30 JAH
RE
EIN SINNHEFT ZUM ALNATURA JUBILÄUM
DANACH
GLORIA NATALIE HILLIG ist im Jubiläumsjahr 2014 Lehrling im Alnatura Super Natur Markt in Regensburg
HERAUSGEBERAlnatura Produktions- und Handels GmbH
Darmstädter Straße 63, 64404 Bickenbach
Tel. 062 57-93 22-0
www.alnatura.de
GRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRENDER ALLEINGESELLSCHAFTER (V.I.S.D.P.)Prof. Dr. Götz E. Rehn
KONZEPTIONraabengrün – nachhaltig kommunizieren
REDAKTIONHolger Meerwarth, Sylvia Raabe (Redaktionsleitung),
Johannes Böhm, Melanie Eben, Stefanie Grauer,
Dr. Manon Haccius, Katja Hellmuth, Uli Hesse,
Andrea Knura, Volker Laengenfelder, Bettina Laux,
Götz Rehn, Ralf Roesberger, Kristina Rudy,
Tina Schneyer, Anna Seidel, Kirsten Zesewitz
GRAFIK UND GESTALTUNGAWAWII Kreativagentur
FOTOSAlnatura, Christoph Assmann, Dieter Bachert,
BUND, Johann Cohrs, Marc Doradzillo, Ole Ekhoff,
Thomas Fedra, Flores Farm, Johannes Green,
Alexander Heimann, Wendy A. Hern, Andrea
Knura, Volker Laengenfelder, Rob Lewis, Holger
Meerwarth, Norman A. Müller, Thomas Niedermüller,
Ökodorf Brodowin, People Wear Organic GmbH,
Sylvia Raabe, Bernd Ritter, Verein für Heimatkunde e.V.
Alfeld, Viscom Fotografie, Steffi Zepp
DRUCKalpha print medien AG
Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt
Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste, Internet
und Vervielfältigung auf Datenträger nur nach
vorheriger schriftlicher Zustimmung durch Alnatura.
30 JAHRE ZUVOR – 30 JAHRE DANACH ist eine einmalige Sonderausgabe von Alnatura.
26 Sinndimensionen haben die Sinnforscher der Universität
Innsbruck in einer breit angelegten Interviewstudie identifi-
ziert. Es sind Begriffe wie Liebe, Spaß, Naturverbundenheit
oder Individualität, welche die Befragten als bedeutsam für ihr
Leben nannten. Für jedes Individuum hat jeder dieser Begriffe
eine andere Wertigkeit – die Sinndefinition ist individuell.
Für die einen stehen Familie und Freunde weit vorne in der
Bedeutsamkeit ihres Lebens. Für andere ist es Gesundheit.
Oder Liebe.
Eine Lebensdeutung nennen die Forscher „Generativität“ und
meinen damit das Tun oder Schaffen von Dingen mit bleiben-
dem Wert – also etwas, das nachfolgenden Generationen
erhalten bleibt. Und das ist etwas, was laut der Wissenschaftler
als extrem sinnstiftend erlebt wird.
Man könnte dies Nachhaltigkeit nennen. Dies meint üblicher-
weise ein Handeln, das wirtschaftliche, ökologische und
soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Bei Alnatura
kommt noch eine vierte Dimension dazu: die geistig-kultu-
relle. Denn der Mensch als handelndes Wesen kann aus
Erkenntnis sein Handeln so verändern, dass es sinnvoll wird
für Mensch und Erde.
Dieses Magazin wirft einen Blick darauf, was in den letzten
30 Jahren Sinnstiftendes erreicht worden ist: in den Bereichen
Ökologie, Ökonomie, Kultur und Soziales. Der Blick geht aber
auch nach vorne. Was müssen wir tun, um die kommenden
Jahrzehnte sinnvoll zu gestalten: im Bio-Landbau (Ökologie),
beim nachhaltigen Wirtschaften (Ökonomie), beim Gestalten
unseres Miteinanders (Soziales) und bei allem, was wir in
unserem Leben durch kreatives Tun bewegen können (Kultur)?
Wir freuen uns, wenn wir über diese Anregungen mit Ihnen
in den Dialog kommen!
Ihre Redaktion.
IMPRESSUM
LIEBE LESERINNEN UND LESER,
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WEITERE INFOS
Im Alter von 21 Jahren fasste ich den Entschluss, „Wirtschaft“
zu studieren. Mein Lebensmotiv stand fest; ich wollte „Wirt-
schaftsarzt“ werden. Mir ging und geht es darum zu zeigen,
dass wirtschaftliches Handeln nicht gegen die Natur und den
Menschen gerichtet sein muss. Ich wollte und will gemeinsam
mit allen Kolleginnen und Kollegen von Alnatura zeigen,
dass wir aus Vernunft Produkte und Leistungen entwickeln
können, die die Natur fördern. Alles soll dem Menschen
dienen. Wir wollen nicht manipulieren, sondern informieren;
nicht überreden, sondern überzeugen; nicht binden, sondern
Partnerschaften anbieten. Es geht um Dialog und Zusammen-
arbeit auf Augenhöhe.
Das Wichtigste für jedes Unternehmen sind seine Kunden.
Kennt man die Kunden, weiß man viel über ein Unternehmen.
Die Kunden fragen Produkte und Leistungen nach. Je mehr sie
fragen, umso größer wird der so erzeugte Sog. Er beginnt in
den Filialen und endet schließlich bei den Bio-Bauern. Wenn
die Kunden zum Beispiel mehr Alnatura Produkte aus Bio-Din-
kel kaufen, müssen die Bio-Bauern mehr Bio-Dinkel anbauen,
sonst können wir dem „Kunden-Sog“ nicht entsprechen. Die
Alnatura Kunden verstehen sich auch als Mitgestalter des
Unternehmens. Sie sagen uns, was sie wollen, wie sie es
wollen, warum sie es wollen. Sie beteiligen sich bei Mitmach-
aktionen. Sie fördern den Bio-Landbau und unterstützen die
Bienen. Sie haben Interesse an Kunstprojekten und schätzen
den Dialog. Für uns sind unsere Kunden das Ziel und der
eigentliche Grund unseres Handelns. Zugleich geben sie uns
die Kraft, uns für sie einzusetzen. Man könnte sagen, die
Zukunftssicherheit für Alnatura liegt in den Herzen unserer
Kunden. Ihr Interesse, ihre Liebe, ihre Taten ermöglichen unser
Unternehmen.
Es ist beeindruckend, was in 30 Jahren Alnatura durch die
Kunden „geschaffen“ wurde. Es ist eine große Freude zu
sehen, wie dies gemeinsam mit unseren Partnern in Handel,
Herstellung, Bio-Landbau und vielen anderen möglich wurde.
Es gibt mir Zuversicht, dass heute täglich mehr als 2 200 Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter Alnatura mit ihren Ideen und
Taten gestalten. Vor allem erfüllt es mich mit großer Dankbar-
keit. Mein Dank gilt allen, die bis heute die Entwicklung von
Alnatura gestaltet haben. Ich hoffe, dass sich das Mitdenken
und Mitmachen der Kunden, Partner und Mitarbeitenden
in Zukunft noch weiter intensiviert. Es gibt noch viel zu tun;
lassen Sie es uns denken, und dann lassen Sie es uns tun!
Die Erde erfreut es – und die Menschen auch.
MIT HERZLICHEN GRÜSSEN
GÖTZ REHN, Alnatura Gründer und Geschäftsführer
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ALNATURA PRODUKTE ERHALTEN SIE BEI:
DANKE!
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ÖKONOMIE BAUER SUCHT LANDWOLLEN WIR MEHR BIO-BAUERN, MÜSSEN WIR IN DER BESITZFRAGE UMDENKEN
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KULTUR BIOGRAFIE:1984„BEQUEMES ESSEN BRACHTEDER EISMANN!“
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WIRTSCHAFT NEU DENKEN WIE ARBEIT ZU LEBENSSINN WERDEN KANN
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ALNATURA UND ICH BEOBACHTUNGEN, ERINNERUNGEN, BLICKE IN DIE ZUKUNFT: ACHT ALNATURA MITARBEITER UND IHRE GEDANKEN ZUM ALNATURA JUBILÄUM
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BIOGRAFIE: 2014„MEINE ALNATURA LEHRE IST FÜR MICH MEHR ALS EINE ARBEIT.“
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SINNVOLL FÜR MENSCH UND ERDEGEDANKEN VON ALNATURA GRÜNDER GÖTZ REHN
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INHALTEIN SINNHEFT ZUM ALNATURA JUBILÄUM
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ÖKOLOGIE BERTASCHARRTNEUE WEGE FÜR MEHR TIERWOHL.
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SOZIALES WURSTSACK TRIFFTGRASLUTSCHER... UND MINZGRÜN IST AUCH DABEI – EIN GESPRÄCH ÜBER DEN SINN DES „RICHTIGEN“ ESSENS
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AUF DEM BODEN BLEIBENOHNE GRUNDLAGE WÄCHST NICHTS
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BIO GLOBAL BIO-PRODUKTE AUS DEM AUSLAND – SINN ODER UNSINN?
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MIT GEDULD UND HINGABE NEUE PFLANZENSORTEN FÜR DEN BIO-LANDBAU
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DER ZEIGEFINGER-EFFEKTKANN DIE BIO-BRANCHE IHRE KUNDEN ZU MEHR ÖKO-BEWUSSTSEIN ERZIEHEN?
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„FÜR FRAUEN IST DIE SELBSTSTÄNDIGKEIT GROSSARTIG“ WIE FRAUEN UND MÄNNER DIE BIO-BRANCHE BEWEGEN
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WENN ERDKRÖTEN SPRECHEN KÖNNTEN101 MAL NATURSCHUTZ DURCH ALNATURA KUNDEN
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Thomas Schmid zögert. Nein, sein Land sei das nicht. „Wir
hatten von Anfang an zu wenig Kapital. Alles hier ist mit
Fremdkapital gebaut und erworben worden. Unsere Hofge-
meinschaft ist nur der Pächter.“ Von der Scheune hat Schmid
freien Blick über die hügelige Landschaft des Linzgaus am
westlichen Bodensee. Er deutet auf die Felder rund um den
Hof des Weilers Heggelbach: „Da drüben bauen wir unser
Gemüse an: Rote Bete, Zwiebeln, Kartoffeln, Pastinaken.
Wir haben auch Grünland für die Milchkühe – 180 Hektar
insgesamt.“
Die Felder des Demeter-Betriebes liegen nicht alle direkt um
den Hof. Das wäre früher so gewesen und sorgte für kurze
Wege. Aber heute müssen viele Bauern Land zupachten –
und da grenzen frei werdende Flächen selten direkt an das
eigene Land an. In Teilen Süd- und Westdeutschlands hat
auch das Erbrecht zu einer Zerstückelung der Flächen geführt:
Denn dort erbte den Hof nicht – wie in Nord- und Ostdeutsch-
land nach Anerbenrecht üblich – ein Nachkomme als Ganzes;
stattdessen wurden die Flächen gleichmäßig zwischen allen
Erbberechtigten aufgeteilt (Realteilung). Einige Betriebe wur-
den dadurch so klein, dass sich ihre Besitzer von der Landwirt-
schaft alleine nicht mehr ernähren konnten. Sie sahen sich
nach besser bezahlter Arbeit in der Industrie um und betrieben
die Landwirtschaft fortan nur noch im Nebenerwerb.
Thomas Schmid ist Bauer im Vollerwerb – obwohl er kein
Land geerbt hat. Denn seine Eltern waren keine Bauern:
„Aber mein Traum war halt nun mal die Landwirtschaft. Also
habe ich die Landwirtschaftsschule besucht.“ Und dort lernte
er nicht nur seine heutige Frau Ulrike kennen, sondern auch
den heutigen Käser der Hofgemeinschaft, Rolf Raneburger.
Alle hatten denselben Wunsch: einen eigenen Hof. Den
wollten sie anders bewirtschaften als sie es auf der Landwirt-
schaftsschule gelernt hatten: ohne Kunstdünger, ohne Spritz-
mittel, ohne Wachstumsförderer in der Tierzucht. Damals in
den 1980er-Jahren, so Schmid, sei die Landwirtschaft in einem
kritischen Fokus gestanden: wegen Pestizid-Einsatz, Butter-
bergen und Massentierhaltung. „Auch das Höfesterben war
ein riesiges Thema“, erzählt Schmid. „Wir haben damals
nach anderen Möglichkeiten des Daseins gesucht.“
Suchende gibt es auch heute viele, aber sie finden kein
bezahlbares Land. Andererseits ist bei 70 Prozent aller Höfe
die Nachfolge ungeklärt. Vielfach wollen die Kinder die müh-
same Arbeit ihrer Eltern auf dem Hof nicht fortführen. In
Baden-Württemberg, so ergab 2013 eine parlamentarische
Anfrage im Landtag, sind nur sieben Prozent der Bäuerinnen
und Bauern jünger als 35 Jahre. Doch den Hof in fremde Hände
außerhalb der Familie übergeben, das bringen die wenigsten
Bauern übers Herz. Auch aus steuerlichen Gründen: >>
Wer Kartoffeln anbauen will, braucht Land zum Bewirtschaften. Doch wie wird man Bauer ohne Landbesitz? Die meisten Landwirte in Deutschland übernehmen den Hof von ihren Eltern. Wer nicht erbt, kann kaum das Kapital für Landbesitz aufbringen. Wollen wir mehr Bio-Bauernhöfe, brauchen wir auch ein Umdenken in der Landfrage. Wie das gehen kann, zeigt die Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee.
BAUER SUCHT
LANDWOLLEN WIR MEHR BIO-BAUERN, MÜSSEN WIR AUCH IN DER BESITZFRAGE UMDENKEN
Autor HOLGER MEERWARTH
THOMAS SCHMIDMitbegründer und Gesellschafter der Hofgemeinschaft
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Autor HOLGER MEERWARTH
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THORSTEN KRUGGesellschafter der Hofgemeinschaft Heggelbach
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AUF DIESER FLÄCHE KANN MAN DAS LANDWIRTSCHAFTLICH ERZEUGEN, WAS EIN EINZELNER ZUM LEBEN BRAUCHT.
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Eine Übergabe innerhalb der Familie ist nahezu steuerfrei.
Beim Verkauf an Fremde können dagegen bis zu 60 Prozent
des Wertes an Steuern fällig werden. Dann lieber den Hof still-
legen und das Land verpachten. Dafür gibt es derzeit genug
Interessenten. Denn durch den staatlich subventionierten
„Energiemais“ für Biogasanlagen ist der Landhunger groß.
Das treibt die Land- und Pachtpreise in die Höhe. 25.000 Euro
kostete beispielsweise 2013 ein Hektar Agrarland in Schleswig-
Holstein. Für 50 Hektar kommen so 1,25 Millionen zusammen –
Wohnhaus, Stall, Maschinen, Tiere und sonstige Produktions-
mittel noch gar nicht mitgerechnet. Wer da als Quereinsteiger
und ohne einen Hof zu erben Landwirt werden will, hat im
Grunde keine Chance.
Ähnlich hoch waren schon vor 30 Jahren die Landpreise in
Baden-Württemberg, als Thomas Schmid und seine Mitstreiter
ihr Land kauften. „Ohne Familie Reyer hätten wir das hier
gar nicht anfangen können“, sagt Schmid. Die Reyers hatten
schon einen Hof in der Nähe von Stuttgart. Aber sie hatten
Lust auf einen Neuanfang – vor allem einen ökologischen.
Auf der Suche nach Land fanden die drei Familien 1986 jene
Flächen, auf denen heute die Hofgemeinschaft Heggelbach
lebt. Von Anfang an war klar, dass dieser Neuanfang ein
anderes Wirtschaften beinhalten sollte: „Niemand von uns
hatte Lust auf eine Sieben-Tage-Woche ohne Urlaub und ar-
beiten bis zum Umfallen.“ Deshalb die Gemeinschaft in Form
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Jeder brachte
das an Kapital ein, was möglich war; und alle arbeiteten an
einem Ziel: dem Aufbau eines biologisch-dynamischen Hofes.
Brauchte mal einer Urlaub oder einen freien Tag, übernahmen
die anderen die Arbeit. Während der ersten Jahre lebte die
Hofgemeinschaft vor allem von der Milchviehhaltung und der
Käserei. Nebenbei musste für die drei Familien ein neues Haus
gebaut werden, außerdem der Stall für die Milchkühe.
