Wird es Roboter auf Berlins Straßen geben, die älteren Menschen beim Einkaufen oder Spazieren helfen? Sind touristische Reisen ins All erschwinglich? Wie sehen Benutzer-oberflächen für Mensch-Objekt-Interaktio-nen aus? Hat Deutschland noch Export-schlager? Zwischen eleganten Oldtimern und exklu-siven Supersportwagen diskutierten rund 500 Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung auf dem Jahres-empfang der TSB am 11. September über die nahe und etwas fernere Zukunft. Der Abend stand unter dem Motto »Berlin 2030«. Nach einem Grußwort von Staats-sekretär Nicolas Zimmer gewährte Thomas Waschke, Leiter der Society and Technology Research Group der Daimler AG, einen Blick in die Werkstatt eines Zukunftsforschers. Prof. Dr. Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen-schaften und TSB-Kuratoriumsvorsitzender, zeigte aktuelle Herausforderungen auf dem Weg Berlins zu einem großen Wirtschafts- und Technologiestandort auf.
Gemeinsam erfolgreich: Enterprise Europe Network vermittelt Kooperationen zwischen Firmen aus verschiedenen Ländern
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Mit Sicherheit komfortabel: Unternehmer und Forscher haben gemeinsam ein besonderes Betriebssystem für Autos entwickelt
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Gut in Fahrt: Der Branchenreport Verkehr, Mobilität und Logistik informiert über Entwicklungen in der Region
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Spielend lernen: Bei den TSB-Aktionstagen bekommen Kinder einen Einblick in die Naturwissenschaften
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Technik, die motiviert: Wie das Klassenzimmer der Zukunft aussehen wird – ein Interview mit Bildungs-forscher Gerhard de Haan
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21 Das Magazin der TSB Technologiestiftung BerlinAusgabe 03 | September 2012
Berlin 2030500 Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung
beim Jahresempfang der TSB Technologiestiftung Berlin
der Innovationsagentur im Kreise der Gesell-schafter.
Wenn wir die Sache klug und weitsichtig angehen und auch in der neuen Gesellschaft das Thema Innovation in den Mittelpunkt stel-len, werden die Berliner Wissenschaft und die Berliner Wirtschaft profitieren. Dann macht es
Sinn, die Leistungen unter einem Dach zu ver-einen. Ich werde alles tun, damit dieses Pro-jekt ein Erfolg wird.
er TSB Jahresempfang am 11. Septem-ber stand unter dem Motto »Berlin 2030: Blick in die Zukunft«. Aber auch
die nähere Zukunft war ein großes Gesprächs-thema, nachdem Ende August bekannt gege-ben worden war, dass die TSB Innovations-agentur mit der Wirtschaftsförderorganisation Berlin Partner zusammen-geführt werden soll.
Diese Zusammenfüh-rung ist eine Chance für Berlin. Denn Innovationen sind die Treiber der Wirt-schaft und Innovationsförderung damit der Kern moderner Wirtschaftsförderung. Damit sie auch ein Erfolg wird, müssen wir sicher-stellen, dass das naturwissenschaftlich-techni-sche Know-how, auf dem die Arbeit der TSB Innovationsagentur beruht, als wesentlicher Bestandteil in die neu entstehende Gesell-schaft einfließt und diese zukünftig mitprägt. Diese Bedeutung muss sich sowohl in der Be-legschaft und im Management widerspiegeln als auch durch einen angemessenen Anteil für die Technologiestiftung als Muttergesellschaft
Editorial
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Berlins Wissenschaft und Wirtschaft
werden profitieren
TSB-Magazin | Ausgabe 03 | September 2012
Die TSB und Berlin Partner fusionieren und gehen gemeinsam
in die Zukunft.
Zur Person: Norbert Quinkert ist Vorsitzender des Vorstands der TSB Technologiestiftung Berlin Foto: TSB
Ort des Jahresempfangs war die Classic Remise, auch bekannt unter dem Namen »Meilenwerk«. Fotos: TSB/Stefanie Eißrig
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EU-Projekten sensibilisiert werden.« Die Idee, die Innovationsregionen Warschau und Berlin zusammenzubringen, entstand ursprünglich auf politischer Ebene. »Die polnische Haupt-stadt hat eine lange Tradition im Bereich Op-tik. Und die Branche in der dortigen Region ist strukturell ähnlich aufgebaut wie der Standort Berlin-Brandenburg«, hebt Gerrit Rössler her-vor, Projektmanager im Bereich Optik der TSB.
