben und empfinden Lehrer bei der Bearbeitung der DDR Geschichte im Unterricht? Wir fragten bei einer Geschichts-lehrerin nach (Seite 5). Die DDR – 20 Jahre danach scheint schon einiges vergessen. Ein kleines Quiz auf Seite 15 lädt zur Überprüfung des Wissens ein. Damit Sie auch den Überblick behalten, ist auf Seite 8 eine kleine Auswahl aus dem riesigen Angebot an Internetseiten, Filmen oder Printprodukten zum Thema zusammengetragen.

Viel Vergnügen beim Lesen des Heftes und natürlich eine erhol-same Ferienzeit wünscht Ihre -Redaktion

e d i t o r i a L

der Bus zur »Friedlichen revolution«

Ein 18 Meter langer umgebauter Bus tourt seit Anfang Mai durch Sachsen und erin-nert mit einer Ausstellung an die Ereignis-se vor 20 Jahren. Von Mai bis November hält der Bus in über 30 Orten in Sachsen. Die Sächsische Staatskanzlei hat den Bus in Kooperation mit dem Sächsischen Lan-desbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR auf Tour geschickt. Titel der Aus-stellung: »Unser Aufbruch«.

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Das hier gezeigte Graffiti sowie das Titelbild sind Gewinnerarbeiten aus dem Projekt »demokratie Versprühen«, das sich mit der Bedeutung von Demokratie und Freiheit vor dem Hintergrund der Graffiti-Szene in der DDR auseinandergesetzt hat. Lesen Sie dazu unsere reportage auf seite 12.

Die Ausstellung teilt sich in drei Teile: Im ersten erfolgt eine Bestandsaufnahme des DDR-Alltags in den 1980er Jahren. Im zweiten Teil folgt eine ereignisgeschicht-liche, chronologische Betrachtung der Umbruchsereignisse. Der dritte Teil stellt ähnlich wie der erste anhand verschiede-ner Aspekte eine Art Bilanz der Friedli-chen Revolution dar.

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z i tat e

»Gemischte Stimmungslage« die jüngere deutsche geschichte sorgt nach wie vor für diskussionsstoff. eine zitate-sammlung von Sven PInke, -ReDakTIon

Respekt vor Leistungen »Zur anhaltenden Freude über die deutsche Ein-heit gehört für mich auch der Respekt für die Lebensleistung der allermeisten Menschen in der DDR.«

Bundespräsident Horst Köhler in einem Interview mit der Passauer Presse am 13.3.2009 in Berlin

Kindheit »Meine Kindheit war toll, ich war behütet. Ob meine Eltern, Lehrer, Trainer – ich hatte immer Leute, an denen ich mich orientieren konnte.« Henry Maske, Boxer

Doppelte Stärke »Mit der Wiedervereinigung wurden wir alle stark wie zwei.«

Udo Lindenberg, Musiker

Verharmlosender Rückblick »Ich brauch keine Stasi - ich wohn‘ aufm Dorf«

Titel einer Gruppe bei SchuelerVZ

Glück und Freundschaften »Freundschaften und glückliche Ereignisse ziehen sich durch jede einzelne Biographie jedes Menschen, der in der DDR gelebt hat. Das darf man sagen und das kann man sagen.«

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Jubilä-umsveranstaltung »Vor 20 Jahren – Am Vorabend der Friedlichen Revolution« am 8. Mai 2009 in Berlin

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Erzwungene Weltanschauung »In der DDR hat man von mir eine Weltanschau-ung verlangt, ohne dass ich die Welt anschauen durfte« Manfred Krug, Schauspieler

Traum vom Glück »Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten.«

Herman Kant, dt. Schriftsteller, ehem. Präsident des Schriftstellerverbands der DDR

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»Einer meiner Schüler hat vor einiger Zeit eine Trainingsja-cke mit dem DDR-Emblem in der Schule getragen und fand das cool. Wir haben dann darüber gesprochen, dass er nicht nur eine hippe Jacke, sondern auch das Symbol einer Diktatur trägt. An solchen Kleinigkeiten sehe ich, dass viele Schüler zu wenig über die DDR wissen. Sie kennen vielleicht die wichtigs-ten Fakten und wissen, dass es eine Mauer gab. Aber die meis-ten können nicht mehr einschätzen, was es bedeutete, DDR-Bürger zu sein. Der emotionale Bezug fehlt. Ich betrachte es als meine Aufgabe, den Schülern diesen Bezug zu vermitteln. Mir geht es nicht nur darum, dass die Jugendlichen die wichtigsten Jahreszahlen draufhaben. Ich will, dass sie ein Gefühl für die Zeit vor der Wiedervereinigung entwickeln. Deshalb erzähle ich im Unterricht auch von meinen eige-nen Erfahrungen. Das macht den Stoff authentisch und lässt sie hoffentlich auch die Vorteile der Demokratie erahnen. Natürlich werde ich auch oft mit Vorurteilen oder Halb-wahrheiten konfrontiert. Kürzlich sagte zum Beispiel einer: ‚In der DDR bekam jeder eine Ausbildungsstelle, das war noch viel besser als heute.‘ Als ich ihm erklärte, dass nicht jeder das lernen durfte, was er wollte, sah er die Sache aus einer anderen Perspek-tive. Wer Friseur werden wollte, konnte auch schnell als Gieße-reifacharbeiter enden. Mir geht es darum, zu zeigen wie massiv eine Diktatur in die Lebensentwürfe der Menschen eingegrif-fen hat, auch wenn die Menschen innerhalb ihrer Nischen den Humor nicht verloren haben. Vielen Kollegen fällt es noch schwer, das Thema im Unter-richt zu behandeln. Manche beschränken sich auf die Fakten, andere sparen auch diese aus. Dass die sächsischen Lehrpläne

