BiNKA – Bildung für nachhaltigen Konsum durch Achtsamkeitstraining Ergebnisse eines Interventionsprojekts Sonja Geiger Tina Böhme, Daniel Fischer, Pascal Frank, Paul Grossman, Ulf Schrader, Laura Stanszus, Anna Sundermann
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Inhaltsverzeichnis
Impressum Das Projekt wurde im Rahmen der Sozial-ökologischen Forschung (SÖF) des BMBF gefördert, Projekt-nummer 014UT1416. Kontakt: Prof. Ulf Schrader Fachgebiet Arbeitslehre/ Ökonomie und Nachhaltiger Konsum TU Berlin Marchstr. 23 10578 Berlin [email protected] Grafik-Design: Ursula Bier Diese Broschüre wurde unter creative commons law erstellt und darf unter Angabe der Autor*innen weiterverbreitet werden.
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Inhalt
1. Vorwort ................................................................................... 3
2. Hintergrund des BiNKA-Projekts ................................................. 6
2.1. Nachhaltiger Konsum .................................................................. 6
2.2. Bildung für nachhaltigen Konsum ................................................ 7
2.3. Achtsamkeit und ihre Bedeutung für nachhaltigen Konsum ....... 7
3. Das BiNKA-Projekt ..................................................................... 9
3.1. Das Ziel des Projekts .................................................................... 9
3.2. Aufbau und Durchführung des Projekts....................................... 9
3.3. Ergebnisse des Projekts ............................................................. 13
4. Fazit ...................................................................................... 23
5. Ausblick ................................................................................. 23
Glossar ...................................................................................... 25
Quellen ..................................................................................... 27
Das BiNKA-Team ........................................................................ 29
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1. Vorwort
Geburtsstunde des Projekts BiNKA (Bildung für nachhaltigen Konsum durch Achtsamkeitstrai-
ning) war in der Rückschau vielleicht ein Gespräch unter Kolleg*innen am Fachgebiet Arbeits-
lehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum (ALÖNK) der TU Berlin im Frühjahr 2013. Es ging um
die Frage: Was hat uns selbst eigentlich dazu gebracht, die Herausforderung einer nachhaltigen
Entwicklung zu einem wesentlichen Bestandteil unseres eigenen Lebens werden zu lassen? Un-
sere Kollegin Laura Stanszus führte ihr Interesse an nachhaltigem Konsum auf ihre Erfahrungen
mit Achtsamkeitsmeditation zurück. Sie äußerte sogar den Wunsch, über diese persönliche Er-
fahrung ihre Doktorarbeit zu schreiben. Vielleicht lässt sich ihr individuelles Erleben verallge-
meinern? Dann könnte Achtsamkeitsmeditation auch anderen Menschen dabei helfen, die ver-
breitete, aber wenig handlungsrelevante positive Einstellung zur Nachhaltigkeit in konkretes
nachhaltiges Konsumverhalten zu überführen.
Der angefragte potenzielle Doktorvater war nicht meditationserfahren und erst einmal vorsich-
tig, ob die Beschäftigung mit Achtsamkeit (siehe Glossar) im Rahmen der Konsumforschung
nicht einen Esoterik-Verdacht auslösen könnte. Es zeigte sich jedoch schnell: es gibt eine große,
stark wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen zu Achtsamkeit (bzw. zu Mindfulness).
Abbildung 1: Anzahl an neu publizierten englischsprachigen Artikeln zu Achtsamkeit in aner-kannten wissenschaftlichen Zeitschriften (Quelle: AMRA, 2017)
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Während für 2006 noch 118 neue peer-review Publikationen im renommierten ISI Web of Sci-
ence verzeichnet waren, stieg diese Zahl bis 2016 auf 1.502 Neuerscheinungen. Die American
Mindfulness Research Association (AMRA) schaut genauer, welche wissenschaftlichen Artikel
auf die Erforschung von Achtsamkeit, in dem im Glossar definierten Sinne, fokussieren und
kommt zu geringeren, aber ebenso dynamisch wachsenden Zahlen (siehe Abbildung 1).
Nachdem der Esoterikverdacht ausgeräumt war, begann die Suche nach einem Stipendium zur
Finanzierung der angedachten Promotion. Als die Ablehnung dieses Stipendienantrags eintraf,
lief gerade eine interessante Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und For-
schung (BMBF) im Rahmen der sozial-ökologischen Forschung (SÖF): Im Themenschwerpunkt
„Nachhaltiges Wirtschaften" sollten „Unternehmen und Konsumenten als Gestalter sozial-öko-
logischen Wandels“ angesprochen werden. Kurzentschlossen wurde das kleine Promotionspro-
jekt in ein großes Verbundforschungsprojekt verwandelt. Dabei erschien eine Verortung im
Rahmen der „Bildung für Nachhaltigen Konsum“ vielversprechend, denn auch dort ist die Über-
windung der Schwelle „vom Wissen zum Handeln“ eine der großen Herausforderungen. Dem-
entsprechend wurde als Forschungspartner das Institut für Umweltkommunikation der
Leuphana Universität Lüneburg gewonnen. Dieses hatte im vorangegangenen SÖF-Projekt BINK
(2008 – 2012) Bildungsinstitutionen im Hinblick auf Potenziale zur Förderung des nachhaltigen
Konsums untersucht. Um aus BINK das neue BiNKA werden zu lassen, wurde der Verbund um
wissenschaftliche Achtsamkeitsexpertise verstärkt – und das gelang durch die Zusammenarbeit
mit dem Europäischen Zentrum für Achtsamkeit.
Zentrales Merkmal von SÖF-Projekten ist die sogenannte Transdisziplinarität: Wissenschaft-
ler*innen unterschiedlicher Disziplinen arbeiten dabei nicht nur miteinander, sondern auch mit
gesellschaftlichen Praxisakteur*innen zusammen. Entsprechend wurde der Verbund erweitert
um Achtsamkeitstrainer*innen des Berliner Zentrums für Achtsamkeit und Gesundheit (AGES)
bzw. – in dessen Nachfolge – des Instituts für Achtsamkeit und Nachhaltigkeit (IfAN). Auch
wenn sie auf dieser Broschüre nicht als Autor und Autorin genannt sind: Ohne Jacomo Fritzsche
und Julia Harfensteller hätte es das BiNKA-Achtsamkeitstraining, das im Mittelpunkt unseres
Projekts steht, so nicht gegeben. Umgesetzt hat es Jacomo Fritzsche dann gemeinsam mit
Christiane Bock. Die Umsetzung für Erwachsene fand bei den Unternehmenspartnern eye squ-
are GmbH und OMICRON Energy Solutions GmbH sowie an der Humboldt Universität zu Berlin
und der Technischen Universität Berlin statt. Die Kurse mit Schüler*innen wurden alle an der
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Evangelischen Schule Berlin Zentrum durchgeführt. Die ehemalige Schulleiterin Margret Ras-
feld hat das BiNKA-Projekt zusammen mit anderen auch im Projektbeirat konstruktiv begleitet.
Uns ist klar, dass es diese Broschüre ohne unsere Praxispartner*innen und Beiratsmitglieder
sowie die Interventionsteilnehmenden nicht geben würde. Ihnen allen sind wir zu besonderem
Dank verpflichtet!
Der Weg von der ersten Antragsskizze im November 2013 über den Projektbeginn im März
2015 bis zur Veröffentlichung dieser Broschüre zur BiNKA-Abschlusstagung im Februar 2018
war lang – aber wir denken: es hat sich gelohnt! An dieser Stelle möchten wir Herrn Dr. Ralph
Wilhelm vom Projektträger DLR herzlich danken. Er hat mit großem Sachverstand und kritischer
Unterstützung maßgeblich dazu beigetragen, dass dieses sicher ungewöhnliche BMBF-Projekt
zustande gekommen ist und erfolgreich durchgeführt werden konnte.
