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Hautarzt 2013 · 64:949–952DOI 10.1007/s00105-013-2689-8Online publiziert: 20. Oktober 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

A.S. YazdiUniversitäts-Hautklinik, Tübingen

Allergenspezifische Immuntherapie beim atopischen Ekzem

Eine der häufigsten entzündlichen Der-matosen ist die atopische Dermatitis (AD), die ca. 1–3% aller Erwachsenen in unterschiedlicher Ausprägung betreffen kann. Die AD (Synonyme: endogenes Ek-zem, Neurodermitis) ist eine meist chro-nifizierte Dermatose mit Erstmanifesta-tion im Kindesalter. Klinisch ist die Er-krankung durch starken Juckreiz mit Be-fall von Prädilektionsstellen charakteri-siert, die sich im Laufe des Lebens verän-dern.

Bei der Pathogenese der AD schei-nen genetische Faktoren von Bedeu-tung zu sein. Neben einer polygenen Ver-erbung, die eine erhöhte familiäre Häu-fung der AD bedingt, wurden auch spe-zifische Gendefekte, die die epidermale Barrierefunktion beeinflussen, detektiert. So wurden Mutationen im Filaggrin-Gen beschrieben, die zu einer verminderten Funktion dieses Schlüsselproteins als Be-standteil der epidermalen Barriere füh-ren [4]. Die geschädigte Hautbarriere er-leichtert die Penetration von Bakterien, aber auch von Allergenen durch die Haut. Diese begünstigen dann eine Th2-vermit-telte Immunantwort, die die Ekzemreak-tion initiiert. Somit können Aeroallerge-ne oder mikrobielle Besiedlung das atopi-sche Ekzem provozieren und aggravieren. Die AD wird mit dem allergischen Asth-

ma bronchiale und der Rhinoconjunctivi-tis allergica auch zu einer „atopischen Tri-as“ zusammengefasst, da diese 3 Erkran-kungen häufig assoziiert sind. Neben der gestörten epidermalen Barriere lassen sich bei zahlreichen Patienten mit AD erhöhte Serum-IgE-Spiegel oder positive Resulta-te bei Pricktestungen mit Aeroallergenen oder Atopie-Patchtestungen nachweisen. Im Gegensatz zum Pricktest, bei dem die Soforttypreaktion abgelesen wird, wer-den beim Atopie-Patchtest Aeroallergene analog einer Epikutantestung am Rücken aufgeklebt und eine Ekzemreaktion ab-gewartet. Hausstaubmilbenproteine kön-nen hier am häufigsten ein Ekzem verur-sachen, sodass ein Schutz vor Hausstaub-milbenextrakten z. B. durch milbendichte Bettbezüge eine AD verbessern kann [5].

Die Therapie der Rhinoconjunctivi-tis allergica und des allergischen Asth-ma bronchiale kann symptomatisch er-folgen. Über die Allergenmeidung hin-aus steht jedoch auch eine allergenspezi-fische Immuntherapie (SIT) als wirksame Therapieoption zur Verfügung. Hier wer-den entweder subkutan (SCIT, „subcuta-neous immunotherapy“) oder sublingual (SLIT, „sublingual immunotherapy“) All-ergenextrakte appliziert, um so eine im-munologische Toleranz zu bewirken. Bei der SCIT werden nicht modifizierte All-ergenextrakte, die das Allergen in seiner nativen Konformation enthalten, von den Allergoiden unterschieden. Die Allergo-ide sind chemisch modifizierte polymeri-sierte Allergenextrakte, die eine geringere Anzahl von Epitopen als das Vollallergen aufweisen. Ob diese reduzierte B-Zell-Sti-mulation weniger IgE-vermittelte Neben-

wirkungen evoziert und ob die Wirksam-keit von Vollallergen und Allergoid iden-tisch bleibt, wird derzeit kontrovers disku-tiert. Doch nicht nur die Hyposensibilisie-rungslösung, sondern auch deren Appli-kationsdauer kann individuell angepasst werden. Bei der präsaisonalen Therapie wird rechtzeitig vor der Pollensaison die Therapie begonnen. Zunächst wird die Dosis in wöchentlichen Abständen gestei-gert, um dann die Erhaltungsdosis monat-lich zu applizieren. Nach Ende der Saison wird die Therapie bis zur nächsten Saison pausiert. Im Gegensatz zu den präsaiso-nalen und saisonalen Schemata wird nach der Einleitungsphase bei der ganzjährigen SCIT das Allergen ganzjährig monatlich subkutan appliziert.