Mit der Unterstützung des Enterprise Eu-rope Network reiste im Januar eine deutsche Delegation nach Warschau. Dort wurde der Grundstein für eine längerfristige Zusam-menarbeit der beiden Standorte gelegt. Die Laser Optics Berlin 2012, eine internationale
Fachmesse für optische Technologien, war der bisherige Höhepunkt der Kooperation. Dort präsentierten sich erstmals polnische Unter-nehmen und Forschungseinrichtungen mit einem Gemeinschaftsstand. Unternehmen aus beiden Ländern, die an einer grenzüber-schreitenden Zusammenarbeit interessiert
sind, fanden auf der Messe zusammen. Die TSB organisierte die Kontaktaufnahme und vermittelte die Gespräche. »Es gibt bereits konkrete Kooperationsvereinbarungen«, be-richtet Rössler. »Zum Beispiel im Bereich der optischen Kommunikationstechnik oder der Halbleitertechnologie.«
Für eine Gruppe ausgewählter Gäste or-ganisierte die TSB ein Begleitprogramm mit Institutsbesuchen und Workshops. In diesem Rahmen wurde unter anderem ein Fahrplan für die langfristige Zusammenarbeit der Regionen erarbeitet. Rössler: »Bisher sind die Koopera-tionen weitgehend wissenschaftsgetrieben. Die Zurückhaltung der kleinen und mittleren
Unternehmen zu überwin-den, ist unser wichtigstes Ziel für die Zukunft.«
Um die bereits ge-knüpften Kontakte in ein tragfähiges Netzwerk zu überführen, hat die TSB
gemeinsam mit dem Branchennetzwerk Op-tecBB und dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut ein Verbundprojekt ins Leben gerufen. Geplant sind weitere Delegationsreisen, die Öffnung nationaler Veranstaltungen für pol-nische Unternehmen und der Austausch von Branchenfachkräften zwischen den Ländern.
n kleinen und mittleren europäischen Un-ternehmen steckt viel Potenzial. Um dieses effektiv zu nutzen und die Unternehmen
über Ländergrenzen hinweg in Kontakt zu brin-gen, hat die Europäische Kommission 2008 das Enterprise Europe Network (EEN) ins Leben gerufen. Ziel des Netzwerkes ist es, den Unter-nehmen bei der Suche nach Geschäftspartnern zu helfen – insbesondere im Ausland. Zur TSB gehört eine von etwa 500 Beratungsstellen im Netzwerk, die regelmäßig Kooperationsbörsen veranstaltet. Einer der Schwerpunkte in diesem Jahr war die Vernetzung des Optik-Standortes Berlin mit der Partnerstadt Warschau.
»94 Prozent aller europäischen Unterneh-men haben weniger als 50 Mitarbeiter«, sagt Dr. Carsten Domann, Berater für Europäische Projekte bei der TSB. »Und diese Firmen ha-ben in der Regel kaum Zugang zum interna-tionalen Markt.« Die EEN-Berater erfassen deshalb die Profile interessanter Betriebe und Forschungsinstitute, ermitteln, wer mit wem zusammenarbeiten könnte, und stellen den Kontakt zwischen den Partnern her. »Wir kön-nen Besuche vor Ort arrangieren und bieten Begleitung und Beratung an«, erläutert Do-mann den Ansatz von EEN. »Beispielsweise müssen die Unternehmen für die Frage nach der Aufteilung der Vermarktungsrechte bei
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Gemeinsame SacheDas Enterprise Europe Network unterstützt Firmen und Forschungseinrichtungen
bei grenzüberschreitenden Kooperationen
»Wir können Besuche vor Ort arrangieren und bieten Begleitung
und Beratung an«
TSB-Magazin | Ausgabe 03 | September 2012
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m Seminargebäude der Humboldt-Univer-sität war es ungewöhnlich laut. Bei den sechsten TSB-Aktionstagen drehte sich
hier alles um Kinder zwischen 8 und 12 Jah-ren, die nur eines im Sinn haben: ausprobie-ren, entdecken, forschen. Warum schwimmt ein Schiff? Was ist eigentlich Chemie? Und wie funktioniert unser Auge? Mitdenken und nachfragen ist ausdrücklich erwünscht. »Guck mal, da bin ich ganz klein und da ganz groß!«, staunte ein Junge beim Blick in unterschied-lich geformte Spiegel.