Diese Broschüre stellt nun die wichtigsten Hintergründe und Ergebnisse unserer dreijährigen
Projektarbeit zusammen. Unser Anliegen ist, dabei auch verständlich für die interessierte Öf-
fentlichkeit zu sein. Wir möchten damit – ganz im Sinne der SÖF – einen Beitrag zum Wissens-
transfer leisten, der durch die üblichen wissenschaftlichen Fachpublikationen kaum möglich ist.
Wie im Weiteren zu zeigen sein wird, sind von Achtsamkeitsmeditation im Hinblick auf Nach-
haltigkeit keine „Wunder“ zu erwarten. Dennoch sind wir aufgrund sowohl unserer wissen-
schaftlichen Erkenntnisse als auch persönlicher Erfahrungen davon überzeugt, dass es hier
wertvolle Potenziale gibt, die weiter erprobt und untersucht werden sollten.
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2. Hintergrund des BiNKA-Projekts
2.1. Nachhaltiger Konsum
In erster Linie wurde das BiNKA-Projekt mit dem Ziel entwickelt, nachhaltigen Konsum (NK,
siehe Glossar) zu erforschen und zu fördern. Unter Konsum verstehen wir alle Handlungen der
Beschaffung, Nutzung und Entsorgung von Gütern und Dienstleistungen, die dazu dienen, Be-
dürfnisse in verschiedenen Lebensbereichen zu stillen. Nachhaltiger Konsum ist ökologisch und
sozial verantwortlich, so dass jetzt und zukünftig lebende Menschen Lebensbedingungen vor-
finden, um ihre Bedürfnisse ebenfalls stillen zu können (Geiger, Fischer, & Schrader, 2017, siehe
Quellen). Dabei umfasst Konsum verschiedene Lebensbereiche wie Ernährung, Mobilität,
Wohnraum und Kleidung: sog. Bedarfsfelder (siehe Abbildung 2). Ebenso erschöpft sich Kon-
sum nicht im Kauf bestimmter Produkte, sondern setzt sich aus weiteren Konsumphasen wie
der Nutzung und Entsorgung von Konsumgütern zusammen.
Abbildung 2: Das Würfelmodell nachhaltigen Konsums (Quelle: Geiger, Fischer & Schrader, 2017)
Des Weiteren sind auch die Nachhaltigkeitsdimensionen zu berücksichtigen, in denen unser
Konsumhandeln Spuren hinterlässt: so beeinflussen unsere Entscheidungen nicht nur die Um-
welt (wie z.B. den Klimawandel), sondern auch die Lebensbedingungen von Menschen (wie z.B.
deren Arbeitsbedingungen). Im BiNKA-Projekt wurden alle diese Aspekte für den Bereich Klei-
dung und Ernährung einbezogen und untersucht.
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2.2. Bildung für nachhaltigen Konsum
In der Tradition der Aufklärung soll Bildung Menschen dazu befähigen, sich mit den zentralen
Herausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen und zur Verbesserung der Verhältnisse
beizutragen. Das Konzept der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE, siehe Glossar)
baut hierauf auf. Es fragt danach, wie wir unser Leben gestalten können, ohne dass unsere Art
zu leben auf Kosten anderer Menschen und unserer Umwelt geht. Die Suche nach Antworten
auf diese Frage macht keinen Halt an Fächergrenzen und erfordert vernetztes Wissen: von
Wirtschaftskreisläufen und Gesetzgebung bis hin zu Stoffströmen und Ökosystemen (Michel-
sen & Fischer, 2015).
Am Beispiel von Konsum wird zugleich deutlich, dass nicht nur Wissen nötig ist, um das Ziel
nachhaltiger Entwicklung zu erreichen. Oftmals wissen Menschen bereits heute, dass unser
Konsum problematische Folgen hat – wenn wir etwa an Fernreisen mit dem Flugzeug denken,
die große Mengen CO2 in die Erdatmosphäre bringen und den Klimawandel damit beschleuni-
gen. Und obwohl wir den Klimaschutz für wichtig erachten und es besser wissen, handeln wir
doch in unserem Konsum oftmals entgegen unserer Überzeugungen – nicht selten mit einem
gehörigen schlechten Gewissen. In der Wissenschaft ist diese sogenannte Einstellungs-Verhal-
tens-Lücke (siehe Glossar) in den letzten Jahren intensiv beforscht worden. Dabei haben For-
schungsergebnisse gezeigt, dass es oftmals nicht am Wissen hapert, sondern viel wirksamer
sein kann, sich mit den Gefühlen und Werten zu befassen, die unser Handeln begleiten und mit
beeinflussen. In der Bildungsarbeit zu Fragen des Konsums, auch Bildung für nachhaltigen Kon-
sum (BNK, siehe Glossar) bezeichnet, hat sich daher ein reges Interesse an neuen Ansätzen
entwickelt, die eine Auseinandersetzung mit emotionalen Prozessen im Konsum anregen (Fi-
scher, 2013). Hier lässt sich auch das Potenzial der Praxis der Achtsamkeit vermuten.
2.3. Achtsamkeit und ihre Bedeutung für nachhaltigen Konsum Die Wurzeln des Konzepts Achtsamkeit reichen ca. 2500 Jahre zurück und liegen im Buddhis-
mus, in dem Achtsamkeit als geistige Fähigkeit und Kraft gilt, die von grundlegender Bedeutung
für den heilsamen Weg der Loslösung von den Leiden des menschlichen Daseins ist. Der Begriff
Achtsamkeit ist neben Geistesgegenwart die gängigste deutsche Übersetzung des Pali-Wortes
sati, das im buddhistischen Wörterbuch mit „Eingedenksein, Besinnung, Sich-ins-Gedächtnis-
Zurückrufen, Erinnerung, Im-Gedächtnis-Bewahren, Gründlichkeit, Nichtvergesslichkeit [...]“
übersetzt wird (Nyanatiloka, 1999).
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Erst vor wenigen Jahrzehnten wurde das Konzept der Achtsamkeit in den Kontext unserer west-
lichen Kultur eingeführt und erfährt seit einigen Jahren große Aufmerksamkeit. Dies wurde
maßgeblich durch Jon Kabat-Zinn (1982) und dem von ihm entwickelten Programm zur Stress-
bewältigung durch Achtsamkeit (Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR, siehe Glossar) be-
einflusst. Diese Art des Achtsamkeitstrainings wurde erfolgreich u.a. zur Senkung chronischer
Stresslevel, der Förderung individuellen Wohlbefindens (siehe Glossar) und erhöhter Konzent-
rationsfähigkeit eingesetzt. Auch innerhalb der Wissenschaft erfreut sich das Thema Achtsam-
keit aktuell großer Beliebtheit, was sich in den rasant ansteigenden Publikationszahlen wider-
spiegelt (siehe Vorwort).
Im BiNKA-Projekt wird Achtsamkeit definiert als das unvoreingenommene Gewahrsein, welches
durch das absichtsvolle und kontinuierliche Beachten eigener augenblicklicher Erfahrungen mit
einer offenen, annehmenden, wohlwollenden und mitfühlenden Haltung entsteht (Böhme, Gei-
ger, Grossman, Stanszus, & Schrader, 2016). In diesem (BiNKA-)Sinne ist Achtsamkeit mehr als
eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit und beinhaltet auch das Üben einer ethischen
Grundhaltung, die von Offenheit, Akzeptanz, Wohlwollen und Mitgefühl geprägt ist. Achtsam-
keit kann durch formelle Meditation im Sitzen, Liegen, Gehen oder Stehen und durch informelle
Meditation beim Verrichten alltäglicher Dinge eingeübt werden.
