KurzberichtIn aller Kürze
Autorin
Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit
Bundesagentur für Arbeit
Ältere Bezieher von Arbeitslosengeld II
Einmal arm, immer arm? Mit der Dauer des Alg-II-Bezuges wächst das Armuts risiko imRuhestand – Noch schützen stetige Erwerbs bio gra phien ältere Hilfebezieher im Osten tendenziell besser vor Altersarmut
Ältere Empfänger von Arbeitslosengeld II (Alg II) wechseln nicht selten aus dem Hilfebezug direkt in die Rente – ohne dass ihnen die Integration in Er-werbsarbeit wieder gelingt. Ob dieser Übergang auch mit der nachhaltigen Überwindung von Bedürftigkeit verbunden ist, hängt von der Altersvorsorge der Betroffenen und der ihrer (Ehe-)Partner ab. Handelt es sich hier also vorrangig um temporäre Armut, die spätestens mit dem Eintritt in die Rente enden wird? Oder wird sich die Armut für viele Betroffene in das Rentenalter hinein fortsetzen – bei nur geringen Aussichten, die Hilfebedürftigkeit je wieder zu überwinden? Eine Befragung von Bezie-hern des Alg II zwischen November 2005 und März 2006 liefert erste empi-rische Befunde zu diesen Fragen.
DasindividuelleRisikospätererAltersar-mut1hängtfürältereBezieherdesAlgIIentscheidenddavonab,obsiebiszumEintrittindenHilfebezugbereitsausrei-chendhoheRentenanwartschaftenindergesetzlichenRentenversicherung(GRV)erworbenhaben.Andernfallskommtesdaraufan,obsiedieverbliebeneSiche-rungslücke durch den Wiedereinstiegin eine sozialversicherungspflichtigeTätigkeitnochschließenkönnen.
Denn während des LeistungsbezugesselbstbauendieBetroffenenimRegelfallnursehrgeringeAnwartschaftenauf:BisEnde�006steigerteeinvollesJahrdesBezugesvonAlgIIdiemonatlicheRen-tenanwartschaftderHilfeempfängernurum4Euro�8Cent.NachderHalbierungdes monatlichen Rentenversicherungs-beitrags auf 40 Euro seitAnfang desJahres sind es sogar nur noch � Euround19Cent.�
DieMöglichkeiten,geringegesetzlicheRentenanwartschaften anderweitig zukompensieren, sind zudem für ältereEmpfängerdesAlgII inderRegelbe-
grenzt:Zumeinenverfügensieseltenerals der Durchschnitt der Bevölkerungüber eine zusätzliche betrieblicheAl-tersvorsorge.�ZumanderendeutenersteErgebnissedaraufhin,dassdiemeistenauchnichtprivatvorgesorgthabenodervorsorgenkonnten.
Wie sehr Zeiten des Hilfebezugs diespätereAlterssicherungderBetroffenen
Christina Wübbeke
Ausgabe Nr. 14 / 20.8.2007
1Als„arm“werdenhierPersonenoderHaushaltebezeichnet,dieihrenLebensunterhaltnichtdurcheigenes Einkommen bestreiten können, sondernauf(ergänzende)LeistungenderGrundsicherungangewiesensind.2 Jeweils bezogen auf den aktuellen RentenwertdesJahres�006.�Vondenbefragtenab50-jährigenAlg-II-Bezie-hernvomJanuar�005gaben9%derMännerund6% der Frauen an, im RuhestandAnspruch aufeineBetriebsrenteauseinerBeschäftigunginderPrivatwirtschaftodereineRenteausderZusatzver-sorgungdesöffentlichenDiensteszuhaben(Befra-gungszeitraum:November�005bisMärz�006).Im Vergleich dazu besaßen im Juni �004 59%aller sozialversicherungspfl ichtig beschäftigten Arbeitnehmer und 60% allerArbeitnehmerinneneinebetrieblicheoderöffentlicheZusatzvorsorge(TNSInfratest�007:17).
Ältere Empfänger von Arbeits-losengeldII (AlgII) haben meistschonlangeindieRenteeingezahlt:Nach Schätzungen weist die Hälfteder westdeutschen Hilfeempfängerim Alter von 50 Jahren mindestens�7 Beitragsjahre in der gesetzlichenRentenversicherungauf.
In Ostdeutschland erreicht dieHälftederälterenHilfeempfängerso-garmindestens�4Beitragsjahre.An-dersalsimWestenzeigensichdabeinur geringe Unterschiede zwischendenGeschlechtern.ImOstendürftenältereBeziehervonAlgIIdahervonArmutimAlterwenigerbedrohtsein.
Hilfeempfängerinnen in West-deutschland haben mit Abstand diekürzesten Beitragszeiten. Da siemeistauchnurgeringeBeiträgeein-gezahlthabendürften,tragensieeinbesondersgroßesRisikoderBedürf-tigkeit im Ruhestand – sofern sienichtüber ihrenPartnerausreichendabgesichertsind.
Die unterschiedlichen Versiche-rungsverläufe der älteren ost- undwestdeutschen Bezieher von AlgIIsindimWesentlichendenunterschied-lichen Erwerbsbiographien in denbeidendeutschenStaatengeschuldet.Bei den nachrückenden JahrgängenwerdensichdieseDifferenzenverrin-gern.Damitdürftekünftig insbeson-dereimOstendasRisikoderAlters-armutsteigen,wennsichdieArbeits-marktlagedortnichtgrundlegendunddauerhaftverbessert.
� IABKurzberichtNr.14/�007
gefährden,hängtsomitnebenderDauerderHilfebedürftigkeitvorallemvondenindividuellen Erwerbs- undVersiche-rungsverläufenvorEintrittindenAlg-II-Bezug ab. Darüber hinaus spielen un-terschiedlicheFormenderAbsicherungimFamilienzusammenhangeineRolle.BeideAspektewerdenimFolgendenfürdieGruppederab50-jährigenLeistungs-beziehernäheruntersucht.GrundlagederAnalysenbildetdieIAB-Querschnittbe-
fragung „Lebenssituation und SozialeSicherung�005“(siehe Kasten unten).