In 22 Workshops, Experimenten und einer Wissenschaftsshow erlebten Schülerinnen und Schüler der dritten bis sechsten Klasse Natur-wissenschaft und Technik aus nächster Nähe. Für die Gestaltung des Programms arbeitete die TSB mit den Berliner Schülerlaboren und Universitäten zusammen. 194 Klassen waren in diesem Jahr dabei, die Veranstaltung bereits im Juni binnen weniger Tage ausgebucht.
Zur Betreuung der insgesamt 4500 Kin-der holte sich die TSB Unterstützung aus dem Andreas-Gymnasium und der Robert-Have-mann-Schule sowie von Studenten. In Zweier-teams begleiteten Ältere die Grundschulklas-
sen durch die Workshops und sorgten so nicht nur für einen reibungslosen Ablauf, sondern hatten auch die Chance, einmal selbst in die Rolle des Dozenten zu schlüpfen. »Das hat to-tal Spaß gemacht mit euch!«, bedankte sich eine Klasse bei ihren Begleitern. »Und jetzt gehen wir in die Show!«
Die TSB-Aktionstage bieten den Kindern einen ungezwungenen Einstieg in Naturwis-senschaft und Technik. Dabei steht die Ver-mittlung von Wissen nicht im Mittelpunkt. Vielmehr geht es vor allem darum, die na-türliche Neugier der Kinder und die Lust am
Experimentieren zu nutzen, um Mädchen wie Jungen frühzeitig an die sogenannten MINT-Themen heranzuführen. Ganz neben-bei lernen die Schülerinnen und Schüler da-rüber hinaus wissenschaftliches Denken und ergebnis offenes Arbeiten kennen.
Ob daraus ein nachhaltiges Interesse an naturwissenschaftlichen Fragen entsteht, hängt nicht zuletzt vom Einsatz der Eltern und Lehrkräfte ab. Alle Kinder nahmen einen Turnbeutel mit Experimentierheft und Anre-gungen zum Weiterforschen mit nach Hause. Lehrerinnen und Lehrer erhielten außerdem eine Mappe mit Informationen für die Un-terrichtsgestaltung und zu außerschulischen Angeboten, mit denen sie das geweckte Inte-resse der Kinder nachhaltig fördern können.
Annette Kleffel, Leiterin des TSB-Bereichs Technologiekommunikation, und ihr Team
hoffen, mit der Veran-staltung einen Beitrag dazu zu leisten, dass Kinder Naturwissen-schaft und Technik posi-tiv wahrnehmen. Auch wenn die Schülerinnen
und Schüler einzelne Inhalte nicht langfristig in Erinnerung behalten, so unterstützen al-tersgerechte Wissenschaftsangebote doch die Neugierde sowie eine vorurteilsfreie Interes-senentwicklung und stellen möglicherweise die Weichen für eine berufliche Zukunft.
Warum schwimmt ein Schiff?Bei den TSB-Aktionstagen können Berliner
Grundschüler spielerisch lernen, was man mit Naturwissenschaften alles anfangen kann
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Auf die Plätze, fertig – pusten! Bei den TSB Aktionstagen lernen Kinder, spielerisch zu experimentieren. Foto: TSB/Uwe Steinert
Bei den Aktionstagen der TSB geht es darum, die natürliche Neugier
der Kinder zu fördern
Herr Komoß, mit dem HELLEUM kommt ein innovatives Forschungszentrum nach Hellers-dorf, in dem Kinder naturwissenschaftlich-technische Experimente machen können. Was ist das Besondere daran?Komoß: Schon das Gebäude ist baulich an-ders als andere Einrichtungen. Und das setzt sich in der Einrichtung fort: Statt normaler Klassenräume befinden sich im Inneren des HELLEUM verschiedene Experimentierauf-bauten. An ihnen wird dank der Zusammenar-beit mit der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) nach neuesten Methoden der Frühpädagogik unterrichtet. Das eigentliche Novum ist aber, dass sich unser Angebot in der Form bereits an Grundschüler richtet. 27 Grundschulen liegen im Einzugsbereich des HELLEUM. Au-ßerhalb der Schulzeit können zudem private Besucher die Einrichtung nutzen. Im Dezem-ber wird eröffnet. Und wir rechnen mit einer großen Nachfrage.Wer ist an dem Projekt beteiligt?Komoß: Träger des HELLEUM ist das Bezirks-amt Marzahn-Hellersdorf. Die Alice-Salomon-Hochschule hat das pädagogische Konzept er-arbeitet und die Ausstattung ausgesucht. Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung stellt unter anderem zwei Leh-rer- und eine Erzieherstelle zur Verfügung. Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fa-kultät der Humboldt-Universität begleitet uns
ebenfalls von Anfang an. Sie wird auch den Ausbau leiten, wenn wir 2014 das HELLEUM um einen Oberstufen-Flügel erweitern. Und nicht zu vergessen die TSB, die uns eine Pro-jektkoordinatorin als zentralen Ansprechpart-ner zur Verfügung gestellt hat. Nur durch die intensive und sehr positive Zusammenarbeit aller Partner und die Unterstützung der regio-nalen Wirtschaft war die Verwirklichung des HELLEUM überhaupt möglich.Und wie profitiert der Bezirk?Komoß: Das HELLEUM bereichert das Bil-dungsangebot des Bezirks und festigt unse-re Position als innovativer Bildungsstandort. Auch das Image von Marzahn-Hellersdorf wird sich durch das HELLEUM verbessern. Langfristig wünschen wir uns, den Bezirk auch als Industriestandort für »green tech-nology« voranzubringen – 2015 eröffnet hier Berlins größter Business Park. Mit der natur-wissenschaftlichen Förderung von Schülern von der Grundschule bis zum Abitur legen wir dafür den Grundstein.