1993 kam es dann in Heggelbach zur Zerreißprobe. Familie
Reyer, die den Großteil des Kapitals zum Erwerb des Hofes
beigesteuert hatte, wollte aus der Hofgemeinschaft ausstei-
gen und brauchte zumindest einen Teil des eingebrachten
Geldes zum Aufbau einer neuen Existenz. Doch die beiden
anderen Gründer hatten kein Eigenkapital, um die Anteilseig-
ner auszubezahlen. „Unser herkömmliches Wirtschaftsmodell
stellt Eigentum in den Fokus“, so Thomas Schmid. „Wir haben
dann nach einer Form gesucht, in der die Bewirtschaftung der
Flächen – also das eigentliche Erzeugen von Nahrungsmitteln
– eine höhere Priorität bekommt.“ Die Lösung fand sich in der
Trennung von Nutzung und Eigentum mit Hilfe des anthropo-
sophischen Mercurialis-Vereins. Dieser kaufte die 40 Hektar
Kernflächen des Hofes, und so bekamen die scheidenden
Gesellschafter ihr Geld; die restliche GbR dagegen zahlt seit-
dem Pacht für die Flächen und hält nur die Wohnhäuser und
Wirtschaftsgebäude in ihrem Besitz mit einem lebenslangen
Nutzungsrecht. Bei Ausscheiden oder Tod kann dieser Besitz
nicht vererbt werden, sondern fällt zurück an die Gemein-
schaft, von der sie die nächsten Nutzer übernehmen können.
Als die Hofgemeinschaft Heggelbach Nachfolger für die aus-
scheidenden Gesellschafter suchte, gab es noch kein für alle
zugängliches Internet. Heute bringt – neben einigen Bera-
tungsstellen – eine Internetseite Angebot und Nachfrage zu-
sammen: Auf hofgruender.de können sich sowohl Hofsuchende
als auch Verkaufswillige eintragen. Die Initiative wird von der
Zukunftsstiftung Landwirtschaft gefördert. „Wir brauchen
Existenzgründungen in der Landwirtschaft, denn pro Jahr
machen bis zu 10 000 Höfe dicht“, so Christian Vieth, Geschäfts-
führer von hofgruender.de. „Bei einer Hofübergabe geht es
nicht einfach um eine Immobilie, sondern um Menschen,
die miteinander klarkommen sollen. Die will ich zusammen-
bringen – und das ist die größte Herausforderung.“ >>
JONA KREISGesellschafter der Hofgemeinschaft Heggelbach
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DER MITARBEITERVEREIN „ALNATURA HILFT!“ UNTERSTÜTZTE MIT SPENDEN AN DIE ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFTINITIATIVEN WIE WWW.HOFGRUENDER.DE AUCH IHRE SPENDE HILFT: Alnatura hilft! e.V., Sparkasse Darmstadt,IBAN DE71 5085 0150 0025 0058 56, BIC HELADEF1DAS
WEITERE INFOS ONLINE UNTER:
www.alnatura-bio7.comwww.kulturland-eg.dewww.hofgruender.dewww.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de
Ziel von hofgruender.de ist, pro Jahr 1 000 Betriebe durch eine
erfolgreiche Nachfolgevermittlung zu erhalten.
Nur sechs bis acht Prozent der Höfe werden heute außerhalb
der Familie übergeben oder neu gegründet. Neben den Land-
preisen sind Produktionsmittel wie Gebäude und Maschinen
der größte Hemmschuh für junge Gründer. Das Dilemma der
Bio-Branche: Die Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln
steigt beständig – im Jahr 2013 um 7,2 Prozent. Im gleichen
Zeitraum wuchs die biologisch bewirtschaftete Fläche in
Deutschland aber nur um ein Prozent. Kein Wunder, dass
der Anteil importierter Bio-Lebensmittel aus aller Welt stetig
wächst. Vor allem Ost-Europa befindet sich derzeit in einem
wahren Bio-Boom – nicht beim Konsum von Bio-Lebensmit-
teln, sondern bei der Erzeugung der Rohstoffe. Zwar ist die
biologische Wirtschaftsweise allemal besser als die konventio-
nelle; doch das schnelle Wachstum im Osten oder in Schwel-
lenländern ruft Investoren auf den Plan, denen es vor allem
um Rendite geht – soziale und kulturelle Aspekte sind da
nebensächlich. Außerdem muss jeder Import energieauf-
wändig nach Deutschland transportiert werden.
Sinnvoller wäre es also, wenn mehr Landwirte im eigenen
Land biologisch wirtschaften würden – und gut davon leben
könnten. Doch 2013 haben Bio-Landwirte erstmals seit vielen
Jahren weniger erlöst als ihre Kollegen – im Schnitt um sechs
Prozent. „Unsere Kosten sind gestiegen, aber für unsere
Produkte können wir am Markt derzeit keine Preissteigerun-
gen durchsetzen“, so Bio-Landwirt Thomas Schmid. Und so
kehrten im Jahr 2013 rund 600 Bauern der Bio-Landwirtschaft
wieder den Rücken. Gleichzeitig macht die EU-Förderpolitik
umstellungswilligen Bauern den Öko-Landbau alles andere als
schmackhaft: Seit Jahren werden Fördermittel zurückgefah-
ren. Und die bestehenden Betriebe können kaum wachsen,
weil die Landpreise für Kauf und Pacht durch den subventio-
nierten Biogas-Mais stark gestiegen sind.
Auch die Hofgemeinschaft Heggelbach muss sich mit dieser
Situation auseinandersetzen. Die Gesellschafter arbeiten seit
langem daran, dass nicht mehr das Eigentum, sondern die
Nutzung die höchste Priorität hat. Die neueste Idee: eine
Selbsthilfeeinrichtung, die mit dem Geld von Bürgern genos-
senschaftlich Land kauft und dieses an Bio-Bauern verpachtet.
„Unsere Mission lautet: Jedem Bürger seine 2 000 Quadrat-
meter“, so Thomas Schmid. „Auf dieser Fläche kann man das
landwirtschaftlich erzeugen, was ein Einzelner zum Leben
braucht. Für 500 bis 10.000 Euro Einlage kann sich künftig
jeder an diesen Flächenkosten beteiligen.“ Die Genossen-
schaft Kulturland eG sammelt als Selbsthilfe-Initiative dieses
Geld ein und stellt es Bio-Bauern deutscher Anbauverbände
zur Verfügung, die ohne Hilfe in eine Schieflage kämen.
Denn der Kauf einer landwirtschaftlichen Fläche wird für
einen Bauern laut Thomas Schmid nie rentabel sein: „Ich kann
mit meinem Land nur 1,5 Prozent Rendite erwirtschaften.
Das reicht derzeit nicht einmal, um die Zinsen zu bedienen –
und schon gar nicht zur Tilgung des Kredites.“ Die Genossen-
schaftsanteile sind also eine Art zinsloses Darlehen, mit
der die Genossenschaft Land kaufen und an den Landwirt
langfristig zu fairen Konditionen verpachten kann. Wer
Genossenschaftsanteile erwirbt, kann seine Einlage nach
frühestens fünf Jahren wieder zurückbekommen. „Der Ertrag
für den Einzelnen besteht darin, dass er die Öko-Landwirt-
schaft fördert, indem die Betriebe Land nutzen und bewirt-
schaften können“, so Schmid.
Alnatura hilft! e.V.
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Der Spaten sticht zwanzig Zentimeter tief in den Boden. Am
Metall schaben kleine Steine. Bauer Hans Reichl bückt sich
und greift in die dunkelbraune Erde: „Regenwürmer, Käfer …
und da: ein Tausendfüßer! Alles Zeichen für einen fruchtba-
ren, gesunden Boden“, freut sich Reichl und lässt die Krume
durch seine Hände rieseln. „Die Tiere sorgen zusammen mit
Bakterien und anderen Mikroorganismen für ein stabiles
Krümelgefüge. Dadurch verschlämmt der Boden weniger, wird
also nach Starkregen nicht betonhart; er ist leichter zu bear-
beiten und kann Nährstoffe und Wasser besser halten.“ Doch
Böden wie auf dem Schafdorner Hof, einem Naturland-Betrieb
in Oberbayern, sind längst keine Selbstverständlichkeit mehr.
Denn der Großteil der Böden wird konventionell bewirtschaftet,
also unter Einsatz von Mineraldünger und chemischem Pflan-
zenschutz. Zudem sorgen Monokulturen und der personal-
sparende Einsatz schwerer Maschinen kurzfristig für Maximal-
erträge. Durch diese industrielle Landwirtschaft hat sich die
weltweite Agrarproduktion seit 1950 verdreifacht. Doch der
ökologische Preis dafür ist hoch: viermal so viele Pestizide auf
den Feldern, achtmal so viel Mineraldünger, dreimal so viel
bewässerte Flächen. 70 Prozent des weltweiten Süßwasserver-
brauchs fließen in die Landwirtschaft. Das alles geht auf Kosten
der Böden: nachlassende Fruchtbarkeit, zunehmende Erosion,
weniger Biodiversität und eine Zunahme der Bodenversalzung. >>
Geerdet sein, die Bodenhaftung nicht verlieren, verwurzelt leben – nicht umsonst geben Redensarten dem Boden eine so grundlegende Bedeutung. Boden gehört – neben Licht, Luft und Wasser – zu den Grundlagen unseres Lebens. Nur auf einem guten Boden kann etwas wachsen; ist er kaputt, stirbt jegliches Leben. Und deshalb macht es Sinn, auf dem Boden zu bleiben – auch wenn es um Erträge, Renditen und (wirtschaftliches) Wachstum geht.
AUF DEM BODEN BLEIBENOHNE GRUNDLAGE WÄCHST NICHTS
Autorin KATJA HELLMUTH
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BIO-BAUER HANS REICHL nimmt eine Boden-Probe.
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Für Hans Reichl sind dies auch Folgen einer verfehlten Agrar-
politik: „Ich erziele heute die Hälfte meines Einkommens
über staatliche Zuschüsse: Betriebsprämie, Flächenprämie,
Tierprämie, Milchprämie … All das sagt aber noch nichts
darüber aus, ob ich meinen Boden gut bewirtschafte.“ Die
Europäische Union handelt noch heute nach einer Vorgabe,
die bereits in den Römischen Verträgen von 1957 formuliert
wurde: Steigern der Produktivität durch technischen Fort-
schritt. Wachsen oder Weichen lautet die Devise für die Bauern
seit etlichen Jahrzehnten; sonst ist wirtschaftlich kaum ein
Überleben möglich. Dadurch ist in einem halben Jahrhundert
die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland von
zwei Millionen auf unter 290 000 geschrumpft. Der ökologische
Preis der industriellen Landwirtschaft: Artensterben, nitratbe-
lastetes Grundwasser, Bodenverlust und Klimagasemissionen.
Betroffen ist auch der Boden, der Krankheitssymptome wie
Erosion, Verdichtung, Humusverlust und biologische Verarmung
zeigt. Zu schaffen machen dem Boden vor allem die Mineral-
dünger. Sie bewirken zwar einen Nährstoffschub und putschen
das Bodenleben und die Pflanzen kurzfristig zu Höchstleistun-
gen auf; langfristig jedoch zerstören sie die Fruchtbarkeit des
Bodens.
Die Böden von Hans Reichl kommen ohne mineralischen Stick-
stoffdünger aus; dafür fährt er – je nach angebauter Frucht –
im Schnitt nur halb so viel Ernte ein wie seine konventionell
wirtschaftenden Nachbarn. Wichtiger als Maximalerträge sind
dem Bio-Landwirt langfristig stabile Ernten auf gesunden,
fruchtbaren Böden. „Beim letzten Starkregen haben meine
konventionellen Nachbarn einen Großteil ihres Getreides
verloren. Mein Bio-Getreide steht weniger dicht; es wächst
auf einem lebendigen Boden und bildet stärkere Halme aus.
Deshalb habe ich langfristig stabilere Erträge – egal ob es
starke Regen- oder Trockenperioden gibt“, erklärt Reichl.
Das Rückgrat eines fruchtbaren Bodens ist seine organische
Substanz, insbesondere der Humus: „Hier werden Nährstoffe
und Wasser für die Pflanzen gespeichert und leben unzählige
Mikroorganismen und Bodentiere wie Regenwürmer, Bakte-
rien und Pilze“, so Tobias Bandel, Geschäftsführer von Soil &
More, einem Beratungsunternehmen für Bodenfruchtbarkeit.
Diesen so wichtigen Lebens- und Nährraum bauen syntheti-
sche Dünger mit der Zeit ab. Organische Dünger hingegen
wirkten aufbauend, sagt Bandel. Denn indem der Bio-Land-
wirt Ernterückstände, Mist- oder Pflanzenkompost auf den
Boden gibt, aktiviert er komplexe biologische Prozesse.
Die Bodenbewohner nehmen den Dünger als Nahrung auf,
machen ihn für die Pflanzen indirekt als Nährstoffe verfügbar
oder wandeln ihn in Humus um. Mit Gründüngungen erreicht
der Bio-Bauer einen ähnlichen Effekt. Dabei werden Pflanzen
für den Humusaufbau zeitlich vor oder nach den eigentlichen
Hauptkulturen angepflanzt. Pflanzen der Familie der Legumi-
nosen, wie Klee und Wicken, binden Stickstoff aus der Luft
und machen ihn im Boden als Pflanzennährstoff verfügbar.
Gründüngung ist Teil einer vielseitigen Fruchtfolge, mit der
der Bio-Bauer zugleich Unkraut, Schädlingen und Krankheiten
vorbeugt.
Die Umweltbilanz fällt eindeutig positiv für den ökologischen
Landbau aus: Dort singen mehr Vögel, schwirren mehr
Insekten und blühen mehr Wildkräuter als auf konventionell
bewirtschafteten Flächen. Bio-Bauern verbrauchen weniger
Ressourcen und bis zu 60 Prozent weniger Energie. Vor allem
jedoch sind ihre Böden fruchtbarer und robuster gegenüber
Erosion und Witterungsextremen; zudem leisten sie einen
Beitrag zum Hochwasserschutz und speichern mehr Kohlen-
dioxid, eines der sogenannten Klimagase. „Unsere Böden
sind der Ausweg aus der Klimakatastrophe, weil sie jede
Menge CO2 binden können – das ist meine tiefste Über-
zeugung“, so Bio-Landwirt Hans Reichl.
Noch wird darüber diskutiert, ob eine ökologisch ausge-
richtete Landwirtschaft die Welt ernähren kann. Entwick-
lungsorganisationen sehen hier großen Intensivierungs- und
Optimierungsbedarf hinsichtlich klimatischer und regionaler
Bedingungen. Fest steht jedoch: Nur gesunde Böden werden
die Nahrungsmittelversorgung von neun Milliarden Menschen
in Zukunft decken können. Eine Landwirtschaft, die ihre Böden
erschöpft und immer mehr Regenwald für den Futtermittel-
bedarf in der Tiermast opfert, kann keine Lösung sein. „Die
dünne Schicht der Erdoberfläche, die wir Landwirte als Boden
bearbeiten, hat sich über Jahrmillionen aufgebaut“, sagt Hans
Reichl. „Wenn wir beim Boden etwas falsch machen, ist die
Grundlage unseres Lebens in kürzester Zeit kaputt.“
Leguminosen-Wurzel mit Bodenbakterien
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16Warum sind die meisten Bio-Pioniere und -Unter-nehmer Männer, Frau Beer?Männer sind in allen Bereichen der Wirtschaft häufiger Unter-
nehmer als Frauen – das ist in der Bio-Branche nicht anders
als in anderen Branchen. Frauen trauen sich meist weniger zu,
stufen ihre Fähigkeiten zu gering ein und stellen sich schneller
in Frage als Männer. Das ist von Nachteil, wenn es darum
geht, Führung zu übernehmen. Zudem machen wir Frauen
uns mehr Gedanken über die Folgen unserer Handlungen. Das
kann bremsen, aber ich sehe das eigentlich als Stärke, die sehr
gut in die nachhaltigen Branchen passt. Und die anthropo-
logischen Unterschiede spielen sicher auch eine Rolle. Allein
dadurch, dass Frauen in der Lage sind, Leben zu schenken und
damit zumindest in der ersten Zeit für das Kind lebenswichti-
ger sind als der Mann, wandert ein Teil der Lebensenergie von
Frauen in den Bereich Kinder und Familie.
Die Bio-Kunden sind überwiegend Frauen. Wäre es da nicht gut, wenn es auch mehr Frauen in Führungs-positionen gäbe?