Welches sind die Risiko-gruppen?
ZurgenauenAbschätzungderkünftigenVersorgungslage älterer Hilfebeziehermüsste man jeweils das gesamte zuerwartendeAlterseinkommen undVer-
mögenaufEbenedesHaushaltsberück-sichtigen.AllerdingsistdieindividuelleHöhe der bislang erworbenenAnwart-schaftinderGRVbereitseinwichtigererster Gradmesser dafür, Gruppen mitdifferierendenArmutsrisiken imAlterzu identifizieren. Hinweise auf Unter-schiedeimNiveauderbishererreichtenAbsicherung in der GRV geben dieindividuellen Pflichtbeitragszeiten der Hilfebezieher.
Betrachtet wird daher die individuelleSummederBeitragszeiten,diedieBe-fragten der Jahrgänge 1940-1954 biszu ihrem Eintritt in denAlg-II-BezugimJanuar�005erworbenhaben.DabeiwerdenjeweilsalleZeitenvomBeginndesErwerbslebensbiszum51.Geburts-tag berücksichtigt. Ermittelt wurdendie Beitragsdauern aus denAngabenderInterviewtenzuihrempersönlichenErwerbsverlauf. Sie bilden daher dietatsächlichindenRentenversicherungs-konten gespeicherten Beitragsmonatenurnäherungsweiseab(siehe Kasten).Eine Berechnung der exakten Renten-anwartschaften ist auf Basis der IAB-Querschnittbefragungnichtmöglich,dadieDatenkeineAuskunftüberdieHöhedereingezahltenBeiträgegeben.ZudemsindnichtallefürdieRenteausschlag-gebendenZeitenerfasst.
Ältere Hilfebezieher: Lange Beitragszeiten aus
Erwerbstätigkeit
DieVerteilungderBeitragsdauernzeigt,dass86Prozentderwestdeutschenundsogar96ProzentderostdeutschenälterenBefragtendieallgemeineWartezeitvonfünfJahrenbereitsvorderBeantragungdesAlgII erfüllt hatten (vgl. Abb. 1).SiewerdensomitunabhängigvonihremweiterenErwerbsverlauf imAlteroderbei ErwerbsminderungAnspruch aufeineeigenegesetzlicheRentehaben.4
4 NebendenhierbetrachtetenBeitragszeitenwer-denaufdieallgemeineWartzeitvon fünf JahrenauchErsatzzeiten(z.B.ZeitenpolitischerHaftinderDDR),MonateauseinemRentensplittingunterEhegatten oder aus einemVersorgungsaugleichnach einer Ehescheidung sowie anteilig Zeitengeringfügiger versicherungsfreier BeschäftigungabApril1999angerechnet.DieErfüllungderall-gemeinenWartezeitistdieVoraussetzungfüreinenRentenanspruchinderGRV.
Datenbasis und Berechnung der individuellen Beitragsdauern
Für Untersuchungen, die sich mit Prognosen zur Altersarmut beschäftigen, bietet die Studie „Altersvorsorge in Deutschland 2005“ (AVID 2005) prinzipiell die besten Daten. Allerdings fand die Haupterhebung der AVID 2005 bereits im Jahr vor der Einführung des Sozialgesetzbuches II statt, so dass Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) nicht zur Zielgruppe der Studie gehören. Die folgenden Analysen basieren daher auf der IAB-Erhebung „Lebenssituation und Soziale Sicherung 2005“. Für die Auswertung wurden durchgehend gewichtete Daten verwendet.
Befragt wurden rund 20.000 Personen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren, die entweder im Januar 2005 Alg II bezogen haben oder bis Dezember 2004 Arbeitslosenhilfebezieher waren, jedoch nach Einführung des Alg II keinen Leistungsanspruch mehr hatten. Die Ergebnisse stützen sich dabei auf die Angaben der 2.486 Befragten, die beim Eintritt in den Alg-II-Bezug bereits zwischen 50 und 64 Jahre alt waren. Für diese Gruppe lässt sich das Risiko von Altersarmut zuverlässiger abschätzen als für jüngere Hilfebezieher, die noch einen größeren Teil ihres Erwerbslebens vor sich haben. Zudem wurden Fragen der Altersvorsorge nur Personen ab dem Alter von 50 Jahren gestellt.
Als Folge der lückenhaften Adressdaten zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung konnten die Alg-II-Bezieher vom Januar 2005 jedoch nur in 266 von 439 Kreisen der Bundes-republik vollständig in die Studie einbezogen werden. Die übrigen 173 Kreise wurden aus der Analyse ausgeschlossen, weil die ehemaligen Sozialhilfebezieher unter den Empfängern von Alg II dort nicht erfasst wurden.
Zur Ermittlung der individuellen Gesamtdauer bisher erworbener Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wurden verschiedene Beitragszeiten addiert: die von den Befragten jeweils monatsgenau angegebenen Zeiten sozialversi-cherungspflichtiger Beschäftigung (einschl. der beruflichen Ausbildung) und die Zeiten des vermutlichen Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld. Für die Frauen wurden zu diesen Zeiten pauschal zwei Kindererziehungsjahre hin-zugezählt*, für die Männer jeweils die Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes. Weitere Pflichtbeitragszeiten, z.B. aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder Rehabilitation, wurden nicht berücksichtigt. Da Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Bundesagen-tur für Arbeit nicht für den gesamten Lebensverlauf erhoben wurden, mussten sie auf Grundlage der von den Befragten mitgeteilten Zeiten von Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Maßnahmeteilnahme rekonstruiert werden. Dazu wurde angenommen, dass die Interviewten immer dann Arbeitslosen- oder Unterhaltsgeld bezogen haben, wenn sie arbeitslos gemeldet waren oder an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnahmen, wenn sie zudem nicht gleichzeitig sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt hatten. Dauerte die Arbeitslosigkeit länger als die maximale Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld, wurde generell unterstellt, dass die Betroffenen im Anschluss Arbeitslosenhilfe erhielten (ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Bedürftigkeit).
