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Die Monatszeitschrift

01 JANUAR

2015

Herausgeber:Prof. Dr. Monika Jachmann Holger Radke Prof. Dr. Thomas Voelzke Prof. Dr. Stephan Weth RA Prof. Dr. Christian Winterhoff

In dieser Ausgabe:

Plagiat, Zitatrecht oder-pflicht? – Versuch einerBegriffsklärungRA und FA für Arbeitsrecht und fürBau- und ArchitektenrechtDr. rer. nat. Jan Fritz Geiger

Macht und Recht der Media-agenturen – Der Streit umdie TV-Freispots als Treugutoder HandelswareUniv.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult.Michael Martinek, M.C.J. (New YorkUniv.), Hon. Prof. (Johannesburg)

Topthema:

Die Todesstrafe –eigentlich kein Thema?Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Franz Streng

Private Veräußerungsge-schäfte bei Immobilien –steuerliche Fallstrickebeachten!RiBFH Dr. Nils Trossen

Spendensammeln durchkommunale Wahlbeamte:eine rechtliche Grauzonezwischen erwünschterKooperation und strafbarerKorruptionRi Dr. Stefan Weiland, LL.M.

Die auch unter www.juris.de

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AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN

Zivil- und Wirtschaftsrecht

Sozialrecht

Steuerrecht

Plagiat, Zitatrecht oder -pflicht? –Versuch einer BegriffsklärungRA und FA für Arbeitsrecht undfür Bau- und ArchitektenrechtDr. rer. nat. Jan Fritz Geiger S. 2

Macht und Recht der Mediaagenturen –

Der Streit um die TV-Freispots als Treugutoder HandelswareUniv.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult.Michael Martinek, M.C.J. (New York Univ.),Hon.-Prof. (Johannesburg) S. 6

Die Erheblichkeit der PflichtverletzungBGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13Prof. Dr. Michael Jaensch S. 15

Voraussetzungen für die Einräumungeines Umgangsrechts des leiblichen,nicht rechtlichen VatersOLG Bremen, Beschl. v. 10.10.2014 -5 UF 89/14RiAG Dr. Petra Pheiler-Cox S. 17

Die Gleichstellung behinderter Menschenmit schwerbehinderten Menschennach § 2 Abs. 3 SGB IXBSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R;B 11 AL 5/14 RRiSG Matthias Bernzen, z.Zt. Wiss. Mit.beim BSG S. 19

Private Veräußerungsgeschäftebei Immobilien –

steuerliche Fallstricke beachten!RiBFH Dr. Nils Trossen S. 23

Expertengremium:Wolfgang Ball |RA Prof. Dr. Guido Britz |Prof. Dr. Harald Dörig|Dr. Heinz-Jürgen Kalb|Prof. Dr. mult. Michael Martinek|Dr. Wolfram Viefhues

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INHALT

I

AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN

Strafrecht

BÜCHERSCHAU

Die Todesstrafe – eigentlich kein Thema?Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Franz Streng S. 29

Spendensammeln durch kommunaleWahlbeamte: eine rechtliche Grauzonezwischen erwünschter Kooperationund strafbarer KorruptionRi Dr. Stefan Weiland, LL.M. S. 35

Arno Buschmann, Mit Brief und Siegel.Kleine Kulturgeschichte des PrivatrechtsUniv.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult.Michael Martinek, M.C.J. (New York Univ.),Hon.-Prof. (Johannesburg) S. 43

INHALT

II

Nichts ist gewisser als der Tod, nichts ungewisser als seine Stunde

– so lautet eine bis heute gültige Weisheit des englischenPhilosophen und Theologen Anselm von Canterbury(1033-1109). Gewiss ist unter der Geltung unserer heuti-gen Verfassung auch eines: Kein Mensch darf zwecks Ahn-dung einer Straftat durch staatliche Hand sein Leben ver-lieren. Art. 102 GG schreibt insoweit unmissverständlichvor: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Das absolute Ver-bot der Todesstrafe wurde maßgeblich als Reaktion aufderen Missbrauch im Dritten Reich in das Grundgesetz auf-genommen. Das Grundgesetz bekennt sich in Gestalt sei-nes Art. 102 zum grundsätzlichen Wert des Menschen-lebens und zu einer Staatsauffassung, die sich in betontenGegensatz zu den Anschauungen eines politischen Re-gimes stellt, dem das einzelne Leben wenig bedeutete unddas deshalb mit dem angemaßten Recht über Leben undTod des Bürgers schrankenlosen Missbrauch trieb (soBVerfGE 18, 112, 117).

Der Eigenwert des menschlichen Lebens und dessen Un-verfügbarkeit für den strafenden Staat ist eine rechtlich-kulturzivilisatorische Errungenschaft, die stets aufs Neueerkämpft und verteidigt werden muss. Dies gilt nicht zu-letzt deswegen, weil sich in repräsentativen Befragungenauch heute noch ein nicht gänzlich zu vernachlässigenderTeil der Bevölkerung für die Todesstrafe ausspricht. In ju-ristischer Hinsicht ist dieser Befund deswegen brisant, weileine Abschaffung des Art. 102 GG und eine Wiedereinfüh-rung der Todesstrafe teilweise für durchaus mit der Men-

schenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und der Ewig-keitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar gehalten wer-den. Hinzu kommt, dass eine freiheitlich-demokratischeVerfassungsordnung wie die unsrige von ihren Bürgern ge-lebt und in ihren Grundwerten getragen werden muss,wenn sie dauerhaft Bestand haben soll.

Aufmerken lassen vor diesem Hintergrund jüngere empiri-sche Studien, die unter Studierenden der Rechtswissen-schaften (!) eine zunehmend steigende Akzeptanz harterStrafen einschließlich der Todesstrafe nachweisen. Wäh-rend in den 1970er Jahren noch mehr als ein Drittel derStudenten die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft wis-sen wollte und nur 12 % die Todesstrafe befürworteten,sprechen sich in jüngeren Studien nur noch 2 % für eineAbschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe aus, wäh-rend fast jeder Dritte die lebenslange Freiheitsstrafe als zumilde ansieht. Damit korrespondierend ist der Anteil derBefürworter der Todesstrafe unter den Studierenden aufüber 30 % gestiegen. Dies ist umso bemerkenswerter, alsim Bevölkerungsdurchschnitt eine gegenläufige Bewegungzu beobachten ist und die Zahl der Befürworter der Todes-strafe in den letzten Jahrzehnten fast kontinuierlich zu-rückgegangen ist.

Die nachdenklich stimmende Entwicklung des Meinungs-bildes unter angehenden Juristen gibt der jM Anlass, dieTodesstrafe in den Blickpunkt zu stellen. Topthema derersten Ausgabe des nunmehr zweiten Jahrgangs der jM istdaher der Beitrag von Franz Streng: „Die Todesstrafe –

eigentlich kein Thema?“. Die jM schließt sich ausdrücklichder Empfehlung des Autors an, auch in Deutschland müssewieder über die Todesstrafe geredet und das Thema inSchulen und Universitäten wieder stärker problematisiertwerden. Dazu können und sollten auch Sie, sehr geehrteLeserinnen und Leser, beitragen.

Das vorliegende Heft enthält außerdem instruktive Beiträ-ge u.a. zu der Frage, ob das Leitmotiv des BundestrainersJogi Löw für die vergangene Fußballweltmeisterschaft:„Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes EndeDisziplin“ ein unzulässiges Plagiat darstellt, über die weit-gehend unbekannte Macht der Mediaagenturen, die steuer-lichen Fallstricke bei privaten Grundstücksverkäufen undüber die strafrechtliche Beurteilung des spendengenerie-renden Handelns kommunaler Wahlbeamter.

Die Herausgeber und Experten der jM wünschen Ihnennicht nur eine angenehme Lektüre und alles Gute für dasJahr 2015, sondern hoffen auch, dass Sie der jM in Zukunftweiterhin die Treue halten werden.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff

EDITORIAL

Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian WinterhoffHamburg

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Zivil- und Wirtschaftsrecht

Plagiat, Zitatrecht oder -pflicht? – Versuch einer Begriffsklärung

RA und FA für Arbeitsrecht und für Bau- und Architektenrecht Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger

A. Einleitung

„Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes EndeDisziplin.“

Mit dieser vom Bundestrainer des Deutschen Fußballbun-des Joachim Löw ausgegebenen Devise1, die auch onlinegestellt wurde, errang die Nationalmannschaft den Spit-zenplatz bei der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2014 inBrasilien.

Genau dieser Satz findet sich aber in dem bereits 2002erschienenen Werk „Der Wechsel allein ist das Bestän-dige“ des Chemikers Prof. Dr. rer. nat. Hans-Jürgen Quad-beck-Seeger2.

Das Leitmotiv der Fußballweltmeister – ein Plagiat?

Immerhin räumte Hans Flick, Assistent des Bundestrainersein, dass der Spruch nicht von ihm sei, er den Ursprungaber nicht zurückverfolgen könne. Zwar freute sich der Au-tor über das in Brasilien gefallene Zitat, hätte aber docheine Quellenangabe für angezeigt gehalten.3

Hätte Hans Flick hier zitieren dürfen oder müssen?

Damit sind genau die Fragen aufgeworfen, die in regel-mäßigen Abständen die Öffentlichkeit immer wieder be-schäftigen und von deren Beantwortung Beeinträchtigun-gen der Reputation bis hin zum Verlust von akademischenTiteln und öffentlichen Ämtern abhängen können. DerWeg zur Ermittlung der maßgeblichen Rechtslage führtzum Urheberrechtsgesetz (UrhG). Wie alle das geistigeEigentum betreffenden Gesetze dient es – genau wie diezur Gestaltung des Sacheigentums bestimmten Normen –

dem Interessenausgleich zwischen dem Inhaber des Aus-schließlichkeitsrechts und den Belangen der Allgemein-heit. Während das durch die individuelle Kreativität ge-schaffene Ergebnis, allerdings nur in seiner konkreten Ver-körperung und Gestalt und nur auf begrenzte Zeit,grundsätzlich der umfassenden, ausschließlichen und allei-nigen Disposition seines Schöpfers vorbehalten wird, müs-sen Ideen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Entdeckungen,und Informationen dem möglichst ungehinderten freiheit-lichen Austausch und dem öffentlichen Diskurs offenste-hen.

Der urheberrechtliche Schutz entsteht mit der Vollendungdes Werks, ohne dass es dazu eines gesonderten formellenAktes, etwa der Anbringung eines Copyright-Vermerks be-dürfte. Objekt des urheberrechtlichen Werkschutzes ist diepersönliche geistige Schöpfung, auf Umfang, Form oderQualität kommt es nicht an. Entscheidendes Kriterium istdie schöpferische Eigentümlichkeit, die konkrete Äuße-rung, in der die Persönlichkeit des Menschen ihren unver-wechselbaren Ausdruck gefunden hat und die vom Wirkenseiner geistigen und seelischen Gestaltungskraft ein kon-kretes, auch von anderen sinnlich wahrnehmbares Zeugnisgibt.4

B. Der rechtliche Plagiatsbegriff

Das Gesetz erwähnt und verwendet diesen Begriff an kei-ner Stelle. Gleichwohl ist er älter als die Kodifikation desUrheberrechtsgesetzes. Mit „plagiarius“ umschrieb dasaltrömische Strafrecht einen Täter, der sich widerrechtlicheines von seinem Herrn aus der Leibeigenschaft entlasse-nen Sklaven bemächtigt.5 Da der spätrömische DichterMartial die Veröffentlichung eines Gedichts im Hinblickauf den Autor mit der Entlassung eines Sklaven verglich6,war ein Plagiat demzufolge auch hier ein Akt der wider-rechtlichen Bemächtigung und angemaßten Unterwerfung.Das lateinische Lehenswort hat sich bis heute in diesemallegorischen Sinne erhalten, es wird nunmehr nur nochals Metapher für den „geistigen Diebstahl“ angesehen.7

Die höchstrichterliche Rechtsprechung definiert das Plagiatin weitgehender Übereinstimmung mit der Literatur8 alsunbefugte Übernahme eines fremden Werks in Kenntnisbestehenden fremden Urheberrechts, um es als eigenes zuverwenden.9 Die strukturelle Ähnlichkeit zum strafrecht-

AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN

1 Focus, 23.06.2014, S. 134.2 Quadbeck-Seeger, Der Wechsel allein ist das Beständige, 2. Aufl.

2007, S. 10.3 Rheinpfalz, 23.06.2014, S. 7.4 Rehbinder, Urheberrecht, 16. Aufl. 2010, S. 28.5 Martial, Epigramme, I, 29, 52.6 Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008,

§ 23 Rn. 59.7 Duden, Das große Fremdwörterbuch, 3. Aufl. 2003, S. 1052.8 Rehbinder, Urheberecht, 16. Aufl. 2010, S. 156.9 BGH, Urt. v. 12.01.1960 - I ZR 30/58 - GRUR 1960, 500, 503.

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lichen Tatbestand des Sachdiebstahls gem. § 242 StGBbzw. der Sachunterschlagung gem. § 246 StGB ist augen-fällig: Der Plagiator verletzt ein fremdes, zumindest einihm nicht alleine zustehendes absolutes Recht des geisti-gen Eigentums, hier das Urheberrecht, und maßt sich eige-ne Urheberschaft an – das entspricht dem Zueignungsaktund der Wegnahme. Dabei muss er unberechtigt handeln– die Rechtswidrigkeit der Tathandlung ist beim Unter-schlagungstatbestand des § 246 BGB normatives Merkmaldes objektiven Tatbestands.

Der Tatbestand eines Eigentumsdelikts kann nur vorsätz-lich verwirklicht werden. Der Vorsatz muss sich jedenfallsauf die Fremdheit des Tatobjekts und die Rechtswidrigkeitvon Tathandlung und Taterfolg beziehen – dem Plagiatormuss das Bestehen des fremden Rechts am geistigenEigentum, dessen Schöpferstellung er sich berühmt, be-kannt sein.10

Ein Plagiat kann somit nur an rechtlich schutzfähigemGeistesgut begangen werden11, also nicht an den einemWerk zugrundeliegenden reinen Informationen, nicht anmathematischen Formeln, Ideen und Konzepten an sich,auch nicht an Texten, Bildern und Zeichenfolgen, Formulie-rungen, denen es an schöpferischer Individualität fehlt.Viele Alltagsobjekte, z.B. Standard-Geschäftsbriefe, Häuser„von der Stange“, oder gängige, bekannte Handwerkspro-dukte, fallen jedenfalls aus dem Urheberrechtsschutz he-raus. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass jeder recht-liche Schutz geistigen Eigentums nur zeitlich begrenzt ge-währt wird, beim Werkschutz nach dem Urheberrechtregelmäßig 70 Jahre nach dem Tod des letzten noch leben-den Schöpfers vollständig und ersatzlos erlischt. Die seitlangem bekannten Volkssagen, Volkslieder, die klassi-schen Literatur- und Kunstwerke aus dem 18. Jahrhundert,überwiegend auch die aus dem 19. Jahrhundert, stehenjedermann ungehindert zur Verfügung, sie können unein-geschränkt genutzt werden, selbst, wer Goethes „Faust“als eigenes Werk ausgibt, begeht dadurch für sich genom-men keinen Rechtsverstoß und schon gar kein Plagiat,sondern blamiert sich höchstens selbst.

Gelegentlich vernimmt man in der Diskussion auch den Be-griff des Selbstplagiats, dann, wenn ein Urheber ein neuesWerk schafft und dabei, ohne dies ausdrücklich zu bezeich-nen, sich eigener, früher geschaffener Werke bedient, ins-besondere sie ganz oder teilweise dabei übernimmt. Ge-nauso wenig, wie man Eigentumsdelikte an allein einemselbst gehörenden Sachen begehen kann, ist hier ein Plagi-at schon bereits begrifflich ausgeschlossen.12 Hat der Urhe-ber einem anderen ein ausschließliches Nutzungsrecht ein-geräumt, wie etwa beim Verlagsvertrag, muss er sich jederVerwertung und Nutzung enthalten, dabei handelt es sich

lediglich um eine – zum Schadensersatz verpflichtende –

Rechtsverletzung, nicht aber um ein Plagiat.

Angewendet auf den Eingangsfall heißt dies: Da sich we-der Joachim Löw noch Hans Flick als Schöpfer des Leitmo-tivs ausgegeben haben, Flick sogar ausdrücklich auf einenfremden, ihm nicht mehr erinnerlichen Urheber verwiesenhat, fehlt es an einer Anmaßung eigener Urheberschaft, sodass die Annahme eines Plagiats bereits aus diesem Grundausscheidet.

C. Das Zitatrecht als Schranke des Urheberechts

Hätte also der Schöpfer des Leitmottos, der Chemiker Prof.Dr. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, von dem Trainerteamzitiert werden müssen?

Eine Rechtspflicht kann nur dann verletzt werden, wennein Recht existiert. Das setzt nach den vorhergehendenAusführungen voraus, dass es sich bei dem Leitmotto umein rechtlich geschütztes, konkretes Ergebnis geistigenSchaffens, insbesondere um ein Werk im Sinne des Urhe-berrechts, handelt.13

Das Buch, in dem die Sentenz enthalten ist, ist ein kreati-ves Ergebnis persönlichen geistigen Schaffens, sei es nurdurch die eigenwillige und originelle Anordnung und Glie-derung der Aphorismensammlung, wobei auch die vomAutor selbst beigesteuerten Aphorismen Werkcharakterhaben dürften. Rechtlicher Schutz nach dem Urheberrecht,der von jedermann zu beachten ist, besteht also.

Eine Zitatpflicht sucht man im Urheberrechtsgesetz ver-geblich, wohl gibt es aber in § 51 UrhG die im Interesseder Allgemeinheit eingeräumte Schranke des Zitatrechts,um zur Verwirklichung der Freiheitsrechte von Kunst undWissenschaft nach Art. 5 Abs. 3 GG sowie zur Meinungs-äußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG im Interesse des Geistes-und Kulturlebens sowie des wissenschaftlichen Fortschrittseinen möglichst ungehinderten öffentlichen Gedanken-und Informationsaustausch in der Auseinandersetzung mitvorhandenen Werken zu ermöglichen und zu gewährleis-ten. Generell gilt es in diesem Zusammenhang zu unter-scheiden: Die sinnliche Wahrnehmung eines durch das Ur-heberrecht geschützten Werkes, das bloße Betrachten, Le-sen, Anhören wird gar nicht erst vom Schutzbereich desUrheberrecht erfasst, bleibt also insoweit stets frei.14 Um-fassend geschützt und grundsätzlich allein dem Rechts-

10 Hertin, GRUR 1989, 159, 160.11 Loewenheim in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 23 Rn. 28.12 Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008,

§ 23/24 Rn. 61.13 Spindler in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 51 Rn. 7.14 Rehbinder, Urheberecht, 16. Aufl. 2010, S. 129.

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inhaber vorbehalten ist jede Verwertungshandlung, alsoinsbesondere Vervielfältigung, Verbreitung, Veröffent-lichung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugäng-lichmachung im Internet.15 Jeder andere benötigt für dieVornahme einer unter den Schutz fallende Handlung ent-weder die Zustimmung des Berechtigten oder einen ge-setzlichen Gestattungstatbestand, der im Urheberrecht alsSchranke bezeichnet wird. Bei gravierenden Eingriffen zuLasten des Urhebers wird, ähnlich wie bei der ausgleichs-pflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Rechtder staatlichen Ersatzleistungen bei eigentumsrelevantenHoheitsakten, eine Entschädigung vorgesehen, die häufigin die Hände einer Verwertungsgesellschaft gelegt ist. Beider Schranke des Zitatrechts ist aufgrund des nur gering-fügigen Eingriffs in die Rechtsposition des Urhebers keineEntschädigung bzw. Vergütung vorgesehen.16 Zitatrechtim Sinne des § 51 UrhG ist die zweckgebundene gesetzli-che Erlaubnis für jedermann, kleine Teile eines Werks, inbestimmten Fällen sogar das gesamte fremde Werk, in un-veränderter Form in die Dienste eines neugeschaffenenWerks des Zitierenden zu stellen. Legitime Zitatzweckesind insbesondere Beleg- oder Erläuterungsfunktion, auchdie kritische Auseinandersetzung bzw. Abgrenzung des ei-genen Standpunkts des Zitierenden mit dem zitiertenWerk.17 Auch hierbei handelt es sich um ein Lehenswortaus der lateinischen Sprache. „citare“ hat die Bedeutungvon „anrufen“, „herbeirufen“, auch im Sinne von „dieGötter um Beistand anrufen“18. In der römischen Gerichts-sprache wurde es für den Aufruf der Prozessparteien oderZeugen ins Forum verwendet.19

Wer zitiert, nutzt zumindest ausschnittsweise ein fremdesWerk, indem er es z.B. in einer Rede vor Publikum wieder-gibt, in Text, Bild oder anderer Darstellung übernimmt. DieÜbernahme ist stets mit einer Vervielfältigung, im Internetmit einer öffentlichen Zugänglichmachung, bei Angebotdes Werkes des Zitierenden in der Öffentlichkeit auch miteiner Verbreitung verbunden, stets sind es Handlungen,die nach dem gesetzlichen Grundmodell ausschließlichdem Urheber vorbehalten bleiben sollen. Sogar die Ver-wendung eines einzigen Satzes kann hier relevant sein, esgenügt bereits, dass der übernommene Textausschnittschöpferische Individualität aufweist.20 Vergegenwärtigtman sich, dass der Aphorismus seit der Antike als eigen-ständige Kunstform gewürdigt wird, dürfte kein Zweifel ander Erfüllung dieses Kriteriums bei dem Weltmeister-schaftsmotto bestehen. Ohne Zustimmung des AutorsQuadbeck-Seeger bzw. des Wiley-Verlags als Inhaber einesausschließlichen Nutzungsrechts oder Vorliegen eines an-dere Rechtfertigungsgrundes hätte der Satz weder ins In-ternet gestellt oder im „Focus“ bzw. in der „Rheinpfalz“gedruckt werden dürfen.

Hätten sich Joachim Löw oder Hans Flick hier mit Erfolgauf das Zitatrecht berufen können?

Die isolierte Verwendung des Satzes als Leitmotto lässtsich nicht durch § 51 UrhG rechtfertigen, denn das Zitat-recht setzt stets ein eigenständiges schutzfähiges Werkdes Zitierenden voraus, in dem das Zitat mit dienenderFunktion integriert ist.21 Bei den Texten soll das Leitmottobelegen, dass die Arbeit im Trainingslager einer klaren,auch durch Mentaltraining vermittelten Strategie folgt. Da-mit dürfte ein legitimer Zitatzweck gegeben sein.

Nach alledem handelt es sich beim Zitatbegriff des § 51UrhG nicht um eine Pflicht des Zitierenden, allenfalls umeine Pflicht des Zitierten, das erlaubte Zitat zu dulden.

Was ist also gemeint, wenn im Alltag von einem „Zitier-gebot“ gesprochen wird?

D. Die Pflicht zur Quellenangabe nach § 63 UrhG

Bei der Ausübung seines Zitierrechts nach § 51 UrhG istder Zitierende keineswegs frei, er muss das Änderungsver-bot und das Quellenangabegebot des § 63 UrhG beachten.Letzteres wird, begrifflich irreführend, weil den Zusam-menhang verkürzend, gleichwohl aber inhaltlich zutref-fend, als „Zitatpflicht“ bezeichnet. Zur Quellenangabe ge-hören schon aus Gründen des Urheberrechts zumindestder Name des zitierten Autors, um sicherzugehen, aberauch die Fundstelle mit den zum Auffinden erforderlichenbibliographischen Angaben.22 Unverzichtbar ist es, beimZitat eines Sprachwerks den aufgenommenen Fremdtextdrucktechnisch zu kennzeichnen und damit vom Eigentextabzugrenzen.23

Da im Beispielfall das Trainerteam den Autor an keinerStelle genannt hat, haben sie nicht nur die Pflicht zur Quel-lenangabe, sondern auch den Anspruch Quadbeck-Seegersauf Anerkennung seiner Urheberschaft aus § 13 UrhG ver-letzt.24 Fraglich ist aber, ob eine Verletzung der Quellen-

15 Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008, § 51Rn. 16.

16 Götting in: Loewenheim, Handbuch Urheberrecht, 2. Aufl. 2010, § 30Rn. 14.

17 Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008, § 51Rn. 4.

18 Duden, Das große Fremdwörterbuch, 3. Aufl. 2003, S. 1436.19 Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, 1962, S. 1182.20 BGH, Urt. v. 17.10.1958 - I ZR 180/57 - BGHZ 28, 234, 237.21 Spindler in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 51 Rn. 39.22 Götting in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl. 2010,

§ 32 Rn. 11.23 Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, § 51

Rn. 17.24 Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, § 63

Rn. 4.

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angabepflicht den Gestattungstatbestand des Zitatrechtsentfallen lässt, die Nutzung eines fremden Werks im Rah-men des Zitatrechts also nicht nur die Wahrung der Gren-zen des § 51 UrhG, sondern auch die Erfüllung der Pflichtdes § 63 UrhG voraussetzt. Während man früher den Ver-stoß gegen die Verpflichtung zur Quellenangabe als eigen-ständige Pflichtverletzung ansah, die sich nicht weiter aufdas Zitatrecht auswirken solle25, hat sich unter dem Ein-fluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts mehr undmehr die Auffassung durchgesetzt, dass ein Zitat ohneQuellenangabe auch die Berufung auf § 51 UrhG zuguns-ten des Zitierenden ausschließt.26 Somit stellen die Zitatemangels Quellenangabe Urheberrechtsverletzungen dar.Die Äußerung von Quadbeck-Seeger, dass man gut darangetan hätte, die Quelle auch zu nennen, ist rechtlich somitzutreffend.

E. Besonderheiten bei wissenschaftlichenund amtlichen Texten

Betrachtet man die spektakulären und breit in der Öffent-lichkeit diskutierten Plagiatsfälle, so weisen sie die Ge-meinsamkeit auf, dass es sich praktisch ausschließlich umwissenschaftliche Werke, fast immer Dissertationen, han-delt. Auch wenn ein funktionaler Text, z.B. eine wissen-schaftliche Abhandlung, im Schutzumfang grundsätzlicheinem fiktionalen Text, etwa z.B. einem Roman in seinerEigenschaft als Sprachwerk völlig gleichgestellt ist, ist derSchutzumfang verschieden. Während dieser beim fiktiona-len Text relativ weit gefasst ist, so dass selbst Handlungs-geflecht, Kulisse und Personenensemble noch allein derDisposition des Schöpfers vorbehalten sind27, sind beimfunktionalen Text, bei dem wesentliche Grundzüge durchdie Sach- und Fachregeln oder durch wissenschaftliche Er-kenntnisse vorgeprägt sind, die daher zum Allgemeingutgehören, lediglich Auswahl, Strukturierung und Präsenta-tion des Stoffs Ausdruck individueller Kreativität und daherGegenstand urheberrechtlichen Schutzes.28 Daraus erklärtsich, dass bereits kleine Abweichungen, Umformulierun-gen oder ein anderer Zugang zum Thema genügen, um einneues, unabhängiges Werk zu schaffen, ohne dass der vor-hergehende Autor dagegen auf urheberrechtlicher Grund-lage vorgehen oder gar den Vorwurf des Plagiats erhebenkönnte. Bei Fundstellenangaben in solchen Fällen handeltes sich um Hinweise, nicht um Zitate im urheberrecht-lichen Sinn des § 51 UrhG.

An den Werken, die in § 5 Abs. 1 UrhG abschließend auf-gezählt sind, amtliche Bekanntmachungen, in den amtli-chen Verkündungsblättern vorgenommene Publikationenvon Rechtsnormen sowie Urteilstexte in amtlicher Fassung,besteht überhaupt kein Urheberrechtsschutz, so dass sieauch nicht der Schrankenbestimmung des Zitats unterlie-

gen.29 Für die in § 5 Abs. 2 UrhG umschriebenen weiterenamtlichen Publikationen gelten immerhin das Quellen-angabegebot und das Änderungsverbot. Diesen zitiertenFundstellen darf kein Inhalt unterschoben werden, den sienicht haben.

Ungeachtet dessen kann als Zwischenergebnis festgehal-ten werden, dass die Nutzung fremder Ergebnisse bei wis-senschaftlichen Abhandlungen schon bei geringfügigenTextmodifikationen nicht mehr als Zitat im urheberrecht-lichen Sinne gem. § 51 UrhG, sondern vielmehr regelmäßigals freie Benutzung nach § 24 UrhG zu qualifizieren ist.Das erklärt auch den vielfach früher unter Diplomandenund Doktoranden kursierenden Spruch, „wenn man nichtgerade wörtlich andere Quellen abschreibt, braucht mannicht zitieren“. Gleichwohl blendet die auf das Urheber-recht reduzierte Perspektive die auf Prüfungsrecht be-ruhende Pflicht aus, „alle benutzten fremden Quellen alssolche kenntlich gemacht zu haben“, die eingehalten zuhaben Prüfungsbewerber im Zusammenhang mit der Ver-sicherung eigenständiger Abfassung regelmäßig bei Einrei-chung der Abhandlung zu erklären haben. Zweck dieserRegelung ist es, denjenigen, die die Leistung von Prüfungs-bewerbern zu begutachten und zu bewerten haben, zurWahrung der Chancengleichheit eine Identifizierung der in-dividuellen Leistung der Bewerber zu ermöglichen. Ent-spricht diese Erklärung nicht der Wahrheit, so steht derVorwurf der Täuschung im Raum, der, sofern bewiesen,zur Rücknahme des Prüfungszeugnisses als begünstigen-dem Verwaltungsakt nach § 48 VwVfG berechtigt. Da wis-senschaftliche Arbeit wesentlich auf dem inneren Dialogmit den Erkenntnissen anderer beruht, gestaltet sich dieAbgrenzung zwischen Nutzung fremder Quelle und eige-nem Beitrag oft sehr schwierig. Auch die wiederholt be-mühten ethischen Grundsätze der wissenschaftlichen Fach-gesellschaften kommen an dieser Stelle über generalklau-selähnliche Formulierungen nicht hinaus, möglicherweisehilft hier nur eine „Rechtsethik des Kopierens“30.

F. Fazit

Bereits der Fall des Leitmotivs für die DFB-Mannschaftzeigt, wie leicht die mit dem Urheberrecht verbundenenProbleme unterschätzt und wie leicht ein scheinbar be-langloses Alltagsverhalten zu einer Verletzung fremdenImmaterialgüterrechts führen kann, die zumindest einen

25 Bullinger in: Wandtke/Bullinger, 4. Aufl. 2014, § 63 Rn. 31.26 Dietz/Spindler in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 63 Rn. 20.27 BGH, Urt. v. 29.04.1999 - I ZR 65/96 - GRUR 1999, 984, 987.28 Bullinger in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 2

Rn. 50.29 Obergfell in: Mestmäcker/Schulze, Urheberrecht, 2011, § 5 Rn. 44.30 Dreier, NJW-aktuell 35/2014, S. 12.

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Unterlassungsanspruch, verbunden mit einer kostenauslö-senden Abmahnung zur Folge haben kann. Meist wird hin-gegen der Vorwurf des Plagiats unberechtigt sein, da esan einer bewussten Rechtsverletzung und der Anmaßungeigener Urheberschaft fehlen wird. Bei der Nutzung frem-der funktionaler Texte, wie z.B. technischen Beschreibun-gen oder wissenschaftlichen Abhandlungen, genügen ge-ringfügige Veränderungen, um die urheberrechtliche Zitat-

pflicht entfallen zu lassen. Bei Erstellung von Werkenbesteht gleichwohl unabhängig vom Urheberrecht stetseine Verpflichtung zur Kennzeichnung und Angabe allerbenutzten fremden Quellen auf rein prüfungsrechtlicher,also verwaltungsrechtlicher Grundlage. In den aktuellenDiskussionen wird oft beides miteinander vermischt undvermengt, ebenso das urheberrechtliche Zitatrecht und sei-ne Bindung an die Pflicht zur Quellenangabe.

