von Monika Krohwinkel
Institut für Pflegewissenschaft
Begutachterin: Dr. Evelin Burns, MN, ALGuK, DGKS
Piettegasse 26, 3013 Pressbaum
Datum der Einreichung: 20.04.2015
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit
selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht
verwendet und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als
solche kenntlich
gemacht habe. Weiters erkläre ich, dass ich diese Arbeit in
gleicher oder ähnlicher Form
noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe.
Graz am 20.04.2015 Märcz Carina eh
2
Inhaltsverzeichnis
3.3 Pflegepraxis
............................................................................................................
7
4. Altenpflege
.................................................................................................................
7
4.2 Altenpflege heute
....................................................................................................
9
4.3.2 Multimorbidität
................................................................................................
12
4.3.5 Verwirrtheit und Demenz
................................................................................
16
4.3.6 Erhöhte Krankheitsanfälligkeit und Infektionskrankheiten
.............................. 17
4.3.7 Dekubitus und chronische Wunden
................................................................
18
4.3.8 Schmerzen
.....................................................................................................
18
4.3.9 Arzneimittel
....................................................................................................
19
5. Darstellung des Pflegemodells von Monika Krohwinkel - Modell der
ganzheitlich
fördernden Prozesspflege
..............................................................................................
22
5.1.1 Sichtbarkeit
....................................................................................................
25
5.1.2 Ganzheitlichkeit
..............................................................................................
25
5.1.3 Kongruenz
......................................................................................................
25
5.2 5 Teilkonzepte
......................................................................................................
26
5.2.2 Das Rahmenmodell
........................................................................................
28
(Qualitätsentwicklungsmodell)
.....................................................................................
30
6. Umsetzung des Pflegemodells von Monika Krohwinkel in die
praktische Arbeit mit
alten Menschen
.................................................................................................................
31
7. Schlussfolgerung
......................................................................................................
33
8. Literaturverzeichnis
..................................................................................................
35
1. Einleitung
80 Jahre oder sogar älter zu werden, wäre vor langer Zeit noch
undenkbar gewesen.
Durch den Fortschritt der Medizin und der Technik ist das
heutzutage keine Seltenheit
mehr. Die Lebenserwartung der Menschen in Österreich steigt, sowohl
Männer als auch
Frauen werden immer älter. Dadurch nimmt auch der
Altersdurchschnitt der
Gesamtbevölkerung zu und der Anteil an Hochaltrigen wird immer
größer. Mit dem
höheren Alter steigt die Anzahl der pflegebedürftigen Personen und
Personen, die
pflegerische Unterstützung benötigen, und somit wird auch der
Pflegebedarf größer. Die
Anzahl an Pflegegeldbeziehern in Österreich steigt an, auch leben
immer mehr Menschen
in Pflegeheimen oder betreuten Wohneinrichtungen oder nehmen mobile
Pflege- und
Hilfsdienste in Anspruch. Die Pflege von alten pflegebedürftigen
Menschen wird also
immer wichtiger und präsenter.
Die Pflege und Betreuung von alten pflegebedürftigen Menschen
bedarf aber anderer
Schwerpunkte als die Pflege von jungen Menschen. Betagte und
hochbetagte
Pflegebedürftige haben andere Bedürfnisse und brauchen aufgrund
ihrer Besonderheiten
eine speziell auf sie abgestimmte Betreuung. In Zusammenhang mit
der geriatrischen
Pflege wird häufig das Modell der ganzheitlich fördernden
Prozesspflege von Monika
Krohwinkel genannt. Nun tun sich die Fragen auf, welche
Besonderheiten der alte Mensch
in seiner individuellen Pflege und Betreuung benötigt und inwiefern
das Pflegemodell von
Monika Krohwinkel dafür geeignet ist bzw. wie die Umsetzung dieses
Modells in der Praxis
aussieht? Diese Fragen sollen im Rahmen dieser Bachelorarbeit
beleuchtet werden.
2. Zusammenfassung
Da die Menschen in Österreich immer älter werden, steigen auch der
Pflegebedarf und die
Anzahl an Pflegebedürftigen, die in stationären
Altenpflegeeinrichtungen untergebracht
sind. Die Altenpflege hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten
einen großen Wandel
durchgemacht. Nun gibt es verschiedenste Formen der pflegerischen
Betreuung für alte
hilfsbedürftige Menschen, sei es Pflegeheim, mobiler Dienst wie
Hauskrankenpflege oder
5
Essen auf Rädern, betreute Wohneinheiten für Senioren oder 24
Stunden-Betreuung
zuhause.
Einnahme mehrerer verschiedener Medikamente, ein veränderter
Flüssigkeitshaushalt,
veränderte Ernährungsansprüche, ein verändertes Immunsystem, eine
höhere
Krankheitsanfälligkeit, chronische Wunden oder Schmerzen, benötigt
der alte
pflegebedürftige Mensch eine besondere Betreuung und Pflege. Bei
der Betreuung von
alten hilfsbedürftigen Menschen geht es vor allem um den Erhalt der
vorhandenen
Fähigkeiten und den Erhalt von Wohlbefinden, Lebensqualität und
Unabhängigkeit. In
diesem Zusammenhang wird das Modell der ganzheitlich fördernden
Prozesspflege von
Monika Krohwinkel genannt. Im Mittelpunkt dieses Pflegemodells
stehen Personen mit
einem längeren Pflegebedarf. Das Modell gliedert sich in fünf
Teilkonzepte: das AEDL
(ABEDL®) –Strukturmodell mit seinen 13 Bereichen, das Rahmenmodell,
das
Pflegeprozessmodell mit den in der Altenpflege üblichen vier Phasen
des
Pflegeprozesses, das Managementmodell und das Modell zum
reflektierenden
Erfahrungslernen oder Qualitätsentwicklungsmodell.
Bei der Umsetzung des Modells in die Praxis zeigt sich, dass einige
Teile schon sehr gut
umgesetzt werden, andere Teile aber in Theorie und Praxis nicht
vergleichbar sind.
Aufholbedarf gibt es vor allem beim theoretischen
Hintergrundwissen, da viele
Pflegepersonen große Wissenslücken bezüglich den Pflegemodellen
haben. Ein großes
Problem bei der Umsetzung eines Pflegemodells in die Praxis stellt
der Zeitfaktor dar. Die
Ansätze der Umsetzung von Pflegemodellen und speziell vom Modell
der ganzheitlich
fördernden Prozesspflege von Monika Krohwinkel in die Praxis sind
schon ganz gut, aber
die Umsetzung muss noch optimiert und ausgeweitet werden.
3. Definitionen und Begriffserklärungen
3.1 Altenpflege und Geriatrie
Altenpflege ist ein Teil der sehr umfassenden und vielseitigen
Altenhilfe. Unter Altenpflege
versteht man alle pflegerischen Tätigkeiten, sowohl
krankenpflegerische, als auch
6
sozialpflegerische für alte pflegebedürftige Menschen. Die
betroffenen Menschen sind
aufgrund von Krankheiten oder ihrem Alter nicht mehr in der Lage
ihren Alltag alleine zu
bewältigen. Wichtige Bereiche der Altenpflege sind die
Unterstützung der Palliativmedizin,
die Rehabilitation von alten Menschen und die Unterstützung für die
Bewältigung von
Alltagstätigkeiten (Menker, Waterboer 2006, S.9;
Pflegedienst-Online, 17.12.2014,
http://www.pflegedienst-online.info/lexikon/Altenpflege-845.html).
Geriatrie setzt sich aus den griechischen Wörtern ‚gérn‘ = Greis
und ‚iatreía‘ = das
Heilen zusammen und wird als Altersheilkunde verstanden. Sie ist
vor allem auf Probleme
wie Funktionsverlust, Nachlassen von körperlichen und geistigen
Fähigkeiten und
alterstypische Erkrankungen wie Demenz, Immobilität oder
Inkontinenz fokussiert.
Geriatrie ist also die Lehre von Krankheiten von alten und
alternden Menschen, der
Vorbeugung und Behandlung dieser Krankheiten und der Rehabilitation
(F. A. Brockhaus
2002, S.214; Institut für Deutsche Gebärdensprache und
Kommunikation Gehörloser,
06.12.2014,
http://www.sign-lang.unihamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzepte/
Konzepte der professionellen Pflege. Sie beschreiben, was
Krankenpflege ist, wie sie
aussehen soll und wodurch sie sich von anderen Disziplinen
abgrenzt.
Pflegemodelle und Pflegetheorien sind Konzepte, die in der Regel
systematisch aufgebaut
sind, Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaften mit
einbeziehen, eine theoretische
Basis und die notwendigen Werthaltungen vorgeben und in der
Pflegepraxis angewendet
werden können (Alliance Healthcare Deutschland AG,
17.12.2014,
http://www.gesundheit.de/lexika/medizin-lexikon/pflegemodell).
7
oder anderen Personen tatsächlich durchgeführt werden. Dazu zählen
sowohl die
Tätigkeiten am Patienten, sowie die Pflegeplanung und die
Pflegedokumentation.
4. Altenpflege
4.1 Geschichte der Altenpflege
Der Begriff ‚Alter‘ hat sich im Laufe der Zeit sehr verändert. Er
hatte früher eine ganz
andere Bedeutung. Im Mittelalter gab es keine klare Abgrenzung von
‚alt‘, ‚arm‘ oder
‚krank‘.
Die religiöse Verpflichtung nach Buße und Nächstenliebe führte im
Mittelalter zur
Gründung von privaten Stiftungen, mit denen auch alte Menschen
versorgt wurden. In der
Zeit der Reformation von Martin Luther kam es jedoch zu einer Krise
in der
Altenversorgung.
Die Bauern gaben im Alter ihren Hof an die Erben weiter. Sie
verloren damit zwar jegliches
Mitspracherecht, wurden aber mit Wohnmöglichkeit und Essen
versorgt.
Ritterstand und niederer Adel waren aufgrund des erblichen Lehens
durch ihren Besitz
auch im Alter abgesichert. Reiche Adelsfamilien kauften sich in
Stifte und Klöster ein, um
ihre Altersversorgung sicherstellen zu können. Handwerker waren
durch Zünfte im Alter
versorgt. Die meisten arbeiteten jedoch bis zum Tod und so
kümmerten sich die
Zunftmitglieder um die hinterbliebene Witwe. Die Handwerkerwitwen
heirateten oft den
viele Jahre jüngeren Gesellen um den Betrieb aufrecht zu erhalten
und die eigene
Existenz zu sichern.