* Da die IAB-Querschnittbefragung keine Angaben zur Kinderzahl der Befragten enthält, wurde die durchschnittliche Kinderzahl von Frauen der Jahrgänge von 1940 bis 1954 herangezogen; diese liegt bei rund zwei Kindern (siehe Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2004: S. 21). Außerdem wurde unterstellt, dass die Kinder jeweils vor 1992 geboren wurden, so dass pro Kind nur ein Kindererziehungsjahr angerechnet wurde.
Ältere Hilfebezieher: Lange Beitragszeiten aus
Erwerbstätigkeit
Welches sind die Risikogruppen?
IABKurzberichtNr.14/�007 �
Gemessen an der Länge der Beitrags-zeiten dürfte ein beachtlicherTeil derälteren Hilfebezieher zudem mit einerRenteüberdemGrundsicherungsniveaurechnenkönnen.DennimMittelwarendie Befragten bis zum Eintritt in denAlg-II-BezugbereitsmehrereJahrzehnterentenversichert. So hat die Hälfte derHilfeempfänger in den alten Bundes-ländern bis zumAlter von 50 Jahrenmindestens�7,�Beitragsjahreerreicht.Dieoberen50ProzentderHilfebezieherindenneuenLändernkommensogaraufmindestens ��,9 Jahre.5Wie vertiefteAnalysenbelegen,beruhendieseZeiteninWest-wie inOstdeutschlandhaupt-sächlich auf entsprechend langen Be-schäftigungszeiten.NureinkleinerTeilderBeitragsmonategehtaufdenBezugvonArbeitslosengeld,ArbeitslosenhilfeoderUnterhaltsgeldzurück.
WasdieUnterschiedezwischenaltenundneuenLändernbetrifft,sozeigtsichfürältereEmpfängervonAlgIIeinähnliches
Bild wie für die Rentenversichertendieser Generation insgesamt:6 Da sichindenaufsummiertenBeitragszeitenimwesentlichennochdieunterschiedlichenBiographien indenbeiden ehemaligendeutschenStaatenwiderspiegeln, über-treffen die ostdeutschen HilfebezieherdiewestdeutschenhinsichtlichderBei-tragsjahre deutlich. Insbesondere gibtes in den alten Ländern weitaus mehr
EmpfängervonAlgII,dienursporadischindieRentenversicherungeingezahltha-benunddeshalbeinerhöhtesRisikoderAltersarmuttragendürften.Soverfügenlediglich8Prozentderostdeutschen,aber�8ProzentderwestdeutschenBefragtenüberwenigerals15Beitragsjahre.ZudemsinddieErwerbs-undVersicherungsver-läufe in Ostdeutschland erheblich ho-mogener:Währendsichdiemittleren50ProzentderBeitragsdauernindenwest-lichenBundesländernzwischen1�,1und�4,6Beitragsjahrenbewegen,liegtdieseSpanneinOstdeutschlandnurzwischen�9,8und�6,0Jahren.UmeingenaueresBildvondiesenVerteilungsmustern zuerhalten,wird imFolgendenzusätzlichnachFrauenundMännernunterschieden(vgl. Abb. 2).
AufdenerstenBlickfälltauf,dasswest-deutscheEmpfängerinnenvonAlgIIbeiweitem die kürzesten BeitragsdauernallervierGruppenaufweisen,wobeiderAbstandzudenanderenHilfebezieherngeradeimunterenBereichderVerteilungbesonders groß ist. So haben die �5ProzentderwestdeutschenMännermitdenkürzestenBeitragszeitenbiszu18,�Beitragsjahreangesammelt.DasuntersteViertelderostdeutschenFrauenhatsogarbiszu�0,�Jahreerreicht.Dagegenhabendieunteren�5ProzentderHilfebeziehe-rinnenindenaltenLändernbiszuihrem51. Geburtstag nur höchstens sieben
5PersonenmiteinerDauervonnullMonatensindindieserunddennachfolgenddargestelltenBerech-nungenjeweilseingeschlossen.BeiBeitragsdauernvon mehr als �6 Jahren handelt es sich um dieVersicherungszeitenvonFrauen,dieaufgrundihrerkontinuierlichenErwerbsbiographieunddenzweipauschalhinzugerechnetenKindererziehungsjahrendiesehohenWerteerreichen.6Vgl.dieErgebnissederStudie„AltersvorsorgeinDeutschland1996“(VDR/BMAS1999:141-146).
Beitragsjahre 5 10 15 20 25 30 35 40
20%
40%
60%
80%
100%
IAB
Lesebeispiel: 86 Prozent der westdeutschen Hilfebezieher haben bis zum Alter von 50 Jahrenmehr als 5 Beitragsjahre erreicht, immerhin noch 56 Prozent die Marke von 25 Beitragsjahrenüberschritten, aber nur eine Minderheit von 23 Prozent hat mehr als 35 Beitragsjahre erworben.
Quelle: IAB-Querschnittbefragung "Lebenssituation und Soziale Sicherung" (QS I).
Verteilung der Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, die bis zum Alter von 50 Jahren erworben wurden
Westdeutschland (N =1.265) Ostdeutschland (N =1.221)
Abb. 1: Pflichtbeitragszeiten der Empfänger von Alg II in West- und Ostdeutschland
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Verteilung der Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung,die bis zum Alter von 50 Jahren erworben wurden
5 10 15 20 25 30 35 40
20%
40%
60%
80%
100%
IAB
Männer (N = 712)Frauen (N = 553)
Männer (N = 581)Frauen (N = 640)
Lesebeispiel: 79 Prozent der westdeutschen Hilfebezieherinnen haben bis zum Alter von 50 Jahren mehr als 5 Beitragsjahre erreicht, immerhin noch 62 Prozent die Marke von 15 Beitragsjahrenüberschritten, aber nur eine Minderheit von 18 Prozent hat mehr als 35 Beitragsjahre erworben.