Macht und Recht der Mediaagenturen – Der Streit um die TV-Freispotsals Treugut oder Handelsware

Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, M.C.J. (New York Univ.), Hon.-Prof. (Johannesburg)

A. Die enormen Renditen der Mediaagenturen

Wenn nicht alles täuscht, tickt hinter dem Begriff „Me-diaagenturen“ eine wirtschafts- und gesellschaftspoliti-sche, aber auch eine juristische Zeitbombe – von der nie-mand weiß, wann sie „hochgeht“. Lange kann es wohlnicht mehr dauern, wenn man dem Fernsehbericht imNDR-Medienmagazin ZAPP vom 24.09.2014 glauben darf.1

Er trug den Titel: „Einflussreich. Die Macht der Media-agenturen.“ Danach werden 90 % der Werbung in TV-und Radiosendern, in Zeitschriften und Magazinen vonMediaagenturen im Auftrag der Unternehmen der werben-den Wirtschaft geschaltet, davon der Löwenanteil von den„big five“.2 Angeblich sollen die Mediaagenturen Renditenvon 30 bis 40 % erzielen, was in keinem Wirtschafts-bereich, abgesehen vom Diamanten- oder vom Zigaretten-handel, vielleicht auch noch vom Kunst- oder Waffenhan-del, auch nur annähernd erreicht werde. Als wohl wich-tigste Einnahmequelle werden dort die TV-Freispots (freieSendezeiten) und andere Rabatte dargestellt, die die Me-diaagenturen von den Medien erhalten und eigenständigvermarkten. Vom „Vorbild Frankreich“ ist die Rede, wo esschon seit 1993 ein Gesetz (Loi Sapin) gibt, „das den Ein-fluss der Agenturen eindämmt“ und wonach die Media-agenturen „wieder auf ihre Rolle als reine Dienstleister zu-rückgeworfen (werden), die über Provisionen bezahlt wer-den“. „Die Macht der Mediaagenturen nimmt seit Jahrenzu. Darüber offen reden will kaum jemand.“3 Unsere juris-Monatszeitschrift will darüber reden. Außer den Branchen-insidern weiß man viel zu wenig über Mediaagenturen.Was ist ihr Tätigkeitsbereich? Welche Rechtsbeziehungensind damit verbunden? Was hat es mit der Macht derMediaagenturen auf sich und was sagt die Rechtsordnungdazu?

B. Die TV-Freispots als „Zankapfel“

Im Mittelpunkt der explosiven Kontroverse über die Media-agenturen steht ein handfester, buchstäblich milliarden-schwerer Streit im Bereich der TV-Werbung: Es geht umdie Behandlung von Freispots in der Leistungsabrechnungzwischen den modernen Mediaagenturen und ihren wer-bungtreibenden Kunden. Die modernen Mediaagenturensind aus den früheren Werbeagenturen hervorgegangen;ihre Spitzengruppe bilden die fünf größten, internationalverflochtenen und hochprofessionellen Mediaagenturnet-works. Solche Mediaagenturen können, abhängig vonihrer Nachfragemacht bzw. dem Auftragsvolumen der „ge-schalteten“ Werbung, von den Medien (den Fernsehsen-dern bzw. ihren Vermarktern) im Rahmen ihrer Media-Ein-kaufskonditionen freie Sendezeiten als – kundenbezogeneoder agenturbezogene – Freispots eingeräumt erhalten.

1 Vgl. www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Einflussreich-Die-Macht-der-Mediaagenturen,mediaagenturen104.html – mit einem Berichtvon Grimberg und dem abspielbaren Originalbeitrag – zuletzt abge-rufen am 23.11.2014.

2 Derzeit halten fünf große Mediaagenturnetworks 96 % des Billingvo-lumens. Dabei kommt dem Marktführer Group M ein Marktanteilvon 44 % zu; es folgen Dentsu Aegis mit 16 %, Omnicon mit 16 %,Vivaki/Publicis 13 % und Interpublic mit 7 %. Die größte Mediaagen-tur ist die zur Group M gehörende MediaCom mit einem Marktanteilvon 19,7 %. Als erste, nicht zu einer internationalen Holding ge-hörende Agenturgruppe (als „Independent“) liegt die größte deut-sche unabhängige Agenturgruppe Mediaplus mit einem Marktanteilvon 6,3 % auf dem siebten Platz des Recma-Rankings 2012, abge-druckt in Horizont Nr. 31 vom 01.08.2013, S. 18.

3 Vgl. www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Einflussreich-Die-Macht-der-Mediaagenturen,mediaagenturen104.html – mit einem Berichtvon Grimberg und dem abspielbaren Originalbeitrag – zuletzt abge-rufen am 23.11.2014.

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Seit den frühen Zeiten des Mediengeschäfts vor einigenJahrzehnten kaufen Medienagenturen zudem Werbezeitenvon den Medienunternehmen im eigenen Namen und aufeigene Rechnung sowie auf der Grundlage mehr oder we-niger bindender „Verpflichtungen“ oder doch Schätzungenihrer Kunden. Nicht selten erwerben („kaufen“) die Medi-aagenturen auch unmittelbar und auf eigenes Risiko vonden TV-Medien ein „Inventar“ von Werbezeiten, das sie inihre Dispositionen unternehmerisch einbeziehen und selb-ständig vermarkten. Bisweilen nutzen die Mediaagenturendas unabhängig und auf eigenes Risiko hinzuerworbeneWerbeinventar dazu, das von einem TV-Vermarkter vor-gegebene Mindestvolumen für die Gewährung von be-stimmten Rabatten zu erreichen. Die Verwendung und Be-handlung solcher Freispots ist seit vielen Jahren zwischenden werbungtreibenden Unternehmen und den Mediaa-genturen auf dem deutschen Markt umstritten, insbeson-dere soweit es um die Entgeltabrechnung geht. Werbung-treibende und Mediaagenturen zanken insbesondere darü-ber, ob für agenturbezogene Freispots ein pro rata-Weiterleitungsanspruch des werbungtreibenden Kundenbesteht. Das dahinterstehende Kernproblem lässt sich wiefolgt formulieren: Sind die agenturbezogenen Freispotsnach den Vertragsbeziehungen der Parteien als fremdnüt-zig anvertrautes Treugut anzusehen, das die Media-Han-delsunternehmen nur im Interesse und nach Weisung ihresKunden verwenden dürfen und letztlich herauszugebenhaben, oder sind diese Freispots als autonom verfügbareHandelsware der Media-Handelsunternehmen zu verste-hen, über die sie unternehmerisch selbständig, ungebun-den und weisungsfrei disponieren können?

Gewiss, die Lage ist eindeutig, wenn der Mediaagenturver-trag (Media Agency Services Agreement) unmissverständ-lich eine Weiterleitungspflicht für „media discounts“ bzw.„agency volume benefits“ vorsieht, wie in dem Fall, derder sogenannten „Danone“-Entscheidung des OLG Mün-chen von 2009 zugrunde liegt.4 Hierbei handelt es sich umeine Einzelfallentscheidung, aus der keine allgemeine Wei-terleitungspflicht für Freispots ohne jede dahingehendeVereinbarung hergeleitet werden kann. Der Urteilstenordieser Entscheidung konnte nur deshalb eine weitreichen-de Weiterleitungspflicht bestimmen, weil in diesem beson-deren Fall eine Sonderregelung mit genau diesem spezi-fischen Wortlaut Vertragsbestandteil war. Das Gerichtstellt ausdrücklich fest, dass außerhalb solcher speziellerSonderregelungen keine Weiterleitungsansprüche beste-hen. Genau hierüber aber wird erbittert gestritten. Man-gels einer ausdrücklichen Weiterleitungspflicht hilft derHinweis auf § 346 HGB nicht weiter, wonach für Handels-verträge zwischen Kaufleuten (beidseitige Handelsverträ-ge), zu denen Mediaagenturverträge gehören, auf die im

Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und GebräucheRücksicht zu nehmen ist. Jedenfalls lässt sich keinerlei Ver-kehrssitte oder Handelsbrauch ausmachen, wonach etwa„agenturbezogene“ oder „kundenbezogene“ Freispots,agency volume benefits oder media discounts an den wer-bungtreibenden Kunden abzuführen bzw. weiterzuleitenseien.

Wenn, wie nur allzu oft, eine ausdrückliche Weiterleitungs-pflicht im Vertrag fehlt, ist an eine ergänzende Vertrags-auslegung nach den §§ 133, 157, 242 BGB zu denken. Diedafür erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt vor,wenn die Parteien die Behandlung, Verwendung und Ab-rechnung von Freispots in ihrem Vertrag nicht angespro-chen und ungeregelt gelassen haben und sie bei Kenntnisund im Bewusstsein der Freispot-Problematik durchauseine Regelung getroffen hätten. Dabei darf aber eine Lü-ckenausfüllung nicht gleich durch einen Rekurs auf den hy-pothetischen Parteiwillen bei Vertragsabschluss angegan-gen werden. Vielmehr ist eine Lückenfüllung im Wege derergänzenden Vertragsauslegung in erster Linie durch eineHeranziehung des dispositiven Rechts zu bewerkstelligen.Die Lösung der zwischen den Mediaagenturen und denWerbungtreibenden umstrittenen Probleme ist in denRechten und Pflichten suchen, die das dispositive Geset-zesrecht für einen Vertrag zwischen einer Mediaagenturund einem werbungtreibenden Unternehmen vorsieht.Hiervon kann man sich eine grundsätzliche Klärung derKernfrage versprechen, ob die Freispots als fremdnütziganvertrautes Treugut oder als autonom verfügbare Han-delsware der Mediaagenturen anzusehen sind.

C. Die Mediaagenturen und ihre Partnerim Werbemarkt

Die grundsätzliche Klärung verlangt zunächst eine Be-sinnung darauf, dass im modernen Werbegeschäft denMediaagenturen einmal die werbungtreibenden Unterneh-men, dann die werbungdurchführenden Medien bzw. de-ren Vermarkter5 und auch die Kreativagenturen in ver-tragsrechtlichen Beziehungen gegenüberstehen; diese sinddie vier „main players“ auf den Werbemärkten. Dabeikönnen hier die Kreativagenturen vernachlässigt werden;sie nehmen aufgrund von Werbegestaltungsverträgen imAuftrag der Mediaagenturen die künstlerische und tech-nische Herstellung einer schaltbaren Werbung (z.B. eines

4 OLG München, Urt. v. 23.12.2009 - 7 U 3044/09.5 Seebohn, Gabler Kompaktlexikon Werbung, 11. Aufl. 2013, S. 252;

da in den meisten Fällen die Vermarkter zumindest auf Rechnung,wenn nicht auch im Namen der werbungdurchführenden Medienhandeln, kann man hier die Begriffe Vermarkter und werbungdurch-führendes Medium synonym verwenden.

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Werbespots) vor.6 Die juristisch brisanten und umstrittenenProbleme spielen sich zum einen im Verhältnis zwischenwerbungtreibendem Unternehmen und Mediaagentur ab;diese Parteien schließen einen so genannten Mediaagen-turvertrag oder Mediabetreuungsvertrag (Media AgencyServices Agreement) ab. Zum anderen sind sie im Verhält-nis zwischen werbungdurchführendem Medium bzw. des-sen Vermarkter und Mediaagentur angesiedelt; hierkommt ein so genannter Werbeschaltvertrag oder moder-ner Mediaeinkaufsvertrag zustande.

D. Das Verhältnis der Mediaagenturenzu den werbungtreibenden Unternehmen

I. Mediaagenturen in Nachfolge der Full-Service-Agenturen

Beim Mediaagenturvertrag verpflichtet sich die Media-agentur zur Mediaberatung, -planung, -forschung, zumMediaeinkauf und der Mediaabwicklung gegen Entgelt-zahlung von Seiten des werbungtreibenden Unterneh-mens.7 Neben diesen essentialia negotii können die einzel-nen vertraglichen Pflichten von Fall zu Fall stark variieren.Einen Mediaagenturvertrag „als solchen“ gibt es nicht.Die einzelnen Verträge werden individuell nach den Be-dürfnissen der Vertragspartner ausgehandelt und meist indetailliert ausformulierten Vertragswerken festgehalten.Trotz detailliert ausgehandelter Rechte und Pflichten ha-ben alle Mediaagenturverträge einen gewissen Rahmen-vertragscharakter. Dem eigentlichen Vertragsabschluss fol-gen weitere Einzelabsprachen zwischen den Vertragspart-nern, die zur erfolgreichen Zusammenarbeit auf demMedienmarkt notwendig sind, denn der Medienmarkt istin ständiger hektischer Bewegung und verlangt allen Be-teiligten höchste Flexibilität und Reagibilität ab; ohne dieErgänzungsabsprachen kann ein Mediaplan weder entste-hen noch umgesetzt werden.

Vorgänger der Mediaagenturen sind die Full-Service-Agen-turen, aus deren Werbeagenturverträgen heraus sich dieMediaagenturverträge entwickelt haben. Schon die Full-Service-Agenturen verpflichteten sich in den Werbeagen-turverträgen zur Mediaberatung, -planung, -forschung,zum Mediaeinkauf und der Mediaabwicklung gegen Ent-geltzahlung von Seiten der werbungtreibenden Unterneh-men, wobei diese Hauptleistungspflichten um die wichtigePflicht der kreativen Gestaltung des Werbemittels ergänztwaren; die Full-Service-Agenturen waren zugleich „Krea-tivagenturen“. Rechte und Pflichten der Werbeagenturver-träge waren jedoch zu atypisch, um sie ohne weiteres un-ter einen der klassischen handels- oder zivilrechtlichenVerträge zu subsumieren. Die Rechtswissenschaft kämpftebei der Vertragsnaturbestimmung vor allem mit folgenden

drei medienspezifischen Besonderheiten: Erstens das Han-deln der Full-Service-Agenturen im eigenen Namen undauf eigene Rechnung (und nicht im Namen und auf Rech-nung der werbungtreibenden Kunden)8; zweitens die aty-pischen Vergütungsstrukturen, nach denen die Agenturüber die 15 %ige AE‑Provision9 ein Entgelt auch von derMarktgegenseite, den Medien, erhielt; drittens die damitim Zusammenhang stehende Preislistentreue, zu der dieAgenturen gegenüber den Medien verpflichtet waren.

II. Handeln auf eigene Rechnung, AE-Provisionund Preislistentreue

Die Tradition des Handelns der Full-Service-Agenturen aufeigene Rechnung geht dabei zurück bis in die Anfangsjah-re des 20. Jahrhunderts. Zwar wurde in der Literatur ver-sucht, dieses Handeln als eines „auf fremde Rechnung“ zukonstruieren, um eine klassische geschäftsbesorgungs-rechtliche Situation zu schaffen, jedoch scheiterten dieseVersuche an den tatsächlichen Gegebenheiten; die Full-Service-Agenturen trugen die wirtschaftlichen Risiken, diesich aus ihrem Handeln ergaben, und nahmen die Mög-lichkeit wahr, unternehmerische Chancen zu realisieren.Die Preislistentreue hat ihren Ursprung in der Praxis derwerbungdurchführenden Medien bzw. deren Vermarkter,in regelmäßigen Abständen „Listen“ zu veröffentlichen, indenen sie detailgetreu festlegen, zu welchen Preisen dieim Einzelnen genau bestimmten Werbemittel geschaltetund welche Rabatte und Vergünstigungen für die Schal-tungen unter welchen Voraussetzungen gewährt werden

6 Vgl. dazu Martinek in: Festschrift für Elmar Wadle, 2008, S. 551 ff.(555); Kloss, Werbung – Handbuch für Studium und Praxis, 5. Aufl.2012, S. 248.

7 Hans, Die Auswirkungen des Medienwandels auf das Werbevertrags-und Werbekartellrecht, Schriftenreihe Information und Recht, hrsg.von Thomas Hoeren u.a., Band 84, 2014, insbes. S. 33 ff.; Wegner in:Wegner, Handbuch Medienmanagement – Geschäftsmodelle in TV,Hörfunk, Print und Internet, 2007, S. 21; Gläser, Medienmanage-ment, 2. Aufl. 2012, S. 73; Martinek, Mediaagenturen und Medien-rabatte – Medienrabatte zwischen Weiterleitungspflicht und Kom-merzialisierbarkeit im Strukturwandel der Mediaagenturen zuMedia‑Handelsunternehmen, 2008, S. 2; Schweiger/Schrattenecker,Praxishandbuch Werbung, 8. Aufl. 2013, S. 185 f.

8 Zum Handeln der Mediaagenturen im eigenen Namen und auf eige-ne Rechnung vgl. BGH, Beschl. v. 09.04.1970 - KRB 2/69 (KG); OLGMünchen, Urt. v. 19.12.1984 - 7 U 4089/84; BGH, Urt. v. 11.11.1993 -I ZR 225/91; LG Stuttgart, Urt. v. 10.11.1992 - 10 KfH O 154/92; OLGMünchen, Urt. v. 23.12.2009 - 7 U 3044/09; Fabricius, WRP 1969,305-340 (321 f.) hielt noch ein Handeln auf eigene Rechnung für un-vereinbar mit dem Geschäftsbesorgungsrecht; vgl. auch Heider, DasRecht der Werbeagentur, 1964, S. 35 ff.

9 Die „AE-Provision“, auch Agenturvergütung oder Mittlervergütunggenannt, leitet ihren Namen von dem früheren Entgelt für die „An-noncen-Expedition“ von Werbeagenturen ab.

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können (z.B. nach bestimmten Mindestwerbevolumen).10

Sie statuierte das Verbot für die Full-Service-Agenturen, inihren geschäftlichen Beziehungen zu Werbungtreibendenvon diesen Listenpreisen abzuweichen. Sie sollte die Stel-lung der Agenturen als unabhängiger, objektiver, nichtausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachter, sondernvor allem im Fremdinteresse tätiger Mittler bekräftigen.Zudem sollte sie für höhere Transparenz im Werbegeschäftsorgen. Aus diesem System der Preislisten erklärt sich dieAE-Provision, die in Höhe von 15 % von den Medien andie Agenturen gezahlt wurde und die jahrzehntelang diefinanzielle Grundlage der Full-Service-Agenturen bildeteund die zunehmend zur Haupteinnahmequelle wurde. Aus-gehend von dem in den Preislisten ausgewiesenen Brutto-preis wurden zunächst die vom Vermarkter gewährten ta-riflichen Rabatte, wie Mengen- und Malrabatte, abge-zogen. Dieses Kundennetto stellten die Agenturen denwerbungtreibenden Unternehmen in Rechnung, leitetenaber nur das Kundennetto abzüglich 15 % AE-Provision andie Werbungtreibenden weiter, so genanntes Agenturnet-to, von dem wiederum bei besonders früher Zahlung noch-mals 2 % Skonto abgezogen werden konnten. Dadurch be-zahlte im Ergebnis das werbungdurchführende Mediumbzw. dessen Vermarkter die Full-Service-Agentur für Leis-tungen, die diese aufgrund der Beauftragung durch diewerbungtreibenden Unternehmen, also durch die Markt-gegenseite, erbrachte.11

III. Mediaagenturverträge als atypische Geschäfts-besorgungsverträge

Aufgrund erstens des Handelns für eigene Rechnung, auf-grund zweitens der atypischen Vergütungsstrukturen mitder 15 %igen AE-Provision und aufgrund drittens derPreislistentreue der Agenturen lassen sich die Werbeagen-turverträge – entgegen vereinzelten Ansichten – nicht alsHandelsvertreter-, Handelsmakler-, Speditions-, Fracht-,Kommissions- oder Kommissionsagentenverträge klassifi-zieren.12 Sie sind auch keine treuhänderischen Mittlungs-verträge sui generis, im Rahmen derer die Full-Service-Agentur eine doppelte Treuhänderstellung innehätte, in-dem sie sowohl an das werbungtreibende Unternehmenals auch an das werbungdurchführende Medium bzw. des-sen Vermarkter treuhänderisch gebunden wäre. Allein dieinteressenwahrenden Tätigkeiten der Agentur reichennicht zur Begründung einer echten Treuhänderschaft aus,da ihr gerade keine Vermögensrechte bzw. kein Treugutvon Seiten ihrer Kunden übertragen wurden. Werbeagen-turverträge sind vielmehr atypische Geschäftsbesorgungs-verträge i.S.d. §§ 675 ff. BGB und damit Subordinations-verträge, bei denen sich der eine Teil zur Ausführung einerselbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Wahrungfremder Vermögensinteressen und der andere Teil zur Zah-

lung eines Entgelts verpflichtet. Zentrales Element ist da-bei stets die weisungsgebundene Wahrung fremder Ver-mögensinteressen. Zwar konfligierten die medienspezi-fischen Besonderheiten des Handelns im eigenen Namenund auf eigene Rechnung sowie die atypischen Ver-gütungsstrukturen mit der Vergütung durch die Markt-gegenseite und mit der Preislistentreue Mitte des 20. Jahr-hunderts noch stark mit dem seinerzeitigen orthodoxenGeschäftsbesorgungsverständnis, doch Ende der sechzigerJahre brach sich im Zuge der rechtlichen Untersuchung desKfz-Vertragshändlers die Einsicht Bahn, dass weder einHandeln auf eigene Rechnung noch eine Entgeltleistungdurch einen anderen Marktbeteiligten im Widerspruch zugeschäftsbesorgungsvertraglichen Eigenschaften stehen,solange die Interessenwahrung für den Geschäftsherrn dasZentrum der Vertragsbeziehungen ist.13 Mit dieser rechts-wissenschaftlichen „Entdeckung“ war die Einordnung desWerbeagenturvertrags als Geschäftsbesorgungsvertrag mitden atypischen Elementen des Handelns auf eigene Rech-nung und den medienspezifischen Vergütungsstrukturenvereinbar. Diese Rechtsnaturbestimmung der Werbeagen-turverträge ist auf die modernen Mediaagenturverträge alsNachfolger der früheren Werbeagenturverträge übertrag-bar. Auch moderne Mediaagenturverträge sind atypischeGeschäftsbesorgungsverträge i.S.d. §§ 675 ff. BGB.14

10 Zur Bedeutung der Preislistentreue für die Verträge der Full-Service-Agenturen als Vorgänger der Mediaagenturen vgl. z.B. Fikentscher,Die Preislistentreue im Recht der Werbeagenturen, 1968, insbes.S. 20; Schneider, WuW 1962, 260-273 (261); Kolonko in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 2. Aufl.2012, Abschnitt 56, Rn. 88.

11 Das Vergütungssystem der Mediaagenturen findet sich ausführlichbeschrieben in LG Wiesbaden, Urt. v. 12.05.2009 - 6 KLs - 1160 Js26113/05; vgl. auch Graf Lambsdorff/Skora, Handbuch des Werbe-agenturrechts, 1975, S. 122 ff.; Martinek, Mediaagenturen und Me-dienrabatte, S. 7; Marx, Media für Manager, Alles was Sie über Me-dien und Media-Agenturen wissen müssen, 2. Aufl. 2012, S. 33;OWM, Agenturvergütungsmodelle – Die wichtigsten Honorarmodellefür Leistungen von Agenturen und Beratungsunternehmen aus Mar-keting, Werbung und Media, Berlin 2012, S. 16 ff.; Kolonko in: Ham-burger Kommentar (Fn. 10), Abschnitt 56, Rn. 74 spricht von einem„unübersichtlichen Dickicht“.

12 Vgl. zu den zahlreichen verfehlten und gescheiterten Bemühungenum eine Rechtnaturbestimmung der Werbeagenturversuche insbes.die Darstellung von Hans, Die Auswirkungen des Medienwandels aufdas Werbevertrags- und Werbekartellrecht, 2014, insbes. S. 33 ff.; vgl.auch Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte, 2008, S. 35 ff.

13 Dazu am Beispiel des Vertragshändlers grundlegend: Ulmer, Der Ver-tragshändler – Tatsachen und Rechtsfragen kaufmännischer Ge-schäftsbesorgung beim Absatz von Markenwaren, 1969, insbes.S. 206.

14 Vgl. ausführlich dazu Hans, Die Auswirkungen des Medienwandelsauf das Werbevertrags- und Werbekartellrecht, 2014, insbes. S. 33 ff.;Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte, 2008, S. 38 ff.; Mar-tinek in: Festschrift für Elmar Wadle, 2008, S. 551 ff. (576 ff.).

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Die Änderungen im Aufgabenbereich der modernen Me-diaagenturen im Vergleich zu den früheren Full-Service-Agenturen vermögen keine Rechtsnaturänderung herbei-zuführen. Zwar wurden die Aufgaben der „kreativen“ Auf-bereitung des Werbematerials zu „Kreativagenturen“ aus-gelagert und im Gegenzug die Mediaaufgaben differen-zierter, vielfältiger und komplexer, wodurch eine deutlicheSchwerpunktverlagerung stattfand. Dies führte jedochnicht zu einer gravierenden Änderung der Hauptleistungs-pflichten: Die Mediaagentur verpflichtet sich zur Media-beratung, -planung, -forschung, zum Mediaeinkauf undder Mediaabwicklung, lediglich ohne die frühere Zusatz-aufgabe des „kreativen“ Bereichs. Es fand bzw. findet kei-ne Umgestaltung, sondern nur eine veränderte Gewich-tung statt, wobei sich keine der einzelnen Aufgaben sosehr in den Vordergrund drängt und damit als so wesent-lich angesehen werden muss, dass sie allein dem Vertragihr Gepräge gibt. Auch die Weiterentwicklungen bei denVergütungsmodalitäten ändern diese Rechtsnaturbestim-mung nicht. Zwar wurden AE-Provision und Preislisten-treue ihrer ursprünglichen Funktionen weitgehend beraubtund immer weiter aufgeweicht, wodurch sich insbesonderedie AE-Provision zum Durchreichposten entwickelt hat,doch haben dafür die so genannten AT‑Vergünstigungenderen Platz eingenommen. AT-Vergünstigungen sind Ra-batte, Bonifikationen und Vergünstigungen, welche dieVermarkter den Agenturen auf der Grundlage ihrer Ein-kaufskonditionen in jeweils individuell ausgehandeltenVertragsbestandteilen gewährleisten und die daher nichtin den Preislisten oder AGB der Vermarkter auftauchen.Sie können „agenturbezogen“ oder „kundenbezogen“ ge-währt werden.

Agenturbezogene Vergünstigungen werden anhand derAufträge aus dem gesamten Agenturkontingent berechnet,während kundenbezogene Vergünstigungen für die Auf-träge von genau bezeichneten Werbekunden gewährt wer-den. Beide können als Cash- oder Naturalrabatte, also Frei-spots, Freizeiten oder Freiplätze, ausgezahlt werden. Dabeisagt diese Zuordnung als agentur- oder kundenbezogennoch nichts darüber aus, wem die Rabatte am Ende zuste-hen. Dafür ist entscheidend, ob sie kundenbestimmt sindund die werbungtreibenden Unternehmen somit die Rabat-te herausverlangen können oder ob die Rabatte agentur-bestimmt sind und die Agenturen sie folglich einbehaltendürfen. Die Agenturen versuchen, die Rabatte möglichstals agenturbestimmt zu deklarieren, um so ihre Gewinn-margen zu erhöhen. Die Vorstellungen der Organisationder Werbungtreibenden im Markenverband (OWM)15 inihrem „Code of Conduct“ und ihrem „Mustervertrag“, dieimmer noch eine Treuhänderstellung der Agenturen fest-schreiben wollen, gehen daher weitgehend an der Realität

vorbei und haben sich auf den Werbemärkten nicht durch-setzen können. Die Gewinnmaximierung durch Rabattehat für die Mediaagenturen große Bedeutung. Sie wehrensich generell gegen eine Weiterleitungspflicht der AT‑Ver-günstigungen und sind daher bemüht, diese als agentur-bestimmt zu deklarieren.

Eine Weiterleitungspflicht an das werbungtreibende Unter-nehmen lässt sich weder für agenturbezogene noch fürkundenbezogene Rabatte aus den Regelungen des Ge-schäftsbesorgungsrechts herleiten. Im Fall des atypischenGeschäftsbesorgungsvertrags, wie ihn der moderne Media-agenturvertrag darstellt, sind die geschäftsbesorgungs-rechtlichen Normen teleologisch zu reduzieren und die§§ 666, 667 BGB nicht anwendbar. Die Regelung des§ 667 Alt. 2 BGB, nach der i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB derGeschäftsherr vom Geschäftsführer das aus der Geschäfts-besorgung Erlangte herausverlangen kann, dient demZweck, die für übliche und typische Geschäftsbesorgungs-verhältnisse charakteristische Vermögensneutralität zu ge-währleisten. Er kann daher gerade auf atypische Verträgewie die Mediaagenturverträge nicht angewandt werden,da hierin dem Geschäftsführer durch die Erlaubnis desHandelns auf eigene Rechnung explizit das Recht einge-räumt wird, eine Handelsspanne zu realisieren, so dass dieMediaagenturverträge insoweit ausdrücklich nicht ver-mögensneutral wirken sollen. Gleiches gilt für eine Offen-legungspflicht nach § 666 BGB, der untrennbar mit § 667BGB verknüpft ist. Es besteht jedoch die Möglichkeit, indi-vidualvertraglich Weiterleitungs- und Offenlegungsklau-seln in den Mediaagenturvertrag zu implementieren, diedann im Streitfall einer Auslegung auf der Grundlage der§§ 133, 157 BGB bedürfen. Eine Einordnung der Media-agenturverträge als Werkverträge nach §§ 631 ff. BGB istdemgegenüber nicht haltbar. Hintergedanke dieses Quali-fizierungsversuchs für moderne Mediaagenturverträge istein Vergleich mit dem – ebenfalls nicht als eigenständigerVertragstyp im BGB oder HGB normierten – Architekten-vertrag, der von der ganz herrschenden Meinung als Werk-vertrag angesehen wird.16 Das Hauptargument für dieseVertragsnaturbestimmung beim Architektenvertrag lässtsich jedoch nicht auf die modernen Mediaagenturverträgeübertragen: Die Media planende Tätigkeit steht keines-

15 Die OWM ist eine Unterorganisation des Markenverbands, in demdie bedeutendsten Markenartikelhersteller ihre Interessen zur effi-zienteren Wahrnehmung bündeln.

16 Für eine Analogie der Werbeagenturverträge zu den Architektenver-trägen und damit für eine werkvertragliche Rechtnaturbestimmungspricht sich insbes. Kolonko, Archiv für Presserecht 2009, S. 18 ff.(21 ff.), aus; dagegen aber zu Recht Hans, Die Auswirkungen desMedienwandels auf das Werbevertrags- und Werbekartellrecht,2014, insbes. S. 33 ff.

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wegs im Mittelpunkt des modernen Mediaagenturvertrags;er drängt sich nicht derart in den Vordergrund, dass er alswesentlich genug anzusehen ist, um dem Vertrag sein Ge-präge zu geben. Mediaberatung, Mediaforschung, Media-einkauf und Mediaabwicklung spielen gewiss nicht nur un-tergeordnete Nebenrollen. Zudem gehören die Tätigkeitender Agentur bei der Bewerbung der Produkte des wer-bungtreibenden Unternehmens zu den originären Auf-gaben des Unternehmens, die nicht erst durch die Ein-schaltung der Mediaagentur entstehen.

IV. Trading, Targeting und Bidding

Begünstigt durch zahlreiche Innovationen und Wandlun-gen in der Medienlandschaft haben in der jüngeren Ver-gangenheit drei wichtige Neuerungen Einzug in die Media-agenturverträge gefunden: Trading, Targeting und (Real-Time-)Bidding17. Trading bezeichnet eine Form der Media-agenturtätigkeit, bei der die Agenturen, unabhängig voneinem werbungtreibenden Kunden und auf eigenes Risiko,besonders günstig Werbeinventar pauschal von den Ver-marktern einkaufen und dies dann mit Aufschlag an ihreKunden weiterreichen. Die Agenturen werden dadurch zu(Eigen-)Händlern, die auf einer eigenen Wirtschaftsstufestehend auf der einen Marktseite eigenständig und unab-hängig Werbeinventar einkaufen (erster Kaufvertrag – Me-dia Einkauf), um dieses dann auf der anderen Marktseitezu vertreiben (zweiter Kaufvertrag – Media Verkauf), dassso ein möglichst hoher Gewinn als Handelsspanne erwirt-schaftet werden kann.