Der genaue Wirkmechanismus der SIT ist immer noch unklar: Vermutet wird die Entwicklung von Toleranz gegenüber dem Allergen durch Induktion spezifischer re-gulatorischer T-Zellen, die eine T-Helfer-zell-2-Antwort, die bei der Rhinitis aller-gica oder auch beim atopischen Ekzem dominiert, unterdrückt. Ferner kann die SIT auch die Ratio zwischen allergenspe-zifischem IgE zu IgG4 so verändern, dass das gesteigerte spezifische IgG4 die Frei-setzung von IgE inhibiert [6].

Die Effektivität der SCIT oder SLIT bei der allergischen Rhinokonjunktivitis ist durch placebokontrollierte Studien be-legt [2]. Da die Wirksamkeit der Immun-therapie bei der Behandlung des atopi-schen Ekzems kontrovers diskutiert wird, führten Bae et al. [1] einen systematischen Review und eine Metaanalyse zur SIT bei AD durch. Um geeignete randomisier-te kontrollierte klinische Studien zu fin-

Originalpublikation

Bae JM, Choi YY, Park CO et al (2013) Efficacy of allergen-specific immunotherapy for atopic dermatitis: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. J Allergy Clin Immunol 132:110–117

RedaktionJ. Krutmann, Düsseldorf

Redaktionelle MitarbeitC. Hafner, Regensburg,B. Homey, Düsseldorf,R. Gläser, KielA. S. Yazdi, Tübingen

949Der Hautarzt 12 · 2013  | 

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den, wurden medizinische Datenbanken wie Medline, Web of Science oder Coch-rane Library nach Schlagworten unter-sucht. Nach Exklusion von Doppelpubli-kationen und Übersichtsarbeiten verblie-ben zur Metaanalyse lediglich 8 Studien mit insgesamt 385 behandelten Patienten, entsprechend 219 SIT- und 166 Kontroll-patienten. Metaanalysen dienen der Zu-sammenfassung verschiedener Studien, um eine Effektgrößeneinschätzung zu er-möglichen. Vor allem bei sehr kleiner Pa-tientenzahl in den Primärstudien können die Ergebnisse zusammengefasst werden, um die Aussagekraft zu potenzieren. Pro-blem einer Metaanalyse ist die Heteroge-nität der Primärstudien, da diese nicht ge-nau dieselben Methoden verwenden. Falls eine Metaanalyse nicht möglich war, wur-den die Variablen in der hier diskutierten Arbeit deskriptiv statistisch untersucht.

Die analysierten Studien waren stets mindestens zweiarmig randomisiert in SIT oder Placebo und inkludierten je Gruppe >5 Teilnehmer. Als Einschluss-kriterien wurde bei einigen Studien ein fehlendes Ansprechen auf konventionelle Therapie genannt, während 5 Studien kei-

ne Angaben zur Vortherapie machten. Be-handelt wurde in 6 Studien subkutan, bei 2 Studien wurde eine SLIT durchgeführt, also das Allergen sublingual appliziert. Bei 6 Studien wurde ausschließlich mit Haus-staubmilbenextrakten, dem am häufigsten bei der AD eingesetzten Allergen, thera-piert. Auch bei der Begleitmedikation zeigt sich die Problematik der Vergleich-barkeit, denn ein Teil der Studien erlaubte sogar eine kurzzeitige Therapie mit syste-mischen Steroiden.