Eine Bio-Unternehmensführung kann von einem Mann wie
von einer Frau ebenso gut gemacht werden, auch in der Werte-
welt, in der wir in der Bio-Branche leben. Wenn der Mann
bereit ist, sich auch dahingehend zu öffnen, dass quantitatives
Wachstum nicht alles ist. Das ist eine Sichtweise, die ich eher
dem Weiblichen zuordne. Zum Beispiel: Umsatz ist für mich
kein Ziel, sondern eher das Ergebnis einer inhaltlichen Arbeit.
Wir Frauen sehen Arbeitszufriedenheit, Lebens- und beruf-
lichen Erfolg eher gleichberechtigt.
Frauen machen also vieles anders als Männer. Wie ist das bei Ihnen persönlich? Ich führe das Unternehmen gemeinsam mit meinem Mann.
Ich stelle fest, dass die klassischen männlichen Ziele mehr
durch ihn repräsentiert werden, die weiblichen durch mich.
Was ich in der Mischung gut finde, weil wir so aus einem
größeren Talentpool schöpfen können.
Worauf gründet Ihr Erfolg als Bio-Unternehmerin? Ich halte die Herangehensweise, sich ein Thema aus Leiden-
schaft anzueignen, für einen hervorragenden Weg, nicht in
die gleichen Fußstapfen der schon bestehenden Industrie
zu treten. Wir haben Dinge neu gedacht und anders um-
gesetzt als es bis dahin üblich war. Bestes Beispiel ist das
Rezepturprinzip unserer Kosmetik: Wir verwenden anstelle
des üblichen Hauptbestandteils Wasser in unseren Cremes
und Emulsionen reine Pflanzensäfte. Damit erzielen wir eine
grundlegend intensivere Wirkung auf der Haut, die unsere
Kunden lieben. Wir haben gesättigte Märkte. Man sollte
dieser Welt nur noch etwas hinzufügen, wenn es wirklich
gut und außergewöhnlich ist.
Eigentlich war eine andere berufliche Laufbahn für Sie vorgesehen.Ich bin die älteste von drei Töchtern und war auserkoren, von
meinen Vater mal das Familienunternehmen (Anm. d. Red.:
Branche Elektrotechnik) zu übernehmen. Der Betrieb ging
während des Schreibens meiner Abschlussarbeit in Konkurs.
Das war eine starke Erfahrung für mich, und es war gut für
„FÜR UNS FRAUEN IST DIE SELBSTSTÄNDIGKEIT
GROSSARTIG“Zwar sind Bio-Kunden mehrheitlich Frauen, die Bio-Unternehmen führen
aber vor allem Männer. Ergibt das Sinn? Ein Gespräch mit Sabine Beer, Gründerin und Geschäftsführerin von Santaverde.
WIE FRAUEN UND MÄNNER DIE BIO-BRANCHE BEWEGEN
Interview SYLVIA RAABE
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ZIA
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Santaverde mit Hauptsitz in Hamburg ist ein wichtiger Alnatura Partner für Kosmetik. Neben Aloe-vera-Produkten von Pflanzen aus eigenem Anbau in Spanien produziert Santaverde mit seinen 40 Mitarbeitern auch Naturpflege aus der Cashewfrucht, die das Unternehmen in Brasilien kultiviert. Angefangen hat alles vor 28 Jahren, als die studierte Ökonomin Sabine Beer mit ihrem Mann eine Finca im Andalusien kaufte. Die heute 59-Jährige litt damals unter Hautproblemen und erhielt von ihrem Nachbarn zur Linde-rung ein Aloe-vera-Blatt. Überzeugt von der Wirkung der Pflanze und mit dem Bestreben, ökologische Verantwortung im Wirt-schaftsleben zu übernehmen, baute Beer 1986 die ersten Aloe- vera-Pflanzen zur Herstellung eigener Naturkosmetik an – und gründete die Santaverde Gesellschaft für Naturprodukte mbH. Die Eheleute Beer sind gleichberechtigte Geschäftsführer: Sie kümmert sich außerdem um die Produktentwicklung und Öffent-lichkeitsarbeit, er betreut die firmeneigenen Anbaugebiete in Spanien und Brasilien. Ein Großteil des Santaverde-Teams sind Frauen, mehr als die Hälfte Mütter.
meine Entwicklung. Ich war zu einem Perspektivenwechsel
gezwungen. Ich habe gelernt, wieder aufzustehen. Mit
Niederlagen umzugehen und sich davon nicht mutlos
machen zu lassen – das ist auch etwas sehr Weibliches.
Wenn Kinder kommen, ist für viele Frauen Schluss mit dem beruflichen Aufstieg. Muss das so sein?Das muss überhaupt nicht so sein, aber die Strukturen unserer
Wirtschaft sind auf Männer und ständige Verfügbarkeit abge-
stimmt. Die Modelle, in denen sich Frauen einen Führungsjob
teilen, sind noch sehr ungewöhnlich. Dennoch ist das genau-
so möglich, wie ich mit meinem Mann die Führungsaufgaben
teile.
Für DAX-Unternehmen wird eine Frauenquote diskutiert. Halten Sie das für sinnvoll?Ich bin klar gegen eine Quotenregelung. Man sollte nicht
wegen seines Geschlechts, sondern wegen seiner Qualifikation
dort sein, wo man ist.
Was empfehlen Sie jungen Frauen, die am Anfang ihres Berufsweges stehen?Gerade für uns Frauen ist die Selbstständigkeit eine großartige
Form zu leben und Geld zu verdienen. Sie ist perfekt, um
Lebensverwirklichung nicht in die Rentenzeit zu verlegen und
sich Themen zu widmen, die einem persönlich liegen. Aber
ob selbstständig oder als Mitarbeiterin, die wichtigste Voraus-
setzung ist: wissen, was einem liegt und was mich auch dann
hält, wenn es schwierig wird. Und: für etwas zu arbeiten, das
größer ist als das eigene Leben, wie die Unverletztheit der
Natur und mehr soziale Gerechtigkeit. Das motiviert zutiefst
und macht einfach glücklich.
SABINE BEER Gründerin und Geschäftsführerin Santaverde
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BERTA SCHARRT
Berta ist gerade umgezogen. Das braune Huhn pickt fröhlich
im frischen Gras. Berta muss alle zwei bis drei Wochen
umziehen – besser gesagt: darf! Das Bio-Huhn lebt nämlich
in einem Hühnermobil im Ökodorf Brodowin nahe Berlin.
Und wenn Berta und ihre 450 Artgenossinnen die Wiese vor
dem Stall auf Rädern durchgescharrt haben, zieht die ganze
Hühnerschar samt Behausung einige Meter weiter ins frische
Grün. Heute hatte Berta noch keine Lust, ein Ei zu legen. Muss
sie auch nicht – im Gegensatz zu Hochleistungshühnern, die
es locker auf 310 Eier im Jahr bringen.
Vor 200 Jahren legten Hühner höchstens 50 Eier pro Jahr.
Doch die auf Effizienz ausgerichteten Geflügelzüchterfirmen
haben die Tiere durch Züchtung „optimiert“: Heute gibt es
fast nur noch Rassen, die entweder viele Eier legen oder viel
Fleisch ansetzen. Das Problem: Hähne legen bekanntlich keine
Eier – und da die männlichen Tiere bei den Legerassen zu
wenig Fleisch ansetzen, sind sie wirtschaftlich uninteressant.
Deshalb werden sie als Eintagsküken gleich nach dem
Schlüpfen getötet.
Das gilt auch für die Bio-Branche. Obwohl alle Bio-Akteure
diese Praxis ablehnen, müssen sie diese Entwicklung (fast
immer) akzeptieren. Der Grund: Es fehlen die geeigneten
Rassen, denn nahezu alle Küken kommen von drei großen
Zuchtbetrieben. Und diese arbeiten primär für den konventio-
nellen Markt. Die Hochleistungstiere aus den Zuchtbetrieben
sind mit der eigentlich artgerechten Haltung im Freien oft
überfordert: Sie fürchten sich vor Wind und Wetter, vor grel-
lem Licht und vor ungewohnten Geräuschen. Die ökologische
Landwirtschaft, in der artgerechte Tierhaltung eine wesent-
liche Maßgabe ist, arbeitet deshalb an eigenen Lösungen,
zum Beispiel durch die Züchtung neuer, für die Bio-Haltung
geeigneter Rassen. Doch bis eine neue Rasse gezüchtet wird,
vergehen meist etliche Jahre. Und ob diese Züchtungen dann
die gewünschten Anforderungen erfüllen und vom Markt
angenommen werden, stellt sich auch erst lange nach Beginn
der Arbeit heraus.
Grund genug für Alnatura und das Ökodorf Brodowin, einem
der größten biodynamischen Betriebe Europas, auch nach
kurzfristigen wirksamen Alternativen zu suchen. Auf dem
idyllisch gelegenen Anwesen werden seit 2014 sogenannte
Zweinutzungshühner gehalten. Die Hennen legen genügend
Eier und die Hähne setzen ausreichend Fleisch an.
Allerdings ist der Ertrag bei diesem Alleskönner-Huhn im Ver-
gleich zu den üblichen Hochleistungsrassen geringer. „Wir
wissen noch nicht ganz genau, wie viel Fleisch unsere Hähn-
chen bringen oder wie viele Eier die neue Rasse tatsächlich
legt“, sagt Peter Krentz, einer der beiden Geschäftsführer vom
Ökodorf Brodowin. Rein rechnerisch müssen die Eier von Berta
und ihren Schwestern drei Cent mehr pro Stück kosten, um
ihre Brüder mit zu ernähren, die nicht mehr direkt nach dem
Schlüpfen getötet werden, sondern als Masthähnchen groß
gezogen werden. Im Laden sind das dann rund 50 Cent pro Ei
– damit kosten sie doppelt so viel wie Bio-Eier beim Discounter.
Hähnchen von Zweinutzungsrassen setzen gut 30 Prozent
weniger Fleisch an als die Turborassen. Deshalb dauert die
Mehr Tierwohl geht nur mit mehr Aufwand – und der kostet. Vieles ist dank der Bio-Landwirtschaft schon auf einem guten Weg – einiges lässt sich auch in der Bio-Branche noch verbessern. Wir waren auf Sinnsuche in Hühner- und anderen Ställen.
NEUE WEGE FÜR MEHR TIERWOHL
Autorin STEFANIE GRAUER
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Aufzucht länger. Ein Zweinutzungshuhn frisst auf seine
Lebenszeit gerechnet fast doppelt so viel wie ein herkömm-
liches Huhn – und das kostet. Auch diesen Aufschlag müssen
wir Verbraucher bereit sein zu zahlen, wollen wir das Töten
der Küken künftig verhindern. „Uns geht es im Moment
nicht ums Geldverdienen, sondern um einen Neuanfang in
der Hühnerhaltung“, so Brodowin-Geschäftsführer Krentz.
Ein Neuanfang, wie er auch in anderen Bereichen der Tier-
haltung nötig wäre. Denn Bio-Landwirte müssen auch bei
der Putenmast und in der Milchviehhaltung meistens auf
Rassen zurückgreifen, die eigentlich für die intensiv betriebene
konventionelle Landwirtschaft gedacht und deshalb über-
züchtet sind. Deshalb setzt sich die Zukunftsstiftung Landwirt-
schaft mit Unterstützung von Alnatura für eine ökologische
Tierzucht ein.
Im Ökodorf Brodowin dürfen sich Bertas Brüder auf 21
Wochen sattes Grün freuen – knapp drei Monate länger als
ihre Verwandten in konventionellen Mastbetrieben. Diese
leben nur 31 Tage und nehmen jeden Tag zehn Prozent ihres
Körpergewichtes zu. Berta und ihre Brüder haben hingegen
Zeit. Die Gackerliesen wachsen vier Wochen schonend zur
Legehenne heran bis sie Eier legen, die groß und stabil genug
für den Handel sind. Ein Viererkarton mit dem Alnatura Origin
Ei aus Brodowin ist dann für 1,99 Euro in den Berliner Alnatura
Filialen erhältlich. Von der Nachfrage der Verbraucher wird es
abhängen, ob das Pilotprojekt auf andere Standorte erweitert
werden kann. Dann könnten viele weitere Hühner, so wie
Berta, auf rollenden Ställen immer wieder zu frischem Grün
gezogen werden.
WEITERE INFOS ZUR ÖKOLOGISCHEN TIERZUCHT: www.tierzuchtfonds.de
NOCH SIND ZWEINUTZUNGSHÜHNER DIE AUSNAHME. BIS ES DAVON MEHR GIBT, VERFOLGT ALNATURA FÜR ALLE ANDEREN BIO-EIERHÖFE EIN EIGENS ENTWICKELTES PROGRAMM FÜR MEHR TIERWOHL IN HÜHNERSTÄLLEN. ERARBEITET WURDE DIESER ANSATZ GEMEINSAM MIT DER HÜHNEREXPERTIN DR. CHRISTIANE KEPPLER. SIE UND IHR TEAM ÜBERPRÜFEN AUF DEN ALNATURA PARTNERHÖFEN DAS WOHL DER LEGEHENNEN.
Was genau machen Sie als „Hühnerflüsterin“? Vor allem schaue ich darauf, ob es dem Huhn gut geht. Hierfür
haben wir klare Kriterien. 1. Ist das Tier gestresst oder schreck-
haft, stillt es Hunger und Durst? 2. Verhält es sich wie es seiner
Natur entspricht? 3. Wie ist der Tierzustand? Für eine Übersichts-
beurteilung nehmen wir je Herde bis zu 25 Tiere in die Hand und
untersuchen sie auf mögliche Verletzungen und andere Beein-
trächtigungen. Stellen wir Abweichungen fest, muss der Bauer
nachbessern. Wir besprechen mit dem Bauern, durch welche Maß-
nahmen wieder ein guter Zustand der Tiere erreicht werden kann.
Und wie lassen sich Schwachstellen optimieren?Das kommt auf den Einzelfall an. Man kann versuchen, die Fütte-
rung zu ändern und für eine optimale Aufzucht der Junghennen
sorgen, zum Beispiel den Übergang von der Aufzucht in die
Legeperiode der Hennen besser gestalten oder den Tieren mehr
Platz und vor allem Beschäftigung geben. Federpicken beispiels-
weise ist eine Verhaltensstörung, die zeigt, dass das Huhn nicht
genügend Beschäftigungsanreize erhält.
Was wünscht sich denn ein glückliches Huhn?(Lacht.) Hühner bewegen sich zwei Drittel des Tages draußen und
suchen Futter – wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Wir haben
herausgefunden, dass Hühner bis zu fünfzehntausend Mal am Tag
picken, und dieses Futtersuch- und Fressverhalten muss „abgear-
beitet“ werden, sonst kommt es zu Federpicken in der Hühnerherde.
Ganz wichtig sind Sandbäder zur Gefiederpflege. Und Hühner
brauchen Sitzstangen zum ungestörten Putzen, Ruhen und
Schlafen sowie geschützte Bereiche zur Eiablage.
Die Hühner- flüsterin
DR. CHRISTIANE KEPPLER Biologin Universität Kassel
www.alnatura.de/eier
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BIOGRAFIE: 1984
Wir waren die typische bürgerliche Durchschnittsfamilie:
Vater, Mutter, drei Kinder. Ich bin der Jüngste. Bis Sommer
1984 besuchte ich die 10. Klasse des Gymnasiums. Mein
Leben bestand aus wöchentlich 40 x 45 Minuten Unterricht:
zweimal in der Woche auch nachmittags, alle zwei Wochen
gab es sogar am Samstag zwei Doppelstunden. Schule, Haus-
aufgaben, Sportvereine – der Rest der Freizeit ging für die
Schülerzeitung drauf und die Arbeit bei der „echten“ Zeitung.
SO LEBTEN WIREinen Computer hatten wir damals noch nicht, das erste „trag-
bare“, fünf Kilogramm schwere Mobiltelefon namens „Porty“,
war eben erst auf den Markt gekommen und kostete rund
7.000 Mark, die monatliche Grundgebühr 300 Mark. Unser
Fernsehprogramm bestand 1984, dem Gründungsjahr von
RTL, aus drei Programmen: ARD, ZDF und „das Dritte“ – in
unserem Falle vom Südwestfunk Baden-Baden. Als wir unse-
ren ersten Fernseher bekamen, war ich schon acht. Wichtiger
waren ohnehin Freunde: Wenn ich die treffen wollte ging ich
einfach bei ihnen vorbei. Entweder hatten Jürgen, Andreas
oder Stefan Lust, mit mir Zeit zu verbringen – oder eben nicht.