Tradingvereinbarungen üben einen maßgeblichen Einflussauf die Rechtsnaturqualifizierung der modernen Media-agenturverträge aus. Sie betonen den atypischen Charak-ter der modernen geschäftsbesorgungsvertraglichen Me-diaagenturverträge. Deren Rahmenvertragscharakter er-fährt durch die ausfüllenden kaufvertraglichen Transaktio-nen zum Tradinginventar eine Stärkung der Komponenteder eigenunternehmerischen Selbständigkeit und eineSchwächung der Komponente der treuhänderischen Inte-ressenwahrung. Insbesondere Trading unterliegt als Rechts-kauf dem kaufrechtlichen Regelungssystem der § 453 BGBi.V.m. §§ 433 ff. BGB, die im Lichte des geschäftsbesor-gungsrechtlichen Rahmenvertrags auszulegen sind. DiePflicht der Mediaagentur aus dem zweiten Kaufvertrag(Media Verkauf) besteht darin, dem Werbungtreibendennach §§ 453, 433 BGB die Inhaberschaft an der Forderungzu verschaffen, welche die Agentur aus ihrem modernenMediaeinkaufsvertrag mit dem Vermarkter, dem erstenKaufvertrag, besitzt und die den Anspruch auf die Ver-öffentlichung des Werbemittels beinhaltet. Bei dem zwei-ten Kaufvertrag zwischen Agentur und Kunde handelt essich um einen Forderungskauf mit anschließender Abtre-

tung der Forderung der Agentur gegen den Vermarkter anden werbungtreibenden Kunden und nicht um eine voll-ständige Vertragsübernahme des ersten Kaufvertragsdurch den Kunden. Es fehlt bei den Tradinggeschäften ge-rade das für einen Geschäftsbesorgungsvertrag typischeÜber-/Unterordnungsverhältnis, da die Agentur hier beimMediaeinkauf unabhängig von einem Kunden tätig wirdund das gekaufte Inventar zum Zeitpunkt der Beschaffungnoch nicht der Realisierung eines bestimmten Plans unddamit gerade nicht den Interessen eines Werbungtreiben-den dient. Die Agentur möchte durch Trading nur die eige-nen Gewinnmargen erhöhen und damit lediglich eigeneVermögensinteressen realisieren. Durch die kaufvertragli-che Ausgestaltung des Trading unterliegen die von derMediaagentur erzielten Gewinne keiner Weiterleitungs-pflicht, da die geschäftsbesorgungsrechtlichen Vorschriftender §§ 675, 666, 667 BGB von vornherein unanwendbarsind. Weitere Abweichungen zwischen Geschäftsbesor-gungsrecht und Kaufrecht wie Unterschiede bei der Män-gelgewährleistung und Verjährung spielen in der Praxiskaum eine Rolle.

Trading trifft gerade in der Onlinewerbung oft mit Targe-ting zusammen. Targeting bezeichnet die Methode derzielgruppenorientierten Aussteuerung von Werbung. Esstärkt entweder das dienstvertragliche Element der moder-nen Mediaagenturverträge oder füllt den geschäftsbesor-gungsrechtlichen Rahmenvertrag durch einen eigenständi-gen Vertrag aus, der als Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGBzu qualifizieren ist. Vermischen sich jedoch Trading undTargeting und wird das Targeting benutzt, um Tradingakti-vitäten zu verschleiern, die nicht Bestandteil des Media-agenturvertrags sind, kann dies als eine Praxis angesehenwerden, die dem Willen und den Weisungen des Werbung-treibenden widerspricht, eine Verletzung des Rahmenver-trags begründet sowie Schadensersatzansprüche nach sichzieht. Das (Real-Time-)Bidding, bei dem das Einbuchenvon Werbung über Versteigerungsplattformen erfolgt, hatkeinen Einfluss auf die Rechtsnatur der modernen Media-agenturverträge.18 Für die Agenturen ist dies nur ein wei-terer Weg, sich Werbeinventar von den werbungdurchfüh-

17 Vgl. dazu im Einzelnen näher Hans, Die Auswirkungen des Medien-wandels auf das Werbevertrags- und Werbekartellrecht, 2014, ins-bes. S. 76 ff. und 111 ff.

18 Real-Time-Bidding findet sich in der medialen Diskussion auch unterden Stichworten Real-Time-Advertising und Big Data. Insbesondereim Zusammenhang mit der gesellschaftspolitischen Diskussion rundum das Datensammeln durch Firmen und Geheimdienste und denEingriff in die Privatsphäre der Bürger ranken sich gesellschaftspoliti-sche Diskussionen bzgl. Big Data auch im Werbegeschäft, vgl. z.B.Mayer-Schöneberger/Cukier, Big Data – Die Revolution, die unser Le-ben verändert, 2013.

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renden Medien bzw. deren Vermarktern zu beschaffen,und hat daher keine Auswirkungen auf die Vertragsaus-gestaltung im Verhältnis zum werbungtreibenden Unter-nehmen. Ebenso würde eine Rückkehr der Medienwirt-schaft zum früheren Geschäftsmodell der Full-Service-Agentur nichts an der Rechtsnatur der modernen Media-agenturverträge ändern, da bereits die Full-Service-Agen-turen als Vorgänger der Mediaagenturen atypische Ge-schäftsbesorgungsverträge mit ihren werbungtreibendenKunden abgeschlossen hatten.

Das Verhältnis der modernen Mediaagenturen zu den Un-ternehmen der werbungtreibenden Wirtschaft zeigt ein-deutig: Das moderne Mediaagenturgeschäft ist von einerHändlerprofessionalität beherrscht. Die Mediaagenturenhaben sich zu selbständigen Mediahandelsunternehmenentwickelt, die eine rechtlich und wirtschaftlich selbständi-ge Stellung einnehmen. Das Selbstverständnis der Agentu-ren ist von einer Eigenhändlerstellung im Markt bestimmt.Pointiert ausgedruckt: Die Media„agenturen“ sind in Wirk-lichkeit gar keine „Agenturen“ mehr; sie sind längst Me-dia-Handelsunternehmen.19

E. Das Verhältnis der Mediaagenturenzu den Media-Vermarktern

I. Mediaeinkaufsverträge als Werkverträge

Mit den werbungdurchführenden Medien bzw. deren Ver-marktern schließen die Mediaagenturen Werbeschaltver-träge bzw. moderne Mediaeinkaufsverträge ab. Grundlagedieser Verträge sind die meist über mehrere Jahre beinahegleichlautend aufrechterhaltenen AGB der Vermarkterbzw. des Mediums und die jährlich aktualisierten Preislis-ten. Auch hier handelt die Mediaagentur im eigenen Na-men und auf eigene Rechnung. Die modernen Mediaein-kaufsverträge sind Werkverträge i.S.d. §§ 631 ff. BGB, diedurch die Absatzförderung der Mediaagentur für das Me-dienunternehmen sowie durch die Absatzförderungsver-gütung des Werbungdurchführenden ein atypisches Geprä-ge erhalten.20 Die vertraglichen Hauptleistungspflichtenbestehen in der Veröffentlichung des Werbemittels durchden Vermarkter bzw. das Medium in der vereinbartenForm, zum vereinbarten Zeitpunkt, im vereinbarten werb-lichen Umfeld und Verbreitungsgebiet sowie in der verein-barten Qualität gegen Entgeltzahlung der Mediaagentur.Entscheidend ist, dass das Werbemittel einem bestimmtenAdressatenkreis zugänglich gemacht wird (so genannterPublikationseffekt). Dabei ist wichtig, dass eine bestimmteAnzahl an Rezipienten der Zielgruppe potentiell erreichtwerden kann. Es wird daher eindeutig ein „Ergebnis“ undein „Erfolg“ geschuldet. Dies gilt sowohl für die Schaltungvon Werbung in den klassischen Medien als auch für dieSchaltung von Bannerwerbung im Internet. Werbeban-

nerverträge unterliegen nicht den mietvertragsrechtlichenRegelungen der §§ 535 ff. BGB.

Ebenso wie die Mediaagenturverträge enthalten die mo-dernen Mediaeinkaufsverträge atypische Komponentendurch die medienspezifischen Vergütungsstrukturen, alsoPreislistentreue, AE-Provision und AT-Vergünstigungen.Diese medienspezifischen Vergütungsstrukturen ergebensich aus der Bereitschaft der Vermarkter bzw. Medien, eineEntgeltzahlung an die von den Werbungtreibenden einge-setzten Mediaagenturen zu leisten, da diese den Werbung-durchführenden den Markt erst in seiner vollen Bandbreiteerschließen bzw. erschlossen halten. Diese besondere Rolleder Mediaagentur entspringt jedoch nur ihrer werkvertrag-lichen Nebenleistungspflicht. Sie begründet kein zweites,eigenständiges Vertragsverhältnis, da die Interessenwah-rungspflichten der Mediaagenturen für die Medien bereitsuntrennbar mit den Werbeschaltverträgen verbunden sind.Die Vergütung wurde früher über die sich auch aus derPreislistentreue ergebende AE‑Provision geleistet. Sowohldie Nebenleistungspflicht der Preislistentreue als auch dieder AE-Provision hat sich seit der Umstrukturierung derAgenturlandschaft in den siebziger Jahren immer mehraufgelöst. Sie wurden ihrer früheren Funktionen beraubtund auf rein formale Orientierungspunkte reduziert. In derBeziehung zwischen Mediaagenturen und werbungdurch-führenden Medien sind die außertariflichen AT-Vergüns-tigungen an die Stelle der früheren AE-Provision getreten.

Werbeschaltverträge sind rechtlich nicht als Dienstverträgei.S.d. §§ 611 ff. BGB zu qualifizieren. Der zu erzielende Er-folgseintritt (Publikationseffekt) gibt dem Vertrag sein Ge-präge; sein Eintritt ist nicht ungewiss und liegt vollkom-men in der Hand des Mediums bzw. des Vermarkters. Wiegenau die werbungdurchführenden Medien diesen Erfolgerreichen, ist von nachrangiger Bedeutung. Allein die Be-mühung, das Werbemittel zu veröffentlichen, genügt nichtzur Vertragserfüllung. Werbeschaltverträge sind auch kei-

19 Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte, 2008, S. 49; Kleist,Der Werbeschaltvertrag im deutschen Rundfunk – Rechtstatsachenim Spannungsfeld zwischen Vermarktern, Mediaagenturen und wer-bungtreibender Wirtschaft, Diss. Saarbrücken 2012, S. 154; GrafLambsdorff/Skora, Handbuch des Werbeagenturrechts, 1975, S. 212.

20 BGH, Beschl. v. 09.04.1970 - KRB 2/69; OLG Hamm, Urt. v.20.11.1987 - 26 U 243/86; LG Tübingen, Urt. v. 22.02.1993 - 1 S 310/92; OLG München, Urt. v. 19.12.1984 - 7 U 4089/84; Peters/Jacobyin: Staudinger, BGB-Komm., 15. Bearb. 2013, Vorbem. §§ 631 ff.Rn. 33; Busche in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 631 Rn. 236;Kolonko in: Hamburger Kommentar (Fn. 10), Abschnitt 56, Rn. 10 ff.;Rath‑Glawatz/Dietrich, Archiv für Presserecht 2000, S. 505 ff. (506);Löffler, Betriebsberater 1978, S. 921 ff. (921); im Einzelfall ist freilichnicht ausgeschlossen, dass auch ein Vertrag mit tätigkeitsbezogenenPflichten ausgehandelt wird, der dann als Dienstvertrag zu qualifizie-ren wäre.

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ne Geschäftsbesorgungsverträge mit werkvertraglichemCharakter. Insofern mangelt es an dem für den Geschäfts-besorgungsvertrag charakteristischen und unverzichtbarenElement der Subordination. Die werbungdurchführendenMedien oder die Vermarkter haben kein Weisungsrecht ge-genüber der Agentur, kein Recht darauf, Rechenschaft zufordern, und kein Recht auf ständige Benachrichtigung.Allein die Tatsache, dass die Agentur auch wirtschaftlicheInteressen des Vermarkters bzw. des Mediums bedient,macht die modernen Mediaeinkaufsverträge noch nicht zuGeschäftsbesorgungsverträgen. Ebenso wenig sind esKaufverträge nach §§ 433 ff. BGB oder Pachtverträge nach§§ 581 ff. BGB. Mag eine pachtvertragliche Einordnung zuBeginn des zwanzigsten Jahrhunderts noch teilweise ein-schlägig gewesen sein, so ist sie in Bezug auf die moder-nen Mediaeinkaufsverträge nicht mehr haltbar, da die Ver-öffentlichung des Werbemittels zur Hauptleistungspflichtwurde.

II. Und wieder: Trading, Targeting und Bidding

Auch die neuesten Entwicklungen im Werbegeschäft –

Trading, Targeting und (Real‑Time-)Bidding – führen nichtzu einer Änderung der Vertragsnatur der modernen Media-einkaufsverträge. Beim Trading kommt es im Verhältniszwischen Mediaagentur und Vermarkter bzw. Mediumnicht zum Abschluss von Kaufverträgen. Hier findet keineinmaliger synallagmatischer Leistungsaustausch statt,wie er für den Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB konstituierendist; der Vermarkter übernimmt auch beim Trading weiter-hin die Abwicklung des Schaltvorgangs und schuldet dieVeröffentlichung des Werbemittels, den Publikationseffekt.Die Hauptleistungspflichten unterscheiden sich bei Tra-ding-Transaktionen nicht von denen im klassischen Ge-schäft. Es führt auch nicht zu Auswirkungen auf die Ver-tragsnatur, wenn es im Rahmen des Trading zur Verein-barung einer Put-Option kommt, wonach der Vermarkterbzw. das Medium das Recht hat, Werbeinventar zu einembestimmten Zeitpunkt, zu einem bestimmten Preis an denVertragspartner zu veräußern, jedoch nicht die Pflicht, diesauch tatsächlich zu tun. Die Put-Option kann in einemeigenen Optionsvertrag i.S.e. Vorvertrags zum späterenHauptvertrag (Werbeschaltvertrag) oder als Teil des Haupt-vertrags, so genannter „Hauptvertrag mit Optionsvor-behalt“, vereinbart werden.

Ebenso führt Targeting nicht zu einer Änderung derRechtsnatur i.S.e. mietvertraglichen Einordnung. Der Erfolgdes Publikationseffekts steht weiterhin im Mittelpunkt desVertrags, selbst wenn es um Werbebannerverträge geht.Das Targeting kann nicht als unterstützendes Argumentfür eine dienst- oder mietvertragsrechtliche Einordnungdieser Verträge herangezogen werden. Beim (Real-Time-)

Bidding zeigt ein Vergleich mit der eBay-Auktion, dass dieskeine Änderung der Rechtsnatur des Geschäfts nach sichzieht. Bei der Versteigerung über eine Onlineplattformhandelt es sich lediglich um eine Änderung der Modalitä-ten des Vertragsschlusses; die Hauptleistungspflichten derParteien bleiben dieselben.

Auch das Verhältnis der Mediaagenturen zu den Media-Vermarktern zeigt: Das moderne Mediaagenturgeschäft istvon einer Händlerprofessionalität beherrscht. Die Media-agenturen haben sich zu selbständigen Mediahandels-unternehmen entwickelt, die eine rechtlich und wirtschaft-lich selbständige Stellung einnehmen. Das Selbstverständ-nis der Agenturen ist von einer Eigenhändlerstellungbestimmt. Erneut ist der Befund zu vermerken: Die Media„agenturen“ sind in Wirklichkeit gar keine „Agenturen“mehr; sie sind längst Media-Handelsunternehmen.

F. Freispots: Kein Treugut, sondern freie Handels-ware

I. Teleologische Reduktionen des Geschäfts-besorgungsrechts

Die vorstehenden Überlegungen zeigen: Für die ergän-zende Vertragsauslegung der Mediaagenturverträge nach§§ 133, 157, 242 BGB zum Zweck der Ausfüllung der„planwidrigen Regelungslücke“ erweist sich deren Qualifi-zierung und Rechtsnatur als Lösungsschlüssel zur Beant-wortung der heute in der Mediabranche umstrittenen Fra-gen. Der Mediaagenturvertrag ist rechtsdogmatisch alsatypischer Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. §§ 675 ff.BGB (teils dienst-, teils werkvertraglichen Charakters nach§§ 611 ff. und 631 ff. BGB) mit dem zentralen Element derweisungsgebundenen Wahrnehmung der Vermögensinte-ressen des Werbungtreibenden zu qualifizieren. Sein atypi-sches Gepräge erhält der Vertrag durch die medienspezi-fischen Besonderheiten des Handelns im eigenen Namenund auf eigene Rechnung sowie die atypischen Ver-gütungsstrukturen mit einer Vergütung auch durch dieMarktgegenseite. Zu den Vergütungen durch die Markt-gegenseite, die die werbungtreibenden Unternehmen denMediaagenturen als zusätzliche Verdienstmöglichkeit ent-sprechend der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellungder modernen Media-Handelsagenturen einräumen, gehö-ren die Freispots. Die werbungtreibenden Unternehmensind sich bewusst, dass die Mediaagenturen von den Ver-gütungen, die sie von ihnen erhalten, „nicht leben“, je-denfalls keinen Profit erwirtschaften können, und erlaubenden Mediaagenturen daher in gewissem Umfang eineeigenunternehmerische Tätigkeit, insbesondere was dieeigene Vermarktung von Freispots angeht. Die Freispots,die die TV-Vermarkter in jeweils individuell ausgehandel-ten Vertragsbestandteilen der Mediaeinkaufsverträge ge-

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währleisten und die nicht notwendig in den Preislistenoder AGB der Vermarkter auftauchen, werden für die Ab-satzmittlungstätigkeiten gewährt, die die Mediaagenturfür die Werbungdurchführenden wahrnimmt; sie sind andie Stelle der früheren 15 %igen AE-Provision getreten.Die AE-Provision wird zwar heute noch in den Abrechnun-gen erfasst, bildet aber keine reelle Vergütung für dieAgentur mehr, sondern bildet nur noch einen Durchlauf-posten. Die wahre Vergütung sind die Freispots. DieseFreispots stehen allein den Mediaagenturen zu.

Eine Weiterleitungspflicht der Mediaagenturen gegenüberdem Werbungtreibenden für die umstrittenen agenturbe-zogenen Freispots lässt sich auch aus den Regelungen desdispositiven Geschäftsbesorgungsrechts nicht herleiten; imGegenteil: Das Geschäftsbesorgungsrecht weist die Frei-spots der Mediaagentur zu. Denn bei einem atypischenGeschäftsbesorgungsvertrag, wie ihn der moderne Media-agenturvertrag darstellt, sind die geschäftsbesorgungs-rechtlichen Normen teleologisch zu reduzieren und die§§ 666, 667 BGB nicht anwendbar: Die Regelung des§ 667 Alt. 2 BGB, wonach i.V.m. § 675 BGB der typischeGeschäftsherr vom Geschäftsführer das aus der Geschäfts-besorgung Erlangte herausverlangen kann, dient demZweck, die Vermögensneutralität bei geschäftsbesor-gungsrechtlichen Geschäften zu gewährleisten. Die Vor-schrift kann daher auf einen Mediaagenturvertrag nichtangewandt werden, weil darin der Werbungtreibende, derGeschäftsherr, der Mediaagentur, dem atypischen Ge-schäftsführer, durch die Gestattung des Handelns auf eige-ne Rechnung das Recht einräumt, eine Handelsspanne zurealisieren, und die Geschäftsbesorgung somit bewusstnicht vermögensneutral ausgestaltet ist. Diese Chance derGewinnerzielung durch eigenunternehmerische Tätigkeitversteht sich als Teil der Vergütung, die der Werbungtrei-bende medienagenturvertraglich gewährt. Unanwendbarist auch die mit § 667 BGB verbundene Regelung zur Of-fenlegungs- und Informationspflicht nach § 666 BGB.

II. Mediaagenturen als Media-Handelsunternehmen

Die Freispots stellen sich mithin als autonom verfügbareHandelsware und als eigenes Wirtschaftsgut der Media-agenturen. Sie sind nicht als ein fremdnützig zu verwalten-des oder fremdnützig anvertrautes Treugut anzusehen. Sierepräsentieren den eigenunternehmerischen und selbst-bestimmten Handlungsspielraum, den die Mediaagenturgestaltend in Wahrnehmung ihrer kommerziellen Eigen-interessen als unabhängiges Wirtschaftsunternehmen aus-nutzen kann. Nicht nur das Freispotinventar, sondern auchund erst recht das Media-Tradinginventar, das im Zusam-menhang mit der TV-Werbung für einen Werbungtreiben-den zur Erfüllung der vertraglichen Vorgaben zum Einsatz

gebracht wird, ist jedem Zugriff und jeder Weisung desWerbungtreibenden entzogen. Wenn und soweit die Me-diaagentur bei den Medienunternehmen unabhängig voneinem werbungtreibenden Kunden auf eigenes Risiko Wer-beinventar vom Vermarkter einkauft, bleibt damit die Frei-heit verbunden, dieses Werbeinventar etwa zur Erwirt-schaftung von Mindestwerbevolumen einzusetzen oder esmit Aufschlag an die Kunden weiterzureichen. Die moder-nen Mediaagenturen haben gerade insoweit die wirt-schaftliche und rechtliche Stellung von (Eigen-)Händlern.Das Trading macht besonders deutlich, dass die Media-agenturen auf einer eigenen Wirtschaftsstufe stehen undrechtlich nicht als „vermittelnde Agenturen“, sondern alsMedia-Handelsunternehmen anzusehen sind. Sie sind nichtdaran gehindert, auf der einen Marktseite eigenständig,eigennützig und unabhängig Werbeinventar einzukaufen,um dieses dann auf der anderen Marktseite so zu vertrei-ben, dass ein möglichst hoher Gewinn erwirtschaftet wer-den kann.

G. Der Kommentar des Bloggers„Sozialistendenken“

Zu dem einleitend zitierten Beitrag von Steffen Grimbergund zu der NDR-Fernsehsendung im ZAPP-Medienmagazinvom 24.09.2014 hat sich auf der einschlägigen NDR-Web-site ein Blogger namens „Peter S.“ mit dem Internet-Pseu-donym „Sozialistendenken“ zu Wort gemeldet.21 DerMann schreibt dort: „Was soll man dazu sagen. Die, dieUnsummen mit Werbung verdienen und dadurch großwurden, beschweren sich über eine Branche, die ihnen vielArbeit im Vorfeld abnimmt (wieviel Personal wäre dennnotwendig, wenn die Medien mit jedem Wirtschaftsbetriebeinzeln verhandeln wollten?). Da würde ein höherer Wer-bebeitrag durch Personalkosten und weiteres wieder auf-gefressen. Das fast insolvente und sozialistisch orientierteFrankreich als gutes Beispiel darzustellen(,) zeigt schon,woher der Wind bei den Kritikern weht. Ja, lasst uns dochnoch ein Gesetz beschließen, welches die freie Marktwirt-schaft, die unseren Staat groß gemacht hat aushebelt. Ichmöchte betonen, dass ich nicht der Mediabranche angehö-re, mich aber seit Jahren die Gutmenschen und ‚allesgleich Macher‘ ankotzen. Merkt Euch einfach: Der Marktregelt sich selbst! Wenn Mediaagenturen nicht mehr ge-braucht werden, verschwinden sie von selbst, dafür benö-tigt man kein Gesetz(,) und wenn ihre Dienstleistung gernein Anspruch genommen wird, benötigt man eben mehr.Peter S.“ Hat der Mann nicht Recht?

21 Vgl. www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Einflussreich-Die-Macht-der-Mediaagenturen,mediaagenturen104.html – mit dem Kommentarvon „Peter S“ unter der Überschrift „Sozialistendenken schrieb am26.09.2014 17:09 Uhr“ – zuletzt abgerufen am 23.11.2014.

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Die Erheblichkeit der PflichtverletzungBGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13

Prof. Dr. Michael Jaensch

A. Problemstellung

Behebt der Verkäufer einen Mangel nicht innerhalb derihm gesetzten angemessenen Frist, hat der Käufer dieWahl. Er kann entweder die Kaufsache zurückgeben undden ihm entstandenen Schaden ersetzt verlangen (sog.großer Schadensersatz). Stattdessen kann er die Sache be-halten und den mangelbedingten Minderwert liquidieren(sog. kleiner Schadensersatz) oder den Kaufpreis mindern.Da der große Schadensersatz wirtschaftlich auf eine Kom-bination von Rücktritt und Schadensersatz hinausläuft,sind dessen Voraussetzungen mit denen des Rücktrittsweitgehend identisch.1 Sowohl für den großen Schadens-ersatz als auch den Rücktritt vom Vertrag ist erforderlich,dass die Pflichtverletzung nicht unerheblich, d.h. der Man-gel nicht geringfügig ist,2 §§ 281 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 5Satz 2 BGB. Auch das alte Recht kannte eine Unerheblich-keitsschwelle. Aufgrund § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. warbei einer unerheblichen Minderung des Wertes oder derTauglichkeit der Sache die Gewährleistung jedoch insge-samt ausgeschlossen. Das neue Recht kommt insoferndem Käufer entgegen, als er bei geringfügigen Mängelnseine Gewährleistungsrechte behält und ihm nur der großeSchadensersatz und Rücktritt verwehrt sind.

Nach altem Recht wurde eine Wertminderung von 3 % bis4 % als unerheblich angesehen.3 Der BGH hatte für dasneue Recht bisher offen gelassen, wann ein Mangel nichtmehr eine unerhebliche Pflichtverletzung darstellt.4 Nun-mehr gibt er für das Rücktrittsrecht (§ 323 Abs. 5 Satz 2BGB) erstmalig einen Regelwert vor.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Der Kläger erwarb von der Beklagten ein Fahrzeug mitEinparkhilfe. Nach Übergabe stellte sich heraus, dass dieakustische Warnfunktion unzuverlässig funktionierte. Eineangemessene Frist zur Mangelbeseitigung, deren Kosten6,5 % des Kaufpreises entsprochen hätten, verstrich er-folglos. Daraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt. DasBerufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abge-wiesen, ein Mangelbeseitigungsaufwand von unter 10 %des Kaufpreises stelle eine unerhebliche Pflichtverletzungnach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB dar. Der BGH hat der Revi-sion stattgegeben und die Sache zurückverwiesen.

II. Der Gerichtshof stellt fest, dass bei behebbaren Män-geln nach umfassender Interessenabwägung im Einzelfalldie Pflichtverletzung in der Regel nicht mehr unerheblich

i.S.v. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, wenn zum Zeitpunkt derRücktrittserklärung der Aufwand zur Mangelbeseitigung5 % des Kaufpreises übersteigt. Abzustellen sei auf dieMangelbeseitigungskosten und nicht auf das Ausmaß derFunktionsbeeinträchtigung.5 Zur Begründung greift derGerichtshof auf die ins neue Recht übertragene Vorgänger-regelung § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.6 zurück. Da derRücktritt den Verkäufer in der Regel stärker belaste als an-dere Rechtsbehelfe, schließe die Vorschrift bei geringfügi-gen Mängeln den Rücktritt aus, um den Verkäufer vor un-verhältnismäßigen Folgen seiner Schlechtleistung zu be-wahren. Mit einer Erheblichkeitsschwelle von 5 % sei derVerkäufer hinreichend geschützt, zumal er aufgrund desVorrangs der Nacherfüllung die Möglichkeit habe, denRücktritt abzuwenden.

Ausführlich wendet sich der BGH gegen die Stimmen, dieeine deutlich höhere Schwelle von etwa 10 % fordern.7 BeiMangelbeseitigungskosten von 10 % oder höher könnenicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Leis-tungsinteresse des Käufers im Grunde nicht gestört sei, sodass er am Vertrag festhalten müsse. Die Rechtsprechungzum Kraftstoffmehrverbrauch8 sowie zur Wohnflächenab-weichung9, die jeweils von einer 10 %-Grenze ausgeht,lasse sich nicht auf § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB übertragen.Während letztere eine spezielle Fallgestaltung des Miet-rechts darstellt, führt ein um weniger als 10 % erhöhterKraftstoffverbrauch zu einer geringen Minderung des Fahr-zeugwertes und damit zu einer unerheblichen Pflichtverlet-zung.

Die 5 %-Grenze stehe im Einklang mit Art. 3 Abs. 6 Ver-brauchsgüterkaufrichtlinie,10 der durch § 323 Abs. 5 Satz 2BGB umgesetzt wurde.11 Der Richtlinienwortlaut, der voneiner geringfügigen Vertragsverletzung spricht, deute aufeine niedrig anzusetzende Schwelle hin. Schließlich ließensich auch die Maßstäbe von Art. 49 Abs. 1 lit. a), 25 CISGnicht auf § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB übertragen, da die bei-

1 Jaensch, ZGS 2004, 1, 3 f.2 BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19.3 Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn. 1043.4 BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19.5 So aber BGH, Urt. v. 05.11.2008 - VIII ZR 166/07 Rn. 19 ff.; Ayad, BB

2014, 2003.6 RegBegr., BT-Drs. 14/6040, S. 222 f., 231.7 OLG Bamberg, Urt. v. 10.04.2006 - 4 U 295/05 Rn. 38; Reinking/

Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn. 1042; bis zu 50 % Ernst in:MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 323 Rn. 243e.

8 BGH, Beschl. v. 08.05.2007 - VIII ZR 19/05 Rn. 3.9 BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - VIII ZR 306/09 Rn. 14.10 RL 1999/44/EG v. 25.05.1999, AmtsBl. EG L 171 v. 07.07.1999,

12 ff. (kurz: die Richtlinie).11 RegBegr., BT-Drs. 14/6040, S. 223.

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den Regelwerke einer unterschiedlichen Systematik folgen.Gemäß den Regeln des BGB sei der Käufer grundsätzlichzum Rücktritt berechtigt, der ihm nur bei geringfügigenMängeln verwehrt ist. Nach der Konzeption des CISGstehe hingegen die Aufrechterhaltung des Vertrages imVordergrund. Dessen Rückabwicklung diene als letzteMöglichkeit, sofern die Vertragsverletzung derart erheblichist, dass das Erfüllungsinteresse des Käufers im Wesentli-chen entfallen ist. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis vonBGB und CISG sei somit entgegengesetzt. Rückschlüsseließen sich aus dem CISG für die Erheblichkeitsschwelledes BGB nicht ziehen.

C. Bewertung

I. Für die Frage, wann ein Mangel nicht mehr geringfügigund die Pflichtverletzung somit nicht mehr unerheblichi.S.v. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, lässt sich die Rechtspre-chung des BGH in vier Fallgruppen unterscheiden: Wert-minderung aufgrund unbehebbarer Mängel, Mangelbesei-tigungsaufwand bei behebbaren Mängeln, Abweichungvon einer Beschaffenheitsvereinbarung und arglistiges Ver-schweigen von Mängeln.

1. Hatte der Gerichtshof zunächst erwogen, in einem un-behebbaren Mangel stets eine erhebliche Pflichtverletzungzu sehen,12 hält er daran nicht mehr fest.13 Die Abwei-chung des Kraftstoffverbrauchs um weniger als 10 %14 istdemnach ebenso wenig eine erhebliche Pflichtverletzungwie der merkantile Minderwert eines Unfallwagens vonunter 1 % des Kaufpreises.15 Denn in beiden Fällen ist derWert der Kaufsache aufgrund des unbehebbaren Mangelsnur geringfügig gemindert. Höchstrichterlich ungeklärt istbisher, ab welcher Wertminderung ein unbehebbarer Man-gel zu einer erheblichen Pflichtverletzung führt.

2. Für behebbare Mängel legt der BGH zum ersten Maleinen Regelschwellenwert fest. Er ist erreicht, wenn derAufwand zur Mangelbeseitigung über 5 % des Kaufpreisesliegt. In den bisher zu entscheidenden Fällen lag der Auf-wand lediglich bei bis zu 1 %, was der Gerichtshof ohnenähere Prüfung als unerheblich abtat.16

3. Primär auf die Mangelbeseitigungskosten abzustellen,wird als Widerspruch zum subjektiven Mangelbegriff ge-wertet.17 Dieser Vorwurf wird durch die dritte Fallgruppeentkräftet. Besteht der Mangel in der Abweichung voneiner Beschaffenheitsvereinbarung (z.B. Wagenfarbe, fa-brikneues Fahrzeug), so liegt in der Regel eine erheblichePflichtverletzung vor.18 Das Gleiche muss gelten, sofernfür die Abwesenheit eines Mangels eine Garantie über-nommen wurde.19

4. Schließlich geht der BGH von einer erheblichen Pflicht-verletzung aus, sofern der Verkäufer den Mangel – selbst

einen geringfügigen – arglistig verschwiegen hat.20 Hier-gegen wenden sich zu Recht Stimmen der Literatur.21

§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB bezieht sich nur auf leistungs-bezogene Pflichten. Die arglistige Täuschung verletzt hin-gegen eine nicht leistungsbezogene Pflicht und ist überdie §§ 123 BGB, 438 Abs. 3 BGB und §§ 440 Satz 1, 323Abs. 2 Nr. 3 BGB22 hinreichend sanktioniert.

II. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB setzt die Vorgaben von Art. 3Abs. 6 der Richtlinie um. Soweit ersichtlich, hat der BGHzum ersten Mal die Norm richtlinienkonform ausgelegt.Den EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV zuersuchen, hat er nicht erwogen. Da über die Auslegungs-frage letztinstanzlich entschieden wurde, wäre er zur Vor-lage verpflichtet gewesen, sofern die Frage entscheidungs-erheblich ist. Denn weder hat der EuGH die Frage bereitsentschieden, noch ergibt sich die Erheblichkeitsschwelleeindeutig aus der Richtlinie,23 so dass nach der acte-claire-Doktrin24 von einer Vorlage hätte abgesehen werden dür-fen. Im vorliegenden Fall ist die Auslegungsfrage jedochnicht entscheidungserheblich, denn auch bei einer abwei-chenden Einschätzung des EuGH wäre es den Mitglied-staaten gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie gestattet, dasSchutzniveau für Verbraucher höher anzusetzen. Eine Vor-lage wäre aber in den Fällen erforderlich gewesen, in de-nen dem Verbraucher das Rücktrittsrecht verwehrt wur-de.25 Die Klärung durch den EuGH wird noch einige Zeitauf sich warten lassen.