Für viele alte Menschen gab es zu dieser Zeit jedoch keine andere
Möglichkeit als zu
betteln. Almosen der Kirche und der langsam entstehenden Spitäler
ermöglichten
unzähligen alten Menschen und Armen das Überleben (Menker,
Waterboer 2006, S.2-5).
Erste Vorformen der Altenheime existierten bereits vor dem
Mittelalter. Man nannte diese
Einrichtungen Gerokomeion, Haus für alte Menschen. Im 13.
Jahrhundert entstanden aus
8
Stiftungen an die Kirche die ersten Spitäler. Zu den Aufgaben der
Spitäler zählten das
Verteilen von Almosen an die Bedürftigen, die Betreuung von
Findelkindern und
Waisenkindern und die Versorgung von Kranken, Armen und
„Irren“.
Die Umstände von damals sind mit den heutigen kaum vergleichbar.
Die Krankensäle
wurden nicht gereinigt. Da frische Luft als schlecht galt, wurde
auch nicht gelüftet. Die
Kranken lebten alle beieinander, sowohl Sterbende und
Schwerkranke,
Tuberkulosekranke als auch Geisteskranke und Kriminelle. Ein
bedeutender Fortschritt für
die Pflege war das Waschen von Gesicht und Händen (Menker,
Waterboer 2006, S.5).
Seuchen wie Pest oder Syphilis und Kriege und der damit verbundene
Kampf ums
Überleben führten dazu, dass alte und kranke Menschen Not, Armut
und Spott ausgesetzt
waren. Erst Ende des 17. Jahrhunderts entstand durch Umdenken ein
neues Altersbild.
Junge und alte Menschen sollten in Harmonie zusammen leben und
aufeinander
Rücksicht nehmen. Der Begriff „Alter“ war mit Respekt verbunden.
Den armen und nicht
arbeitsfähigen alten Menschen brachte man jedoch keine Achtung
entgegen, weil sie
wirtschaftlich nicht dienlich waren.
Durch die Weiterentwicklung der Medizin kam es im 19. Jahrhundert
zu großen
Veränderungen in den Krankenhäusern. Da der Mensch zu dieser Zeit
an seiner
Arbeitsfähigkeit gemessen wurde, gab es für alte, unheilbar kranke
und sterbende
Personen oft keinen Platz darin. Zusätzlich empfanden die heilbar
Kranken das
Zusammenleben mit diesen als belastend. Deshalb entstanden damals
eigene
Einrichtungen, wo alte Menschen untergebracht wurden.
Die Zeit während und nach dem 1. Weltkrieg war für die alten
Menschen von Not und
Elend geprägt. Sie hatten meist nicht genug Geld, um sich mit
Nahrung und Kleidung zu
versorgen, außerdem gab es keine ausreichende medizinische
Versorgung für sie. Viele
bettelten um Essen oder stahlen Lebensmittel. In den Großstädten
gab es sehr großen
Andrang auf die Armenküchen.
Zur Zeit des Nationalsozialismus galten alte Menschen als
„nutzlos“, weil sie weder dem
Vaterland dienen konnten, noch wirtschaftlich von Bedeutung waren.
Sie wurden entweder
mit chronisch Kranken zusammen in Anstalten einquartiert oder in
Tötungsanstalten
umgebracht. Auch nach der offiziellen Einstellung der Tötungen
wurden viele von mobilen
Tötungskommandos umgebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die
alten
Menschen unter schlechten Bedingungen in kirchlichen oder
staatlichen Einrichtungen
untergebracht.
Erst 20 Jahre später kam es zu einer Veränderung der stationären
Versorgung von alten
9
Menschen. Dabei stand die pflegerische Betreuung im Vordergrund,
jedoch fehlte es an
geschultem Personal. Diese Zeit gilt als Geburtsstunde des Berufes
des Altenpflegers/der
Altenpflegerin.
In den 1970er Jahren lösten der ganzheitliche Ansatz der Pflege
sowie die psychische und
soziale Befriedigung von Bedürfnissen mit der Versorgung von
Defiziten die
körperorientierte Pflege ab. Viele Pflegeeinrichtungen wurden
wohnlicher gestaltet und es
wurde mehr auf individuelle Wünsche der Pflegebedürftigen
eingegangen (Menker,
Waterboer 2006, S.6-8).
4.2 Altenpflege heute
Gegenwärtig gibt es in Österreich verschiedene Möglichkeiten für
die Versorgung von
pflegebedürftigen Menschen. Es gibt sowohl stationäre
Betreuungseinrichtungen wie
Pflege- und Altenheime, als auch die Möglichkeit einer ambulanten
Betreuung durch
mobile soziale Dienste wie mobile Hauskrankenpflege oder Essen auf
Rädern oder
Fahrtendienste für Besorgungen und Termine. Zusätzlich etabliert
sich in Österreich der
Bereich der teilstationären Betreuung immer mehr. In diesen Bereich
gehören
Tageszentren und Tagesstätten, wo Pflegebedürftige tagsüber betreut
werden. Bei der
ambulanten und teilstationären Betreuung werden die alten
pflegebedürftigen Menschen
so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden und in ihrer
vertrauten Umgebung
versorgt. Eine weitere Möglichkeit ist das „betreute Wohnen“. Hier
wohnen die alten
Menschen in eigenen Wohnungen, die sich in der Nähe von
Pflegeheimen oder
Einsatzstellen von mobilen Diensten befinden. Diese Wohnungen sind
meist barrierefrei,
ermöglichen den Bewohnern ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und
Unabhängigkeit
und bei Bedarf gleichzeitig Unterstützung durch
Pflegepersonal.
Um private informelle Pflege handelt es sich, wenn Pflegebedürftige
von Angehörigen,
Nachbarn oder Freunden zuhause gepflegt werden. Dies ist eine sehr
häufige Form der
Altenpflege. Der Großteil dieser Pflegenden sind Frauen. Der
relative Anteil dieser
Pflegeform ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten jedoch
aufgrund von
gesellschaftlichem Wandel und vermehrter Erwerbstätigkeit von
Frauen rückläufig.
Zunehmend wird aber die Möglichkeit der 24-Stunden-Betreuung
angenommen.
Pflegebedürftige werden zuhause von Fachpersonal betreut, das rund
um die Uhr vor Ort
10
Neben den Sachleistungen werden Pflegebedürftige in Österreich
staatlich durch
finanzielle Leistungen in Form des Pflegegeldes unterstützt. 2014
bezogen laut Statistik
Austria durchschnittlich mehr als 450.000 Österreicherinnen und
Österreicher Pflegegeld.
Dieses gliedert sich in 7 Pflegestufen, wobei Pflegestufe 1 mit
derzeit 154,20€ pro Monat
die niedrigste und Pflegestufe 7 mit derzeit 1655,80€ pro Monat die
höchste Stufe ist. Die
Einstufung erfolgt je nach Pflegebedarf, der in Stunden pro Monat
angegeben wird. Zirka
zwei Drittel der Pflegegeldbezieher und -bezieherinnen sind Frauen.
Der Großteil der
Bezieher und Bezieherinnen entfällt auf die unteren Stufen, mehr
als zwei Drittel verteilen
sich auf die Stufen 1 bis 3 (Bundesministerium für Arbeit, Soziales
und
Konsumentenschutz, 25.01.2015,
Betagte Menschen benötigen aufgrund ihres Alters, aufgrund von
ihren häufig mehrfachen
und chronischen Erkrankungen und aufgrund ihrer besonderen
Eigenschaften spezielle
Beachtung und Betreuung. Bei ihnen stehen die Förderung und die
Erhaltung der
Selbstständigkeit und der Lebensqualität im Vordergrund und nicht
die Heilung der
vorhandenen Krankheiten (Böhmer, Füsgen 2008, S.11 &
S.37).
4.3.1 Geriatrische Anamnese und geriatrisches Assessment
Krankheiten im Alter sind häufig sehr komplex. Deshalb bedarf es
einer genauen
Anamnese und klinischen Untersuchung. Neben dem Erfragen und
Untersuchen der
vorhandenen Symptome und des derzeitigen Befindens sind die
Erhebung einer
Sozialanamnese über Kontakte in der Familie, Wohnsituation oder
etwaige in Anspruch
genommene Dienste und die Erfassung von Wertvorstellungen und
Kriterien für eine hohe
Lebensqualität von großer Bedeutung. Es muss von Fall zu Fall
entschieden werden, ob
es sinnvoll bzw. notwendig ist, die Angehörigen bei der Anamnese
mit einzubeziehen. Vor
11
allem bei der Besprechung von Befunden oder Therapieplänen ist dies
aber häufig
zweckmäßig, weil die älteren Menschen künftig auch noch auf die
Hilfe von Angehörigen
angewiesen sind (Böhmer, Füsgen 2008, S.31-36).
Eine notwendige Ergänzung zur geriatrischen Anamnese stellt das
Geriatrische
Assessment dar. Das Geriatrische Assessment ist ein Instrument zur
Einschätzung und
Erfassung der Bedürfnisse von älteren Menschen und deren Risiko
betreuungs- und
pflegebedürftig zu werden und ihre selbstständige Lebensweise zu
verlieren. Es ist ein
multidimensionaler und interdisziplinärer Prozess. Beim
Geriatrischen Assessment sollen
sowohl medizinische, psychosoziale und funktionale Defizite und
Probleme als auch die
vorhandenen Ressourcen erkannt werden und gleichzeitig soll ein
umfassender und
geeigneter Betreuungs- und Therapieplan entwickelt werden. Das
Geriatrische
Assessment soll auch Grundlage für das Entlassungsmanagement und
für die Wahl von
geeigneten weiteren Betreuungs- oder Rehabilitationseinrichtungen
sein. Das Geriatrische
Assessment gliedert sich in verschiedene Dimensionen, physische
Dimensionen, kognitive
Funktionen, emotionale Funktionen, ökonomische Funktionen, soziale
Funktionen und
häusliche Umgebung. Es ist wichtig Defizite dieser Funktionen
frühzeitig zu erkennen, um
den Verlust von Autonomie und Selbstständigkeit zu
verhindern.