Die Telefongebühren waren damals noch so horrend, dass
unser Papa mit Argusaugen über die Telefonnutzung wachte.
Bei uns zu Hause typisch: Auto, Kleidung, Möbel oder Technik
durften durchaus etwas kosten; an Verbrauchsgütern für den
täglichen Bedarf wie das tägliche Essen oder an allem, was
kurzzeitigen Genuss versprach, wurde gespart.
DIE JUGEND: AB IN DIE MIKROWELLE! Convenience – das Wort kannte ich 1984 noch nicht. Meine
Mutter auch nicht – aber sie kannte die Telefonnummer vom
Eismann. Die über die Dörfer fahrenden Tiefkühllaster mit Fer-
tiggerichten, Tiefkühlgemüsen und Eis an Bord fand sie toll.
Wenn ich mittags von der Schule nach Hause kam, konnte sie
flugs das Rahmgulasch mit Fertigspätzle und Gemüsebeilage
in die Mikrowelle schieben. Geschmack? War reichlich drin,
dank der Zusatzstoffe und zig Emulgatoren, von denen heute
sicher einige verboten sind. Sinnvoll für die Ernährung? Eher
weniger. Aber praktisch, aus Muttersicht. Ich hätte mir ja auch
selber was kochen können …
DIE KINDHEIT: SAMSTAG WAR SPAGHETTI-TAG Zehn Jahre zuvor war unser Speisezettel überschaubar: 1974,
zur Zeit der Fußball-WM in Deutschland, gab es bei uns min-
destens einmal in der Woche Spaghetti. Pasta sagte damals
kein Mensch – außer die Italiener. Die Nudeln servierte meine
Mutter meistens am Samstag: mit einer pampigen roten Soße
aus Tomatenmark und einer Mehlschwitze. Dazu gab es geho-
belte weiße Späne aus der Tüte mit der Aufschrift Parmesan
– ich liebte das! Wie frisch aus einem Käselaib geschnittener
Parmesan schmeckt, erfuhr ich erst, als ich schon 30 war. Dafür
lernte ich Anfang der 1980er-Jahre bereits mit Wasser angerührte
Spagetti-Fertigsoßen aus der Tüte kennen – die verweigerte
sogar ich. Unser sonstiger Speiseplan: Unter der Woche gab es
Würstchen, Aufläufe und alles, was sich günstig einkaufen >>
1984 – IM GRÜNDUNGSJAHR VON ALNATURA – feierte unser Autor seinen 17. Geburtstag. Der Begriff „Bio“ war in seinem Heimatdorf im Schwarzwald zwar schon angekommen, galt aber eher als Schimpfwort für schrumpeliges Obst und Gemüse. Im Trend waren dagegen Mikrowelle und Convenience-Gerichte. Internet und E-Mail waren noch nicht erfunden, Computer für den Hausgebrauch kosteten ein Vermögen. Aber immerhin gab es elektrische Schreibmaschinen, auf denen unser Autor damals seine ersten Artikel für die Zeitung tippte. Eine Erinnerung an Dosen- Ravioli, Eichenholzfurnier und den langen Weg zu einer halbwegs nachhaltigen Lebensweise.
„BEQUEMES ESSEN BRACHTE DER EISMANN!“
Autor HOLGER MEERWARTH
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ließ und satt machte. Der Freitag war für Fischstäbchen oder
Süßspeisen reserviert. Und Sonntag war der einzige Fleischtag
der Woche: Gulasch, Braten, Hähnchen – all das galt als Sonn-
tagsbraten. Jeden Tag Fleisch? Undenkbar, vor allem unbe-
zahlbar. Wenn meine Eltern mal unterwegs waren, „kochte“
ich auch für mich alleine: Ravioli-Dose mit dem Büchsenöffner
aufstemmen, rein in den Topf, drei Minuten warmmachen.
Runterschlingen. Einmal schaffte ich es sogar, diese Dosen-
Ravioli anbrennen zu lassen …
ARBEITS- UND LEBENSRÄUMEUnser Wohnzimmer: Schrankwand Eiche rustikal, dazu eine
unbequeme Polstergarnitur in Weinrot, ein 4:3 Fernseher
mit Nussbaumfurnier. Im Esszimmer ein grünes Telefon mit
Wählscheibe, dasselbe gab‘s nochmal im Büro. Dort stand
auch ein Fax. Das war schon eine technische Revolution, weil
man damit nicht nur Dokumente übermitteln, sondern auch
kopieren konnte; allerdings verblasste die Kopie auf Thermo-
papier innerhalb weniger Monate, sodass man nichts mehr
lesen konnte. Computer? Gab es damals nur in großen Fir-
men; mein Vater (ein selbstständiger Handelsvertreter) fluchte
darüber, weil nach seiner Meinung die Computer alles nur
komplizierter und fehleranfälliger machten. Bei uns im Büro
stand dagegen noch eine Kugelkopfschreibmaschine; das war
schon revolutionär für damalige Verhältnisse, denn sie hatte
ein Korrekturband, mit dem man Tippfehler schnell ausbes-
sern konnte. Für mich genial, denn ich schrieb damals meine
ersten Zeitungsartikel als freier Journalist.
VON MÄRKTEN UND GÄRTENObwohl wir immer einen Garten mit eigenem Gemüse hatten,
ging ich mit meinen Eltern in den 1970er-Jahren noch regel-
mäßig auf den Wochenmarkt in der zehn Kilometer ent-
fernten Kreisstadt. In der 80er-Jahren schossen dann überall
Supermärkte wie Pilze aus dem Boden: einkaufen von 9 bis 18
Uhr – wozu da noch auf Wochenmarkt-Tage Rücksicht nehmen.
Im Supermarkt gab es ja alles – und noch mehr: Kiwi, Ananas,
Honig-Melonen – das führten die Marktbauern in der Provinz
damals nicht. Dafür aber Kresse. Nicht diese kleinen Schälchen
für die Salatdeko, die es heute überall gibt, sondern Kresse
eimerweise. Bei uns gab es das als Salat in einer riesigen
Schüssel – als Abwechslung zu Kopfsalat, Feldsalat und
Endiviensalat. Nach dieser Kresse in solchen Mengen halte ich
heute noch vergeblich Ausschau. Finde ich aber nirgends –
stattdessen Batavia, Salatherzen, Lolorosso, Eichblattsalat …
Die Essens-Vielfalt von heute gab es bei uns damals nicht. Da-
für verbreitete sich das Wörtchen „Bio“. Wir im Dorf sagten
eher: ungespritzt! Das kannte ich schon vom Bauernhof; dort
half ich gerne beim Tierefüttern und der Heuernte. „Unser“
Bauer aß nur die Äpfel von seinen Bäumen rund ums Bau-
ernhaus. Die waren ungespritzt, die durften auch wir Kinder
essen. Von den Äpfeln seiner Plantagen vor dem Dorf verjagte
uns der Bauer dagegen regelmäßig – die gingen in den Ver-
kauf der Genossenschaft und waren eben: gespritzt.
WIE BIO IN DIE GRAFIE KAMMeine Mutter kaufte gelegentlich im Reformhaus ein: irgend-
welche Körnersachen und sündhaft teure Kosmetikartikel.
Das Schrumpel-Obst-und -Gemüse dort ließ sie liegen. Zu
meiner Kindheit hatten übrigens fast alle Äpfel sogenannten
„Schorf“: eine Art dünner Grind wie ein Leberfleck an der
Schale. Heute sehe ich diesen Apfelschorf kaum noch. Bei
„gespritzten“ konventionellen Äpfeln leuchtet mir das ein; bei
Bio-Äpfeln wunderte es mich. Bis ich bei meinem ersten Messe-
Besuch der Biofach in Nürnberg von einem Bauern erfuhr,
warum selbst Bio-Obst heute makellos aussieht: Kupfer und
Schwefel. Gut für die Optik und Haltbarkeit von Obst, weniger
gut für die Böden. Dass Bio-Landwirtschaft dennoch Sinn
macht, steht für mich außer Frage. Auch weil ich weiß, wie
viele Bio-Landwirte und Forscher fleißig weiter nach Lösungen
suchen, um den Umgang mit Tier, Pflanze und Boden jeden
Tag ein bisschen nachhaltiger zu gestalten. Aber vielleicht
müssten langsam mal wir Verbraucher etwas von unserem
Anspruch auf „bequemen Essen“ zurücknehmen … – oder?
„Convenience – das Wort kannte ich 1984 noch nicht. Meine Mutter auch nicht – aber sie kannte die Telefonnummer vomEismann.“
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Alnatura Gründer Götz Rehn setzte von Anfang an auf Bio – ein echter Pionier im Jahr 1984.
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ALNATURA UND ICH1984 legte Götz Rehn den Grundstein für Alnatura, zwei Jahre später standen die ersten Alnatura Produkte bei den Handelspartnern in den Verkaufsregalen. 1987 eröffnete die erste Alnatura Filiale in Mannheim. Heute, 30 Jahre später, gibt es 89 Alnatura Super Natur Märkte in 41 deutschen Städten und drei Alnatura Bio-Märkte in der Schweiz. Über 2 200 Mitarbeiter setzen tagtäglich ihre Zeit, Arbeitskraft, Ideen und ihr Engagement für die Arbeitsgemeinschaft ein.
Kunst als „Lernraum zur Selbstver-antwortung“: Das erproben unsere Lernenden
seit Jahren im Theaterworkshop „Abenteuer Kultur“. 2012 haben wir mit unseren Bonner Lehrlingen zum ersten
Mal Kunst in der Filiale gemacht: Bei „FilialART“ geht es darum, das Alltägliche mit anderen Augen zu betrachten. Wir haben
Alnatura Produkte plastiziert und nachmodelliert – und in der Filiale ausgestellt. Durch Pantomime im Schaufenster haben wir Kunden in die Aktion einbezogen. In diesem Jahr gibt es „FilialART“ zum
zweiten Mal – für Mitarbeiter quer durch alle Positionen.
Die Eröffnung der ersten Heidelberger Filiale stand bevor. Um darauf aufmerksam zu machen, lief ich durch die Stadt und
verteilte Zettel – als Möhre verkleidet. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen,
wie viele Japaner sich mit mir haben fotografieren lassen. Und das war nicht
mein einziges mulmiges Gefühl: Am Vorabend hatte ich einen sympathischen Typen kennen gelernt und war in Sorge,
dass wir uns beim „Stadtbummel“ wiedertreffen würden. Ich weiß gar nicht, ob er mich erkannt
hätte … Ist auf alle Fälle nicht passiert. Heute sind wir verheiratet und haben
drei Kinder.
BEOBACHTUNGEN, ERINNERUNGEN, BLICKE IN DIE ZUKUNFT: ACHT ALNATURA MITARBEITER UND IHRE GEDANKEN ZUM JUBILÄUM
NATASCHA BÖCKERPÄDAGOGIN UND BILDENDE KÜNSTLERIN, SEIT 2008 AUSBILDUNGSBERATERIN BEI ALNATURA.
ANJA WALDMANNSEIT 1998 BEI ALNATURA, SCHULT UNSERE FILIALMITARBEITER IN SACHEN ERNÄHRUNG UND SCHREIBT TEXTE FÜR DIE ALNATURA MEDIEN.
Protokoll KRISTINA RUDY
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Ich finde es faszinierend,
wie sich das Alnatura Kon-zept am Markt durchsetzt, und dass
wir immer neue Bio-Kunden dazugewinnen. Ich glaube, wir sind der Zeit oft einen Schritt voraus. Wie wir heute wach-sen, das wäre in den 70er- und 80er-Jahren nicht möglich
gewesen. Alleine 26 Neueröffnungen habe ich neben meiner Tätigkeit als Filialleiter begleitet. Teilweise war ich bis zu zehn Wochen vor Ort. Ich habe viele neue Menschen
und Aufgaben kennen gelernt und Freundschaften geschlossen, die bis heute gehalten haben.
Vor genau zehn Jahren begann mein Weg mit und bei Alnatura – pünktlich zum
20. Geburtstag. Damals war ich in Darmstadt Minijobber, um mein Studium als Grundschullehrerin zu finanzieren. Heute bin ich
schon seit achteinhalb Jahren Filialleiterin in Hamburg. 2004 gab es gerade mal 17 Filialen in Deutschland, 2014
gibt es schon 89, und sogar Alnatura Bio-Märkte in der Schweiz. Wer weiß, vielleicht mach‘ ich ja in zehn Jahren
den ersten Super Natur Markt in London auf ;-)!
Mutter Theresa sagte: “I alone cannot change the world. But I can cast a stone
across the waters to create many rippels.” In diesem Sinne schlagen der Stein, den Götz Rehn vor 30 Jahren
mit seiner Idee, Alnatura zu gründen, ins Wasser geworfen hat und die vielen Steine, die ihm folgten, erfolgreich
kräftig Wellen. Und auf einer Welle sitzt rudernd die kleine Birgit Hartnagel. Vielleicht ist dieser Erkenntnismoment
mein Alnatura Moment?
Anfang 2011 hatten wir die Vision, ein Hochregal-lager komplett aus Holz bauen zu lassen. Von diesem Gedanken, den in
dieser Dimension kein Unternehmen vor uns weiterverfolgt hatte, wollten wir Götz Rehn be-
geistern. Nach vielen kreativen Stunden in unserem Logistik-Team saß ich mit einer perfekt ausgearbeiteten Prä-
sentation am Schreibtisch unseres Unternehmensgründers. Noch bevor mein Laptop richtig hochgefahren war, verabschiedete
mich ein begeisterter Herr Rehn. Im Juli 2013 feierten wir das Richtfest für das weltweit größte Hochregallager
aus Holz, im Mai dieses Jahres haben wir es eröffnet.
Die Eröffnung des ersten Schweizer Alnatura Bio-Markts, den wir gemeinsam mit der Migros 2012 in
Zürich-Höngg eröffnet haben, ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Es war spannend zu beobachten, wie neugierig die
Schweizer Kunden auf Alnatura waren – und ich habe sogar einige Freiburger Kunden wiedergetroffen, die extra zur
Neueröffnung in die Schweiz gefahren waren.
Regelmäßig bieten wir für die Filial-Mitarbeiter unserer Handelspartner Seminare an. Wir bereiten
Gerichte zu, besuchen einen Bauernhof und erfahren so den (Mehr-)Wert von Naturkost aus
biologischem Landbau. Nach einem Seminar kam eine Teilnehmerin auf mich zu, nahm mich in den Arm und sagte: „Sie haben mich aus einem Dornröschenschlaf geweckt.“ Darüber habe ich mich sehr gefreut und in meiner Arbeit
bestätigt gesehen.
NICOLE HERMANNIST FILIALLEITERIN IN HAMBURG-OTTENSEN.
BIRGIT HARTNAGELSEIT 2007 BEI ALNATURA, LEITET DAS TEAM „ALLGEMEINER SERVICE“.
BARBARA UNGERERBEGANN 1989 ALS PRODUKT-MANAGERIN BEI ALNATURA.
WULF BAUERIST SEIT 2013 GESCHÄFTSFÜHRER NEBEN GÖTZ REHN. ZUVOR LEITETE ER DEN BEREICH LOGISTIK.
VALENTIN FUCHSBEGANN 2006 SEINE AUSBILDUNG BEI ALNATURA IN FREIBURG. HEUTE IST ER GEBIETS-VERANTWORTLICHER FÜR DIE FILIALEN IN BREMEN, GÖTTINGEN UND HANNOVER.
DIETER WEISSSEIT 2004 BEI ALNATURA, LEITET DIE FILIALE IN DER KARLSRUHER KÄPPELESTRASSE.
Protokoll KRISTINA RUDY
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Bayern wir kommen. Wir, das sind mein Vater, meine Mutter,
mein um fünf Jahre älterer Bruder und ich. Das war vor vier
Jahren. Wir zogen also von Dresden nach Regensburg und
damit in ein neues Leben. In Dresden besuchte ich die Sport-
grundschule, dann das Gymnasium, machte Eiskunstlauf als
Leistungssport und spielte gerne Volleyball. Durch den vielen
Sport war Ernährung für mich schon immer ein Thema. Viel
Obst und Gemüse, kein Fast Food. Für den Hunger zwischen-
durch hatte ich eine Banane in meiner Tasche. Das war in
Sachsen allerdings keine Bio-Banane, obwohl wir Bio-Produkte
eingekauft haben – so gut es eben ging in Dresden in unse-
rem kleinen Bio-Laden mit kleiner Auswahl. Bio wo immer es
möglich ist, war die Devise in unserer Familie – wahrscheinlich
auch, weil sich mein Vater als Ernährungsberater besonders
stark dafür gemacht hat. So richtig geht das aber erst, seit
wir in Regensburg leben – dort haben wir dank Alnatura eine
riesige Auswahl.
