Die Aufhebung konventionswidrigerGerichtsentscheidungen nach einem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Anmerkung zu dem Urteil des spanischenVerfassungsgerichts vom 16. Dezember 1991 im Fall Barberi
u.a.
Jörg Polaktewz'czl
L Einführung
In seinem Urteil vom 16. Dezember 1991 erklärte das spanische Verfas-
sungsgericht strafrechtliche Verurteilungen für nichtig, nachdem der Eu-
ropäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hatte, daß in dem
zugrundellegenden Strafverfahren die fair trial-Garantien des Art.6 Abs. 1
EMRK nicht beachtet worden waren. Da das Urteil allgemein zu den
1 Dr. lur., Referent am Institut. Der Verfasser dankt Dr. Sim Miquel Ro Advocats
associats, Lleida, für das zur Verfügung gestellte Material.A b k ü r z u n g e n: ATC Auto del Tribunal Constitucional; BJC Boletin de juris-
prudencia Constitucional; E Zulässigkeitsentscheidung der Europäischen Kommission
für Menschenrechte; EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte; EKMREuropäische Kommission für Menschenrechte; EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeit-
schrift; F. Fundamento juridico; HRLJ Human Rights Law Journal; ICLQ Inter-
national and Comparative Law Quarterly; IntKommEMRK H. G o 1 s o n g [u.a.](Hrsg.), Internationaler Kommentar zur EMRK (Loseblatt); JC Jurisprudencia Consti-
tucional; MDR Monatsschrift für Deutsches Recht; NJCM Bulletin Nederlands Tijd-schrift voor de Mensenrechten; NJW Neue juristische Wochenschrift; OJZ Oster-
reichische juristenzeitung; REDI Revista Espafiola de Derecho Internacional; RUDHRevue Universelle des Droits de l'Homme; STC Sentencia del Tribunal Constitucional;ZSR Zeitschrift für schweizerisches Recht; ZStW Zeitschrift für die gesamte Straf-rechtswissenschaft.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberä 805
innerstaatlichen Wirkungen der Feststellung einer Konventionsverletzungdurch den Straßburger Gerichtshof auf rechtskräftig abgeschlossene Ver-
fahren2 Stellung nimmt, ist es auch über Spanien hinaus von besonderemInteresse.
IL Das Barberä-Urteil des Straßburger Gerichtshofs vom 6. Dezember
1988 und seine Auswirkungen in Spanien
Gegenstand des Falles Barberä waren die Strafverfahren, die in Spaniennach dem terroristischen Attentat auf den katalanischen Geschäftsmann
Jos Maria Bultö Marqu im Jahre 1977 eingeleitet worden waren3. Die
Beschwerdeführer, die unter dem Verdacht standen, der terroristischen
Organisation ETO.CA. anzugehören, wurden am 14. Oktober 1980 ver-
haftet. Durch Urteil vom 15. Januar 1982 verurteilte die Audiencia Na-
clonal die Beschwerdeführer Barberä und Messegu als Urheber des At-
tentats gegen Bultö zu einer 30-jährigen Haftstrafe. Weitere Haft- und
Geldstrafen wurden gegen beide wegen unerlaubten Besitzes von Waffenund Sprengstoffen sowie wegen Urkundenfälschung verhängt. Der Be-
schwerdeführer jabardo wurde der Beihilfe an dem Attentat für schuldigbefunden und zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und einem Tag verur-
teilt. Der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) wies die Kassationsbe-
schwerden der Angeklagten Barberä und Messegu in der diese zahlrei-
che Verfahrensfehler gerügt hatten, am 2Z Dezember 1982 als unbegrün-det zurück. Dagegen wurde die Haftstrafe des Angeklagten Jabardo auf 6
Jahre reduziert, da der Oberste Gerichtshof nur die Unterstützung einer
2 Siehe hierzu allgemein M. V 1111 g e r, Die Wirkungen der Entscheide der EMRK-
Organe im innerstaatlichen Recht, namentlich in der Schweiz, ZSR NF 104 1 (1985), 469
(503ff.); G. Ress, Die EMRK und die Vertragsstaaten: Die Wirkungen der Urteile des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im innerstaatlichen Recht und vor inner-
staatlichen Gerichten, in: L Maier (Hrsg.), Europäischer Menschenrechtsschutz, Verhand-
lungen des 5. internationalen Kolloquiums über die EMRK (1982), 227 (240 ff.); j. Ve 1 u/R. E r g e c, La Convention europ&nne des Drolts de l'Homme. Extrait duRpratique du drolt belge Compl tome VII (1990), 1060ff. Speziell zum deutschenRecht H. S t ö c k e r, Wirkungen der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-rechte in der Bundesrepublik, NJW 1982, 1905 ff.; T. Vo g 1 e r, Die Wiederaufnahme des
Strafverfahrens bei Verstößen gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte undGrundfreiheiten (MRK), in: H.-H. jescheck/j. Meyer (Hrsg.), Die Wiederaufnahme des
Strafverfahrens im deutschen und ausländischen Recht (1974), 713ff.; D. Sattler, Wie-
deraufnahme des Strafprozesses nach Feststellung der Konventionswidrigkeit durch Or-
gane der Europäischen Menschenrechtskonvention (1973).3 Vgl. zum folgenden die Darstellung des Sachverhalts im Fall Barberä, Messegu und
jabardo, Urteil vorn 6.12.1988, Serie A Nr. 146, 558ff.
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bewaffneten Bande, nicht aber seine Teilnehme an der Ermordung Bultösfür erwiesen hielt. Eine gegen die Verurteilungen gerichtete Verfassungs-beschwerde (recurso de amparo) wies das Verfassungsgericht am 20. April1983 als offensichtlich unbegründet zurück.Die in Straßburg erhobene Beschwerde hatte Erfolg. Kommission und
Gerichtshof kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis" daß das Verfah-
ren vor der Audiencia Nacional in seiner Gesamtheit nicht den Anforde-
rungen entsprochen habe, die Art.6 Abs.1 EMRK an einen fairen Prozeß
stellt4. Dieses Ergebnis wurde durch eine Zusammenschau verschiedener
Aspekte des gegen die Beschwerdeführer durchgeführten Prozesses er-
reicht. Der Gerichtshof verwies dabei auf die verspätete Überführung derBeschwerdeführer von Barcelona nach Madrid, die unerwartete Änderungder Besetzung des Gerichts kurz vor der Eröffnung der Hauptverhand-lung, die Kürze derselben und insbesondere auf den Umstand, daß sehr
wichtige Beweismittel nicht in angemessener Weise in das *Verfahren ein-
geführt und dort in Gegenwart der Angeklagten und unter Kontrolle der
Öffentlichkeit diskutiert worden waren5. Kommission und Gerichtshofunterstrichen die Bedeutung, die dem Grundsatz der Waffengleichheitund dem Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen des Strafprozesseszukommen. Aus Schutzzweck und Wortlaut der in Art.6 EMRK garan-tierten Verfahrensrechte ergebe sich ein Anspruch des Angeklagten, daßseiner gerichtlichen Verurteilung grundsätzlich nur solche Tatsachen und
Beweismittel zugrundegelegt werden, zu denen er sich im Rahmen einer
öffentlichen und kontradiktorischen Hauptverhandlung äußern konnte.
Die Anhörung von Zeugen müsse in der Regel kontradiktorisch gestaltetwerden6. In dem nur einen Verhandlungstag dauernden Prozeß gegen dieBeschwerdeführer vor der Audiencia Nacional waren wichtige Bela-
snicht gehört worden. Die der Verurteilung zugrundeliegen-den außerordentlich umfangreichen urkundlichen Beweismittel waren
nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Für die Verur-
teilung wesentlichen Geständnisse waren ohne anwaltlichen Beistandwährend der Untersuchungshaft abgelegt worden, als die Beschwerdefüh-
rer über einen längeren Zeitraum incomunicado festgehalten wurden. Der
zentrale Untersuchungsrichter in Madrid hatte die Angeklagten trotz of-
4 EKMR, zbz*d., 50 (5 108); EGMR, ibid., 5 89.5 EGMR, tbid., 5 89.6 EKMR, ibid., 49 (§ 104); EGMR, ibid., 5 78. Siehe hierzu auch Fall Asch, Urteil vom
26.4.1991, Serie A Nr.203, § 27; Fall Lüdi, Urteil vom 25.6.1992, Serie A Nr.238, § 47
EuGRZ 1992, 300; IntKommEMRK- M 1 e h s 1 e r / Vo g 1 e r, Art.6 Rdnr.349.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barbeni 807
fensichtlicher Widersprüche in ihren Aussagen nie persönlich gehört. Un-ter Berücksichtigung der Komplexität des Falles und der Schwere der zu
erwartenden Strafen blieb der Prozeß gegen die Beschwerdeführer damit
deutlich hinter den Anforderungen zurück, die Art.6 Abs.1 EMRK an
die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens stellt7. Eine
Entscheidung über die nach Art.50 EMRK zu gewährende Entschädigungbehielt sich der Gerichtshof zunächst vor.