Zur Person: Stefan Komoß ist Bürgermeister im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf und seit 1989 Mitglied der SPD.Foto: SPD Marzahn-Hellersdorf
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»Wir legen einen Grundstein«
Stefan Komoß, Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, über das Projekt HELLEuM,
experimentierfreudige Grundschüler und neue pädagogische Konzepte
TSB-Magazin | Ausgabe 03 | September 2012
Es war ein besonderes Jubiläum: Anfang September wurde in Berlin die 100. TuWaS!-Schule gekürt. Das Bildungsprojekt ist eine gemeinsame Initiative der Freien Universi-tät Berlin und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Bei dem Fest-akt kamen Freunde und Förderer von TuWaS zusammen, darunter Vertreter der Europäi-schen Union, der TSB, der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft sowie des Unternehmens GO! Express and Logis-tics. Einhellig würdigten sie das Engagement der teilnehmenden Schulen und Lehrer.
TuWaS! verbindet praxisorientierte Fort-bildungen für Lehrer mit der Bereitstellung erprobten Lehrmaterials für den Unter-richt – den »TuWaS!-Kisten«. Aktuell ste-hen Kisten zu zwölf naturwissenschaftlich-technischen Themen aus dem Lehrplan der Klassen 1 bis 6 zur Verfügung. Die Schüler lernen zum Beispiel den Lebenszyklus eines Schmetterlings kennen, arbeiten mit Strom-kreis-Modellen oder führen chemische Ex-perimente durch.
Das TuWaS!-Team um Professorin Petra Skiebe-Corrette von der Freien Universität unterstützt die Schulen in inhaltlichen und didaktischen Fragen und stellt die Logistik
rund um Versand und Pflege der Materialkis-ten bereit. Die Lernerfolge mit den Materia-lien werden evaluiert, und die Erfahrungen fließen dann im Rahmen des EU-Projektes »Fibonacci« in die Entwicklung weiterer naturwissenschaftlicher Bildungsangebote mit ein. 100 Schulen sind ein gutes Zwi-schenziel. Angestrebt wird mittelfristig die Verdopplung und langfristig die flächende-ckende Verbreitung der TuWaS!-Kisten in ganz Berlin. Der TSB-Vorstandsvorsitzende Norbert Quinkert hat eine weitere Unter-stützung zugesagt.
TuWaS!-Schulen gibt es derzeit in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Ham-burg und Luxemburg.
Kistenweise Bildung
In Berlin gibt es jetzt einhundert TuWas!-Schulen
Initiatoren
Förderer
Wir sind dabei!
Alles so schön bunt hier: Das Projekt HelleuM versteht sich als ergänzung zum Schulunterricht. Foto: Kitty Kleist-Heinrich
Gut in FahrtDer Clusterreport Verkehr, Mobilität und Logistik informiert
über Entwicklungen, Akteure, Chancen und Erfolge
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D ie Zahl ist beeindruckend. 164.000 Menschen in der Hauptstadtregion arbeiten in den Branchen Verkehr,
Mobilität und Logistik. Konkret heißt das, je-der zwölfte sozialversicherungspflichtige Job verdankt sich derzeit diesen Bereichen. Für Nicolas Zimmer, Staatssekretär bei der Se-natsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, steht deshalb fest: Die inno-vativen Projekte und Kooperationen sind ein bedeutender Standortfaktor für Berlin und Brandenburg. Und eine Erfolgsgeschichte.
