„Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit“
10. Vergaberechtstag Brandenburg
Potsdam, 30.11.2017
Rechtsanwalt Janko Geßner
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Verfassungsrecht
Energiewirtschaft
Recht der Erneuerbaren Energien
Energiewirtschaftsrecht
Planen und Bauen
Raumplanung, Bauleit- und und
Fachplanungsrecht, Baurecht
Öffentlicher Dienst
Umweltrecht
Abfallwirtschaftsrecht | Agrar-, Forst- und
Jagdrecht | Emissionshandelsrecht
Immissionsschutzgesetz
Staat und Verwaltung
Gesundheitsrecht | Kommunalrecht | Recht
der Infrastruktur und der öffentl. Daseins-
vorsorge | Recht des öffentl. Dienstes
Schul-, Hochschul- und Prüfungsrecht
Verfassungsrecht | Vergaberecht
Rechtsanwalt Janko Geßner
Leiter Arbeitsbereich Energie- und Vergaberecht
• Organisationsberatung der öffentlichen Hand: Privatisierung, Rekommunalisierung, u. a.
• Vergaberechtliche Beratung von öffentlichen Auftraggebern: Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren
• Vertretung in Vergabenachprüfungsverfahren
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 4
Gliederung
I. Einführung
II. Änderung eines Auftrages
III. Tatbestände des § 132 GWB
IV. Konsequenzen und Folgen
V. Unterschwellenbereich
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 5
Beispiel 1
Bei Baumaßnahmen für ein Hafenprojekt ist mit schadstoffbelasteterErdmasse umzugehen. Geplant war zunächst ein kompletterBodenaushub; die geschätzten Kosten sind dem AG aber zu teuer.
Daraufhin wird eine (bloße) Bodenversiegelung mit Teilaushubgeplant. Der AG schreibt das Vorhaben öffentlich aus. Während derBauausführung stellt sich heraus, dass u.a. aufgrund notwendigerWasserhaltung wegen des belasteten Bodens die Versiegelungs-variante etwa ähnlich so aufwendig und teuer wie ein Vollaushubwird. Deshalb beabsichtigt die Stadt, den kompletten Bodenaus-tausch anzuordnen. Ist diese Abweichung ohne erneuteAusschreibung zulässig?
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 6
Beispiel 2
Eine Gemeinde hat die Betreuung ihres kommunalen Wohnungsbe-standes für vier Jahre an eine Hausverwaltung vergeben. Der ohneVerlängerungsklausel fix abgeschlossene Vertrag läuft am 31.12.2017aus.
Die Gemeinde prüft derzeit, ob sie eine eigene Wohnungsgesellschaftgründet und ihr den Wohnungsbestand überträgt. Da die Prüfungnoch andauert, soll der bisherige Vertrag verlängert werden.
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 7
Anzuwendendes Recht
• Oberschwellenbereich: GWB, VgV, VOB/A
• Unterschwellenbereich (ohne Fördermittel): § 30 KomHKV
1. Abschnitt der VOB/A 2009 und der VOL/A 2009 (derzeit)
• Unterschwellenbereich (mit Förderm.): ANBest-G, ANBest-EU
– ANBest-G -> 1. Abschn. VOB/A (2016) und VOL/A (derzeit)
– ANBest-EU -> 1. Abschn. VOB/A (2016) und VOL/A (derzeit)
– jeweils VV zu § 55 LHO
• zukünftig UVgO nach Einführung in Brandenburg
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 8
II. Änderung eines Auftrages
• Änderungen nach Vergabe (Zuschlag), nicht im Vergabeverfahren
• Inhalt: z.B. Auferlegung zusätzlicher Leistungen, Erhöhung Entgelt
• Vertragsdauer: z.B. Verlängerung der Laufzeit bei fixen Verträgen
• Wechsel des Vertragspartners: neuer Auftragnehmer, u.U. auch
Austausch des Nachunternehmers (wenn wesentlich)
• Wertende Betrachtung: Steht Vertragsänderung hinsichtlich Umfang
und Wirkungen dem Abschluss eines neuen Vertrages gleich?
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 9
Rechtsprechung EuGH
Dies ist der Fall, wenn die beabsichtigten Änderungen den Auftrag in
großem Umfang um ursprünglich nicht vorgesehene Bestandteile
erweitern, wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags
zugunsten des Auftragnehmers ändern oder wenn sie Anlass zu Zweifeln
an der Auftragsvergabe geben, und zwar in dem Sinne, dass, wenn diese
Änderungen in den Unterlagen des ursprünglichen Vergabeverfahrens
enthalten gewesen wären, entweder ein anderes Angebot den Zuschlag
erhalten hätte oder andere Bieter hätten zugelassen werden können.