Quelle: IAB-Querschnittbefragung "Lebenssituation und Soziale Sicherung" (QS I).
West Ost
Beitragsjahre
Abb. 2: Pflichtbeitragszeiten von Männern und Frauen mit Alg-II-Bezug in West- und Ostdeutschland
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4 IABKurzberichtNr.14/�007
Beitragsjahreerworben–einschließlichder jeder Frau pauschal zugewiesenenzweiKindererziehungsjahre.
Augenfälligistaußerdem,dasssichzwarbei den westdeutschen Hilfebeziehernausgeprägte geschlechtsspezifischeUnterschiedezeigen,nichtaberinOst-deutschland.ImGegensatzzudenaltenLändernsindesdortsogardieFrauen,die wegen der zusätzlichen Kinderer-ziehungszeiten insgesamt die längerenBeitragsdauernaufweisen.Hierinmani-festiertsichdiehoheErwerbsbeteiligungvonFraueninderDDR.
Modellrechnungen zum Risi-ko der Altersarmut
MitHilfe einfacherModellrechnungensoll die Gruppe der vonAltersarmutbedrohten Hilfebezieher etwas nähereingrenzt werden. Die BerechnungenkönnendasAusmaßderspäterenHilfe-bedürftigkeit zwar nicht exakt bezif-fern,weilsieu.a.denHaushaltskontextaußerAchtlassen.Allerdingsgebensiezumindest einen grobenAnhaltspunktdafür, wie viele ältere Empfänger vonAlgIIdurchihreeigenenRentenanwart-schafteninderGRVbereitsausreichendgegenArmutabgesichertwären,würdensieohneAbschlägeinRentegehenundimAlter alleine leben (zum Vorgehen siehe Kasten rechts).
DasgeringsteRisikospätererAltersarmuttragendemnachdieostdeutschenMännerunterdenälterenBeziehernvonAlgII:6�ProzentvonihnenhabenbiszumAltervon50 Jahrenbereitsmindestens��,1Beitragsjahreerreicht.DamithättensieimFallevondurchschnittlich0,76Ent-geltpunktenproBeitragsjahrunabhängigvoneinemmöglichenWiedereinstieginBeschäftigungaufjedenFalleinegesetz-liche Rente auf Sozialhilfeniveau oderdarüberzuerwarten(vgl. Tab. 1).
AuchwestdeutscheMänner imAlg-II-BezugverfügengemäßdenModellrech-nungen in derMehrzahl (5�%) bereitsüberexistenzsicherndeAnwartschaften.Dank des höheren durchschnittlichenEntgeltpunktewertesvon0,81 liegtbeiihnen die Sozialhilfe-Schwelle nur bei�8,5Beitragsjahren.
Hingegen haben dem Modell zufolgetrotz langer Beitragszeiten nur knapp
46 Prozent der ostdeutschen Hilfebe-zieherinnen schon armutsvermeidendeRentenanwartschaftenaufbauenkönnen.GrundfürdieimVergleichzuostdeut-schenMännernniedrigeQuotesinddiegeringerenArbeitsentgelteostdeutscherFrauen,diesichinnur0,68Entgeltpunk-tenproBeitragsjahrundeinerentspre-chendlangenMindestbeitragsdauervon�4,8Jahrenniederschlagen.
MitAbstand am schlechtesten eigen-ständig abgesichert sind wie erwartetdieälterenHilfebezieherinneninWest-deutschland. Bei ihnen verbinden sichkurze Beitragsdauern mit niedrigenArbeitsentgeltenaufgrundvonTeilzeit-arbeit und geringer Entlohnung.7 Bei
Tab. 1: Risiken der Altersarmut bei älteren Beziehern des Alg II – Modellrechnungen –
West Ost
Männer Frauen Männer Frauen
Durchschnittliche Entgeltpunkte pro Beitragsjahr laut Statistik der DRV (Referenz: deutsche Ren-tenversicherte der Jahrgänge 1940 bis 1954 mit Kontenklärung bis mindestens 1997)
0,81 0,39 0,76 0,68
Umrechnung der Entgeltpunkte in die durch- schnittliche Rente aus einem Beitragsjahr* 21,16 € 10,07 € 17,43 € 15,63 €
Beitragsjahre bis zum Erreichen der Sozialhilfe-schwelle (West: 604 Euro, Ost: 559 Euro) 28,5 56,8 32,1 34,8
Anteil der Empfänger von Alg II, die bis zum Alter von 50 mindestens diese Zahl von Beitragsjah-ren erreicht haben
53% 0% 62% 46%
* Durchschnittliche Entgeltpunkte pro Beitragsjahr multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von 2004 (West: 26,13 Euro; Ost: 22,97 Euro).
Quellen: Statistik der Deutschen Rentenversicherung: Rentenanwartschaften am 31.12.2004, Band 156, Berlin 2006, Tabellen 15.51 R., 15.52 R, 15.71 R und 15.72 R; Statistik über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 2004 des Statistischen Bundesamtes, Statistik G 10; eigene Berechnungen.