In einer grundlegenden Analyse bisher veröffentlichter Literatur zur (möglichen) Bedeutung
von Achtsamkeit für nachhaltigen Konsum (Fischer, Stanszus, Geiger, Grossman, & Schrader,
2017) wurden in unserem Projekt vier grundlegende Potenziale identifiziert (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Potenziale der Achtsamkeit für nachhaltigen Konsum (Fischer et al., 2017)
Unterbrechung von Routinen
Achtsamkeit wird oft als der Gegenpol zum „Autopilot-Modus“ dargestellt, in dem automatische, ggf. auch nicht-nachhaltige Entscheidungen getroffen werden. So kann Achtsamkeit dabei helfen, diese bewusst zu überdenken und ggf. eine nachhal-tigere Variante zu wählen (Rosenberg, 2004).
Einstellungs- Verhaltens-Lücke
In verschiedenen Arbeiten wurde festgestellt, dass Achtsamkeit dazu beiträgt, einmal gefasste Absichten (z.B. bei Sport oder Ernährung) auch in Verhalten umzusetzen (Chatzisarantis & Hagger, 2007).
Pro-soziales Verhalten
Achtsamkeit ist eng verbunden mit der Entwicklung von Mitgefühl und pro-sozialem Verhalten (Lim, Condon, & DeSteno, 2015). Diese wiederum hängen positiv mit nach-haltigem Verhalten zusammen (Berenguer, 2007; Geiger & Keller, 2017).
Materialismus und Wohlbefinden
Achtsamkeit steigert das Wohlbefinden von Menschen und führt zu einer Zufrieden-heit, die unabhängig ist von materiellem Konsum. So kann langfristig das Konsumni-veau gesenkt werden, ohne dass die Menschen an Lebensqualität verlieren (Brown & Kasser, 2005; Ericson, Kjønstad, & Barstad, 2014).
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3. Das BiNKA-Projekt
3.1. Das Ziel des Projekts
Ziel des BiNKA-Projekts war es, die Potenziale von Achtsamkeit für nachhaltigen Konsum zu
untersuchen und sie für den Bildungsbereich nutzbar zu machen. Für diesen Zweck wurde ein
spezieller Achtsamkeitskurs mit Konsum-Fokus (im Weiteren: „BiNKA-Training“) entwickelt. Ab-
bildung 3 zeigt die übergeordneten Ziele für Wissenschaft und Praxis.
Abbildung 3: Übergeordnete Projektziele
Für das Projekt waren die folgenden Forschungsfragen leitend:
1. Gibt es einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und nachhaltigem
Konsumverhalten?
2. Lässt sich nachhaltiges Konsumverhalten durch Achtsamkeitstraining fördern?
3. Kann ein Achtsamkeitstraining die Einstellungs-Verhaltens-Lücke bezüglich des nach-
haltigen Konsumverhaltens schließen?
3.2. Aufbau und Durchführung des Projekts
Das Studiendesign
Um Antworten auf die Forschungsfragen geben zu können, wurde eine Intervention („das
BiNKA-Training“, genauer Aufbau siehe S. 11) entwickelt und evaluiert. D.h. Teilnehmende be-
antworteten sowohl vor als auch nach der Teilnahme an diesem Training Fragebögen zu ihrer
Achtsamkeit, ihrem Konsumverhalten, ihren Werten und vielen weiteren Aspekten. Weiterhin
wurden alle Teilnehmenden angehalten, ein Praxistagebuch zu ihren Meditationserfahrungen
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zu führen und ausgewählte Teilnehmende wurden nach der Intervention tiefergehend in qua-
litativen Interviews befragt. Beide Datenquellen wurden benutzt, um Aufschluss über Wirkme-
chanismen des Trainings zu bekommen und um weder individuelle, noch unvorhergesehene
Effekte des Achtsamkeitstrainings zu übersehen. Sieben Monate nach Abschluss der Interven-
tion wurden die Teilnehmenden noch einmal zu den zentralen Aspekten befragt, um Langzeit-
wirkungen des BiNKA-Trainings abschätzen zu können. Abbildung 4 gibt einen Überblick über
die Messzeitpunkte, an denen zwei verschiedenen Gruppen (Interventionsgruppe (IG) und
Wartekontrollgruppe (KG)) die Fragebögen vorgelegt wurden (insgesamt vier Messzeitpunkte:
vor dem Kurs, nach dem IG-Kurs, nach dem KG-Kurs und jeweils 30 Wochen nach Kursende).
Abbildung 4: Studiendesign
Die Teilnehmenden
Insgesamt wurde das Training mit drei verschiedenen Gruppen durchgeführt: Schüler*innen
der 10. Klasse einer Schule, Studierende und Arbeitnehmende zweier mittelständischer Unter-
nehmen und einer Universität. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Anzahl der Teilnehmen-
den in den drei Bereichen.
Tabelle 2: Übersicht Teilnehmender der gesamten Studie
Interventions-gruppe
Kontrollgruppe Gesamt
Schüler*innen 37 33 70
Studierende 28 36 64
Arbeitnehmende 33 40 73
Gesamt 98 109 207
qualitative Interviews
qualitative Interviews
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Das BiNKA-Training
Das BiNKA-Training wurde als Achtsamkeitstraining mit Konsum-Fokus konzipiert und sein Auf-
bau orientiert sich an klassischen MBSR-Kursen: Das Training umfasst acht wöchentliche Tref-
fen mit je 1,5 Stunden Umfang und einen vierstündigen Tag der Achtsamkeit nach Woche 6.
Zusätzlich zu den neun Präsenzterminen werden die Teilnehmenden eingeladen, täglich selbst-
ständig 20 Minuten zu meditieren (formelle Meditationspraxis mit Audio-Anleitung) sowie wö-
chentliche Aufgaben zur informellen Praxis (z.B. achtsames Einkaufen) zu erledigen. Der Haupt-
fokus des Trainings liegt auf der reinen Vermittlung und Praxis achtsamkeitsbezogener Inhalte
und Techniken (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: Einordnung BiNKA-Trainings zwischen Achtsamkeits- und BNK-Ansätzen
Die ersten Wochen des BiNKA-Trainings widmen sich zunächst klassischen Themen der Acht-
samkeit, wie dem Erlernen verschiedener Meditationstechniken und dem Umgang mit Schwie-
rigkeiten bei der Introspektion. In den folgenden Wochen werden nach und nach konsumrele-
vante Achtsamkeits-Themen eingeführt, wie der Umgang mit Emotionen und Bedürfnissen o-
der das Üben von Mitgefühl und Wertschätzung. An den letzten Terminen werden die zuvor
gelernten Inhalte explizit auf die Anwendung zur Gestaltung einer achtsameren, nachhaltigeren
Welt bezogen. Eine Übersicht über alle Kurstermine und ihre Inhalte findet sich in Tabelle 3 auf
Seite 12.
Der Konsumfokus im BiNKA-Training wird folgendermaßen umgesetzt:
1. Eine ethische Grundhaltung wird implizit als Teil von Achtsamkeit vermittelt.
2. Spezifische Achtsamkeitsübungen werden in den Kontext von Konsum gestellt.
3. Formate aus der Bildung für Nachhaltigen Konsum (BNK) sind in das Training integriert.
Speziell an der Kursentwicklung interessierten Leser*innen sei die detaillierte Beschreibung von
Stanszus et al. (2017) empfohlen.
Das Spektrum an Möglichkeiten erfahrungsbasierter und kognitiver Wissensvermittlung
„reine Achtsamkeit“
Achtsamkeit und BNK gemischt
„reines BNK“
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Tabelle 3: Übersicht über die Inhalte der neun Kurs-Sessions
Sitzungen Themen und Inhalte Session 1 Einführung: Was ist Achtsamkeit?
Ablauf und Rahmenbedingungen des Kurses Definition und Funktionsweise von Achtsamkeit Einführung Bodyscan Der „Autopilot“
Session 2 Hindernisse und Schwierigkeiten in der Meditation – Auch das gehört dazu Achtsame Bewegung Einführung Atembetrachtung Bodyscan Welche Herausforderungen gilt es während der Meditation zu meistern?