12 BGH, Urt. v. 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 Rn. 23; ebenso Schmidt in:BeckOK, BGB, Stand: 01.08.2014, Ed.: 32, § 323 Rn. 39; differenzie-rend Faust, JuS 2009, 373, 374.

13 BGH, Urt. v. 12.03.2008 - VIII ZR 253/05 Rn. 22.14 BGH, Beschl. v. 08.05.2007 - VIII ZR 19/05 Rn. 3 f.15 BGH, Urt. v. 12.03.2008 - VIII ZR 253/05 Rn. 22.16 BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19; BGH, Urt. v.

14.09.2005 - VIII ZR 363/04 Rn. 43.17 Höpfner, NJW 2011, 3693, 3695.18 BGH, Urt. v. 06.02.2013 - VIII ZR 374/11 Rn. 16; BGH, Urt. v.

17.02.2010 - VIII ZR 70/07 Rn. 23.19 RegBegr., BT-Drs. 14/6040, S. 223.20 BGH, Urt. v. 24.03.2006 - V ZR 173/05 Rn. 7 ff. - BGHZ 167, 19.21 Lorenz, NJW 2006, 1925 ff.; Looschelders, JR 2007, 309 ff.; Otto/

Schwarz in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 323 Rn. C 26; a.A.Rösler, AcP 207 (2007), 564, 593 ff.; Grüneberg in: Palandt, BGB,73. Aufl. 2014, § 323 Rn. 32; Schmidt in: BeckOK, BGB, Stand:01.08.2014, Ed. 32, § 323 Rn. 39.

22 Entbehrlichkeit der Fristsetzung wegen Unzumutbarkeit bei arglisti-gem Verschweigen des Mangels entweder aufgrund § 440 Satz 1BGB (Kulke, ZGS 2007, 89, 91 f.) oder § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (BGH,Beschl. v. 08.12.2006 - V ZR 249/05 Rn. 12 ff.).

23 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13 Rn. 43 f.24 EuGH, Urt. v. 06.10.1982 - 283/81 Rn. 16 ff. „CILFIT“.25 BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19; BGH, Urt. v.

12.03.2008 - VIII ZR 253/05 Rn. 22; BGH, Beschl. v. 08.05.2007 - VIIIZR 19/05 Rn. 3 f.; BGH, Urt. v. 14.09.2005 - VIII ZR 363/04 Rn. 43.

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III. Zustimmung verdient die Entscheidung hinsichtlich deszu Art. 49 Abs. 1 lit. a), 25 CISG angestellten Vergleichs.Zwar wurde das Leistungsstörungsrecht durch die Schuld-rechtsreform dem CISG angeglichen, identisch sind die bei-den Regelwerke aber nicht. Im internationalen Handels-kauf kann der Käufer erst dann Rückabwicklung verlan-gen, wenn sein Erfüllungsinteresse im Wesentlichengestört ist, wofür er die Beweislast trägt.26 Nach den allge-meinen Regeln des BGB kann er sie nur dann nicht verlan-gen, wenn die Störung unerheblich ist, was der Verkäuferzu beweisen hat.27

D. Auswirkung für die Praxis

Aufgrund des Gleichlaufs von Rücktritt und Schadens-ersatz28 gelten die für § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB entwickel-ten Fallgruppen und Grenzwerte auch für den großenSchadensersatz, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB. Sollte der EuGHden Begriff der „geringen Vertragsverletzung“ in Art. 3Abs. 6 der Richtlinie zugunsten des Verbrauchers strengerauslegen, wären diese Maßstäbe auf alle Fälle der Leis-tungsstörung in §§ 281 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 5 Satz 2BGB zu übertragen. Denn der Gesetzgeber hat die Richt-linie überschießend umgesetzt, und Gründe für eine ge-spaltene Auslegung sind nicht ersichtlich.

Voraussetzungen für die Einräumungeines Umgangsrechts des leiblichen,nicht rechtlichen VatersOLG Bremen, Beschl. v. 10.10.2014 - 5 UF 89/14

RiAG Dr. Petra Pheiler-Cox

A. Problemstellung

Die Rechte der leiblichen, nicht rechtlichen Väter sinddurch das Gesetz zur Stärkung der Rechte der leiblichenVäter vom 13.07.2013 umfassend neu geregelt worden.1

Kernvorschrift der Neuregelung bildet § 1686a Abs. 1 BGB.Danach hat der leibliche Vater – während die rechtlicheVaterschaft eines anderen Mannes besteht – unter be-stimmten Umständen ein Recht auf Umgang mit demKind.

Steht nicht fest, ob der Mann, der den Umgang begehrt,auch der biologische Vater ist, sieht die gesetzliche Neu-

regelung mit § 167a Abs. 2 FamFG in verfahrensrechtlicherHinsicht auch die Möglichkeit der inzidenten Klärung derVaterschaft im Umgangsverfahren vor.

Das OLG Bremen hatte nun als erstes Obergericht darüberzu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen dem leib-lichen Vater nach der gesetzlichen Neuregelung ein Rechtauf Umgang zusteht.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller begehrt als potentieller leiblicher VaterUmgang mit der heute 7-jährigen X. In der Empfängniszeithatte er mit der Kindesmutter, der Antragsgegnerin, einekurze Affäre. Als der Antragsteller von der Schwanger-schaft und seiner möglichen Vaterschaft erfuhr, brach erden Kontakt zu der Antragsgegnerin ab.

Die Antragsgegnerin war zum Zeitpunkt der Geburt verhei-ratet. Die Vaterschaft des Ehemannes hat die Antragsgeg-nerin erfolgreich angefochten mit dem Argument, sie habein der Empfängniszeit ausschließlich Kontakt mit dem An-tragsgegner gehabt. Der Antragsgegner hat die Vater-schaft für X anerkannt. Es gibt auch eine gemeinsame Sor-geerklärung. Eine Abstammungsuntersuchung fand nichtstatt.

Seit der Trennung der Antragsgegnerin und des Antrags-gegners lebt X bei dem Antragsgegner, ihrem rechtlichenVater. Aufgrund räumlicher Entfernung findet der bis zumUmzug praktizierte tägliche Kontakt zu der Antragsgegne-rin und Mutter nicht mehr statt.

Der Antragsteller hat mittlerweile drei weitere Kinder. Dieshabe in ihm den Wunsch erweckt, auch zu X eine Bezie-hung aufzubauen.

Das AG hat den Antrag des Antragstellers auf Einräumungdes Umgangsrechts zurückgewiesen.

Das OLG Bremen hat die von dem Antragsteller begehrteVerfahrenskostenhilfe für die Durchführung der Beschwer-de mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert.

I. Zulässigkeit des Antrages

Gescheitert ist der Antragsteller bereits an der Zulässigkeitdes Antrages auf Umgang. Denn es fehlte seine Versiche-rung an Eides statt – geregelt in § 167a Abs. 1 FamFG2 –,dass er der Mutter in der Empfängniszeit beigewohnt hat,nach Auffassung des OLG zwingende Zulässigkeitsvoraus-

26 Müller-Chen in: Schlechtriem/Schwenzer, CISG, 6. Aufl. 2013, Art. 49Rn. 13.

27 Ernst in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 323 Rn. 243h.28 S. oben unter A.

1 Vgl. hierzu Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2464 ff.; Pheiler-Cox, jM2014, 141 ff.

2 Neu eingefügt im Zuge der gesetzlichen Neuregelung.

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setzung und nicht nur bloßer Bestandteil der Begründet-heit des Antrags nach § 1686a BGB.

II. Begründetheit des Antrages

Daneben hat das OLG auch die Begründetheit des Antra-ges verneint.

Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Antragesauf Einräumung des Umgangs müssen kumulativ vier Vo-raussetzungen erfüllt sein:1. die Vaterschaft eines anderen Mannes muss bestehen,2. der Antragsteller muss der biologische Vater sein,3. der Antragsteller muss „ernsthaftes Interesse“ an dem

Kind gezeigt haben und4. der Umgang muss dem Kindeswohl dienen.

Das OLG hat zunächst klargestellt, dass die Prüfungsrei-henfolge der Anspruchsvoraussetzungen im Ermessen desGerichts liegt. Dient die Einräumung des Umgangs nichtdem Kindeswohl und kann auch kein ernsthaftes Interessean dem Kind festgestellt werden, kann ungeklärt bleiben,ob der Antragsteller der biologische Vater des Kindes ist.So sah das Gericht den Fall hier. Es ließ den Anspruch be-reits am mangelnden ernsthaften Interesse und fehlenderKindeswohldienlichkeit scheitern. Die Klärung der biologi-schen Vaterschaft unterblieb, um die soziale Familie nichtunnötig zu belasten. Das OLG hat damit zugleich klar-gestellt, dass § 167a FamFG keine eigenständige An-spruchsgrundlage zur Klärung der biologischen Vaterschaftist.

Zwei Fragen hat das Gericht bei der Prüfung des behaup-teten Interesses am Kind zu beachten: Woran macht sichdas Interesse im konkreten Einzelfall fest und ist das Inte-resse manifest geworden?

Unter Bezugnahme auf die Kriterien, die die Gesetzes-begründung nennt3 (z.B. Begleitung zu Vorsorgeunter-suchungen und zur Entbindung, wiederholte Äußerung desWunsches auf Umgang, Bereitschaft zur Übernahme vonVerantwortung auch in finanzieller Hinsicht) macht dasOLG deutlich: Der mutmaßliche Vater muss sich zügig, inengem zeitlichen Zusammenhang mit der Kenntnis vonseiner möglichen Vaterschaft darum kümmern, sein Kindkennen lernen zu wollen.

Konsequent hat das OLG das ernsthafte Interesse des An-tragstellers unter Hinweis darauf, dass er etwa 7 Jahrelang „abgetaucht“ war, verneint. Es sei auch kein über-zeugender Grund dafür ersichtlich, warum er so viel Zeitverstreichen ließ.

Im Rahmen der Prüfung der Kindeswohldienlichkeit müs-sen die Vorteile für das Kindeswohl die Nachteile überwie-gen.4 Wann das der Fall ist, ist sehr individuell zu bestim-

men. Die familiäre Situation, Stabilität und Belastbarkeitdes Familienverbands, Beziehungskonstellation bzw. Kon-fliktniveau zwischen den betroffenen Erwachsenen, Alterund Resilienz des Kindes, Grad der Bindung des Kindes anseine rechtlich-sozialen Eltern und Dauer der Existenzeines biologischen Vaters spielen eine Rolle.5

Zu berücksichtigen ist auch, wie der Umgang im Interesseeiner gesunden Persönlichkeitsentwicklung und der Identi-tätsfindung des Kindes zu bewerten ist.6 Ebenso ist diemögliche Verunsicherung und seelische Belastung des Kin-des durch Umgangskontakte mit einem zweiten, aus-schließlich auf der biologischen Abstammung beruhendenVater zu beachten.7

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien konnte das OLGnicht erkennen, dass die Vorteile eines Umgangs mit demAntragsteller für das Kindeswohl die Nachteile überwie-gen. Bereits durch den Wegzug der Mutter und Antrags-gegnerin seien gravierende Änderungen in der Lebens-situation des Kindes eingetreten. Mit zusätzlicher Ver-unsicherung des Kindes sei zu rechnen, wenn durchUmgangskontakte mit dem leiblichen Vater auch noch dieStellung ihres Vaters, der Hauptbezugsperson ist, infragegestellt würde.

C. Kontext der Entscheidung

Die Neuregelung der Rechte des biologischen Vaters aufUmgang ist im Zusammenhang mit mehreren Entscheidun-gen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechteaus den Jahren 2010 bis 2012 zu sehen.8 Dieser sah denmutmaßlichen biologischen Vater, der bislang keine so-zial-familiäre Beziehung zu dem Kind hatte, durch die altegesetzliche Regelung in seinen Rechten aus Art. 8 EMRK(Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) ver-letzt. Denn nach der alten Gesetzeslage stand ihm auchdann kein Anspruch auf Umgang zu, wenn ihm der Um-stand, dass eine sozial-familiäre Beziehung nicht auf-gebaut wurde, nicht zuzurechnen war.

Der Gesetzgeber hat also reagiert und die Rechte der po-tentiellen leiblichen Väter geregelt.

Ein eigenes Recht auf Klärung der Abstammung für denpotentiellen leiblichen Vater hat der Gesetzgeber dabei –wie auch das OLG Bremen noch mal klarstellt – nicht ge-schaffen. Die gesetzliche Regelung des § 167a FamFG er-

3 BT-Drs. 17/12163, S. 13.4 Götz in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 1686a Rn. 4.5 BT-Drs. 17/12163, S. 13.6 BT-Drs. 17/12163, S. 13.7 Vgl. zur alten Rechtslage: Clausius, MDR 2013, 685.8 Vgl. hierzu ausführlich: Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2465.

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möglicht lediglich die inzidente Prüfung der Abstammungim Rahmen des Umgangsverfahrens.9

Eine Gleichstellung mit rechtlichen Vätern ist durch die Neu-regelung auch nicht vollzogen worden. Die gesetzliche Ver-mutung des § 1626 Abs. 3 BGB – dass der Umgang grund-sätzlich dem Kindeswohl dient – gilt hier nämlich nicht.

Damit hat der Gesetzgeber gleichzeitig die Grundentschei-dung getroffen, dass der bereits existierenden sozialen Be-ziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind im Zweifelder Vorzug einzuräumen ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Gesetz zur Stärkung der Rechte der leiblichen Väter hatdurch die Entscheidung des OLG Bremen eine erste oberge-richtliche Konkretisierung erfahren, die sich auf die weitereAuslegung durch die Instanzgerichte auswirken wird.10

Die Entscheidung bewegt sich auf der Linie des Gesetz-gebers und der bislang in der Literatur vertretenen Auffas-sungen, dass der existierenden sozialen Familie ein hoherStellenwert zukommt.11

Die Hürden, die der potentielle leibliche Vater überwindenmuss, um Umgang mit seinem Kind zu haben, sind danach– wie erwartet – sehr hoch.

Die Entscheidung räumt den Richtern einen weiten Gestal-tungsspielraum ein, in dem die Prüfungsreihenfolge derAnspruchsvoraussetzungen dem Ermessen des Richtersvorbehalten bleibt.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das OLG Bremen demProblem einer möglichen Verunsicherung des Kindes durchdas Verfahren begegnet, indem es von einer persönlichenAnhörung des Kindes abgesehen hat. Auch eine Aufklärungdes Kindes über Zweifel an seiner Abstammung durch Ju-gendamt und Verfahrensbeistand ist unterlassen worden.

Das OLG Bremen hat hier einen möglichen Weg auf-gezeigt. Daraus wird aber für die Praxis nicht der Rück-schluss gezogen werden können, dass hierauf regelmäßigverzichtet werden kann. Denn ob diese Vorgehensweiseden Anforderungen standhält, die das BVerfG aufstellt,wenn es um die Anhörungspflichten von Kindern geht, er-scheint zweifelhaft.12

Anwälte sollten sich im Rahmen ihrer Tätigkeit und in derBeratung bewusst sein, dass ein erhöhter Begründungsauf-wand erforderlich sein wird, um die hohen Hürden, die derMandant bis zum Umgang mit seinem Kind überspringenmuss, zu nehmen. Ob und in welcher Form der Mandantein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, wird ermit dem Mandanten gemeinsam sorgfältig herausarbeitenund darstellen müssen.13

Ebenfalls ist es erforderlich, sehr zügig die entsprechendenAnträge zu stellen bzw. nach außen sichtbar zu dokumen-tieren, dass der Vater Umgang mit seinem Kind wünscht.Denn die Entscheidung des OLG Bremen zeigt, dass Ver-säumnisse später nicht mehr nachzuholen sind.

Obwohl die Situation für Kind, rechtliche Eltern und poten-tiellen Vater in dem Fall des OLG Bremen nun geklärt zusein scheint, bleibt doch etwas Unbehagen zurück.

Das Verfahren hat viele Fragen aufgeworfen, die unbeant-wortet geblieben sind. Nachdem in dem Anfechtungsver-fahren, das die Mutter nach der Geburt durchgeführt hat,schon keine positive Feststellung der Abstammung statt-gefunden hat, ist die Frage, wer leiblicher Vater ist, auchweiterhin ungeklärt. Auch diese Unsicherheit kann zu Be-lastungen der Beziehung zwischen rechtlichem Vater undKind führen.

Einen Königsweg wird es hier nicht geben. Individuell wirdin jedem Einzelfall abzuwägen sein, welcher Weg für alleBeteiligten die geringsten Belastungen mit sich bringt.Dass das OLG den Instanzgerichten mit seiner Entschei-dung einen weiten Gestaltungsspielraum eröffnet hat, istsehr zu begrüßen.

Sozialrecht

Die Gleichstellung behinderter Menschenmit schwerbehinderten Menschennach § 2 Abs. 3 SGB IXBSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R;B 11 AL 5/14 R

RiSG Matthias Bernzen, z.Zt. Wiss. Mit. beim BSG

A. Problemstellung

Das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) über die Teil-habe und Rehabilitation behinderter Menschen ist mitdem Anspruch implementiert worden, „so weitgehend wieimmer möglich die eigenen Fähigkeiten zur Selbstbestim-mung – und damit auch zur Selbsthilfe – zu stärken, zuunterstützen und eine möglichst selbstständige Lebensfüh-

9 Die Forderung des DAV, dem biologischen Vater ein eigenes Anfech-tungsrecht zu geben, hat der Gesetzgeber nicht umgesetzt.

10 Vgl. zur Rolle der Präjudizien: Deckert, Folgenorientierung in der Rechts-anwendung, 1995, S. 53; Schlüter, Das Obiter dictum, 1973, S. 24 f.

11 Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2465 ff.; Büte, FuR 2013, 676 ff.; Lang,FPR 2013, 233 f.

12 BVerfG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 BvR 3189/09.13 Vgl. auch den Musterantrag auf Regelung des Umgangs von Clau-

sius, MDR 2013, 685, 688.

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rung zu ermöglichen.“1 Also muss neben der sozialen vorallem die berufliche Rehabilitation in den Fokus der Auf-merksamkeit treten, weil sie echte, erwerbswirtschaftlichbegründete Autonomie sicherstellen kann. Folgerichtigwidmet sich diesem Anliegen bereits die zweite Norm desSGB IX. § 2 Abs. 3 SGB IX lautet: „SchwerbehindertenMenschen gleichgestellt werden sollen behinderte Men-schen mit einem Grad der Behinderung von weniger als50, aber wenigstens 30, (…), wenn sie infolge ihrer Behin-derung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeits-platz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behaltenkönnen (gleichgestellte behinderte Menschen).“

Damit eröffnet allein der qualifizierte Bezug zum Erwerbs-leben den genannten behinderten Menschen Zugang zubeinahe sämtlichen Schutzvorkehrungen, die der Teil 2SGB IX für schwerbehinderte Menschen und deren Rehabi-litationsbedarf vorsieht (Schwerbehindertenrecht). Nach§ 68 Abs. 3 SGB IX werden auf gleichgestellte behinderteMenschen die besonderen Regelungen für schwerbe-hinderte Menschen mit Ausnahme der §§ 125, 145-154SGB IX angewendet, also reduziert um den Anspruch aufzusätzlichen Erholungsurlaub (§ 125 SGB IX) und die un-entgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr(§§ 145 ff. SGB IX). Es verbleiben von großer Bedeutungder besondere Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff.SGB IX, besondere Einstellungs-/Beschäftigungsanreize fürArbeitgeber durch Anrechnung auf die Beschäftigungs-pflicht, §§ 71 ff. SGB IX, die Einbeziehung in die Schwerbe-hindertenvertretung, §§ 94 ff. SGB IX, Leistungen zur Teil-habe am Arbeitsleben über § 33 SGB IX hinaus, insbeson-dere Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung nach § 81 Abs. 3und 4 SGB IX, sowie die Betreuung durch spezielle Integra-tionsfachdienste nach den §§ 109 ff. SGB IX.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidungen

I. Gleichstellung, um einen geeigneten Arbeitsplatzbehalten zu können (§ 2 Abs. 3 Alt. 2 SGB IX) -B 11 AL 16/13 R

Der 1957 geborene Kläger steht seit Oktober 1987 ineinem Vollzeitarbeitsverhältnis. Bei ihm wurde ein Gradder Behinderung (GdB) von 30 festgestellt. Anfang No-vember 2010 beantragte der Kläger bei der beklagten Bun-desagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einemschwerbehinderten Menschen. Er könne seine derzeitigeTätigkeit mit behinderungsbedingten Einschränkungenzwar weiterhin ausüben, dürfe aber nicht mehr schwer he-ben. Sein Arbeitsplatz sei gefährdet, auch wenn das Ar-beitsverhältnis ungekündigt fortbestehe: Denn er habe kei-nen besonderen Kündigungsschutz. Auf Anfrage teilte derArbeitgeber der Beklagten mit, der Kläger sei als Umspulereingesetzt. Er länge Kabel nach Kundenwunsch ab und

spule sie auf Trommeln oder Ringe um. Die gesundheitli-chen Einschränkungen seien bekannt und wirkten sichdurch häufige Fehlzeiten aus. Eine innerbetriebliche Um-setzung sei nicht möglich. Das Arbeitsverhältnis sei zwarordentlich kündbar, eine Kündigung aber nicht ausgespro-chen worden. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gleich-stellung mit einem schwerbehinderten Menschen ab. EineGleichstellung könne nur erfolgen, wenn der Arbeitsplatzkonkret gefährdet sei. Dies sei nicht der Fall.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Verpflichtung derBeklagten, ihn durch feststellenden Verwaltungsakt einemschwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Das Sozial-gericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozial-gericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers die ange-fochtenen Bescheide sowie die Entscheidung des SG auf-gehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger einemschwerbehinderten Menschen gleichzustellen.

Das BSG hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.Zur Begründung stellt es heraus, dass als geeigneter Ar-beitsplatz im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX auch ein solcherin Betracht komme, der durch weitere Leistungen der Re-habilitationsträger oder des Arbeitgebers im konkretenEinzelfall erst noch „geeignet gemacht werden“ müsse,dies aber auch könne. Hierzu seien der konkret besetzteArbeitsplatz zu betrachten und insbesondere Ansprücheauf Rehabilitationsleistungen nach § 81 Abs. 3 und 4 SGBIX in den Blick zu nehmen (gleichsam vorgreiflich, weil die-se erst dem bereits Gleichgestellten zustehen). Ob der be-hinderte Mensch infolge seiner Behinderung den geeig-neten Arbeitsplatz nicht behalten könne, beantworte eineKausalitätsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Be-dingung: Die Behinderung müsse für diesen Umstand zu-mindest eine wesentliche Mitursache sein. Könne der Ar-beitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichenderWahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden, sei dieGleichstellung als im Sinne des Konditionalsatzes in § 2Abs. 3 SGB IX erforderlich anzusehen („(…) gleichgestelltwerden sollen (…), wenn sie (…).“). Ob dies der Fall seinwerde, sei weder anhand einer abstrakten Betrachtung derVorteile einer Gleichstellung zu bemessen, noch sei dasEintreten einer konkreten Gefährdung des Arbeitsplatzesim Sinne der Vorbereitung beschäftigungsbeendenderMaßnahmen seitens des Arbeitgebers abzuwarten.2 Ent-

1 Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/5074, S. 8, 98; BT-Drs. 14/5531, S. 5.2 Das Urteil unterstreicht dies mit einem Hinweis auf die jüngere

Rechtsprechung des BAG, Urt. v. 18.11.2008 - 9 AZR 643/07 - APNr. 16 zu § 81 SGB IX = EzA SGB IX § 81 Rn. 19, wonach den Arbeit-geber keine Pflichten nach dem SGB IX gegenüber Personen treffen,deren Gleichstellung ihm noch nicht bekannt ist, so dass der Kündi-gungsschutz in aller Regel leerliefe, wollte man den um Gleichstel-lung Ersuchenden erst auf das unmittelbare Drohen einer Kündigungund damit auch auf das ernstliche Risiko deren Eintritts verweisen.

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scheidend sei, ob sich der konkrete bisherige arbeitsrecht-liche (dienstrechtliche) Sicherungsstatus des behindertenMenschen durch die Gleichstellung verbessere. Hiervon seiim vorliegenden Fall durch die Verstärkung des Kündi-gungsschutzes auszugehen.

II. Gleichstellung, um einen geeigneten Arbeitsplatzerlangen zu können (§ 2 Abs. 3 Alt. 1 SGB IX) -B 11 AL 5/14 R

Die achtundzwanzigjährige Klägerin ist seit 2002 als Jus-tizfachangestellte im mittleren Landesministerialdienst un-befristet beschäftigt. Seit Juli 2010 ist bei ihr ein Grad derBehinderung (GdB) von 30 festgestellt. Zuvor hatte sichdie Klägerin bei ihrem Dienstherrn um eine Ausbildung zurDiplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst) beworben. Diesscheiterte – nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch –

schließlich daran, dass der amtsärztliche Dienst die für diedamit verbundene Aufnahme in das Beamtenverhältnisauf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung derKlägerin absprach. Das hiergegen nach erfolglosem Vor-und Klageverfahren geführte Berufungsverfahren vor demOberverwaltungsgericht ist noch anhängig. Den im Sep-tember 2010 gestellten Antrag der Klägerin, bei ihr dieGleichstellung mit schwerbehinderten Menschen festzuset-zen, lehnte die Beklagte ab.

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Gleichstellung mit einemschwerbehinderten Menschen gerichtete Klage abgewie-sen. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Klä-gerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SGaufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerineinem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.

Das BSG hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.Zur Begründung führt es aus, das Tatbestandsmerkmal des„Erlangens“ werde allein dadurch hinreichend ausgefüllt,dass der behinderte Mensch einen konkreten anderen Ar-beitsplatz anstrebe. Demgegenüber überdehnte es denZweck der Gleichstellung, wenn man bereits die abstrakteExistenz irgendeines denkbaren Arbeitsplatzes, der mit derGleichstellung erreicht werden könnte, für ausreichendhielte. Auf der anderen Seite könne einem behindertenMenschen, der sich um einen konkreten anderen Arbeits-platz bemühe, nicht entgegengehalten werden, dass er be-reits einen geeigneten Arbeitsplatz innehabe. Das mit derGleichstellung verfolgte Rehabilitationsziel schließe die be-rufliche Veränderung ein. Wegen der weiteren Vorausset-zungen könne auf die Entscheidung in dem Parallelverfah-ren B 11 AL 16/13 R verwiesen werden (siehe zu B.I., alsoKausalitätsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Be-dingung, Erforderlichkeit der Gleichstellung bei konkreterVerbesserung der Wettbewerbschancen). Es sei im ent-schiedenen Fall davon auszugehen, dass die vorzuneh-

mende Gleichstellung nach den Regelungen des einschlä-gigen Landesbeamtenrechts eine Aufnahme in die ge-wünschte Laufbahn ermögliche, weil dann verminderteGesundheitsanforderungen gölten.

C. Kontext der Entscheidungen

Das letzte Urteil des BSG zum Recht der Gleichstellungnach § 2 Abs. 3 SGB IX rührt vom 01.03.20113 und fiel indie Zuständigkeit des damals ebenfalls mit dem Recht derAufgaben der Bundesagentur für Arbeit nach § 104 Abs. 1Nr. 5 SGB IX (die Gleichstellung, deren Widerruf und Rück-nahme) befassten 7. Senats. Dort hatte das BSG erkannt,die Gleichstellung diene dazu, die ungünstige Konkurrenz-situation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Ar-beitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz siche-rer zu machen (Behaltensvariante) oder seine Vermitt-lungschancen zu erhöhen (Erlangensvariante).

Während die dort aufgezeichneten Maßgaben einer Ar-beitsplatzsicherung durch das vorliegend besprochene Ur-teil in der Sache B 11 AL 16/13 R im Wesentlichen über-nommen und an die gegenwärtige Rechtsprechung desBAG zum arbeitsrechtlichen Kündigungs(schutz)verfahrenangepasst worden sind, nimmt der nunmehr für das Rechtder Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nach § 104Abs. 1 Nr. 5 SGB IX (die Gleichstellung, deren Widerrufund Rücknahme) allein zuständige 11. Senat zur Ausfor-mung der Erlangensvariante einen Kurswechsel vor.

Denn der 7. Senat leitete aus dem Zweck des Ausgleichsvon Wettbewerbsnachteilen auf dem Arbeitsmarkt ab,dass es für die Vornahme einer auf Arbeitsplatzerlangunggerichteten Gleichstellung entscheidend auf die mangeln-de Konkurrenzfähigkeit des behinderten Menschen aufdem gesamten Arbeitsmarkt ankomme, nicht etwa nur aufNachteile bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz.4

Mitunter wurde auch davon ausgegangen, dass die Gleich-stellungsentscheidung nicht nur für die Erlangensvariante5,sondern in jedem Fall allgemein und damit nicht nur imHinblick auf einen bestimmten Arbeitsplatz erfolge.6

3 BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, S. 4 ff. = SozR4-3250 § 2 Nr. 4; SozR 4-3250 § 73 Nr. 1.

4 BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, S. 4 ff. = SozR4-3250 § 2 Nr. 4; SozR 4-3250 § 73 Nr. 1; Fortführung von BSG,Urt. v. 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, S. 10 ff. = SozR 3-3870§ 2 Nr. 1, ergangen zu § 2 SchwbG, wonach eine Gleichstellung zurErlangung eines Arbeitsplatzes kein konkretes Arbeitsplatzangebotvoraussetzte.

5 Dem 7. Senat folgend Oppermann in: Knickrehm, Gesamtes SozialesEntschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 2 Rn. 64.

6 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.11.2011 - L 3 AL 1949/11; Jous-sen in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 20; jeden-falls innerhalb des gesamten Betriebs wohl Luthe in: jurisPK-SGB IX,§ 2 Rn. 101 f., Stand 08.10.2014.

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Die Festschreibung, dass die Teilhabe behinderter Men-schen nicht vor der beruflichen Veränderung und damitauch nicht vor dem beruflichen Aufstieg halt macht, mutetselbstverständlich an, ist aber angesichts gelegentlich an-derslautender Stimmen7 als notwendige Klarstellung anzu-sehen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung B 11 AL 16/13 R (Behaltensvariante) be-stärkt die bisherige Lesart der Norm, so dass über die an-gepassten Anforderungen an die Gefährdung des Arbeits-platzes hinausgehende Effekte der Entscheidung nichtnennenswert sind. Die Auswirkungen der EntscheidungB 11 AL 5/14 R (Erlangensvariante) sollten dagegen nichtunterschätzt werden.

Sie wird wegen der Ausrichtung auf einen konkreten Ar-beitsplatz(wunsch) Petenten Zugang zur Gleichstellungverschaffen, die bislang auf dem gesamten Arbeitsmarktnicht als gleichstellungsbedürftig galten, und umgekehrt.

Die nächste zu klärende Frage wird sein, in welcher Ge-stalt sich der zu erlangende neue Arbeitsplatz zu präsen-tieren habe – als Arbeitsplatzangebot, als bereits mit einerBewerbung adressierter oder als lediglich begehrter Ar-beitsplatz.

Wegen ihrer öffentlich-dienstrechtlichen und beamten-rechtlichen Einkleidung musste die Entscheidung B 11 AL5/14 R diese Frage nicht aufwerfen. Gleichwohl rührt siean den Kern des vorgenommenen Kurswechsels. Der 7. Se-nat hatte das Erfordernis eines konkreten Arbeitsplatz-angebots abgelehnt, weil er den widersinnigen Fall vorAugen hatte und vermeiden wollte, dass einem behinder-ten Menschen ein Arbeitsplatz gerade wegen der Behin-derung (zunächst) gar nicht angeboten werden kann.8 DieEntscheidung B 11 AL 5/14 R wiederum führt für die nunfestgeschriebene konkrete Betrachtungsweise an, dass dieGleichstellung kaum noch versagt werden könne, wenn esausreiche, irgendwelche denkbaren Arbeitsplätze zu be-nennen, die mit der Gleichstellung erlangt werden könn-ten, so dass sie einen im Gesetz nicht angelegten Auto-matismus zu vermeiden sucht. Die Entscheidung sprichtauch nicht von einem Arbeitsplatzangebot, sondern nurvon einem konkreten anderen Arbeitsplatz, den der behin-derte Mensch erlangen wollen oder anstreben müsse.