Modellrechnungen zum Risiko der Altersarmut
ModellrechnungenFür die Modellrechnungen wird unterstellt, dass die Befragten im Schnitt ihrer Beitrags-jahre genauso viel verdient haben wie die jeweilige Referenzgruppe von Versicherten, für welche die durchschnittliche Entgeltpunktezahl pro Beitragsjahr* aus der Statistik der Deutschen Rentenversicherung bekannt ist. Die vier Referenzgruppen bestehen aus west- und ostdeutschen Männern und Frauen der Jahrgänge 1940 bis 1954 ohne Rentenbezug am Stichtag 31.12.2004 mit deutscher Staatsangehörigkeit und Konten-klärung mindestens bis 1997.**
Aus den durchschnittlichen Entgeltpunkten der Referenzgruppen pro Beitragsjahr und dem Euro-Wert eines Entgeltpunktes (aktueller Rentenwert 2004) lässt sich dann für jede der vier Gruppen ausrechnen, wie viele Beitragsjahre ein Angehöriger der Gruppe unter diesen Umständen jeweils benötigt, um (nach Erreichen der abschlagsfreien Altersgrenze) eine Bruttorente in Höhe der Sozialhilfe beziehen zu können. Als Sozialhilfeschwelle wird dabei der durchschnittliche Bruttobedarf eines ab 65-jährigen Beziehers von „Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ außerhalb von Einrichtungen am 31.12.2004 herangezogen, der in den alten Ländern bei durchschnittlich 604 Euro und in den neuen Ländern bei durchschnittlich 559 Euro monatlich lag (s. Tabelle 1).
* Die Entgeltpunkte, die ein Versicherter für ein Beitragsjahr erhält, geben dessen relative Einkom-mensposition wieder. Sie ergeben sich (von Ausnahmen abgesehen) aus dem Verhältnis des individu-ellen Bruttoarbeitsentgelts im betreffenden Kalenderjahr zum durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten desselben Jahres. Ein Jahr mit Durchschnittsverdienst erbringt somit genau einen Entgeltpunkt.** Die Beschränkung auf Versicherte mit deutscher Staatsangehörigkeit ist nötig, weil die Statistik der Deutschen Rentenversicherung zu den Rentenanwartschaften am 31.12.2004 (Band 156) bei der Ge-samtgruppe der Versicherten (Deutsche und Ausländer) nicht nach Fällen mit geklärten und ungeklärten Konten unterscheidet. Letztere würden die Ergebnisse jedoch erheblich verzerren.
7Vgl.zudenUrsachenderprekärenAlterssicherungvonFrauenAllmendinger�000.
IABKurzberichtNr.14/�007 5
durchschnittlichnur0,�9EntgeltpunktenproBeitragsjahrmüsstensieinsgesamt56,8JahrelangBeiträgeeinzahlen,umeineRenteinHöhederGrundsicherungzuerhalten.NachdieserDurchschnitts-betrachtunginderModellrechnungkannwohlkeinederbefragtenFrauenindenaltenLänderndieseHürdeüberwinden,selbstwennsichandieZeitdesAlg-II-BezugesnocheinelangeBerufstätigkeitanschließenwürde.
Aus den Modellrechnungen lässt sichschließen, dass ältere Hilfebezieher indenneuenLänderndankihrerjahrzehn-telangenstetigenErwerbstätigkeitvomRisiko derAltersarmut weit wenigerbetroffensindalsEmpfängervonAlgIIinWestdeutschland.DiesdürftewegendervergleichsweisegutenAbsicherungvonMännernwieFraueninsbesonderebeiPaarengelten.DemgegenüberzählenwestdeutscheFrauenzudenbesonderenRisikogruppen unter den EmpfängernvonAlgII: Sofern sie nicht durch dieRentenansprüche ihres Partners oderandereFormenderAltersvorsorgeaus-reichendabgesichertsind,tragensiemitAbstand das höchste Risiko, auch imRuhestandbedürftigzusein.
Die Situation der Jüngeren
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, wieeinmaligdiehistorischeKonstellationist,diedieBiographienderhierbetrachtetenJahrgänge prägte. Die nachrückendenKohortenderheute15-bis50-Jährigensehen sich im Vergleich dazu grund-legend anderen wirtschaftlichen undgesellschaftlichenRahmenbedingungengegenüber.Dieselassenerwarten,dasssichdieVersicherungsverläufeinOstundWestsowiediederwestdeutschenFrau-enundMännerindennächstenJahrenundJahrzehntenzunehmendangleichenwerden.8
Zugleich ist für die heute 40- bis 50-jährigenBeziehervonAlgIIabsehbar,dass ihr Risiko derAltersarmut gene-rell steigt:9 DieVerschlechterung derArbeitsmarktlage ab den 70er Jahrenin Westdeutschland und dieArbeits-marktkrisenachderWiedervereinigungin Ostdeutschland trafen sie in einerfrüherenPhaseihresArbeitslebensundhinterließendeshalbstärkereSpureninihrenErwerbsbiographien.
DiezunehmendeDiskontinuitätderVer-sicherungsverläufewirdinAbbildung 3dargestellt. Sie beruht auf denBiogra-phiedatenderBeziehervonAlgIIausderIAB-QuerschnittbefragungundzeigtdieSummederBeitragszeitenzwischendemvollendeten�0.und40.Lebensjahr imVergleichderGeburtskohorten1940-44,1950-54und1960-64,jeweilsgetrenntfür ost- und westdeutsche Frauen undMänner. Demnach fallen dieAngehö-rigenderjüngstenKohortehinsichtlichihrer Beitragsjahre deutlich hinter den
Vorgängerjahrgängenzurück,wobeiderRückgang bei Frauen und Männern inOstdeutschlandamstärkstenausfällt.10
SelbstwenndenBetroffeneneinschnel-lerWiedereinstieg in eine dauerhafteund existenzsichernde Beschäftigunggelingensollte,dürftendiemeistendiebereits bestehenden SicherungslückenbiszumErreichendesRentenalterskaummehrausgleichenkönnen.
ZusätzlicheRisikenfürdieseJahrgängebergenzudemdieVeränderungenimSo-zialrecht.ZumeinenwirddasallgemeineRentenniveauinderGRValsFolgederjüngstenRentenreformenweitersinken(auch fürdiebereitsÄlteren), zuman-derenreißenPhasenderArbeitslosigkeitheutestärkereLückenindieindividuelleAlterssicherung(siehe Kasten auf S. 6).