Das Geriatrische Assessment wird mit einzelnen oder mehreren
Elementen aus
standardisierten Testinstrumenten durchgeführt. Es gliedert sich in
drei Stufen. Die erste
Stufe besteht aus einer strukturierten geriatrischen Anamnese mit
allgemeinem Screening
und geriatrischen Basisfragen. In der zweiten Stufe kommt es zur
Beurteilung inwiefern
der Patient/die Patientin die Aktivitäten des täglichen Lebens
durchführen kann. Zu den
Untersuchungsinstrumenten der zweiten Stufe zählen der
Barthel-Index von Mahoney und
Barthel und die Beurteilung der instrumentalen Aktivitäten des
täglichen Lebens von
Lawton und Brody. Weitere gängige Testverfahren in dieser zweiten
Stufe sind die Mini-
Mental State Examination zur Erfassung von globalen kognitiven
Störungen, der Clock-
Completion-Test, um kognitive Defizite und Hirnleistungsstörungen
wie ein beginnendes
Demenzsyndrom zu erkennen, der Timed Get Up and Go-Test zur
Einschätzung des
Sturzrisikos, das Mini-Nutritional-Assessment, um eine
Mangelernährung oder das Risiko
einer Mangelernährung festzustellen und weiters die Geriatric
Depression Scale,
Sozialfragebögen und Überprüfungen der Sinnesfunktionen wie Seh-
und Hörtests. Die
dritte Stufe ist das problemorientierte Assessment (Böhmer, Füsgen
2008, S.34 & S.38-
45).
12
Das Geriatrische Assessment sollte bei gebrechlichen älteren
Menschen durchgeführt
werden, die unter typischen altersbedingten Problemen leiden.
Auswahlkriterien sind unter
anderem ein Alter von über 65, Demenz, Verwirrtheit, Stürze
innerhalb der letzten 3
Monate, Mangelernährung oder der Verdacht einer solchen,
Bettlägerigkeit und
Immobilität, Inkontinenz, Dekubitus, Seh- und Hörschwächen.
Ausschlusskriterien sind im
Gegensatz eine sehr fortgeschrittene Demenz, terminale und
intensivstationspflichtige
Erkrankungen, fehlende Compliance des Patienten/der Patientin. Das
Geriatrische
Assessment gilt als evidencebasierter Standard für die Betreuung
von alten Menschen. Mit
einer konsequenten Anwendung können die Pflegebedürftigkeit,
der
Medikamentenverbrauch, die Verweildauer in Krankenhäusern und
die
Wiederaufnahmeraten, die Notwendigkeit von Alten- und
Pflegeheimeinweisungen und die
Morbidität von älteren Patienten und Patientinnen gesenkt werden
(Böhmer, Füsgen 2008,
S.41-42 & S.46-47).
4.3.2 Multimorbidität
Von Multimorbidität spricht man, wenn ein Mensch gleichzeitig an
mehreren
behandlungsbedürftigen Erkrankungen leidet, die meist einen
chronischen Verlauf haben.
Dazu zählen sowohl somatische, als auch psychosoziale und
psychische Erkrankungen.
Dieses Phänomen tritt vor allem bei älteren Menschen sehr häufig
auf, da vom
körperlichen Abbau im Alter nicht nur ein Organ sondern mehrere
Organe und
Organsysteme betroffen sind. Mit zunehmendem Alter steigt die
Anzahl der gleichzeitig
vorhandenen Krankheiten an. Zur Multimorbidität kommt auch noch
eine Polypathie, das
Vorhandensein von mehreren ruhenden Leiden, hinzu (Böhmer, Füsgen
2008, S.15 &
S.83-84).
schwieriger klinische Diagnosen zu stellen, da bestimmte Symptome
verborgen sein
können. Zusätzlich können für multimorbide ältere Patienten und
Patientinnen
Erkrankungen bereits tödlich sein, die sonst nicht unbedingt zum
Tod führen (Böhmer,
Füsgen 2008, S.75-76).
Frailty ist ein geriatrisches Syndrom, das multidimensional und
sehr komplex ist. Die
Entwicklung zur Frailty geht mit einem Verlust der
Selbstständigkeit bis hin zur
vollkommenen Hilfsbedürftigkeit und Vulnerabilität einher. Im
fortgeschrittenen Stadium gilt
Frailty als irreversibel und Vorbote des Todes. Eine Definition von
Frailty ist aufgrund der
Komplexität sehr schwierig, genauso die Übersetzung vom Begriff
„Frailty“ ins Deutsche,
weshalb in der Literatur meist das englische Wort verwendet
wird.
Frailty kann nicht mit Multimorbidität gleichgesetzt werden, aber
Multimorbidität gilt als
Risikofaktor für Frailty. Es gibt einen Zusammenhang zwischen
Multimorbidität, Frailty und
funktioneller Behinderung. Weitere Risikofaktoren sind hohes Alter,
Malnutrition und
chronische Erkrankungen. Frailty umfasst altersbedingte
biologische, medizinische,
psychische und soziale Faktoren, die physische und psychische
Auswirkungen haben.
Es werden 5 typische Charakteristika von Frailty beschrieben:
ungewollter Gewichtsverlust
(mehr als 10% des Körpergewichts pro Jahr), geringe Ausdauer und
schnelle
Ermüdbarkeit, Schwäche und Kraftverlust (Handgriffstärkemessung),
langsamer und
unsicherer Gang, verringerte körperliche Aktivität. Wenn drei oder
mehr dieser Merkmale
zutreffen, spricht man von Frailty. Bei ein oder zwei zutreffenden
Eigenschaften, handelt
es sich um ein klinisches Vorstadium und sollte kein Merkmal
zutreffend sein, kann man
eine Person als „rüstig“ bezeichnen.
Wenn Frailty in einem Frühstadium erkannt wird, können das
Voranschreiten der
Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit und der Verlust der Autonomie
durch zielgerichtete
Prävention und Therapie hinausgezögert werden (Böhmer, Füsgen 2008,
S. 269-276).
Ein Merkmal der Frailty ist die Gangunsicherheit. Diese erhöht
zusammen mit weiteren
Risikofaktoren wie Muskelschwäche, Sehschwäche,
Gleichgewichtsstörungen, Stürze in
der Vergangenheit, die Einnahme bestimmter Medikamente, die
Benützung von Gehhilfen
sowie Umgebungsfaktoren wie schlechte Beleuchtung, fehlende
Sicherheitsmaßnahmen
und „Stolperfallen“ bei älteren und vor allem hochbetagten Menschen
das Sturzrisiko
enorm. Auch einige typische Erkrankungen im Alter steigern das
Sturzrisiko. Dazu zählen
Morbus Parkinson und Arthrosen von großen Gelenken. Ein
kennzeichnendes Gangbild
bei erhöhter Sturzgefahr zeigt sich durch eine vorgebeugte
Körperhaltung, viele kleine
Schritte, längeren Bodenkontakt mit beiden Füßen und einen
breitbeinigen Gang. Studien
zeigen, dass etwa ein Drittel der über 65-Jährigen mindestens
einmal pro Jahr stürzen, bei
den über 80-Jährigen ist es sogar die Hälfte. Um die Sturzrate zu
verringern sind
14
(Böhmer, Füsgen 2008, S.153-158)
Der Flüssigkeitshaushalt eines Menschen besteht aus dem Verhältnis
von
Flüssigkeitsaufnahme und Flüssigkeitsabgabe. Zur Abgabe zählen
neben der
Urinausscheidung auch Schwitzen und Erbrechen. Es ist wichtig, dass
der
Flüssigkeitshaushalt ausgeglichen ist, das heißt, dass die Aufnahme
und der Verlust von
Flüssigkeit im Gleichgewicht stehen. Ein häufiges Problem bei
älteren Menschen ist ein
Flüssigkeitsmangel, auch als Exsikkose oder Dehydration bezeichnet.
Dieser kann durch
zu hohen Flüssigkeitsverlust oder durch zu geringe Aufnahme von
Flüssigkeit verursacht
werden. Die Symptome einer Exsikkose sind stehende Hautfalten,
trockene Zunge und
Mundschleimhaut und damit verbundene Schluck- oder Sprachstörungen,
Schwindel,
Hypotonie, geringe und stark konzentrierte Harnmengen, Müdigkeit
bis hin zu Verwirrtheit
und Somnolenz. Bei schwerer Dehydration kann es sogar zu einem
Herz-
Kreislaufversagen kommen. Gründe für eine zu geringe
Flüssigkeitsaufnahme im Alter
sind ein verringertes Durstgefühl und bei Menschen mit Inkontinenz
häufig die Angst, nicht
schnell genug eine Toilette zu erreichen, wenn sie viel trinken.
Gründe für eine erhöhte
Flüssigkeitsabgabe können sowohl Erbrechen und Durchfall, starkes
Schwitzen als auch
Punktionen von Ergüssen und vermehrte Harnausscheidung durch die
Einnahme von
Diuretika sein. Durch schwere Exsikkose kann es zu
Nierenfunktionsstörungen bis hin
zum Nierenversagen und anderen irreversiblen Organschädigungen
kommen. Es ist daher
wichtig, dass ältere Menschen täglich eine ausreichende
Flüssigkeitsmenge zu sich
nehmen. Wenn dies enteral nicht möglich ist, wird häufig in Form
von intravenösen oder
subkutanen Infusionen parenteral Flüssigkeit zugeführt (Böhmer,
Füsgen 2008, S.139-
143).
Eine weitere Besonderheit im Alter ist die Ernährung. Vor allem bei
Hochbetagten ist
Mangelernährung ein häufiges Problem. Dabei müssen drei Formen
des
Gewichtsverlustes unterschieden werden. Anorexie bezeichnet die
Abnahme von
Fettmasse, bedingt durch eine zu geringe Kalorienzufuhr. Eine
Sarkopenie ist durch zu
niedrige Eiweißzufuhr und zu wenig körperliche Aktivität
gekennzeichnet. Es handelt sich
um einen Verlust von Muskelmasse. Bei der Kachexie kommt es zum
Abbau von Muskel-
15
und Fettmasse. Ein Abbau der Muskelmasse ist typisch im Alter. Zum
Problem wird
Sarkopenie aber dann, wenn die alten Menschen in ihren Funktionen
eingeschränkt sind
und ein erhöhtes Sturzrisiko besteht. Regelmäßige körperliche
Aktivität und eine
eiweißreiche Ernährung sind deshalb notwendig, um die Muskeln so
gut wie möglich zu
erhalten und einem Abbau entgegen zu wirken. Während bei jungen
Menschen ein BMI
von 18,5 kg/m² oder niedriger auf eine Mangelernährung hinweist,
ist bei betagten
Menschen ein BMI von 22 kg/m² als Risikowert eingestuft und bei
einem BMI von 20 kg/m²
spricht man von einer Malnutrition. Neben den physischen Ursachen
können auch
psychische Aspekte der Grund von Mangelernährung sein und dürfen
nicht außer Acht
gelassen werden. Der Ernährungszustand soll im Rahmen des
Geriatrischen
Assessments erfasst werden, etwa mit dem Mini Nutritional
Assessment (Böhmer, Füsgen
2008, S.551-556).
