Download - Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Transcript
Page 1: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Handreichung

zur Gestaltung von

Lernsituationen

mit dem mobilen

Lernsystem Robotino®

von Festo Didactic

Festo Didactic

733303 DE

Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert unterrichten

Page 2: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Bestell-Nr.: 733303

Stand: 02/2008

Autoren: Alfred Riedl, Daniel Weber, Andreas Schelten, Monika Bliesener

Grafik: Doris Schwarzenberger

Layout: 02/2008, Beatrice Huber

© Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München, Lothstraße 17, 80335 München

Homepage: www.paed.wi.tum.de

© Festo Didactic GmbH & Co. KG, 73770 Denkendorf, 2008

Internet: www.festo-didactic.com

E-Mail: [email protected]

Weitergabe sowie Vervielfältigung dieses Dokuments, Verwertung und Mitteilung seines Inhalts verboten,

soweit nicht ausdrücklich gestattet. Zuwiderhandlungen verpflichten zu Schadenersatz. Alle Rechte

vorbehalten, insbesondere das Recht, Patent-, Gebrauchsmuster- oder Geschmacksmusteranmeldungen

durchzuführen.

Hinweis

Soweit in dieser Handreichung von Lehrern, Schülern etc. die Rede ist, sind selbstverständlich auch

Lehrerinnen, Schülerinnen etc. gemeint. Die Verwendung nur einer Geschlechtsform soll keine

geschlechtsspezifische Benachteiligung sein, sondern dient nur der besseren Lesbarkeit und dem

besseren Verständnis der Formulierungen.

Page 3: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 3

Inhalt

Vorwort _______________________________________________________________________________ 5

1 Autonome Systeme in der Automatisierungstechnik _______________________________________ 7

2 Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule ________________________________________________ 9

2.1 Lerntheoretische Bezüge _____________________________________________________________ 9

2.2 Ausgangspunkt und Zielstellungen einer veränderten Lehrplanstruktur _____________________ 12

2.3 Lernfelder für den Unterricht der Berufsschule __________________________________________ 14

2.4 Handlungsorientierung im Unterricht ____________________________________________________

2.5 Projektunterricht __________________________________________________________________ 23

2.6 Moderner beruflicher Unterricht als integrative Gesamtkonzeption _________________________ 24

3 Die Komponenten des Lernsystems Robotino® _________________________________________ 25

3.1 Hardware ________________________________________________________________________ 25

3.2 Software ________________________________________________________________________ 29

3.3 Das Arbeitsbuch __________________________________________________________________ 30

4 Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino® ____________ 31

4.1 Vorbereitungen vor jedem Spiel _____________________________________________________ 31

4.2 Spielvorschlag: Slalomfahrt im begrenzten Raum _______________________________________ 33

4.3 Spielvorschlag: Manuelle Bahnfahrt auf Metallband _____________________________________ 35

4.4 Spielvorschlag: Parcours fahren mit Kamerabild ________________________________________ 37

4.5 Lernspiele aus didaktischer Perspektive _______________________________________________ 39

5 Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino® _________________________________ 41

5.1. Lerninhalte der Projektaufgaben des Arbeitsbuches und ihre

Zuordnung zu Berufen und Lernfeldern ________________________________________________ 41

5.2 Lerninhalte aus fachsystematischer Sicht und ihre Umsetzung in Projektaufgaben ____________ 42

5.3 Umsetzungsbeispiele für ausgewählte Inhalte __________________________________________ 43

5.3.1 Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme ________________________________________ 44

5.3.2 Bewegungsmöglichkeiten von Mehrachssystemen ______________________________________ 46

5.3.3 Aufgaben der Positionierung ________________________________________________________ 47

5.3.4 Sensoren und Aktoren _____________________________________________________________ 48

5.3.5 Steuerungs- und Regelungstechnik ___________________________________________________ 49

5.3.6 Perspektiven des Lernsystems Robotino® ______________________________________________ 50

5.4 Anknüpfpunkte zum bestehenden Unterricht ___________________________________________ 51

Page 4: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhalt

4 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

6 Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino® ______________________________________ 53

6.1 Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis __________________________________________ 53