Angesichts von Art und Umfang der festgestellten Verfahrensmängelkonnte kein Zweifel daran bestehen, daß die Verurteilungen der Be-
schwerdeführer auf einem insgesamt konventionswidrigen Verfahren be-
ruhten. Denn es war nicht auszuschließen, daß eine angemessene Beach-
tung der verfahrensrechtlichen Garantien im Ergebnis zu einer ihnen gün-stigeren Entscheidung geführt hätte8. Der Fall erschien daher in besonde-
rer Weise geeignet, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Spanienzu erreichen. Eine Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Straf-
verfahren (revzsz'ön) ist nach spanischem Recht aber nur dann zulässig,wenn einer der in Art.954 der StPO (Ley de enjuiciamiento criminal -
LEC) abschließend aufgezählten Wiederaufnahmegründe vorliegt. Auf
neue Tatsachen oder Beweismittel kann der Antrag nur dann gestütztwerden, wenn sie geeignet sind, die Unschuld des Verurteilten zu bewei-
sen (Art.954 Nr.4 LEC). Angesichts einer eher restriktiven Wiederauf-
nahmepraxis der spanischen Gerichte9, mußte ein auf Art.954 LEC ge-stützter Antrag der Beschwerdeführer wenig erfolgversprechend erschei-
nen. Die spanische Regierung hielt die Durchführung eines Wiederauf-nahmeverfahrens aufgrund dieser Vorschrift für unzulässig10. Die Be-
schwerdeführer stellten daher keinen Wiederaufnahmeantrag. Vielmehr
versuchten sie, eine Nichtigerklärung ihrer Verurteilungen durch die Au-
diencia Nacional und den Obersten Gerichtshof zu erreichen. Ihren An-
7 In seiner neueren Rechtsprechung stellt auch das Verfassungsgericht strengere Anfor-
derungen an die Unmittelbarkeit des Strafverfahrens und verlangt, daß Beweismittel grund-sätzlich in die mündliche Verhandlung eingebracht werden müssen, STC 150/87 vom
1. 10. 198 7, JC XIX, 59 (F.2").8 Vgl. hierzu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen von
Art.103 Abs.1 GG BVerfGE 7, 95 (99); 60, 313 (318); 73, 322 (330). Hierzu E.
Schmidt-Assmann, in: T. Maunz/G. Dürig/R. Herzog, Grundgesetz (Kommentar),Art.103 Abs.1 Rdnr.151 und 155.
9 Vgl. D. L i ii a n N o g u e r a s, Efectos de las sentencias del Tribunal Europeo de De-
rechos Humanos y derecho espafiol, REDI 37 (1985), 356 (371 ff. mit weiteren Nachwei-
sen).10 Wnioire du Gouvernement espagnole sur les pr des requ&ants au titre de
Particle 50 (parvenu au greffe le 2 mars 1989), Doc.Cour (89) 43 vom 2.3.1989, 4f.
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trag stützten sie auf eine entsprechende Anwendung der Art.238 Abs.3
und 240 des spanischen Gerichtsverfassungsgesetzes (Ley Orgänica del
Poder Judicial - LOPJ). Art.238 Nr.3 LOPJ bestimmt, daß gerichtlicheAkte u.a. dann nichtig sind, wenn die Verletzui3g wesentlicher gesetzli-cher Verfahrensvorschriften oder der Grundsätze des rechtlichen Gehörs',des Beistandes und der Verteidigung zu einer Verteidigungslosigkeit (in-defenstön) geführt haben". Die Nichtigkeit ist grundsätzlich mit Hilfeder in den allgemeinen Pro*zeßgesetzen zur Verfügung gestellten Rechts-mitteln geltend zu machen (Art.240 Abs.1 LOPJ). Solange noch kein
endgültiges Urteil vorliegt, kann sie aber auch ex offiCio durch den zu-
ständigen Richter bzw. das zuständige Gericht nach vorheriger Anhörungder Parteien erklärt werden (Art.240 Abs.2 LOPJ)12. Die Beschwerde-führer vertraten die Auffassung, der spanische Staat sei aufgrund des Bar-
berä-Urteils verpflichtet, die für konventionswidrig erklärte Verurteilungzu beseitigen (Art.50ff. EMRK i.V.m. Art.96 Abs.1 und 10 Abs.2 der
Verfassung)13. Der Straßburger Urteilsspruch vom 6. Dezember 1988 sei
in zweifacher Hinsicht "innerstaatlich unmittelbar anwendbar ("directa-mente aplicable en el ordenamiento interno"). Zum einen stelle er einenach Art.10 Abs.2 der Verfassung14 für alle staatlichen Organe verbindli-
Interpretation und Anwendung eines Grundrechts (Art.6 Abs.1
EMRK bzw. Art.24 Abs.2 der Verfassung) in einem konkreten Fall dar.
11 "Art.238. Los actos judiciales serän nulos de pleno derecho en los casos sigulentes:3. Cuando se prescinda total y absolutamente de las normas esenciales de procedimiento
establecidas por la ley o con infracclön de los principios de audienca, asistencia y defensa,siempre que efectivamente se haya producido indefensiön".
12 "Art.240. 1. La nulidad de pleno derecho, en todo caso, y los defectos de forma en
los actos procesales que impliquen ausencia de los requisitos indispensables para alcanzar
su fin o determinen efectiva indefenslän, se harän valer por medio de los recursos estableci-dos en la ley contra la resoluciön de que se trate o por los demäs medlos que establezcan las
leyes procesales. 2. Sin perjulcio de ello, el juez o Tribunal podrä, de oficio antes de quehubiere recaido sentencia definitiva, y siempre que no proceda la subsanaciön, declarar,previa audencia de las partes, la nulidad de todas las actuaciones o de alguna en particular".
13 Vgl. Observations des requ&ants sur la question de l'applicatiOn de Particle 50 de laConvention (d au greffe le 4 avril 1989) - texte espagnole, Doc.Cour (89) 79, 3-5;Observations compl des requ&ants sur la question de l'application de Particle 50
(rlies au greffe le 2 mal 1989), Doc.Cour (89) 120, Anhang 1.14 "Die Normen, die sich auf die in der Verfassung anerkannten Grundrechte und
Grundfreiheiten beziehen, sind in Übereinstimmung mit der allgemeinen Erklärung derMenschenrechte und den von Spanien ratifizierten internationalen Verträgen und Abkom-
men über diese Materien auszulegen" - "Las normas relativas a los derechos fundamentales
y a las libertades que la Constituclön reconoce se interpretarän de conformidad con laDeclaraciön Universal de Derechos Humanos y los tratados y acuerdos internacionalessobre las mismas materias ratificados por Espafia".
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barber 809
Zum anderen sei der spanische Staat gern. Art.96 Abs.1 der Verfassung15verpflichtet, das Urteil zu beachten und einzuhalten. Die auf einem kon-
ventionswidrigen Verfahren beruhende Verurteilung sei daher gem.Art.238 Nr.3, 240 LOPJ für nichtig zu erklären. Gleichzeitig beantragtendie bei Verkündung des Straßburger Urteils noch in Haft befindlichen
Barberä und Messegu die Vollstreckung ihrer Strafen sofort auszuset-
zen.
Durch Beschluß vom 29. Juni 1989 erklärte sich die Audiencia Naclo-
nal für unzuständig, über die Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden, da
hierfür allein der Oberste Gerichtshof zuständig sei (Art.57 LOPJ,Art.957 LEC analog)16. Dennoch verfügte sie, die Strafvollstreckung vor-
läufig auszusetzen und die beiden noch in Haft befindlichen Beschwerde-führer freizulassen. Da die Aussetzung der Vollstreckung von Strafurtei-len im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde gesetzlich nicht vorgesehenist, stützte die Audiencia Nacional ihre Entscheidung auf eine analogeAnwendung der entsprechenden Bestimmungen für die Kassations- und
Verfassungsbeschwerde (Art.861 bis a) Abs.3 LEC bzw. Art.56 Verfas-
sungsgerichtsgesetz). Die Audiencia Nacional begründete ihre Entschei-
dung mit den guten Erfolgsaussichten der Beschwerde und den sich aus
den Urteilen des Straßburger Gerichtshofs ergebenden Verpflichtungen.Entscheidungen oder Akte, bei denen Grundrechtsverletzungen festge-stellt worden sind, seien von den Gerichten soweit wie möglich als wir-
kungslos zu betrachten.Anschließend hatte der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) über
die Nichtigkeitsklage der Beschwerdeführer zu entscheiden. In einem Ur-
teil vom 4. April 1990 stellte er fest, daß das spanische Strafprozeßrechtes derzeit nicht erlaube, die Verurteilungen der Beschwerdeführer zu an-
17nullieren Ein Urteil des Straßburger Gerichtshofs sei aufgrund seines
deklaratorischen Charakters innerstaatlich nicht vollstreckbar. Er sei
keine supranationale Gerichtsinstanz, die nationale Urteile aufheben oderabändern könne. Um eine nachträgliche Annullierung rechtskräftiger Ur-
teile zu erreichen, deren Konventionswidrigkeit durch den StraßburgerGerichtshof festgestellt worden ist, sei eine Änderung der bestehenden
15 "Gültig abgeschlossene internationale Verträge werden nach ihrer offiziellen Veröf-
fentlichung in Spanien Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung. Ihre Bestimmungen kön-
nen nur in der von den Verträgen selbst vorgesehenen Form oder gemäß den allgemeinenRegeln des Völkerrechts aufgehoben, abgeändert oder suspendiert werden".
16 Audiencia Nacional (Secci6n la de la Sala de lo Penal), Sumario 46/77, j. Central
nüm. 1.17 Tribunal Supremo vom 4.4.1990 (Recurso n' 4616/89).