Obwohl die Studien sehr heterogen waren, zeigte die SIT in allen 8 analysier-ten Studien einen signifikant positiven Ef-fekt auf die AD. In der Subgruppenana-lyse konnten sogar Patienten mit einer schwereren AD von einer SIT profitieren, während bei Kindern kein signifikanter Effekt herausgearbeitet werden konnte. Dies ist vermutlich durch die kleine Fall-zahl verursacht. Neben der Wirksamkeit ist Hauptaugenmerk jeglicher klinischer Prüfung die Sicherheit der Therapie und das Auftreten unerwünschter Ereignisse. In keiner der Studien wurde ein fatales oder schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis gemeldet. Eine transiente Exazer-

bation des Ekzems wurde jedoch je nach Studie bei bis zu 74% der behandelten Pa-tienten, aber auch bei 83,3% der Kontroll-gruppe beobachtet, sodass die Therapie nicht Ursache der Exazerbation ist. Da die unerwünschten Ereignisse in den jewei-ligen Studien nicht einheitlich definiert wurden, ist eine Zusammenfassung die-ser als Metaanalyse nicht möglich, sodass nur eine deskriptive Analyse möglich war. Generell waren aber die Nebenwirkungen transient und erforderten keinen Abbruch der Medikation.

Die Autoren der Metaanalyse bewerten die SIT im Vergleich zur Placebotherapie als wirkungsvoll: Als „number needed to treat“ wird eine statistische Messzahl be-zeichnet, die angibt, wie viele Patienten behandelt werden müssen, um für einen Patienten einen günstigen Ausgang zu er-reichen. So müssen in den hier analysier-ten Studien 3 Patienten mit AD behandelt werden, damit 1 Patient eine signifikante Besserung statistisch erreichen wird. Die-se Zahl zeigt eine sehr hohe Quote an pro-fitierenden Patienten an, denn zum Ver-gleich liegt dieser Wert für das verlänger-te Überleben durch Therapie mit Interfe-

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ron-α als Standard beim fortgeschrittenen Melanom bei 35 Patienten, die behandelt werden müssen, um das Überleben eines Patienten zu verlängern [3]. Trotz der ho-hen Sicherheit und guten Ansprechrate beklagen Bae et al. jedoch in ihrer Aus-wertung ein sehr heterogenes Studiende-sign unter den in der Metaanalyse zusam-mengefassten Studien. So stimmen weder die Substanz (Vollallergen vs. Allergoid), die Dosis noch die Therapiedauer (ganz-jährig vs. intermittierend) in den Studien überein. Die Subgruppenanalyse ergab, wie oben bereits angeführt, einen guten Effekt der SIT bei schwerer AD, bei Be-handlungsdauer >12 Monate und bei sub-kutaner Immuntherapie (SCIT). Für Kin-der oder SLIT, die sublinguale Applikati-on des Allergens, konnten keine signifi-kant positiven Effekte detektiert werden – vermutlich aufgrund der geringen Anzahl von 64 bzw. 42 behandelten Personen.

Zusammenfassend schlussfolgern die Autoren, dass Patienten mit AD von ei-ner subkutanen spezifischen Immun-therapie profitieren, sodass die SIT gera-de bei schweren Verläufen eine sinnvolle Therapieoption darstellen kann. Gleich-zeitig fordern Bae et al. aber aufgrund der Heterogenität des Studiendesigns rando-misierte Doppelblindstudien, um den Ef-fekt der SIT zu bestätigen und auch die Langzeitwirkung der SIT bei AD zu eva-luieren. Beim oralen Allergiesyndrom als meist mukosale Kontaktreaktion auf Le-bensmittel im Rahmen einer Pollen-as-soziierten Nahrungsmittelreaktion wird derzeit eine Studie mit rekombinanten Bet v1 durchgeführt, um den Einfluss der SIT auf die Birkenpollen-assoziierte Soja-allergie zu ermitteln [7]. Diese multizent-rische, randomisierte Doppelblindstudie wird zeitnah Erkenntnisse zur Wirksam-keit einer Desensibilisierung auf das orale Allergiesyndrom liefern, sodass ähnliche Studien zum Effekt der SIT durchgeführt werden sollten, um den Effekt der SIT auf das atopische Ekzem zu verifizieren.