Um einer Malnutrition im Alter entgegen zu wirken, ist eine
adäquate, ausreichende
Ernährung notwendig. Dabei soll die orale Nahrungsaufnahme an
erster Stelle stehen.
Pürierte Kost, spezielle Löffel, „Finger food“, appetitlich
angerichtete Teller, das Essen
mundgerecht schneiden oder bei der Nahrungsaufnahme unterstützen,
sind bedeutsame
Hilfsmaßnahmen. Wenn die Kalorien- oder Eiweißzufuhr nicht
ausreicht, gibt es die
Möglichkeit die Speisen mit hochkalorischen oder eiweißreichen
Mitteln anzureichern oder
kalorien- oder eiweißreiche Zusatznahrungen anzubieten. Wenn eine
orale Ernährung
nicht ausreichend oder gar nicht möglich ist, etwa aufgrund einer
ausgeprägten
Schluckstörung, gibt es zusätzlich die Möglichkeit einer Ernährung
mittels
Nahrungssonde. Die häufigste Form ist die perkutane endoskopische
Gastrostomie (PEG)
(Böhmer, Füsgen 2008, S.557-559).
andere Ursachen zugrunde liegen. Die Verstopfung gilt nicht als
eigenständige Krankheit,
sondern als Symptom von anderen Krankheitsbildern. Sie äußert sich
durch erschwerten
Stuhlgang, hartem knolligem Stuhl, geringer Stuhlmenge und weniger
als 3 Stuhlgängen
pro Woche (Böhmer, Füsgen 2008, S.123-125).
16
innerhalb kurzer Zeit (Stunden oder Tage), Einschränkung der
Aufmerksamkeit,
Denkstörungen und mindestens zwei der folgenden Symptome –
gestörter Schlaf-
/Wachrhythmus, Wahrnehmungsstörungen, Gedächtnisstörungen,
gestörte
Bewusstseinslage, Inaktivität oder ruhelose Getriebenheit und
Desorientierung zur
eigenen Person, Zeit und Ort. Diagnosekriterien für ein Delir sind
eine Fremdanamnese zu
Dauer der Verwirrtheit und zerebralem Zustand, eine
Medikamentenanamnese,
Laboruntersuchungen mit Blutbild, CRP, Blut- und Urinkulturen, eine
Temperaturmessung
und wenn nötig weitere Untersuchungen je nach vermuteter Ursache.
Auch eine
Dehydration kann der Grund für eine akute Verwirrtheit sein
(Böhmer, Füsgen 2008, S.97-
100)
Bei der chronischen Verwirrtheit (Demenz) kommt es zu einer
Schmälerung von
erworbenen kognitiven Fähigkeiten. Dies kann unterschiedliche
Ursachen haben. Eine
Demenz ist nicht reversibel und hat einen fortschreitenden Verlauf.
Sie liegt dann vor,
wenn mehrere kognitive Ausfälle vorhanden sind und zwar
Gedächtniseinschränkungen
und mindestens eines der folgenden Symptome: Sprachstörungen,
Störungen von
Exekutivfunktionen wie planen oder organisieren, Gegenstände können
nicht identifiziert
oder wiedererkannt werden, motorische Aktivitäten können nur mehr
eingeschränkt
ausgeführt werden, die kognitiven Defizite wirken sich negativ auf
alle sozialen und
beruflichen Funktionen aus. Demenz wird in der Regel in drei
Schweregrade unterteilt,
leicht, mittel und schwer. Bei der leichten Demenz können
komplizierte Alltagsaufgaben
nicht mehr ausgeführt werden, bei der mittelschweren Demenz können
nur mehr einfache
Tätigkeiten ausgeführt werden und bei der schweren Demenz können
keine
nachvollziehbaren Gedankengänge mehr kommuniziert werden. Das Alter
gilt als größter
Risikofaktor für eine dementielle Erkrankung. Mit ansteigendem
Alter steigt auch die
Wahrscheinlichkeit an einer Demenz zu erkranken. Die häufigsten
Formen der
altersbedingten Demenz sind die Alzheimerdemenz und die vaskuläre
Demenz. Es gibt
verschiedene Kennzeichen, die auf eine Demenz hinweisen, Betroffene
wiederholen sich,
können sich an nahe zurückliegende Ereignisse oder Gespräche nicht
mehr erinnern,
finden abgelegte Gegenstände nicht wieder, finden sich plötzlich in
vertrauter Umgebung
nicht mehr zurecht und haben Probleme beim Autofahren, haben
Probleme mit der
Wortfindung und Schwierigkeiten Gesprächen zu folgen, können
komplexe Handlungen
17
mit mehreren Schritten wie kochen nicht mehr ausführen, reagieren
langsamer und sind
misstrauisch und leicht reizbar (Böhmer, Füsgen 2008, S.101-104
& S.253).
In der Demenzdiagnostik kommen sowohl Anamnese und Fremdanamnese,
medizinische,
neurologische und psychologische Untersuchungen, als auch
psychometrische Tests wie
Minimental-Status-Test, Glock Completion Test und Test zur
Früherkennung von Demenz
mit Depressionsabgrenzung zum Einsatz. Für eine erfolgreiche
Therapie ist eine möglichst
frühzeitige Erkennung wichtig. Die Erhaltung von bestehenden
Fähigkeiten und die
körperliche Aktivierung stehen bei der Therapie im Vordergrund
(Böhmer, Füsgen 2008,
S.104-105 & S.253).
4.3.6 Erhöhte Krankheitsanfälligkeit und
Infektionskrankheiten
Ältere Menschen sind anfälliger für Krankheiten und Infektionen.
Das ist vor allem durch
den altersbedingten Abbau des Immunsystems und durch die
Veränderungen von Nieren-
und Leberfunktionen, sowie durch die Multimorbidität begründet.
Außerdem ist die
Sterblichkeit an diesen Infektionen im Vergleich zu jungen Menschen
bei den Älteren
dreimal so hoch. Die Infektionen zeigen oft atypische oder gar
keine Symptome, weshalb
eine Diagnose häufig erst spät erfolgt. Zusätzlich kommt es bei
betagten Menschen
aufgrund des Alterungsprozesses zu Veränderungen von
Laborparametern vor allem
Elektrolyte, Nieren- und Leberwerte, Herzparameter und
Entzündungsparameter, was eine
Diagnosestellung zusätzlich erschwert. Die häufigsten Infektionen
sind
Harnwegsinfektionen, Infektionen der Atemwege und der Lunge,
Hautinfektionen,
Influenza, Herpes Zoster, Sepsis, bakterielle Meningitis und auch
Infektionen im
Bauchraum. Da bei älteren Menschen Pharmakodynamik und
Pharmakokinetik verändert
sind, ist eine passende Therapie oft schwierig. Aufgrund der
verminderten Nierenfunktion
im Alter, können Antibiotika, die renal ausgeschieden werden nur
mit Vorsicht und in an
die Nierenfunktion angepasster Dosis verwendet werden. Dazu kommt,
dass bei älteren
Menschen viel leichter und öfter Nebenwirkungen auftreten als bei
jungen Menschen
(Böhmer, Füsgen 2008, S.65-69 & S.77-78 & S.355-359).
Es gibt wichtige Maßnahmen, die die Entstehung von
Infektionskrankheiten verhindern
oder das Risiko einer Entstehung verringern. In erster Linie ist
die Mobilisierung wichtig,
da Immobilität das Risiko für Infektionskrankheiten erhöht. Weiters
spielen eine
ausgewogene Ernährung mit genügend Eiweiß und Vitaminen und eine
Überprüfung der
18
Medikamenteneinnahme eine bedeutsame Rolle. Zusätzliche
Risikofaktoren wie lange
Krankenhausaufenthalte und Sedierung sollen nach Möglichkeit
vermeiden werden, auch
die Liegedauer von nötigen Blasenkathetern soll so kurz wie möglich
gehalten werden.
Außerdem gibt es die Möglichkeit von Impfungen gegen Influenza und
Pneumokokken, die
ab einem gewissen Alter empfohlen werden (Böhmer, Füsgen 2008,
S.359).
4.3.7 Dekubitus und chronische Wunden
Ein Dekubitus ist ein durch Reibung, Druck oder Scherkräfte
entstandener Hautdefekt und
Defekt tiefer liegender Gewebe. Durch die altersbedingten
Veränderungen der Haut und
alterstypische Syndrome wie Inkontinenz oder Immobilität steigt mit
dem Alter das Risiko,
dass ein Dekubitus entsteht. Die am öftesten betroffenen
Körperregionen sind die Fersen,
der Sakralbereich und das Gesäß. Dekubitalgeschwüre werden in 4
Schweregrade
unterteilt: Grad I – bleibende Rötung bei intakter Haut
Grad II – Blasenbildung und oberflächige Schädigung der Haut
Grad III – Schädigung von Haut und Subkutis bis zur Faszie
Grad IV – Schädigung von Haut, Subkutis und unterhalb der
Faszie
liegendem Gewebe
Der Heilungsprozess von Dekubitalgeschwüren dritten und vierten
Grades ist sehr
langwierig. Neben der lokalen Therapie ist eine Reduktion von
patientenbezogenen sowie
der von außen einwirkenden Risikofaktoren notwendig. Am wichtigsten
ist eine
Druckentlastung durch Weichlagerung und Lagerungs- bzw.
Bewegungspläne ((Böhmer,
Füsgen 2008, S.129-131).