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Gesetzgebung erforderlich. Solange dies nicht geschehen sei, könne der
festgestellten Konventionsverletzung nur im Wege der Begnadigung oder
durch die Gewährung einer Geldentschädigung, die nach Maßgabe desArt.50 EMRK zu bestimmen sei, Rechnung getragen werden. Außerdemwurde verfügt, die Vollstreckung der im Fall Bultö verhängten Haftstra-
fen fortzusetzen. Es ist zu bedauern, daß der Oberste Gerichtshof in sei-
ner Entscheidung nicht in hinreichendem Maße auf die detailliert vorge-
tragenen Argumente der Beschwerdeführer eingegangen ist, sondern al-
lein auf das Fehlen eines besonderen Verfahrens zur Vollstreckung der
Straßburger Urteile abgestellt hat. Zu der vom Beschwerdeführer vorge-schlagenen Anwendung der Art.238 Nr.3, 240 Abs.2 LOPJ nahm dasUrteil nicht Stellung. Es war daher nicht verwunderlich, daß die Be-
schwerdeführer gegen diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
Verfassungsbeschwerde (recurso de amparo) erhoben.Das Verfassungsgericht stellte zunächst durch einen Beschluß vom 18.
Juli 1990 die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Haftstrafen wie-
der her, die die Audiencia Nacional angeordnet hatte18. Das Gerichtführte aus, der Straßburger Gerichtshof habe mit verbindlicher Wirkungfür den spanischen Staat und alle seine Organe festgestellt, daß die Verur-
ilungen der Beschwerdeführer unter Verstoß gegen das Recht auf einentei
fairen Prozeß zustandegekommen seien. Angesichts dieser Tatsache
würde die weitere Freiheitsentziehung zu einem irreparablen Schaden
führen, den das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung gerichtli-cher Urteile nicht zu rechtfertigen vermag. Auch im Hauptsacheverfahrenhatten die Beschwerdeführer Erfolg. In seinem Urteil vom 16. Dezember
199119 erkannte das Verfassungsgericht das Recht der Beschwerdeführerauf einen öffentlichen Prozeß mit allen verfahrensrechtlichen Garantien
ausdrücklich an. Es erklärte sowohl das Urteil des Obersten Gerichtshofs
vom 4. April 1990 als auch die ursprünglich ergangenen strafrechtlichen
Verurteilungen durch die Audiencia Nacional und den Obersten Ge-
richtshof für nichtig und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung und
Entscheidung an die Audiencia Nacional zurück. In seiner Begründungstellte das Gericht zunächst klar, daß die in den Vorinstanzen diskutierteProblematik eines innerstaatlichen Vollzugs des Straßburger Barberteils für seine Entscheidung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei.
Aufgrund ihres deklaratorischen Charakters seien die Straßburger Urteile
18ATC 312/90 vom 18.Z1990.19 STC 245/91 vom 16.12.1991, Suplemento del Boletin Oficial del Estado Nr.13 vom
15.1.1992, 39 BJC 129 (1992), 86.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberä 811
nicht innerstaatlich vollstreckbar. Die EMRK habe weder eine supra-
nationale Kontrollinstanz innerstaatlicher Gerichts- und Verwaltungsent-scheidungen geschaffen, noch schreibe sie bestimmte Verfahrensmittel
aufhebenden Charakters vor, um die Wiedergutmachung der festgestell-ten Konventionsverletzungen zu gewährleisten. Art.50 EMRK erlaube es,
die Wiederherstellung der vor der Konventionsverletzung bestehenden Si-
tuation durch die Gewährung einer gerechten Entschädigung zu ersetzen.
Nach ganz herrschender Meinung ergebe sich aus der Konvention keine
Verpflichtung, die Urteile des Straßburger Gerichtshofs dadurch inner-
staatlich zu vollziehen, daß rechtskräftige und vollstreckbare innerstaat-
liche Gerichtsentscheidungen nachträglich aufgehoben werden20- Die feh-
lende innerstaatliche Vollstreckbarkeit der Straßburger Urteile bedeute
aber nicht, daß die in ihnen enthaltene Feststellung einer Konventionsver-
letzung innerstaatlich keinerlei Wirkungen entfalten würde. Es sei zu be-
rücksichtigen, daß die EMRK nicht nur Teil der innerstaatlichen Rechts-
ordnung ist, sondern daß die in der spanischen Verfassung enthaltenen
Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten in Übereinstimmungmit den von Spanien ratifizierten menschenrechtlichen Verträgen und Ab-
kommen zu interpretieren seien (Art.10 Abs.2 der Verfassung). Im vor-
liegenden Fall stelle der durch den Straßburger Gerichtshof konstatierte
Konventionsverstoß gleichzeitig eine gegenwärtig noch andauernde Ver-
letzung des Rechts auf persönliche Freiheit gern. Art.17 Abs.1 der Verf.
dar, die durch die Zahlung einer Entschädigung nicht ausgeglichen wer-
den könne. Im Barberä-Urteil sei festgestellt worden, daß die strafrecht-
lichen Verurteilungen der Beschwerdeführer aufgrund eines Verfahrens
ergangen sind, in dem Art.6 Abs.1 EMRK nicht beachtet worden ist. Da
die in dieser Vorschrift gewährleisteten fair trial-Garantien denjenigen des
Art.24 Abs.2 der spanischen Verfassung entsprechen, erweise sich die
weitere Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen als verfassungswid-rig. Das Gericht sei daher als oberster Richter der Verfassung und der
Grundrechte dazu aufgerufen, Abhilfe zu schaffen21. Sodann wird unter
Bezug auf das angegriffene Urteil des Obersten Gerichtshofs festgestellt,daß das spanische Strafprozeßrecht derzeit eine Wiederaufnahme rechts-
kräftig abgeschlossener Verfahren nicht erlaube. Die Auslegung, Art.240
Abs.2 LOPJ lasse die nachträgliche Beseitigung seines endgültigen Urteils
nicht zu, könne aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet wer-
20 Ibid., F.2'.21 Ibz*d., F.3'.
51 ZaöRV 52/3-4
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812 Polakiewicz
den22. Da ein mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaresUrteil vorliege, komme als einziges Mittel zur Beseitigung der weiterbe-stehenden Grundrechtsverletzung nur die Verfassungsbeschwerde in Be-tracht. Denn die in Art.240 LOPJ formulierten Grenzen einer nachträgli-chen Abänderung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen seien fürdas Verfassungsgericht nicht verbindlich. Dabei appelliert das Verfas-
sungsgericht an den Gesetzgeber, geeignete Rechtsbehelfe zu den ordent-lichen Gerichten zur Verfügung zu stellen, um den Schutz der in EMRKund Verfassung garantierten Rechte in Zukunft besser zu koordinieren23.
Schließlich weist das Verfassungsgericht darauf hin, daß eine vollstän-
dige Beseitigung der festgestellten verfassungswidrigen Situation nur
durch eine Aufhebung der ursprünglichen Verurteilungen durch die Au-diencia Nacional und den Obersten Gerichtshof zu erreichen ist. Die Sa-che müsse erneut unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Garantienverhandelt und entschieden werden. Obwohl es keine selbständige.Grundrechtsverletzung enthalte, sei auch das Urteil des Obersten Ge-richtshofs vom 4. April 1990 zu annullieren, da es die ursprünglichenVerurteilungen bestätigt habe.
In seiner abweichenden Meinung wirft G i m e n o S e n d r a der Mehr-heit vor, ihre Begründung sei offensichtlich widersprüchlich. Obwohl siezunächst den rein deklaratorischen Charakter der Urteile des StraßburgerGerichtshofs betont, stelle ihre Entscheidung eine Vollstreckung des Bar-ber dar. Auf diese Weise werde der Straßburger Gerichtshof ineine "verfassungsrechtliche Superrevisionsinstanz" ("supercasac1,6n cons-
titucional") und das Verfassungsgericht in ein Vollstreckungsorgan seiner
Urteile verwandelt. Da eine nachträgliche Aufhebung der strafrechtlichen
Verurteilungen der Beschwerdeführer von Konventions wegen nicht ge-fordert war, habe sich das Verfassungsgericht gesetzgeberische Befugnisseangemaßt. Außerdem hätte der Verfassungsbeschwerde schon deshalbnicht stattgegeben werden dürfen, weil die angegriffene Entscheidung,das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 4. April 1990, keinerlei verfas-
sungsmäßige Rechte der Beschwerdeführer verletzt habe. Wie die Mehr-heit selbst einräumt, sei die in dieser Entscheidung vorgenommene Ausle-
gung von Art.240 Abs.2 LOPJ verfassungsrechtlich nicht zu beanstan-den. In dem Sondervotum von Richter L e g u 1 n a V i 11 a wird die Auf-
fassung vertreten, daß im vorliegenden Fall eine Nichtigerklärung in ent-
sprechender Anwendung von Art.240 Abs.2 LOPJ möglich gewesen
22 Ibt*d., F.4o.23 Ibid., F.5o.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberä 813
wäre. Die verbindliche Feststellung einer Konventionsverletzung durchden Straßburger Gerichtshof hätte zu einer Durchbrechung der inner-
staatlichen Rechtskraft und Endgültigkeit der strafrechtlichen Urteile füh-
ren müssen. Auf diese Weise wäre ein effektiver Schutz der Grundrechte
durch die ordentlichen Gerichte erreicht worden.