Wer sind die Akteure, was treibt sie an? Vor welchen Herausforderungen stehen die Unter-nehmen und Forschungseinrichtungen im glo-balen Wettbewerb? Wie sind die Zukunftsaus-sichten? Über diese und viele andere Fragen informiert der soeben erschienene Clusterre-port Verkehr, Mobilität und Logistik, herausge-geben von der TSB Innovationsagentur Berlin in Zusammenarbeit mit der Zukunfts Agentur Brandenburg und Berlin Partner.
Im Vordergrund steht nach den Worten von Clustersprecherin Barbara Lenz die »In-tegration« der verschiedenen Verkehrsträger. So sei die enge Verzahnung zwischen dem Gü-ter- und Personenverkehr ein Markenzeichen Berlins, sagt die Professorin am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Ein großer Vorteil gegenüber einer Region wie Süddeutschland, findet Lenz. Außerdem zeichne Berlin-Bran-
denburg eine umfangreiche Forschungsland-schaft aus, von der wiederum die Unterneh-men profitieren könnten. Schließlich laute ja das Ziel, vermarktbare Produkte zu schaffen.
Auch in der Verkehrsbranche sind Innova-tionen der Schlüssel zu weiterem Wachstum. Ein wichtiges Thema ist zweifellos die Elek-tromobilität. In den kommenden drei Jahren sollen hier mit dem Programm »Internatio-nales Schaufenster Elektromobilität Berlin-Brandenburg« neue Projekte mit einem Volu-men von rund 120 Millionen Euro umgesetzt werden. Als Koordinierungsstelle des aus Bundesmitteln geförderten »Schaufensters« dient die 2010 gegründete Berliner Agentur für Elektromobilität eMO, deren Träger Berlin Partner und die TSB Innovationsagentur sind. Auch die Luft- und Raumfahrt kann Erfolge
aufweisen. So investiert Rolls Royce in Dahle-witz bei Berlin rund 90 Millionen Euro, um Großtriebwerke zu entwickeln und zu testen. Der Logistikmarkt ist insbesondere für Bran-denburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Güterverkehrszentrum in Großbeeren gehört zu den herausragenden Logistikstandorten im nationalen und internationalen Maßstab. Hier wie auch auf anderen Feldern komme
es darauf an, die vier Verkehrsträger Schie-ne, Straße, Luft und Wasser miteinander zu verzahnen, heißt es im Clusterreport. Großes Potenzial biete die Hauptstadtregion zum Beispiel als Standort im Seehafenhinterland. Damit entlaste man die großen Seehäfen und ziehe Mehrwertdienste der Logistik nach Ber-lin-Brandenburg. Auch das ein Faktor, um die Attraktivität des Standorts zu steigern.
Stadtverkehr – möglichst in geordneten Bahnen Foto: superstudio/getty images provided by IVU Traffic Technologies AG
TSB-Magazin | Ausgabe 03 | September 2012
Der Clusterreport steht kostenlos zum Download zur Verfügung: www.tsb-berlin.de/clusterreport-mobilitaetGerne schicken wir Ihnen auch ein gedrucktes Exemplar zu.
5clusterreport • verkehr, mobilität und logistik
Wie beurteilen Sie die Entwicklung und Pers-pektiven des Clusters Verkehr, Mobilität und Logistik in der Hauptstadtregion?
von Obernitz: Das Cluster und seine Branchen entwickeln sich insgesamt sehr positiv. Beson- dere Perspektiven ergeben sich aus dem intensiven Zusammenwirken über Branchen-grenzen hinweg. Wir haben hier in der Haupt-stadtregion nicht den einen, alles dominierenden Verkehrsträger, sondern sind breit aufgestellt. Das prädestiniert uns, die Verkehrssysteme der Zukunft zu entwickeln. Für solche Innovationen sehe ich uns schon wegen unserer exzellenten Forschungseinrichtungen und Hochschulen sehr gut positioniert. Besonders gut sind die Chancen bei der Elektromobilität. Hier können neue Wertschöpfungsketten und neue Koopera-tionsstrukturen entstehen.
Christoffers: Das Cluster macht unser gutes Standortprofil noch stärker sichtbar – was die Marktchancen der im Cluster beheimateten Firmen noch weiter verbessert.
Was sind die entscheidenden Standortvor-teile der Hauptstadtregion für Investoren der Verkehrs-, Mobilitäts- und Logistik-Branchen?