In der 10. Klasse hatte ich keine Lust mehr auf Schule. Ich
wollte eine Ausbildung machen, schrieb an Alnatura, hatte ein
Vorstellungsgespräch und konnte im April 2013 zu arbeiten
beginnen, auf 400 Euro Basis. Das war schon aufregend, aber
ich wusste genau, dass es das ist, was ich wirklich möchte.
Ich habe mich deshalb auch nur bei Alnatura beworben. Eine
andere Stelle kam für mich gar nicht in Frage. Im September
2013 startete meine Ausbildung, die bis 2016 geht. Und
dann, nach meinem Abschluss, wäre es super, wenn ich bei
Alnatura bleiben könnte, mich weiterbilden kann und >>
BIOGRAFIE: 2014Als 1984 Alnatura gegründet wurde, war Gloria Natalie Hillig noch gar nicht geboren. Heute ist die 19-Jährige im ersten Jahr ihrer Ausbildung im Alnatura Super Natur Markt in Regensburg. Geboren und aufgewachsen in Dresden, zog sie vor fünf Jahren mit ihrer Familie – Vater, Mutter, Bruder – nach Bayern. Sie ist Flexitarierin, boykottiert die typischen Fast-Food-Ketten, liebt Sport und hat einen klaren Lebensplan. Hier erzählt sie, warum ihre Entscheidung für die Bio-Branche nicht einfach eine Job-Entscheidung war.
„MEINE ALNATURA LEHRE IST FÜR MICH MEHR ALS EINE ARBEIT.“
Protokoll ANDREA KNURA
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Protokoll ANDREA KNURA
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irgendwann mal, noch bevor ich 30 bin, wünsche ich mir
meine eigene Familie. Zurzeit wohne ich ja noch zu Hause
bei den Eltern und Mama kocht. Wir sind Flexitarier: Auf
unserem Speiseplan steht immer viel mit Gemüse, aber auch
mal Fleisch, das wir dann direkt beim Bauern kaufen. Mein
Lieblingsgericht? Lasagne oder was mit Hirse!
Bei unseren Kunden im Alnatura Super Natur Markt fällt mir
immer wieder auf, dass für sie die Herkunft der Lebensmittel
wichtig ist. Oft werde ich gefragt, wo denn zum Beispiel die
Hirse oder Frischeprodukte wie Milch, Käse, Wurst und Gemü-
se herkommen. Ich kann das gut verstehen und gebe gerne
Auskunft. Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind auch ein
spannendes Thema. Da muss man sich schon gut auskennen,
um richtig beraten zu können. Ich interessiere mich für die
Produkte, und deshalb kenne ich mich aus und berate gerne.
Auch wenn ich erst im ersten Lehrjahr bin, kann ich das schon
ziemlich gut. In Workshops lernen wir nämlich auch, wie man
offen auf die Kunden zugeht.
Toll an der Bio-Branche ist, dass es nicht nur um die Produkte
und den Verkauf geht, sondern auch um die Menschen, also
um die Produzenten und die Konsumenten. Und dann wird
auch darauf geachtet, dass es den Tieren gut geht. „Bio kann
man sich ja nicht leisten“, dieses Argument bekomme ich im-
mer wieder mal zu hören. Das stimmt aber gar nicht. Speziell
bei Alnatura gibt es ein Preis-Einstiegssortiment in fast allen
Warengruppen. Wenn man ein bisschen schaut und darauf
achtet, was man einkauft, ist Bio nicht teurer als die konventi-
onellen Produkte.
Mit meinen Freunden diskutieren wir viel darüber, welche
Auswirkungen die Verwendung von Hybridsaatgut in der kon-
ventionellen Landwirtschaft für die Bauern hat. Und darüber,
dass es im Bio-Landbau anders ist und es da auch ganz tolle
Projekte gibt wie zum Beispiel die Sekem-Farm in Ägypten, für
die sich Alnatura besonders engagiert. Das ist übrigens auch
mein Lieblingsprojekt, und irgendwann muss ich da mal hin.
Seit ich mehr drüber weiß, achte ich beim Kauf meiner Klei-
dung auf das Öko-Zeichen, was mir oft aber nur bei meinen
T-Shirts gelingt.
Meine Freundin Constanze ist Alnatura Azubine in Viernheim
und genauso begeistert wie ich. Stundenlange Telefonate
über die Herausforderungen der Bio-Branche oder über
Artikel, die wir im Internet gefunden haben, sind bei uns
keine Seltenheit. Kennengelernt haben wir uns im zu unserer
Ausbildung gehörenden Theater-Workshop „Abenteuer
Kultur“. Bei Alnatura habe ich nicht nur eine Aufgabe, eine
Herausforderung und eine Arbeit gefunden, sondern auch
neue Freunde.
Die Sekem-Farm ist ein biologisch-dynamischer Landwirtschafts-
Betrieb in Ägypten. Auf 2 000 Hektar werden dort Futterpflanzen,
Gemüse, Getreide, Obst, Gewürze, Heilpflanzen und Baumwolle
angebaut. Gegründet hat die Sekem-Initiative der Chemiker Dr. Ibrahim
Abouleish. Er erwarb 1977 Land in der Wüste nördlich von Kairo, um
dort einen Raum für die nachhaltige, soziale und kulturelle Entwick-
lung der ägyptischen Bevölkerung zu schaffen. Nach erfolgreichen
biologisch-dynamischen Anbauversuchen setzte er bei der ägypti-
schen Regierung den Verzicht auf die chemische Schädlingsbekämp-
fung per Flugzeug durch. Über 300 Bauern aus dem ganzen Land
kultivieren unter ständiger Beratung und Kontrolle durch Mitarbeiter
der Sekem-Farm Bio-Baumwolle. Neben der Erzeugung von Bio-Textilien
ist es Ziel dieser Initiative, den Menschen eine sozial verträgliche
Arbeitswelt sowie die Chance auf Bildung und Erziehung zu bieten.
In Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und einer Universität
bekommen die Menschen eine Chance für die Zukunft. Dafür wurde
Dr. Ibrahim Abouleish 2003 mit dem Alternativen Nobelpreis ausge-
zeichnet. Alnatura ist bereits seit 1993 Partner der Sekem-Initiative.
Mein Lieblingsprojekt:die Sekem-Initiative
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WENN
ERDKRÖTEN SPRECHEN KÖNNTEN
NATURSCHUTZ MACHT SINN – das haben Alnatura Kunden im Juni mit über 113 000 abgegebenen Online- Stimmen für die beliebtesten Naturschutzprojekte ein- drucksvoll unterstrichen. Alnatura hatte 101 Projekte des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zum Schutz von Pflanzen, Tieren oder auch ganzer Landstriche vorgestellt. Jetzt stehen die Lieb-lingsprojekte der Kunden fest. Und wer aktiv Natur- schutz betreiben möchte, kann ab Herbst 2014 bei ausgewählten Projekten selbst mitmachen.
Erdkröten stellen keine Fragen, schon gar nicht nach dem
Sinn. Sie sind einfach da. Damit das auch im Schwanheimer
Wald so bleibt, hatte sich der BUND Frankfurt Süd-West mit
einem Projekt zum Schutz von Erdkröten und anderen Amphi-
bien bei „Naturschutz vor Ort“ – so das Motto der Alnatura
Aktion anlässlich des 30-jährigen Jubiläums – beworben. Das
Abstimmungsergebnis bestätigt das Engagement der BUND
Ortsgruppe: Der Erdkrötenschutz zählt zu den beliebtesten
Naturschutzprojekten, genauso wie ein Programm zur Rück-
kehr der Wildkatzen oder der Lehrteich für Kinder auf einer
Streuobstwiese. Doch die Herzen der Alnatura Kunden schla-
gen auch für den Erhalt von Wildkräuterwiesen, für Nisthilfen
für den Steinkauz oder für so exotische Projekte wie die
Rettung der vom Aussterben bedrohten Flussperlmuschel.
Mit ihrem Votum haben die Kunden entschieden, wohin ins-
gesamt 135.000 Euro an Spendengeldern fließen. 54 Projekte
aus 9 Bundesländern erhalten jeweils 2.500 Euro, zusätzlich
bekommen die übrigen Projekte jeweils 500 Euro als Unter-
stützung. Ermöglicht haben diese Spende die Alnatura Kunden.
Denn von jedem verkauften Produkt der „Alnatura Jubiläums-
Edition“ gehen 30 Cent in die BUND-Projekte. Auch die
Verpackungsgestaltung dieser sechs Produkte kommen von
Alnatura Kunden. Sie konnten Anfang des Jahres ihre Ge-
staltungsideen einreichen, die beliebtesten Entwürfe wurden
ebenfalls über eine Online-Abstimmung ermittelt. Vom Aufruf
zum kreativen Designen über den Verkauf der Jubiläums-
produkte bis hin zur Spende an Naturschutzprojekte: Die Sinn-
frage stand bei dieser Jubiläumsaktion stets im Vordergrund.
Wer Bio-Produkte kauft, unterstützt den ökologischen Land-
bau, und im aktuellen Fall auch den Naturschutz. Wer darüber
hinaus auch erleben möchte, wie sich Naturschutz konkret
anfühlt, konnte sich für einige Projekte zum Mitmachen an-
melden oder sich direkt an den BUND wenden. Dann heißt
es Gummistiefel und Arbeitshandschuhe anziehen, Erdkröten
entdecken – und vielleicht auch Sinn.
101 MAL NATURSCHUTZ DURCH ALNATURA KUNDEN
Autor VOLKER LAENGENFELDER
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Bio-Landbau bedeutet Sortenvielfalt. Dabei geht es um den Erhalt von genetischer Vielfalt, aber auch um das Züchten neuer, für die Bio-Landwirtschaft besser geeigneter Sorten. Und zwar ohne Gentechnik. Doch noch immer stammen gut zwei Drittel des Bio-Saatgutes aus konventioneller Züchtung. Und genau hier muss sich etwas ändern. Die Geschichte eines langen Weges.
Rot blitzt die Schere zwischen den grünen Blättern – und wie-
der landet ein Apfel in Inde Sattlers Plastikeimer. Walnussgroß
ist der und noch gar nicht reif. Die Äste über Inde Sattlers
Kopf sind prall gefüllt mit kleinen roten Äpfeln – es könnte
eine reiche Ernte werden. Aber zu viele Äpfel sind auch nicht
gut, sie sollen ja bis zur Reife eine gewisse Größe erreichen;
deshalb muss Inde Sattler ausdünnen. „Das tun wir hinge-
bungsvoll“, lacht sie. „Hacken, lichten, Bäume festbinden,
es gibt immer was tun.“ Die Obstbäuerin streicht mit dem
Handrücken eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht, der
Wind weht heftig durch die Obstbaumreihen, trotz der wilden
Apfelhecken drumherum.
Gemeinsam mit Bernd Hagge-Nissen bewirtschaftet Inde
Sattler einen Bio-Obstbaubetrieb im schleswig-holsteinischen
Hollingstedt. 2003 pflanzten die beiden ihre ersten Bäume,
heute bauen sie Birnen, Zwetschgen und vor allem Äpfel
MIT GEDULDUND HINGABENEUE PFLANZENSORTEN FÜR DEN BIO-LANDBAU
Autor KIRSTEN ZESEWITZ
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auf vier Hektar Fläche an: 16 Sorten sind bei ihnen zu haben.
Die beiden sind auch Züchter und haben den Verein Saat:gut
mitgegründet, eine Initiative, die sich um den Erhalt alter und
die Zucht neuer Sorten kümmert. „Es gab ja lange keine eige-
ne Zucht für den Bio-Landbau“, sagt Inde Sattler. „Da haben
wir das selbst die Hand genommen, hier auf dem Hof.“
Auch beim Gemüse setzt der Bio-Landbau inzwischen ver-
stärkt auf eigene Sorten. Denn mit Beginn der 1980er-Jahre
hat so genanntes Hybrid-Saatgut der konventionellen Züchter
alte samenfeste Sorten verdrängt. Hybride werden aus
Inzuchtlinien mit extremen Ausprägungen einzelner Eigen-
schaften gekreuzt. In der ersten Generation bringen sie eine
reiche Ernte, doch ihre Nachkommen lassen sich nicht mehr
sinnvoll vermehren. Der Landwirt kann also nicht, wie bei
samenfesten Sorten üblich, einen Teil seiner Ernte zurückbe-
halten, um daraus Saatgut für das nächste Jahr zu gewinnen.
Stattdessen muss er das Saatgut jedes Jahr neu kaufen – von
multinationalen Firmen, die den Markt beherrschen. Denn in
den vergangenen 30 Jahren hat bei den Saatgutunternehmen
ein enormer Konzentrationsprozess stattgefunden. Heute
kontrollieren zehn internationale Unternehmen 75 Prozent
des Saatgutmarktes weltweit. Das hat zu einem Verschwinden
vieler samenfester Sorten geführt, weshalb auch Bio-Land-
wirte hauptsächlich auf Hybrid-Sorten zurückgreifen müssen.
Um das zu ändern, gründeten 1985 einige Bio-Gärtner
den Verein Kultursaat. Der konnte bis heute über 50
samenfeste, biologisch gezüchtete Gemüsesorten anmelden,
deren Vertrieb die Bingenheimer Saatgut AG übernimmt.
Der Kultursaat-Initiative gehört auch die Demeter-Gärtnerei
Piluweri im badischen Hügelheim an, welche die Alnatura
Filialen in Freiburg mit Tomaten, Auberginen, Möhren und
Gurken beliefert. Die samenfeste Tomate Tica beispielsweise
erfüllt alle Anforderungen an Festigkeit, Haltbarkeit, Ertrag
und Geschmack – sie wurde von einer Hybridtomate quasi
„rückgezüchtet“. „Ein langer Weg“, sagt Gärtner Richard
Specht. Über mehr als zehn Generationen mussten die viel-
fältigen Nachkommen der Hybridsorte selektiert, angepflanzt,
ausgesät und wieder selektiert werden – bis die Tica reif zur
Anmeldung war. Sie ist eine der wenigen samenfesten Toma-
tensorten für den Erwerbsanbau – der Markt wird zu mehr
als 90 Prozent von Hybriden dominiert.
Derzeit hofft Richard Specht auf die Zulassung einer samen-
festen Aubergine: Sie ist im zweiten Jahr ihrer Anmeldung
beim Bundessortenamt, kann also schon als „Saatgut für den
Versuchsanbau“ bei der Bingenheimer Saatgut AG erworben
werden.
Jede samenfeste Sorte ist eine kleine Revolution auf dem Saat-
gut- und Gemüsemarkt: Auch die stachelige Schlangengurke
Arola, die Richard Specht im Auftrag von Kultursaat vermehrt,
steht noch ziemlich alleine da im biologischen Erwerbsanbau.
Der überwiegende Teil der Bio-Gurken im Handel stammt aus
konventioneller Hybridzucht.
Wie beim Gemüse gilt auch für Obst: Bio-Bauern brauchen
eigene schmackhafte und robuste Sorten, die für den Anbau
ohne synthetische Dünger und Pestizide geeignet sind. Doch
die genetische Basis ist schmal geworden. Besonders deutlich
wird dies am Beispiel der modernen Apfelsorten. Diese lassen
sich auf nur fünf Ahnen zurückführen: Golden und Red De-
licious, Cox Orange, Jonathan und McIntosh. Und diese sind
vor allem auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der konven-
tionellen Landwirtschaft zugeschnitten, die mit chemischem
Pflanzenschutz und Mineraldünger arbeitet.