Andere chronische Wunden gibt es bei betagten Menschen häufig
aufgrund von Diabetes
mellitus, chronisch venöser Insuffizienz und peripherer arterieller
Verschlusskrankheit.
Dabei sind fast immer die unteren Extremitäten betroffen. Auch bei
diesen chronischen
Wunden ist der Heilungsprozess sehr langwierig und die Betroffenen
haben mit
funktionellen Einschränkungen zu kämpfen (Böhmer, Füsgen 2008,
S.131-132).
4.3.8 Schmerzen
Mit dem steigenden Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit an
akuten oder chronischen
Schmerzen zu leiden. Die häufigsten Ursachen sind Erkrankungen
des
19
Osteoporose, schmerzhafte Folgen von Stürzen und Immobilität sowie
Kontrakturen
können Gründe für Schmerzen im Alter sein. Akute Schmerzen sind oft
postoperativ oder
traumatisch bedingt und dauern Tage bis Wochen. Bei diesen
Schmerzen ist die Ursache
meist klar erkennbar. Im Gegensatz dazu haben chronische Schmerzen
oft viele Ursachen
und Gründe. Zur Erhebung der Schmerzintensität und zur Beobachtung
des
Schmerzverlaufes gibt es verschiedene Skalen. Die am meisten
verwendeten sind die
numerische Ratingskala und die visuelle Analogskala und für
Patienten mit verbalen
Kommunikationsproblemen die fünfstufige Smiley-Skala. In der
Schmerztherapie kommen
sowohl konservative als auch medikamentöse Methoden zur Anwendung.
In erster Linie
sollte eine deutliche Linderung der Schmerzintensität im
Vordergrund stehen (Böhmer,
Füsgen 2008, S.89-93).
4.3.9 Arzneimittel
Die medikamentöse Therapie hat in der Behandlung von geriatrischen
Patienten und
Patientinnen einen sehr hohen Stellenwert und zählt gleichzeitig zu
einem der
komplexesten und schwierigsten Bereiche in der Altenpflege. Die
Schwierigkeit liegt darin,
den Nutzen und die möglichen Schäden und Nebenwirkungen eines
Medikamentes
abzuwägen. Ältere Menschen sind anfälliger für unerwünschte
Nebenwirkungen als junge
Menschen, gleichzeitig aber mehr auf die Medikamente angewiesen.
Aufgrund von
Multimorbidität nehmen ältere Menschen häufig mehrere verschiedene
Medikamente ein.
Durch die Veränderungen im Alter werden sowohl Pharmakodynamik als
auch
Pharmakokinetik der Arzneimittel beeinflusst, was eine nicht
effektive
Arzneimittelkonzentration und Arzneimittelwirkung zur Folge haben
kann. Durch den
verzögerten Abbau von Wirkstoffen, können schneller Nebenwirkungen
auftreten oder es
kann zu verstärkten Wirkungen der Arzneimittel kommen (Böhmer,
Füsgen 2008, S.575-
576).
von Arzneimittelwechselwirkungen. Je mehr Medikamente gleichzeitig
eingenommen
werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich
gegenseitig beeinflussen.
Die Wirkung kann entweder verstärkt oder abgeschwächt, verlängert
oder verkürzt
werden. Es gibt sowohl pharmakokinetische als auch
pharmakodynamische
20
Wechselwirkungen. Es ist daher notwendig, die medikamentöse
Therapie bei älteren
Patienten und Patientinnen individuell anzupassen und regelmäßig zu
überprüfen.
Zusätzlich sollten mögliche nicht medikamentöse Therapien in
Betracht gezogen werden
(Böhmer, Füsgen 2008, S.577-578 & S.582-583).
4.4 Pflegeprozess und Pflegeplanung
Der Pflegeprozess stellt die Basis der professionellen Pflege dar.
Mit Hilfe des
Pflegeprozesses werden die individuell auf den Patienten
abgestimmten
Pflegemaßnahmen kontinuierlich überprüft, geplant und evaluiert.
Zusätzlich wird die
Planung dadurch transparenter und durchgeführte Maßnahmen sind
leichter nachweisbar.
Es gibt verschiedene Modelle des Pflegeprozesses, welche vier bis
sechs Schritte
umfassen. In Zusammenhang mit der geriatrischen Pflege und Monika
Krohwinkel kommt
häufig das 4-Phasen-Modell nach Yura und Walsh von 1967 zum
Einsatz, welches von
der WHO 1976 weltweit präsentiert wurde. Die vier Phasen des
Pflegeprozesses sind:
Erhebung/Einschätzung
Planung
Durchführung
Evaluation/Bewertung
Es gibt aber auch die Möglichkeit den Pflegeprozess im
6-Stufen-Modell nach Fiechter
und Meier 1988 umzusetzen. Dabei wird die Planungsphase in Erkennen
von Problemen
und Ressourcen, Festlegung der Pflegeziele und Planung der
Pflegeinterventionen
aufgespalten (Bollmann 2008, S.20; Menker, Waterboer 2006, S.102
& S.134).
In der ersten Phase geht es vor allem um die Informationssammlung
und die Erhebung
von Gewohnheiten, Problemen und Ressourcen der Patienten und
Patientinnen.
Persönliche Daten (Name, Alter, Geburtsdatum, Beruf, Wohnort,
Adresse), soziale
Situation (Angehörige und Bezugspersonen, das aktuelle
gesellschaftliche Leben,
Wohnsituation, Familienstand), physische Verfassung (Krankheiten,
körperliche
Einschränkungen und Behinderungen) und psychische Verfassung
(Ängste, Sorgen,
Nervosität, Optimismus), sowie Vorlieben und Abneigungen werden
dabei erhoben. In
dieser ersten Phase unterscheidet man zwischen direkten Daten
(Informationen, die von
den Patienten und Patientinnen selbst kommen), indirekten Daten
(Informationen von
Angehörigen, Befunden und Krankengeschichten, aber nicht von den
Patienten und
21
Patientinnen selbst), subjektiven Daten (persönliche Empfindungen
der Patienten und
Patientinnen, die nicht messbar sind wie Schmerzen, Übelkeit,
Trauer, Angst) und
objektive Daten (messbare Werte, wie Puls, Blutdruck,
Körpertemperatur, Harnmenge,
Blutzuckergehalt). Die Probleme und Ressourcen der Personen sind
wichtige Punkte der
ersten Phase, sie stellen die Grundlage für eine angemessene und
angepasste Pflege-
und Maßnahmenplanung dar. Diese Informationssammlung orientiert
sich vor allen in der
geriatrischen Pflege an den Lebensaktivitäten, die an das
Strukturmodell von Monika
Krohwinkel angelehnt sind. Diese Aktivitäten basieren auf den
menschlichen
Bedürfnissen, die erfüllt werden sollen. Die Erhebung und
Einschätzung von Problemen
und Ressourcen des Patienten/der Patientin stellt den Ausgangpunkt
für die
verschiedenen Pflegediagnosen dar. Für die Erhebung der
Gewohnheiten der alten
Menschen kommt die Biographiearbeit zum Einsatz. Sie gibt einen
Einblick in den
Lebenslauf und in persönliche Einstellungen und Wertvorstellungen,
auf Hobbies und
Dinge, die die Betroffenen gerne oder gar nicht mögen (Menker,
Waterboer 2006, S.102-
103 & S.134-139).
Die zweite Phase umfasst die Formulierung von Pflegezielen und die
Pflegeplanung. Die
Pflegeziele sollen auf die in der ersten Phase erhobenen Probleme
und Ressourcen der
hilfsbedürftigen Personen abgestimmt sein. Diese Ziele können in
Nah- und Fernziele
unterteilt werden, was in der Altenpflege aber nicht immer sinnvoll
ist und sie müssen
immer wieder aktualisiert und überprüft werden. Es gibt präventive,
kurative, rehabilitative
und palliative Pflegeziele. Alle Ziele müssen realistisch,
überprüfbar, konkret und
nachvollziehbar sein. Die Pflegeplanung orientiert sich an diesen
Zielen und beschreibt die
durchzuführenden Pflegemaßnahmen. Durch die Pflegeplanung wird
ersichtlich, wann und
durch welche Maßnahmen die gesetzten Pflegeziele erreicht werden
sollen. In erster Linie
sollen durch die gesetzten Ziele das Wohlbefinden, die
Selbstständigkeit, die
Unabhängigkeit, die Lebensqualität bewahrt und gefördert werden und
die vorhandenen
Ressourcen und Fähigkeiten erhalten bleiben. Anhaltspunkte für die
Pflegeplanung sind
die „W“-Fragen „Was?“, „Womit?“, „Wann?“, „Wie oft?“ und „Wer?“
(Menker, Waterboer
2006, S.103-104 & S.139-140).
Die Durchführung der geplanten Pflegemaßnahmen ist die dritte Phase
des
Pflegeprozesses. Die Durchführung der Maßnahmen basiert auf
Pflegestandards, welche
die Qualität der Pflege und die Kontinuität der Pflegehandlungen
sicherstellen. Durch
diese Standards ist eine einheitliche Durchführung der
Pflegeinterventionen möglich und
die Beurteilung der Leistungen wird erleichtert. Jeder
pflegebedürftige Mensch hat das
22
Recht, selbst zu entscheiden, welche Unterstützung oder Übernahme
von Tätigkeiten
er/sie annehmen möchte und welche er/sie ablehnt. Deshalb ist eine
genaue
Dokumentation von Abweichungen zur vorhandenen Pflegeplanung
notwendig. Aber auch
die durchgeführten Interventionen müssen als durchgeführt
dokumentiert bzw. bestätigt
werden. Die Pflegemaßnahmen gliedern sich in mehrere Dimensionen.
Dazu zählen die
physisch-funktionale und die willentlich-emotionale Dimension.
Unterstützende
Pflegehandlungen wie Beaufsichtigung, teilweise und vollständige
Übernahme von
Tätigkeiten entsprechen der physisch-funktionalen Dimension. Zur
willentlich-emotionalen
Dimension gehören Anleitung, Motivation, Beratung und Information,
also instruktive
Pflegehandlungen, die Selbstwertgefühl, Hoffnung und Wohlbefinden
verbessern können.
Bei der Durchführung der Maßnahmen ist eine aktivierende Pflege von
großer Bedeutung.