Christoffers: Ein ganz zentraler Vorteil ist die geografische Lage. Die Hauptstadtregion bildet den Ausgangspunkt für zwei paneuropäische Verkehrskorridore, die Region entwickelt sich sowohl zur Drehscheibe für den Nord-Süd- Verkehr von den Seehäfen in Hamburg, Bremen und Rostock zum Mittelmeer als auch für den Ver- kehr nach Osteuropa. Und: Die Hauptstadtregion
bietet exzellente Bedingungen. Vier Güterverkehrs- zentren und die vielen Terminals für den kom-binierten Verkehr sprechen eine klare Sprache. Das Güterverkehrszentrum Berlin Süd in Groß-beeren beispielsweise gehört zu den Top-Logistik- standorten in Europa. Aufgrund der Nähe zum künftigen Flughafen Berlin Brandenburg ist es mittlerweile komplett belegt und wird derzeit erweitert.
von Obernitz: Insbesondere sind hier Forschung und Entwicklung sowie exzellent ausgebildete Fachkräfte zu nennen – neben den sogenannten „weichen“ Faktoren wie besondere Lebensqualität bei moderaten Lebenshaltungskosten. Hoch-schulen, Universitäten, außeruniversitäre Institute sowie Unternehmen, die als FuE-Dienstleister unterwegs sind, stehen Investoren als potenzielle Kooperationspartner zur Verfügung. In Bezug auf das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik decken Forschung und Wissenschaft nicht nur die verkehrstechnischen Felder ab, sondern auch Querschnittstechnologien, die maßgeblich Innovationsschübe in Verkehrssystemen auslösen.
Mit der gemeinsamen Clusterstrategie betra-ten beide Länder Neuland in der Kooperation. Unternehmen denken aber in Märkten und weniger in regionalen Kategorien. Auf welchen Gebieten sind Berlin und Brandenburg interes- sante Märkte?
von Obernitz: Unsere gemeinsame Innovations-strategie innoBB setzt zur Schärfung des Stand-ortprofils auf fünf Cluster mit besonders hohem Entwicklungspotenzial: Verkehr/Mobilität/Logistik, Energietechnik, Gesundheitswirtschaft, IKT/Medien/
Das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik in Berlin und Brandenburg –164.000 Arbeitsplätze in mehr als 15.000 Unternehmen und 100 Forschungseinrichtungen.1
56.400Logistik
20.40
0Sc
hiene
nver
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17.000
10.700
Luft- und Raumfahrt
Telematik
38.500Verkehrsbetreiber und
Dienstleister (handlungsfeld-
übergreifend)
21.100A
utomotive
Ralf Christoffers
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Das Cluster Verkehr, Mobilität und logistik in Berlin und Brandenburg –164.000 Arbeitsplätze in mehr als 15.000 unternehmen und 100 Forschungseinrichtungen.Grafik: TSB
»Mit der konsequenten Unterstützung von Open Synergy durch VirtuOS platziert sich der Technologiestandort Berlin im Spitzenfeld der Entwicklung sicherer Software«, sagt Tho-mas Meißner, Leiter des Geschäftsbereichs Verkehr und Mobilität bei der TSB. Ende April ist das Projekt nach drei Jahren erfolgreich zu Ende gegangen. Die TSB hat durch intensive inhaltliche Begleitung und die abschließende Bewertung der Ergebnisberichte ihren Teil dazu beigetragen. Das Produkt COQOS konnte so signifikant verbessert werden. Es ist zu ei-ner Plattform geworden, die allen Ansprüchen an Sicherheit und Komfort in modernen Autos gerecht wird.
Funktional und sicher
Im Rahmen des Zukunftsfonds-Projekts VirtuOS haben unternehmer und Forscher eine innovative
Softwareplattform für Autos entwickelt
oftware ist in modernen Autos allge-genwärtig. Vom Antrieb über die Kli-maanlage bis hin zum Navigationssys-
tem ist eine Vielzahl von Fahrzeugfunktionen computergesteuert. Dies birgt die Gefahr, dass Infotainment-Applikationen, die mit der Außenwelt kommunizieren, zum Ausgangs-punkt für Angriffe auf die gesamte Fahrzeug-elektronik werden können. Deshalb war es bisher Standard, sicherheitsrelevante Funk-tionen und Unterhaltungsanwendungen auf getrennten Computern laufen zu lassen.