Apfelzüchterin Inde Sattler setzt daher auf alte Sorten: „Die
sind ein großer Schatz mit Merkmalen, von denen wir noch
gar nicht wissen, ob wir sie einmal brauchen werden.“ Sie
zeigt auf einen zwei Meter hohen Baum. „Das ist eine Kreu-
zung aus Gelbem Münsterländer Borsdorfer und der moder-
nen Sorte Collina.“ Dichtes Blattwerk bedeckt die Zweige,
Früchte sind nicht zu sehen. Inde Sattler setzt die Jungpflan-
zen bewusst der Witterung aus, mit der Folge, dass sie erst
nach fünf bis sechs Jahren Früchte tragen: „Die Bäume sollen
ihre juvenile Phase ausleben, so werden sie robust und passen
sich dem Standort an.“ >>
FERNANDO KROKISIUS, Teamverantwortlicher „Obst & Gemüse“ bei Alnatura (links) und MICHAEL PICKEL von der Gärtnerei Piluweri
Autor KIRSTEN ZESEWITZ
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Die Kunst des Züchters liegt darin, die vitalsten Pflanzen zu
selektieren. Und diese wachsen jetzt – vier Jahre nach Beginn
der Arbeit – als 2,20 Meter große Bäume in Inde Sattlers Plan-
tage. Sie könnten die Basis für eine neue Sorte sein; aber bis
dahin werden noch gut 15 Jahre vergehen. Inde Sattler greift
ins Blattwerk: „Der trägt nächstes Jahr Früchte. Dann wird es
spannend: die Äpfel begutachten, schauen, wie sie Krank-
heiten vertragen – und vor allem: verkosten!“
Zusätzlich zum Geschmack muss auch der Ertrag stimmen,
und die Bäume sollen widerstandsfähig gegen Krankheiten
sein. Das ist gerade beim gefürchteten Apfel-Schorf wichtig,
ein Pilz, der braun-schwarze Flecken auf der Schale hinterlässt.
Dieses Jahr setzt er den Bäumen arg zu. Bernd Hagge-Nissen
muss deshalb Kupfermittel anwenden. Diese werden seit über
100 Jahren im Pflanzenschutz eingesetzt. In geringen Mengen
sind sie auch im Öko-Landbau erlaubt: laut EU-Öko-Verordnung
maximal drei Kilogramm Kupfer pro Hektar. Hagge-Nissen
versucht mit nur der halben Menge auszukommen. Da die
Kupfermittel vor der Fruchtausbildung angewendet werden,
gelangen sie nicht auf den Apfel und hinterlassen dort keine
Rückstände. Doch Kupfer steht im Verdacht, Gewässerorga-
nismen zu schädigen und das Bodenleben zu beeinträchtigen.
Die EU will Kupfermittel deshalb verbieten. „Dann können wir
den Öko-Apfelanbau vergessen“, glaubt Hagge-Nissen. „Wir
haben es ein Jahr ohne Kupfermittel versucht – und hatten
keinen Ertrag.“ Ersatzstoffe werden zwar erforscht, wie
aktuell im Julius Kühn-Institut ein Süßholzwurzelextrakt.
Bislang jedoch, so Professor Stefan Kühne, reiche keines
der getesteten Mittel an die Wirksamkeit von Kupfer heran.
„Kupfer ist und bleibt vorerst alternativlos“, resümiert er.
Die Hoffnung liegt deshalb auf Sorten, die gegen Schorf
resistent sind. Das erfordert langwierige Zuchtarbeit über
mindestens ein Jahrzehnt – und Geld. Doch während die
großen Agro-Konzerne Milliarden in die Entwicklung neuer
Sorten stecken, sind Bio-Initiativen wie der Saatgutfonds auf
Spenden angewiesen. Deshalb haben Inde Sattler und Bernd
Hagge-Nissen mit anderen Züchtern das Projekt Apfel:gut
gegründet. Dieses wird auch von der Zukunftsstiftung Land-
wirtschaft gefördert. „Das Ziel ist, in zehn Jahren ohne Kupfer
auszukommen“, sagt Oliver Willing von der Zukunftsstiftung
Landwirtschaft.
Inde Sattlers Eimer mit den ausgedünnten Äpfelchen ist voll.
Wenn das Wetter mitspielt, werden die Bäume rund eine
Tonne Ernte bringen. Und wenn ihre Züchtungsarbeit ebenso
erfolgreich ist, können Inde Sattler und Bernd Hagge-Nissen
in zehn Jahren eine neue Sorte anmelden: einen Apfel, der
geschmackvoll und robust ist.
Ein Ziel des Bio-Landbaus ist es, wieder mehr samenfeste
Sorten verfügbar zu machen. Deshalb unterstützt Alnatura
den Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Damit sollen künftig mehr samenfeste Bio-Sorten in den
Handel kommen, wie dies bei Pastinaken, Rote Bete und
Möhren heute schon gut gelingt.
WEITERE INFORMATIONEN:
www.bingenheimersaatgut.de
www.kultursaat.org www.zs-l.de
Saatgut-Initiativen
Saatgut-InitiativenWährend die Saatgutindustrie Milliarden in die Entwicklung
neuer Sorten steckt und staatliche Forschungsgelder in die
konventionelle Pflanzenzucht gehen, sind biologische Saatgut-
Initiativen auf Spenden angewiesen:
Saatgutfonds: GLS Bank,
IBAN DE77 430609670030005412, BIC GENODEM1GLS
Saat:gut e.V.: GLS Bank,
IBAN DE77 430609672025926300, BIC GENODEM1GLS
Kultursaat e.V.: Sparkasse Oberhessen
IBAN DE17 518500790086001420, BIC HELADEF1FRI
Spenden helfen
Der Reinerlös aus dem Verkauf des Alnatura Saatgutes geht teilweise an die Zukunftsstiftung Landwirtschaft.
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Die Zeit der Bio-Pioniere der ersten Stunde ist lange vorbei. Alnatura kam 1984 mit dem Konzept von ganz-heitlich gestalteten Bio-Produkten, eigener Marke und einem kontinuierlichen Aufbau der Alnatura Filialen genau mit der richtigen Idee zur richtigen Zeit. Heute stehen Bio-Start-ups vor zwei Problemen: Sie treffen auf einen extrem diversifizierten, gesättigten Markt. Und sie werden kritisch beäugt: sowohl von den eta- blierten Unternehmen als auch von gut informierten, kritischen Kunden. Hat es da noch Sinn, neue Bio- Produkte auf den Markt zu bringen?
Am Anfang standen die Namen: Charity und Aid – also
Wohlfahrt und Hilfe. Der damals 27-jährige Entwicklungs-
helfer Paul Bethke war es leid, dass so viele Spendengelder
in undurchsichtigen Kanälen versickerten und wollte daran
etwas ändern. „Es hätte auch der Verkauf von T-Shirts sein
können“, sagt Paul Bethke. Hauptsache, es steht ein Sinn da-
hinter. Aber dann wurde es Bio-Limonade: hausgemacht und
aus Fairtrade-Zutaten, deren Verkauf einzelne Entwicklungs-
hilfe-Projekte direkt unterstützt. Das war die Geburtsstunde
der Limonade LemonAid und des Eistees ChariTea – und des
Slogans: Trinken hilft! Mit seiner Idee rannte Paul Bethke bei
seinen Freunden offene Türen ein: Jakob Berndt arbeitete seit
mehreren Jahren in einer großen Hamburger Werbeagentur
und hielt den Spagat zwischen Überzeugung und Job kaum >>
WIRTSCHAFT NEU DENKENWIE ARBEIT ZU LEBENSSINN WERDEN KANN
Autor ULI HESSE
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FELIX LANGGUTH, JAKOB BERNDT UND PAUL BETHKE (V.L.)Geschäftsführer von LemonAid
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mehr aus: „Es ist absurd, wenn man mit Anti-Atomkraft-
Demos aufgewachsen ist und privat Öko-Strom bezieht, aber
im Job 70 Stunden pro Woche damit verbringt, Atomstrom
zu vermarkten.” Also musste ein neues Lebensmodell her:
ein Konsumprodukt, das sich verkaufen lässt, aber auch Sinn
macht.
Am Küchentisch seiner Hamburger WG experimentierte
Bethke mit Berndt Ende 2008 so lange mit Rezepten, bis sie
mit dem Geschmack zufrieden waren. „Wir hatten keine
Ahnung von Verpackung, Logistik oder industrieller Produk-
tion. Wir sind einfach mit unserer selbstgepressten Limonade
losgelaufen und haben die ersten Vertriebsgespräche ge-
führt“, erinnert sich Jakob Berndt. Das Produkt kam an, aber
Geld verdienten sie damit noch nicht. Deshalb holten sie bald
Felix Langguth, der vorher in einer Unternehmensberatung
das Optimieren von Arbeitsprozessen gelernt hatte, als dritten
Geschäftsführer an Bord. „Unser sozialer Beitrag hängt davon
ab, dass wir sauber wirtschaften“, so Paul Bethke. „Wenn
wir jedes Jahr in die Miesen segeln, haben unsere sozialen
Projekte auch nichts davon.”
2010 war die Firma stabil genug, um auch den sozialen
Gedanken zu verwirklichen. Seitdem gibt es den Verein
LemonAid & ChariTea e.V.. An ihn gehen von jeder verkauften
Flasche LemonAid oder ChariTea fünf Cent als Spende. Der
Verein wiederum fördert damit gemeinnützige Projekte, aus
denen die Rohstoffe für die Getränke kommen: Aus Paraguay
stammt der Rohrzucker, dort hilft das LemonAid-Geld zum
Beispiel beim Aufbau von Schulen; in Südafrika, dem Her-
kunftsland des Rooibos-Tees, bauen sie mit ChariTea-Geld
Solarsysteme; und in Sri Lanka konnte inmitten der Tee-
plantagen ein Bildungszentrum gefördert werden.
Das Verbinden von sinnhaftem Handeln mit der Lust am Geld
verdienen ist typisch für die Generation Y. Der Buchstabe wird
ausgesprochen wie das englische „why“ – steht also für die
Sinnfrage: Warum machen wir das? Darum geht es auch den
Studierenden im Fachbereich Wirtschaft der Alanus Hoch-
schule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn. Von
den angehenden Betriebswirtschaftlern werden dort kreative
Lösungsansätze gefordert, zum Beispiel im Kunstmodul:
Obwohl sie keine erfahrenen Bildhauer sind, sollen die BWLer
eine Skulptur meißeln – und dabei bricht der Stein meist, geht
also kaputt.
Statt von vorne anzufangen, motivieren die Lehrkräfte die
jungen Studierenden, aus dem abgebrochenen Stück etwas
Neues zu schaffen. „Diesen Prozess übertragen wir dann ins
Wirtschaftsleben, zum Beispiel auf Organisationsformen, die
nicht mehr funktionieren”, erklärt Steffen Koolmann, Professor
für Ökologie und Gesellschaft. „Wir setzen den Studenten
keine Ideologien vor, sondern wollen ihnen Lust machen,
Wirtschaft selbst zu gestalten und so dem eigenen Tun einen
tieferen Sinn über die monetäre Bilanz hinaus zu geben. >>
„Wir sind einfach mit unserer selbstgepressten Limonade losgelaufen und haben die ersten Vertriebsgespräche geführt.“JAKOB BERNDT Gründer von LemonAid
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ALNATURA ZÄHLT MIT AKTUELL 89 FILIALEN ZU DEN FÜHRENDEN ANBIETERN VON BIO-PRODUKTEN IN DEUTSCHLAND. GEGRÜNDET HAT DAS UNTERNEHMEN GÖTZ REHN (64).
Herr Rehn, hat sich im Laufe Ihres Lebens der Fokus Ihres unternehmerischen Handelns verändert? In der Pionierphase, das heißt in den ersten Jahren eines Unterneh-
mens, ist man allein. Also muss man auch alles allein denken und
tun. Mit dem wachsenden Unternehmensorganismus entsteht eine
Arbeitsgemeinschaft. Jetzt geht es um Mitarbeiterführung, Prozess-
gestaltung und Organisation. Je differenzierter das Unternehmen
wird, umso wichtiger wird die Bewusstseinsentwicklung des Einzel-
nen, damit er eigenständig sinnvoll im Sinne des Ganzen zu denken
und zu handeln lernt. Dies ist ein lebenslanger Lernprozess.
Eine Firmengründung ist ja immer auch mit Risiko verbunden. Was hat Sie bewogen, in der Bio-Branche etwas „zu unternehmen“?Als Unternehmer schaut man nicht auf die Risiken, sondern ist von
seiner Gründungsidee so überzeugt, dass man Probleme ausblendet.
Für Alnatura boten sich Bio-Produkte an, weil Menschen ein Interesse
für Nachhaltigkeit zeigten. Ich war und bin davon überzeugt, dass
es immer mehr Menschen gibt, die eine Unternehmensinitiative wie
Alnatura wollen. Uns verbindet die Überzeugung, es geht nicht
nur effizient, sondern zugleich und vor allem sinnvoll, sozial und
ökologisch.
Was empfehlen Sie heutigen Start-ups?In einer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft sind wir in einem
globalen Netz alle miteinander verbunden. Jeder hängt von den
Leistungen eines anderen, für ihn Tätigen ab. Daraus folgt: Wirt-
schaften ist dann sinnvoll, wenn es sich konsequent am Kunden
orientiert. Das ist der Mensch. Eine radikale „Kundenorientierung“
ist für jedes Start-up wesentlich.
Was sind ihre Visionen für die kommenden Jahrzehnte?Alnatura will sich in Zukunft in der ganzen Wertschöpfungskette
noch stärker engagieren. Im Rahmen der Bio 7 Initiative werden wir
die Umstellung auf den biologischen Landbau fördern. Alnatura wird
mit seinen Hersteller- und Handelspartnern noch enger zusammen-
arbeiten, um für die Kunden die Alnatura Produkte und Leistungen
in noch sinnvollerer Weise zu gestalten.
GÖTZ REHNAlnatura Gründer und Geschäftsführe
Jenseits der monetären Bilanz
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Auf Sinnsuche waren auch Jochen Wolf und Martin Steck-
daub, als sie 2005 im Flugzeug auf dem Weg zur indo-
nesischen Insel Flores saßen. Jochen Wolf war es nach 15
Jahren als geschäftsführender Gesellschafter leid, nur für die
Gewinnmaximierung von Unternehmen zu arbeiten. Martin
Steckdaub – ein Freund und erfahrener Entwicklungshel-
fer – hatte ihn überredet, sich auf der paradiesischen, aber
abgelegenen Insel ein Projekt anzusehen, das kurz vor dem
Aus stand. 600 Kleinbauern bauten auf Flores Cashewnüsse
biologisch an und knackten sie kalt, so dass mehr Nährstoffe
erhalten werden als beim traditionellen Verfahren. Einzigartig
– doch es fehlte ihnen an Absatzmöglichkeiten und Geld, so
dass sie gezwungen waren, die Nüsse zu Dumpingpreisen auf
dem konventionellen Markt zu verkaufen.
Jochen Wolf war fasziniert von dem Projekt und den Men-
schen. Tagelang fuhr er mit Martin Steckdaub im Jeep über
Feldwege zu abgelegenen Parzellen ohne Wasser und Strom,
um sich die Felder und Arbeitsweisen anzuschauen. In der
letzten Nacht schickte Jochen Wolf seiner Frau eine SMS:
Kurzentschlossen kaufte er mit Martin Steckdaub 60 Tonnen
Nüsse, um sie in Deutschland zu vertreiben und so das Projekt
am Leben zu erhalten. Zwei Monate später gründeten die
beiden die Firma Flores Farm.
Zwar hatte Jochen Wolf Erfahrung in der Unternehmensfüh-
rung, aber keine Ahnung vom Lebensmittelvertrieb. Die
Banken wollten das Projekt nicht finanzieren: zu risikoreich.
Daher investierten die Unternehmer ihr komplettes Privatver-
mögen und lebten drei Jahre lang von ihren Ersparnissen.
„Wir haben den Bauern einen fairen Handel angeboten,
aber uns selbst ausgebeutet und viel Lehrgeld gezahlt“,
sagt Jochen Wolf heute selbstkritisch.
Durchgehalten hat er dennoch, und seit fünf Jahren trägt sich
das Unternehmen. Er schreibt es seiner positiven Einstellung
zu und der Vorarbeit von Bio-Unternehmern wie Götz Rehn.
„Das sind wirkliche Pioniere, auf deren Konzept wir aufbauen
und es weiterentwickeln konnten.”
„Ich werde Cashew-Produzent in Indonesien!“
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WURSTSACK TRIFFT
GRASLUTSCHER ...