III. Die Bedeutung des Urteils des Verfassungsgerichts vom 16. Dezember
1991 für das spanische Recht
Es mag zunächst überraschen, daß das Verfassungsgericht der Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unmittel-
bare Bedeutung für die Auslegung der Grundrechte der spanischen Ver-
fassung zumißt. Diese Praxis hat ihre Grundlage in Art.10 Abs.2 der Ver-
fassung, der bestimmt, daß die in ihr garantierten Grundrechte und
Grundfreiheiten in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte und den von Spanien ratifizierten internationalen Verträ-
gen und Abkommen auszulegen sind24. Dabei ist die Europäische Men-
schenrechtskonvention das mit Abstand am häufigsten herangezogene in-
ternationale Übereinkommen25. Soweit in diesem Zusammenhang Kon-
ventionsbestimmungen auszulegen sind, analysiert das Verfassungsgerichtregelmäßig eingehend die von den Konventionsorganen entwickelte Inter-
pretation26. Art.10 Abs.2 der Verfassung kann daher als Einbruchstelle
24 Siehe oben Anm. 14.25 Vgl. zum Einfluß der EMRK und der Praxis der Straßburger Organe E. G a r c i a d e
E n t e r r i a, Valeur de la jurisprudence de la Cour europ des Drolts de l'Homme en
drolt espagnol, in: Protection des drolts de l'homme: la dimension europ Wlangesen l'honneur de G. j. Wiarda (1988), 221 ff.; j. D e 1 g a d o B a r r i o, Proyecclön de las
decisiones del Tribunal Europeo de Derechos Humanos en la jurisprudencia espaiiola, Re-
vista de Administraci,6n Püblica, Nr.119 (1989), 233-252; A. Lorca Navarrete, La
influencia de la iurisprudencia del Tribunal Europeo de los Derechos Humanos en la juris-
prudencia del Tribunal Constitucional Espaiiol, Revista de Informa Legislativa Nr.107
(1990), 315-334; M.-A. Eis s en, L'Interaction des jurisprudences constitutionnelles natio-
nales et de la jurisprudence de la Cour europ des Droits de l'Homme, in: D. Rous-
seau/F. Sudre (Hrsg.), Conseil constitutionnel et Cour europ des Droits de l'Homme
(1990), 137 (180-187); J. Polakiewicz/V. Jacob-Foltzer, The European Human
Rights Convention in Domestic Law: The Impact of Strasbourg Case-law in States where
Direct Effect is Given to the Convention (second part), HRLJ 12 (1991), 125 (132-136).26 So die ständige Rechtsprechung seit dem Urteil STC 12/81 vom 10.4.1981, JC 1, 218
(F.3'). Siehe etwa STC 195/89 vom 2711.1989, BJC 105 (1990), 62 (FY) (freie Wahl der
Unterrichtssprache - Belgiscber Sprachenfall); STC 85/90 vom 5.5.1990, BJC 109 (1990),266 (F.3') (angemessene Frist, Art.6 Abs.1 EMRK - Zimmermann und Steiner); STC 104/
90 vom 4.6.1990, BJC 111 (1990), 65 (F.2') (Freiheitsentzlehung wegen Geisteskrankheit,Art.5 Abs. 1 lit.e EMRK - Winterwerp, Ashingdane); STC 120/90 vom 2Z6.1990, BJC 111
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814 Polakiewicz
für die Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs in das spanischeVerfassungsrecht bezeichnet werden. In der spanischen Lehre wird sogar
0---
davon gesprochen, daß dank der extensiven Interpretation, die Art.10Abs.2 der Verfassung in der Praxis insbesondere des Verfassungsgerichtserfahren habe, die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte in die spanische Rechtsordnung "inkorporiert" worden27seien
Trotz dieser intensiven Auseinandersetzung mit der Straßburger Recht-
sprechung hatte das Verfassungsgericht im Fall Barberä erstmals zu den
innerstaatlichen Wirkungen eines gegen Spanien ergangenen Urteils Stel-
lung zu nehmen. Die in seinem Urteil vom 16. Dezember 1991 gefundeneLösung ist im Kontext der verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Fal-les zu sehen und ersetzt die Einführung eines besonderen Verfahrens zuminnerstaatlichen Vollzug der Straßburger Urteile durch den Gesetzgebernicht. Das Gericht bestätigt die Auffassung des Obersten Gerichtshofs,daß eine nachträgliche Beseitigung rechtskräftiger gerichtlicher Entschei-
dungen, die auf einem konventionswidrigen Verfahren beruhen, nach
spanischem Recht grundsätzlich nicht möglich ist. Eine Ausnahme soll
nur dann gelten, wenn der vom Straßburger Gerichtshof festgestellteKonventionsverstoß gleichzeitig eine Verletzung spanischen Verfassungs-rechts darstellt und den Beschwerdeführer weiter in seinen Grundrechten
beeinträchtigt. Während die erste Voraussetzung wegen der weitgehendenÜbereinstimmung des Normbereichs von Konventions- und Grundrech-
ten in der Regel vorliegen wird, besteht die außerdem geforderte "Perpe-tuierung einer für grundrechtswidrig erklärten Situation'128 nach demEnde der Vollstreckung des beanstandeten Urteils nicht mehr. Da dieVerfahren vor den Straßburger Organen bis zur abschließenden Entschei-
dung durch den Gerichtshof in der Regel einige Jahre in Anspruch neh-
(1990), 148 (FY) (erniedrigende Behandlung, Art.3 EMRK - Tyrer, Irland gegen Verei-
nigtes Königreich, Campbell und Cosans, Soering). Vgl. im übrigen die regelmäßigenRechtsprechungsberichte in der Revista Espafiola de Derecho Internacional, jurisprudenciaespafiola en materia de Derecho internacional püblico, REDI 35 (1983), 116ff.; REDI 36
(1984), 124ff.; REDI 37 (1985), 486ff.; REDI 40 (1988), 200ff.27 J. Gonzälez Vega, Nota, REDI 40 (1988), 208. Siehe auch Delgado B arrio
(Anm. 25), 252 : "... el reconocimlento por nuestra Constituciön - art.10.2 - del DerechoComün que es el Convenio comprende tambi y muy destacadamente el complementojurisprudencial que le proporciona la doctrina del Tribunal Europeo de Derechos Huma-
nos"); Lorca Navarrete (Anm. 25), 317 ("... aplicaci(5n directa de esa jurispruden-cia").
28 11... la perpetuaciön de una situactön declarada contraria a derechos fundamentales
garantizados por la Constituciän F.4'.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberä 815
men, sind derartige Situationen nur bei langen Haftstrafen denkbar. Eine
Übertragung der Argumentation des Gerichts auf die andauernde Voll-
streckung einer reinen Geldstrafe erscheint nicht möglich. Denn selbst
wenn die zugrundeliegende Verurteilung auf konventionswidrige Weise
zustande gekommen ist, würde die Vollstreckung keinen andauernden
Eingriff in die Eigentumsgarantie oder in andere grundrechtlich verbürgteRechtspositionen darstellen.
Die Auffassung des Verfassungsgerichts, daß allein die Verfassungsbe-schwerde eine Durchbrechung der Rechtskraft endgültiger Gerichtsurtelle
ermögliche, war bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung zu dem An-
spruch auf effektiven Rechtsschutz (Art.24 Abs.1 CE) angelegt und über-
rascht daher nicht. Die von den Beschwerdeführern herangezogene Vor-
schrift des Art.240 Abs.2 LOPJ erlaubt ihrem Wortlaut nach die Nichtig-erklärung gerichtlicher Akte nur so lange, bis ein mit den allgemeinenRechtsbehelfen nicht mehr angreifbares "endgültiges UrteiV ("sentenciadefinitiva") vorliegt. Für den Fall einer Verletzung des rechtlichen Gehörs
hatte das Verfassungsgericht zwar zunächst eine einschränkende, am Vor-
rang der Grundrechte orientierte Auslegung vorgenommen. In einem Ur-
teil vom 8. Juni 1988 erklärte es, daß als ein "endgültiges Urteil" im Sinne
des Art.240 Abs.2 LOPJ nur ein bereits vollständig vollstrecktes Urteil
gelten könne29. Es wurde daher als zulässig erachtet, endgültige gerichtli-che Entscheidungen nach Anhörung der Parteien für nichtig zu erklären,sofern die Nichtigkeit auf Verfahrensfehler zurückzuführen ist, die ver-
fassungsrechtlich gewährleistete Garantien berühren und deren Verlet-
zung bisher nicht erfolgreich geltend gemacht werden konnte. Als das
Plenum des Verfassungsgerichts am 15. November 1990 über die Verfas-
sungsmäßigkeit des Art.240 Abs.2 LOPJ im Wege der konkreten Nor-30menkontrolle zu entscheiden hatte wurde diese Auslegung aber nicht
aufrechterhalten. Das Verfassungsgericht stellte fest, daß der in Art.24
Abs.1 CE garantierte wirksame Gerichtsschutz nicht verlange5 daß eine
Verletzung von Grundrechten, die auf gerichtlichen Entscheidungen be-
ruht, in jedem Fall durch die ordentlichen Gerichte selbst korrigiert wer-
den kann. Vielmehr genüge die Möglichkeit, derartige Grundrechtsverlet-
29 STC 110/88 vom 8.6.1988, JC XXI, 252 (258f.): "Por Sentencia definitiva sölo puedeentenderse la ya definitivamente eiecutada, de manera que pueda el juez o Tribunal senten-
ciador, mientras no lo ha sido, de oficio y previa audiencia de las partes, declarar la nulidad
de actuaciones, en lo necesario para restaurar a las partes en los derechos que garantiza el
art.24 de nuestra Constituciön y sin perjuicio, claro estä, de lo dispuesto en el art.11.2
LOPJ".30 STC 185/90 vom 15.11.1990, BJC 116 (1990), 13.