DieBefundezurAltersarmutältererBe-ziehervonAlgIIlassensichausdiesenGründen nicht ohneWeiteres auf dienachfolgendenJahrgängeübertragen.
8Vgl.dazuVDR/BMAS1999:146.
9Vgl.dazuauchHimmelreicher/Frommert�006,Thiede�005,Schmähl�004.10AuchaktuelleAnalysenaufBasisadministrativerDatenfürWestdeutschlandbelegenzunehmendeLücken in den Erwerbsbiographien. In diesenAnalysenwerdenu.a.dieBeschäftigungsverläufeundArbeitslosigkeitsdauern vonAngehörigenderGeburtsjahrgänge19�9-1941,1949-1951und1959-1961 miteinander verglichen (siehe Dund-ler/Müller�006).
Die Situation der Jüngeren
IABQuelle: IAB-Querschnittbefragung "Lebenssituation und Soziale Sicherung" (QS I).
- Männer und Frauen mit Alg-II-Bezug in West- und Ostdeutschland -
Jahre 5 10 15 20 25
20%
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60%
80%
100%
5 10 15 20 25
20%
40%
60%
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Jahre
Jahre 5 10 15 20 25
20%
40%
60%
80%
100%
5 10 15 20 25
20%
40%
60%
80%
Jahre
Jahrgänge 1960-64 Jahrgänge 1950-54 Jahrgänge 1940-44
Männer West
Frauen West
Männer Ost
Frauen Ost
Jg. 1940-44 (N = 77)Jg. 1950-54 (N = 262)Jg. 1960-64 (N = 441)
Jg. 1940-44 (N = 130)Jg. 1950-54 (N = 314)Jg. 1960-64 (N = 432)
Jg. 1940-44 (N = 74)Jg. 1950-54 (N = 321)Jg. 1960-64 (N = 355)
Jg. 1940-44 (N = 40)Jg. 1950-54 (N = 382)Jg. 1960-64 (N = 430)
Abb. 3: Summe der Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenver- si cherung, die im Alter zwischen 20 und 40 Jahren erworben wurden
6 IABKurzberichtNr.14/�007
Die Alterssicherung von Paaren und Alleinlebenden
Ein vollständiges Bild von der Ver-sorgungslage älterer Hilfebezieher imRuhestandergibtsicherst,wennnebendenAnwartschafteninderGRVjeweilsauch die künftigenAnsprüche aus be-trieblicherundprivaterAltersvorsorge,RentenausderHinterbliebenversorgung,weitereAlterseinkünftesowieGeld-undImmobilienvermögen berücksichtigtwerden.BeiPaarensindauchdiejewei-ligenEinkünfteundVersorgungsansprü-chederPartnereinzubeziehen.
EinensolchumfassendenBlickaufdieAltersvorsorge älterer Hilfebeziehererlaubt die IAB-Querschnittbefragungzwarnicht.Immerhinkannabergezeigtwerden, welche Kombinationen vongesetzlicher, betrieblicher und privaterAltersvorsorgebeiPaarenundAlleinle-bendenauftreten.
Abbildung 4zeigt,beiwievielenPaarenjeweils beide Partner, ein Partner oderkeinerderbeidenPartnernachheutigemStand einAnrecht auf eine späteregesetzliche Rente hat. In den meistenFällen (76 Prozent) werden demnachbeide Partner einAltersruhegeld odereine Erwerbsminderungsrente von derGRV beziehen können, allerdings mitdeutlichenUnterschiedenzwischenOstundWest:Während85Prozentderost-deutschenPaarezweiRentenanrechtebe-sitzen,sindesbeiPaarenimWestennur
66Prozent.AuchdiesesErgebnisdeutetalsoaufeintendenziellgeringeresRisikoderAltersarmutvonälterenostdeutschenHilfeempfängernhin.
Die zweitgrößte Gruppe bilden mitinsgesamt16ProzentdiejenigenPaare,bei denen nur ein Partner bereits festmit einer späteren gesetzlichen Renterechnen kann. Bei rund 8 Prozent derPaareschließlichbesitztbislangkeinerder beiden Partner ein RentenanrechtinderGRV.DadiesePaaremeistauchnichtübereinebetrieblicheoderprivateAltersvorsorge verfügen, dürften sievonspätererArmutimAlterbesondersbedrohtsein.
Abbildung 5 zeigt, wie häufig Paare mit zwei GRV-Anwartschaften zusätzlicheAnrechteausbetrieblicheroderprivaterAltersvorsorgehaben:DiemeistendieserPaare(70Prozent)habenkeineweiterenRentenanrechte.DerzweitgrößteAnteilentfällt mit 16 Prozent auf die Paare,die imAlter zusätzlichLeistungenaus(mindestens)einemprivatenAltersvor-sorgevertragbeanspruchenkönnen.Da-beifälltauf,dassweitausmehrPaareimOstenzusätzlichprivatabgesichertsind(��%gegenübernur7% imWesten).MiteinemAnteilvon9ProzenttrittdieKombinationvonzweigesetzlichenundeinerbetrieblichenRentenanwartschaftauf,wobeidieseimWestenmit1�Pro-zentdoppelt so starkverbreitet istwieimOsten.FürdieBeziehervonAlgIIohne(Ehe-)PartnerzeigtsicheinsehrähnlichesBild
(vgl. Abb. 6):74ProzenthabenbishernurAnwartschafteninderGRVerwor-ben,11Prozenthabenzusätzlichprivatvorgesorgt, wobei diese Kombinationin Ostdeutschland bei weitem häufiger auftritt als inWestdeutschland (West:7%,Ost:17%).Weitere6ProzentderAlleinlebenden besitzen einAnrechtauf eine gesetzliche und eine betrieb-licheRente.Rund7Prozentsindwedergesetzlich noch betrieblich oder privatabgesichertunddürftendahereinbeson-dershohesRisiko tragen, imAlter aufFürsorgeleistungenderGrundsicherungangewiesenzusein.