die Behandlung der DDR-Geschichte für alle Schüler vorsehen, macht deutlich, dass sich der Freistaat Sachsen seiner histori- schen Verantwortung sehr bewusst ist. Das wird jedoch nicht überall so gesehen – viele Schulbücher stellen die BRD-Ge-schichte lang und breit dar und gehen auf die DDR nur kurz ein. Aber eine Fußnote oder 20 mickrige Seiten reichen nicht, um 40 Jahre DDR-Geschichte zu thematisieren. Ob die Schüler wirklich etwas lernen, hängt also oft vom Engagement der Lehrer ab. Mir fällt es nicht schwer, darüber zu reden, denn ich musste nach der Wiedervereinigung nicht mein gesamtes Weltbild ändern. In einem christlichen Elternhaus auf- gewachsen und mit Verwandtschaft im Westen, betrachtete man den SED-Staat kritisch. Diese Erfahrungen haben aber nicht alle machen können und so tragen manche, deren Welt nach 1989 zusammenbrach, bis heute an dieser Last. Natürlich habe ich im Unterricht schon oft den Satz ge-hört: ‚Aber damals war nicht alles schlecht.‘ Schüler geben auch die Erfahrungen ihrer Eltern weiter. Das ist in Ordnung. Es ist viel besser für den Unterricht, wenn die Jugendlichen schon ein paar Bilder im Kopf haben, vielleicht auch nur Vorurteile. Darüber lässt sich dann diskutieren – auf faktischer und auf emotionaler Ebene. Jugendliche brauchen diese Reibungsflächen. Insofern ist mir ein Schüler, der mal im DDR-Trainingsanzug in den Unterricht kommt, lieber als einer, der gar nichts weiß und gar nichts wissen will. Den Jungen mit dem Trainingsanzug habe ich immerhin nachdenklich gemacht. Und ich habe ihm gesagt, dass er mit dem DDR-Emblem bitte nicht mehr in meinen Unter-richt kommt. Er hat sich meistens dran gehalten.«

»Ich will ein authentisches Bild von der DDR vermitteln«

dr. dagmar schulz unterrichtet gemeinschaftskunde und deutsch am Berufsschulzentrum 2 in Leipzig.

erzählt sie von ihren alltagserfahrungen mit dem thema ddr im unterricht.

eIn GeSPRäcHSPRoTokoll beaRbeITeT von anne HäHnIG, - REDAKTIoN

52/2009

p r o t o ko L L

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»VieLen koLLegen FäLLt es noch schwer, das thema im unterricht zu BehandeLn«, SAGT DR. DAGMAR SCHULz.

dr. dagmar schulz, 47, studierte in Leipzig Geschichte und Deutsch und unterrichtete beide Fächer bis

zur Wiedervereinigung.

nach erneutem Promotions-studium lehrt sie heute Gemein-

schaftskunde und Deutsch am Berufsschulzentrum 2 in Leipzig

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r e p o r ta g e

Tobias holt sein Handy aus der Hosentasche. »Thomas, mach mal ein Foto von mir, wie ich aus der Zelle hinter den Gittern hervorgucke!« Tobias positioniert sich, macht die Gittertür zu – es soll ja schließlich echt aussehen – hält sich mit den Händen nach Freiheit flehend an den Gitterstäben fest. Breit grinst er in sein Fotohandy. »Voll cool, hier kann man sich richtig einsper-ren lassen, das schicke ich dann meinen Freunden rum!« Auch Thomas freut sich über den gelungenen Schnappschuss. »Ich will auch«, drängt er. Doch da hat Tobias schon die Informationstafel entdeckt. »Tigerkäfige« steht da. Und plötzlich begreift Tobias, dass er in keiner normalen Gefängniszelle steht. Er ist in Bautzen II, der einzigen Strafvollzugsanstalt der DDR, die inoffiziell dem Ministerium für Staatssicherheit unterstand. Die Toilette ist vom Rest der Zelle durch eine separate Git-tertür abgegrenzt. Nicht der Gefangene durfte entscheiden, wann er auf die Toilette geht, sondern der Wächter hatte die Macht darüber. Auch das schmale Holzbett lässt sich nur von außen herunterklappen. Der Inhaftierte durfte also nur schlafen, wenn es die Aufseher wollten. Ein kleiner ungemütlicher Holzhocker

Lernen im Tigerkäfig

die gedenkstätte Bautzen ii ist ein außerschulischer Lernort, an dem geschichte hautnah erfahren werden

kann. begleitete eine 9. klasse der 1. mittelschule kamenz beim Besuch

voN NICoLE KIRCHNER, - REDAKTIoN

bietet die einzige Möglichkeit sich hinzusetzen. Durch das kleine Fenster dringt kaum Tageslicht, weil die Fensterscheiben aus Milchglas sind. Sonderbehandlung für »Staatsfeinde« Tobias liest aufmerksam den Text auf der Informationstafel. Die anfangs fröhliche Stimmung kippt, als er begreift, dass hier frü-her Gefangene unter so menschenunwürdigen Bedingungen oft Jahre in einer Arrestzelle wie dieser verbracht haben. »Krass, das ist ja voll gruselig. Echt krass.«, Tobias muss schlucken. Er hält nochmal inne, schüttelt den Kopf und wendet sich ab: »Thomas, wir müssen jetzt noch zur Abhörzelle. Dort finden wir die Lö-sung auf die nächste Frage.« Tobias und Thomas sind Schüler der 9. Klasse der 1. Mittelschule in Kamenz. Heute sind sie auf Entdeckungs-tour durch die Gedenkstätte Bautzen II. Sie lernen, dass die meisten Gefangenen hier keine wirklichen Verbrecher, son-dern sogenannte »Staatsfeinde« waren. Sie waren Kritiker des SED-Regimes, »Republikflüchtige«, Spione westlicher Ge-heimdienste oder halfen anderen Menschen bei der Flucht. 85 Prozent der Insassen in Bautzen II waren politische Gefangene. Gemeinsam mit ihren Geschichtslehrerinnen Gudrun Burig und Heike Branik nehmen Tobias und Thomas heute am Schü-lerprojekt »Weggesperrt« teil, das sich mit der politischen Haft im Gefängnis Bautzen II von 1956 bis 1989 befasst. Knapp vier Stunden beschäftigen sie sich mit der Geschichte dieser Gedenk-stätte im Rahmen ihres Projekttages. Museumsmitarbeiter Sven Riesel begleitet die Schüler dabei. Doch statt wie bei einer klas-sischen Führung erklärt Riesel nicht die einzelnen Ausstellungs-stücke und Räume. Vielmehr sollen die Schüler die Geschichte dieses historischen Ortes selbst entdecken. Losgegangen ist es für die Klasse aus Kamenz um 10 Uhr im Kinosaal der Gedenkstätte. »Haben die Gefangenen hier auch Filme geguckt?«, will Sarah wissen, als sie in den engen Reihen Platz nimmt. Sven Riesel weiß sofort die Antwort: »Tatsäch-lich war das auch früher der Vorführraum. Allerdings durften die Gefangenen nur einmal im Monat hier einen Film schauen, der außerdem vorher von den Wächtern ausgewählt wurde.« Ein kurzer Einleitungsfilm erzählt die Geschichte der beiden