Das Zukunftsfondsprojekt VirtuOS setzt hier neue Maßstäbe. Softwareentwickler des Berliner Unternehmens Open Synergy und Ex-perten des Fraunhofer Instituts FIRST und der Technischen Universität Berlin (TU) haben ge-meinsam Softwarefunktionen entwickelt, die es möglich machen, verschiedene Anwendun-gen auf einer gemeinsamen Hardware-Platt-form laufen zu lassen. Deren Basis bildet das Betriebssystem COQOS von Open Synergy. Im Rahmen von VirtuOS wurden Standards ent-wickelt und Kriterien formuliert, die Software von im Auto eingebauten Geräten erfüllen muss, damit das gesamte System funktions-sicher ist und nicht »gehackt« werden kann.
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TSB-Magazin | Ausgabe 03 | September 2012
Der Zukunftsfonds des Landes Berlin ist aufgegangen im Förderprogramm »ProFIT – Komplexe Verbünde«. Hier stehen Fördermittel für exzellente Innovations-projekte zur Verfügung. Voraussetzung ist, dass sich für das Projekt mindestens vier Partner zusammengeschlossen haben, wovon zwei Forschungseinrichtungen sein müssen. Informationen und Beratung bei der Investitionsbank Berlin (www.ibb.de/profit) und der TSB (www.tsb-berlin.de/ foerdermittel).
Bessere KrebsdiagnostikRund 50.000 Gewebeproben werden in Deutschland täglich untersucht. Bei die-ser Arbeit könnte Software die Pathologen deutlich stärker unterstützen als bisher. Das ist das Ergebnis des Zukunftsfonds-Projekts Virtuell Specimen Scout, das jetzt abgeschlossen wurde. Eine Software, die digitale Gewebeproben bereits automa-tisch voranalysiert und Hinweise gibt oder auch Vergleichsaufnahmen aus dem Archiv zur Verfügung stellt, ermöglicht dem Pa-thologen, sich auf das Wesentliche zu kon-zentrieren. Das Problem ist die ungeheure Datenmenge, die die virtuelle Mikroskopie liefert: bis zu 120 GB pro Schnittbild. Das Zu-kunftsfonds-Projekt hat gezeigt, dass man auch derart riesige Bilder automatisiert be-arbeiten und mit Archiven abgleichen kann. Erste Werkzeuge aus dem Projekt werden bereits von Industriepartnern genutzt, um entsprechende Programme zu entwickeln.
Bilder vom Geschehen In Deutschland erleiden jedes Jahr mehr als 200.000 Menschen einen Schlaganfall. Er ist die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für eine bleibende Be-hinderung im Erwachsenenalter. Schuld ist eine Minderdurchblutung oder eine Blu-tung im Gehirn. Mehr als 95 Prozent der Patienten können aufgrund der vielfälti-gen Ausprägung eines Schlaganfalls nicht spezifisch behandelt werden. Moderne bildgebende diagnostische Techniken wie SPECT-CT und die neuen nuklearmedizini-schen Marker geben Anlass zu Hoffnungen bei der Behandlung dieses Krankheits-bildes. Neurologen und Radiologen der Charité haben in einem Verbundprojekt diese Marker entwickelt und erste posi-tive Ergebnisse im Rahmen eines neuen, gemeinsam betriebenen Zentrums für Kleintierbildgebung erzielt. Forschungs-projekt und Etablierung des Zentrums für Kleintierbildgebung wurden durch den Zu-kunftsfonds des Landes Berlin unterstützt. Das Zentrum steht anderen Wissenschaft-lern und Unternehmen offen.