West Ost
6685
22
1011 4kein Partner
* Mindestens ein Partner ist 50 Jahre oder älter** 1.223 Fälle = 46 % der BefragtenQuelle: IAB-Querschnittbefragung "Lebens- situation und Soziale Sicherung" (QS I) IAB
- Anteile in Prozent -
76
16
8ein Partner
beide Partner
alle Paare**
Abb. 4: Anrechte auf gesetzliche Rente bei Paaren* mit Alg-II-Bezug
West Ost
70 69
722
12
610 3GRV + BAV
* Mindestens ein Partner ist 50 Jahre oder älterGRV = gesetzliche RentenversicherungPAV = private AltersvorsorgeBAV = betriebliche AltersvorsorgeQuelle: IAB-Querschnittbefragung "Lebens-situation und Soziale Sicherung" (QS I)
IAB
-Anteile in Prozent -
alle Paare
69
16
96
GRV + PAV
nur GRV
GRV + sonstige
Abb. 5: Altersvorsorge von Paaren* mit Alg-II-Bezug, die zwei GRV- Rentenanrechte haben
Unterschiedliche Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit für die Alterssicherung im Kohortenvergleich
Für die Angehörigen der Jahrgänge von 1940 bis 1954 galten längere Anspruchsdauern beim Arbeitslosengeld als es für jüngere Jahrgänge im selben Alter jeweils der Fall sein wird. So konnten Arbeitslose seit 1987 bereits ab dem Alter von 42 Jahren (seit 1997: 45 Jahren) länger als 12 Monate Arbeitslosengeld beziehen, und zwar je nach Lebensalter und gebunden an eine bestimmte Mindestbeitragszeit zwischen 18 Monate (ab dem Alter von 42 Jahren, seit 1997: 45 Jahren) und 32 Monate (ab dem Alter von 54 Jahren, seit 1997: 57 Jahren). Seit Februar 2006 ist die höchstmögliche Anspruchsdauer auf 12 Monate und für ab 55-Jährige auf 18 Monate begrenzt.
Zudem konnten die heute Älteren bei länger andauernder Arbeitslosigkeit noch die an das frühere Nettoentgelt gekoppelte Arbeitslosenhilfe beziehen, sofern sie bedürftig waren. Die heute Jüngeren erhalten hingegen im selben Alter spätestens nach zwei Jahren des Alg-II-Bezuges nur noch eine Leistung auf Grundsicherungsniveau (nach Wegfall des zweijährigen Zuschlags zum Alg II). Mit der geringeren Höhe der Trans-ferleistungen gehen für die Jüngeren dabei auch geringere Beitragszahlungen zur Rentenversicherung einher.
Die Alterssicherung von Paaren und Alleinlebenden
IABKurzberichtNr.14/�007 7
Fazit
Einmalarm,immerarm?Füreinener-heblichenTeilderheute50-jährigenundälterenEmpfängervonAlgIIlässtsichdieseFragewohlmiteinem„Nein“be-antworten.DenndankstetigerErwerbs-biographien kann rund die Hälfte vonihnenbereitsjetztmiteinergesetzlichenRente oberhalb des Sozialhilfeniveausrechnen–einRentenzugangohneAb-schlägevorausgesetzt.EineAusnahme indieserAltersgruppebilden westdeutsche Frauen:AufgrundvonErwerbsunterbrechungenundnied-rigerenArbeitsentgelten dürften siemehrheitlich keine existenzsicherndeeigenständigeAlterssicherung errei-chenunddaheraufdasEinkommendesPartners oder ergänzende Leistungender„GrundsicherungimAlteroderbeiErwerbsminderung“angewiesensein.Dabei ist jedochzubeachten,dassdiehieruntersuchteGenerationderälterenBezieher vonAlgII einen großenTeilihresErwerbslebensuntervergleichswei-se günstigenArbeitsmarktbedingungenverbrachte. Dagegen haben bei dennachrückenden Jahrgängen der heute40-bis50-jährigenLeistungsempfängerdiskontinuierlichere Erwerbsverläufebereits zu größeren Lücken in derAl-
tersvorsorge geführt. Dies gilt insbe-sonderefürOstdeutschland,wosichdieDDR-bedingten, stetigen Biographienlangsam„auswachsen“.DasRisikoderAltersarmutdürftedaherimKohorten-vergleich steigen,dadieHilfebeziehermittlerenAltersselbstbeieinerraschenundnachhaltigenReintegrationinsozi-alversicherungspflichtige Beschäftigung diebereitsbestehendenBeitragslückeninderRegelwohlnichtmehrkompensierenkönnen.NebendemWandelderErwerbsbiogra-phien beeinflussen auch Änderungen im SozialrechtdieRahmenbedingungenfürdieindividuelleAlterssicherung.HierzugehörendieAbsenkungdesall-gemeinen Rentenniveaus in der GRVebensowiedieTatsache,dassdasSozi-alrechtdieFolgenvonArbeitslosigkeitfür dieAlterssicherung des Einzelnenheuteweniger stark ausgleicht als frü-her.SowurdedieAnspruchsdauerbeimArbeitslosengeldI verkürzt (dessenBezug in der Regel mit relativ hohenBeitragszahlungenzurGRVverbundenist)unddieArbeitslosenhilfedurchdasAlgIIersetzt(aufdessenBasisnurmehrminimale Rentenversicherungsbeiträgegeleistetwerden).InwelchemAusmaßdiese sozialrechtlichen Änderungen zuwachsendenAlterssicherungsrisiken
führen,hängtauchvomErfolgderAr-beitsmarktreformen ab. InsbesonderemüsstedieangestrebteVerringerungderLangzeitarbeitslosigkeitgelingen.ZudemdürftedasAuslaufender„58er-Regelung“zumEndediesesJahresnichtohneFolgenbleiben.MitdiesemSchrittwillderGesetzgebereinSignal setzengegendenfrühenRückzugältererHil-feempfängerausdemErwerbsleben.DieStrategiekönnteerfolgreichsein,wenndie intendierte Reintegration künftigbesser gelingt als bisher.Andernfallskönnte sich das Problem derAltersar-mut zusätzlich verschärfen. Denn die„58er-Regelung“schütztältereBeziehervonAlgII bislang davor, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eineAltersrentemitAbschlägenbeantragenzumüssen.NachihremAuslaufenwirddasPrinzipderNachrangigkeitdesAlgIIgegenüberanderen Sozialleistungen auch für diegesetzlicheRentegelten.