Session 3 (Un-) Zufriedenheit – und andere Gemeinsamkeiten Achtsame Bewegung Atembetrachtung Bodyscan Was macht mich (un-)zufrieden?
Session 4 Emotionale Intelligenz – Achtsamer Umgang mit Gefühlen Atembetrachtung Einführung Geh- und Stehmeditation Gefühle wahrnehmen und benennen
Session 5 Wünsche und Bedürfnisse – Sich dem Leben öffnen Grundlagen der achtsamen Kommunikation In Gefühlen und Bedürfnissen sprechen anstatt in Forderungen und Urteilen Einführung in die Praxis achtsamer Begegnung
Session 6 Mitgefühl – Freundlichkeit mit mir selbst und anderen Einführung in die Meditation der Freundlichkeit und Güte (Mettā) Bedeutung einer wohlwollenden und freundlichen Haltung uns selbst und
der Welt gegenüber Tag der Achtsam-keit
Gemeinsam die Stille entdecken Geh- und Stehmeditation Atembetrachtung Achtsames Essen Mettā-Meditation
Session 7 Achtsamer Konsum – Haben und Sein Achtsamkeit an den Sinnestoren Achtsame Bewegung Was ist achtsame Ernährung, was ist achtsamer Konsum?
Session 8 Eine achtsame Welt – Von innen nach außen Einführung in die 4-Elemente-Meditation Geh- und Stehmeditation Mettā-Meditation
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3.3. Ergebnisse des Projekts
Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse des BiNKA-Projekts überblicksartig vorge-
stellt, zuerst die Hauptergebnisse der Fragebogenstudie, danach die Hauptergebnisse der tiefer
gehenden Interviews und zuletzt die Ergebnisse der Schulstudie.
Ergebnisse der Fragebogenstudie
Der Fragebogen war sehr ausführlich und erfasste mehr als zehn verschiedene Aspekte mögli-
cher Achtsamkeitswirkungen, eine detaillierte Darstellung findet sich in Geiger, Fischer und
Schrader (2016). Die Ergebnisdarstellung konzentriert sich hier auf vier Hauptergebnisse: di-
rekte Effekte auf nachhaltigen Konsum, die Reduktion der Einstellungs-Verhaltens-Lücke, Ef-
fekte auf materielle Werte (siehe Glossar) und Wohlbefinden und achtsamkeitsbezogene Ef-
fekte.
Das BiNKA-Training steigert nicht unmittelbar den nachhaltigen Konsum
Die Werte zum nachhaltigen Konsum in den Bereichen Ernährung und Kleidung nach der Inter-
vention unterscheiden sich nicht signifikant von den Werten vor der Intervention. Abbildung 6a
und 6b zeigen geringe Veränderungen über die Zeit in beiden Bereichen. Die grünen Balken
stehen für die Interventionsgruppen, die deutlich über 0 liegen müssten, um über den Kursver-
lauf eine bedeutsame Verbesserung im Sinne der Nachhaltigkeit anzuzeigen. Bezüglich Lang-
zeiteffekten zeigt sich in der Follow-Up-Befragung ein kleiner Anstieg im Bereich nachhaltige
Ernährung, der für die Teilnehmenden stärker ausfiel, die weiterhin meditiert hatten. Allerdings
nahmen nur noch insgesamt 45 Personen an dieser zeitlich versetzten Befragung teil.
Abbildung 6a: Ergebnisse im Bereich Ernährung Abbildung 6b: Ergebnisse im Bereich Kleidung
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Das BiNKA-Training reduziert nicht die Einstellungs-Verhaltens-Lücke
Wie auch die Verhaltensweisen, ändern sich die - schon zu Beginn sehr positiven - Einstellungen
zu nachhaltigem Konsum bei den Teilnehmenden über den Kursverlauf kaum. Weiterhin zeigen
verschiedene statistische Analysen, dass sich die zu Beginn herrschende Diskrepanz zwischen
Einstellung und Verhalten durch den Kurs nicht verringert. Sowohl vor, als auch nach dem Kurs
berichten die Teilnehmenden von überwiegend positiven Einstellungen zu nachhaltigem Kon-
sum, die sie nur zu einem geringeren Maße in ihrem Verhalten umsetzen. Im Gegensatz zu
anderen Studien, in denen durch Achtsamkeitsmeditation eine Schließung der Intentions-Ver-
haltens-Lücke bewirkt werden konnte (z.B. bei Menschen mit der Intention, mehr Sport zu trei-
ben), haben unsere Teilnehmenden nicht den Kurs besucht, um ihren Intentionen entspre-
chend besser handeln zu können. Dieser Unterschied kann die fehlenden Effekte zum Teil er-
klären.
Das BiNKA-Training verschiebt Prioritäten und steigert zum Teil das Wohlbefinden
Eines der Hauptergebnisse unserer Studie ist die Abnahme materieller Werte. Im Schnitt mes-
sen sowohl Studierende als auch Arbeitnehmende materiellen Besitztümern am Ende des Kur-
ses weniger Bedeutung bei. Der Besitz von Gütern wird weniger als Weg zum Glück oder Zei-
chen von Erfolg wahrgenommen (Abbildung 7a). Für Studierende ging dieser Effekt einher mit
einer Stärkung subjektiven Wohlbefindens (Abbildung 7b). Zusammengenommen zeigen die
beiden Effekte Wege auf, auch ohne ressourcenintensiven Konsum Wohlbefinden zu erlangen.
Abbildung 7a: Ergebnisse für materielle Werte Abbildung 7b: Ergebnisse für Wohlbefinden
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Das BiNKA-Training stärkt Achtsamkeitserfahrungen
Die Teilnehmenden am BiNKA-Training zeigen im Durchschnitt eine signifikant gesteigerte
Achtsamkeit im Alltag, gemessen mit dem Achtsamkeitsfragebogen CHIME (Bergomi, Tscha-
cher & Kupper, 2014). Allerdings finden sich auch hier Unterschiede zwischen den Gruppen
(Abbildung 8): Während sich für Studierende starke, positive Effekte in allen gemessenen Acht-
samkeits-Facetten zeigen (wie z.B. eine gesteigerte Akzeptanz dessen, was ist und ein stärkeres
Vermögen, sich von der eigenen Erfahrung zu distanzieren), zeigen sich bei den Arbeitnehmen-
den schwächere Effekte für eine Mehrzahl der
Facetten (wie z.B. gesteigerte Wahrnehmung
von Reizen in der Umwelt und Offenheit auch
für negative Gefühle). Dass Studierende gene-
rell mehr von der Kursteilnahme profitierten
als Arbeitnehmende, spiegelte sich auch in
generellen Beobachtungen zur Wirksamkeit
des Kurses wider: Studierenden fiel es sicht-
lich leichter, sich auf die Kursinhalte einzulas-
sen und sie beurteilen ihre Teilnahme auch
selbst als erfolgreicher in Bezug auf die eige-
nen Ziele.
Ergebnisse aus der qualitativen Studie
Auch die tiefer gehenden qualitativen Interviews, welche mit 25 Teilnehmenden nach Ab-
schluss der Kurse durchgeführt wurden, zeigen relativ geringe Effekte des Trainings auf das
tatsächliche Konsumverhalten. Gegenüber der Fragebogenstudie zeigt sich allerdings im Inter-
view- und Tagebuchmaterial deutlich, dass der BiNKA-Kurs Einfluss auf Konsumvorstufen der
Befragten nehmen konnte. Neben Veränderungen konsumbezogener Einstellungen und Inten-
tionen gehören hierzu vor allem konsumspezifische Bewusstseinserweiterungen bei den Teil-
nehmenden. Auch achtsamkeitsbezogene Effekte, wie die Entwicklung ethischer Qualitäten,
eine bewusstere Wahrnehmung von sich selbst und seiner Mitwelt sowie ein gesteigertes
Wohlbefinden, konnten vermehrt beobachtet werden. Die meisten dieser Effekte sind im Hin-
blick auf nachhaltigen Konsum positiv zu bewerten, obgleich die Kursteilnahme in seltenen Fäl-
len auch weniger nachhaltige Konsumhandlungen zur Folge haben könnte.