Fazit für die Praxis

FDie Effektivität der allergenspezifi-schen Immuntherapie (Desensibili-sierung, Hyposensibilisierung) wurde bereits für Aeroallergene bei Rhino-conjunctivitis allergica bewiesen. 

FAuch schwere Formen der atopischen Dermatitis werden nach der hier dis-kutierten Metaanalyse durch aller-genspezifische SIT signifikant posi-tiv beeinflusst, sodass auch bei ato-pischer Dermatitis diese Therapieop-tion erwogen werden sollte.

Korrespondenzadresse

PD Dr. A.S. YazdiUniversitäts-HautklinikLiebermeisterstr. 25, 72076 Tü[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  A.S. Yazdi gibt an, dass kein Inter-essenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Bae JM, Choi YY, Park CO et al (2013) Efficacy of all-ergen-specific immunotherapy for atopic derma-titis: a systematic review and meta-analysis of ran-domized controlled trials. J Allergy Clin Immunol 132:110–117

  2.  Calderon MA, Alves B, Jacobson M et al (2007) Allergen injection immunotherapy for seaso-nal allergic rhinitis. Cochrane Database Syst Rev 1:CD001936

  3.  Mocellin S, Lens MB, Pasquali S et al (2013) Inter-feron alpha for the adjuvant treatment of cut-aneous melanoma. Cochrane Database Syst Rev 6:CD008955

  4.  Palmer CN, Irvine AD, Terron-Kwiatkowski A et al (2006) Common loss-of-function variants of the epidermal barrier protein filaggrin are a major pre-disposing factor for atopic dermatitis. Nat Genet 38:441–446

  5.  Ring J, Alomar A, Bieber T et al (2012) Guidelines for treatment of atopic eczema (atopic dermatitis) part I. J Eur Acad Dermatol Venereol 26:1045–1060

  6.  Till SJ, Francis JN, Nouri-Aria K et al (2004) Mecha-nisms of immunotherapy. J Allergy Clin Immunol 113:1025–1034 (quiz 1035)

  7.  Treudler R, Simon JC (2012) Severe soy allergy in adults. Is there a role for specific immunotherapy? Hautarzt 63:307–312

Ausschreibung des Research on Skin Dryness Award 2014

Jeweils 8.000 Euro als Preisgeld sind im 

Research on Skin Dryness Award (ROSA) 

2014 ausgeschrieben, der aus dem For-

schungspreis „Atopische Dermatitis“ und 

dem Forschungspreis „Psoriasis“ besteht. 

Förderungswürdig sind Forschungsarbei-

ten, die eine fundamentale Bedeutung für 

die Pathogenese, Prävention oder Therapie 

krankhaft trockener Haut haben.

Die Gewinner werden von einem Gutach-

ter-Gremium ermittelt, bestehend aus:  

Prof. Thomas Bieber (Vorsitzender),  

Prof. Dietrich Abeck, Dr. Barbara Kunz,  

Prof. Regina Fölster-Holst, Prof. Johannes 

Wohlrab, Prof. Wolf-Henning Boehncke, 

Prof. Diamant Thaçi und Prof. Jörg C. Prinz.

ROSA wird unterstützt durch La Roche- 

Posay Laboratoire Dermatologique.

Einsendefrist ist der 31. März 2014

Bitte fordern Sie Ihre Ausschreibungsunter-

lagen an bei:

Dr. med. Irene Rosengarten, 

Georg-Glock-Str. 18, 40474 Düsseldorf

E-Mail: [email protected]

Quelle:

Agentur COPP, Birgit Barnickel

Fachnachrichten

951Der Hautarzt 12 · 2013  | 


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