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Herr Professor de Haan, als Zukunfts- und Bildungs-forscher beschäftigen Sie sich mit der Frage, wie unsere Kinder und Enkel lernen werden. Was wird sich verändern?De Haan: Die größte Herausforderung besteht darin, die Motivation und Selbstständigkeit der Kinder zu fördern. Speziell im naturwissenschaftlich-technischen Bereich bieten außerschulische Angebote wie Schülerlabore da-für tolle Anreize. Auch die zunehmende Interdisziplinari-tät der Gesellschaft wird sich in der Schule widerspiegeln. Ein Thema wie »Nachhaltige Entwicklung« ist bestens für fächerübergreifende Projekte geeignet. So etwas wird in Zukunft zum festen Bestandteil des Unterrichts werden und die Motivation fördern.Haben in 20 Jahren alle Schüler Tablet-Computer?De Haan: Wenn das Budget dafür da ist, auf jeden Fall. Auch interaktive Tafeln, die Smartboards, werden kom-men. Aktuell stehen aber nur 2 bis 3 Prozent des Bildungs-haushalts für Material und Ausstattung zur Verfügung. Dieser Etat muss vergrößert werden – nicht nur um neue Geräte anschaffen zu können, sondern vor allem auch um Wartung und Pflege der vorhandenen zu gewährleisten. Wie beeinflussen technische Hilfsmittel das Lernverhalten der Schüler? Fördern sie die Motivation?De Haan: Die Chance besteht durchaus. Vorausgesetzt, die Geräte werden wirklich interaktiv eingesetzt. Schließ-lich kann man auch mit einem Smartboard Frontalunter-richt machen. Wichtig ist, dass hier in der Zukunft mehr in die Weiterbildung der Lehrer investiert wird. Wird bei so viel Technik im Klassenzimmer der Lehrer irgend wann überflüssig? De Haan: Fachliche Inhalte können gut mit Hilfe von Medien und Kommunikationstechnik vermittelt werden. Dinge wie Sozialverhalten und Gruppenzusammenhalt kann man virtuell aber nicht lernen, da sind die Schüler auch in Zukunft auf die Unterstützung eines Lehrers an-gewiesen. Gerade die sozialen Kompetenzen spielen ja auch im beruflichen Alltag eine immer größere Rolle. Fachspezifische Kenntnisse muss man sich im jeweiligen Job ohnehin neu aneignen. Und dabei können die Me-dien enorm helfen.
Die Welt in 20 Jahren
Bildungsforscher Gerhard de Haan über das Klassenzimmer der
Zukunft und motivierte Schüler
Zur Person: Gerhard de Haan ist Professor für Zukunfts- und Bildungsforschung an der Freien universität Berlin. Der erziehungswissenschaftler gehört zudem vielen nationalen wie internationalen Gremien und Forschungseinrichtungen an.
TSB-Magazin | Ausgabe 03 | September 2012
Herausgeber: TSB Technologiestiftung Berlin, Fasanenstr. 85, 10623 Berlin Redaktion: Christian Böhme, Frauke Nippel, Thilo SpahlLayout: Carmen KlauckeProduktion: Verlag Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 BerlinKontakt: [email protected], www.tsb-berlin.de
Gefördert aus Mitteln des Landes Berlin und der Investitionsbank Berlin, kofinanziert von der Europäischen Union – Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung. Investition in Ihre Zukunft.
Impressum
Die TSB Technologiestiftung Berlin steht für Innovation und Technologieentwicklung in der Hauptstadtregion. Sie fördert die Wissenschaft und unter stützt die Wirtschaft. Schwerpunkte der Arbeit der Stiftung sind Strategieentwicklung, Bildung und Wissenschaftskommunikation. Kernaufgaben der TSB Innovationsagentur Berlin GmbH sind Clustermanagement, Vernetzung und Technologietransfer auf den Feldern Life Science & Gesundheit, Verkehr & Mobilität, Energietechnik, Optik & Mikrosystemtechnik, IKT sowie in weiteren technologieorientierten Industrie segmenten.
22. November 2012 Impulse aus der Zukunft: Nanostrukturen in 100 Tausend TonnenVortrag & Diskussion, Berlin
Dank neuer Ansätze auf Basis der Quantenmechanik können metallische Höchstleistungswerkstoffe für Mobilität und Energie entwickelt werden. Welche An-forderungen sehen die Anwender? Eine gemeinsame Veranstaltung von TSB und Max Planck Gesellschaft.
www.tsbberlin.de/termineVeranstaltungen
23. Oktober 2012 Funktionale Oberflächen im Geräte-, Maschinen- und Anlagenbau Workshop, Berlin
WTT-Fachveranstaltung im Rahmen der Veranstal-tungsreihe »Innovative Oberflächen« im Anwen-dungszentrum Mikroproduktionstechnik (AMP) am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin.
15. Oktober 2012Wissenschaft vor Ort – Das Bundesinstitut für Risiko-bewertung stellt sich vorBesuch und Vorträge, Berlin
Die Reihe »Wissenschaft vor Ort« öffnet die Türen von wissenschaftlichen Einrichtungen, die Grundlagen- und angewandte Forschung betreiben und mit ihren Themen mögliche Partner in künftigen Forschungs- und Entwicklungskooperationen werden können.
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: Stu
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25. – 26. Oktober 2012 Wireless Communication and Information Fachtagung, Berlin
Fachtagung mit den Schwerpunkten: schnellere mo-bile Übertragungsverfahren, innovative Funksensor-netzwerke, genauere Ortungstechnologien sowie die Anwendungsperspektiven dieser Entwicklungen, beispielsweise in der Fahrzeug-Kommunikation.
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