HENDRIK HAASEwww.wurstsack.de
AILEEN KAPITZAwww.minzgruen.com
JAN HEGENBERG www.graslutscher.de
Autor HOLGER MEERWARTH
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Berlin-Kreuzberg, Markthalle Neun. In dem historischen Gebäude versuchen die Betreiber seit vier Jahren zu zeigen, dass „Anders-Essen“ und „Anders-Einkaufen“ in der Großstadt möglich sind: mit der Herstellung und dem Verkauf von Lebensmitteln, die möglichst regional, fair und ökologisch sind. Hierher haben wir drei Food- Blogger zum Lunch eingeladen. Hendrik Haase lebt in Berlin und ist Fleischliebhaber; in seinem Blog www.WURSTSACK.de tritt er für nachhaltigen Genuss ein. Jan Hegenberg aus Wiesbaden macht sich bei www.GRASLUTSCHER.de für vegane Ernährung stark. Aileen Kapitza ist Vegetarierin und studiert in Leipzig; sie betreibt den Veggie-Blog www.MINZGRUEN.com. Zum Lunch sitzt Hendrik vor einer Fleischplatte mit Rind aus bayerischer Freilandhaltung sowie Gemüse aus dem Berliner Umland, Jan und Aileen haben sich für einen veganen Burger entschieden.
Wie ist das für euch beide, wenn nebenan jemand solche Fleischberge isst?JAN: Das ist ja normal. Wenn du mit anderen zusammen sitzt,
sind Vegetarier oder Veganer die Ausnahme. Wenn ich da
jedes Mal einen Aufstand machen würde, könnte ich ja nie
was mit Bekannten machen.
AILEEN: Ich kann den Fleischkonsum um mich herum
ausblenden bis zu einem gewissen Grad.
JAN: Was Hendrik auf der Platte hat, sieht mir zu sehr nach
Tier aus. Als ich noch Fleisch gegessen hatte, musste das
möglichst anonym aussehen, am besten paniert: Schnitzel
halt oder Chicken-Nuggets. Ein halbes Hähnchen mit Knochen
hat mich schon zu sehr an Tier erinnert …
AILEEN: Ich habe schon als Kind nicht gerne Fleisch gegessen.
Das kam – wenn überhaupt – mal sonntags auf den Tisch.
HENDRIK: Hattest Du eigentlich gesundheitliche Probleme,
wenn Du Fleisch gegessen hast?
AILEEN: Ich hatte Probleme mit Milchprodukten. Ich finde
ja Kuhmilch schon nicht gesund. Da sind ja viele Hormone
drin …
JAN: Du meinst die Wachstumshormone für das Kälbchen?
AILEEN: Ja. Ich befasse mich beim Essen mehr mit der Ge-
sundheit. Für mich ist egal, ob die Kuh auf der Weide steht
oder im Stall auf engstem Raum. Mir geht es darum, was
das tierische Eiweiß in deinem Körper anstellt. Und wenn
dann die Industrie sagt, du musst Milch trinken, das ist
gesund und gibt Kalzium für die Knochen, das finde ich
echt schlimm …
Also um Moral und Ethik geht es euch gar nicht bei der Ernährung?JAN: Mir schon! Gesundheit ist weniger mein Thema.
Wenn man wie früher einmal die Woche Fleisch isst, glaube
ich, dass es gesundheitlich nicht so viel Unterschiede gibt
zwischen einem Vegetarier oder einem Fleischesser. Aber
wenn ich unterwegs in einer Kantine oder im Zug Fleisch
esse, dann ist das wahrscheinlich voll von Antibiotika und
Wachstumshormonen …
HENDRIK: Da gebe ich Dir recht. Mich stört, dass Fleisch
so ein Nebenbei-Produkt wird, das man am Grillstand mal
eben schnell billig kaufen kann. In einer Kantine funktioniert
ein Veggie-Day deshalb nicht, weil das Gemüse so widerlich
zubereitet ist; da ist das Schnitzel, was mal schnell frittiert
wird, noch das Essbarste. >>
WURSTSACK TRIFFT
GRASLUTSCHER ...... UND MINZGRÜN IST AUCH DABEI –
EIN GESPRÄCH ÜBER DEN SINN DES „RICHTIGEN“ ESSENS
Autor HOLGER MEERWARTH
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Wir reden beim Fleisch immer über Verzicht. Aber niemand von euch sagt: Ich esse Gemüse aus Genuss …JAN: Es gibt tatsächlich Sachen wie Peperoni-Wurst auf der
Pizza, die hat noch keiner geschafft so nachzumachen, dass
ich als Veganer sage, dass schmeckt genau so lecker wie eine
echte Wurst. Aber das ist vielleicht auch ungerecht: Fleisch-
produkte haben eine viel längere Tradition als vegane.
AILEEN: Wenn ich in der Stadt an so einem Grillstand vorbei
gehe, erinnert mich das an den Earthlings-Film, diese Doku-
mentation über Fleischkonsum und Tierhaltung. Deswegen
finde ich Fleischgeruch mittlerweile eher abstoßend.
HENDRIK: Den Film habe ich auch gesehen. Der besteht
aus Horrorszenen, in denen Tiere nur noch ein Produkt sind,
die man in diese Maschine, die Schlachthof heißt, reinstop-
fen muss. Ich kenne aber auch eine andere Welt, denn ich
habe selbst schon beim Metzger mitgeholfen. Da wurde das
Schwein ohne Stress überraschend betäubt, und zwar von
einem Metzger, der das Schwein kennt.
JAN: Wenn jemand sagt, es ist ihm wichtig, dass das Tier
ordentlich betäubt wurde, dann ist das schon mal ein guter
Schritt. Ich lehne es trotzdem ab, dass ein Tier getötet wird,
aber zu dieser Einsicht kann man auch ohne solche Horror-
filme wie den Earthlings-Film kommen.
Wie hat euch eigentlich der Lunch geschmeckt?HENDRIK: Die Fleischplatte war toll. Den Burger fand ich
weniger gut: Da hat einfach jemand Tofu als Bratling in
das Brötchen geklemmt und aus meiner Sicht nicht nach-
gedacht …
JAN: Ja, das könnte man noch besser machen. Tofu halte ich
als Belag für ungünstig, weil das keinen Biss hat. Das hat so
was von Gemüsematte …
AILEEN: Ich fand’s ok. Klar, so einen Burger kann man immer
besser machen.
HENDRIK: Ich bin Teilhaber bei SpeiseGut, die arbeiten nach
dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft. Auf dem Bio-
Hof haben wir 80 bis 90 verschiedene Gemüse: zehn Sorten
Kartoffeln, fünf Sorten Möhren, zehn Sorten Salat … Was
ich mich immer frage, warum aus der Ecke Vegetarier oder
Veganer nicht mehr zum Thema Gemüse kommt? Denn, was
ich wirklich ablehne, sind diese veganen Produkte mit Zusatz-
stoffen wie Glutamat und Aromastoffen, bei denen Gen-
technik im Spiel ist.
JAN: Von diesem Fertigzeug esse ich nicht viel. Da gibt es ja
inzwischen absurde Sachen: Tintenfischringe …
AILEEN: … und Tofu-Truthähne …
JAN: Ja, ganze Truthähne, sogar mit Anus. Aber wenn das
jemandem hilft, von seinen 80 Kilogramm Billigfleisch-Kon-
sum runter zu kommen, dann ist das was Gutes. Aber es ist
doch blöd, wenn wir statt fertig verpackte Wurstscheiben
jetzt fertig verpackte Sojascheiben essen, für die jede
Menge Plastikmüll produziert wird. Seit ich mich vegan
ernähre, esse ich viel indisch, weil Inder mit Gemüse
coolere Sachen anstellen als Europäer.
HENDRIK: Dieses Thema „Beilage“ ist wirklich ein Nach-
kriegsding: Da gab es endlich wieder Fleisch, und dann gab
es halt noch eine Beilage. Ur-Oma wäre nie auf die Idee
gekommen, von Beilagen zu reden.
JAN: Bei der gab’s halt einen Kohleintopf. Das war ein
Wintergemüse und hat dann für drei Tage gereicht. Heut-
zutage isst man im Winter gerne Eisbergsalat und Brokkoli,
die sonst woher kommen.
HENDRIK: Ich erwarte von veganen Blogs immer, dass etwas
kommt wie „Hey, ich habe hier gerade eine neue Spargelsorte
entdeckt, die wächst so und so und schmeckt ganz abgefah-
ren“. Stattdessen lese ich häufig Begründungen, warum es
auch ohne Fleisch geht. Das habt ihr doch gar nicht nötig!
AILEEN: Als ich meine Nahrung umgestellt habe, bin ich
häufig auf Food-Blogs gelandet, da gab es ein veganes Rezept
mit schlechten Handyfotos und drunter ein Video von einer
Schlachtung. Ich wollte das in meinem Blog anders machen.
Wenn sich jemand gesund ernähren will, muss er nicht dieses
Schlachtvideo sehen.
JAN: Das ist natürlich auch daraus entstanden, weil man sich
rechtfertigen muss. Geht man mit anderen Burger essen,
heißt es: Du kannst ja gar nichts essen!
Aileen, Du bist ja vor allem deshalb Vegetariern, weil du dich schwertust, dich überall vegan zu ernähren …AILEEN: Genau. Wenn man nicht gerade in einer Großstadt
wohnt, sieht es für Veganer schlecht aus. In einem Restaurant
bleibt da oft nur der Salat übrig – und dafür muss ich nicht in
ein Restaurant gehen.
JAN: Und wenn du dann sagst, machen sie mir doch einfach
einen Gemüseteller, dann kommt der oft ganz schön ein-
fallslos daher: ungewürzt, matschig …
*QUELLE: YOUGOV MÄRZ 2014
92,5%*
FLEISCHESSER
1,5%*
VEGANER
6%*
VEGETARIER
So isst Deutschland
SO
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HENDRIK: Das ist ja die Schande! Wenn Du als Koch nur
Fleisch hinkriegst, ist das so, als ob Du in einer Band spielst,
kannst aber nur solo spielen.
Es gibt ja Veganer, die achten beim Autokauf darauf, dass kein Leder verarbeitet wurde und fordern eine tierfreie Landwirtschaft. JAN: 100 Prozent vegan geht nicht. Ich bin mit dem ICE
hergefahren, was meinst Du, wie viele Mücken da an der
Lokscheibe kleben.
HENDRIK: Ich habe mal auf einem Bio-Bauernhof geholfen,
und da gingen wir am Abend Schnecken sammeln. Bei den
Schnecken mit Häuschen hat der Bauer gesagt: Wirf die ein-
fach an den Rand, die fressen die Gelege der Nacktschnecken.
Indirekt hat er also zum Schneckenmord aufgerufen. Die
Nacktschnecken haben wir gesammelt und an die Schweine
verfüttert. Da habe ich mich gefragt: Ist denn jetzt der Salat
noch vegan?
JAN: Weil ihr Schnecken getötet habt, damit der Salat wach-
sen kann? Das ist nicht meine Welt, denn wo ziehe ich da die
Grenze?
HENDRIK: Da bist du jetzt aber auf ganz dünnem Eis …
JAN: Ich weiß, das gibt bestimmt einen Shitstorm in meinem
Blog! Ich kann halt schlecht sagen, ich will nur noch das
essen, wofür kein Tier gestorben ist. Denn auch für ein Brot
fährt eine Erntemaschine über ein Weizenfeld, und da geraten
natürlich auch Kleintiere unter die Räder. Und im Produktions-
prozess hat vielleicht der Gabelstaplerfahrer in ein Wurstbrot
gebissen, als der die Tofu-Palette rausgefahren hat.
HENDRIK: Bei unserem Bio-Bauern gab es eine Diskussion
auf Facebook, ob er ein Mörder ist, weil er Bienenvölker zum
Bestäuben seiner Zucchini, Gurken oder Tomaten hält. Und
das ist bedenklich, weil da Leute weit weg sind von einer
Realität, wie hier Gemüse angebaut wird. Mich stören diese
harten Linien. Ihr kauft, hoffe ich, auch Bio-Gemüse, oder?
JAN: Ja klar.
AILEEN: Ja, und regional.
JAN: Stimmt, das ist mir sogar noch wichtiger als Bio. Wenn
ich die Wahl habe zwischen einem Bio-Apfel aus Chile und ei-
nem konventionellen um die Ecke, dann nehm‘ ich lieber den
konventionellen, obwohl ich weiß, da sind Pestizide drauf,
dafür wurde er nicht um die halbe Welt gekarrt.
HENDRIK: Mein Standpunt ist: Bio funktioniert nicht ohne
Tiere! Sonst gibt es keine Kreislaufwirtschaft. Denn wenn
wir das mal vegan durchspielen, bist du bei der Tomate,
die auf Steinwolle wächst; statt Bienen müsste die Pflanzen
jemand mit einem Pinsel von Hand bestäuben, und für die
Düngung müssten wir unsere eigenen Exkremente nehmen …
JAN: Wir machen ja viele Sachen so, weil wir sie vorgelebt
bekommen haben.
HENDRIK: Aber müssten wir dann nicht zusammen kämp-
fen? Ihr müsst das Gemüse pushen und aus der Beilage die
Hauptlage machen. Und ich esse weiter Fleisch, kümmere
mich aber darum, dass von der Schwanzspitze bis zur Nasen-
spitze das Tier gut gehalten, geschlachtet und verarbeitet
wird.
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So schlecht kann es uns gar nicht gehen! Wir haben (bis-
lang) überlebt: das atomare Wettrüsten, das Ozonloch, den
BSE-Wahnsinn. Außerdem diverse Gammelfleisch-Skandale
und nicht wenige Unwetter. Grund zur Freude? Bedingt. Denn
es verwundert doch immer wieder, wie lange unsere Spezies
für einsichtige Erkenntnis gepaart mit Verhaltensänderung
benötigt.
Bereits 1972 hob der Club of Rome – ein Zusammen-schluss aus Wissenschaftlern, Intellektuellen und Industriellen – mahnend den Zeigefinger. Unter dem Titel
„Die Grenzen des Wachstums“ malt die Studie das Bild einer
zerstörten Umwelt mit ausgebeuteten Ressourcen und einer
in Verteilungskämpfen zerrissenen Welt. Geändert hat der
Bericht über Jahrzehnte: nichts!
Gedankensprung. Es gab mal eine Zeit, da hatten Autos
keine Sicherheitsgurte. Auch als sie ab 1974 bei Neuwagen
serienmäßig eingebaut sein mussten, legte sie kaum ein
Autofahrer an. Selbst zig Studien, welche die höhere Über-
lebensrate von Angeschnallten belegten, führten zu keinem
Umdenken. Das änderte sich erst, als 1984 das Strafgeld für
Gurtmuffel kam. – So leicht ist es also: Hier ein Gesetz, dort
die positive Veränderung?
Nicht ganz. Denn auch beim Sicherheitsgurt spielten viele
Faktoren eine Rolle: die technische Entwicklung über Jahr-
zehnte; die öffentliche Diskussion samt Aufklärung über die
Medien; Vorbilder – ein schwedischer Autobauer baute Gurte
serienmäßig ein; und äußere Faktoren – 1970 gab es über
19 000 Verkehrstote. Zum Vergleich: 2013 waren es 3 290.
Bewusstseinswandel braucht Zeit. Denn manchmal
sind Menschen einfach noch nicht reif oder bereit für einen
Wandel. Was hilft, sind Vorbilder. Menschen, die vorangehen,
Beispiel geben – auch wenn das im ersten Moment erst mal
nur fordert: Mut, Energie, Kapital, visionäre Kraft. Es gäbe
heute keinen Bio-Landbau ohne die Pioniere. Vordenker wie
Rudolf Steiner. Überzeugte Visionäre, die in den 1980er-
Jahren dank ihrer unternehmerischen Strahlkraft und Aus-
dauer dafür sorgten, dass Bio-Produkte heute in aller Munde
sind. Joseph Wilhelm und Jennifer Vermeulen von Rapunzel
(1979). Volker Krause von der Bohlsener Mühle (1979). Sina
Nagel und Neil Reen von Barnhouse (1979). Ulrich Walter von
Lebensbaum (1979). Götz Rehn mit Alnatura (1984). Stefan
Voelkel, der die bereits 1936 gegründete Naturkostsafterei in
3. Generation zur Weltmarke machte. Und viele andere. Sie
alle haben etwas angefangen, weil sie etwas anders machen
wollten. >>
DER ZEIGEFINGER- EFFEKT
Katalysator, Rauchgas-Entschwefelung, FCKW-Verbot in Kühlsystemen, Umweltschutz als Staats-ziel, Atomausstieg – verglichen mit den letzten 30 Jahren, scheint der Weltuntergang heute gar nicht mehr so nah. Was hat in einigen Bereichen zum Umdenken geführt? Und was können wir tun, um unser Leben für Mensch und Erde sinnvoller zu gestalten? Gedanken über erhobene Zeigefinger, schlichte Erkenntnis und die Lust, das eigene Leben sinnvoll zu gestalten.