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Einzelhaft, durften mit niemandem sprechen, nicht mal mit den Wärtern. Durften nur allein auf dem Einzelhof mal kurz an die frische Luft.« Tanja ist entsetzt: »Da verlernt man doch das Spre-chen!« In kurzen Vorträgen stellen auch die anderen Gruppen ihre Ergebnisse vor. Offenes Lernen als Konzept

Sven Riesel fasst die wichtigsten Punkte auf einer »Mind-Map« zusammen, der auch als weitere Grundlage für den Unterricht mitgenommen werden kann. Wie genau dieser »Mind-Map« aus-sieht, ist von Klasse zu Klasse unterschiedlich. Die Gedenkstätte Bautzen II will ein offener Lernort sein. »Wir wollen hier keinen klassischen Unterricht machen. Wir wollen die Schüler anregen, sich eine eigene Meinung zu diesem Thema zu bilden«, sagt Su-sanne Hattig, Leiterin der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit in der Gedenkstätte Bautzen II. Sieben verschiedene Schülerprojekte stehen dabei zur Auswahl. Mit einer Ausnahme sind alle als Ta-gesprojekte angelegt. Doch nicht nur Schüler können hier etwas lernen. »Wir bie-ten auch Fortbildungen für Lehrer und andere Multiplikatoren an«, sagt Hattig. Auch Gudrun Burig und Heike Branik haben hier schon an solch einem Seminar teilgenommen. Neben den Schülerprojekten, Führungen und Fortbildungen gehören außer-dem Veranstaltungen mit Zeitzeugen und aktuell die Theater-aufführung »Antigone in Bautzen«, die direkt im Gefängnistrakt spielt, zum Gedenkstättenprogramm. 13.45 Uhr rollt Sarah ihr Plakat ein. Darauf schwimmt eine Person durch einen Fluss, eine andere gräbt einen Tunnel und in einem Kofferraum liegt eine Frau. Sarah hat sich mit »Fluchthel-fern« beschäftigt und ist immer noch beeindruckt davon, dass aus diesem Gefängnis ein Inhaftierter mit einem einfachen Löffel einen Tunnel graben wollte. »Schade, dass wir jetzt schon los müssen. Irgendwie war zu wenig Zeit, sich alles in Ruhe anzugu-cken, die anderen Gruppenthemen hätten mich auch interessiert. Aber vielleicht kann ich meine Eltern überreden, mit mir noch-mal an einem Wochenende herzu fahren«, sagt Sarah.

Bautzener Gefängnisse. Er geht kurz auf die Geschichte von Bautzen I ein, dem berüchtigten »Gelben Elend«, das auch heute noch dem Strafvollzug dient, und spannt den Bogen zu Bautzen II und der heutigen Gedenkstätte. Nach dem Film teilt Riesel die Klasse in fünf Arbeitsgruppen auf: »Abgeschottet und Isoliert«, »Onkel hört mit«, »Kritiker un-erwünscht«, »Fluchthelfer« und »Spione«. Jede Gruppe bekommt einen Fragebogen. Eine Stunde haben die Schüler nun Zeit, die Fragen zu beantworten. Riesel hilft die Lösungen zu finden, gibt Tipps, wo und an welcher Schautafel in der Gedenkstätte eine Antwort zu finden ist. Wenn alle Antworten gefunden sind, erar-beit die Gruppe eine kleine Präsentation, die sie dann der großen Runde vorstellt.

Politische Verfolgung ist ein Teil der DDR-Geschichte Gudrun Burig fährt schon seit zehn Jahren mit ihren Schülern zum Projekttag in die Gedenkstätte Bautzen II. Obwohl sie schon zu DDR-Zeiten Lehrerin für Geschichte war, hat sie mit dem Thema DDR-Diktatur keine Berührungsängste. Im Gegenteil: »An so einem historischen Ort wie diesem wird den Schülern die Tragweite des DDR-Systems erst richtig bewusst. Das kann kein Geschichtsbuch vermitteln«, sagt sie. Nach dem Besuch von Bautzen II wird sie noch als Abschluss zu dem Thema mit ihren Schülern den Film »Das Leben der An-deren« anschauen. Die Geschichte eines Gefangenen in Bautzen II war sogar Vorlage für den oscarprämierten Kinofilm, erzählt Reisig. Gudrun Burig und ihre Kollegin Heike Branik behandeln aber im Unterricht nicht nur die »Stasi« und die SED-Diktatur. »Man darf die DDR nicht nur darauf reduzieren«, sagt Branik. So sollen die Schüler auch mit Zeitzeugen, also Eltern oder Groß-eltern, über den Alltag in der DDR sprechen. In der Klasse stellen sie dann vor, wie man in der DDR seine Freizeit verbrachte, wo-hin man in den Urlaub fuhr und wie das Schulleben aussah. »So können sich die Schüler ein eigenes Bild von der DDR machen. Schließlich ist die DDR für sie nur noch Geschichte.« Da sind sich die beiden Lehrerinnen einig. Gegen 12.30 Uhr beendet Sven Riesel die Präsentationsvor-bereitungen. Die erste Gruppe »Isoliert und Abgeschottet« tritt vor die Klasse, um über die Einzelhaft in Bautzen II zu sprechen. Riesel ergänzt: »Manche Gefangenen waren bis zu zehn Jahre in

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In kleinen Projektgruppen erkunden die Schüler die Gedenkstätte

gedenkstätte BautzenWeigangstr. 8a, 02625 BautzenTel. (03591) 40474www.gedenkstaette-bautzen.deDi.–Do. 10 -16 Uhr, Fr. 10–20 Uhr, Sa.+So. 10–18 Uhr, Montag ge-schlossen. Führungen und Schülerprojekte für Gruppen nach vereinbarung.

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hintergrundwissen online

Das Internet bietet viele Informations-möglichkeiten, die aber längst nicht alle für den Unterricht geeignet sind. An-ders ist das bei www.deinegeschichte.de. Hier können sich die Schüler einen Überblick verschaffen, sich informie-ren und sogar selber Projekte veröffent-lichen. Die Seite ist übersichtlich, gut strukturiert und durch ein ausführliches Glossar auch zum Einstieg geeignet. Das wurde sogar von der Gesellschaft für Pädagogik und Information mit dem Comenius EduMedia-Siegel gewürdigt.

Gut dosierte Informationen gibt es bei dem lebendigen virtuellen Museum Online - Kurz LeMO – unter www.dhm.de/lemo/home.html. Beiträge des Deut-schen Historischen Museums und Haus der Geschichte führen von 1871 bis in die Neuzeit. Dabei wird jedes Thema kurz und bündig vorgestellt, bietet aber die Möglichkeit durch Verlinkungen im Text und mittels Unterkategorien tiefer ein-zusteigen. Die Texte sind im Vergleich zu anderen Quellen einfach geschrieben und die schlichte Gestaltung der Seite erlaubt die Konzentration auf das Wesentliche.