Abbildung. 8: Ergebnisse für Achtsamkeit
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Effekte des BiNKA-Trainings auf Konsumverhalten
In den Interviews gab es vier von 25 Fällen, bei denen explizit von Veränderungen gesprochen
wurde:
Drei der vier Studierenden berichten von einem Rückgang ihres Fleischkonsums aufgrund einer
veränderten Gefühlslage gegenüber dem Verzehr tierischer Lebensmittel:
Effekte des BiNKA-Trainings auf Konsumvorstufen
Unter Effekten auf Konsumvorstufen verstehen wir Veränderungen einerseits auf der
vorgelagerten Bewusstseinsebene und anderseits auf der konkreteren Einstellungsebene bis
hin zur Intentionsbildung, das eigene Konsumverhalten zukünftig nachhaltiger zu gestalten. In
Bezug auf konsumbezogene Einstellungen und Intentionen sagen insgesamt acht
Teilnehmende, dass der Kurs Veränderungen stimuliert habe. Sie berichten zum Beispiel von
einer größeren Wichtigkeit sozialer und ökologischer Werte und einer daraus resultierenden
gestärkten Absicht, diesen Werten auch
im Handeln zu folgen. Eine Studentin ant-
wortet zum Beispiel auf die Frage, ob sich
an ihrem Bezug zu Ernährung etwas ge-
ändert habe:
Einige Teilnehmende geben außerdem an, durch den Kurs eine gesteigerte Wertschätzung für
die von ihnen konsumierten Güter zu erfahren.
„Mein Freund hatte eine Pizza mit Schinken oder so. Da habe ich gemerkt, dass ich es richtig eklig fand. Das hatte ich häufiger, dass ich dann eine Abneigung gegenüber Fleisch gespürt habe, […] Das ist eher so eine Gedankensache, dass ich eigentlich gerne Fleisch esse, dass ich das richtig lecker finde, aber häufig mir das verbiete. Gerade kein nachhaltig produziertes Fleisch. Und dass ich da mehr gemerkt habe: Ich will das gar nicht. Dass ich eben ein Ekelgefühl hatte.“ IGSTUX
„Ich habe vorher von Bioprodukten nichts gehalten, […] Also ich bin Veganer, aber ähm fand das trotzdem ziemlich so eine Geldschneiderei, weil es kostet ja doch immer viel mehr und eigentlich ist ja doch dasselbe drin und so weiter Aber, äh, ja ich hab in letzter Zeit häufiger daran gedacht: Okay, ich gebe doch lieber die dreißig Cent mehr aus und nehme das Bioprodukt.“ KG3STU3
„Ich würde mal sagen, […] dass ich wieder versuche ein bisschen weniger Fleisch zu essen und, hm, mehr Bio einzukaufen. [...] Und weniger wegzuwerfen“ KG2STU9
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Auf der konsumbezogenen Bewusstseinsebene berichten 16 Teilnehmende von Effekten. Sie
sprechen davon, dass ihnen der Kurs ein geschärftes Bewusstsein für den Hintergrund von Kon-
sumgütern und den Folgen der eigenen Konsumhandlungen vermittelt habe:
Achtsamkeitsbezogene Effekte des BiNKA-Trainings
Unter achtsamkeitsbezogenen Effekten werden beobachtete Wirkungen des Kurses zusam-
mengefasst, die in direkter Verbindung mit dem Achtsamkeitskonstrukt stehen. Dazu zählen
die Entwicklung individueller ethischer Tugenden (siehe Glossar), das Bewusstsein gegenüber
sich selbst und der Mitwelt sowie ein gesteigertes Wohlbefinden. Diese Effekte stehen nicht in
unmittelbarem Zusammenhang zu nachhaltigem Verhalten, können aber potentiell förderlich
für deren Entwicklung sein (Berenguer, 2007; Brown & Kasser, 2005).
Ethische Tugenden: Im Rahmen unseres Achtsamkeitsverständnisses spielt die Ausbildung ethi-
scher Tugenden oder Qualitäten durch Achtsamkeitstraining eine grundlegende Rolle. Zwölf
der befragten Teilnehmenden berichten davon, solche Qualitäten durch die Kursteilnahme bei
sich selbst verstärkt beobachten zu können. Sie entwickelten mehr Gelassenheit im Umgang
mit sich und anderen, (Selbst-)Mitgefühl, Empathie und Verbundenheitsgefühle mit Natur und
Mitmenschen. Diese Entwicklung ging zumeist auch mit geringerem Stressempfinden und mehr
Wohlbefinden einher:
Bewusstseinserweiterungen: Nahezu alle Teilnehmenden (23) berichten außerdem von ge-
schärftem – oder überhaupt erstmalig aufkommendem – Bewusstsein für innere Zustände und
Prozesse, darunter viele in Bezug auf Konsumsituationen oder spezielle Verhaltensmuster. Eine
damit zusammenhängende verringerte Reaktivität auf bestimmte automatische Auslöser, wie
negative Emotionen, wurde ebenfalls mehrfach berichtet:
„Was sich auch verändert hat, ähnlich wie bei der Kleidung, vielleicht ein bisschen verstärkt nochmal, das sind ja auch nicht Sachen, die völlig neu für mich sind. Dann aber verstärkt ins Leben gerufen. Ja, wo die Produkte halt so herkommen. Ja, dass es schon ein ziemlicher Quatsch ist, eigentlich. Was da alles angekarrt wird da in den [Supermarkt].“ IG2AN12
„Mitfühlend mit meinen Mitmenschen bin ich auch sonst (z.B. Vortritt im Bus, helfen auf der Straße), aber Achtsamkeit macht mir diese Vorgänge bewusst & stärkt das Gefühl von Wohlwollen gegenüber Fremden.“ IG1STU10 (Ausschnitt aus dem Praxistagebuch)
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Wohlbefinden: Eine häufig direkte Folge aus den zuvor geschilderten, achtsamkeitsbezogenen
Effekten ist ein verbessertes Wohlbefinden. Ein solches erleben elf der 25 Teilnehmenden. Das
Training habe ihnen insbesondere geholfen, besser mit Stress und negativen Gefühlen umzu-
gehen und insgesamt gelassener und entspannter auf schwierige Situationen zu reagieren.