Damit wird die angesprochene Problematik indes auf dieFrage verlagert, ob die Gleichstellung auch erforderlich ist,ob also mit der Gleichstellung ein anderer Arbeitsplatz mithinreichender Wahrscheinlichkeit besser oder eher erlangtwerden kann. Denn dies kann bei konkreter Betrachtungs-weise nur bejaht werden, wenn der Anbieter des zu erlan-genden konkreten Arbeitsplatzes nicht nur – wie in

B 11 AL 5/14 R – zur Besetzung öffentlich-rechtlich ver-pflichtet, sondern in sonstigen Fällen, und sei es erst nachGleichstellung, auch konkret dazu bereit ist. Andernfallswürde es wieder ausreichen, irgendeinen Arbeitsplatz zubenennen, der gerade einem unbestimmten Kreis von Inte-ressenten angeboten und mit der Gleichstellung wahr-scheinlich besser erreicht werden kann, um eine Gleich-stellung zu erwirken, so dass diese bei ausreichender Re-cherche der Petenten wiederum kaum verwehrt werdenkönnte. Hinzu tritt, dass auch die Frage der Geeignetheitdes konkreten Arbeitsplatzes einschließlich etwaig erfor-derlicher Maßnahmen nach § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX imNachgang sinnvollerweise nur im Dialog mit dem begehr-ten Arbeitgeber beantwortet werden kann.

Im Ergebnis könnte den behinderten Menschen somit durchdie konkrete Arbeitsplatzbetrachtung bei der Arbeitsplatz-suche ein Mehr an Vorfeldabfrage und vorausfragenderRückabsicherung beim angestrebten Arbeitgeber über eineEinstellung bei Gleichstellung abverlangt werden, dasnichtbehinderten Mitmenschen so nicht abverlangt wird.Dies stünde dem Charakter der Gleichstellung als einernachteilsausgleichenden Teilhabeleistung zunächst ent-gegen. Ob dies dadurch aufgewogen wird, dass der Kreisder potentiellen MitbewerberInnen mit Gleichstellungdurch die konkrete Betrachtung bezogen auf den jeweiligenArbeitsplatz zugleich verkleinert wird, muss einer nachfol-genden Arbeitsmarktbeobachtung anheimgestellt bleibenund sich daher erst noch zeigen. In jedem Fall ist zu wün-schen, dass diesbezügliche Klarheit durch zugelassene undeingelegte Revisionen alsbald hergestellt werden kann.

Der Verwaltung stellt sich dagegen schon jetzt die Frage,ob die Gleichstellungsbescheide nunmehr nicht insgesamtim Gleichstellungstenor den Bezug zu einer konkreten Ar-beitsstelle aufweisen sollten. Denn wenn es keine all-gemeine Gleichstellung zur Erlangung (irgend)eines ande-ren Arbeitsplatzes mehr gibt, könnte dies zur Vermeidungvon Rücknahmen und Widerrufen nützlich sein, die nun-mehr sonst nach § 116 Abs. 2 Satz 2 SGB IX bei jedwedemVerlust oder Wechsel eines zuvor mit der Gleichstellungerlangten Arbeitsplatzes vorzunehmen sind.9

7 Etwa Götz in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 3. Aufl. 2009,§ 2 Rn. 17; Neumann in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX,12. Aufl. 2010, § 2 Rn. 50 mit Verweis auf OVG Rheinland-Pfalz vom25.03.1970.

8 BSG, Urt. v. 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - Rn. 19 a.E. - BSGE 86,S. 10 ff. = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1.

9 Vgl. schon zu dem bisherigen Meinungsstand, wonach selbst die fürden allgemeinen Arbeitsmarkt ausgestellte Gleichstellungsentschei-dung mit dem Wegfall ihrer Voraussetzungen im Regelfall aufgeho-ben werden soll, Dau in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014,§ 116 Rn. 10 ff.

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Steuerrecht

Private Veräußerungsgeschäfte bei Immobilien –

steuerliche Fallstricke beachten!

RiBFH Dr. Nils Trossen

Mit den in den letzten fünf Jahren in weiten Teilen desBundesgebiets stark gestiegenen Immobilienpreisen rücktdas private Veräußerungsgeschäft bei Immobilien verstärktin den Vordergrund, das nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung un-terfällt. Private Grundstückseigentümer und ihre Beraterhaben daher bei Übertragung oder Veräußerung einer Im-mobilie stets zu prüfen, ob der Vorgang als privates Ver-äußerungsgeschäft der Besteuerung unterfällt. Die da-durch ausgelöste Steuer kann erheblich sein, insbesonderedann, wenn der Eigentümer durch Sanierungen oder Um-bau eine erhebliche Wertsteigerung des Objekts herbei-geführt hat. Zudem kann ein privates Veräußerungs-geschäft auch „versehentlich“ ausgelöst werden, z.B. imRahmen einer Erbauseinandersetzung oder Scheidungsver-einbarung. Anders als die (in vielen Bundesländern mittler-weile stark erhöhte) Grunderwerbsteuer,1 die den Käufertrifft, trägt die mit der Erfassung als privates Veräuße-rungsgeschäft verbundene Einkommensteuer der Verkäu-fer.

Da seit der Verlängerung der Frist für private Veräußerungs-geschäfte bei Immobilien von zwei auf zehn Jahre im Jahr1999 durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999(BGBl I 1999, 402) nunmehr mehr als 15 Jahre vergangensind, unterfallen auch die Veräußerungsgewinne in vollemUmfang der Besteuerung. Eine Aufteilung in einen steuer-baren und einen nicht steuerbaren Teil, der auf die Wert-steigerung in der Zeit vor Verlängerung der Frist entfällt,ist regelmäßig nicht mehr vorzunehmen.

A. Besteuerung von Wertsteigerungenbei Immobilien

Private Veräußerungsgeschäfte werden – anders als Wert-steigerungen im Betriebsvermögen – nur ausnahmsweisebesteuert. Denn nach der Systematik des Einkommensteu-ergesetzes sind private Veräußerungsgewinne grundsätz-lich steuerfrei.2 Von diesem Grundsatz gibt es aber (mitt-lerweile zahlreiche) Ausnahmen. So unterwirft das Ein-kommensteuergesetz z.B. die Veräußerung von im Privat-vermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaftennach § 17 EStG der Besteuerung. Die Veräußerung vonWertpapieren ist seit Inkrafttreten der Abgeltungssteuer

zum 01.01.2009 nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG steuer-bar. Und eben die Veräußerung von „Grundstücken undRechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts überGrundstücke unterliegen“ wird nach § 22 Nr. 2, § 23 Nr. 1EStG als „sonstige Einkünfte“ besteuert, wenn der Zeit-raum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehrals zehn Jahre beträgt. Auf den Grund der Anschaffungoder Veräußerung oder die Motivation des Steuerpflichti-gen (z.B. Spekulationsabsicht, Alter, drohende Enteignung,Arbeitsplatzwechsel) kommt es nicht an.3

I. Grundsatz: steuerfreie Wertsteigerung

Dem Grunde nach sind bei Grundstücken (dazu gehörenauch die darauf befindlichen Gebäude) im PrivatvermögenWertsteigerungen steuerfrei.

Beispiel: Privatperson P erwirbt im Jahr 1995 eine Eigen-tumswohnung in Hamburg für 200.000 €. Anschließendwird die Wohnung vermietet. Im Jahr 2010 wird die Woh-nung zum Preis von 350.000 € wieder veräußert. Die zwi-schenzeitlich erzielte Wertsteigerung unterliegt als Ver-mögensmehrung im privaten Bereich nicht der Besteue-rung.

Grund und Boden und Gebäude sind zwar steuerlich undbilanziell zwei verschiedene Wirtschaftsgüter. § 23 EStGberuht jedoch auf BGB-Recht und behandelt Gebäudegrundsätzlich als wesentliche Bestandteile des Grund undBodens (§ 94 BGB). Daher läuft für die isolierte Gebäude-herstellung keine besondere Frist nach § 23 EStG.4 Viel-mehr sind Gebäude und auch Außenanlagen mit ihrenHerstellungskosten in die Ermittlung des Gewinns einzube-ziehen, wenn sie innerhalb der Zehnjahresfrist errichtet,ausgebaut oder erweitert werden. Dies gilt entsprechendfür Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirt-schaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und imTeileigentum stehende Räume (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1

1 In Nordrhein-Westfalen tritt zum 01.01.2015 eine Erhöhung von ge-genwärtig 5 % auf 6,5 % ein. Auch das Saarland plant eine Erhö-hung von 5,5 % auf 6,5 %.

2 Vgl. zur Systematik Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 1.3 Vgl. BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171.4 Vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., Rn. 13.

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Nr. 1 Satz 2 EStG). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall derBestellung eines Erbbaurechts (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB).5

Beispiel: Bauherr B erwirbt 2002 ein unbebautes Grund-stück für 100.000 €. 2008 lässt er es durch ein Bauunter-nehmen schlüsselfertig mit zwei Doppelhaushälften be-bauen, für die er Herstellungskosten von jeweils 200.000 €aufwendet. 2009 verkauft er die Doppelhaushälften für je-weils 300.000 €. Weitere Grundstücksgeschäfte tätigt B,der auch ansonsten nicht auf dem Grundstücksmarkt tätigist, nicht. B muss den Unterschiedsbetrag zwischen An-schaffungs- und Herstellungskosten (insgesamt 300.000 €)und Veräußerungserlös (600.000 €), also 300.000 € ver-steuern.

II. Ausnahme: privates Veräußerungsgeschäft

Die Wertsteigerung unterliegt jedoch der Besteuerung,wenn ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt. Ein pri-vates Veräußerungsgeschäft liegt vor, wenn der Zeitraumzwischen Anschaffung und Veräußerung eines Grund-stücks nicht mehr als 10 Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1Nr. 1 EStG).6

Maßgeblich für die Berechnung der Frist sind die privatenVeräußerungsgeschäfte, also Anschaffung und Veräuße-rung,7 bzw. die Abgabe des Meistgebots bei der Versteige-rung, die Ausübung (nicht die Einräumung) eines Vor-kaufsrechts, die Ausübung einer Option oder ein beidseitigbindender Vorvertrag.8 Auch eine Übertragung nach§ 1383 BGB kann ein privates Veräußerungsgeschäft aus-lösen.9

Anschaffung ist jeder entgeltliche Vorgang, der auf Erwerbdes (wirtschaftlichen) Eigentums gerichtet ist. Eine Ver-äußerung liegt nur vor, wenn das Grundstück oder grund-stückgleiche Recht entgeltlich auf einen Dritten übertragenwird.10 Erfasst werden nur entgeltliche Vorgänge.11 Einformunwirksamer, aber tatsächlich vollzogener Vertragreicht grundsätzlich aus. Unentgeltliche Vorgänge fallennicht unter die Vorschrift, teilentgeltliche Vorgänge ent-sprechend anteilig.12 Die Übernahme von Verbindlichkei-ten führt zu einem Entgelt.

Beispiel: X hat am 01.02.2008 fremdfinanziert für100.000 € eine Eigentumswohnung erworben und fremd-vermietet. Am 01.02.2010 überträgt er die Wohnung aufseinen Sohn S im Wege der vorweggenommenen Erbfolgedurch Schenkung. Im Übertragungszeitpunkt valutiert daszum Erwerb aufgenommene Darlehen noch mit 80.000 €.S übernimmt das Darlehen und leistet ab der ÜbergabeZins- und Tilgungsleistungen. Der Wert der Wohnung be-trägt zwischenzeitlich 120.000 €. Da S die Wohnung ge-gen Übernahme der Verbindlichkeiten übernimmt, handeltes sich um einen teilentgeltlichen Vorgang. S erwirbt in

Höhe von 80.000 € (= 2/3 des Verkehrswerts) entgeltlichund in Höhe von 40.000 € (= 1/3 des Verkehrswerts) un-entgeltlich. Da ein zu 2/3 entgeltliches und zu 1/3 unent-geltliches Geschäft vorliegt, muss X 2/3 des erzielten Ver-äußerungsgewinns (zuzüglich eines Drittels der geltendgemachten Absetzungen für Abnutzungen und abzüglichder Übertragungskosten) als Gewinn aus einem privatenVeräußerungsgeschäft versteuern.

Eine Anschaffung oder Veräußerung liegt auch vor, wenndie Vertragspartner innerhalb der Frist Verhältnisse schaf-fen, die wirtschaftlich einem Kaufvertrag gleichstehen.Dies gilt insbesondere, wenn das wirtschaftliche Eigentumbereits vor Vertragsschluss übergeht oder die zivilrecht-liche Wirksamkeit von einem Umstand abhängt, auf denkeine der beteiligten Vertragsparteien einen Einfluss hat.13

So kann in einem rechtlich bindenden Veräußerungsange-bot innerhalb der Frist eine Veräußerung gesehen werden,wenn zu diesem Zeitpunkt bereits das wirtschaftlicheEigentum übergeht.14

Beispiel: X hat am 01.07.2002 eine Eigentumswohnungfür 100.000 € angeschafft und an Y vermietet. Am01.08.2010 tritt Y an X heran und möchte die Wohnungerwerben. Y ist bereit, einen Preis in Höhe von 200.000 €zu zahlen. Aufgrund des sehr günstigen Preises möchte Xveräußern, gleichzeitig aber das Vorliegen eines privatenVeräußerungsgeschäfts vermeiden. X gibt daher am01.09.2010 unbefristet ein notarielles Verkaufsangebotab, das Y ab dem 01.08.2012 das Recht einräumt, dieWohnung zu erwerben. Zugleich wird Y über eine Vormer-kung im Grundbuch abgesichert. Zudem vereinbaren Xund Y, dass Letzterer auch ab dem 01.09.2010 die mitdem Grundstück verbundenen Lasten und das Risiko einerwesentlichen Verschlechterung bzw. des Untergangs desGebäudes zu tragen hat. Da in diesem Fall das wirtschaft-liche Eigentum bereits am 01.09.2010 und nicht erst nachAnnahme des Angebots und Abschluss des notariellenGrundstückskaufvertrags übergegangen ist, liegt ein pri-vates Veräußerungsgeschäft vor.

5 Vgl. näher dazu Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 240 f.6 Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 1.7 Vgl. BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171.8 Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 17; Tiedtke/Wälzholz,

NotBZ 2000, 237, 241 f.9 Vgl. Feuersänger, FamRZ 2003, 645, 647 f.; a.A. Schröder, FamRZ

2002, 1010.10 Vgl. Tiedtke/Wälzholz, RNotZ 2001, 380, 382.11 Vgl. BFH, Urt. v. 13.12.2005 - IX R 14/03 - BFHE 212, 127.12 Vgl. Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237.13 Vgl. BFH, Urt. v. 02.10.2001 - IX R 45/99 - BFHE 196, 567 und BFH,

Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171.14 Vgl. BFH, Urt. v. 02.10.2001 - IX R 45/99 - BFHE 196, 567.

Die Monatszeitschrift

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Beispiel: A hat am 01.03.2003 ein unbebautes Grundstückfür 50.000 € erworben. Am 30.09.2012 veräußert A dasGrundstück, das mittlerweile im Flächennutzungsplan alsWohnbaufläche ausgewiesen ist, für 300.000 € mit nota-riellem Kaufvertrag an B. Der Kaufvertrag steht unter deraufschiebenden Bedingung, dass die Gemeinde von ihremVorkaufsrecht nach den §§ 24 ff. BauGB keinen Gebrauchmacht. Am 15.08.2013 erklärt die Gemeinde, von ihremVorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen. Da alle Ver-tragsbeteiligten bereits im September 2012 alles aus ihrerSicht Nötige für die Vollziehung des Geschäfts erbracht ha-ben und der endgültige Vollzug nur noch von der – nichtbeeinflussbaren – Entscheidung eines Dritten abhängt, er-folgte der Verkauf innerhalb der Zehnjahresfrist und ist alsprivates Veräußerungsgeschäft steuerbar.

Beispiel: K erwirbt am 01.07.2002 eine vermietete Eigen-tumswohnung für 100.000 €. Mit notariellem Vertrag vom15.06.2012 veräußert sie die Wohnung für 200.000 € anE. Beide Vertragsparteien traten vor dem Notar nicht per-sönlich auf, sondern wurden vollmachtslos durch eine No-tariatsangestellte vertreten. Beide Vertragsparteien geneh-migten den Vertrag mit notariell beurkundeter Erklärungam 15.07.2012. Besitz, Nutzen und Lasten der Wohnungsollten nach den vertraglichen Vereinbarungen erst am01.09.2012 übergehen.

Da hier auf beiden Seiten ein vollmachtloser Vertreter ge-handelt hat, war das Geschäft zunächst schwebend un-wirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Da die Genehmigung erstnach Ablauf der Zehnjahresfrist erfolgt war und auch daswirtschaftliche Eigentum erst danach übergegangen war,liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor. Die Rückwir-kung nach § 184 Abs. 1 BGB spielt keine Rolle.15

B. 10-Jahres-Frist und Gestaltungsmöglichkeiten

I. Berechnung der Frist

Für die Berechnung der gesetzlichen Veräußerungsfrist gel-ten § 108 Abs. 1 und 2 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und3 BGB.16 § 108 Abs. 3 AO und § 193 BGB finden keine An-wendung.17 Als Faustregel gilt, dass die Steuerbarkeit erstentfällt, wenn die Haltefrist den kalendarischen Erwerbs-zeitpunkt um einen Tag überschreitet.18 Maßgebend sinddie schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte Auf einenfrüheren Zeitpunkt kann es nur ankommen, wenn daswirtschaftliche Eigentum bereits vor Vertragsschluss über-gegangen ist. Der Zuflusszeitpunkt des Veräußerungserlö-ses spielt für die Fristberechnung keine Rolle.19

War das Grundstück zuvor unentgeltlich durch Rechts-nachfolge erworben (Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung)worden, tritt der Rechtsnachfolger nach § 23 Abs. 1 Satz 3EStG in die noch laufende Veräußerungsfrist des Rechts-

vorgängers ein. Im Rahmen der Erbauseinandersetzungkann ein zu einem entgeltlichen Erwerb führender Vor-gang dann vorliegen, wenn ein Spitzenausgleich erfolgt.20

Beispiel: Erblasser E hatte am 01.07.2005 ein bebautesGrundstück für 200.000 € erworben und anschließendfremdvermietet. Am 01.08.2010 verstirbt E und wird vonseinen beiden Kindern A und B jeweils zur Hälfte beerbt.Sonstiges Vermögen außer dem vermieteten Grundstückist nicht vorhanden. Zum Todeszeitpunkt hat das Grund-stück einen Wert in Höhe von 300.000 €. Im Rahmen derErbauseinandersetzung zahlt A an B 150.000 €, um dasGrundstück zu übernehmen.

Aufgrund des unentgeltlichen Erwerbs treten A und B indie Veräußerungsfrist des E ein. Mit dem Erbfall erwerbenA und B das Grundstück zunächst in ungeteilter Erben-gemeinschaft unentgeltlich jeweils zur Hälfte. Im Rahmender Erbauseinandersetzung erwirbt A eine Hälfte desGrundstücks entgeltlich von B. B verwirklicht hinsichtlichseines (ideellen) hälftigen Grundstücksanteils ein privatesVeräußerungsgeschäft.21

Auch Übertragungen zur Abgeltung des Zugewinnaus-gleichs im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung könnenein privates Veräußerungsgeschäft auslösen.22 Dies giltauch, wenn nicht nur die Zugewinnausgleichsforderungdurch Übertragung eines Grundstücks erfüllt wird, sondernauch wenn Unterhaltsforderungen damit pauschal abge-golten werden.23

Beispiel: A und B haben am 01.10.2005 geheiratet. A be-saß zu diesem Zeitpunkt eine Eigentumswohnung im Wertvon 100.000 €, die fremdvermietet war. Im Jahr 2010 wirddie Ehe wieder geschieden. B steht ein Zugewinnaus-

15 Vgl. BFH, Urt. v. 02.10.2001 - IX R 45/99 - BFHE 196, 567.16 Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 17.17 Vgl. Blümich/Glenk, § 23 EStG, Rn. 161.18 Vgl. Blümich/Glenk, § 23 EStG, Rn. 161.19 Er spielt nur eine Rolle dafür, in welchem Veranlagungszeitraum

(Jahr des Zuflusses) er zu versteuern ist.20 Vgl. BFH, Urt. v. 22.09.1987 - IX R 15/84 - BFHE 151, 143 und BFH,

Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171; Blümich/Glenk,§ 23 EStG, Rn. 101; Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStGAnm. 96.

21 Zur Berechnung bei der teilentgeltlichen Übertragung vgl. Blümich/Glenk, § 23 EStG, Rn. 98.

22 Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 11; Oberfinanzdirek-tion Frankfurt a.M., Rundverfügung vom 27.02.2014 - S 2256 A –

16 – St 224; Sagmeister, DStR 2011, 1589; a.A. Schmidt/Weber-Grel-let, EStG, § 23 Rn. 42; Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 238 f.;Tiedtke, DB 2003, 1471, 1474.

23 Vgl. insbesondere auch zum Sonderausgabenabzug Oberfinanzdirek-tion Frankfurt a.M., Rundverfügung vom 27.02.2014 - S 2256 A –

16 – St 224.

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gleichsanspruch gegen A i.H. von 150.000 € zu. A über-trägt B zur Abgeltung des Zugewinnausgleichsanspruchsdie Eigentumswohnung, die zu diesem Zeitpunkt einenWert von 150.000 € hatte. Da der Zugewinnausgleich(§ 1378 BGB) eine auf Geld gerichtete persönliche Forde-rung an den geschiedenen Ehegatten ist, wird diese anstel-le einer Erfüllung in Geld an Erfüllungs statt (§ 364 BGB)durch Übertragung des Grundstücks erfüllt. Dies ist nichtanders als eine Veräußerung zu beurteilen. Denn wird einGrundstück von dem Eigentümer an einen Dritten zur Til-gung einer Geldforderung übereignet, liegt eine Veräuße-rung i.S. des § 23 EStG vor. Da hier die Eigentumswohnunginnerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußertwurde, liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor.24

II. Gestaltungsmöglichkeiten

Vorsicht ist geboten, wenn der Kaufvertrag im Hinblick aufdie (in Kürze) ablaufende Zehnjahresfrist ausdrücklich un-ter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen werdensoll. Denn aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte sindgrundsätzlich bereits mit schuldrechtlichem Vertrags-abschluss und damit bereits vor Eintritt der Bedingung ver-wirklicht. Denn das bedingte Rechtsgeschäft ist bereits mitAbschluss des schuldrechtlichen Vertrags vollendet. Ledig-lich die Rechtswirkungen des Vertrags befinden sich biszum Bedingungseintritt in der Schwebe.

Beispiel: A hat eine Eigentumswohnung am 01.07.2005erworben und vermietet. Im März 2014 tritt sein Mieter Man ihn heran und möchte die Wohnung erwerben. Der Ab-schluss eines Kaufvertrags bereits im Frühjahr 2014 unterder aufschiebenden Bedingung des Ablaufs der Spekula-tionsfrist mit Ablauf des 01.07.2015 verhindert nicht dasEntstehen eines privaten Veräußerungsgeschäfts.

Beispiel:25 Y hat am 01.07.2003 ein bebautes Grundstückerworben. Am 01.02.2013 findet er X als Käufer. Am15.02.2013 gibt Y ein bindendes Angebot ab. Zugleichkombinieren X und Y dies mit einem Kredit des Käufers Xan Y in Höhe des zukünftigen Kaufpreises. Das Angebotkann frühestens am 02.07.2013 – also nach Ablauf derFrist – angenommen werden. Bei Nichtannahme des An-gebots wird eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Vierteldes Kaufpreises fällig. Der Rückzahlungsanspruch ausdem Darlehen soll mit dem späteren Kaufpreis verrechnetwerden. Besitz, Nutzen und Lasten gehen bereits im Feb-ruar 2013 an X über, der das Grundstück auch belastendarf. Begleitend wird ein Mietvertrag abgeschlossen unddie Mietzahlungen auf das Darlehen bzw. den späterenKaufpreis angerechnet.

In diesem Fall schaffen die Beteiligten bereits Verhältnisse,die wirtschaftlich einem Kaufvertrag gleichstehen, zumal X

hier bereits vor Ablauf der Spekulationsfrist das wirtschaft-liche Eigentum erlangt. Ein privates Veräußerungsgeschäftist verwirklicht.

Als taugliche Gestaltungsmöglichkeit erweist sich in die-sem Fall die Einräumung eines Vorkaufsrechts kombiniertmit einem Mietvertrag. Denn eine Veräußerung liegt nochnicht vor, solange der spätere Erwerber ein Grundstückaufgrund eines Mietvertrags nutzt und ihm lediglich einVorkaufsrecht hinsichtlich des Grundstücks eingeräumtwurde. Denn das Vorkaufsrecht schränkt nicht die Ver-fügungsbefugnis des Eigentümers über das Grundstückein. Unabhängig davon kann er frei entscheiden, ob ereinen Kaufvertrag mit einem Dritten abschließt und damiterst die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufs-rechts schafft.26

C. Ausnahme: Eigennutzung zu Wohnzwecken

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt kein Ver-äußerungsgeschäft vor, wenn ein bebautes Grundstückveräußert wird, soweit es• im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung

und Veräußerung (1. Alt.) oder• im Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen

zwei Jahren (2. Alt.)

ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Ver-äußerung und in den beide vorangegangenen Jahren i.S.der 2. Alt. liegt bei einem zusammenhängenden Zeitrauminnerhalb der letzten drei Jahre, der nicht die vollen dreiKalenderjahre umfassen muss, vor.27

Eigene Wohnzwecke setzen die persönliche Nutzung alsrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer voraus. DieWohnung muss daher vom Steuerpflichtigen selbst tat-sächlich und auf Dauer bewohnt werden.28 Die Nutzungbeginnt grundsätzlich mit dem Einzug in die bezugsfertigeWohnung.29

Beispiel: C erwirbt am 01.03.2012 ein Einfamilienhaus. Ernutzt es anschließend zu eigenen Wohnzwecken. Am

24 So auch Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., Rundverfügung vom27.02.2014 - S 2256 A – 16 – St 224.

25 Nach Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 240.26 Vgl. BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171, m.w.N.;

Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 240.27 Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom

05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 25.28 Zur Darlegungslast vgl. FG Münster, Urt. v. 18.06.2007 - 1 K 3749/

05 E - EFG 2007, 1605, bestätigt durch BFH, Beschl. v. 15.04.2008 -IX B 159/07 - BFH/NV 2008, 1341.

29 Vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2006 - IX R 18/03 - BFH/NV 2006, 936 zu dennotwendigerweise anfallenden Übergangzeiten.

Die Monatszeitschrift

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01.06.2014 zieht C wegen eines Arbeitsplatzwechsels wie-der aus und veräußert am 02.11.2014 das Einfamilien-haus. Da C das Einfamilienhaus im Zeitraum zwischen Er-werb und Veräußerung selbst genutzt hat, unterliegt einerzielter Veräußerungsgewinn nicht der Besteuerung.

Ein Leerstand vor Beginn der Nutzung zu eigenen Wohn-zwecken ist unschädlich, wenn er mit der beabsichtigtenNutzung zu eigenen Wohnzwecken in Zusammenhangsteht (z.B. Durchführung von notwendigen Renovierungs-und Erhaltungsaufwendungen).30 Auch ein Leerstand zwi-schen der Beendigung der Nutzung zu eigenen Wohnzwe-cken und der Veräußerung des Gebäudes ist unschädlich,wenn der Zeitraum für die Veräußerung benötigt wurde.31

Eine Immobilie wird auch dann zu eigenen Wohnzweckengenutzt, wenn sie vom Steuerpflichtigen nur zeitweise be-wohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnungzur Verfügung steht. Dies gilt z.B. für Wohnungen, die imRahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt wer-den. Dies gilt aber auch für eigengenutzte (nicht für fremd-vermietete) Ferienwohnungen und Ferienhäuser.32

Liegt nicht im gesamten Zeitraum die Eigennutzung vor,ist die Veräußerung in vollem Umfang steuerpflichtig. Esist keine Aufteilung des Veräußerungsgewinns auf denZeitraum der Eigennutzung und den übrigen Zeitraum vor-zunehmen.

Beispiel: A erwirbt eine (vermietete) Eigentumswohnungin 2006 für 200.000 €. Im Jahr 2007 kündigt er dem Mie-ter berechtigt wegen Eigenbedarfs. Anschließend nutzt erdie Wohnung ab dem 01.04.2007 zu eigenen Wohn-zwecken. Am 30.11.2008 verkauft er die Wohnung für300.000 €. Der Veräußerungsgewinn ist in vollem Umfangsteuerpflichtig, da A nicht die Wohnung im Jahr der Ver-äußerung (2008) und in den beiden vorangegangenen Jah-ren (2006, 2007) in einem durchgängigen Zeitraum füreigene Wohnzwecke genutzt hat.

I. Überlassung an Angehörige

Als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gilt nicht nur dieNutzung durch den Steuerpflichtigen selbst, sondern auchdie Nutzung durch die mit ihm in Haushaltgemeinschaftlebenden Familienangehörigen und Lebenspartner.33 DieFinanzverwaltung behandelt als Eigennutzung auch dieunentgeltliche Überlassung an Kinder, für die ein Anspruchauf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag besteht.34 DieÜberlassung an einen getrennt lebenden Ehepartner stellthingegen keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar.

Beispiel: X erwirbt eine Studentenwohnung am 01.03.2007für 80.000 € und überlässt sie unentgeltlich an seine stu-dierende, 21-jährige Tochter. X erhält das Kindergeld für

seine Tochter ausbezahlt. Diese nutzt die Wohnung bis zuihrem Studienabschluss am 30.06.2011. Im Juli 2011 ver-äußert X die Wohnung für 110.000 €. Aufgrund der unent-geltlichen Nutzungsüberlassung an die Tochter durch denkindergeldberechtigten X gilt der Zeitraum als Eigennut-zung. Da diese ununterbrochen vom Erwerb bis zur Ver-äußerung in 2011 bestanden hatte, liegt kein privates Ver-äußerungsgeschäft vor.

Beispiel:35 Die Eheleute A und B leben seit März 2009 ge-trennt. Sie haben zwei gemeinsame minderjährige Kinder.Dem Ehemann A gehörte die 2005 angeschaffte und bis-her zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung allein.Im September 2010 wird die Ehe geschieden. Zur Beglei-chung des Zugewinnausgleichsanspruchs muss A die Woh-nung im November 2010 veräußern. Bis dahin wurde dieWohnung von der getrennt lebenden Ehefrau und den ge-meinsamen Kindern genutzt.

Zwar führt die Überlassung an den getrennt lebenden Ehe-partner nicht zur Annahme einer Nutzung zu eigenenWohnzwecken. Insoweit sind aber die Wertungen des§ 1568a Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Denn da die Woh-nung zugleich von den Kindern genutzt wird, sind die Vo-raussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG er-füllt.36

Beispiel:37 Die Eheleute A und B haben 2006 gemeinsamein Wohnhaus für 450.000 € erworben. Im März 2008zieht A aus. Im November 2009 kommt es zur Scheidung.Im Januar 2010 wird das Haus veräußert, weil B nichtmehr in der Lage ist, die laufenden Raten zu begleichen.Hier liegt ein privates Veräußerungsgeschäft in der Personvon A hinsichtlich seines Miteigentumsanteils vor. Denn Ahat die Immobilie nicht im Jahr der Veräußerung und denbeiden vorangegangenen Jahren in einem zusammenhän-genden Zeitraum selbst genutzt. B hingegen ist bis zurVeräußerung wohnen geblieben und kann sich hinsichtlichseines Miteigentumsanteils auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1Satz 3 EStG berufen. Bei einem Getrenntleben in der Ehe-

30 Vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2006 - IX R 18/03 - BFH/NV 2006, 936.31 Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom

05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 25. DieFinanzverwaltung verlangt den Nachweis der Veräußerungsabsicht.

32 Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 22; Mu-sil in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 130.

33 Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 6.34 Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom

05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 23.35 Vgl. Tiedtke/Wälzholz, RNotZ 2001, 380, 386.36 Vgl. Feuersänger, FamRZ 2003, 645, 645 f.; Sagmeister, DStR 2011,

1589, 1591; Tiedtke/Wälzholz, DStZ 2002, 9, 14.37 Vgl. Karasek, FamRZ 2002, 590, 592.

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wohnung nach § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB bis zur Veräuße-rung hatte A sich auch auf eine Nutzung zu eigenenWohnzwecken berufen können.

II. Steuerfalle Vermietung an studierende Kinder?

Wird an unterhaltsberechtigte Kinder unter Beachtung der66 %-Grenze in § 21 Abs. 2 EStG vermietet, liegt keineNutzung zu eigenen Wohnzwecken vor. Dies stellt einehäufige Falle dar, wenn auf Anraten des Steuerberatersvergünstigt vermietet wird und die Wohnung dann nachStudienabschluss des Kindes wieder veräußert wird. Auf-grund des sich nur auf wenige Jahre erstreckenden Nut-zungszeitraums kann das Finanzamt in diesen Fällen zu-sätzlich auch zur Annahme einer ertragsteuerlichen Lieb-haberei kommen und für die Zeit der Vermietung dieÜberschusserzielungsabsicht aberkennen. Dann ist nichtnur der Veräußerungsgewinn steuerbar. Vielmehr wirdauch der steuerwirksame Abzug der Verluste aus Vermie-tung und Verpachtung bei den Eltern rückwirkend rück-gängig gemacht. Eine steuerlich gut gemeinte Gestaltungkann sich dann im Nachhinein als steuerlich erheblichnachteilig herausstellen.