Dokumentationen und Spielfilme

Neben dem Klassiker »Sonnenallee« gibt es eine Vielzahl an Dokumentationen und Spielfilmen. Diese können den Schü-lern das Thema des geteilten und wieder-vereinten Deutschlands näher bringen. Zu den besten Filmen gehört sicherlich »Deutschlandspiel«. Der Film behandelt ausschließlich die Jahre 1989 und 1990. Die Besonderheit ist dabei die Darstellung der Ereignisse aus Sicht der beteiligten Politiker und die szenischen Nachstel-lungen historischer Vorgänge. Er besteht aus zwei Teilen und hat eine Spielzeit von etwas unter drei Stunden.

Der Film »Leben in der DDR« vermittelt wichtiges Grundlagenwissen. Er wurde vom Institut für Film und Bild in Wissen-schaft und Unterricht (FWU) als Antwort auf die zunehmende nostalgische Verklä-rung der DDR produziert. Zeitzeugenbe- richte, Propagandafilme und Aus-schnitte aus dem Alltagsfilm sollen »die raue Wirklichkeit der DDR« zeigen. Die DVD beinhaltet zahlreiche Unter-richtshilfen von didaktischen Tipps bis zu Arbeitsblättern. Unter www.fwu.de kann die DVD bestellt werden.

m e d i e n s c h au

zum 20-Jährigen Jubiläum häufen sich die medienangebote zur »Fried-

lichen revolution». die -redaktion stellt eine kleine auswahl vor.

von Sven PInke, - REDAKTIoN

Medienschau gelungene zeitschrift für schüler

Ob in Zeitschriften, Zeitungen oder Bü-chern; das Thema »Wiedervereinigung« ist in den Jubiläumsjahren omnipräsent. Da ist es schwer zu filtern. Besonders empfehlenswert ist die Sonderausgabe der kostenfreien Jugendzeitschrift »Flu-ter«. Klassenpakete von »Fluter« können sie bequem über die Bundeszentrale für politische Bildung BpB bestellen.

weitere spannende Links zum thema »Friedliche revolution« www.89-90.sachsen.de Die Friedliche Revolution in Sachsen. Hintergründe und veranstaltungen.www.60xdeutschland.de 60 Filme zu 60 Jahren bRD.www.unsere-deutsche-einheit.de Über 400 Zeitzeugenberichte.www.friedlicherevolution.de Medien und Interviews zum Thema.www.stiftung-aufarbeitung.de Übersicht über veranstaltungen und Projekte sowie archivwww.reporter89.de Jugendliche autoren Recherchieren bei bekannten.www.mdr.de/damals Geschichtsportal des MDR.www.mdr.de/damals-in-der-ddr gemeinsames Projekt von WDR und MDRwww.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,7112211,00.html Geschichtsportal des ZDF.www.chronikderwende.de ausführliche Dokumentation von 163 Wende-Tagen.www.mauerfall09.de offizielle Projektseite der Stadt berlin.www.freiheit-und-einheit.de Portal des bundesinnenministeriums mit Reden, Texten und videos.www.film-europa.de Filme »Die Firma« über die Stasi und »Halt! hier Grenze«

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anregungen für den unterricht:

Auf dem Sächsischen Bildungsserver ist unter www.sachsen-macht-schule.de/ddrge-schichte eine Materialsammlung zu finden. neben Unterrichtsmitteln sind auch Praxisbei-spiele aufgeführt und lehrer können sich über Fortbildungsangebote informieren.

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»Da war mal was...«

Die Plakat-Ausstellung »Da war mal was...« umfasst 20 amü-sante aber auch nachdenklich stimmende Comic-Episoden. Alle Episoden basieren auf Erfahrungsberichten und wurden von dem bereits mehrfach ausgezeichneten Künstler »FLIX« gezeichnet. Die Ausstellung wird von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur verwaltet und kann unter www.stiftung-aufarbeitung.de gegen eine Schutzgebühr von 98€ inkl. Versand bestellt werden. Für Schulen bietet die Stiftung für Aufarbeitung zusätzlich kostenlose Unterrichtsmaterialien für die Sek. I u. II an. Weitere Kostproben gibt es unter www.dawarmalwas.de.

FLIX

Er gilt als einer der besten Comiczeichner Deutschlands. Felix Görmann, besser bekannt als »FLIX«, ist international erfolg-reich. Der 32-Jährige Berliner ist seit seinem Kommunikations-design-Studium in Saarbrücken als Comiczeichner tätig und wurde seitdem mehrfach ausgezeichnet. Seinen Cartoons liegt immer eine reale Begebenheit zugrunde. In ihrer Umsetzung sind die Comic-Strips trotzdem rein fiktional. Unter www.der-flix.de kann man einige seiner Kunstwerke begutachten.

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»Da war mal was...«

Die Plakat-Ausstellung »Da war mal was...« umfasst 20 amü-sante aber auch nachdenklich stimmende Comic-Episoden. Alle Episoden basieren auf Erfahrungsberichten und wurden von dem bereits mehrfach ausgezeichneten Künstler »FLIX« gezeichnet. Die Ausstellung wird von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur verwaltet und kann unter www.stiftung-aufarbeitung.de gegen eine Schutzgebühr von 98€ inkl. Versand bestellt werden. Für Schulen bietet die Stiftung für Aufarbeitung zusätzlich kostenlose Unterrichtsmaterialien für die Sek. I u. II an. Weitere Kostproben gibt es unter www.dawarmalwas.de.

FLIX

Er gilt als einer der besten Comiczeichner Deutschlands. Felix Görmann, besser bekannt als »FLIX«, ist international erfolg-reich. Der 32-Jährige Berliner ist seit seinem Kommunikations-design-Studium in Saarbrücken als Comiczeichner tätig und wurde seitdem mehrfach ausgezeichnet. Seinen Cartoons liegt immer eine reale Begebenheit zugrunde. In ihrer Umsetzung sind die Comic-Strips trotzdem rein fiktional. Unter www.der-flix.de kann man einige seiner Kunstwerke begutachten.