Pflegebedürftige Personen führen dabei, wenn nötig unter Anleitung
oder motivierendem
Zuspruch, Tätigkeiten selbstständig oder mit Unterstützung aus,
ihre vorhandenen
Ressourcen werden mit einbezogen (Bollmann 2008, S.34-36; Menker,
Waterboer 2006,
S.102 & S.140-142).
Die vierte und letzte Phase ist die Evaluation. Eine solche
Beurteilung der Pflege und der
angewendeten Maßnahmen wird regelmäßig durchgeführt. Ziel der
Evaluation ist es, die
Wirksamkeit der Pflegemaßnahmen in Hinsicht auf Erreichung der
Pflegeziele zu
bewerten. Nach der Beurteilung werden bestehende Ziele und geplante
Maßnahmen
wenn notwendig angepasst. Wenn die Ziele erreicht wurden, können
neue Pflegeziele
formuliert werden, wurden sie jedoch nicht erreicht, dann beginnt
der Pflegeprozess mit
seinen vier Phasen wieder von vorne mit der Erhebung der Gründe für
das Nichterreichen
der Ziele (Bollmann 2008, S.37-38; Menker, Waterboer 2006, S.105
& S.142-143).
5. Darstellung des Pflegemodells von Monika Krohwinkel -
Modell
der ganzheitlich fördernden Prozesspflege
Monika Krohwinkel hat ihr Modell der Aktivitäten und existentiellen
Erfahrungen des
Lebens erstmals 1984 veröffentlicht. Im Rahmen der Studie
„Rehabilitierende
Prozesspflege an Beispiel von Apoplexiekranken“ hat sie dieses
Modell 1991 zur
ganzheitlich fördernden Prozesspflege weiterentwickelt. Für
Krohwinkel bedeutet
fördernde Prozesspflege mehr als Rehabilitation, sie orientiert
sich an Pflege- und
23
Das Modell der fördernden Prozesspflege ist nicht
defizitorientiert, sondern es ist ein
fähigkeits- und förderorientiertes System. Es ist personenbezogen
und sowohl die
Fähigkeiten der Pflegebedürftigen als auch die sozialen Beziehungen
zwischen
Pflegebedürftigen, deren Angehörigen und den Pflegepersonen spielen
eine große Rolle.
Ziel dieses Modells ist, dass der Mensch seine Bedürfnisse
entwickeln und mit seinen
Fähigkeiten umgehen kann. Wenn das nicht mehr möglich ist, handelt
die Pflegeperson
stellvertretend im Interesse der Hilfsbedürftigen (Krohwinkel 2008,
S.206; Löser 2008,
S.36).
Monika Krohwinkel wurde laut eigenen Aussagen bei der Entwicklung
ihres Modells in
erster Linie von der humanistischen Psychologie und der
Phänomenologie beeinflusst. Bei
der humanistischen Psychologie nennt sie vor allem die
Veröffentlichungen von Maslow
und Carl Rogers. In Anlehnung an Carl Rogers sieht Krohwinkel die
Wertschätzung und
den Respekt vor dem Menschen als Person sowie das
Einfühlungsvermögen und die
Kongruenz der Pflegepersonen als Voraussetzung für eine
unterstützende und fördernde
Pflege. Die Aussage von Maslow, einen Menschen als Ganzes, als
Einheit zu sehen, um
mehr über seine Individualität zu erfahren, sieht Krohwinkel als
ihren Erfahrungen
entsprechend an. Sie hält es zwar oft für notwendig, zuerst
einzelne Teile zu analysieren,
aber diese Teile danach mit ihren Zusammenhängen und
Wechselwirkungen als
Ganzheiten zu betrachten. Als weitere theoretische Grundlage für
ihr Modell nennt
Krohwinkel die Systemtheorien, die 1949 von Bertalanffy entwickelt
wurden. Bei diesem
Ansatz geht es auch um die Ganzheitlichkeit. Die Systeme und
Subsysteme werden nicht
als Einzelteile, sondern als Ganzheiten in ihren Zusammenhängen und
Wechselwirkungen
erfasst und prioritätsorientiert verändert. Krohwinkel selbst, ihre
Ansichten und
Überzeugungen und ihre Arbeit in Theorie, Praxis, Forschung und
Lehre wurden laut ihren
Aussagen von mehreren Pflegetheoretikerinnen beeinflusst. In erster
Linie nennt sie dabei
Martha Rogers und deren Aussagen zu Person, Umgebung und ihren
Wechselwirkungen,
Hildegard Peplau und Joyce Travelbee mit ihren Veröffentlichungen
über die
interpersonalen Beziehungen und Virginia Henderson mit ihren
begründeten
Hauptverantwortungen, Hauptaufgaben und nachgeordneten Aufgaben
von
professioneller Pflege (Krohwinkel 2008, S.207-208; Löser 2008,
S.36-37).
24
Gesundheit und Wohlbefinden und Pflegeprozess wurden mithilfe der
Konzepte von
Rogers (1970), Orem (1980) und Roper et al. (1987) analysiert. Die
Ergebnisse dieser
Analyse haben die Entwicklung des theoretischen Rahmenkonzeptes für
die ganzheitlich
fördernde Prozesspflege beeinflusst. Das Konzept Person ist von
zentralem Interesse und
schließt sowohl die Pflegebedürftigen, als auch die Pflegepersonen
mit ein. Der Mensch
trägt das Potential in sich, sich selbst zu verwirklichen und
weiterzuentwickeln, wenn er in
der Lage ist, selbstständig zu handeln und zu denken. Das Konzept
Umgebung wird
ganzheitlich betrachtet. Dazu zählen andere Menschen und Lebewesen
und materielle,
gesellschaftliche, physikalische und ökologische Faktoren, die sich
auf Leben, Gesundheit
und Lebensqualität der Menschen auswirken. Es ist also für die
Gesundheit, das
Wohlbefinden und das Leben der Menschen von großer Bedeutung.
Mensch und
Umgebung sind Systeme, die sich gegenseitig beeinflussen. Das
Interesse im Konzept
Gesundheit und Wohlbefinden gilt sowohl den Defiziten aber vor
allem auch den
Fähigkeiten der Pflegebedürftigen. Gesundheit und Krankheit werden
dabei als
dynamische Prozesse angesehen und nicht als Zustand. Die
medizinische Diagnose ist
zwar ein Teil der Gesundheit, das Ziel der Pflege orientiert sich
aber an dem Teil der
Gesundheit, der für die Betroffenen selbst als Wohlbefinden und
Unabhängigkeit
empfunden wird. Für Krohwinkel sind Wohlbefinden und Unabhängigkeit
untrennbar
miteinander verbunden. Das vierte Konzept umfasst den Pflegeprozess
und das
pflegerische Handeln. Ausgangspunkt sind die Bedürfnisse, Probleme
und Fähigkeiten der
pflegebedürftigen Personen und die Auswirkungen auf Wohlbefinden
und Unabhängigkeit.
Diese Bedürfnisse und Fähigkeiten werden ebenfalls ganzheitlich
gesehen. Krohwinkel
lehnt sich hier an Orems Modell der Selbstpflege von 1980 an.
Demnach entwickelt der
Mensch Selbstpflegeaktivitäten, um für die Sicherheit seiner
Gesundheit und seines
Lebens zu sorgen. Wenn er dann jedoch professionelle Pflege
benötigt, bietet diese
Hilfeleistungen an, um die Pflegebedürftigen bei ihren
Selbstpflegeaktivitäten und der
Wahrnehmung dieser Selbstpflegeaktivitäten zu
unterstützen(Krohwinkel 2008, S.29-30;
Menker, Waterboer 2006, S.98).
5.1.1 Sichtbarkeit
Das Pflegepersonal braucht die nötige Kompetenz, um Probleme,
Ressourcen und
Fähigkeiten der Pflegebedürftigen zu erkennen, diese in den
Pflegeprozess mit
einzubeziehen und durch angemessene Dokumentation erkennbar und
transparent zu
machen (Löser 2008, S.38).
5.1.2 Ganzheitlichkeit
Ein zentraler Punkt dieses Modells ist die ganzheitliche
Betrachtung. Jede AEDL
(Aktivitäten und existentiellen Erfahrungen des Lebens) wird für
sich erfasst, aber auch in
Beziehung zu allen anderen AEDLs gestellt und deren
Wechselwirkungen zueinander
werden berücksichtigt. Hier liegt der Gedanke der humanistischen
Psychologie zugrunde,
dass der Mensch mehr als die Summe seiner Teile sei (Löser 2008,
S.38; Poß, Krämer
2005, S.8).
5.1.3 Kongruenz
Die Pflegemaßnahmen müssen sowohl mit den physisch-funktionalen
Komponenten als
auch mit den willentlich-emotionalen Komponenten übereinstimmen,
das heißt also, dass
der Wille und das physische Können gleich sein müssen. Bei der
physisch-funktionalen
Dimension geht es vor allem um das methodische Verhalten des
Pflegepersonals mit
Auswirkungen auf den Patienten. Diese Dimension wird
lebensaktivitätsbezogen erfasst.
Bei der willentlich-emotionalen Dimension geht es vor allem um den
pädagogischen und
psychologischen Aspekt des Pflegehandelns um Hoffnung,
Selbstwertgefühl,
Wohlbefinden und Unabhängigkeit zu fördern. In der Praxis zeigt
sich jedoch häufig, dass
bezüglich der fördernden körperlichen Pflegemaßnahmen eine hohe
Kompetenz
vorhanden ist, aber die willentlich-emotionale Dimension und die
Hilfe zu selbstständigen
Entscheidungen oft vernachlässigt werden (Elas, 18.12.2014,
http://www.altenpflegeschueler.de/sonstige/pflegekonzept-monika-krohwinkel.php;
Löser
bedeutet, dass die Beziehungen, die geplanten Pflegemaßnahmen und
die Umsetzung
des Pflegeprozesses andauernd gewährleistet sind. Die Pflege wird
dadurch qualitativ
hochwertiger und die betreuungsbedürftigen Menschen bekommen ein
Gefühl der
Sicherheit vermittelt. Diese Kontinuität versteht sich auch im
Zusammenhang mit einem
gleichbleibenden Pflegepersonal. Eine große Anzahl an Pflegenden
und häufig
wechselnde Pflegepersonen sind für die Umsetzung dieses Modells
ungeeignet (Löser
2008, S.40).