Beispiel: Y erwirbt vollständig fremdfinanziert eine Studen-tenwohnung für 100.000 €, davon entfallen 20.000 € aufden Grund- und Boden-Anteil. Die erzielbare monatlicheMarktmiete laut Mietspiegel beträgt 400 € kalt. Y vermie-tet ab 01.03.2007 die Wohnung an seinen Sohn für 300 €monatlich (= 75 % der Marktmiete). Y hat von Beginn anvor, die Wohnung nach Ende des Studiums seines Sohnswieder zu veräußern. Die Finanzierungszinsen für die Woh-nung betragen monatlich 250 €. Die Absetzungen für Ab-nutzung belaufen sich jährlich auf (2 % von 80.000 € =)1.600 €. An den Hausverwalter zahlt er 200 € jährlich.Y erzielt daher aus der Vermietung folgende jährliche Ein-künfte (umlagefähige Kosten bleiben aus Vereinfachungs-gründen außer Betracht):

Einnahmen 12 × 300 € 3.600 € 3.600 €

Werbungskosten

AfA 2 % von80.000 €

1.600 €

Zinsen 250 € × 12 3.000 €

Verwaltervergütung 200 €

Summe Werbungs-kosten

4.800 € 4.800 €

Verlust ./. 1.200 €

Veräußert Y die Wohnung nach Ende des Studiums am01.10.2011 für 150.000 €, muss er nicht nur den Veräuße-rungsgewinn versteuern. Da er von Beginn der Vermie-tung an nicht die Absicht hatte, dauerhaft Überschüsseaus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, wird das Fi-nanzamt ihm in den Jahren 2007 bis 2011 auch die Gel-tendmachung der Verluste aus Vermietung und Verpach-tung versagen. Eine Vermietung an studierende Kinder er-weist sich daher nur dann als steuerlich vorteilhaft, wennnach Beendigung des Studiums die Wohnung weiterver-mietet, also weiterhin zur Erzielung von Mieteinkünften,genutzt wird.

III. Steuerfalle bei längerer Immobiliensuche?

Die Ausnahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzweckengreift auch dann nicht, wenn die Wohnung vor dem Ver-kauf für einige – ggf. auch kurze – Zeit vermietet wird.Denn auch in diesem Fall ist der gesetzliche Ausnahmetat-bestand vom privaten Veräußerungsgeschäft – Eigennut-zung von Anschaffung bis Veräußerung bzw. im Jahr derVeräußerung und in den vorangegangenen beiden Kalen-derjahren – nicht erfüllt. Dieser Fall tritt häufig ein, wennPersonen aus beruflichen Gründen umziehen, am neuenTätigkeitsort aufgrund des geringen Angebots auf dem Im-mobilienmarkt aber zunächst kein passendes Erwerbs-objekt finden und unter Vermietung ihres bisherigen Ob-jekts auf den Mietmarkt ausweichen.

Beispiel: A und B wohnen in der von ihnen am 01.07.2004erworbenen selbstgenutzten Eigentumswohnung in Ham-burg. Aufgrund des beruflichen Wechsels von B nach Stutt-gart am 01.07.2006 mieten sie zunächst eine Wohnung inStuttgart und ziehen um. Die Wohnung in Hamburg ver-mieten sie zunächst an C. Anfang 2008 finden A und Bnach längerer Immobiliensuche ein Objekt in Stuttgart,das sie am 01.03.2008 erwerben. Gleichzeitig verkaufensie am 15.03.2008 das Objekt in Hamburg an ihren Mie-ter C. Da die Eigennutzung nicht durchgängig von An-schaffung bis Veräußerung oder im Jahr der Veräußerungund in den vorangegangenen Jahren von A und B eigen-genutzt war, unterliegt der Veräußerungsgewinn der Ein-kommensteuer.

D. Verlust der erbschaft- und schenkungs-steuerlichen Befreiung

Der Verkauf einer Immobilie kann zudem neben der Ver-wirklichung eines privaten Veräußerungsgeschäfts ggf.den Verlust der (erbschaft- und schenkungssteuerlichen)Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und Nr. 4c desErbschaft- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) nachsich ziehen.

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I. Erbschaft- und schenkungssteuerliche Behandlungvon eigengenutzten „Familienheimen“

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG kann ein Ehegatte dem an-deren Ehegatten eine zu eigenen Wohnzwecken genutzteWohnung (Familienheim) steuerfrei zuwenden. Die Steuer-freiheit ist weder an eine Behaltensfrist geknüpft noch istdie Größe oder der Wert des Objekts der Höhe nach be-schränkt.38 Die Übertragungsmöglichkeit besteht auchzwischen Lebenspartnern. Sie kann beliebig oft genutztwerden, insbesondere wird für die Voraussetzung der Ei-gennutzung kein bestimmter Zeitraum vorausgesetzt. DieBegünstigung gilt allerdings nur unter Lebenden und nurwährend einer bestehenden Ehe. Sie kann daher auchnoch im Rahmen von Scheidungsvereinbarungen bis zurRechtskraft der Scheidung vorgenommen werden.39

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ist der Erwerb von Todeswegen einer Immobilie durch den überlebenden Ehegattenoder Lebenspartner ebenfalls steuerfrei, soweit der Erblas-ser diese zu eigenen Wohnzwecken genutzt hatte und dieImmobilie beim Erwerber unverzüglich zu eigenen Wohn-zwecken bestimmt wird. Die Steuerbefreiung fällt mit Wir-kung auf den Übertragungszeitpunkt weg, wenn der (oderdie) Erwerber die Immobilie innerhalb von zehn Jahrennach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken nutzt. EineAusnahme wird gemacht, wenn er aus zwingenden Grün-den (z.B. Aufenthalt in einem Pflegeheim) an einer Selbst-nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist der Erwerb von Todeswegen einer Immobilie durch Kinder (auch Stiefkinder)steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eineWohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und dieImmobilie bei dem erwerbenden Kind (oder den erwerben-

den Kindern) unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenenWohnzwecken bestimmt ist. Die Steuerfreiheit ist auf eineGröße der Wohnfläche von 200 qm begrenzt (Freibetrag).Auch hier fällt die Steuerfreiheit mit Rückwirkung weg,wenn die Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach demErwerb nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt wird, z.B.durch Verkauf, Vermietung, unentgeltliche Überlassungoder Leerstand.40 Eine Ausnahme wird auch hier gemacht,wenn aus zwingenden Gründen (z.B. Aufenthalt in einemPflegeheim) eine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzweckennicht möglich ist.

II. Wegfall der Vergünstigung durch Veräußerung

Die Steuerbefreiung für ein Familienheim, das durch Erbfallerworben wurde, fällt daher weg, wenn dieses durch denerbenden Ehegatten oder die erbenden Kinder entwedernicht selbstgenutzt wird oder – im Fall der Selbstnutzung– innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall veräußertwird. Wenn der Erblasser die Wohnung selbstgenutzt hatteund dies auch beim Ehegatten bzw. den Kindern der Fallwar, scheidet zwar die Annahme eines privaten Veräuße-rungsgeschäfts wegen § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG(Nutzung zu eigenen Wohnzwecken von Erwerb bis Ver-äußerung bzw. im Jahr der Veräußerung und in den voran-gegangenen zwei Jahren) aus. Gleichwohl wird der Erwerbnachträglich mit Erbschaft- und Schenkungssteuer belastet,soweit der allgemeine Freibetrag für Ehegatten (500.000 €)und Kinder (400.000 € je Kind) ggf. durch Einbeziehungvon sonstigem Vermögen überschritten wird.

Strafrecht

Die Todesstrafe – eigentlich kein Thema?

Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Franz Streng*

A. Einleitung

Über die Todesstrafe zu schreiben, erscheint in Deutsch-land nachgerade überflüssig, nachdem Art. 102 GG besagt„Die Todesstrafe ist abgeschafft“ und derzeit auch keinedemoskopische Befundlage existiert, von welcher aus eineDiskussion über eine Wiedereinführung der Todesstrafewirklich naheliegt. So hatte der Verfasser in einer Serievon Studierendenbefragungen vor allem zu kriminalitäts-bezogenen Themen, die ab 1989 in Konstanz und ab 1993

in Erlangen durchgeführt wurde, die Frage nach der Todes-strafe zunächst überhaupt nicht gestellt. Denn in einer frü-heren Befragung in Heidelberg hatten sich gerade noch rd.12 % der befragten Studienanfänger und Rechtsreferen-

38 Vgl. Geck: in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rn. 38.4.39 Marco Schmitt in: Tiedtke, ErbStG, 2009, § 13 Rn. 86.40 Vgl. Geck: in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rn. 39.6.

* Bis 2013 Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Kriminologie derUniversität Erlangen-Nürnberg, seither dort Leiter der Forschungs-stelle für Kriminologie und Sanktionenrecht.

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dare für diese Sanktion ausgesprochen.1 Ein Umdenkenwar freilich angesagt, als sich zu einem anderen Thema,nämlich zur Akzeptanz der lebenslangen Freiheitsstrafe,bemerkenswerte Tendenzen zeigten. Ab 1997 hielt gut einViertel der befragten Studienanfänger die lebenslangeFreiheitsstrafe bezüglich mancher Delikte für eine zu mildeSanktion.2 Dies veranlasste dazu, das Thema der Todes-strafe in späteren Befragungsterminen wieder aufzugrei-fen. An die daraus gewonnenen Befunde seien im Folgen-den einige historische, kriminalpolitische und auch sozial-psychologische Überlegungen angeknüpft.

B. Die Todesstrafe in Deutschland

Mit dem Inkrafttreten des am 23. Mai 1949 verkündetenGrundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wurdedurch Art. 102 GG eine Sanktionsform aufgegeben, die bisdahin nachgerade selbstverständlich als legitime, beson-ders symbolträchtige Strafe anerkannt war. Das Ende derTodesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland ergab sicherst als Folge des Tötungsexzesses im „Dritten Reich“. Vonden Nationalsozialisten war die Todesstrafe nicht nur fürTötungs- und für Staatsschutzdelikte, sondern in bestimm-ten Zusammenhängen auch für weniger schwere Tatenvorgesehen und verhängt worden. In der Kriegszeit wurdenTodesstrafen auch eingesetzt, wenn in einer durchausleichten Tat eine spezifische Verwerflichkeit gesehen wur-de (vgl. die „Volksschädlings“-Verordnung)3 oder wenndie Taten von Angehörigen fremder Volkszugehörigkeit be-gangen wurden (vgl. die „Polenstrafrechtsverordnung“)4.Man geht für den Zeitraum von 1934 bis 1945 von 16.560Todesurteilen durch die Allgemeine Gerichtsbarkeit aus,davon allein ca. 15.900 in den Kriegsjahren 1940-1945.5

Hinrichtungen wurden auch auf Befehl von hohen Polizei-führern angeordnet, wenn aus deren Sicht die Gerichte zumilde geurteilt hatten.6 Außerordentlich viele Todesurteilewurden zudem von der Wehrmachtsjustiz ausgesprochen.Man geht von letztlich ca. 50.000 Todesurteilen der Wehr-machtsjustiz zwischen 1939 und 1945 aus, wovon ca. zweiDrittel auch vollstreckt wurden.7 Im Vordergrund standeninsbes. Fahnenflucht und „Wehrkraftzersetzung“8, welcheetwa schon bei am „Endsieg“ geäußerten Zweifeln bejahtwurde.9 Die Häufigkeit der militärgerichtlichen Todesurtei-le stand in krassem Gegensatz zu der sehr großen Zurück-haltung der Militärjustiz im 1. Weltkrieg.10

Angesichts derartigen Missbrauchs der Todesstrafe wäh-rend des Nationalsozialismus hat der ParlamentarischeRat, der nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ dieneue Verfassung beriet, mit großer Mehrheit die Todes-strafe aufgegeben.11 Kurz nach Abschaffung der Todes-strafe war man sich aber durchaus nicht sicher, ob dieseErrungenschaft als gesichert gelten darf. Tatsächlich hat es

dann bereits 1952 eine Bundestagsdebatte darüber gege-ben, die Todesstrafe wieder einzuführen. Die Befürworterder Todesstrafe verfehlten freilich die einfache und erstrecht die qualifizierte Mehrheit, die zur Verfassungsände-rung notwendig gewesen wäre.12 Ein prominenter konser-vativer Bundestagsabgeordneter, der kurze Zeit auch Bun-desjustizminister war, hatte sich dann nochmals in den1960er Jahren für eine Wiedereinführung der Todesstrafeausgesprochen.13 Richard Jäger („Kopf ab“-Jäger) erntetedabei nur noch wenig Zustimmung und viel Spott.14

1 Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 41,94.

2 Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel,2014, S. 51 f., 115.

3 Dazu Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämp-fung im Dritten Reich, 1989, S. 233 ff.; ferner Messerschmidt/Wüll-ner, Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus – Zer-störung einer Legende, 1987, S. 169 ff.

4 Dazu R. Schmid, Gewerkschaftliche Monatshefte 11/1958, 660, 666;Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung imDritten Reich, 1989, S. 371 ff., 395.

5 Quantifizierungen bei Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in derBundesrepublik Deutschland, 1952, S. 219; Kubink, Strafen und ihreAlternativen im zeitlichen Wandel, 2002, S. 267 f.; ferner Kaiser, Kri-minologie. Ein Lehrbuch, 3. Aufl. 1996, § 94 Rn. 23 f. (Tabelle 55).

6 Dazu Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämp-fung im Dritten Reich, 1989, S. 577 ff.

7 Vgl. Messerschmidt/Wüllner, Die Wehrmachtjustiz im Dienste desNationalsozialismus – Zerstörung einer Legende, 1987, S. 72 ff., 87;vgl. auch Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der BundesrepublikDeutschland, 1952, S. 220 f.

8 Vgl. Messerschmidt/Wüllner, Die Wehrmachtjustiz im Dienste desNationalsozialismus – Zerstörung einer Legende, 1987, S. 90 ff.,132 ff.

9 Letzteres betraf auch die Zivilbevölkerung; vgl. etwa Kubink, Strafenund ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, 2002, S. 267 f.; Werle,Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im DrittenReich, 1989, S. 210 ff.

10 Vgl. Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der BundesrepublikDeutschland, 1952, S. 198 f., 220 f.

11 Ausführl. Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der BundesrepublikDeutschland, 1952, S. 276 ff., 282, 285; ferner Koch, Recht und Poli-tik 41 (2005), 230, 232 f.

12 Ausführl. Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der BundesrepublikDeutschland, 1952, S. 327 ff., 332 f.; Koch, Recht und Politik 41(2005), 230, 233 f.

13 Vgl. dazu Der Spiegel Nr. 17/1961: „Soll wieder gehenkt werden?Gespräch über die Todesstrafe mit Bundestagsvizepräsident Dr. Ri-chard Jäger“. Dass die Debatte um die Todesstrafe damals auch vonanderer Seite aus als noch nicht abgeschlossen galt, lässt sich etwaanhand des 1962 von J. Schlemmer herausgegebenen Sammelban-des „Die Frage der Todesstrafe. Zwölf Antworten“ ersehen, zu wel-chem u.a. Maurach, Eb. Schmidt, Jescheck und Bockelmann Beitrageleisteten.

14 Vgl. Der Spiegel Nr. 21/1998: „Gestorben: Richard Jäger“.

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In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verliefdie Entwicklung anders. Wie in den Ländern des Ostblocksüblich, wurde die Todesstrafe auch nach dem Zusammen-bruch des „Dritten Reichs“ weiter verhängt und exe-kutiert. Dies endete erst am 17. Juli 1987, wobei die DDRsich als kriminalpolitischer Vorreiter immerhin im War-schauer Pakt erwies.15

Den Schlussstrich unter das Kapitel Todesstrafe zog für dieMitgliedsstaaten des Europarats das „Protokoll Nr. 13 zurKonvention zum Schutz der Menschenrechte und Grund-freiheiten über die vollständige Abschaffung der Todes-strafe“ vom 3. Mai 2002.16

C. Argumente gegen die Todesstrafe

Nicht nur der ungeheuerliche Missbrauch der Todesstrafeals Terrorinstrument sprach nach dem „Dritten Reich“ fürdie Abschaffung der Todesstrafe. Auch an die ohnehin seitLängerem in der Diskussion befindlichen Hauptargumentegegen die Todesstrafe sei erinnert:

Irdische Gerechtigkeit ist fehleranfällig. Nach Vollstre-ckung einer Todesstrafe kann ein falsches Urteil nicht mehrwirksam berichtigt werden. Etwa das neue Beweismittelder DNA-Analyse hat in den USA eindrucksvoll gezeigt,welch hohes Maß an Justizirrtümern auch bei Kapitaldelik-ten möglich ist.17 Dass in Ländern mit anderen Verfahrens-ordnungen eine niedrigere Fehlerquote denkbar ist18, ent-schärft das Problem des Fehlurteilsrisikos allenfalls be-grenzt.

Die Todesstrafe relativiert den Wert menschlichen Lebens.Daher wird das Ziel, durch eine hohe Strafe für Mord denWert menschlichen Lebens hervorzuheben, durch die To-desstrafe konterkariert.19 Dieses Argument gegen die To-desstrafe wird in der kriminalpolitischen Diskussion inDeutschland vor allem unter dem Aspekt des Menschen-würdeschutzes angesprochen.20 Die staatliche Aufgabe,die Menschenwürde zu schützen (Art. 1 Abs. 1 GG), siehtman als zentrales verfassungsrechtliches Argument dafüran, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe ganz unab-hängig von einer Abänderbarkeit von Art. 102 GG für dieZukunft ausscheiden muss.21

D. Strafzwecküberlegungen und Todesstrafe

Wie gezeigt, sprechen einige Argumente nachdrücklich ge-gen die Todesstrafe. Zugleich lässt sich herausarbeiten,dass unter Strafzweckaspekten denkbar wenig für die To-desstrafe spricht.

I. Generalpräventive Abschreckung

Das in der allgemeinen Diskussion über die Sinnhaftigkeithoher Strafen gerne genutzte Argument von einer starken

Abschreckungswirkung gegenüber Kapitaldelikten erfährtkeine Unterstützung durch die Generalpräventionsfor-schung. Es hat sich zeigen lassen, dass es für strafrecht-liche Abschreckung vor allem auf die Entdeckungswahr-scheinlichkeit ankommt, kaum aber auf die erwarteteStrafhöhe.22 Die Studien speziell zur generalpräventivenWirkung der Todesstrafe, die sich zumeist auf die Einfüh-rung oder Abschaffung der Todesstrafe in Staaten der USAbeziehen, unterstützen das Abschreckungsargument letzt-lich nicht. Tatsächlich ist der ursprüngliche Anschein einesfür die USA errechenbaren Abschreckungseffekts inzwi-schen im Rahmen komplexerer Berechnungen überwie-gend widerlegt oder zumindest in Zweifel gezogen wor-den.23

II. Spezialpräventive Sicherung

Der spezialpräventive Sicherungszweck im Sinne einer Ver-hinderung von weiteren Kapitaldelikten oder sonstigenschweren Gewalttaten des Verurteilten kann auch durchlangjährige Inhaftierung verwirklicht werden.24 Tatsächlichhat sich in Deutschland eine in den letzten Jahren ange-stiegene sicherungsorientierte Punitivität25 für die Reak-

15 Vgl. Koch, JZ 2007, 719, 722.16 Vgl. BGBl II 2004, 983.17 Vgl. etwa Kreuzer, ZIS 8/2006, 320, 322; Gross/Schaffer, Exonera-

tions in the United States, 1989-2012. Report by the National Registryof Exonerations (Internet-Veröffentlichung), Juni 2012, S. 18 ff.; vgl.auch schon Dreher, ZStW 70 (1958), 543, 559 ff.

18 Vgl. zu Japan Ida in: Festschrift für Kühl, 2014, S. 762, 769 f.; zu er-folgreichen Wiederaufnahmeverfahren gegen verhängte Todesstrafenvgl. K. Kato, ZIS 8/2006, 354 ff.

19 Vgl. auch Jescheck/Weigend, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 5. Aufl.1996, § 71 I 2; Kreuzer, ZIS 8/2006, 320 ff., 322; zu kontraprodukti-ven Effekten R. Schmid, Gewerkschaftliche Monatshefte 11/1958,660, 668 f.

20 Vgl. dazu etwa BGH, Urt. v. 16.11.1995 - 5 StR 747/94 - BGHSt 41,317, 325; Kett-Straub, Die lebenslange Freiheitsstrafe, 2011, S. 17;relativierend aber Dreher, ZStW 70 (1958), 543, 562 ff.

21 Vgl. dazu etwa Jescheck/Weigend, Strafrecht. Allgemeiner Teil,5. Aufl. 1996, § 71 I 1; Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl.2011, Art. 102 Rn. 7; Scholz in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. Kom-mentar, 65. Aufl. 2012, Art. 102 Rn. 29 ff.; Kunig in: von Münch/Ku-nig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 102 Rn. 18.

22 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 59 ff. –m.w.N.

23 Dazu näher Kreuzer in: Gedächtnisschrift für Vogler, 2004, S. 163,165 ff.; Hermann in: Festschrift für Schöch, 2012, S. 791 ff.; Streng,Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 62.

24 Vgl. auch Rössner in: Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kontro-verse um die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993,S. 44.

25 Vgl. zum Einfluss des Sicherungsdenkens auf die Punitivität Strengin: Dessecker/Sohn (Hrsg.), Rechtspsychologie, Kriminologie und Pra-xis, 2013, S. 495, 505 ff.; Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Pu-nitivität im Wandel, 2014, S. 49, 53.

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tion auf schwere Gewalt- oder Sexualdelikte in einer zu-nehmend häufigen Verhängung lebenslanger Freiheitsstra-fe in Mordfällen26, in (geforderten und verhängten) länge-ren Freiheitsstrafen und in wieder vermehrter bzw. länge-rer Anwendung von Sicherungsverwahrung als Maßregelder Sicherung und Besserung manifestiert.27

III. Genugtuungsbedürfnisse

Die im Strafrecht neuerdings stärker gewordene Opfer-orientierung hat zu der Frage geführt, inwieweit Opferinte-ressen bzw. die Interessen von Opferangehörigen dieSanktionierung beeinflussen dürfen. So fragt sich, ob dieTodesstrafe durch ein Genugtuungsinteresse von Angehö-rigen des Ermordeten legitimiert werden soll.

Die Antwort kann nur eine ablehnende sein. Das Realisie-ren von Rachebedürfnissen der Hinterbliebenen eines Ge-töteten gerade durch Exekution der Todesstrafe ist nichtStaatsaufgabe. Dies gilt auch dann, wenn man die Kanali-sierung von Reaktionsbedürfnissen auf Kriminalität zu-nächst mit guten Gründen als relevante Aufgabe staatli-cher Justiz ansieht.28 Private Racheaktionen würden die öf-fentliche Sicherheit und Ordnung ganz erheblich störenund dem gesellschaftlichen Gerechtigkeitsanliegen zuwi-derlaufen.

Das Befriedigen von Genugtuungsinteressen unmittelbareroder mittelbarer Deliktsopfer ist in der staatlichen Strafeenthalten − aber eben nur im Rahmen der von der All-gemeinheit getragenen gerechten Strafe. Das an der ge-sellschaftlichen Aufgabe der allgemeinen Normbestäti-gung ausgerichtete Strafrechtssystem darf schon wegendieser Aufgabe irgendwelche extremen Reaktionsinteres-sen einzelner Bürger nicht zum Maßstab nehmen. DiesesPostulat wird durch die Beobachtung unterstützt, dasseine langjährige oder lebenslange Freiheitsstrafe genugfür die Verarbeitung von emotionalen Reaktionen sogar inder Folge von Mordtaten leistet.29 Belegen lässt sich dasetwa mit den Reaktionen der Bevölkerung auf die Ab-schaffung der Todesstrafe in Deutschland und sonst in Eu-ropa.

E. Die Todesstrafe in der Sicht der Bevölkerung

I. Die Entwicklung

Die Abschaffung der Todesstrafe durch das Grundgesetzbedeutet nicht, dass in der Öffentlichkeit keinerlei Unter-stützung für die Todesstrafe erfragbar wäre. Demoskopi-sche Untersuchungen haben für 1949 eine Todesstrafe-Be-fürwortung bei 74 % der in einer RepräsentativbefragungInterviewten gefunden30 und noch in den 1950er Jahren

lag die Zustimmung bei etwas über 50 % der Befragten. Inden letzten drei Jahrzehnten lag die Zustimmungsrate inWestdeutschland durchschnittlich bei knapp 30 %, in Ost-deutschland (ehemalige DDR) aber jeweils rund 10 Pro-zentpunkte höher.31 Im Jahre 2009 war dann der Zustim-mungswert in Westdeutschland mit 15 % außergewöhn-lich niedrig, wie das Institut für Demoskopie Allensbachermittelt hat.32

Repräsentativbefragungen mit Differenzierungsmöglichkeit(voll/eher) bei der Zustimmung zur Todesstrafe für „grau-same Verbrechen“ erbrachten im Jahr 2010 in den altenBundesländern insgesamt 34 %, in den neuen Bundeslän-dern insgesamt 51 % Zustimmung.33

Anonym durchgeführte schriftliche Befragungen von Stu-dierenden der Rechtswissenschaft in den alten Bundeslän-dern haben Raten der Zustimmung zur Todesstrafe nach-gewiesen, die inzwischen denen aus Repräsentativbefra-gungen ganz ähnlich sind, also bei 30 % liegen.34 Endeder 1970er Jahre war das allerdings noch durchaus anders.Die Studierenden und auch die parallel dazu befragtenRechtsreferendare in Heidelberg standen damals der To-desstrafe mit einer Zustimmungsquote von jeweils nur

26 Zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Surrogat der Todesstrafe vgl.Kett-Straub, Die lebenslange Freiheitsstrafe, 2011, S. 12 f.; Lauben-thal, Festschrift für Weitzel, 2014, S. 725, 726 ff.; ferner Rössner in:Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kontroverse um die Abschaf-fung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993, S. 47; Schöch in: Fest-schrift für Jung, 2007, S. 865, 870.

27 Nachweise bei Streng, ZJJ 2012, 148, 149 f., 151 ff.28 Dazu näher Rössner in: Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kont-

roverse um die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993,S. 47 f.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 27 ff.;Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präven-tionsstrafrecht, 2014, S. 654 f.

29 Vgl. Kett-Straub, Die lebenslange Freiheitsstrafe, 2011, S. 12 f.; Lau-benthal, Festschrift für Weitzel, 2014, S. 725, 726 ff.; ferner Rössnerin: Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kontroverse um die Ab-schaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993, S. 47; Schöch in:Festschrift für Jung, 2007, S. 865, 870.

30 Nachweis bei Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesre-publik Deutschland, 1952, S. 294.

31 Dazu auch Kreuzer, Kriminalistik 1993, 763, 768.32 Detaillierte Nachweise bei Köcher (Hrsg.), Allensbacher Jahrbuch der

Demoskopie 2003-2009, Band 12, 2009, S. 182. – Vgl. ferner Kreu-zer, ZIS 8/2006, 320, 325 (Graphik 1).

33 Vgl. Reuband in: Festschrift für Kerner, 2013, S. 191, 201 (Tabelle 3).34 Vgl. Streng, ZJJ 2012, 148, 150 (Tabelle 2); Streng, Kriminalitäts-

wahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 60, 133. – Wegenanderer Frageformulierung nicht ganz vergleichbar sind die Datenbei Kreuzer, ZIS 8/2006, 320, 325 (Graphik 2) und bei Meier in: Op-permann (Hrsg.), International Legal Studies II, 2013, S. 47, 53 (Ta-belle 1).

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rund 12 % (N = 195) deutlich ablehnender gegenüber alsder Rest der Bevölkerung.35

Bestätigt werden diese Daten durch Befunde aus den vonKreuzer durchgeführten Gießener Delinquenzbefragungenan Jurastudenten. Dort hatte die Rate dezidierter Ableh-nung der Todesstrafe seit den 1970er Jahren bis 2003 umrund 30 %-Punkte abgenommen und es nahmen dement-sprechend die Zustimmung zur Todesstrafe und die Anga-be, bezüglich dieser Frage unentschieden zu sein, kontinu-ierlich zu.36

Die Befragungen von Mitte/Ende der 1970er Jahre warenin einer Epoche durchgeführt worden, in welcher hoheStrafen insgesamt in Frage gestellt wurden. So hatte da-mals das Bundesverfassungsgericht über die lebenslangeFreiheitsstrafe zu entscheiden gehabt. Mit Urteil vom21. Juni 1977 bejahte es zwar deren verfassungsrechtlicheZulässigkeit, forderte zugleich aber einen Ausbau derrechtlichen Garantien für die Gefangenen, insbesonderebezüglich Strafrestaussetzung zur Bewährung.37 In derkurz vor diesem Urteil durchgeführten Befragung der Hei-delberger Jurastudenten und Rechtsreferendare wollten29,7 % der 195 Befragten die lebenslange Freiheitsstrafeganz abgeschafft sehen, nämlich 34,6 % der Studien-anfänger und 24,2 % der Rechtsreferendare.38 Diese Zah-len gewinnen ihre besondere Bedeutung durch einen Ver-gleich mit den aktuellen Studierendenbefragungen etwazwischen 1999 und 2012, in welchen für eine Abschaffungder lebenslangen Freiheitsstrafe gerade noch 2 % der Be-fragten votierten.39 Und ganz in diesem Trend einer hohenAkzeptanz für harte Strafen liegt auch die Entwicklung beider Todesstrafe-Befürwortung.

Unter methodischem Aspekt ist bezüglich derartiger Befra-gungsdaten freilich einzukalkulieren, dass es sich bei demDrittel Todesstrafe-Befürworter in der Bevölkerung wie un-ter den Studierenden nur zum Teil um wirklich ernsthaft inder Sache Engagierte handeln dürfte. Viel spricht dafür,dass Antworten oft spontan und auch beiläufig gegebenwerden, ohne dass das derzeitige Fehlen der Todesstrafedie Bürger ernsthaft beschäftigen würde. Bestätigt wirddies durch Befunde aus anderen Studien, wonach bei kon-frontativem Nachfragen viele Befürworter der Todesstrafedann in das Lager der Todesstrafegegner wechseln, wäh-rend derartige Meinungswechsel bei den ursprünglichenTodesstrafegegnern eher selten auftreten.40 In Japan hatsich zeigen lassen, dass die Befunde davon abhängig sind,wie differenziert gefragt worden ist und in welchem Um-fang die Befragten vorher über die Todesstrafe informiertwurden.41

II. Bedeutung und Hintergründe der Todesstrafe-Befürwortung

1. Divergente Befunde und ihre Bedeutung

Die Tatsache, dass die Todesstrafe in Deutschland seit65 Jahren abgeschafft ist und die Zustimmung zur Todes-strafe in Repräsentativbefragungen seither fast kontinuier-lich zurückging, lässt es als bemerkenswert einstufen,wenn bei den Jura-Studienanfängern sich zwischen 1977und 2007/10 eine gegenläufige Bewegung abgezeichnethat, wie Befragungen an den Universitäten Heidelberg/Er-langen und auch an der Universität Gießen belegen. Zu-nächst stellt sich hier die Frage, ob sich etwa bei den jün-geren Mitbürgern insgesamt ein Gesinnungswandel an-deutet, der später die ganze Bevölkerung erfassen wirdoder zumindest kann. Immerhin dafür, dass es sich nichtum ein isoliertes „Juristenproblem“ handelt, existiereneindeutige Belege. Denn im deutschen „Studierenden-survey“, bei welchem Studenten verschiedener Studien-gänge an mehreren deutschen Hochschulen zwischen1985 und 2007 befragt worden waren, trat eine deutlichzunehmende Forderung nach „harter Bestrafung der Kri-minalität“ hervor.42 Der bei den jüngeren Altersgruppenmit guter Schulausbildung insgesamt erkennbare Trend zuhärteren Sanktionen einschließlich der Todesstrafe kann inseiner Bedeutung für die zu erwartende allgemeine Ent-wicklung freilich nur schwer eingeschätzt werden. Immer-hin ist es denkbar, dass es sich dabei um eine nur oder vorallem die junge Generation erfassende „Modeerschei-nung“ handelt, die bald einem anderen Mainstreamweicht. Für eine abweichende Interpretation spricht frei-lich, dass junge Menschen gerade dieser Entwicklungspha-se sich in einer intensiven Prägungsphase befinden, wel-

35 Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 41,94.