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Als Leiter der Landeszentrale für politische Bildung haben Sie im Moment jeden Tag mit dem Thema Friedliche Revolution zu tun. Gleichzeitig gibt es eine mediale Dauerbeschallung zum Jubiläum. Haben Sie selbst noch Gelegenheit, in Ruhe zu reflektieren? Ich habe manchmal den Eindruck, die Friedliche Revolution findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt. Weil ich fast jeden Tag in irgendeinem Zusammenhang mit der Erinnerung beschäf-tigt bin. Trotzdem lerne ich noch jeden Tag Dinge über die DDR und die Friedliche Revolution, die für mich völlig neu sind. Ich habe aber auch sehr viele Eindrücke in den letzten Wochen ge-wonnen, was die helle, witzige Seite dieser Geschichte darstellt. Ich bin der Überzeugung, dass man die dunklen und furchtbaren Seiten der DDR-Geschichte immer auch vor einer hellen Folie transportieren muss, die einfach bedeutet: Das waren 40 Jahre gültig gelebtes Leben von Menschen, die in ihrer Lebensleistung auch gewürdigt werden wollen. Wenn ich den Kontext richtig herstelle, kann ich auch die dunklen und furchtbaren Seiten der DDR so zeigen, dass Menschen sich dafür öffnen.

Hat Deutschland aus der Geschichte der Friedlichen Revolu-tion gelernt? Die Friedliche Revolution war ein Vorgang der Selbstermäch-tigung. Wir haben in Deutschland in einer Weise Demokratie vom Ursprung her erlebt, wie viele es vorher nicht für möglich ge-halten haben. Der Schwung, so sagen viele, ist verloren gegangen. Trotzdem bleibe ich Optimist, wenn es einmal so ein Ursprungs-erlebnis gab, dann wird man das so schnell nicht vergessen. Wer einmal schwimmen gelernt hat, der verlernt es nicht wieder. Das ist wie ein Geschmack auf der Zunge, den wird man nicht los. Wir haben einmal die Freiheit geschmeckt. Ich mag nicht glauben, dass das so schnell in Vergessenheit geraten kann. Und ich bin auch optimistisch, was die Veränderung der Erinnerungs-kultur betrifft.

Mit der »Gruppe der 20« haben Sie Geschichte geschrieben. Waren Sie 1989 ein richtiger Revolutionär? Gab es überhaupt richtige Revolutionäre in der Zeit? Frank Richter: Es gab Revolutionäre. Damit meine ich Men-schen, die vieles in ihrem Leben riskiert haben, um die politi-schen Veränderungen herbeizuführen. In diese Gruppe möchte ich unbedingt auch die eingeordnet wissen, die Jahre und Jahr-zehnte vorher bereits an dieser Veränderung gearbeitet haben. Die in den Gefängnissen gesessen haben, die nicht unbedingt die Früchte dieser Revolution 1989 ernten konnten. Dann gibt es auch noch einzelne herausragende Persönlichkeiten, die Großartiges geleistet haben, weil sie über besondere Bega-bungen verfügten oder weil sie an bestimmten Stellen sehr viel Glück hatten. Ich zähle mich zu denen, die in einer entscheiden-den Situation viel Glück hatten. Weil ich einfach in eine Konstel-lation hineinkam, in der sich alles fügte. Natürlich habe ich auch mutig einiges vorangebracht. Aber das Glück war, glaube ich, viel größer als das eigene Verdienst.

Wissen die Menschen genug über die Friedliche Revolution? Ich stelle fest, dass es eine geringe Kenntnis über die Friedliche Revolution gibt. Auch in Ostdeutschland und in Sachsen ist kei-neswegs bekannt, welche Leistung Revolutionäre fertig gebracht haben. Es gibt auch zum Teil eine geringe Kenntnis darüber, wie damals auf der Seite der Mächtigen agiert worden ist. Besonders bedauere ich, dass der Wert der Friedfertigkeit, der Gewaltlosig-keit, der Geist des Dialogs, der ja damals zum Durchbruch kam, dass das Ganze in seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte und die Revolutionsgeschichte nicht ausreichend gewusst wird und folglich auch nicht ausreichend gewürdigt werden kann. In Ostdeutschland ist das besonders bedauerlich, weil daraus ja auch eine Quelle von historischem Selbstbewusstsein und auch Stolz – ich verwende dieses Wort ausgesprochen selten und viel-leicht auch etwas ungern – entstehen könnte.

»Wer einmal schwimmen gelernt hat, der verlernt es nicht wieder« ein gespräch mit Frank richter, direktor der Landeszentrale für politische Bildung sachsen, über 20 Jahre

Friedliche revolution und die Bedeutung für die demokratie heute. von PeTeR STaWoWy UnD Sven PInke, - ReDakTIon

»die demokratie LeBt nur Von soLchen, die mitmachen.« FRANK RICHTER

i n t e r V i e w

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ren ja doch nicht, diese ganzen Strukturen, die sind uns egal ... Wir gehen jetzt auf die Straße und sagen: Wir sind das Volk!«

Wie kann Demokratie denn wieder Menschen erreichen? Ich stelle die Gegenfrage: Wie können denn die Menschen die Demokratie wieder erreichen? Es ist doch ein Wechselverhältnis! Die Demokratie lebt nur von solchen, die mitmachen. An irgend-einer Stelle – davon bin ich überzeugt – fangen die Menschen auch wieder an mitzumachen. Wenn sie begreifen: Jetzt geht es um uns und unser Leben. Das ist möglicherweise an ganz ande- ren Stellen, als wir uns das theoretisch und abstrakt vorstellen. Und wenn es nicht geschieht, dann ist für den ein oder anderen die Schmerzgrenze vielleicht noch nicht erreicht.

Was verändert sich mit Ihnen als neuem Direktor in der Landeszentrale für politische Bildung? Ich bin noch dabei zu lernen, was die Landeszentrale kann und was sie muss. Ich habe eine Überzeugung, die lautet: Die Art und Weise, wie wir politische Bildungsarbeit leisten, muss dem Ziel entsprechen, das diese Arbeit verfolgt. Das heißt: Wenn das Ziel politischer Bildungsarbeit darin besteht, Menschen für die demokratische Gesellschaft zu gewinnen, sie zu motivieren demokratisch zu handeln und sie über Demokratie aufzuklären, dann muss die Art und Weise, wie sie diese Arbeit verfolgt, dem demokratischen Prinzip entsprechen. Die Arbeit muss also par-tizipativ sein. Wir brauchen die Einbeziehung der Menschen. Es braucht Formen und Methoden und didaktische Ansätze der politischen Bildungsarbeit, die die Menschen in diesem Land so einbinden wie sie nun einmal sind.