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816 Polakiewicz
zungen mit der subsidlären Verfassungsbeschwerde zu rügen, den Anfor-
derungen des Art.24 Abs.1 CE. Das Verfassungsgericht wies die Fachge-richte an, die in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Rechtsbehelfemöglichst weit auszulegen, um in Fällen einer Grundrechtsverletzungselbst den von der Verfassung geforderten Rechtsschutz zu gewähren31und empfahl sogar eine Gesetzesreform32. Eine Beschränkung desArt.240 Abs.2 LOPJ auf bereits vollständig vollstreckte Urteile hielt es
aber offensichtlich nicht mehr für verfassungsrechtlich geboten, obwohlsie in Fällen einer andauernden Grundrechtsverletzung eine Selbstkorrek-tur durch die Fachgerichte ermöglicht und damit das Verfassungsgerichtentlastet hätte.
IV. Die Wirkungen der Feststellungsurteile des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte auf rechtskräftig abgeschlossene Gerichtsverfahren
1 Die Verbindlichkeit der Feststellung einer
Konventionsverletzung für alle staatlichen Organe und ihre
Auswirkungen
Die Darlegungen des Verfassungsgerichts zu den Wirkungen der Fest-
stellungsurtelle des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im in-
nerstaatlichen Recht der Konventionsstaaten erscheinen zu restriktiv. Estrifft zwar zu, daß durch die Europäische Menschenrechtskonvention ein
grundsätzlich von den nationalen Rechtsordnungen getrenntes, rein völ-kerrechtliches Rechtsschutzsystem geschaffen werden sollte. Die in denArt.50ff. EMRK getroffene Regelung entsprach dem Stand des damals
geltenden VölkerrechtS33. Der Gerichtshof wurde insbesondere nicht er-
mächtigt, innerstaatliche Rechtsakte aufzuheben oder abzuändern. Dieinnerstaatliche Umsetzung der Urteile sollte den betroffenen Staaten
31 Ibid., F.5". Ähnlich auch das deutsche Bundesverfassungsgericht, vgl. BVerfGE 73,322 (326f.).
32 Ibz*d., F.6'.33 Siehe, im Hinblick auf den späteren Art.50 EMRK, Rapport du Comit d'ExPerts
vom 16.3.1950, Collected Edition of the "TravauxPr Bd. IV, 45: "Cette dis-
position est conforme au drolt international en vigueur en mati&e de violation d'une obli-
gation internationale par un Etat. La jurisprudence de la Cour europ n'apporteradonc sur ce point aucun nouveau ou contraire au droit international existant. LaCour n'aura notamment pas le pouvoir d'annuler ou de modifier des actes des
organes publics des Etats signataires".
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Auffiebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberä 817
überlassen bleiben. Wie der Straßburger Gerichtshof selbst immer wieder
betont hat, steht ihnen dabei grundsätzlich die Wahl der Mittel Zu34.
Der "rein deklaratorische Charakter" der Feststellungsurteile schließt
Einwirkungen auf die innerstaatliche Rechtsanwendung aber nicht aus.
Über Art.53 EMRK kommt ihnen vielmehr eine rechtsgestaltende Funk-
tion zu. Die in den Urteilen enthaltene Feststellung, "daß eine Entschei-
dung oder Maßnahme einer gerichtlichen oder sonstigen Behörde eine der
Hohen Vertragsschließenden Teile ganz oder teilweise mit den Verpflich-tungen aus dieser Konvention in Widerspruch steht", ist für den betroffe-
nen Staat und alle seine Organe verbindlich. Im Rahmen ihres jeweiligenZuständigkeitsbereichs sind die nationalen Gerichte und Behörden gehal-ten, das Vorliegen der konstatierten Konventionsverletzung anzuerken-
nen und die zu ihrer Beseitigung erforderlichen Maßnahmen zu ergrei-fen35. Art.50 EMRK schränkt diese Verpflichtung lediglich hinsichtlich
der in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen und rechtlichen Konse-
quenzen des Konventionsverstoßes ein. Die ex nunc geforderte Beendi-
gung der festgestellten konventionswidrigen Situation wird von dieser
Vorschrift jedoch nicht erfaßt36.Die weitere Vollstreckung eines Urteils, von dem der Straßburger Ge-
richtshof festgestellt hat, daß es unter Verletzung der Europäischen Men-
schenrechtskonvention zustande gekommen ist, kann daher eine Verlet-
zung von Art.53 EMRK darstellen. Dies gilt etwa für Strafurteile, die
unter Anwendung einer konventionswidrigen materiellrechtlichen Norm
(z.B. Bestrafung wegen homosexueller Beziehungen zwischen konsentie-renden Erwachsenen) oder einer rückwirkenden Strafgesetzgebung (Art.7Abs.1 EMRK) ergangen sind37. Sofern nationale Strafgesetze nach Auf-
fassung des Gerichtshofs dem in der Konvention garantierten Mindest-
standard nicht genügen, widerspricht nicht allein die Verurteilung, son-
dern gerade auch die andauernde Verbüßung einer aufgrund derartigerGesetze auferlegten Strafe dem Straßburger Urteilsspruch. K 1 e i n hat
hierin sogar eine "Intensivierung der bereits festgestellten Konventions-
34 Fall Marckx, Urteil vom 13.6.1979, Serie A Nr.31, 558 EuGRZ 1979, 454; Fall F.
gegen Schweiz, Urteil vom 18.12.1987, Serie A Nr.128, 543; Fall Belilos, Urteil vom
29.4.1988, Serie A Nr.132, §78 EuGRZ 1989, 21 ZaöRV 48 (1988), 522; Fall Nom's,Urteil vom 26.10.1988, Serie A Nr.142, 550 OJZ 1989, 628; Fall Zanghi, Urteil vom
19.1.1991, Serie A Nr.194-C, §26.35 Näher hierzu j. Polakiewicz, Die innerstaatliche Durchsetzung der Urteile des Euro-
päischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ZaöRV 52 (1992), 149ff.36 Ibz*d., 174.37 So auch S t ö c k e r (Anm. 2), 1908.
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818 Polakiewicz
38widrigkeit" gesehen Eine ähnliche Situation ist auch bei zivilgericht-lichen Urteilen denkbar. Die Vollstreckung aus einem Titel, der aufgrundeiner Vorschrift des Erbrechts erlangt wurde, die der Gerichtshof auf-
grund ihrer diskriminierenden Wirkung für unvereinbar mit Art.8 in Ver-
bindung mit Art.14 EMRK erklärt hat, verwirklicht gerade die von derKonvention untersagte Diskriminierung und verstößt daher nach Verkün-
dung des Urteils gegen Art.53 EMRK.Dasselbe gilt aber nicht ohne weiteres für Urteile, die aufgrund eines
Verfahrens ergangen sind, in dem nach Auffassung des Straßburger Ge-richtshofs die verfahrensrechtlichen Garantien des Art.6 EMRK nicht be-achtet worden sind. In derartigen Fällen besteht die festgestellte Konven-
tionsverletzung in einem konkreten Verfahrensfehler, z.B. darin, daß "dieSache des Beschwerdeführers nicht von einem mit umfassender Entschei-
dungsbefugnis ausgestatteten Gericht öffentlich gehört worden war" 39.Da die vom Gerichtshof gerügte Verletzungshandlung nicht in der Verur-
teilung selbst liegt, setzt sie sich auch nicht mit der Vollstreckung desUrteils fort. Diese Auffassung entspricht der ständigen Praxis der Euro-
päischen Kommission für Menschenrechte, die Verstöße gegen Art.6EMRK als mit Erlaß des Urteils beendet betrachtet. Die sich anschlie-ßende Vollstreckung stelle nur eine Auswirkung des konventionswidrigenEinzeljkts, nicht aber eine andauernde konventionswidrige Situation
('continuing situation") dar. Dementsprechend wies sie Beschwerden ge-gen Urteile oder Entscheidungen, die vor Inkrafttreten der Konventionerlassen bzw. rechtskräftig geworden waren, selbst dann als unzulässigab, wenn deren Vollstreckung oder sonstige Auswirkungen noch andau-erten40.Bedenken gegen die weitere Vollstreckung einer Haftstrafe, die auf-
grund eines konventionswidrigen Verfahrens verhängt wurde, könnensich aber nicht nur aus dem nationalen Verfassungsrecht, sondern auchaus Art.5 EMRK ergeben. Da eine "Verurteilung durch ein zuständiges
38 E. K 1 e i n, Der Individualrechtsschutz in der Bundesrepublik Deutschland bei Ver-stößen gegen die Menschenrechte und Grundfreiheiten der Europäischen Menschenrechts-konvention, in: E. Mahrenholz/M. Hilf/E. Klein, Entwicklung der Menschenrechte inner-halb der Staaten des Europarates (1987), 43 (64).