Der direkte Zusammenhang mit ethischen Qualitäten und Bewusstseinsveränderungen wird im
folgenden Zitat deutlich:
Keine und potenziell negative Rückkoppelungs-Effekte
Lediglich zwei der interviewten Teilnehmenden gaben an, dass der Kurs keine andauernden
Effekte hatte. Einige berichteten von einer durch das Training verstärkten Ausrichtung auf per-
sönliche Bedürfnisse, was mitunter auch nicht-nachhaltige Konsumentscheidungen nach sich
ziehen kann. Solche nicht-nachhaltigen Konsumentscheidungen wären ein nicht-intendierter
Rebound-Effekt (siehe Glossar) des BiNKA-Kurses. In zwei Fällen hatte die Kursteilnahme auch
zur Folge, dass die Teilnehmenden ein weniger schlechtes Gewissen bei nicht-nachhaltigen
Konsumentscheidungen verspürten:
„Ja. Das, was ich gerade so gesagt habe. Mehr auf sich selber achten. Mehr auf seine Verhaltensweisen achten. […] Bewussterer Umgang mit Gefühlen. Mit Situationen mit positiven wie auch negativen Gefühlen. […] Ich kann mich über positive Momente ein bisschen mehr freuen und kann mit negativen ein bisschen besser umgehen.“ IG2AN11
„In Situationen mit meinen Kindern, in denen ich Wut in mir aufsteigen fühlte, konnte ich oft abwarten, bis diese vorüber war und mich dann ruhig und offen meinen Kindern zuwenden.“ „Es fühlt sich gut für mich an, Verbindendes mit meinen Mitmenschen zu erkennen statt das, was uns trennt. Es beschäftigt mich und macht mich ruhig und nachsichtig.“ IG1STU2 (Ausschnitt aus dem Praxistagebuch)
„Da hat mir der Kurs insofern noch einmal […]die Augen geöffnet? […] er hilft mir, dass dann so anzunehmen und zu sagen: Okay. Es ist gerade so, weil, vielleicht ist gerade nicht genug Geld da, um alles in bio zu kaufen.“ IG1STU2
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Ergebnisse der Schulstudie
Die BiNKA-Schulstudie wurde mit Jugendlichen der 10. Klasse durchführt und war direkt in den
Schulalltag eingebettet. Im Kern waren Ziel, Studiendesign und die Inhalte des BiNKA-Trainings
in der Schulstudie identisch mit der Erwachsenenstudie. Aufgrund der speziellen Rahmenbe-
dingungen in einer Schule sowie der besonderen Zielgruppe von 15- bis 17-jährigen Schüler*in-
nen wurden jedoch die Trainingsinhalte und Forschungsinstrumente z.T. angepasst (Meditati-
onszeiten gekürzt, Aufgabenformate stärker abgewechselt, Länge und Sprache der Fragebögen
gekürzt und vereinfacht). Im Gegensatz zu den Erwachsenen wählten die Schüler*innen die
Teilnahme an Kurs und Umfragen nicht freiwillig, was vermutlich eine viel niedrigere Grundmo-
tivation zur Folge hatte. Während die Bereitschaft zur Teilnahme am Kurs für viele im Laufe der
Zeit zunahm, sank die Motivation zum mehrmaligen Ausfüllen der Fragebögen stetig. So gaben
gut zwei Drittel der Schüler*innen an, dass das Training in Bezug auf ihre persönlichen Ziele
und Erwartungen erfolgreich war. An dieser Stelle werden jedoch keine weiteren Ergebnisse
aus der Fragebogenstudie berichtet, da die Erhebungen trotz aller Vorbereitungen keine be-
lastbaren Daten hervorbrachten.
Sehr aufschlussreich hingegen waren die Ergebnisse der Analyse der 14 qualitativen Interviews,
die nach Abschluss der ersten Kurswelle mit zufällig ausgewählten Teilnehmenden geführt wur-
den. Ähnlich wie bei den Erwachsenen zeigten sich geringe Effekte des BiNKA-Kurses auf das
tatsächliche Konsumverhalten der Jugendlichen, im Gegensatz dazu aber ein deutlicher Einfluss
auf Konsumvorstufen. Darüber hinaus berichteten alle Schüler*innen achtsamkeitsbezogene
Effekte des Trainings. Die meisten der genannten Effekte sind im Hinblick auf nachhaltigen Kon-
sum positiv zu bewerten. Dennoch sind nicht-nachhaltige Konsumhandlungen als Folge des
Kurses nicht ganz auszuschließen. Auffallend ist, dass alle befragten Schüler*innen in dieser
Studie über sehr viel Vorwissen bezüglich nachhaltiger Verhaltensweisen verfügten und ein
Großteil der Elternhäuser bereits auf nachhaltigen Konsum achtete. Zudem sind Jugendliche
allgemein in ihrem Konsumverhalten noch sehr abhängig von ihren Eltern bzw. ihrer Familie
(z.B. Höhe des Taschengeldes, kaufen alltäglicher Lebensmittel und Kleidung). Des Weiteren
standen alle Teilnehmenden kurz vor ihren Mittelstufen-Abschlussprüfungen, was eine beson-
ders anstrengende Phase in der Schullaufbahn der Jugendlichen ist.
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Effekte des BiNKA-Trainings auf Konsumverhalten
In zwei von 14 Fällen wird explizit von einem Einfluss des Kurses auf Veränderungen des Kon-
sumverhaltens in den Bereichen Ernährung und Kleidung gesprochen:
Effekte des BiNKA-Trainings auf Konsumvorstufen
In zwölf von 14 Fällen wird von Effekten auf Konsumvorstufen berichtet. In diesen zwölf Fällen
hat der Kurs mindestens einen Anstoß zum Nachdenken über nachhaltigen Konsum gegeben:
Darüber hinaus berichten acht Teilnehmende
davon, dass ihnen der Kurs ihr bereits vorhan-
denes Wissen zu nachhaltigem Konsum wieder
ins Bewusstsein geholt und einen Anstoß zur
Reflektion eigener Verhaltensweisen sowie z.B.
zu Herkunft und Herstellungsbedingungen von
Produkten gegeben hat. In zwei der zwölf Fälle
äußern die Befragten deutlich den Wunsch, das
eigene Konsumverhalten nachhaltiger gestalten zu wollen. Eine dieser Personen spricht konk-
ret von der Absicht, eine Umstellung des Konsumverhaltens in die Tat umzusetzen.
Achtsamkeitsbezogene Effekte des BiNKA-Trainings
Unter achtsamkeitsbezogenen Effekten werden bei den Schüler*innen Wirkungen in den Be-
reichen Wahrnehmung und Konzentration, Kommunikation und Interaktion sowie Wohlbefin-
den zusammengefasst. Alle 14 Teilnehmenden berichten über Effekte in mindestens einem die-
ser Bereiche. Diese Effekte hängen nicht unmittelbar mit nachhaltigem Verhalten zusammen,
können aber potentiell förderlich für deren Entwicklung sein.
„Na ja, teilweise auch mit Kleidung. […] jetzt hatte ich drei Paar Reitschuhe und das eine Paar war ziemlich kaputt, […] und jetzt habe ich dann nochmal mit meinem Papa das ein bisschen repariert […] Und da hätte ich halt vor dem Kurs gesagt: Na ja, okay. Die können jetzt weggeschmissen werden.“ IG3SCHU2
„[…] so Sachen, wie jetzt so achtsam Ernähren, das ist mir so ein bisschen mehr klargeworden, weil wir darüber halt mehr geredet haben. Deswegen probier ich jetzt auch, einen Monat Vegetarier zu sein, […]“ IG3SCHU12
„[…] wir hatten ja einmal so ne Stunde dazu, wo wir drüber nachdenken sollten, woher kommt eigentlich unsere Hose, […] man WEISS es irgendwie ja, wenn man jetzt zum H&M geht und sich da ne Hose kauft weiß man schon irgendwie woher die kommt so, von Kindern für Kinder […] aber... man machts nie so BEWUSST.“ IG1SCHU8
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Wahrnehmung und Konzentration: Elf der 14 Teilnehmenden berichten, dass sie durch das Trai-
ning innere Zustände und Prozesse sowie Details in ihrer Umgebung bewusster wahrnehmen
können. Zudem schildern viele, dass sie sich durch die Meditation sammeln, besser konzentrie-
ren und bei herausfordernden Gefühlen dadurch gelassener reagierten konnten.