Sind Sie heute glücklich mit der politischen Entwicklung? Ich bin glücklich über die Tatsache, dass die Wiederverei-nigung Deutschlands gelungen ist. Ich bin nicht glücklich über jeden einzelnen politischen Vorgang, ich bin auch nicht glücklich über die wirtschaftliche Entwicklung. Aber summa summarum möchte ich feststellen: Wir leben in einem Deutschland, das noch nie eine so lange Friedenszeit hinter sich hatte und das ein relativ hohes Maß an sozialem Wohlstand erworben hat. Ich will kein einziges soziales Problem bagatellisieren. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Aber wir dürfen auch ab und zu mal aus der Distanz das Gesamte betrachten. Und dann darf man als Deut-scher auch glücklich sein, wenngleich man genau diesen Satz in Deutschland ungern hört.

Trotzdem scheint es viele Menschen zu geben, die unzufrie-den sind... Aus Maulereien kann ich nicht viel ableiten. Ich muss hinzu-fügen: Natürlich hat Aufklärung Grenzen. So eine Einrichtung wie die Landeszentrale arbeitet vor allem mit Aufklärung, sie appelliert immer wieder an die Vernunft der Menschen. Wenn es um psychotherapeutische Problemfälle geht, kommt auch eine Landeszentrale an ihre Grenzen. Manches Problem können wir nicht lösen.

Ist das nicht das aktuelle Problem der Demokratie, dass sie Menschen nicht mehr erreicht oder dass sie glauben, sie erreicht sie nicht mehr? Ein guter Freund von mir, er ist schon über 70, sagt: »In den letzten Jahrzehnten haben sich demokratische Vorgänge immer mehr formalisiert und entpersonalisiert.« Wir sind informiert, vernetzt, wir können kommunizieren, aber wir haben den per-manenten Eindruck: Es geht an uns als Person vorbei. Das merkt man nicht gleich, die Dinge funktionieren ja ganz gut. Aber Funktionalitäten machen den Menschen alleine nicht aus. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir 89 erlebt haben. Da haben plötzlich Personen gehandelt und gesagt: »Die funktionie-

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»Wir haben in Deutschland in einer Weise Demokratie vom Ursprung her erlebt, wie viele es vorher nicht für möglich gehalten haben«, sagt Frank Richter im Gespräch mit

Frank richter, 48, ist seit 1. Februar 2009 Direktor der Sächsischen landeszentrale für politische bildung. Der gebürtige Meißner gehörte während der Friedlichen Revolution zu den Mit-begründern der "Gruppe der 20".

Der studierte Theologe und Philo-soph lehrte zuletzt als Lehrer am Dreieich-Gymnasium in Hessen Ethik und Latein.

Die sächsische Landeszentrale für politische Bildung bietet eine Reihe von veranstaltungen und Material zum Jubiläumsjahr »20 Jahre Friedliche revolution«. Mehr Informationen unter: www.slpb.de

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Dresden, Chemnitz und Plauen gemacht; Veranstalter sind gleich eine ganze Reihe von Institutionen, darunter das Sächsische Staatsministerium für Kultus, die Stasi-Unterlagen-Behörde BStU, die Sächsische Bildungsagentur und die Lehreinheit Fach-didaktik Geschichte des Historischen Seminars der Universität Leipzig. Die Wochenend-Veranstaltungen hatten immer einen ähn-lichen Stundenplan: Samstags wurden in Unterichtsblöcken und Gesprächen mit Zeitzeugen Hintergrundwissen zur Graffiti-Sze-ne in der DDR und der Friedlichen Revolution vermittelt. Au-ßerdem gab es theoretisches Wissen zum Sprayen selbst. Sonntag fand dann der eigentliche Wettbewerb statt, »Battle« in Sprayer-Kreisen genannt, in der die Teilnehmer in begrenzter Zeit ein Werk zum Thema fertig stellen müssen. »Alle waren so interessiert, wollten immer mehr wissen und haben unserem Zeitzeugen Löcher in den Bauch gefragt«, sagt Kurs-Leiter Leonard Schmieding, 30, der sonst an seiner Promoti-on an der Universität Leipzig über Hip-Hop in der DDR arbeitet. »Ich habe sie gefragt, was sie wissen wollen. Wie konnte Hip-Hop in der DDR überleben? Wie haben sich die Sprayer mit dem Staat, der Polizei arrangiert?« Mit Fotos, Graffitis, Stasiakten, Zeitzeu- genberichten und einer Hip-Hop-CD aus der DDR hat die Fra-gen beantwortet.

Hip-Hop dröhnt, Spraydosen klappern beim Schütteln. Ein war-mer Sonntagnachmittag in einem Hinterhof in Leipzig. Es riecht nach Farbe – 22 Sprayer sind fleißig bei der Arbeit. Sie sind Teil des sachsenweiten Projekts »Demokratie Versprühen«, das sich auf ungewöhnliche Art und Weise mit der DDR-Geschichte und der Friedlichen Revolution auseinandersetzt. Durchweg sportlich gekleidet, sind einige mit OP-Handschuhe oder einer mit Mund-schutz ausgerüstet und bearbeiten die Leinwände vor ihnen. Ein großer Blonder hockt auf dem Boden und feilt versun-ken an einem Detail. »Demokratie ist für mich Freiheit. Freiheit heißt Gedanken und Gefühle ausdrücken können, ohne Zwang«, antwortet er, angesprochen auf den Sinn des Workshops. Olli, so sein Name – mehr will er nicht preisgeben. Ob er lieber sei-nen Sprayernamen nennen solle? Der 23-Jährige ist mit seinen Kumpels da. Die Frage nach seinen Vor-Erfahrungen mit Graf-fiti kommentiert er mit einem schiefen Blick. Natürlich habe er die, ohne geht es für ihn nicht.

Vom Zeitzeugengespräch zum eigenen Bild

Das Wochenende in Leipzig ist der fünfte und letzte Vorentscheid von »Demokratie Versprühen« vor dem großen Finale am 25. Juni in Leipzig. Vorher schon hatte das Projekt Station in Bautzen,

Demokratie sprühen Graffiti, Stasiakten, Zeitzeugenberichte und eine Hip-Hop-CD. Das Projekt »Demokratie Versprühen«

vermittelt geschichte und politik mit ungewöhnlichen methoden. von anna-SoPHIe kloTZ, - REDAKTIoN

r e p o r ta g e

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Anliegen des Projektes ist, die Jugendlichen an die Zeitgeschichte heranzuführen und sie dafür zu begeistern, sich mit Geschichte auseinander zu setzen. Dazu wurden die Jugendlichen auch durch das Archiv geführt, in dem die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR aufbewahrt werden. »Wir haben dort die Hintergrundinfos gegeben, die sie dann in ihren Graffiti um-setzten«, sagt Regina Schild. Sie ist die Leiterin der Außenstelle Leipzig der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BstU) und damit eine der Veranstalterinnen.