39 Fall Le Compte, Van Leuven, De Meyere, Urteil vom 23.6.1981, Serie A Nr.43, §61EuGRZ 1981, 55 1.40 E 1028/61 (18.9.1961), Annuaire 4 (1961), 324 (335); E 913/60 (19.12.1961), CD 8,
43 (44); E 8560/79 und 8613/79 (verbunden) (3.Z1979), DR 16, 209 (210). Vgl. W. Peu-kert, in: Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention (Kommentar) (1985),Art.25 Rdnr.28.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberä 819
Gericht vorliegt", kommt als Haftgrund Art.5 Abs.1 lit.a EMRK in Be-
tracht. Nach einer weit verbreiteten Ansicht setzt diese Vorschrift nur das
Vorliegen einer bestandskräftigen Verurteilung voraus. Verletzungen der
Verfahrensgarantlen des Art.6 EMRK sollen sich nicht auf die "Rechtmä-
ßigkeit" der Inhaftierung auswirken41. Der Straßburger Gerichtshof be-
tont aber in ständiger Rechtsprechung, daß sich die Rechtmäßigkeit einer
Inhaftierung im Sinne des Art.5 Abs.1 EMRK "nicht allein nach dem
innerstaatlichen Recht beurteilt, sondern auch nach dem Text der Kon-
vention und den in ihr enthaltenen allgemeinen Grundsätzen1142. Dabei
hat er auch die Verfahrensgarantlen des Art.6 EMRK in seine Prüfungmit einbezogen43. Die Bedeutung, die der Fairneß gerichtlicher Verfahren
im Rahmen der Konvention zukommt, und der Zweck des Art.5 EMRK,den einzelnen vor Willkürmaßnahmen zu schützen44, lassen es angezeigterscheinen, die fair trial-Garantien des Art.6 EMRK auch im Rahmen
dieser Vorschrift zu berücksichtigen45. Wenn die Verletzung dieser Ga-
rantlen rechtskräftig durch den Gerichtshof festgestellt worden ist und die
Verurteilung hierauf beruht, kann eine weitere Inhaftierung nicht mehr
als "rechtmäßig" im Sinne von Art.5 Abs.1 EMRK angesehen werden.
In den genannten Fallgruppen kann die verbindliche Feststellung einer
Konventionsverletzung daher nicht ohne Auswirkungen auf die Voll-
streckungsfähigkeit der beanstandeten nationalen Gerichtsentscheidungen
41 Peukert, Ad., Art.5 Rdnr.41; S. Trechsel, Die Europäische Menschenrechts-
konvention, ihr Schutz der persönlichen Freiheit und die schweizerischen Strafprozess-rechte (1974), 198f.; ders., Die Garantie der persönlichen Freiheit (Art.5 EMRK) in der
Straßburger Rechtsprechung, EuGRZ 1980, 514 (522).42 Fall Winterwerp, Urteil vom 24.10.1979, Serie A Nr.33, §45 EuGRZ 1979, 650;
Fall Van Droogenbroeck, Urteil vom 24.6.1982, Serie A Nr.50, 548 EuGRZ 1984, 6;Fall Weeks, Urteil vom 2.3.1987, Serie A Nr.114, 557 EuGRZ 1988, 316; Fall Broganu.a., Urteil vom 29.11.1988, Serie A Nr.145-B, 565; Fall E. gegen Norwegen, Urteil vom
29.8.1990, Serie A Nr.181, §49; Fall Thynne, Wilson und Gunnell, Urteil vom 25.10.1990,Serie A Nr. 190, 568.
43 Fall Wemhoff, Urteil vom 2Z6.1968, Serie A Nr.7,24 (§9).44 Fall Winterwerp, Urteil vom 24.10.1979, Serie A Nr.33, 545 EuGRZ 1979, 650;
Fall Ashingdane, Urteil vom 28.5.1985, Serie A Nr.93, §44; Fall Bozano, Urteil vom
18.12.1986, Serie A Nr.111, EuGRZ 1987, 101; Fall Weeks, Urteil vom 2.3.1987,Serie A Nr.114, 542 EuGRZ 1988, 316; Fall Bouamar, Urteil vom 29.2.1988, Serie A
Nr.129, 547; Fall van der Leer, Urteil vom 21.2.1990, Serie A Nr.170, 522; Fall Wasunk,Urteil vom 2Z9.1990, Serie A Nr.185-A, §24; Fall Koendjbibarte, Urteil vom 25.10.1990,Serie A Nr. 1 85-B, §27; Fall Keus, Urteil vom 25.10.1990, Serie A Nr. 1 85-C, 524.
45 So auch P. v a n D 1 J k/G. v a n H o o f, Theory and Practice of the European Con-
vention on Human Rights (2. Aufl. 1990), 256; F. j a c o b s, The European Convention on
Human Rights (1975), 48.
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820 Polakiewicz
bleiben46. Ein Mittel, der sich aus Art.53 EMRK ergebenden Pflicht zuminnerstaatlichen Vollzug der Straßburger Urteile nachzukommen, wäre
die Anerkennung eines Vollstreckungsverbots. Da die Konvention keinbesonderes Verfahren zur Durchsetzung der Urteile vorsieht und ein sol-
ches bisher nur in Malta eingeführt worden iSt47, kann dieses Vollstrek-
kungsverbot nur über die in den allgemeinen Prozeßgesetzen vorgesehe-nen Institute durchgesetzt werden. Im deutschen Zivilprozeß käme etwa
eine entsprechende Anwendung der §767 Zpo48 oder §826 BGB49 in Be-
tracht50. Die Vollstreckung strafgerichtlicher Urteile könnte gemäß 5458StPO eingestellt werden. Diese Vorschrift führt die Fälle zulässiger Ein-
wendungen nicht abschließend auf51 und ist etwa auch bei Verstößen ge-52
gen das Verbot der Doppelbestrafung zur Anwendung gekommenLetzter Ausweg bliebe auch in Deutschland die Verfassungsbeschwerde,die auf Art.2 Abs.1 GG oder Art.3 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.53
EMRK gestützt werden könnte53.Nicht zuletzt wegen der langen Dauer der Verfahren vor den Straßbur-
ger Organen war die gerichtliche Praxis bisher erst in wenigen Fällen mitder Problematik einer Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen kon-
frontiert, deren Zustandekommen der Gerichtshof als konventionswidriggerügt hatte. Dennoch ist eine Tendenz erkennbar, die weitere Vollstrek-
46 S t 6 c k e r (Anm. 2 1908.47 Section 6 des European Convention Act 1987 (Act No. XIV), Supplements to the
Malta Government Gazette 1987, A306. Siehe hierzu J. Cremona, The European Con-
vention on Human Rights as Part of Maltese Law, in: Judicial Protection of Human Rightsat the National and International Level, Bd.II (1991), 565ff.
48 Die Vorschrift des §767 ZPO wird auch in 579 Abs.2 Satz 3 BVerfGG für entspre-chend anwendbar erklärt, wenn die zu vollstreckende Entscheidung auf einer Norm oderauf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht mit dem Grund-
gesetz für unvereinbar erklärt worden ist, vgl. T. M a u n z/B. S c h in i d t - B 1 e i b t r e u/F.K 1 e i n, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, §79 Rdnr.25.
49 Hier lautet die Entscheidung auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Heraus-
gabe des Vollstreckungstitels; das Verhältnis von §826 BGB zur Rechtskraft ist in der
Rechtsprechung umstritten, vgl. BGH vom 5.6.1963, BGHZ 40, 130 (133) einerseits,BGH vom 27.3.1968, BGHZ 50, 115 ff. andererseits. Allgemein hierzu L. R o s e n b e r g/K. S c h.w ab, Zivilprozeßrecht (14. Aufl. 1986), § 163.
50 So auch K 1 ein (Anm. 3 8), 63.51 Beispiele für zulässige Einwendungen bei G. Wendisch, in: Löwe/Rosenberg,
StPO (24. Aufl. 1989), § 458 Rdnr.8ff.52 OLG Koblenz vom 13.1.198 1, NStZ 1981, 195 JR 1981, 520 mit Anm. R i e ß.53 Vgl. BVWG (Vorprüfungsausschuß) vom 11.10.1985 - Pakelli, EuGRZ 1985, 654
ZaöRV 46 (1986), 289; BVWG vom 13.1.1987, BVerfGE 74, 102 (128). Hierzu eingehendJ.A. Frowein, Das Bundesverfassungsgericht,und die Europäische Menschenrechtskon-
vention, in: Festschrift für W. Zeidler, Bd.2 (1987), 1763 (1766ff.).