So werden dann gerade jene Hilfebe-zieher hohe Rentenabschläge (bis zu18 %) hinnehmen müssen, welche dieAnspruchsvoraussetzungen für einevorgezogeneAltersrenteerfüllen–weilsie lange Beitragszeiten erworben ha-ben oder einer Personengruppe ange-hören, welcher der Gesetzgeber aussozialenGründendieMöglichkeiteinesfrüherenRentenzugangseröffnethatte.Dies betrifft insbesondere Frauen undSchwerbehinderte (vgl. ausführlicherWübbeke/Hirseland/Koch �007). Diekünftige Verpflichtung der Empfänger vonAlgIIzumfrühestmöglichenRen-tenzugangbenachteiligtdahereinzelneGruppenvonHilfebeziehernundkanndasRisikoderAltersarmutfürdieBe-troffenenerhöhen.
DamitkonterkariertdieFrühverrentungs-pflicht zugleich das mit der Schonung privaterAltersvorsorgeverbundeneZieldesSGBII,präventivgegenArmutimAlter zu wirken. Im Grenzfall sind essogarerstdieBeitragszeitendesAlg-II-Bezuges,diezuLastenderBetroffenenAnsprücheaufvorgezogeneAltersrentenbegründen und damit die HinnahmevonRentenabschlägen erzwingen.AusdiesenGründensolltemannocheinmalüberprüfen, ob nicht auch für die Zeitnach�007dieRegelungsinnvollist,dassBeziehervonAlgIInureineAltersrenteohneAbschlägebeantragenmüssen.
Fazit
Männer Frauen
77 72
67
1072
512
* 1.263 Fälle = 54 % der BefragtenQuelle: IAB-Querschnittbefragung "Lebenssituation und Soziale Sicherung" (QS I) IAB
- Anteile in Prozent -
alle
74
11
627
nur gesetzliche Rentenversicherung
sonstige Altersvorsorge
Männer Frauen
75 71
15 19
43 23 7
gesetzliche Rentenversicherung + private Altersvorsorge
gesetzliche Rentenversicherung + betriebliche Altersvorsorge
keine Altersvorsorge
Alleinlebenden* Westdeutschland Ostdeutschland
11
Abb. 6: Altersvorsorge der älteren alleinlebenden Beziehern von Alg II
8 IABKurzberichtNr.14/�007
UmArmut imAlter vorzubeugen, hatderGesetzgeberzum1.August�006denFreibetragfürdienichtRiester-geförder-teprivateAltersvorsorge11fürvolljährigeBezieher desAlgII von �00 Euro auf�50EuroproLebensjahrheraufgesetzt.Damit wird die privateVorsorge vonHilfebeziehernnunstärkergeschütztalseszuletztimArbeitslosenhilferechtundinsbesonderebeiderfrüherenSozialhilfederFallwar.
InwelchemMaßedieserechtlicheBes-serstellunginsgesamtzueinerReduzie-rungderHilfebedürftigkeitimRuhestandbeiträgt,hängtunteranderemdavonab,wievieleHilfebeziehertatsächlichübereine privateAltersvorsorge verfügenund inwelcherHöhe.UnterdenheuteälterenHilfebeziehernbeteiligtsichzwarnureineMinderheitandieserFormderVorsorge,dochkönntedieseQuotemitderzunehmendenVerbreitungderpriva-tenAlterssicherunginderBevölkerungkünftigwachsen.UnabhängigdavonistdieErhöhungderAltersvorsorgefreibe-trägejedocheinrichtigerSchrittzurVer-ringerungvonRisikenderAltersarmut.
Literatur
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IABKurzbericht Nr. 14 / 20.8.2007
Redaktion Ulrich Möller, Elfriede Sonntag
Graphik & Gestaltung Monika Pickel, Elisabeth Strauß Rechte Nachdruck – auch auszugsweise – nur mitGenehmigung des IAB gestattet
Technische Herstellung pms Offsetdruck GmbH, Wendelstein
Rückfragen zum Inhalt anDr. Christina Wübbeke, Tel. 0911/179-3925 oder e-Mail: christina.wü[email protected]
ISSN 0942-167X
IAB im Internet: http://www.iab.de Dort finden Sie unter anderem auch diesen Kurzbericht im Volltext zum Download
BezugsmöglichkeitIAB-Bestellservice c/o IBRo Versandservice GmbH Kastanienweg 1 18184 Roggentin Fax: 0180 5 00 38 66 e-Mail: [email protected]
Impressum
11Die Riester-geförderte privateAltersvorsorgegehört ebenso wie betriebliche und gesetzlicheRentenanwartschaftenzudemnichtzuberücksich-tigendenodernichtverwertbarenVermögeneinesAlg-II-Antragstellers und ist daher vollständiggeschützt.FürVermögen,dasnichtderAltersvor-sorgedient,giltzudemeinGrundfreibetraginHöhevon 150 Euro pro Lebensjahr eines volljährigenerwerbsfähigenHilfebedürftigen.
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