Diese fünfte Kategorie ist nahezu mit der Zielsetzung des Modells
gleichzusetzten. Durch
die Förderung von Fähigkeiten sollen sowohl die Pflegebedürftigen
als auch das
Pflegepersonal ein hohes Maß an Wohlbefinden und Unabhängigkeit
erlangen. Der
Mensch soll als individuelles Wesen möglichst selbstbestimmt
denken, handeln und
entscheiden können. Es geht also darum, den Menschen in seiner
Individualität
wahrzunehmen und seine Vorlieben, Abneigungen und
biographiebezogenen
Besonderheiten zu erkennen und damit Wohlbefinden und
Unabhängigkeit und
gleichzeitig die Lebensqualität zu steigern (Löser 2008,
S.40-41).
5.2 5 Teilkonzepte
Das Modell der ganzheitlich fördernden Prozesspflege unterteilt
sich in fünf Teilkonzepte.
5.2.1 Das AEDL(ABEDL®)-Strukturmodell
Ursprünglich orientierte sich das Modell der fördernden
Prozesspflege an den AEDLs –
Aktivitäten und existentiellen Erfahrungen des Lebens. Später wurde
die
27
existentielle Erfahrungen des Lebens erweitert. In Krohwinkels
Konzept gibt es
Gemeinsamkeiten mit den Lebensaktivitäten von Roper et al. 1989 und
dem Modell von
Henderson 1966. Krohwinkel nennt 13 Bereiche, die keiner Hierarchie
unterliegen, sich
aber gegenseitig beeinflussen. Um eine ganzheitliche Sichtweise
sicher zu stellen, muss
neben der einzelnen Betrachtung jeder AEDL auch ihre Wirkung auf
alle anderen AEDLs
berücksichtigt werden (Krohwinkel 2008, S.30-31; Löser 2008, S.42;
Poß, Krämer 2005,
S.8).
→ Sich bewegen können
→ Sich pflegen können
→ Sich beschäftigen lernen und sich entwickeln können
→ Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten können
→ Für eine sichere und fördernde Umgebung sorgen können
→ Soziale Bereiche des Lebens sichern und Beziehungen
gestalten können
können (Löser 2008, S.42).
Die AEDL „Mit existentiellen Erfahrungen des Lebens umgehen können“
beachtet die
Erfahrungen, die pflegebedürftige Menschen im Laufe ihres Lebens
gemacht haben und
die sich auf ihr Erleben von Situationen auswirken. Diese
Erfahrungen lassen sich in drei
Bereiche unterteilen: existenzfördernde Erfahrungen (Zuversicht,
Freude, Vertrauen,
Hoffnung, Sicherheit), existenzgefährdende Erfahrungen (Sorge,
Angst, Isolation,
Hoffnungslosigkeit, Ungewissheit, Schmerzen) und Erfahrungen, die
sowohl
existenzfördernd als auch existenzgefährdend sein können
(kulturgebundene
Erfahrungen, Weltanschauung, Glaube, Werte). Diese AEDL hat auch
Auswirkungen auf
die anderen zwölf Bereiche. In diesem Zusammenhang ist die
Biographiearbeit für die
Pflegeplanung von großer Bedeutung. Die AEDL „Soziale Bereiche des
Lebens sichern
und Beziehungen gestalten können“ dient dazu, eine Gefährdung der
sozialen
28
Beziehungen der Pflegebedürftigen zu verhindern. Vor allem in der
stationären Altenpflege
spielt dies eine große Rolle. Die Einbindung von Angehörigen,
Freunden und Bekannten
und die Erhaltung und Förderung dieser Kontakte und eine eventuelle
Entwicklung von
neuen sozialen Kontakten nach Wunsch der Pflegebedürftigen sind
nach dem Einzug in
ein Heim notwendig (Löser 2008, S.42 & S.45-48; Poß, Krämer
2005, S.8-9).
5.2.2 Das Rahmenmodell
Pflege beeinflussen, das primäre pflegerische Interesse, die
primäre pflegerische
Zielsetzung und die primäre pflegerische Hilfeleistung. Der Mensch
wird dabei als, durch
Erfahrungen geprägt, angesehen und hat einen Anspruch darauf, dass
diese Erfahrungen
im Pflegeprozess berücksichtigt und mit einbezogen werden.
Das primäre pflegerische Interesse: Das Interesse der
Pflegepersonen gilt den betroffenen
Personen, deren Problemen, Bedürfnissen und Fähigkeiten in Bezug
auf die Durchführung
der AEDLs.
Die primäre pflegerische Zielsetzung: Das Ziel ist die Erhaltung,
Förderung bzw.
Wiedererlangung von Wohlbefinden, Unabhängigkeit und Lebensqualität
der
pflegebedürftigen Personen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die
Fähigkeiten der
Betroffenen sowie die ihrer Bezugspersonen berücksichtigt, mit
einbezogen und gefördert.
Die primäre pflegerische Hilfeleistung: Eine fördernde
Kommunikation zwischen
Pflegepersonen, Pflegebedürftigen und deren Bezugspersonen ist von
Bedeutung. Es
werden verschiedene Grade der Hilfeleistung unterschieden, von der
Übernahme bis hin
zur Beratung und Anleitung. Krohwinkel beschreibt dabei fünf
übergreifende Methoden der
Hilfeleistung: für den pflegebedürftigen Menschen handeln, ihn/sie
führen/leiten, für eine
entwicklungsfördernde Umgebung sorgen, ihn/sie unterstützen, den
pflegebedürftigen
Menschen und/oder seine/ihre engsten Bezugspersonen
anleiten/beraten/unterrichten/fördern (Krohwinkel 2008, S.32-35;
Löser 2008, S.49-51;
Poß, Krämer 2005, S.9).
WHO angelehnt.
1. Phase – Erhebung: Pflegeanamnese, Pflegediagnose,
Informationssammlung. Diese
Phase bildet die Basis für die Planung und Durchführung der Pflege.
Fähigkeiten,
Probleme und Bedürfnisse der hilfsbedürftigen Menschen werden in
dieser Phase
erhoben.
2. Phase – Planung: Formulierung von Pflegezielen, Maßnahmen- und
Pflegeplanung. Die
Ziele sollen realistisch und die Maßnahmen angemessen sein. Die
Auswahl der
Maßnahmen und eine effiziente Umsetzung werden begründet und
fachkompetent
geplant.
3. Phase – Durchführung: Kreative Umsetzung der Pflegeplanung. In
dieser Phase steht
die fachgerechte und zuverlässige Durchführung der geplanten
Pflegemaßnahmen im
Vordergrund. Voraussetzung für das Pflegepersonal sind dabei
ein
verantwortungsbewusstes Handeln und eine entsprechende
Qualifikation.
4. Phase – Auswertung: Evaluation, Soll-Ist-Analyse, Feedback. In
dieser Phase wird die
Wirksamkeit des Pflegeprozesses überprüft und beurteilt.
Gegebenenfalls werden
Probleme, Zielsetzungen und die Maßnahmenplanung angepasst.
Der Pflegeprozess ist ein zyklischer Prozess, ein Kreislauf, der
mit der Phase der
Auswertung wieder an der ersten Phase anschließt und immer wieder
von vorne beginnt,
solange ein Mensch pflegerische Hilfe benötigt (Löser 2008,
S.52-53; Poß, Krämer 2005,
S.10).
Krohwinkel betrachtet das Pflegemanagement als Teilsystems des
Gesamtsystems einer
Einrichtung oder Institution. Für die Erreichung der Ziele ist es
notwendig, dass jedes
einzelne Teilsystem seine Hauptaufgaben und Verantwortungsbereiche
klarstellt. Um die
ganzheitlich fördernde Prozesspflege umzusetzen, sind zeitliche,
strukturelle und
personelle Ressourcen erforderlich. Krohwinkel unterteilt die
pflegerischen Leistungen in
drei Hauptaufgaben: direkte Pflege, Pflegedokumentation und
Pflegeorganisation. In
diesem Managementmodell wird deutlich, dass die ganzheitliche
Pflege nicht per Zufall
entsteht, sondern einer genauen Planung, Organisation,
Kommunikation und
30
nicht die angestrebten Ziele. Die pflegerischen Aufgaben
unterteilen sich in eigenständige
Aufgaben (direkte Pflege, Pflegedokumentation, Pflegeorganisation
und Koordination),
Aufgaben nach Anordnung (Mitarbeit bei Diagnostik und Therapie)
und
berufsübergreifende Aufgaben (Kooperation mit anderen
Berufsgruppen). Für eine
möglichst effektive Umsetzung dieser Aufgaben sind folgende Punkte
nötig: eine genau
geplante Pflege, beschriebene und geplante pflegerische
Einzelleistungen, die für alle
Mitglieder des Teams nachvollziehbar und verständlich sind,
festgelegte Zuständigkeiten
und Koordination der verschiedenen Leistungen, Verwendung von
mündlichen und
schriftlichen Kommunikationsformen zur Informationsweitergabe,
regelmäßige Evaluation
und, wenn erforderlich, Umgestaltung und Anpassung der Pflege
(Löser 2008, S.53-54;
Poß, Krämer 2005, S.11).
(Qualitätsentwicklungsmodell)
Die Anwendung des Pflegeprozesses als Regelkreis führt bei den
Pflegepersonen zum
Erfahrungslernen durch eigene Erfahrungen und Erfahrungen in
bestimmten
Pflegesituationen. Im nächsten Schritt sollen diese Erfahrungen
theoretisch reflektiert und
nach der Evaluation diskutiert werden. Durch das reflektierte
Erfahrungslernen kann ein
neues Problembewusstsein beim Pflegepersonal entstehen und neue
geeignete
Handlungen können in die Pflegetätigkeiten übertragen werden.
Krohwinkel geht davon
aus, dass sich dadurch auf Dauer ein verändertes Pflegeverständnis
entwickelt und neue
Pflegekonzepte entstehen (Löser 2008, S.55; Poß, Krämer 2005,
S.11).
Das Qualitätsentwicklungsmodell stellt eine Weiterentwicklung dar
und ist anstelle des
Modells zum reflektierenden Erfahrungslernen das fünfte Teilkonzept
in der überarbeiteten
ABEDL®-Fassung. Dieses Modell geht auf den ständigen Kreislauf
der
Pflegeprozessplanung ein und hebt zusätzlich die Rahmenbedingungen
wie strukturelle,
personelle und zeitliche Ressourcen in den Vordergrund. Krohwinkel
beleuchtet in diesem
Modell zusätzliche Aufgaben der Pflege und des Pflegepersonals, die
dafür verantwortlich
sind, dass der Versorgung, Betreuung und Pflege der
Pflegebedürftigen weniger Zeit
gewidmet werden kann (Löser 2008, S.56).