(EuGH, Urteil vom 07. September 2016 – C-549/14 –, Rn. 28, juris)
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 10
Rechtsentwicklung
• Vorher nicht kodifiziert -> vor allem
EuGH-Rechtsprechung (z.B. pressetext)
• Art. 72 RL 2014/24/EU
• seit 18.04.2016: § 132 GWB (auch auf Altverträge anwendbar),
§ 22 VOB/A EU entspricht § 132 GWB
• § 47 UVgO und § 22 VOB/A (Unterschwellenbereich)
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 11
III. Prüfung § 132 GWB
• Geringfügige Auftragsänderung nach § 132 Abs. 3?
Wenn nein:
• Besonderer Ausnahmetatbestand nach § 132 Abs. 2?
Wenn nein:
• Sonstige unwesentliche Auftragsänderung, weil Kriterien des § 132 Abs. 1 für wesentliche Änderung nicht erfüllt?
Wenn nein:
• Neues Vergabeverfahren nötig
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 12
Geringfügigkeit
• Gesamtcharakter des Auftrags ändert sich nicht
• Wert der Änderung übersteigt nicht Schwellenwerte und
• maximaler Wert der Änderung(en):
– Bauaufträge: 15 %
– Liefer- und Dienstleistungsaufträge 10 %
– Soziale und besondere Dienstleistg. 20 %
– Unterschwellenbereich UVgO -> 20%
1. Geringfügige
Änderung nach
§ 132 Abs. 3?
2. Ausnahmetatbe-stand nach § 132 Abs. 2?
3. sonstige unwesent-liche Änderung?
4. Neues Vergabeverfahren
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 13
Gesamtcharakter des Auftrags
• Erwägungsgrund 109 der RL:
„indem beispielsweise die zu beschaffenden Bauleistungen,Lieferungen oder Dienstleistungen durch andersartige Leistungenersetzt werden oder indem sich die Art der Beschaffunggrundlegend ändert“
• (keine) Änderung wesentlicher Grundelemente des gesetzlichen Vertragstyps (Kauf-, Dienst- oder Werkvertrag)
• wertende Gesamtbetrachtung bei gemischten Verträgen
• z.B.: Dienst- anstelle Bauleistung, Dienstleistungsauftrag anstatt -konzession
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 14
Ursprünglicher Auftragswert
• Relevant sowohl für de-minimis-Regelung (Abs. 3) als auch für Werterhöhungen von max. 50% (Abs. 2 S. 2)
• Losvergabe: losweise Betrachtung statt Berücksichtigung des Gesamtauftragswertes (str.)
• Mehrere aufeinander folgende Änderungen: Netto-Werte kumu-lieren -> daher: vorrangig Ausnahmetatbestand nach § 132 Abs. 2
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 15
Besondere Ausnahmetatbestände
• Nr. 1: Optionen und Überprüfungs-klauseln im Ursprungsvertrag
• Nr. 2: Zusätzliche Leistungen
• Nr. 3: Nicht vorhersehbare Änderungen
• Nr. 4 Austausch des Auftragnehmers (vor allem Umstrukturierungen)
1. Geringfügige
Änderung nach
§ 132 Abs. 3?
2. Ausnahmetatbe-stand nach § 132 Abs. 2?
3. sonstige unwesent-liche Änderung?
4. Neues Vergabeverfahren
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 16
Optionen und Überprüfungsklauseln
• Änderung bereits im Ursprungsvertrag angelegt, d.h. im Rahmen des ohnehin schon Vereinbarten (z.B. Preis- /Lohngleitklausel)
• klar, genau und eindeutig Anordnungsrechte aus § 1 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 VOB/B bzw. § 2 Nr. 1 VOL/B fallen nicht darunter (Beachte aber: § 22 VOB/A für Bauauftrag im Unterschwellenbereich,)
• Benennung in Vergabebekanntmachung (strittig) bzw. zumindest in Vergabeunterlagen
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 17
Zusätzliche Leistung(en)
• Teilersatz oder Erweiterung vereinbarter Leistungen
• Allein Erbringung durch ursprünglichen Auftragnehmer sinnvoll
• Abgrenzbarkeit schwierig: „nicht erfolgen können“ und (nur) „mit Schwierigkeiten u. Zusatzkosten verbunden sein“:
– „nicht erfolgen können“ als Unzweckmäßigkeit eines Austauschs unter Berücksichtigung wirtschaftl. / technischer Gesichtspunkte
– absolute Unmöglichkeit des Wechsels des Auftragnehmers sowie relative Unmöglichkeit der Ausführung
• Werterhöhung max. 50 % (anders im Sektoren- und Konzessions-bereich), keine Kumulation!