Den Siegern winkt ein Großprojekt

Die Uhr tickt. Nicht mehr lange, dann ist der Battle vorbei. Sindy Heinrich aus Altenburg, eine der zwei weiblichen Teilnehmerin-nen, hat ihr Kunstwerk fast fertig. »Hip-Hop ist meine Leiden-schaft. Ich bin hergekommen, um viel über das Sprayen zu ler-nen. Das habe ich noch nicht so oft gemacht. Ich würde aber gern mehr sprayen, legal natürlich«, sagt die 17-jährige Abiturientin. Sich selbst zu verwirklichen und dabei legal zu bleiben, das scheint hier heute allen wichtig. Seit mehreren Stunden stehen sie in der prallen Sonne und verlieren doch nicht die Lust. Einer rollt mit einem Bürostuhl über den Hof, in der Hand einen Teller mit Essen, die Augen bei der Konkurrenz. Es gibt viel zu selten die Chance für legales Sprayen – der Tag heute bietet gleich noch eine große Perspektive. Denn die Sieger aller fünf Workshops werden im Juni für ein Wochenende zur Gestaltung einer Wand nach Leipzig eingela-den. Dann dürfen sie sich an einer kompletten Giebelfassade aus-toben. Anfahrtskosten, Material und Unterkunft werden gestellt. Wie sie das Motto des Wettbewerbes an der Fassade umsetzen, bleibt ganz ihnen überlassen. Mehr und mehr nehmen die Bilder erkennbare Formen an. Immer wieder kommen Leute vorbei, die sich das Treiben nur mal anschauen wollten. Davon lassen sich die Sprayer allerdings nicht stören. Gucken und abgucken ist erlaubt. Mitdenken und überdenken auch.

Die Graffiti regen zum Hinsehen an – oft ist die Botschaft nicht gleich auf den ersten Blick zu erkennen. »Im Hintergrund siehst du die Skyline von Leipzig. Der Schriftzug Unity steht für Ein-heit. Ich wünsche mir, dass die Leute aufeinander zugehen. Die Blutstropfen bedeuten, wir sind alle gleich, haben alle das glei-che Blut. Aber auch, dass schon viel Blut vergossen wurde«, be-schreibt Sindy ihr Graffiti. Andere haben Überwachungskame-ras und Stacheldraht gesprayt oder ein Bild von Erich Honecker neben abstrakten Formen auf die Leinwand gebracht.

Sensibilisiert in der eigenen Lebenskultur

»Das Projekt _Demokratie Versprühen_ holt die Jugendlichen in ihrem direkten Umfeld und bei ihren Interessen ab. So wollen wir die nach 1989 geborenen jungen Menschen für die damals friedlich erkämpften demokratischen Werte gewinnen und be-geistern", sagt Sachsens Kultusminister Prof. Dr. Roland Wöller. Statt klassischem Geschichtsunterricht werden die Jugendlichen für die Themen Demokratie und Freiheit sensibilisiert – mitten in ihrer eigenen Lebenskultur.

Der Tag in Leipzig neigt sich dem Ende. Die Jury, Teil-nehmer und Betreuer gleichermaßen bewerten die Ergebnisse. Neben dem entstandenen Graffiti zählt auch der soziale Umgang mit den anderen Teilnehmern.

zum Finale treffen sich alle am 25. Juni wieder. ab 10 Uhr findet die große abschlussparty in der bStU-Außenstelle, Dittrichring 24, 04109 Leipzig, statt. Alle Teilnehmer des Projektes, aber auch Schulklassen, lehrer und Interessierte sind dazu eingeladen. Gefeiert wird mit Barbecue, rap, djing, Breakdance und Bands, die Gewinner werden prämiert. Wer will, kann sich auch im Sprayen versuchen oder rappen.

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So kann Lernen Spaß machen: Statt klassischem Unterricht erarbeiten sich die Teilnehmer Demokratie -verständnis und Geschichtswissen selbst – mittels ihrer eigenen lebenskultur.

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F ü r d i e p r a x i s

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Ein Anruf am Bürgertelefon des Kultusministeriums. Kerstin S. aus Bautzen ist am Apparat. Beruflich möchte sie sich verändern, noch mal ganz von vorn anfangen. Das Abschlusszeugnis der in der DDR absolvierten Fachschule hat sie zu Hause in ihren Un-terlagen gefunden. Jetzt fragt sie sich, ob dieser Abschluss ausrei-chend wäre für ein Studium an einer Fachhochschule. Dies ist nur ein Beispiel häufig gestellter Fragen rund um die Anerkennung von DDR-Abschlüssen. Nach einem Abkommen der Länder zur Regelung der Zu-ständigkeit sind Schul-, Fach- sowie Hochschulabschlüsse der DDR in dem Bundesland anzuerkennen, in welchem sich der Hauptsitz der Bildungseinrichtung befand. Demnach kann sich, wer in Sachsen zur Schule gegangen ist, das auch vom Land Sach-sen bestätigen lassen. Eine Ausnahme bilden jedoch Erzieher- abschlüsse, welche im Bundesland des derzeitigen Wohnortes an-erkannt werden. Zwei Ministerien sind in Sachsen für die Anerkennung von Abschlüssen zuständig. Das Kultusministerium (SMK) über-nimmt die Fälle, die Schul- und Fachschulabschlüsse aus der ehe-maligen DDR betreffen – Fachschulabschlüsse jedoch nur, wenn keine Nachdiplomierung vorgesehen ist. Anträge auf Feststellung der Gleichwertigkeit von in der DDR erworbenen Universitäts- bzw. Hochschulabschlüssen bearbeitet das Ministerium für Wis-senschaft und Kunst (SMWK). Eine Ausnahme bildet das in der DDR absolvierte Lehrerstudium, für welches das Kultusministe-rium die Anerkennung übernimmt. Außerdem ist das SMWK für die Nachdiplomierung von Fach- und Ingenieurschulabschlüssen zuständig, dies betrifft beispielsweise auch die Ökonomen- und Ingenieur-ökonomen-Abschlüsse.

schulabschlüsse

Voraussetzung für die Gleichstellung von Schulabschlüssen sind amtlich beglaubigte Zeugniskopien. Das Ministerium kann je nach Vorlage an hand der DDR-Zeugnisse die heute anerkannten Haupt- oder Realschulabschlüsse sowie eine Hochschulzugangs-berechtigung bescheinigen. Die für eine Bewerbung an Fachhochschulen benötigte Fachhochschulreife ist ebenfalls über eine Anerkennung von Abschlusszeugnissen der Ingenieur- und Fachschulen der DDR möglich. Da in diesen Zeugnissen keine explizite Aussage zur

Studienberechtigung getroffen wurde, ist eine nachträgliche Be-stätigung erforderlich. In Verbindung mit der Anerkennung er-folgt die Ermittlung einer Durchschnittsnote, die für die Bewer-bung an Fachhochschulen benötigt wird. Soll ein Studium an einer sächsischen Hochschule aufge-nommen werden, prüft die betreffende Hochschule selbst, ob die Zugangsvoraussetzungen vorliegen.