Sieben Teilnehmende schildern zu-
dem einen Effekt des Trainings auf
eine bewusstere Wahrnehmung von
Details beim Essen, was oft mit mehr
Wertschätzung und Genuss des Es-
sens einherging:
Kommunikation und Interaktion: Sieben Teilnehmende schildern Effekte des Trainings auf die
Kommunikation bzw. den Umgang mit anderen – oftmals als Folge einer bewussteren Wahr-
nehmung. Die Teilnehmenden berichteten von mehr Klarheit und Besonnenheit im Umgang
mit Konfliktsituationen mit Personen im näheren Umfeld (Familie, Freund*innen, Mitschü-
ler*innen, siehe Beispielzitat IG1SCHU8). Zudem äußern sie, im Kurs eine achtsamere Art der
Kommunikation gelernt zu haben (aufmerksamer zuhören, ausreden lassen, innehalten vor
dem Sprechen). Vereinzelt führt die bewusstere Wahrnehmung von Details in der Umgebung
auch zu einer intensiveren Verbundenheit mit der Natur:
„Ähm ja nach dem Kurs hab ich mehr so sozusagen Elemente wahrgenommen. So irgendwie wie der Wind durch meine Haare gepfiffen ist oder wie halt die Sonne raus kam oder einzelne Sonnenstrahlen auf mir waren, find ich fühlt man sich/also ich hab mich ganz ANDERS mit der Natur verbunden gefühlt.“ IG2SCHU6
„[…] weil ich jetzt so ein bisschen gelernt habe meine so Gefühle, […] also vor allem negative Gefühle, irgendwie erstmal so wahrzunehmen halt im Körper […] einfach sie so registrieren […] und das hilft mir halt, besser so damit so umzugehen. Also es ist vor allem so in der Mitte des Kurses auch aufgefallen, dass ich mich viel weniger so mit meinem kleinen Bruder gestritten hab.“ IG1SCHU8
„Also dieses mir selbst über Sachen klar zu werden, also was jetzt passiert ist. Oder vor allem auch dieses achtsame Essen, […] es ist wirklich auch ein ganz anderer Geschmack und der Geruch - alles mal wahrzunehmen ist gleich ein ganz anderes Gefühl.“ IG2SCHU6
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Wohlbefinden: Nahezu alle Teilnehmenden (13) schildern Effekte des Trainings in Bezug auf ihr
Wohlbefinden. Sie beschreiben, dass sie sich durch die Meditation entspannter, ruhiger und
gelassener fühlten und aus der Praxis neue Energie, Kraft und Motivation für den (Schul-)Alltag
schöpfen konnten. Dies ist häufig eine direkte Folge aus den zuvor geschilderten achtsamkeits-
bezogenen Effekten:
Keine und potenziell negative Rückkoppelungs-Effekte
Im Gegensatz zu den Erwachsenen gibt es bei den Schüler*innen keinen Fall, in dem gar kein
Effekt des BiNKA-Trainings geschildert wird. Lediglich zwei der 14 Fälle zeigen weder Effekte im
Konsumverhalten, noch in Konsumvorstufen, dafür aber in achtsamkeitsbezogenen Effekten.
Zudem berichtet ein Fall davon, darin bestärkt worden zu sein, eine Umstellung hin zu nachhal-
tigem Konsum langsam anzugehen und sich nicht ganz so darauf „zu versteifen“. Dies könnte
nicht-nachhaltige Konsumentscheidungen nach sich ziehen (als möglicher Rebound-Effekt des
BiNKA-Trainings):
„Ich glaube einfach […] dieses einfach mal runterkommen und nochmal von neu beginnen sozusagen. Also einfach (---) im Schulalltag einmal runterkommen und dann aber sozusagen achtsam den Alltag nochmal weiter zu machen.“ IG2SCHU2
„[…] dass so quasi ich den so den ganzen Körper runtergefahren habe und halb, erst wirklich so wieder wirklich bemerken konnte, wie es mir eigentlich geht. (Int: Mhm) Weil sonst, ich bin ja immer so in Hektik und so.“ IG1SCHU9
„Zum Beispiel ähm wurde eben gesagt, „Nachhaltiger Konsum – nimm dir dafür Zeit!“ Und das hab ich mir eben gedacht, dass man eben genießen soll und das wurde eben nochmal bestätigt […] Und jetzt überzeug ich auch davon andere, dass […] es gut ist, zu genießen und man sollte sich nicht dazu versteifen und sagen, „ja, ich muss jetzt nachhaltig leben – komme, was wolle.“ IG2SCHU7
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4. Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Studie vielfältige Potenziale von Achtsamkeit
aufzeigt, indirekt Einfluss auf nachhaltigen Konsum zu nehmen, auch wenn die direkten Effekte
auf das nachhaltige Konsumverhalten selbst eher gering ausfallen. Vor allem in der qualitativen
Studie wurden eine gesteigerte Wertschätzung für Produkte und eine vertiefte Problemwahr-
nehmung für deren Konsum deutlich. Zusätzlich wurde von Interviewteilnehmenden über ein
gesteigertes Gewahrsein der eigenen Bedürfnisse, also eine verbesserte Introspektionsfähig-
keit berichtet und die dadurch entstehende Möglichkeit, inne zu halten und auf emotionale
Konsumauslöser nicht sofort reagieren zu müssen. Dies sind Grundvoraussetzungen für die
Durchbrechung gewohnter, nicht-nachhaltiger Handlungsroutinen und der Erschließung nach-
haltigeren Verhaltens.
Darüber hinaus hat das Achtsamkeitstraining einen Einfluss auf die Klärung vorhandener Werte
und deren Entfernung von materiellen Besitztümern gezeigt. In allen drei Zielgruppen wurden
zudem große achtsamkeitsbezogene Effekte (trotz des adaptierten Trainings) gefunden, wie
vermindertes Stressempfinden, verbesserter Umgang mit eigenen negativen Gefühlen, schwie-
rigen Situationen und anderen Menschen sowie ein rundum gesteigertes Wohlbefinden. Zu-
sammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass Achtsamkeitstrainings langfristig dazu bei-
tragen könnten, einen Weg zu gesteigertem Wohlbefinden zu ebnen, der vom Ressourcenver-
brauch entkoppeltet ist.
5. Ausblick
Dieses Projekt stellt die erste ernsthafte Anstrengung dar, ein Achtsamkeitstraining zu entwi-
ckeln und zu testen, das darauf abzielt, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen im Zusam-
menhang mit nachhaltigem Konsum zu beeinflussen. Obwohl die empirischen quantitativen Er-
gebnisse eher bescheiden ausfielen, deuten unsere qualitativen Interviews darauf hin, dass
viele derjenigen, die an dem Interventionsprogramm teilgenommen haben, ihr eigenes Kon-
sumverhalten hinsichtlich Kleidung und Lebensmittel neu bewerten. Mit all den sozialen und
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die unsere Konsumgewohnheiten beeinflussen, sowie
der schieren Stärke tief verwurzelter Gewohnheiten bei der Aufrechterhaltung bestimmter Ver-
haltensweisen über Jahrzehnte des Lebens, ist es letztlich unrealistisch, anzunehmen, dass ein
achtwöchiges Achtsamkeitsprogramm allein schon große Veränderungen bewirken könnte.
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Auch der Pioniercharakter dieser Studie (mit nur etwa einem Jahr, um eine neue und komplexe
Intervention zu entwickeln) zeigt deutlich, dass unser Training weitere Ideen, Expertise von an-
deren, kontinuierliche Verbesserung und erhebliche zusätzliche Zeit benötigt, um zu reifen. Es
ist kein fertiges Produkt!
Achtsamkeit ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von Einstellungen und Verhaltens-
weisen, die darauf abzielen, die Welt mit all ihrer Verwundbarkeit und ihren begrenzten Res-
sourcen zu pflegen. Achtsamkeit ist eine Praxis, die zur Entwicklung eines besseren Verständ-
nisses dafür beitragen kann, wie vergänglich und zerbrechlich unser eigenes Leben, das Leben
anderer und die Existenz der Welt und des Universums sind. Den konkreten Übungen und Prak-
tiken der Achtsamkeit liegt die Vorstellung zugrunde, dass Menschen Tendenzen zu Gier, ne-
gativem Verhalten und wahnhaftem Denken haben, und dass regelmäßiges und vorsätzliches
Achtsamkeitstraining als langsames und allmähliches Gegenmittel gegen diese schädlichen
Tendenzen dienen kann. Indem wir auf eine wohlwollendere Art und Weise aufmerksam sind,
können wir besser mit unseren Ängsten umgehen, die mit der Unbeständigkeit und den Wid-
rigkeiten des Lebens zusammenhängen. Gleichzeitig werden wir idealerweise weniger anfällig
dafür, immer mehr zu wollen, diese unangenehmen Umstände zu verleugnen, die sich unserer
Kontrolle entziehen, und dann unser oft schädliches Verhalten mit Gedankengängen zu recht-
fertigen, die der gesunden Vernunft trotzen.