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barbeni 821
kung auch dann für unzulässig zu halten, wenn endgültige Entscheidun-
gen vorliegen, die mit den bekannten Rechtsbehelfen des innerstaatlichenRechts nicht mehr angefochten werden können. Im Pakellt-Beschluß hat
ein Vorprüfungsausschuß des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, daß
grundsätzlich weder die Konvention noch das Grundgesetz dazu ver-
pflichte, den Urteilen des Straßburger Gerichtshofs eine die Rechtskraftnationaler Gerichtsurteile beseitigende Wirkung beizumessen. Es wurdeaber für möglich gehalten, daß anders zu entscheiden wäre, 'wenn die
(weitere) Vollstreckung einer innerstaatlichen Gerichtsentscheidung in
Frage steht und der Gerichtshof festgestellt hat, daß die materiellrechtli-che Grundlage dieser Entscheidung gegen die Konvention verstößt oder
auf einem schwerwiegenden, ihre Eigenschaft als ordnungsgemäßer1154justizakt in Frage stellenden Verfahrensfehler beruht
Ein derartiges, unmittelbar auf die EMRK gestütztes Vollstreckungs-verbot hat der Hoge Raad der Niederlande in seinem Urteil vom 1. Fe-
bruar 1991 tatsächlich angenommen55. Gegenstand seiner Entscheidungwaren die Wirkungen des Kostovski-Urteils des Straßburger Gerichtshofs
vom 20. November 198956. In diesem Urteil war eine Verletzung von
Art.6 Abs.3 lit.d in Verbindung mit Art.6 Abs.1 EMRK festgestellt wor-
den, da die strafrechtliche Verurteilung in einem entscheidenden Ausmaß57auf den Aussagen anonymer Zeugen beruhte Im Anschluß an diese
Entscheidung vertrat der Hoge Raad die Auffassung, daß die Vollstrek-
kung einer Haftstrafe, die nach der verbindlichen Feststellung des Ge-
richtshofs aufgrund einer auf konventionswidrige Weise zustande gekom-menen Verurteilung verbüßt wird, je nach den Umständen entweder ein-
zustellen, zu unterbrechen oder einzuschränken sei. Wegen des an sich
geschlossenen Systems der Rechtsmittel in Strafsachen könne sich der
Verurteilte in derartigen Fällen an die Zivilgerichte wenden, die nach nie-
derländischem Recht im einstweiligen Rechtsschutz über ausgedehnte Be-
fugnisse verfügen. Das Gericht rechtfertigte seine Entscheidung unter
Hinweis auf die sich aus den Art.1, 5 und 13 EMRK ergebende Ver-
pflichtung, bei allen Verletzungen der in der Konvention niedergelegten
54 BVerfG (Vorprüfungsausschuß) vom 11.10.1985 - Pakelli, EuGRZ 1985, 654 (654unter 1.) ZaöRV 46 (1986), 289 (290).
55 Hoge Raad vom 1.2.1991, Rechtsspraak van de Week 1991, 44 NJCM Bulletin
1991, 325 mit Anm. van der Velde und de Hullu.56 Fall Kostovski, Urteil vom 20.11.1989, Serie A Nr.166 ÖJZ 1990, 312.57 Ibz*d., §544-45.
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822 Polakiewicz
Rechte eine wirksame Beschwerdemöglichkeit ("recours effectlf"/"effec-tive remedy") zur Verfügung zu stellen58.
2. Zur Problematik der Wiederaufnahme rechtskräftigabgeschlossener Gerichtsverfah.ren
Das spanische Verfassungsgericht stellt zu Recht fest, daß sich aus der
Europäischen Menschenrechtskonvention nicht die Verpflichtung ergibt,vom Straßburger Gerichtshof als konventionswidrig beanstandete Urteile
nachträglich aufzuheben, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu er-
möglichen59. Hierbei würde es sich um eine Maßnahme der restitutio in
integrum handeln, die die übliche Form der Wiedergutmachung völker-rechtlichen Unrechts darstellt60. Art.50 EMRK modifiziert aber die sichaus allgemeinem Völkerrecht ergebende Pflicht zur Naturalrestitution.Für den Fall, daß die innerstaatliche Rechtsordnung eine nachträglicheBeseitigung des konventionswidrigen Aktes und seiner Auswirkungennicht erlaubt, wurde dem Gerichtshof die Befugnis eingeräumt, dem Be-
schwerdeführer eine Entschädigung in Geld zuzubilligen. Damit trägt dieVorschrift der Bedeutung Rechnung, die der Rechtskraft im Rahmen desinnerstaatlichen Rechts der Konventionsstaaten zukommt. Es besteht da-her keine Verpflichtung zur Einführung von Rechtsbehelfen, die eine
nachträgliche Aufhebung von Rechtsakten, die vom Gerichtshof als kon-
ventionswidrig beanstandet worden sind, in jedem Fall ermöglichen61würde
Spezielle Verfahren, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach der
Feststellung einer Konventionsverletzung durch den Straßburger Ge-
58 Hoge Raad vom 1.2.1991, NJCM Bulletin 1991, 325 (326f.).59 STC 245/91 vom 16.12.1991, Suplemento del Boletin Oficial del Estado Nr.13 vom
15.1.1992, 39 BJC 129 (1992), 86 (F.2'). Dies entspricht auch der überwiegenden Mei-
nung im Schrifttum R e s s (Anm. 2), 241; W. S c h m i d, Die Wirkungen der Entscheidun-
gen der europHischen Menschenrechtsorgane (1974), 99; T. B u e r g e n t h a 1, The Effect of
the European Convention on Human Rights on the Internal Law of Member States,ICLQ, Supplementary Publication No. 11 (1965), 79 (97); U. S c h e u n e r, Vergleich der
Rechtsprechung der nationalen Gerichte mit der Rechtsprechung der Konventionsorganebezüglich der nicht verfassungsmäßigen Rechte der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion, in: Menschenrechte im Staatsrecht und Völkerrecht, Vorträge und Diskussionen des2. Internationalen Kolloquiums über die EMRK, Wien 1965 (1967), 195 (211). Siehe auchBVerfG (Vorprüfungsausschuß) vom 11.10.1985 - Pakelli, EuGRZ 1985, 654 (654 unter
1.) ZaöRV 46 (1986), 289 (290); E 12866/87 - Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland
(9.12.1987).60 Chorzöw Factory case, PCIJ, Series A No.17 (13.9.1928), 4761 J.A. F r o w e i n, in: Frowein/Peukert (Anm. 40), Art.53 Anm.4.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberä 823
richtshof ermöglichen, sind bisher nur in Luxemburg62, Malta63 Norwe-
gen64 und der SchweiZ6-5 eingeführt worden66. In Belgien und Österreichkönnen für konventionswidrig erklärte Urteile auf Antrag der General-
staatsanwaltschaft für nichtig erklärt werden67. Dies geschah in den Fäl-
len Piersack68, Unterpertinger69 und Windisch70. Nach Auffassung des
Straßburger Gerichtshofs führten diese Maßnahmen zu "einern Ergebnis,das der restitu in integrum so nahe kam, wie es der Natur der Sache
1171nach möglich war In Deutschland dagegen haben die Gerichte weder
eine entsprechende Anwendung der Wiederaufnahmevorschriften des
§359 Nr.5 StPO noch eine Rechtsanalogie zu §79 Abs.1 BVerfGG für
62 Art.443 des Code d'instruction crimmelle, eingeführt durch Gesetz vom 30.4.1981,Pasinomie luxembourgeoise, Bd.53 (1981), 444.
63 Siehe oben Anm. 47. Das Verhältnis der Section 6 des European Convention Act
1987 zu den Wiederaufnahmevorschriften des Zivil- und Strafverfahrensrechts ist jedochnoch nicht abschließend geklärt, vgl. C r e in o n a (Anm. 47), 571 f.
64 Gesetz Nr.9 vom 14.2.1969.65 Art. 139a des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege - Ände-
rung vom 4.10.1991, AS 1992 Nr.288. Die Bestimmung trat am 15.2.1992 in Kraft (vgl.Art. 1 der Verordnung über die teilweise Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die Orga-nisation der Bundesrechtspflege vom 15.1.1992, AS 1992 Nr.337). Siehe hierzu die Bot-
schaft des Bundesrates vom 18.3.1991, Bundesblatt 143 11 (1991), 465 (508-509, 529-530,572).
66 Siehe allgemein die im Januar 1992 vorgelegte Studie des Committee of Experts for
the Improvement of procedures for the protection of Human Rights (DH-PR) under the
authority of the Steering Committee of Human Rights (CDDH), The European Conven-
tion on Human Rights: Institution of review proceedings at the national level to facilitate
compliance with Strasbourg decisions, Council of Europe Doc. H (92) 1, abgedruckt in
HRLJ 1992, 71 RUDH 1992,12Z67 Rechtsgrundlage ist Art.441 der belgischen Code d'instruction crimmelle bzw. 533
Abs.2 der österreichischen Strafprozeßordnung.68 Fall Piersack, Urteil vom 1.10.1982, Serie A Nr.53 EuGRZ 1985, 301; Fall Pier-
sack, Urteil (Art. 50) vom 26.10.1984, Serie A Nr.85 EuGRZ 1985, 304. Vgl. hierzu
Ve 1 u / E r g e c (Anm. 2), 1061 ff.69 Fall Unterpertinger, Urteil vom 24.fL.1986, Serie A Nr.110 EuGRZ 1987, 147
ÖJZ 1988, 22. Vgl. hierzu H. F u c h s, Der Einfluß der Europäischen Menschenrechtskon-vention auf das österreichische Straf- und Strafverfahrensrecht, ZStW 100 (1988), 444
(465 ff70 Fall Windisch, Urteil vom 279.1990, Serie A Nril 86 ÖJZ 1991, 25; Oberster
Gerichtshof, Urteil vom 23.8.1990 - 12 Os 95/90-5. Das Verfahren war jedoch bereits
aufgrund des Kommissionsberichts vom 12.Z1989 eingeleitet worden und erging einen
Monat vor dem Straßburger Urteil.71 Fall Piersack, Urteil (Art. 50) vom 26.10.1984, Serie A Nr.85, 511 EuGRZ 1985,
304.