36 Vgl. Kreuzer, ZIS 8/2006, 320, 325; vgl. auch Kreuzer in: Gedächtnis-schrift für Vogler, 2004, S. 163, 177.

37 Vgl. BVerfG, Urt. v. 21.06.1977 - 1 BvL 14/76 - BVerfGE 45, 187 ff.38 Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 94 f.39 Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel,

2014, S. 115.40 Vgl. Reuband in: Festschrift für Kreuzer, 2. Band, 2. Aufl. 2009,

S. 639, 651 ff.; zu Effekten des Anbietens von Alternativen vgl. auchKreuzer in: Gedächtnisschrift für Vogler, 2004, S. 163, 176.

41 Vgl. Sato, MschrKrim 95 (2012), 363, 370 ff.; zur Bedeutung einesunzulänglichen Informationsstands vgl. auch Meier in: Oppermann(Hrsg.), International Legal Studies II, 2013, S. 56 f.

42 Vgl. Bargel, Wandel politischer Orientierungen und gesellschaftlicherWerte der Studierenden, Bonn 2008, S. 17: Anstieg starker Zustim-mung von 29 % auf 52 %.

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che auf ihre Werthaltungen und Einstellungen womöglichdauerhaft ausstrahlt.43

2. Die Hintergründe

Für die Untersuchung der Hintergründe einer Todesstrafe-Befürwortung lassen sich die Daten der Erlanger Studie-rendenbefragung von 2007 und 2010 nutzen, in welcherden Studienanfängern u.a. die Frage nach der Todesstrafegestellt worden war. Für das Errechnen eines optimalenErklärungsmodells konnten die Angaben der in diesen bei-den Jahren insgesamt 476 Befragten verwertet werden. Eserwies sich, dass diejenigen die Todesstrafe signifikanthäufiger befürworteten, die sich durch Kriminalität persön-lich bedroht fühlten, die die Strafzwecke der Sicherung vordem Täter und der Vergeltung/Sühne hochschätzten, hin-gegen Resozialisierung als eher wenig wichtig einstuften.Für die Todesstrafe votierten schließlich signifikant selte-ner diejenigen, die als Studienmotiv für Jura „Neigung“benannten.44

Die in den Berechnungen erkennbare Relevanz der Krimi-nalitätsfurcht darf freilich nicht überinterpretiert werden.Der hier berechnete individualpsychologische Zusammen-hang ist nicht etwa mit einem gesellschaftlichen Entwick-lungsverlauf der Art identisch, dass eine zunehmende Ver-unsicherung auch zu extremeren Sanktionsanforderungenführen muss. Zum Beispiel hielten von den 1977 befragtenStudienanfängern 23,1 % die Kriminalitätssituation für sobedrohlich, dass sie sich als persönlich „eher hoch“ ge-fährdet ansahen;45 in den Jahren 2007/2010 lautete derentsprechende Wert hingegen nur noch 15,1 %.46 Gleich-wohl fand die Todesstrafe unter der sich sicherer fühlen-den Population 2007/2010 fast dreimal so starken Zu-spruch wie unter den früher Befragten mit höherer Krimi-nalitätsfurcht. Dieser Befund, dass eine unter denBefragten abnehmende Kriminalitätsfurcht einen Punitivi-tätsanstieg nicht verhindert hat, dass also „Zeitgeist“ er-klärungsstärker ist als Veränderungen in der durchschnitt-lichen Kriminalitätsfurcht-Rate oder auch in der Rate direk-ter Betroffenheit durch Viktimisierung, ließ sich auchhinsichtlich anderer Sanktionsformen in den von 1989 bis2012 durchgeführten Studierenden-Befragungen sichern.47

Die für die Analyse der Hintergründe einer Todesstrafe-Be-fürwortung nutzbaren beiden Befragungen 2007 und 2010belegen, dass die Stellungnahmen zur Todesstrafe nicht et-wa zufällige oder rein „modebedingte“ sind, sondern zu-mindest teilweise persönlichkeitsspezifische. Allerdingsfällt die Erklärungsleistung der multiplen Regressionsana-lysen (d.h. einer Berechnung unter gleichzeitiger Einbezie-hung aller aussagekräftigen Erklärungsvariablen) mit rd.17 % recht begrenzt aus.

F. Conclusio

Es hat sich zeigen lassen, dass die deutsche Bevölkerungnach dem Missbrauch der Todesstrafe im „Dritten Reich“willens war, diese extreme Sanktionsform aufzugeben, ob-wohl sie bis dahin in der Strafpraxis wie auch in der klassi-schen Straftheorie nachgerade selbstverständlicher Be-standteil des deutschen Strafrechts war. Über die Jahr-zehnte hinweg hat die Zustimmung zur Todesstrafe dannimmer weiter abgenommen. Repräsentativbefragungenlegten die Erwartung nahe, dass die Quote der Todesstra-fe-Befürworter in absehbarer Zeit gegen Null tendierenwürde. Ein entschiedener kultureller Fortschritt und spe-ziell des Rechtsbewusstseins schien gesichert.

Neuere Befragungen der akademischen Jugend, insbeson-dere von Jurastudenten, haben freilich eine Gegenbewe-gung deutlich gemacht. Im Zusammenhang mit einer zu-nehmenden Bereitschaft, härtere Strafen für angemessenzu halten, fand auch der Ruf nach der Todesstrafe seinenPlatz. Dass dies nicht etwa als Reaktion auf eine sich zu-spitzende Kriminalitätssituation zu verstehen ist, ließ sichsichern. Gleichwohl spielen Bedrohungsgefühle eine Rolle.Entsprechendes gilt für spezifische Strafzweckpräferenzen.

Man mag die dargestellte Entwicklung als letztlich wenigbesorgniserregend einstufen. Denn Art. 102 GG zur Ab-schaffung der Todesstrafe, der in Art. 1 GG verankerteGrundsatz des Menschenwürdeschutzes und auch interna-tionale Verträge lassen eine Wiedereinführung der Todes-strafe in Deutschland zumindest für die nahe Zukunft alsillusionär erscheinen. Freilich zeigt ein Blick in andere Teileder Welt, und dort auch in rechtsstaatlich verfasste Länderwie Japan oder die USA, dass die Todesstrafe noch langenicht der Vergangenheit angehört.48 Ein Wiederauflebendieser Extremsanktion in Zeiten großer gesellschaftlicherKrisen oder in Zeiten des Krieges auch in Ländern, in wel-chen derzeit die Todesstrafe nicht zulässig ist, kann nichtausgeschlossen werden. Und dies gilt besonders für Ge-sellschaften, in denen die Todesstrafe im Denken der Bür-ger ein gewisses Maß an Reputation behalten oder wie-dergewonnen hat. Von daher kann einen der derzeitigeAnsehensgewinn der Todesstrafe unter den jungen, schu-

43 Vgl. auch Reuband, Soziale Probleme 18 (2007), 186, 199 f.44 Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel,

2014, S. 61 f.45 Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 93.46 Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel,

2014, S. 116.47 Dazu näher Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im

Wandel, 2014, S. 75 f.48 Zu Japan vgl. etwa Asada in: Festschrift für Frisch, 2013, S. 1107,

1108 f.; Ida in: Festschrift für Kühl, 2014, S. 763 ff.

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lisch gut ausgebildeten Studierenden nicht gleichgültig las-sen.

Zu bedenken sind auch mögliche mittelbare Effekte: Wersich daran gewöhnt, die Todesstrafe für akzeptabel zu hal-ten, wird konsequenterweise die für schwerste Delikte al-ternativ in Frage kommenden langjährigen Freiheitsstra-fen, insbesondere die lebenslange Freiheitsstrafe, für unzu-länglich halten.49 Es besteht die Gefahr, dass positiveStellungnahmen zu einer Extremsanktion sich auf die Ein-schätzung des gesamten Strafsystems auswirken. Die kri-minologisch erhärtete Erkenntnis von der präventivenSinnhaftigkeit zurückhaltenden Strafens50 gerät so in Ge-fahr, an kriminalpolitischem Gewicht zu verlieren.

Abschließend lässt sich empfehlen, auch in Deutschlandwieder über die Todesstrafe zu reden! Denn es hat dieAbschaffung der Todesstrafe offenbar dazu geführt, dass

diese Sanktionen in der öffentlichen Meinung und in denSchulen und den Universitäten kaum oder gar nicht mehrproblematisiert wird.51 Dies für unglücklich zu halten, le-gen Befunde aus Befragungsstudien nahe, in denen sichhat zeigen lassen, dass mit zunehmender Informationüber die Todesstrafe die Akzeptanz der Todesstrafe nach-lässt.52

Spendensammeln durch kommunale Wahlbeamte:eine rechtliche Grauzone zwischen erwünschter Kooperation

und strafbarer Korruption

Ri Dr. Stefan Weiland, LL.M.

A. Einführung

In Zeiten angespannter oder gar defizitärer Haushaltslagenund eines zugleich wachsenden kommunalen Aufgabenka-nons schrumpft der Spielraum für die Bereitstellung kom-munaler Leistungen und Angebote, insbesondere im Be-reich der sog. freiwilligen Daseinsvorsorge.1 Zugleich istein Absinken der gesellschaftlichen Erwartungshaltung da-ran, was Kommunalpolitik für das Leben in der örtlichenGemeinde leisten soll, nicht festzustellen oder zu erwar-ten.2 Dies wird zum Anlass genommen, auch alternativeFinanzierungswege jenseits der originären Steuer-, Bei-trags- und Gebührenerhebung zu gehen.3 Was liegt dabeinäher, als beispielsweise in der Kommune angesiedelteoder infolge rechtlicher oder geschäftlicher Beziehungenauf ein gesundes „Klima“ mit der Kommune und derenVerwaltung bedachte Gewerbetreibende für die finanzielleUnterstützung sozialer oder kultureller Zwecke zu gewin-nen zu versuchen? Eine darauf ausgerichtete Amtsführungbirgt jedoch in Anbetracht des durch das „Gesetz zur Be-kämpfung der Korruption“ vom 13.08.19974 erheblichausgeweiteten Anwendungsbereichs der Korruptionstat-bestände (§§ 331 ff. StGB) Strafbarkeitsrisiken in sich. Inder Literatur wird zutreffend von einem Spannungsfeld

zwischen den „Ziele(n) [d. Verf.], zusätzliche materielleRessourcen zu erschließen und dabei die Lauterkeit des öf-fentlichen Dienstes nicht zu gefährden“, gesprochen.5

Wenn das Kommunalrecht einzelner Bundesländer denkommunalen Wahlbeamten zwischenzeitlich ausdrücklichdie Aufgabe zuweist, alternative Finanzierungsquellen zuerschließen6, so erfährt insbesondere die Diskussion um

49 Vgl. dazu den Text bei Fn. 38 bis 39.50 Vgl. etwa H.-J. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität,

1994, S. 66 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012,Rn. 331 ff. – m.w.N.

51 Für Folgerungen daraus vgl. Meier in: Oppermann (Hrsg.), Internatio-nal Legal Studies II, 2013, S. 63.

52 Vgl. dazu Sato, MschrKrim 95 (2012), 363, 370 ff.; zur Bedeutungeines unzulänglichen Informationsstands vgl. auch Meier in: Opper-mann (Hrsg.), International Legal Studies II, 2013, S. 56 f.

1 Der Begriff der „freiwilligen Daseinsvorsorge“ soll vorliegend die Tä-tigkeiten und Leistungen einer Kommune umschreiben, die über diegesetzlich festgeschriebenen Pflichtaufgaben hinausgehen und derenErbringung allenfalls im pflichtgemäßen, dem Vorbehalt der Finan-zierbarkeit unterliegenden Ermessen der Kommune liegen.

2 Vgl. dazu Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte imSpannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Unter-suchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 5.

3 Das Spektrum der alternativen Finanzierungsinstrumente reicht vonklassischen Spendensammlungen über Sponsoringvereinbarungenbis hin zu Fundraising etc., vgl. dazu Kalbfell, Kommunale Mandats-träger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperationund Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff.StGB, Tübingen 2009, S. 214 ff.

4 BGBl I 1997, 2038.5 Schröder, NJW 2004, 1353.6 Vgl. etwa § 111 Abs. 7 NKomVG.

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die Weite des Tatbestandes der Vorteilsannahme gem.§ 331 Abs. 1 StGB und die damit verbundenen Strafbar-keitsrisiken für kommunale Wahlbeamte eine weitere Di-mension. Vor dem Hintergrund der gesetzlich vielfältigenAusgestaltung der Aufgaben kommunaler Wahlbeamtersowie des Umstandes, dass die (straf-)rechtliche Beurtei-lung eines privatfinanzierte Mittel erschließenden Han-delns eines kommunalen Wahlbeamten stets einzelfall-abhängig ist, bewegen sich jene Wahlbeamte, die sich fürein solches Handeln und eine darauf gerichtete Amtsfüh-rung entschließen, in einer rechtlichen Grauzone.7 Gleichesgilt für private Investoren, Finanziers und Spender in Anbe-tracht des zu § 331 Abs. 1 StGB spiegelbildlich ausgestal-teten Tatbestandes der Vorteilsgewährung gem. § 333Abs. 1 StGB.

Der vorliegende Beitrag dient zur Erörterung der Frage, obund inwieweit unter Berücksichtigung einschlägiger oderzumindest übertragend heranzuziehender Rechtsprechungsowie zwischenzeitlich vereinzelt geschaffener landesspe-zifischer Vorschriften auch untergesetzliche RegelungenGestaltungsspielraum bieten und dazu beitragen können,Rechtssicherheit für kommunale Wahlbeamte zu schaffen.

B. Das Strafbarkeitsrisiko kommunaler Wahlbeamterim Falle finanzieller (Dritt-)Zuwendungen

I. Rechtliche Grundlagen

Kommunale Wahlbeamte sehen sich dem Risiko einer Kor-ruptionsstrafbarkeit bzw. zumindest dem Verdacht strafba-ren Handelns ausgesetzt, wann immer sie mit finanziellen(Dritt-)Zuwendungen in Kontakt kommen.

Ein solcher Kontakt kann sich in der täglichen Arbeitspra-xis eines kommunalen Wahlbeamten in vielfältiger Weiseergeben. Das Spektrum reicht von der Annahme von Zu-wendungen und Geschenken anlässlich bzw. als Gegen-leistung für die Wahrnehmung repräsentativer Aufgabenüber den Abschluss von Sponsorenvereinbarungen bis hinzu dem Einwerben, Annehmen und/oder Vermitteln vonGeldern für kommunale oder soziale Aufgaben und Projek-te. Verschiedene Konstellationen dieser Fallgruppen habendie Judikatur in den vergangenen Jahren bereits beschäf-tigt.8 Besondere Bedeutung nahmen Fälle ein, in denenkommunale Wahlbeamte gegenüber privaten, in geschäft-lichen Beziehungen zur Kommune stehenden InvestorenSpenden an kommunale Einrichtungen sowie kommunaleoder private Vereine eingefordert, vermittelt sowie ange-nommen oder sich zumindest hatten versprechen lassen.9

Casus cnacsus bei der Beurteilung einer Strafbarkeit gem.§ 331 Abs. 1 StGB bzw. einer spiegelbildlichen Strafbarkeitgem. § 333 Abs. 1 StGB war dabei stets die Frage nach derVerknüpfung zwischen eingefordertem, versprochenem

oder gewährtem Vorteil und dem Amt des kommunalenWahlbeamten.10

Der Vorteilsannahme gem. § 331 Abs. 1 StGB macht sichein Amtsträger strafbar, der für seine Dienstausübungeinen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich ver-sprechen lässt oder annimmt.

In seiner durch das „Gesetz zur Bekämpfung der Korrup-tion“ vom 13.08.199711 neu gefassten und im Interesseeiner wirksamen Bekämpfung der Korruption12 in ihremAnwendungsbereich erheblich ausgeweiteten Fassungsetzt die Vorschrift des § 331 Abs. 1 StGB nicht mehr vo-raus, dass die Gewährung eines Vorteils anlässlich einerkonkreten Diensthandlung erfolgt. Es genügt, dass derVorteil von Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer allgemein imSinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit der Dienst-ausübung des Amtsträgers verknüpft wird.13 Nach demWillen des Gesetzgebers sollen auch Handlungsweisen un-ter Strafe gestellt werden, durch die der Vorteilgeber sichdas generelle Wohlwollen des Amtsträgers erkaufen bzw.allgemein „Klimapflege“ betreiben will.14 Unter der„Dienstausübung“ des Amtsträgers ist dabei grundsätzlichjede Tätigkeit zu verstehen, die ein Amtsträger zur Wahr-nehmung der ihm übertragenen Aufgaben entfaltet.15 Diesschließt alle Aufgaben ein, die ein Amtsträger nur auf-grund seines Amtes wahrnehmen kann und die in den Be-reich seiner amtlichen Funktionen fallen.16

Dienstausübung und Vorteil müssen aber im Wege einesnormativen Korrektivs „inhaltlich verknüpft“ sein.17 Esmuss ein Gegenseitigkeitsverhältnis in dem Sinne beste-

7 Vgl. Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Span-nungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersu-chung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 214.

8 Eine beispielhafte Darstellung verschiedener, die Strafrechtspraxisbeschäftigender Konstellationen findet sich bei: Kalbfell, KommunaleMandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Koope-ration und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von§§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009.

9 Vgl. insbesondere BGH, Urt. v. 11.05.2006 - 3 StR 389/05.10 Zur zentralen Bedeutung der sog. Unrechtsvereinbarung bei der Prü-

fung und Anwendung der Korruptionsdelikte vgl. BGH, Urt. v.19.11.1992 - 4 StR 456/92 - BGHSt 39, 45, 46; BGH, Urt. v.23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295, 306 f.; Heine/Eisele in:Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 35 ff.

11 BGBl I 1997, 2038.12 Vgl. BT-Drs. 13/8079, S. 15.13 Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - BGHSt 53, 6, 14 f.14 Vgl. BT-Drs. 13/8079, S. 15; zu dem damit verbundenen Verlust an

Trennschärfe vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331Rn. 37.

15 Vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1983 - 4 StR 375/82 - BGHSt 31, 264, 280.16 Vgl. BGH, Urt. v. 03.12.1987 - 4 StR 554/87 - BGHSt 35, 128, 132.17 Vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 31.

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hen, dass der Vorteil nach dem ausdrücklichen oder still-schweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grundgerade in der Dienstausübung findet.18 Die Beteiligtenmüssen demnach im Rahmen einer sog. Unrechtsverein-barung darin übereinstimmen, dass der Vorteil entwederdem Zweck dient, auf die künftige Dienstausübung desAmtsträgers Einfluss zu nehmen oder eine vergangeneDienstausübung zu belohnen.19

Eine zweite mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korrup-tion vom 13.08.199720 einhergehende Ausdehnung desAnwendungsbereichs des Tatbestandes der Vorteilsannah-me liegt in der Einbeziehung sog. Drittvorteile.21 In seinergeltenden Fassung verlangt § 331 Abs. 1 StGB22 nichtzwingend, dass der Amtsträger den Vorteil für sich selbstbeansprucht. Ein auf die Erlangung eines Vorteils durcheinen Dritten bezogenes Handeln reicht aus.

Aufgrund dieser Weite erfasst der Straftatbestand der Vor-teilsannahme in seiner geltenden Fassung – auch über denTätigkeitsbereich kommunaler Wahlbeamter hinausgehend– vordergründig Handlungen und Sachverhalte, derenStrafwürdigkeit in Teilen in Zweifel gezogen wird.23

Auf den ersten Blick mag die zwischenzeitlich in vereinzel-ten Kommunalgesetzen verankerte Zuweisung einer Art„Fundraiser-Funktion“ an kommunale Wahlbeamte24 eineStrafbarkeitsrisiken begründete Verknüpfung von Amtsfüh-rung und Generierung geldwerter Vorteile zusätzlich inten-sivieren. Bei näherer Betrachtung liegt in einer funktiona-len Aufgabenzuweisung und der Einrichtung transparenterAnzeige- und Genehmigungsverfahren ein geeignetes Mit-tel, den Anwendungsbereich der Korruptionstatbeständeauf einen ihrem Schutzzweck entsprechenden Umfang zubegrenzen, Rechtssicherheit zu schaffen und auf dieseWeise Strafbarkeitsrisiken für (kommunale) Amtsträgereinzuschränken. Denn kommunalen Wahlbeamten einegenerelle Unbedenklichkeit einer privatfinanzierte Drittmit-tel erschließenden Amtsführung zu bescheinigen, erscheintde lege lata gewagt.25

II. Keine generelle Einschränkungder §§ 331, 333 StGB im Falle privater Zuwendungenan oder auf Geheiß von Kommunenbzw. deren Wahlbeamte

Angesichts der Weite der geltenden Korruptionsvorschrif-ten ist anerkannt, dass diese einer interessengerechten Be-schränkung bedürfen, um ein Ausufern der Strafbarkeit zuvermeiden und Rechtsklarheit zu schaffen.26 Literatur27

und Rechtsprechung28 sind gleichermaßen bestrebt, demAnwendungsbereich der Korruptionstatbestände Konturenzu verleihen und das ausschlaggebende Tatbestandsmerk-mal der „Unrechtsvereinbarung“ zu konkretisieren.

Die einschlägige Rechtsprechung bestätigt jedoch, was un-ter Berücksichtigung der Ratio der Korruptionstatbeständenicht sein kann und auch nicht sein darf. PrivatfinanzierteMittel generierendes Handeln kommunaler Wahlbeamterist – anders als teilweise befürwortet29 – nicht per se demAnwendungsbereich der Tatbestände der §§ 331, 333StGB und damit einer potentiellen Strafbewehrung entzo-gen.30

Dies verdient mit Blick auf den durch die Korruptionsvor-schriften und insbesondere deren Weite bezwecktenSchutz des Vertrauens in die Lauterkeit des öffentlichenDienstes Zustimmung.

Die Grenzen der vorrangig Bedeutung entfaltenden Tat-bestände der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährungsind im Wege der teleologischen Reduktion zu finden. Aus-gangspunkt sind dabei die durch die §§ 331 ff. StGB zuschützenden bezweckten Rechtsgüter, namentlich die Lau-terkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen derAllgemeinheit in eben diese.31 Eine Strafbarkeit nach § 331Abs. 1 StGB scheidet nur dann aus, wenn nach den kon-

18 Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - BGHSt 53, 6, 16.19 Vgl. Schlösser/Nagel, wistra 2007, 211, 212.20 BGBl I 1997, 2038.21 Vgl. Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 266.22 Das Gleiche gilt für den spiegelbildlich ausgestalteten Tatbestand

des § 333 StGB.23 Zu Zweifeln an der Strafwürdigkeit bestimmter, durch die Tatbestän-

de der Vorteilsannahme und -gewährung erfasster Handlungen imBereich der sog. Drittmittelforschung vgl. Ambos, JZ 2003, 345, 350;Michalke, NJW 2002, 3381, 3382.

24 Vgl. etwa § 78 Abs. 4 Satz 2 GemO Baden-Württemberg, § 94 Abs. 3Sätze 1 u. 4 RhPfGO, § 111 Abs. 7 Sätze 1 u. 2 NKomVG.

25 Auch das in § 331 Abs. 3 StGB festgeschriebene Genehmigungsver-fahren ist nicht geeignet, eine generelle Unbedenklichkeit einer Dritt-mittel erschließenden Amtsführung zu begründen; vgl. dazu umfas-send Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte imSpannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersu-chung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 249 ff.

26 Vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 37.27 Vgl. beispielhaft Rönnau, Jus 2003, 232, 236 f.; Ambos, JZ 2003,

343, 350; Kuhlen, JR 2003 231, 233 f.28 Vgl. beispielhaft BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47,

295, 307 ff.29 Vgl. etwa Winkelbauer/Felsinger, BWGZ 1999, 291, 292 ff. sowie

Dannecker, BWGZ 2001, 555 ff. jeweils mit unterschiedlichem Be-gründungsansatz.

30 Vgl. BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07 - Rn. 16 f.31 Zu den durch die Korruptionstatbestände geschützten Rechtsgütern

vgl. RG, Urt. v. 05.10.1906 - V 483/06 - RGSt 39, 193; BGH, Urt. v.25.07.1960 - 2 StR 91/60 - BGHSt 15, 88; BGH, Urt. v. 31.05.1983 -1 StR 772/82 - NStZ 1984, 24 sowie Fischer, StGB, § 331 Rn. 3 undSchreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 267, jeweilsm.w.N.

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kreten Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigungaußerstrafrechtlicher Normen der Anschein einer Käuflich-keit vermieden wird.32

Selbstredend dürfen die strafrechtlichen Korruptionstat-bestände nicht dazu führen, dass einem Amtsträger so-wohl ein privates Engagement zu wohltätigen Zwecken alsauch eine die (finanziellen) Interessen seiner Gemeindewahrende Amtsausführung verwehrt sind. Die Grenze liegtjedoch dort, wo privates (mildtätiges) Engagement und dieStellung als öffentlicher Amtsträger derart verknüpft wer-den, dass der Amtsträger die ihm kraft Amtes innewoh-nende (Macht-)Position zum Anlass nimmt, Vorteile, sei eszu eigenen Gunsten oder zugunsten Dritter, zu erlangen,und sich dieses Handeln mangels Wahrung öffentlicherVerfahren, der damit verbundenen Transparenz sowie desVerstoßes gegen (beamten-)rechtliche Vorgaben als Aus-nutzen der besonderen Stellung als Amtsträger darstellt.Diese Grenze ist durch die Ratio der Korruptionsvorschrif-ten determiniert.

Eine solche an dem Sinn und Zweck der Korruptionsvor-schriften orientierte Auslegung schränkt den Raum wederfür ein wohltätiges privates Engagement auch solcher Per-sonen, die ein öffentliches Amt bekleiden noch für eine imWege des Fundraising verstandene, in Teilen gesetzgebe-risch erwünschte Amtsführung unzulässig ein. EinemAmtsträger ist es zum einen unbenommen und auch ohneweiteres möglich, ein privates wohltätiges Engagement zuentfalten, ohne dies mit seiner amtlichen Stellung und dendamit verbundenen Funktionen, Zuständigkeiten und Be-fugnissen zu verknüpfen. Zum anderen ist es ihm ebensounbenommen, eine Drittmittel generierende Amtsführungnur insoweit auszuüben, als ihm diese Aufgabe zugewie-sen ist, und in diesem Fall die gebotene Transparenz durchEinhaltung etwaiger Anzeige- oder Genehmigungsverfah-ren zu wahren. Dass dies bedeutet, ein Drittmittel generie-rendes Handeln nicht in einen situativen und inhaltlich ver-knüpfenden Zusammenhang mit der Dienstausübung odergar einer konkreten Diensthandlung gegenüber dem Zu-wendenden zu stellen, ist wünschenswert und war im Üb-rigen bereits vor Erweiterung des Tatbestandes der Vor-teilsannahme durch das Korruptionsbekämpfungsgesetzstrafbewehrt.33

Auch eine verwaltungsakzessorische Auslegung der Kor-ruptionstatbestände in Anlehnung an die einschränkendeRechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Fallkonstella-tionen aus den Bereichen der Drittmittelforschung und derParteispendeneinwerbung begründet keine generelle Aus-nahme vom tatbestandlichen Unrechtswert der Vorteils-annahme im Falle einer mit der Dienstausübung verknüpf-ten Erschließung privater Finanzierungsquellen.

Zwar mögen die angespannte Finanzlage der öffentlichenHaushalte und ein damit verbundener gesteigerter privaterFinanzierungsbedarf bei der Finanzierung und Förderungsozialer und kultureller Lebensbereiche ein Bedürfnis derKooperation mit privaten Investoren, Mäzenen und Spon-soren schaffen, das eine der Drittmittelforschung im Be-reich der Hochschulen vergleichbare Situation begründet.

Diese Vergleichbarkeit schafft jedoch keine dem Anwen-dungsbereich des materiellen Strafrechts entzogenen Pa-rallelsphären, sondern bedeutet allenfalls, dass ein privateFinanzierungsquellen erschließendes Handeln kommunalerWahlbeamter dann nicht der tatbestandsmäßigen Straf-barkeit der Vorteilsannahme unterliegen kann, wenn einsolches Handeln – dem Schutzzweck der Korruptionstat-bestände entsprechend – dem Vertrauen der Öffentlich-keit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes im Einzel-fall nicht zuwiderläuft. Ausschließlich die Vermeidung ge-setzlich angelegter Pflichtenkollision und gesetzlicherWertungswidersprüche diente dem Bundesgerichtshof alsBegründung zur tatbestandlichen Einschränkung des Tat-bestandes der Vorteilsannahme im Fall der Drittmittelfor-schung34 sowie als Argument bei den von ihm angestell-ten Überlegungen zur Parteispendeneinwerbung durchkommunale Wahlbeamte35.

Ein private Finanzierungsquellen erschließendes Handelnkommunaler Wahlbeamter kann unter Berücksichtigungdieser Maßgaben sowie des Schutzzwecks der bewusstweit gefassten Korruptionstatbestände nicht per se demAnwendungsbereich der Vorteilsannahme entzogen sein.

Es ist zwar konsequent und geboten, dass dort, wo einAmtsträger dazu berechtigt oder gar berufen ist, privateDrittmittel einzuwerben und anzunehmen, ein diesem Auf-trag entsprechendes Verhalten – sofern die gesetzlichenVorgaben eingehalten sein sollten – keine Strafbarkeit be-gründen kann.36

Im Bereich der hochschulrechtlichen Drittmittelforschungetwa hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass einemAmtsträger das Einwerben von privatfinanzierten Drittmit-teln zur Förderung von Forschung und Lehre dann nichtstrafrechtlich angelastet werden kann, soweit eine solche

32 Vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 39.33 Vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2002 - 1 StR 541/01 - Rn. 36.34 Vgl. BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295, 306.35 Vgl. BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07 - NJW 2007, 3446-3449.36 Vgl. Gorf in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht,

Kap. 10, § 331 Rn. 105.

Die Monatszeitschrift

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Tätigkeit die hochschulrechtlich verankerte Aufgabe desAmtsträgers darstellt und dem Schutzgut der Strafvor-schrift, dem Vertrauen in die Lauterkeit des öffentlichenDienstes, durch die Einhaltung der hochschulrechtlich vor-gesehenen Anzeige- und Genehmigungsverfahren und diedamit verbundene Transparenz hinreichend Rechnung ge-tragen ist.37

Auch das beamtenrechtliche Verbot des § 42 Abs. 1 Be-amtStG bestätigt den Grundsatz, dass kommunale Wahl-beamte ihre Amtsführung an den durch die Korruptions-vorschriften gesetzten Grenzen zu orientieren haben. Gem.§ 42 Abs. 1 BeamtStG, der gem. §§ 1 und 6 BeamtStG aufkommunale Wahlbeamte als Beamte auf Zeit Anwendungfindet, ist es einem Beamten grundsätzlich untersagt, Zu-wendungen anzunehmen. Diesem Verbot unterliegen auchZuwendungen Privater an Dritte, wie beispielsweise privat-rechtliche Vereine.38 In der amtlichen Begründung zu § 42BeamtStG hat der Gesetzgeber unter Verweis auf § 331StGB ausdrücklich ausgeführt, dass es einem Beamten ver-wehrt ist, für sich oder Dritte Vorteile jeglicher Art zu for-dern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen.39

Anderes folgt letztlich auch nicht aus der in den steuer-rechtlichen Begünstigungstatbeständen der §§ 10b EStGund 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG zum Ausdruck kommenden legis-lativen Anerkennung gemeinnütziger Spenden. Dem Grun-de nach ist das Instrument der Spende gesetzlich aner-kannt und gebilligt. Das Steuerrecht weist der Spende dieFunktion zu, die Gemeinwohlverwirklichung durch privateFörderung zu ergänzen, und begünstigt aus diesem Grundfür Spenden aufgewandte Ausgaben.40 Charakter einerSpende ist jedoch deren Uneigennützigkeit, d.h. sie darfnicht mit einer wirtschaftlichen Gegenleistung in Verbin-dung stehen. Jedenfalls dann, wenn als Spenden deklarier-te Zahlungen angeboten, gefordert und/oder angenom-men werden, deren gegebenenfalls verschleierter Hinter-grund jedoch (zumindest auch) darin besteht, auf dieAmtsführung des Amtsträgers einzuwirken, liegt ein Ent-geltcharakter vor, der den Anschein der Käuflichkeit undeine den Anwendungsbereich der Vorteilsannahme er-öffnende Unrechtsvereinbarung zwischen Amtsträger undZuwendendem begründet.41 Diese Grenze zwischen straf-freiem und strafbarem Verhalten erschließt sich auch ausder Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Partei-spendeneinwerbung durch kommunale Wahlbeamte. Da-nach entsteht der eine Strafbarkeit nach § 331 StGB be-gründende Anschein der Käuflichkeit dann, wenn (überein-stimmender) Zweck der Spende nicht bloß eine Förderungder politischen Zielsetzungen des Amtsträgers ist, mit de-nen der Zuwendende sympathisiert bzw. von denen er imAllgemeinen profitiert, sondern darin besteht, die Gewo-genheit des Amtsträgers mit Blick auf eigene Individual-

interessen bei einzelnen – wenn auch noch unbestimmten– Entscheidungen zu fördern.42

Demzufolge ist es weder mit den geltenden gesetzlichenVorgaben vereinbar noch unter Berücksichtigung desSchutzzwecks der Korruptionstatbestände geboten, ein pri-vatfinanzierte Drittmittel erschließendes Handeln kom-munaler Wahlbeamter generell aus dem Anwendungs-bereich dieser Straftatbestände auszuklammern.