KANN DIE BIO-BRANCHE IHRE KUNDEN ZU MEHR ÖKO-BEWUSSTSEIN ERZIEHEN?
Autor HOLGER MEERWARTH
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Autor HOLGER MEERWARTH
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2011 HABEN SICH PER PETITION AN DEN DEUTSCHEN BUNDESTAG MEHR ALS 100 000 MENSCHEN FÜR EINEN ZULASSUNGSSTOPP VON GENTECH-PFLANZEN EINGESETZT. INITIIERT WURDE DIE PETITION DURCH VIELFALTERLEBEN; PETENT WAR DR. FELIX PRINZ ZU LÖWENSTEIN, VORSITZEN-DER VOM BUND ÖKOLOGISCHE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT.
Herr Prinz zu Löwenstein, wie können wir Menschen ansprechen, damit sie sich nachhaltiger verhalten? In unzähligen Initiativen werden die erforderlichen Alternativen
zu unserem derzeitigen Lebensstil entwickelt. Das ist eine nötige
Voraussetzung. Den Durchbruch werden wir nur erzielen, wenn wir
die Marktmechanismen funktionsfähig machen. Und das bedeutet
vor allem: Die Preise müssen die Wahrheit sprechen. Erst wenn für
die Produkte, die wir kaufen, alles mitbezahlt werden muss, was
bei ihrer Produktion und auf dem Weg ins Regal an sozialen und
ökologischen Kosten anfällt, haben wir es geschafft.
Warum war die Petition des BÖLW gegen grüne Gentechnik solch ein Erfolg? Das Beispiel zeigt ebenso wie die komplette Bewegung gegen
Agro-Gentechnik, wie viel Bürger erreichen können, wenn sie
aktiv werden. Sie brauchen nur Instrumente, mit denen sie ihre
Bereitschaft zum Handeln umsetzen können. Die Petition hat ein
solches Instrument bereitgestellt.
Wie, glauben Sie, können wir die Welt zum Besseren verändern? Angesichts der ökologischen und der sozialen Herausforderungen
reicht eine Kurskorrektur nicht aus. Wir brauchen eine gesellschaft-
liche Transformation. Sie kann nur durch ausreichenden Druck aus
der Bevölkerung in Gang gesetzt werden - und das erfordert einen
Bewusstseinswandel bei einer kritischen Masse von Menschen.
www.boelw.dewww.vielfalterleben.info
„Die Preise müssen die Wahrheit sprechen.“
Was die Bio-Branche nicht kann: Alleine die Welt retten.
Aus globalen Warenströmen lokale Selbstversorgungssysteme
erschaffen. Bio-Kunden vorschreiben, wie lange die Kühl-
schranktür offen stehen darf und wie groß das Auto für den
Einkauf sein sollte.
Ein Veggie-Day auf Ansage? Schwierig! Aber das Bewusst-
sein gerade vieler junger Konsumenten wandelt sich ja ohne-
hin. Denn es gibt mehr denn je für alle zugängliche Informa-
tionen und Vorbilder, die als Orientierung dienen: Veganer
beschreiben in Blogs ihre Erfahrungen, Journalisten berichten
mehr und mehr über die Folgen von (Massen-)Tierhaltung.
Das sind demokratische Faktoren für einen Bewusstseins-
wandel – Information statt Zeigefinger. Entscheiden muss
jeder individuell.
Die Bio-Branche kann auch vorangehen. Wenn beispiels-
weise Alnatura als erster Einzelhändler für mehr Energie-
Effizienz Türen vor Kühlregale montiert, dann ist dies ein kleiner
Beitrag, der auch andere motivieren kann. Wenn Taifun mit
seinem Sojaanbau in Deutschland, Frankreich und Österreich
zeigt, dass die eiweißreiche Bohne auch in Mitteleuropa ge-
deiht, dann müssen wir immerhin einige hundert Tonnen Soja
weniger aus Übersee importieren – und vielleicht macht das
Projekt ja Schule.
Zu menschlichem Leben gehört der Ressourcenver-brauch: Land, Nahrung, Luft, Wasser, Rohstoffe. Im Gegen-
satz zu den meisten anderen Arten ist der Mensch keinem
anderen Lebewesen nützlich – mal abgesehen von Haus- und
Nutztieren. Mit diesem Axiom menschlichen Lebens werden
wir zurechtkommen müssen. Mit sinnloser Ausbeutung
der Natur und Geringachtung der Kreatur dagegen nicht.
Denn das Beste und damit Sinnvollste aus unserem Dasein zu
machen, das geht sehr wohl. Und dafür lohnt es, gelegentlich
den mahnenden Zeigefinger zu erheben.
DR. FELIX PRINZ ZU LÖWENSTEINVorsitzender BÖLW
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45Gibt es etwas Schöneres, als in unseren Zeiten leben zu dür-
fen? Wann je in der Geschichte waren wir so frei im Denken
und Handeln und zugleich so allein? Wir sind jeder auf uns
selbst gestellt und haben die Chance, jenseits von Konventi-
on und Routine selbstverantwortlich unser Leben zu führen,
unsere Biografie zu schreiben.
Niemals zuvor waren wir zugleich auch so gefährdet. Die von
uns entwickelten Systeme und Maschinen sind übermächtig.
Wir schaffen neben der realen eine virtuelle Welt. Von jedem
Menschen gibt es demnächst ein „digitales Ich“, einen aus
unseren Daten und Verhaltensmustern der Vergangenheit
zusammengesetzten Datenzwilling. Er ist das Abbild unserer
Taten, das droht, die Übermacht über unsere freie Persönlich-
keit zu gewinnen. Er wird zur Orientierung für die Gestaltung
der Zukunft als Vorbild gewählt: ein Schatten unserer Vergan-
genheit. Dabei verlieren wir das Ideal des schöpferischen, sich
entwickelnden Menschen; der Individualität, die aus Idealen
Sinnvolles gestaltet und sich im Gestaltungsprozess selbst als
Mensch entwickelt. Wir stehen also an einer entscheidenden
Kreuzung: Wollen wir dem Weg der Förderung des Ideals der
freien Menschen folgen oder uns zu Opfern unserer eigenen
Systeme machen und in Richtung Verhaltenskonditionierung
durch Reizstimuli zu Produkten der Wirtschaft werden?
Für mich besteht der Sinn des Lebens darin, gemäß meiner
mir gegebenen individuellen Möglichkeiten möglichst viel
dazu beizutragen, dass andere Menschen, andere Wesen und
die Erde sich besser entwickeln können. Dies setzt ein ständi-
ges, selbstloses Erkenntnisstreben voraus. Nicht was ich „über“
etwas denke ist wesentlich, sondern was ich von dem
„Wesen des Anderen“ erkennen kann, weist mir den Weg,
dem anderen „gerecht“ zu werden, ihm zu entsprechen.
Damit entdecke ich den „Sinn“ des anderen Wesens und
kann sinnstiftend tätig werden.
Allerdings gelingt dieser Weg nur, wenn jeder Mensch für sich
den Entschluss fasst und sich selbst auf eine „geistige Wande-
rung“ begibt. Das verlangt Disziplin. Den Sinn kann sich jeder
Mensch nur im eigenen Erkenntnisbemühen selbst erschließen.
Sinn können wir nicht konsumieren, nur schöpfen, das heißt
in unserem Bewusstsein durch unser Denken erzeugen. Der
Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er Schöpfer ist, wo er
Sinnvolles individuell gestaltet.
Das ist auch die Aufgabe der Mitarbeiter der Arbeitsgemein-
schaft Alnatura. Wir wollen durch unsere Handlungen dazu
beitragen, dass mehr Schöpferisches in der Welt entstehen
kann. Je mehr uns das gelingt, umso stärker werden wir uns
selbst im Spiegel unserer Taten erleben. Die Folgen der Sinn-
Taten sind der Handlungsrahmen der Erde und damit für uns
Menschen unsere Zukunft. >>
SINNVOLL FÜR MENSCH UND ERDE
Je mehr Freiheiten und damit Möglichkeiten wir haben, desto mehr stellt sich für viele die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns, ja gar nach der Sinnhaftigkeit ihres Seins. Wie leben wir sinnvoll? Und wie wird daraus sinnhaftes Handeln?
GEDANKEN VON ALNATURA GRÜNDER GÖTZ REHN
Autor GÖTZ REHN
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Sinnvoll für Mensch und Erde – mit dieser am Ideal orientierten Unternehmensführung haben wir bei Alnatura schon früh eine eigene Idee von Bio geprägt. Wir haben uns nicht daran orientiert, was die Gesetze gerade noch zuließen, sondern seit der „Geburt“ von Alnatura konsequent auf 100 Prozent Zutaten aus biologi-schem Landbau bei den Alnatura Produkten gesetzt. Im Gegensatz dazu erlaubt die „EU-Bio-Verordnung“, dass bis zu 5 Prozent der landwirtschaftlichen Zutaten in einem Produkt nicht Bio sind. Auch die Zusammenarbeit mit den Bio-Anbauorganisationen Bioland, Demeter und Naturland kennzeichnet die Alnatura Qualitätsphilosophie: „Beste Qualität in ästhetischer Anmutung zum günstigsten Preis“. Für uns steht das ständige Verbessern der Qualität ganz vorne. Dies begleitet seit der Unternehmens-gründung ein unabhängiges Expertenteam. Ist die Qualität für ein Produkt gefunden, arbeiten wir daran, die Prozesse so schlank wie möglich zu gestalten, damit Alnatura Produkte von immer
mehr Menschen gekauft werden können. Beim Gestalten unserer Leistungen geht es uns auch um die Schönheit. Wir bemühen uns immer neu, unsere Produkte ästhetisch zu gestalten, unsere Alnatura Filialen schön und einladend zu konzipieren – und unsere Logistikgebäude aus Holz zeigen, dass auch „Funktionsbauten“ schön und umweltfreundlich sein können.
In 30 Jahren hat sich Alnatura zu einem Unternehmen entwickelt, das von seinen Kunden geschätzt und gewollt ist. Auszeichnun-gen, zum Beispiel 2011 als nachhaltigstes Unternehmen Deutsch-lands, begleiten unsere Entwicklung. Unser Motto „Sinnvoll für Mensch und Erde“ ist ein Ideal, das wie ein Leitstern unseren Entwicklungsweg beleuchtet. Unablässiges Streben nach sinn- voller Verbesserung der Werkwelt prägt unser Tun. Oft sind es kleine Verbesserungen, die uns Schritt für Schritt zu einem Unter-nehmen machen, das Nachhaltigkeit im umfassenden Sinn lebt. >>
Was unser Tun prägt
Autor GÖTZ REHN
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TATJANA SCHNELL IST ASSOZIIERTE PROFESSORIN AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK MIT DEM SCHWERPUNKT EMPIRISCHE SINNFORSCHUNG. SEIT 14 JAHREN FORSCHT SIE ÜBER DAS, WAS MENSCHEN ALS SINNERFÜLLUNG BEGREIFEN. GRUNDLAGE DAFÜR SIND FRAGEN ZU 26 SINNDIMENSIONEN WIE ZUM BEISPIEL GESUNDHEIT, SOZIALES ENGAGEMENT, MACHTSTREBEN, LIEBE ODER SPASS.
Fragt man Menschen nach ihrem Lebenssinn, nennen sie häufig
Familie, Freunde und Beruf. Das sage aber noch nichts darüber aus,
ob diese Faktoren einem Menschen auch tatsächlich Sinnerfüllung
geben, so Tatjana Schnell: „Wenn man schaut, was am meisten
Sinn gibt, dann steht die Generativität an erster Stelle. Wenn also
jemand etwas tut, das in erster Linie der Gemeinschaft und späteren
Generationen zu Gute kommt, dann ist diese Person mit großer Wahr-
scheinlichkeit sehr sinnerfüllt.“ Auch Religiosität und Spiritualität
können starke Sinngeber sein, sind aber in Deutschland nach Erkennt-
nissen der Sinnforscherin nicht mehr sonderlich stark ausgeprägt.
In der 2008 von ihr publizierten Studie „Deutsche in der Sinnkrise?“
nannten die Befragten eher Faktoren wie Moral, Harmonie, Fürsorge,
Entwicklung und Gemeinschaft, die sie in ihrem Alltag als wichtig
bewerten.
„Mir scheint, dass die Sehnsucht nach Sinnerfüllung in den letzten
30 Jahren noch größer geworden ist“, sagt Tatjana Schnell. „Einige
groß angelegte Studien haben gezeigt, dass über die Hälfte der
Angestellten in Asien, Amerika oder Europa bereit wären, entweder
weniger Gehalt zu bekommen oder ihre Machtposition zu verringern,
wenn sie dafür etwas Sinnvolles tun könnten. Und in einer Studie
über Führungskräfte sagten zwei Drittel, dass sie Sinn in ihrer
Arbeit vermissen.“ Damit wir unser Sein als sinnvoll empfinden,
sollten laut der Wissenschaftlerin vor allem vier Faktoren vorhanden
sein.
1. Zugehörigkeit: Spiele ich eine wichtige Rolle in einem Team,
gehöre ich zu einer Gruppe? Zugehörigkeit meint das Gegenteil von
isoliert und entfremdet sein.
2. Bedeutsamkeit: Das, was ich tue, hat Konsequenzen. Nimmt
beispielweise jemand meine Arbeit wahr und wie ich sie tue?
Bedeutsamkeit wird über Wertschätzung vermittelt – und zwar
nicht nur durch Kollegen und Chefs; es ist auch wichtig, was mein
Tun für die Gesellschaft bedeutet.
3. Orientierung: Entwickelt sich das, was ich tue, in eine
Richtung, hinter der ich auch mit meinen Werten stehen kann? Diese
Werte kann man gut mit den 26 Sinndimensionen beschreiben. Zum
Beispiel wäre es für einen Menschen, dem viel an Gemeinschaft liegt,
schwierig, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem nur Machtfragen im
Vordergrund stehen.
4. Kohärenz: Stimmt das, was ich tue mit meinen Überzeugungen
überein? Oder muss ich in meiner Arbeit etwas tun, was meinen
Werten widerspricht – also mich anders verhalten, als ich privat bin?
„Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der es schwierig ist, Sinn
zu erleben, weil alles Mögliche dem entgegenspricht, die vier Sinn-
kriterien zu erfüllen“, glaubt Schnell. Früher sei vieles selbstverständ-
lich gewesen, auch mangels wählbarer Alternativen: „Meine Urgroß-
eltern hatten einen Bauernhof. Hätte ich die nach Sinn gefragt, hätten
sie mich komisch angeschaut, weil sie die Frage gar nicht verstanden
hätten.“ Tatjana Schnell verdeutlicht die vier Sinnfaktoren am Beispiel
ihrer Urgroßeltern: „ 1. Sie gehörten der Dorfgemeinschaft an – fühlten
sich also zugehörig. 2. Was sie taten, war bedeutsam, weil ganz klar
war, was wann zu tun war, damit etwas wächst auf dem Feld. 3. Die
Orientierung war da, denn alle waren damals Christen. Und das war
4. auch kohärent, weil es keine anderen Weltentwürfe gab, die dieses
Leben in Frage gestellt hätten.“
Damals wie heute sind Menschen auf der Sinnsuche. Auch das Thema
Nachhaltigkeit könne sinnstiftender Motor unserer Gesellschaft sein,
so die Wissenschaftlerin Schnell: „Ich kann mir vorstellen, dass die
Bio-Pioniere vor 30 Jahren dasselbe angetrieben hat, was Menschen
auch heute noch treibt: Die bisherige Tätigkeit hinzuwerfen und
etwas zu tun, was sinnvoll erscheint; auch wenn es nicht unbedingt
eine Karriereaussicht bietet.“
WEITERE INFOS: www.sinnforschung.org
Sinn ist individuell
TATJANA SCHNELLSinnforscherin an der Universität Innsbruck
ERKENNTNISSE DER SINNFORSCHUNG ÜBER UNSER SINNERLEBEN
Autor HOLGER MEERWARTH
EIN SINNHEFT ZUM ALNATURA JUBILÄUM
30 JAH
RE ZUVOR
MARIA REITMEIER arbeitete schon im Alnatura Gründungsjahr 1984 als Marktfrau auf dem Münchner Großmarkt
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