Berufliche Abschlüsse

Die Zuständigkeit für die Anerkennung von beruflichen Ab-schlüssen liegt bei unterschiedlichen Behörden. Mit dem in der DDR erworbenen Facharbeiterzeugnis ist es zum einen möglich, sich einen Ausbildungsberuf anerkennen zu lassen. Dafür zustän-dig sind die Kammern oder Landesdirektionen. Das Facharbei-terzeugnis kann jedoch auch mit einem Schulabschluss gleichge-stellt werden (Realschul- oder Hauptschulabschluss), wenn bisher noch kein entsprechender allgemeiner Schulabschluss erworben wurde. Dieses Verfahren läuft wiederum über das Kultusminis-terium. Gleiches gilt zum Beispiel für Erzieherabschlüsse und die Abschlüsse von Ingenieur- und Ökonompädagogen. Das Verfah-ren übernimmt die Sächsische Bildungsagentur (SBA), eine nach-geordnete Behörde des Kultusministeriums. Das SMWK hingegen ist Ansprechpartner, wenn es sich um die Anerkennung von DDR-Universitäts- und Hoch-schulabschlüssen oder um die Nachdiplomierung von Ab-schlüssen der DDR-Ingenieur und Fachschulen handelt. Für die Feststellung der Gleichwertigkeit von berufsquali-fizierenden Abschlüssen der ehemaligen DDR genügt ein form-loser Antrag an die jeweils zuständige Behörde. In diesem Fall sollten die Unterlagen einen tabellarischen Lebenslauf enthalten und beglaubigte Kopien des Zeugnisses bzw. der Urkunde vom Abschluss beigefügt sein. Insbesondere wichtig für eine Nachdi-plomierung sind zudem Nachweise über die Berufstätigkeit.

Anerkennung von DDR-Abschlüssen Eine häufig gestellte Frage an das Kultusministerium ist die nach der Anerkennung von zu DDR-Zeiten

erworbenen abschlüssen. neben schulabschlüssen geht es vor allem um die anerkennung und gleichstellung

von Berufsabschlüssen der Fach- und hochschulen.

anJa nIeMke, - REDAKTIoN

Weitere informationen und ansprechpartner sind im Internet unter: www.sachsen-macht-schule.de/schule/1751.htm

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Lösungen: 1b, 2a, 3c, 4a, 5a, 6c, 7

b, 8c Q

uellen: ww

w.berlinonline.de, G

eschichtsbuch für sächsische Schüler: Anno 5/6 (W

estermann V

erlag, Erstauflage: 2000),

ww

w.kirchenw

eb.at/, ww

w.spiegel.de, w

ww

.mdr.de, w

ww

.wikipedia.org

»Schwierige Wissenslage«

studien haben ergeben, dass das wissen über die ddr in teilen der Bevölkerung nur sehr dünn ist. kLasse hat eine reihe von Fragen samt Lösung. »hätten sie es gewusst?«

voN RICK NoAK, -REDAKTIoN

5: auf welche schulart wurden sportlich talentierte Jugendliche in der ddr ge- schickt?

a. k JS b. PoSc. EoS

6: welches stoffgebiet nahm bei einer allge- meinbildenden polytechnischen oberschule 1988 den großteil der unterrichtszeit ein?

a. Mathematikb. Polytechnischer Unterrichtc. Deutsche Sprache und Literatur

7: welcher Betrieb war der größte hersteller von computertechnik in der ddr?

a. vEB Mikroelektronik karl Marx erfurt b. Robotronc. vEB Mikroelektronik Wilhelm Pieck Mühlhausen

8: wie viele Jahre umfasste die durchschnit- tliche Lieferzeit für einen trabanten?

a. fünf Jahreb. zehn Jahrec. fünfzehn Jahre

1: warum durften die ddr-Bürger ihre national- hymne ab 1974 nur noch teilweise singen?

a. Weil der komponist in den Westen geflohen warb. Weil in einer Strophe von einem geeinigten vaterland die Rede istc. Weil Teile der Hymne zu kämpferisch und brutal für die friedliche DDR waren

2: wie lang war die »innerstädtische sektoren- grenze« in Berlin?

a. ca. 45 Kilometerb. ca. 60 Kilometerc. ca. 35 Kilometer

3: anfang der 1960er Jahre rief die sed- Führung zur aktion »ochsenkopf« auf. was war damit gemeint?

a. Der Ausbau des Arbeiter- und Bauernstaates DDRb. Das Töten von Grippe-infizierten ochsenc. Die Zerstörung von Fernsehantennen, die Westsender empfangen konnten

4: welcher Fernsehkoch prägte jahrelang das ddr-Fernsehen?

a. Kurt Drummerb. Heinz Florian oertel c. Karl-Eduard von Schnitzler

IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK), Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden | Redaktionsschluss: 5/2009. Redaktion V. i. S. P.: Irina Schenk, Telefon: (0351) 564 25 13, E-Mail: [email protected] | Anja Niemke, SMK; Medienberatung Stawowy | Fotos: André Forner | Frank Grätz (Anzeige U4) | Gestaltung: Nathalie Rastelli-Hudelmaier | Auflagenhöhe: 40 000 Exemplare | Druck: Messedruck Leipzig GmbH | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

Sie können kostenlos abonnieren. Dazu genügt eine E - Mail mit Angabe Ihrer Adresse an [email protected] für Ihre Hinweise, Meinungen und Themenvorschläge für die kommenden Ausgaben derist Anja Niemke, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden, Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected] (kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte Dokumente).

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Eine Ausstellung der Sächsischen Staatskanzlei in Kooperation mit dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

Alle Orte der Tour unter: www.89-90.sachsen.de

Der Ausstellungsbus zur Friedlichen Revolution von 1989