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Was heißt denn hier abstrakt?Anmerkungen zur Ausstellung ABSTRAKT-INFORMEL von Christine Kremers-Lenz

„Abstrakt“ meint im allgemeinen Sprachgebrauch meist „gedanklich“ bzw.“ begriff-lich“ im Gegensatz zur unmittelbaren Anschauung, zum Erleben und Fühlen; dies oft auch im pejorativen Sinne: Abstraktes ist blutleer und ohne Leben. Der Philosoph He-gel drehte dies um: Das unmittelbare, in der Wahrnehmung Gegebene ist das Abs-trakte, weil es eben noch nicht begriffen wurde, erst im Denken wird es konkret. In der philosophischen Abstraktionstheorie ist das Abstrakte das Ergebnis eines Vorganges, in dem von den spezifischen anschaulichen Merkmalen zugunsten der wesentlichen Eigenschaften einer Klasse von Gegenständen abstrahiert wird, um einen allgemeinen Begriff von etwas zu gewinnen. Je mehr Gegenstände unter diesen Begriff fallen, desto allgemeiner ist er und desto weniger Merkmale sind in ihm enthalten. So kann z.B. bei dem Begriff des Tisches schließlich auch davon abstrahiert werden, wie viele Beine dieser hat oder aus welchem Material er besteht. Im Zuge des Abstraktionsvorgangs wird der Begriffsumfang, d.h. die Menge der Gegenstände, die unter ihn fallen, größer und der Begriffsinhalt, d.h. die Merkmale, die in ihm enthalten sind, kleiner. Ob und in welcher Weise Begriffe wirklich existieren oder ob sie nur gedankliche Konstrukte sind, ist bei den Philosophen schon immer sehr umstritten gewesen. In jedem Fall sind Begriffe konstitutiv dafür, dass sich mit Bewusstsein begabte Wesen wie wir darüber unterhalten können, was wir wahrnehmen.

Was meint denn nun abstrakte Kunst?

Auch in der Kunst ist davon auszugehen, dass das Abstrakte Ergebnis eines Vor-ganges ist, nur ist dies nicht oder nicht in erster Linie begrifflicher Natur, sondern ein Kunstprodukt, auf das ich, als Betrachter, in unterschiedlicher Weise reagieren kann: Ich kann es erleben, ich kann es lesen oder auch entschlüsseln. Es kann mich nach-denklich machen, es kann mich aber auch so erschüttern, dass es mich im Extremfall zusammenbrechen und weinen lässt, wie dies von einigen Betrachtern der Bilder des abstrakten Expressionisten Mark Rothko berichtet wird. Vielleicht nicht ganz so heftig, aber auch verstörend wirkt das Gemälde Erreger I von Rüdiger Last in dieser Ausstel-lung. Zum „Lesen“ animieren mich die Gemälde von Ernst Weil Landungssteg - Wo ist der Landungssteg? - oder zum Nachempfinden des irritierend luftigen und heiteren Eindrucks einer Industrielandschaft. Zum Entschlüsseln laden insbesondere die Bilder des Malers Gregor Hiltner ein, z.B. Pantanis letzte Etappe,- auch wenn ich Pantani gefunden habe, so bliebe noch herausfinden, warum es sich um seine letzte Etappe handelte. Schon die Vielseitigkeit der wenigen hier ausgestellten Werke zeigt die Band-breite dessen, was als abstrakte Malerei verstanden werden kann. Die Frage, wovon und zugunsten welchen Eindrucks der Künstler jeweils abstrahiert, ist nicht leicht zu

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beantworten. Allen abstrakten Kunstprodukten ist jedenfalls gemeinsam, dass sie dar-auf verzichten, das Gegenständliche realistisch abzubilden. Beim Abstrahieren werden bestimmte Aspekte in den Vordergrund gestellt: reine Formen in geometrischer Abs-traktion wie bei den Bildern von Weil, Farbformen wie bei Hiltner, Muster und Orna-mente wie bei Ackerman oder auch Reflexionen wie bei Dawson.

Abstrakt versus Informel

Ursprünglich als Gegenbewegung zur geometrischen Abstraktion entstand die Kunstrichtung des Informel, Gegenbewegung, insofern die Künstler des Informel die geometrische Abstraktion ablehnten, und Weiterführung, weil hier die Brücke zum Ge-genständlichen gänzlich abgebrochen wurde. Konstitutiv ist das Prinzip der Formlosig-keit. Bei der Entstehung eines Kunstwerks steht nicht mehr die Auflösung von Form im Sinne der Abstraktion vom Gegenständlichen im Vordergrund, sondern der schöp-ferische Prozess der Formwerdung, z.B. aus Farben und Texturen wie bei Casagrande. Hier können wir als Kunstbetrachter dem Künstler nur folgen, indem wir die Erwar-tung, etwas wiederzuerkennen, über Bord werfen. An die Stelle der Suchbewegung nach letzten Rudimenten des Gegenständlichen tritt beim Betrachter die Entdeckung neuer Motive und Formen.

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