Auch hier gilt allerdings der Erfahrungssatz: Dem Grund-satz wohnt stets die Ausnahme inne.

Anerkennend, dass die Weite des Tatbestandes der Vor-teilsannahme einer Einschränkung bedarf, zeigt die Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs zur Drittmittelforschungsowie zur Parteispendeneinwerbung in ihrem der Abstrak-tion zugänglichen Kerngehalt Raum für eine solche Ein-schränkung auf, die allerdings einer regelungstechnischenManifestation bedarf.

C. Einfluss außerstrafrechtlicher Regelungenauf den Tatbestand der Vorteilsannahme

I. Das Tatbestandsmerkmal der Unrechts-vereinbarung als Anknüpfungspunkteiner einschränkenden Auslegung

Eine Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme infolge einerdem Anwendungsbereich dieses Straftatbestandes nichtper se entzogenen, im Zusammenhang mit der Amtsfüh-rung stehenden Erschließung privatfinanzierter Drittmittelhängt im Einzelfall davon ab, ob zwischen der Vorteils-annahme43 und der Dienstausübung eine inhaltliche Ver-knüpfung im Sinne einer Unrechtsvereinbarung besteht.Das Vorliegen einer solchen Unrechtsvereinbarung ist Tat-frage, die anhand aller fallbezogenen Umstände und Indi-zien – insbesondere der gesamten Interessenlage der Be-teiligten – zu beantworten ist.44 Diese Einzelfallbezogen-

37 Vgl. BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295, 306.38 Vgl. Plog/Wiedow, § 42 BeamtStG Rn. 1.39 Vgl. BT-Drs. 16/4027, Begründung zu § 43 BeamtStG-Entwurfsfas-

sung.40 Vgl. Quambusch, Spenden als Gegenleistung für Beamtenhandeln,

Die Personalvertretung 2008, 56, 57; BFH, Urt. v. 02.08.2006 - XI R6/03 - BStBl II 2007, 8.

41 Vgl. Quambusch, Spenden als Gegenleistung für Beamtenhandeln,Die Personalvertretung 2008, 56, 57.

42 Vgl. BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07 - Rn. 15 ff.43 Der Begriff der Vorteilsannahme wird im Interesse einer gebotenen

(stilistischen) Vereinfachung als Oberbegriff für die Tat- und Hand-lungsalternativen des § 331 Abs. 1 StGB verwendet.

44 Vgl. BGH, Urt. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - Rn. 31 f.

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heit bedingt dem Grunde nach, dass das Merkmal der Un-rechtsvereinbarung kaum trennscharfe Konturen auf-weist.45

Dass an den mit dieser Einzelfallprüfung verbundenen Un-wägbarkeiten nichts zu ändern ist46, kann allerdings nurbedingt Geltung beanspruchen. Die Notwendigkeit, dasVorliegen einer Unrechtsvereinbarung anhand aller Um-stände und Indizien des Einzelfalles zu beurteilen, was dieBerücksichtigung außerstrafgesetzlicher Wertungen ein-bezieht47, bedingt, dass der Tatbestand des § 331 StGB48

auch einer an diesem Tatbestandsmerkmal anknüpfenden,einschränkenden Auslegung zugänglich ist.49 Nichts ande-res besagt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurDrittmittelforschung und zur Parteispendeneinwerbung,die eine Einschränkung des Tatbestandes der Vorteils-annahme anerkennt, soweit infolge der Existenz und Ein-haltung Transparenz wahrender Verfahren sowie einesHandelns innerhalb amtlicher Befugnisse und Zuständig-keiten eine Unrechtsvereinbarung nicht angenommen wer-den könne.50

II. Die Heranziehung untergesetzlicher Regelungenim Rahmen der das Vorliegen einer Unrechts-vereinbarung betreffenden tatrichterlichenÜberzeugungsbildung

Auf die Situation kommunaler Wahlbeamter übertragen,würden die von der Rechtsprechung zur sog. Drittmittelfor-schung aufgestellten Grundsätze in ihrem der Abstraktionzugänglichen Kerngehalt bedeuten, dass ein privatfinan-zierte Drittmittel erschließendes Handeln kommunalerWahlbeamter (nur) dann nicht der tatbestandsmäßigenStrafbarkeit der Vorteilsannahme unterläge, wenn und so-weit ein solches Handeln in den Bereich der amtlich ver-anlassten Aufgaben des Amtsträgers fiele und eine denSchutzzweck der Korruptionsvorschriften wahrende Trans-parenz aufzeigen würde.51

Die Bundesregierung brachte demzufolge in ihrer Antwortvom 16.02.200752 auf eine Kleine Anfrage mehrerer Mit-glieder der Fraktion der FDP im Bundestag53 zum Aus-druck, dass sie keine Erforderlichkeit sehe, die Tatbeständeder §§ 331 ff. StGB einzuschränken, da mit außerstraf-rechtlichen Regelungen zu einem transparenten Genehmi-gungsverfahren erwünschte Spenden und deren Einwer-bung oder Annahme durch kommunale Wahlbeamte ausdem Anwendungsbereich der Korruptionstatbestände aus-genommen werden könnten, sofern die betroffenen Amts-träger die außerstrafrechtlich festgeschriebenen Genehmi-gungsverfahren, für deren Einführung die Bundesregierungeinen Bedarf erkannte, einhielten.54

Inwieweit eine entsprechende Aufgabenzuweisung im Fal-le kommunaler Wahlbeamter amtsimmanent ist55, magdahinstehen. Jedenfalls mangelt es derzeit (noch) an einerflächendeckenden Existenz von Regelungen, die Trans-parenz wahrende Anzeige- oder Genehmigungsverfahrenvorsehen. Auf Bundes- und Landesebene sowie in einzel-nen Bundesländern auch im Hinblick auf die Situationkommunaler Amtsträger hat man die Rechtsprechung zursog. Drittmittelforschung zum Anlass genommen, Rege-lungen einzuführen, die das Einwerben und Annehmenvon Spenden als Dienstaufgabe bestimmter Bundes-, Lan-des- oder Kommunalbeamter festschreiben und in einTransparenz garantierendes Anzeige- und Genehmigungs-verfahren einbetten. Beispielhaft seien insoweit für dieBundesebene die Allgemeine Verwaltungsvorschrift desBundesministeriums des Inneren zur Förderung von Tätig-keiten des Bundes durch Leistungen Privater („Sponsoring,Spenden und sonstige Schenkungen“) vom 07.07.200356,für die Landesebene die Rahmenrichtlinie „Grundsätze fürSponsoring, Werbung, Spenden und mäzenatische Schen-kungen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben“ der In-nenministerkonferenz der Länder57 sowie auf kommunalerEbene beispielsweise § 78 Abs. 4 GemO Baden-Württem-berg, § 94 Abs. 3 RhPfGO i.V.m. § 58 Abs. 3 RhPfKreisO,§ 111 Abs. 7 NKomVG angeführt. Das Kommunalrecht an-derer Länder verzichtet dahingegen bis dato (noch) aufentsprechende Regelungen.58

45 So auch BGH, Urt. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - Rn. 34.46 Vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2004 - 3 StR 301/03 - BGHSt 49, 275, 296.47 Vgl. Ambos, JZ 2003, 345, 350 ff.; Busch, NJW 2006, 1100, 1102

zum Schulsponsoring durch sog. Fotoaktionen.48 Gleiches gilt für den spiegelbildlich ausgestalteten Tatbestand des

§ 333 StGB.49 So auch Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im

Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Unter-suchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 244m.w.N.

50 Vgl. BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295-311;BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07.

51 Vgl. Glauben, LKRZ 2008, 81, 84 f. sowie arg e contr aus BGH, Urt. v.25.02.2003 - 5 StR 363/02 - Rn. 34.

52 Vgl. Antwort der Bundesregierung vom 16.02.2007, BT-Drs. 16/4333,S. 10.

53 BT-Drs. 16/4227.54 Vgl. Glauben, LKRZ 2008, 81, 82.55 So wohl Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 270.

Zur Amtsimmanenz bestimmter Aufgaben vgl. auch Trüg, NJW 2009,196, 197 f.

56 BAnz Nr. 126, 11.07.2003, S. 14906.57 www.antikorruption.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=bb1.

c.181548.de (abgerufen am 28.11.2014).58 So ist dem saarländischen Kommunalrecht beispielsweise eine priva-

te Kofinanzierung fremd. § 11 des Kommunalen Selbstverwaltungs-gesetzes des Saarlandes regelt, dass die Gemeinden ihre Finanzwirt-

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Dieser Befund föderal divergierender, kommunalrechtlicherGesetzeslagen bedingt die Fragen, ob erstens landesrecht-liche (Verwaltungs-)Vorschriften Einfluss auf den Anwen-dungsbereich des bundesgesetzlichen Strafrechts nehmenkönnen59 und zweitens in Konsequenz dessen die straf-rechtliche Beurteilung eines bestimmten Verhaltens inner-halb des einem einheitlich Geltung beanspruchendenStrafrecht unterliegenden Bundesgebiets divergieren kann.

Im Ergebnis ist, sofern das Einwerben, Annehmen oderVermitteln von Spenden zu den amtsimmanenten60 odergesetzlich verankerten Aufgaben eines kommunalen Wahl-beamten gehört, ein Transparenz sicherstellendes Anzeige-und/oder Genehmigungsverfahren geeignet, dem Anscheinder Käuflichkeit entgegenzuwirken und die Annahme einerUnrechtsvereinbarung auszuschließen.61 Ohne Einfluss istdabei, ob das jeweilige Anzeige- und/oder Genehmigungs-verfahren in gesetzlichen oder bloß untergesetzlichen Re-gelungen verankert ist, sofern es eine abstrakte Eignungaufweist, die einem Anschein der Käuflichkeit entgegen-tretende Transparenz sicherzustellen, und im konkretenEinzelfall auch eingehalten wurde.

Maßstab für die Beurteilung, ob eine Regelung über einVerfahren bei der Einwerbung und Annahme von privatenZuwendungen geeignet ist, auf die Strafbarkeit gem. § 331StGB, konkreter die tatrichterliche Beurteilung, ob und in-wieweit eine Zuwendung von einer Unrechtsvereinbarunggetragen ist, Einfluss zu nehmen, kann allein der Schutz-zweck der Korruptionsvorschriften darstellen. Entschei-dend ist demnach die Frage, ob eine Regelung über dasEinwerben und Annehmen von privatfinanzierten Mittelngeeignet ist, Gefahren im Hinblick auf das Rechtsgut desVertrauens der Öffentlichkeit in die Lauterkeit der öffent-lichen Verwaltung entgegenzuwirken. Sofern dies zu beja-hen ist, stehen die entsprechende Regelung und die Ein-haltung des durch sie vorgeschriebenen Verfahrens derAnnahme einer Unrechtsvereinbarung entgegen. Dies be-gründet keinen Verstoß gegen die Rechtsnormenhierar-chie, da es letztlich ausschließlich um die tatrichterlicheBeurteilung geht, ob das Tatbestandsmerkmal der Un-rechtsvereinbarung erfüllt ist. Hierbei landesgesetzlicheRegelungen oder gar bloße Landesverwaltungsvorschriftenheranzuziehen, begegnet keinen Bedenken.

Mit Blick auf das durch die Strafvorschriften der §§ 331 ff.StGB geschützte Rechtsgut sowie das Gebot der umfassen-den Wertung aller Umstände und Indizien ist nicht derRechtscharakter der zur einschränkenden Bestimmung derUnrechtsvereinbarung herangezogenen Regelung entschei-dend, sondern allein die von dieser Regelung ausgehen-den, für die Öffentlichkeit ersichtlichen Auswirkungen.62

Soweit in die tatrichterliche Würdigung die Umstände der

einzelnen Vorteilsgewährung, d.h. insbesondere auch dieTransparenz der Vorgehensweise, einzufließen haben63,sind Maßgaben über Transparenz gewährende Anzeige-oder Genehmigungsverfahren gleich ihres rechtlichen Cha-rakters64 geeignet, das Vertrauen in die Lauterkeit des öf-fentlichen Dienstes zu wahren, sofern sie denn im Einzel-fall Beachtung finden. Der Umstand, dass allein das Fehleneiner landesgesetzlichen Aufgabenzuweisung, sei es inVersäumnissen oder aber in einer bewussten Entscheidungbegründet, ausschlaggebend dafür ist, dass spendengene-rierendes Handeln kommunaler Wahlbeamter in Teilen deseinem einheitlich Geltung beanspruchenden Strafrecht un-terliegenden Bundesgebiets strafbar und in anderen Teilenstraffrei sein kann, ist hinzunehmen, da der bundesstaatli-chen Ordnung immanent ist, dass rechtliche Vorfragen jenach der zu beachtenden Gesetzeslage unterschiedlich zubeantworten sein können.65

Soweit demnach eine Drittmittel erschließende Amtsfüh-rung kommunaler Wahlbeamter zum Leitbild erklärt wer-den und erwünscht sein sollte, steht es den politisch ver-antwortlichen Akteuren frei, ein solches Handeln in Rege-lungen einzubetten, deren Einhaltung die Annahme einerUnrechtsvereinbarung ausschließt und den Beteiligtenüber den Einzelfall hinaus Rechtssicherheit gewährleistet.Aus der verfassungsrechtlich verankerten, beamtenrecht-

schaft in eigener Verantwortung regeln und hierzu das Recht haben,Steuern und sonstige Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erhe-ben. Soweit die eigenen Einnahmen nicht ausreichen, sichert dasLand den Gemeinden die zur Durchführung ihrer eigenen und derübertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Rahmen des kom-munalen Finanzausgleichs zu. Korrespondierend legt § 83 Abs. 2 desKommunalen Selbstverwaltungsgesetzes als Grundsatz der Finanz-mittelbeschaffung fest, dass eine Kommune die zur Erfüllung ihrerAufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und gebotenaus Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und im Übrigenaus Steuern zu beschaffen hat. Eine Ermächtigung oder gar Aufga-benzuweisung an den Hauptwahlbeamten zur Spendeneinwerbungund -annahme enthält das Kommunale Selbstverwaltungsgesetznicht.

59 Vgl. bspw. Ambos, JZ 2003, 345, 353 m.w.N.60 So wohl Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 270.61 So im Ergebnis auch Glauben, LKRZ 2008, 81, 84 sowie Kalbfell,

Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwi-schen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reich-weite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 273 ff. und 277 ff.

62 So auch Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 273;Rudolphi/Stein in: SK, § 331 Rn. 29; Michalke, NJW 2002, 3381,3382.

63 Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - Rn. 32.64 Zu materiellen Anforderungen an eine einschränkende Auslegung er-

möglichende landesgesetzliche Regelungen und deren Grenzen vgl.Glauben, LKRZ 2008, 81, 83; Mansdörfer, VBlBW 2007, 406, 409 ff.

65 Vgl. BGH, Urt. v. 26.05.2011 - 3 StR 492/10 - Rn. 22.

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lichen Fürsorgepflicht66 mag man gar eine Verpflichtungableiten, Rechtssicherheit gewährende Maßnahmen zu er-greifen, soweit Beamten eine Strafbarkeitsrisiken bergendeAmtsführung auferlegt wird. Mit Blick auf den Schutz-zweck der Korruptionsvorschriften kann eine solcheRechtssicherheit gewährende Einschränkung über einefunktionale Aufgabenzuweisung sowie die EinrichtungTransparenz wahrender Anzeige- und Genehmigungsver-fahren erfolgen. Dass insoweit im Falle privater (Ko-)Finan-zierung kommunaler oder sozialer Angebote etwas ande-res gelten soll als im Bereich der Drittmittelforschung, istweder ersichtlich noch plausibel.67

D. Fazit

In Anbetracht der derzeit bestehenden Rechtslage undder damit verbundenen Strafbarkeitsrisiken ist kommuna-len Wahlbeamten bei der im Zusammenhang mit ihremAmt stehenden Einwerbung oder Annahme von Zuwen-dungen zugunsten der Kommune oder auch Dritter zu äu-ßerster Vorsicht zu raten. Soweit gesetzgebende Organeund Verwaltung die Erschließung zusätzlicher materiellerRessourcen infolge privater Finanzierungen kommunaleroder sozialer Aufgaben vorantreiben wollen, sind sie ge-fordert, Rechtssicherheit zu schaffen und den zwischender Weite der Korruptionsdelikte und der an die Kom-munen gerichteten Forderung, durch Generierung privaterMittel zur Sicherstellung der Finanzierung kommunalerund sozialer Aufgaben beizutragen, bestehenden Wider-spruch aufzulösen.68 Dies gebieten der Schutz der Lauter-keit des öffentlichen Dienstes und die Wahrung des darananknüpfenden, demokratisch unverzichtbaren Vertrauensin eben diese Lauterkeit ebenso wie die beamtenrecht-liche Fürsorgepflicht. Der durch den Schutzzweck der Kor-ruptionsvorschriften vorgegebene Weg, eine solche

Rechtssicherheit zu erlangen, besteht darin, dem Vorbildvereinzelter Kommunalrechtsordnungen folgend, ein spen-dengenerierendes Handeln als Teil der Amtsaufgabenkommunaler Wahlbeamter festzuschreiben und in einTransparenz wahrendes Anzeige- und/oder Genehmi-gungsverfahren einzubetten, sei es durch gesetzliche oderbloß untergesetzliche Regelungen. In beiden Fällen wer-den Ermittlungsbehörden und Strafgerichte die Möglich-keit erhalten, durch Überprüfung der Einhaltung vorgese-hener Anzeige- und/oder Genehmigungsverfahren einfachund frühzeitig Tatsachen zu erforschen, die starke indiziel-le Bedeutung bei der Beurteilung eines Tatverdachts oderauch der abschließenden Entscheidungs-/Urteilsfindungerlangen.69

Infolge der damit verbundenen Steigerung der Rechts-sicherheit werden lauter handelnde Amtsträger sich auf ei-ne dem Gemeinwohl verpflichtete Amtsführung konzen-trieren können und private, lautere Absichten verfolgendeFinanziers in der Lage sein, die mit Blick auf den sie adres-sierenden Tatbestand des § 333 Abs. 1 StGB bestehendenRisiken abzuschätzen.

66 Diese folgt für Beamtinnen und Beamte der Länder, Gemeinden undGemeindeverbände aus Art. 33 Abs. 4 GG, einfachgesetzlich konkre-tisiert durch § 45 Beamtenstatusgesetz i.V.m. den einschlägigen lan-desrechtlichen Vorschriften.

67 Vgl. Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 272;Gorf in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 10,§ 331 Rn. 124 ff. m.w.N.

68 Vgl. Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265.69 So für das Stadium des Ermittlungsverfahren auch Glauben, LKRZ

2008, 81, 85.

Die Monatszeitschrift

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Arno Buschmann, Mit Brief und Siegel.Kleine Kulturgeschichte des PrivatrechtsC.H. Beck, München 2014, ISBN 978 3 406 6444 3 6,Taschenbuch – Paperback, 276 Seiten(davon 12 Seiten Personen- und Sachregister), 14,95 Euro(Kindle Edition: 11,99 Euro)

Michael Martinek

Ganzseitig und farbenprächtig hat die NJW in der Vor-weihnachtszeit dieses schmucke Taschenbuch beworben,in dem Arno Buschmann, emeritierter o. Professor fürRechtsgeschichte und Privatrecht an der Universität Salz-burg, die „Verbindung zwischen der Geschichte des Privat-rechts und der Kulturgeschichte in einem ersten Überblickvor Augen zu stellen“ versucht (Vorwort), denn die „Er-kenntnis, dass das Recht eine Kulturerscheinung und dieRechtsgeschichte ein Bestandteil der Kulturgeschichte ist,wird zwar in der rechtshistorischen Forschung häufig be-tont, in ihr jedoch methodisch kaum umgesetzt“ (S. 18).Nach einer programmatischen Einleitung zur Privatrechts-geschichte als Kulturgeschichte (S. 13-23) behandelt ArnoBuschmann in sechs Kapiteln die Anfänge des modernenPrivatrechts im Hochmittelalter (S. 24-58), Gelehrtes Rechtund gelehrte Rechtskultur im Heiligen Römischen Reich(S. 59-84), Wandlungen der gelehrten Privatrechtskultur im18. und 19. Jahrhundert (S. 85-122), Neue Grundlagen dergelehrten Privatrechtskultur im 18. Jahrhundert (S. 123-165), Grundlegung der modernen Privatrechtskultur im19. Jahrhundert (S. 166-218) und schließlich Privatrechtund Privatrechtswissenschaft im 20. Jahrhundert (S. 219-259). So spannt er den Bogen einer tausendjährigen deut-schen Rechtsgeschichte mit Schwerpunkt auf der Ge-schichte der Rezeption des römischen Rechs. So unterrich-tet er den Leser etwa über die Rechtsschule von Bologna,die päpstliche Dekretalengesetzgebung, das gelehrteRechtsstudium der deutschen Scholaren, die Gelehrten Ju-risten in der Gesetzgebung in Reich, Territorien und Städ-ten. So bringt er dem Leser beispielsweise die humanisti-schen Reformen in Lehre, Gesetzgebung und Gerichts-wesen, den Rationalismus und die Renaissance desNaturrechts im 17. Jahrhundert, die Vernunftrechtslehreund den Usus Modernus Pandectarum oder die preußischeKodifikation von 1794 näher. So schildert er den berühm-ten Kodifikationsstreit und die Historische Rechtsschuleoder die Entstehungsgeschichte des schweizerischen Obli-gationenrechts und unseres BGB. Und so berichtet er etwaüber die nationalsozialistische Rassengesetzgebung, überdie Privatrechtsentwicklung in der DDR oder über den Ein-fluss des Grundgesetzes mit seiner Wertordnung auf dasBGB. Arno Buschmann bereitet den Stoff mit tiefer Sach-kunde und einfühlsamer Anschaulichkeit auf. Er sorgt beimLeser für ein erquickliches Bildungserlebnis von ausgepräg-

ter juristischer Intellektualität und zugleich für eine kurz-weilige und oft sogar vergnügliche Läuterung. Dass dasWerk, wie der Verlag meint, auch für „juristische Laien“zugänglich ist, darf man freilich bezweifeln. Den größtenGewinn von der Lektüre dürften gestandene Juristen erzie-len, die einmal den Blick vom juristischen Alltagsgeschäfterheben und über die zurückliegenden Jahrhunderte derRechtsentwicklung mit ihren Höhen und Tiefen streifenlassen wollen, um sich an der gewordenen Würde ihresFachs zu erbauen. Sie werden sich dabei vielfach an dieVorlesung „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“ aus ihrenfrüheren Semestern erinnert fühlen.

Denn – offen gesagt – Arno Buschmann präsentiert doch inerster Linie eine recht klassische kurzgefasste Privatrechts-geschichte, bei der ein spezifisch „kulturgeschichtlicher“Bezug oft schwer erkennbar ist oder gar (etwa in den Über-schriften) ein wenig „aufgesetzt“ wirkt. Das Buch erzähltüber weite Strecken Wissenschaftsgeschichte und Gesetz-gebungsgeschichte, Ideen- und Prinzipiengeschichte, ge-wiss auch Methoden- und ansatzweise Dogmengeschichte.Unter einer (auch „kleinen“) Kulturgeschichte des Privat-rechts aber stellen sich vielleicht viele Leser eher eine nähe-re Betrachtung des Rechtsalltags der Bevölkerung, einedeutlichere Hinwendung zu den Lebensformen rechtlicherSitten und Gebräuche der Leute vor. Sollte sich eine Kultur-geschichte des Privatrechts nicht zumindest auch mit derErforschung und Darstellung, dem Erklären und Verstehender Rechtswirkungen und der Rechtswirklichkeit in den In-stitutionen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Verwal-tung befassen? Sollten nicht Überlegungen zur Bedeutungder sich wandelnden normativen Regelungsprogrammedes Privatrechts etwa für Eheschließungen, für den ehe-lichen Alltag, für das Familienleben, für die Arbeitswelt, fürVererbungen oder für den Handelsverkehr einbezogen wer-den? Sollte man in einer Kulturgeschichte des Privatrechtsnicht auch epochenspezifisch das Rechtsbewusstsein oderdie Rechtsmentalitäten verschiedener Bevölkerungskreise,etwa des Klerus oder der Kaufleute, beleuchten? Und gehö-ren zu einer Kulturgeschichte des Privatrechts nicht mög-licherweise auch die Auswirkungen des Privatrechts aufSprache und Literatur, auf Kunst und Wissenschaft? Busch-mann bleibt hingegen weithin der normativen Ebene ver-haftet, konzentriert seine Rechtskulturgeschichte eher aufGedankendinge und Geisteswerke als auf die rechtlicheGestaltung von Lebensformen. Dies ist jedenfalls ein höchstbemerkenswerter und verdienstvoller Anfang. Er lässt eingewaltiges Forschungsprogramm erkennen. In der Tat:„Eine umfassende Kulturgeschichte des Privatrechts, in dereine Verbindung zwischen der allgemeinen Entwicklungder Kultur und der des Privatrechts hergestellt wird, stehtnach wie vor aus.“ (S. 22)

BÜCHERSCHAUJM01 | JANUAR

2015

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Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger

Rechtsanwalt und Fachanwalt fürArbeitsrecht und für Bau- undArchitektenrecht

Studium der Physik in Kaiserslau-tern und Studium der Rechtswis-senschaft in Saarbrücken, Pro-motion zum Dr. rer. nat. an der

Universität Tübingen, im Anschluss daran in einem Indus-trieunternehmen als Physiker beschäftigt. Zunächst am In-stitut für Rechtsinformatik der Universität des Saarlandes(Lehrstuhl Prof. Dr. Herberger) mit dem Schwerpunkt„Geistiges Eigentum“ tätig, seit 2003 Lehrbeauftragter. Ab2002 Tätigkeit als Rechtsanwalt, seit 2008 auch Fach-anwalt für Arbeitsrecht und für Bau- und Architektenrecht.

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek

Professor an der Universität desSaarlandes

Seit 1986 Professor für deutschesund internationales Privat- undWirtschaftsrecht sowie Rechtsver-gleichung an der Universität desSaarlandes. Dort auch Co-Direktor

des Instituts für Europäisches Recht. Honorar-Professor inJohannesburg. International bekannt durch mehr als30 Bücher und rund 300 Aufsätze und Beiträge. Zu seinenakademischen Titeln aus vier Kontinenten zählen siebenDoktortitel. Mit-Herausgeber des Juris-Praxiskommentarszum BGB.

Dr. Nils Trossen

Richter am Bundesfinanzhof

Nach Studium und Referendariatin Bayern Tätigkeit in der Finanz-verwaltung Nordrhein-Westfalen.Seit 2002 Richter am Finanzge-richt Düsseldorf, von 2007 bis2010 wissenschaftlicher Mitarbei-

ter am Bundesverfassungsgericht. Seit Oktober 2013 Rich-ter am Bundesfinanzhof. Zahlreiche Veröffentlichungenzum Ertrags- und Unternehmenssteuerrecht sowie zumsteuerlichen Verfahrensrecht. Daneben Vortragstätigkeitim Rahmen der Fortbildung für Steuerberater, Rechts-anwälte und Wirtschaftsprüfer.

Dr. Stefan Weiland, LL.M.

Richter

Studium der Rechtswissenschaf-ten und Promotion an der Rechts-und Wirtschaftswissenschaftli-chen Fakultät der Universität desSaarlandes im Zeitraum von 2003bis 2009. Nach Abschluss der Re-

ferendarausbildung Aufnahme eines LL.M. Studiums (An-waltsrecht und Anwaltspraxis) an der Fernuniversität Ha-gen und Eintritt in den Justizdienst des Saarlandes. Dortzunächst Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Saar-brücken und derzeit Richter beim Landgericht Saarbrücken.

DIE AUTOREN

IMPRESSUM

Herausgeber: Vors. Richter am BSG Prof. Dr. Thomas Voelzke, KasselRichterin am BFH Prof. Dr. Monika Jachmann, MünchenVizepräsident des LG Holger Radke, MannheimProf. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes, SaarbrückenRechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg

Expertengremium: Vors. Richter am BGH a.D. Wolfgang Ball, LembergRechtsanwalt Prof. Dr. Guido Britz, HomburgRichter am BVerwG Prof. Dr. Harald Dörig, LeipzigProf. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, Universität des Saarlandes, Saar-brückenWeiterer aufsichtsführender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen

Redaktion: Rechtsanwalt Dennis Reschke

Medieninhaber und Verlag: juris GmbH, Juristisches Informationssystem fürdie Bundesrepublik Deutschland, Gutenbergstraße 23, 66117 Saarbrücken,Tel.: 0681 5866-0, Fax: 0681 5866-239, E-Mail: [email protected]äftsführer: Samuel van Oostrom, Johannes Weichert, Aufsichtsratsvorsit-zender: Ministerialdirektor a.D. Gerrit Stein

Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für Manuskripte, die unverlangt einge-sendet werden. Mit Annahme der Veröffentlichung erwirbt der Verlag das aus-schließliche Verlagsrecht, insbesondere auch das Recht zur Herstellung elektro-nischer Versionen sowie das Recht zu deren Vervielfältigung online oder offlineohne zusätzliche Vergütung.

Urheber- und Verlagsrechte: Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrecht-lich geschützt. Das gilt auch für die Leitsätze der Gerichtsentscheidungen, so-weit sie vom Autor bearbeitet wurden. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüberDatenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Eine Reproduktion oder Übertra-gung in maschinenlesbare Sprache ist – außerhalb der engen Grenzen des Ur-heberrechtsgesetzes – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet.

Erscheinungsweise: 11 Ausgaben jährlich, davon ein Doppelheft (August/September), sowie als Beilage zum Anwaltsblatt

Bezugspreis: Im Jahresabonnement 180,- Euro zuzüglich Versandkosten incl.Online-Zugang unter juris.deDas Jahresabonnement verlängert sich um ein Jahr, wenn es nicht sechs Wo-chen vor Jahresende gekündigt wird.

Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim Verlag

Satz: Beltz Bad Langensalza GmbH, Neustädter Str. 1-4, 99947 Bad Langen-salza

Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co.KG Druck Medien, Marktweg 42-50, 47608Geldern

ISSN: 2197-5345

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JM01 | JANUAR

2015

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Mit Hilfe der juris Webinare erfahren juris Nutzerimmer wieder neue Möglichkeiten im Umgang mitjuris.de. Weitere Termine und Themen unter:www.juris.de/webinare

Einführungswebinare

08.01.2015, 14:00 – 15:00 Uhr

15.01.2015, 11:00 – 12:00 Uhr

22.01.2015, 14:00 – 15:00 Uhr

29.01.2015, 14:00 – 15:00 Uhr

Fortgeschrittene:

14.01.2015, 14:00 – 15:00 Uhr

28.01.2015, 14:00 – 15:00 Uhr

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21.01.2015, 14:00 – 15:00 Uhr

Normenwebinar

29.01.2015, 10:00 – 11:00 Uhr

Informationsforum

juris lädt regelmäßig zu kostenlosen Informa-tions-foren ein, um die juris Recherche live vorzustellen.Mehr unter: www.juris.de/veranstaltungen

Stuttgart

14.01.2015, 10:00 – 12:00 Uhr und

13:30 – 15:30 Uhr

Dresden

21.01.2015, 10:00 – 12:00 Uhr und

13:30 – 15:30 Uhr

22.01.2015, 10:00 – 12:00 Uhr und

13:30 – 15:30 Uhr

Veranstaltungen

Zum Redaktionsschluss waren die Veranstaltungster-mine noch in Planung. Bitte informieren Sie sich beiInteresse auf unserer Homepage: www.juris.de. Imnächsten Heft werden wie gewohnt an dieser Stelledie aktuellen Monatstermine veröffentlicht. Wir bit-ten um Ihr Verständnis.

Save the date: Highlight-Termine 2015

DAT 11. – 13.06.2015 in Hamburg

EDV Gerichtstag 23. – 25.09.2015 in Saarbrücken

Frankfurter Buchmesse 14. – 18.10.2015

NEUES VON juris

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