Ob Achtsamkeitstraining kurz- oder langfristig diese Ziele im Hinblick auf einen nachhaltigen
Konsum tatsächlich erreichen kann, bleibt offen, ist aber weiterer Forschung wert. Natürlich
zielt ein Achtsamkeitsprogramm auf die grundlegendste Ebene der Gesellschaft, das Indivi-
duum, ab: Kann jemand mit diesen Methoden sein eigenes Verhalten gegenüber der Umwelt
ändern? Oder sollten wir diese Methoden, auch wenn sie auf individueller Ebene teilweise wirk-
sam sind, nur als Teil einer notwendigen gesellschaftlichen Transformation betrachten? Mög-
licherweise könnte die Ausrichtung von Achtsamkeitsansätzen auf Politiker*innen und andere
Entscheidungstragende ein zusätzliches Untersuchungsgebiet darstellen. Andernfalls könnte
Achtsamkeit auf individueller Ebene die Verabschiedung und Akzeptanz neuer Gesetze und
Verordnungen zum Schutz der Umwelt unterstützen. Auf jeden Fall gibt es zu diesem Zeitpunkt
kein ähnliches Programm zur Beeinflussung ethischer Grundwerte in Bezug auf Ökologie und
soziale Gerechtigkeit. Daher halten wir die zukünftige Entwicklung und Analyse von weiteren
Ansätzen zur Verknüpfung von Achtsamkeit und Nachhaltigkeit für sehr sinnvoll.
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Glossar
Achtsamkeit ist definiert als das unvoreingenommene Gewahrsein, welches durch das absichtsvolle und kontinuier-liche Beachten eigener augenblicklicher Erfahrungen mit einer offenen, annehmenden, wohlwollenden und mitfühlenden Haltung entsteht.
Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein pädagogisches Konzept für die Gestaltung von Lehr-Lern-Settings, das darauf abzielt, Menschen zur (Mit-)Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung zu befähigen.
Bildung für Nachhaltigen Konsum (BNK) ist zu verstehen als eine am Handlungsfeld Konsum ausgerichtete Bildung für eine Nachhaltige Entwick-lung (BNE).
Einstellungs-Verhaltens-Lücke beschreibt im Hinblick auf nachhaltigen Konsum den Sachverhalt, dass der Wunsch, sozial und ökolo-gisch verantwortlich zu handeln, oft nicht zu einem entsprechenden Verhalten führt. Vergleichbare Ein-stellungs-Verhaltens-Lücken sind für viele andere Lebensbereiche (Gesundheit, Sport, Politische Über-zeugungen) ebenfalls nachgewiesen.
Ethische Tugenden umfassen die Buddhistischen Kerntugenden Mitfreude, Gleichmut, Mitgefühl und Freundlichkeit sowie darüber hinaus auch Eigenschaften wie Geduld, Vertrauen, Großzügigkeit, Akzeptanz und Nicht-Bewer-tung.
Materielle Werte beschreiben die Bedeutung von Güter- oder Geldbesitz für das Erlangen von persönlichem Wohlbefin-den und Wertung von materiellem Besitz als Zeichen von Erfolg.
Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) ist ein klassisches Achtsamkeits-Kursformat zur Reduktion von Stress. Von John Kabat-Zinn in den 1980ern in den USA mit großem Erfolg zur Behandlung chronischer Krankheiten eingeführt und mitver-antwortlich für die große Popularität des Achtsamkeitsbegriffs in der westlichen Welt.
Nachhaltiger Konsum (NK) umfasst die Beschaffung, Nutzung und Entsorgung von Produkten und Dienstleistungen in einer Weise, dass die ökologischen und sozio-ökonomischen Bedingungen erhalten bleiben, damit jetzt und zukünftig lebende Menschen ihre Bedürfnisse ebenfalls befriedigen können.
Negative Rückkoppelungseffekte bedeuten im Zusammenhang mit Achtsamkeit nicht-nachhaltige Verhaltensweisen, die sich Menschen erlauben, weil sie sich eigener Bedürfnisse stärker bewusst sind und/oder unangenehme Folgen eher akzeptieren.
Wohlbefinden umfasst im hedonistischen Sinne das Erleben von Freude und die Abwesenheit von Sorgen und Nöten, im eudämonistischen Sinne von Empfindung der Sinnhaftigkeit im Leben.
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„Äußere Veränderungen beginnen immer mit einer inneren Veränderung der Haltung“.
Albert Einstein
27
Quellen
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Die frei verfügbaren Publikationen unserer Forschungsgruppe sind unter http://achtsamkeit-und-kon-sum.de/de/publikationenpresse/ zum Download erhältlich.
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Das BiNKA-Team
Technische Universität Berlin
Prof. Dr. Ulf Schrader Leitung Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum (ALÖNK) der TU Berlin, Verbundleiter des BiNKA-Projekts.
Laura Sophie Stanszus M.Sc. in CSR, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei ALÖNK, Koordinatorin und Dok-torandin im BiNKA-Projekt mit Arbeitsschwerpunkt auf der qualitativen Studie.
Dr. Sonja Geiger Promoviert in Kognitionspsychologie, Post-Doc bei ALÖNK, Leitung der Evalua-tion im BiNKA-Projekt mit Arbeitsschwerpunkt auf der quantitativen Studie.
Tina Böhme M.Sc. in Psychologie, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei ALÖNK, Doktorandin im BiNKA-Projekt mit Arbeitsschwerpunkt auf dem BiNKA-Training im Schulkontext.
Leuphana Universität Lüneburg Prof. Dr. Daniel Fischer
Leitung der Arbeitsgruppe SuCo² (Sustainable Consumption & Sustainability Communication) am Institut für Umweltkommunikation der Leuphana Universi-tät Lüneburg, Leiter des Teilprojekts „Bildung für nachhaltigen Konsum“.
Pascal Frank M.A. Sozialwissenschaften, M. phil. Wissenschaftsphilosophie, wissenschaftli-cher Mitarbeiter bei SuCo² mit Arbeitsschwerpunkt im BiNKA-Projekt auf der qualitativen Studie.
Anna Sundermann Dipl.-Psychologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei SuCo² mit Arbeitsschwer-punkt im BiNKA-Projekt auf Mixed Methods.
Europäisches Zentrum für Achtsamkeit Freiburg Dr. Paul Grossman
Achtsamkeitsforscher, Gründer und Leiter des Europäischen Zentrums für Acht-samkeit, Senior-Berater im Projekt.
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Achtsamkeitstrainer*innen
Jacomo Fritzsche Geschäftsführer des Instituts für Achtsamkeit und Nachhaltigkeit, MBSR-Lehrer, Konzeption des BiNKA-Trainings in seiner praktischen Dimension, Umsetzung als Kursleiter mit Schüler*innen und Studierenden.
Christiane Bock Heilpädagogin in der Suchtarbeit, MBSR-Lehrerin und Heilpraktikerin Psychothe-rapie, Umsetzung des BiNKA-Trainings als Kursleiterin in Berliner Unternehmen.
Dr. Julia Harfensteller Promovierte Sozialwissenschaftlerin, Leiterin des SAGE-Instituts für Achtsamkeit und Gesundheit; Mitwirkung an der Entwicklung des BINKA-Curriculums.
Studentische Mitarbeiter*innen
Über die Jahre haben mehrere studentische Mitarbeiter*innen zum Gelingen des Projekts beige-tragen. Einen herzlichen Dank an: Hannah Auerochs, Laura Ditges, Angelika Haaser, Janine Januetschke, Lena Kaupmann, Jana Kolt-zau, Julia Lichtenberg, Saskia Ostner, Maren Preuß, Maxie Riemenschneider, Florian Sander, Anne Sophie Wellna.
Unsere Praxispartner für die Kursdurchführung
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