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 18
Nicht vorhersehbare Änderung(en)
• Gesetzesbegründung:
„auch unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel, der Art und Merkmale des spezifischen Projekts, der bewährten Praxis und der Notwendigkeit, ein angemessenes Verhältnis zwischen den bei der Vorbereitung der Zuschlagserteilung eingesetzten Ressourcen und dem absehbaren Nutzen zu gewährleisten [nicht vorherzusehen]“
• hohe Anforderungen: Krisen, Katastrophen, höhere Gewalt (?)
• Werterhöhung max. 50 % (anders im Sektoren- und Konzessions-bereich), keine Kumulation!
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 19
Sonstige unwesentliche Änderung
• Umkehrschluss aus § 132 Abs. 1:
• Keine Modifikation wesentlicher Leistungspflichten
• Keine Änderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts
• Keine wesentliche Erweiterung des Leistungsumfangs
• Kein (relevanter) Wechsel des Auftragnehmers
1. Geringfügige
Änderung nach
§ 132 Abs. 3?
2. Ausnahmetatbe-stand nach § 132 Abs. 2?
3. sonstige unwesent-liche Änderung?
4. Neues Vergabeverfahren
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 20
Neues Vergabeverfahren
Wenn Fragen 1-3 verneint:
• § 132 Abs. 1 nicht abschließend („insbesondere“)
• Sonstige wesentliche Änderung:– Umfang und inhaltliche Ausgestaltung der
gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien betroffen
– Ausdruck des Willens zu Neuverhandlung wesentlicher Bedingungen
– Kann wertmäßig neutral sein Markt-mäßige Bedeutung ausschlaggebend
1. Geringfügige
Änderung nach
§ 132 Abs. 3?
2. Ausnahmetatbe-stand nach § 132 Abs. 2?
3. sonstige unwesent-liche Änderung?
4. Neues Vergabeverfahren
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 21
IV. Konsequenzen und Folgen
Bekanntmachung nach § 132 Abs. 5 GWB
• Änderungen ohne neues Verfahren nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3
• erhöhte Transparenzpflicht Dritte können Änderung überprüfen und ggf. Unwirksamkeit der Änderung ohne Ausschreibung feststellen lassen (§ 135)
Kündigungsrecht nach § 133 Abs. 1 Nr. 1 GWB: Gestaltungsrecht des Auftraggebers, nicht drittschützend
• Für Auftragnehmer nur Teilvergütungsrecht, evtl. Schadensersatz (bei Missbrauch durch AG)
• § 8 Abs. 4 Nr. 2 b) VOB/B: 12 Werktage Kündigungsfrist für AG
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 22
V. Unterschwellenbereich
§ 47 UVgO (zukünftig) -> § 132 GWB, geht aber weiter:
• Änderungen auch nach Ablauf der Vertragslaufzeit (strittig)
• Wert der Änderung: 20 % des Auftragswertes
• Erläuterungen BMWi: Einschränkung wie im GWB bewusst nicht übernommen
VOL/A (derzeit) -> enthält keine eigene Regelung zur Auftrags-änderung, aber ermöglicht geringfügige Nachbestellungen bei Preis- und Leistungsidentität
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 23
V. Unterschwellenbereich
§ 22 VOB/A verweist nicht auf § 132 GWB
• DVA: bewusste Entscheidung gegen Analogie zu GWB
• nur bei echten Zusatzleistungen neues Verfahren
Freiberufliche Leistungen
• Haushaltsrecht
• RS zum Kommunalen Auftragswesen im Land Brandenburg vom 17.03.2011, Anhang Nr. 15 Vergabe von Planungsleistungen
• Transparenz, Diskriminierungsfreiheit, Gleichbehandlung
Rechtsanwalt Janko Geßner | 10. Vergaberechtstag Brandenburg | © DOMBERT RECHTSANWÄLTE 2017 24
Fazit
• Mehr Rechtssicherheit für Auftraggeber
• größere Handlungsspielräume für Auftraggeber
• sorgfältige Analyse auf Vergaberechtsrelevanz erforderlich
(Nachtragsmanagement!)
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Mangerstraße 26
14467 Potsdam
Tel.: 0331 - 62 04 270
Fax: 0331 - 62 04 271
www.dombert.deFür Rückfragen wenden Sie sich an
Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Herrmann
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an
Rechtsanwalt Janko Geßner
Top Related