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geboten erachtet72. Diese Auslegung des einfachen Gesetzesrechts ist vom73Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden
Die Einführung entsprechender Wiederaufnahmevorschriften bleibtwünschenswert. Denn es gibt zahlreiche Konstellationen, in denen die
Zubilligung einer geldwerten Entschädigung wenig angemessen erscheintund allein die Wiederaufnahme eine sachgerechte Lösung erlaubt. Dies
gilt insbesondere dann, wenn der Straßburger Gerichtshof Verfahrensfeh-ler konstatiert, auf denen das Urteil-beruht. In derartigen Fällen ermög-licht allein die Wiederaufnahme eine Korrekur der festgestellten Konven-
tionsverletzung durch ein justizförmiges Verfahren unter Beachtung derGrundsätze der Gewaltenteilung und des RechtsstaatS74. Andererseits er-
scheint die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens wenig sachge-recht, wenn Verfahrensfehler erkennbar ohne Auswirkung auf die Ent-
scheidung geblieben sind. Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen derGerichtshof seine Feststellung des Konventionsverstoßes wegen dessen
geringer Bedeutung als ausreichende Genugtuung ansieht. Auch bei über-
langer Verfahrensdauer (Art.6 Abs.1 EMRK) kann eine Wiederaufnahmenur ausnahmsweise mit dem Ziel in Frage kommen, das Verfahren einzu-stellen75. Es empfiehlt sich daher, einer entsprechenden Wiederaufnahme-vorschrift nur subsidlären Charakter zu verleihen, so wie dies in derSchweiz geschehen St76.
Schließlich sollte eine Wiederaufnahme nur auf Antrag des Beschwer-deführers durchgeführt werden können. In zahlreichen Fällen ist es unge-wiß, ob derartige Verfahren mit einem für ihn günstigeren Ergebnis en-
den. Es kann sich dann als unzumutbar erweisen, einen Beschwerdefüh-rer nach mehrjährigem Verfahren vor den Konventionsorganen mit ab-schließender Feststellung einer Konventionsverl.etzung erneut auf den in-
nerstaatlichen Rechtsweg zu verweisen. Ihm ebenso wie dem verletztenStaat im allgemeinen Völkerrecht ein Wahlrecht zwischen restitutio in in-
tegrum und Entschädigung in Geld einzuräumen, entspricht dem Grund-
72 OLG Stuttgart vom 13.2.1985, MDR 1985, 605 Justiz 1985, 177; OLG Koblenzvom 12.8.1986, MDR 1987,254 GA 1987, 367 Siehe allgemein K. Kühl, Der Einflußder Europäischen Menschenrechtskonvention auf das Strafrecht und Strafverfahrensrechtder Bundesrepublik Deutschland, ZStW 100 (1988), 406 (423 f.).
73 BVerfG (Vorprüfungsausschuß) vom 11.10.1985 - Pakelli, EuGRZ 1985, 654ZaöRV 46 (1986), 289 mit Anm. Frowein; BVerfG (Vorprüfungsausschuß) vom
24.9.1986 - 2 BvR 1021/86 - Eckle.74 S a t t 1 e r (Anm. 2), 16 f.75 K ü h 1 (Anm. 72), 406 (424 Anm. 108). Generell gegen die Möglichkeit einer Wie-
deraufnahme in diesen Fällen H. K ü h n e, Strafprozeßlehre (2. Aufl. 1982), Rdnr.40.76 Siehe Anm. 65.
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Aufhebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barber 825
anliegen der Konvention, die Interessen des in seinen Rechten verletztenIndividuums in den Vordergrund zu stellen77.
(Stand: Juli 1992)
Summary78
The Annulment of Domestic Judgments Declared to Be in
Violation of the European Convention on Human Rights bythe Strasbourg Court
The judgment of the Spanish Constitutional Court of 16 December 1991
in the Case of Barber and Otbers
Following the judgment by the European Court of Human Rights in the Bar-
ber case the Spanish Constitutional Court declared null and void the criminal
convictions of the applicants and ordered the re-opening of proceedings. The
applicants had been convicted to long prison sentences for their participation in
the terrorist assassination of Mr. Bult6, a Catalan businessman, in 1977 In its
judgment of 6 December 1988 the European Court of Human Rights found sev-
eral procedural flaws amounting to a violation of Art.6 S 1 ECHR. The Courtheld that "[h]aving regard to the belated transfer of the applicants from Barcelonato Madrid, the unexpected change in the court's membership immediately beforethe hearing opened, the brevity of the trial and, above all, the fact that the veryimportant pieces of evidence were not adequately adduced and discussed in the
applicants' presence and under the watchful eye of the public, the proceedingsin question, taken as a whole, did not satisfy the requirements of a fair and publichearing" (Case of Barbeni, Messegu undjabardo, judgment of 6.12.1988, SeriesA No. 146, 5 89).
Following this judgment, the applicants sought the annulment of their convic-
tions before Spanish courts. They based their plea of nullity on the obligation ofthe Spanish State to abide by the judgments of the Strasbourg Court (Art.53ECHR) as well as on an analogous application of certain provisions of the Span-ish Judicature Act. Initially the A u d i e n c I a N a c I o n a I ordered a stay of ex-
ecution and the immediate release of the two applicants still in prison until a final
77 Vgl. Fall Lawless (VorgHngige prozessuale Emreden und Verfahrensfragen), Urteilvom 14.11.1960, Serie A Nr. 1, 15.
78 Summary by the author.
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826 Polakiewicz
decision could be taken on their application to have the convictions quashed.This decision was temporarily set aside by the Supreme Court, which declared it
impossible, under the present Spanish law, to re-open the case.
Subsequently the case was brought before the Constitutional Court. In a pre-
liminary ruling of 18 July 1989, the Court confirmed the suspension of execution
of the prison sentences. Finally, in its judgment of 16 December 1991, it quashedthe criminal convictions and ordered a re-trial. The Constitutional Court based
its decision exclusively on Spanish constitutional law. Emphasising the essentiallydeclaratory character of rulings by the Strasbourg Court, it rejected all argumentsderived from the obligations under Art.50ff. ECHR. Instead, it held the mainte-
nance of the prison sentences to be incompatible with Spanish constitutional law.
According to the Court, the declared violation of Art.6 5 1 ECHR did constitute
simultaneously an infringement of the fundamental rights of the Spanish Consti-
tution. The execution of the sentences would lead to the perpetuation of a situa-
tion declared to be contrary to the fundamental rights of the Constitution. In
addition it would violate the right of personal liberty (Art.17 S 1). In the absence
of an adequate procedure to re-open the case through the ordinary courts, the
constitutional complaint (Amparo-) procedure was held to be the only means to
set aside the binding force of the initial convictions. However, the solution
reached by the Constitutional Court in the Barbeni case is no substitute for the
introduction of adequate procedures by the legislature. It is limited to cases
where a violation found by the Strasbourg Court leads to a continuing infringe-ment of fundamental rights under the Spanish Constitution.
As far as the obligations arising from the judgments of the European Court of
Human Rights are concerned, the reasoning of the Spanish Constitutional Court
appears to be too restrictive. The declaratory character of the Court's findingsdoes not exclude direct effects on domestic proceedings. The finding that "a deci-
sion or a measure taken by a legal authority or any other authority of a HighContracting Party is completely or partially in conflict with the obligations aris-
ing from the present Convention" (Art.50 ECHR) is binding on the respondentState and all its organs. Within the ambit of their respective competences, the
national judicial and administrative authorities are required to recognise the viola-
tion and to take appropriate steps to eliminate it.
The further execution of domestic judgments which, according to the Stras-
bourg Court's findings, are in breach of the Convention may constitute a viola-
tion of Art.53 ECHR. This is especially the case when the European Court has
determined that the substantive law applied violates the Convention. Another
situation arises in the case of procedural errors. Since it is not the final judgmentthat constitutes the violation found by the Strasbourg Court, its execution is not
necessarily contrary to the requirements of the Convention. However, the fur-
ther execution of a p r i s o n s e n t e n c e based on such a judgment violates Art.5
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Auffiebung konventionswidriger Gerichtsentscheidungen: Fall Barberi 827
S 1 ECHR. According to the jurisprudence of the Strasbourg Court, the lawful-
ness of a detention has to be determined in the light not only of domestic law,but also of the text of the Convention, the general principles embodied therein
and the aim of the restrictions permitted by Art.5 5 1 ECHR. Therefore criminal
convictions resulting in a lawful deprivation of liberty under Art.5 5 1 ECHR
must have been pronounced on the basis of fair and public hearings. judgmentsof the European Court of Human Rights may thus entail a prohibition of execu-
tion of sentence. In the absence of specific national enforcement procedures, such
a prohibition has to be enforced under the general rules governing judicialproceedings in each country.
The Spanish Constitutional Court rightly declared that the Convention does
not include an obligation to re-open proceedings as a consequence of the findingof a violation by the Strasbourg Court. Art. 50 ECHR effectively shields the
domestic legal order and especially the res Judicata of court decisions from direct
effects of the European Court's judgments. The Contracting States are therefore
not under an obligation to introduce legislation designed to make the re-openingof domestic proceedings in these cases possible. Such legislation has, however,
been enacted in Luxembourg, Malta, Norway and Switzerland. In Austria and
Belgium, general actions to have final judgments set aside may, under certain
circumstances, be based on violations found by the Strasbourg Court. The intro-
duction of adequate review procedures remains desirable, especially as far as vio-
lations of the fair trial guarantees of the Convention are concerned.
52 Za6RV 52/3-4
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