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praktische Arbeit mit alten Menschen
Die Auswahl des richtigen Pflegemodells für die Praxis, ist für
eine Einrichtung von großer
Wichtigkeit, da die Betreuung und Pflege der Menschen nach diesem
Modell ausgerichtet
wird. Die Umsetzung eines Pflegemodells in die Praxis erfordert
eine umfassende
Vorarbeit. So müssen etwa mögliche Pflegemodelle auf ihre
Anwendbarkeit und Gültigkeit
überprüft werden. Auf Basis des ausgewählten Modells muss ein
Pflegeleitbild entwickelt
werden. Weiters müssen die Schritte des Pflegeprozesses in
Anlehnung an das gewählte
Modell benannt werden und die praktische Umsetzung muss im Rahmen
der
Pflegeplanung organisiert werden. In der ersten Phase der
Einführung ist es wichtig,
Fortbildungen bezüglich des Pflegemodells anzubieten und Pläne für
die praktische
Umsetzung zu entwickeln. Die Implementierung eines Pflegemodells in
die Praxis ist also
sehr komplex und nimmt viel Zeit in Anspruch, deshalb ist es
sinnvoll, die Umsetzung
inhaltlich und zeitlich in einzelne Prozessschritte aufzuteilen
(Menker, Waterboer 2006,
S.129-130).
Das Modell der ganzheitlich fördernden Prozesspflege ist laut
Krohwinkel nicht nur für ein
spezielles Praxisfeld geeignet, sondern es wird in verschiedenen
Bereichen angewendet.
Dazu zählen vor allem die Intensivpflege, die Behindertenpflege,
die Onkologie, die
Neurologie und auch die Psychiatrie. Am weitesten verbreitet ist
dieses Pflegemodell nach
den Aussagen von Krohwinkel jedoch in der stationären geriatrischen
Pflege und in der
ambulanten Pflege. Dem fügt sie hinzu, dass das Ausmaß und die
Qualität der Umsetzung
dieses Modells aufgrund des unterschiedlich großen Wissensstandes
von Einrichtung zu
Einrichtung stark variieren (Krohwinkel 2008, S. 205-206).
Poß und Krämer haben 2005 eine Forschungsarbeit über die Umsetzung
des
Pflegemodells von Monika Krohwinkel in die praktische Arbeit der
stationären Altenpflege
veröffentlicht. Dabei wurden Interviews mit Pflegepersonen geführt.
Pflegetheorien werden
als wichtig empfunden, aber sind nur dann sinnvoll, wenn sie auch
ausreichend umgesetzt
werden und genügend Fachwissen vorhanden ist. Pflegetheorien bieten
die Möglichkeit
einer einheitlichen Arbeitsweise und sind eine Orientierungshilfe
für die Pflege und
Betreuung von Pflegebedürftigen. Im Zentrum steht dabei die
pflegebedürftige Person. In
Bezug auf das Rahmenmodell zeigt sich, dass die Miteinbeziehung von
Ressourcen einen
hohen Stellenwert hat und sich die Pflege an den individuellen
Bedürfnissen jedes
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Anamnese und Pflegeplanung und dient als Hilfestellung beim
Erfassen von
Lebensverhältnissen und existentiellen Erfahrungen. Der Biographie
wird dabei eine große
Bedeutung beigemessen. Beim Pflegeprozessmodell gehen die Meinungen
auseinander.
Der Pflegeprozess wird zwar als wichtig angesehen, jedoch gibt es
vor allem in der
praktischen Umsetzung der vier Phasen Probleme und Aufholbedarf.
Bezüglich des
Managementmodells wird die Pflegedokumentation als notwendig
erachtet, um die Pflege
und die Pflegeleistungen nachvollziehbar und transparent zu machen.
Die Dokumentation
ist außerdem ein Kommunikationsmittel für die Weitergabe von
Informationen sowohl
innerhalb der einzelnen Berufsgruppen als auch berufsübergreifend.
Sie stellt die Basis
der Qualitätssicherung dar. Es wird jedoch kritisiert, dass die
Pflegedokumentation zu
aufwendig ist und zu viel Zeit in Anspruch nimmt, die sonst der
Betreuung der
pflegebedürftigen Personen gewidmet werden könnte. Bezüglich des
Erfahrungslernens
zeigt sich, dass die Pflegepersonen durch die praktische Arbeit
dazu lernen und neue
Ideen und Handlungsmöglichkeiten für die praktische Arbeit mit
alten pflegebedürftigen
Menschen gewinnen. Erschwert wird die Umsetzung der Pflegetheorie
in der Praxis durch
mangelnde zeitliche Ressourcen und fehlendes Hintergrundwissen,
dabei spielt die
unzureichende Befassung mit Pflegetheorien und deren Inhalten in
der Pflege-Ausbildung
eine große Rolle (Poß, Krämer 2005, S.19-24).
Aus der Forschungsarbeit von Poß und Krämer 2005 wird ersichtlich,
dass Teile aus dem
Modell der ganzheitlich fördernden Prozesspflege übereinstimmend
mit der Theorie in der
Praxis umgesetzt werden. Das ist vor allem beim AEDL-Strukturmodell
und beim
Rahmenmodell bezüglich pflegerischer Zielsetzung der Fall. Bei
anderen Teilkonzepten
wie dem Pflegeprozessmodell zeigen sich zwischen theoretischem
Hintergrund und
Praxisumsetzung große Unterschiede. Als Probleme für die Umsetzung
des Pflegemodells
in der Praxis kristallisieren sich vor allem fehlendes
theoretisches Wissen und Zeitmangel
heraus. Aufgrund des fehlenden oder ungenügenden Hintergrundwissens
über das Modell
der ganzheitlich fördernden Prozesspflege können Pflegepersonen
dieses häufig nur
teilweise oder gar nicht in die Praxis umsetzen (Poß, Krämer 2005,
S.38-39).
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Alte pflegebedürftige Menschen benötigen also aufgrund ihrer
Besonderheiten eine
spezielle Pflege und Betreuung. Die geriatrische Pflege hat in den
letzten Jahren und
Jahrzehnten eine große Weiterentwicklung hin zur professionellen
Pflege durchgemacht.
Es gibt heute in Österreich viele verschiedene Formen der
pflegerischen Versorgung für
alte Menschen, seien es Pflege- oder Altenheime oder mobile Dienste
oder eine Rund-um-
die-Uhr-Betreuung zuhause. Staatliche Unterstützung erhalten die
Pflegebedürftigen unter
anderem durch das Pflegegeld.
Der alte pflegebedürftige Mensch besitzt eine Vielzahl an
Besonderheiten, auf die bei der
Pflege und Betreuung Rücksicht genommen werden muss. Dazu zählen
die
Multimorbidität, Frailty, ein veränderter Flüssigkeitshaushalt,
veränderte Ansprüche an die
Ernährung, die gleichzeitige Einnahme von vielen verschiedenen
Medikamenten, ein
verändertes Immunsystem und die damit verbundene höhere
Krankheitsanfälligkeit, vor
allem für Infektionskrankheiten, chronische Schmerzen und
chronische Wunden. Es gibt
ein eigenes Assessmentinstrument für geriatrische Patienten, das
Geriatrische
Assessment. Dies hilft vorhandene Defizite und Ressourcen
festzustellen.
Da die Pflege von alten Menschen eher auf die Erhaltung der
Fähigkeiten und der
Lebensqualität und nicht primär auf die Heilung der vorhandenen
Krankheiten ausgerichtet
ist, eignet sich das Modell der ganzheitlich fördernden
Prozesspflege von Monika
Krohwinkel gut für die stationäre geriatrische Pflege. In diesem
Pflegemodell stehen vor
allem Personen mit längerem Pflegebedarf im Mittelpunkt. Der Mensch
wird ganzheitlich
gesehen, mit all seinen Erkrankungen und Leiden, mit all seinen
Besonderheiten und mit
all seinen vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten. Vor allem auch
der Bereich der
existentiellen Erfahrungen des Lebens eignet sich gut für die
Betreuung von alten
pflegebedürftigen Menschen. Diese haben in ihrem langen Leben schon
viel erlebt und
sind häufig von diesen Erfahrungen geprägt, weshalb auch die
Biographiearbeit sehr
sinnvoll und bedeutend erscheint. Es ist also wichtig, diese
Erfahrungen in der Pflege und
Betreuung zu berücksichtigen und diese mit einfließen zu
lassen.
Bei der Umsetzung des Pflegemodells in die Praxis werden Lücken
sichtbar. Das Problem
zeigt sich hauptsächlich darin, dass das theoretische
Hintergrundwissen bezüglich der
verschiedenen Pflegemodelle nicht ausreichend ist. Dies betrifft
nicht nur das Modell von
Monika Krohwinkel sondern generell alle Pflegemodelle. Hier gibt es
vor allem in der
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Ausbildung Aufholbedarf, da dort der Grundstein für das
theoretische Wissen gelegt wird.
Teile des Modells der ganzheitlich fördernden Prozesspflege werden
schon gut in die
Praxis umgesetzt, bei anderen Teilen wiederum zeigt sich eine
breite Kluft zwischen
Theorie und Praxis. Auch der Zeitfaktor ist ein großes Problem für
die Umsetzung eines
Pflegemodells in die Praxis, einige haben nicht die Zeit sich damit
auseinander zu setzen,
andere wollen sich die Zeit nicht nehmen, da sie der Meinung sind,
dass diese Zeit besser
der Betreuung der Pflegebedürftigen gewidmet werden sollte.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Ansätze zur Umsetzung des
Modells der
ganzheitlich fördernden Prozesspflege von Monika Krohwinkel, dort,
wo es angewendet
wird, schon ganz gut sind und sich die Pflege dort auf dem
richtigen Weg befindet, es
jedoch noch einigen Aufholbedarf gibt und die Umsetzung in die
Praxis noch ausgefeilt
und optimiert werden muss.
Verfügbar unter:
http://www.gesundheit.de/lexika/medizin-lexikon/pflegemodell
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