6.2 Lerninhalte und Lernschritte ________________________________________________________ 54

6.2.1 Wareneingang und Erstinbetriebnahme _______________________________________________ 54

6.2.2 Umgang mit einem komplexen Antriebssystem _________________________________________ 54

6.2.3 Einbinden von verschiedenen Sensoren _______________________________________________ 55

6.2.4 Erstellung von Programmstrukturen __________________________________________________ 55

6.2.5 Auftragsübergabe an den Kunden ____________________________________________________ 56

7 Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino® _____________________________________ 57

7.1 Lernzugänge zum Lernsystem Robotino® ______________________________________________ 57

7.2 Umsetzung von Bestimmungsgrößen für einen handlungsorientierten Unterricht _____________ 59

7.3 Gestalten von Lernsituationen in einem lernfeldorientierten Unterricht

mit dem Lernsystem Robotino® ______________________________________________________ 62

8 Kleine Störungen selbst beheben ____________________________________________________ 65

9 Literatur _________________________________________________________________________ 67

Page 5: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 5

Vorwort

Das Lernsystem Robotino® ist ein mobiles, autonomes Automatisierungstechnik-System. Es ermöglicht

Lehrkräften, Inhalte der Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert zu unterrichten. Für einen

handlungsorientierten Unterricht ist es ein Lernmedium, mit dem Schüler sehr vielseitig, individualisiert und

eigenaktiv arbeiten können. Die von Robotino® angesprochenen fachlichen Inhalte sind sehr vielschichtig

und zielen auf ein weites Kompetenzspektrum. Je nach Unterrichtskonzeption lassen sich durch die

Lernarbeit mit Robotino® auch überfachliche Kompetenzen, sogenannte Schlüsselqualifikationen fördern.

Das Lernsystem Robotino® eignet sich für den Unterricht an beruflichen Schulen für die Berufsfelder

Elektrotechnik, Informationstechnik und Mechatronik mit den entsprechenden Ausbildungsberufen.

Robotino® wurde von der Firma Festo Didactic entwickelt. Die vorliegende Handreichung für einen

lernfeldorientierten Automatisierungstechnikunterricht mit Robotino® entstand in enger Kooperation mit

dem Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München.

Ziel dieser Handreichung ist, Lehrkräften den Einsatz von Robotino® in einem lernfeldorientierten Unterricht

zu erleichtern und sie bei der Gestaltung konkreter Lernsituationen zu unterstützen. Die Handreichung

ergänzt und erweitert das Lernsystem Robotino®. Sie zielt dabei insbesondere auf einen Einsatz in einem

lernfeldorientierten Unterricht. Nach kurzen lerntheoretischen Überlegungen erläutert die Handreichung die

Komponenten des Lernsystems mit seinen verschiedenen didaktischen Einsatzmöglichkeiten vor allem für

ein handlungsorientiertes Lernen. Sie gibt einen Überblick über die mit Robotino® vermittelbaren

Lerninhalte aus der Automatisierungstechnik. Einzelne Beispiele zeigen für ausgewählte Inhalte konkrete

Umsetzungsmöglichkeiten im Unterricht. Schließlich liefert die Handreichung Antworten auf häufig gestellte

Fragen. Somit hilft diese Unterlage Lehrkräften dabei, sich schnell in das Lernsystem Robotino®

einzuarbeiten und seinen Unterrichtseinsatz zu gestalten.

Page 6: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

6 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Page 7: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 7

1 Autonome Systeme in der Automatisierungstechnik

Lange Zeit waren Robotersysteme stationär gebunden. Mobile Roboter als autonome Systeme sind ein

nächster Schritt in der Entwicklung der Automatisierungstechnik. Mobile Systeme sind ihren stationären

Vorgängern in vielen Belangen überlegen, da sie die gleichen Arbeiten durchführen, aber sich zusätzlich von

einem fixen Standort wegbewegen können. Ihr Einsatzspektrum erhöht sich dadurch ganz erheblich.

Aktuelle Einsatzgebiete für mobile Systeme sind derzeit z.B. Bereiche, die für Menschen schwer zugänglich

sind wie die Untersuchung von Kanalsystemen, Unterwasserwelten und Vulkanen. Aber auch für die

Unterstützung des Menschen bei seinen tagtäglichen Aufgaben finden Sie bereits ihren Einsatz. Realisiert ist

dies bereits z.B. bei Überwachungsaufgaben in Museen, Mäharbeiten in Sportanlagen, Transport von

Gegenständen in Supermärkten, Ausstellungshallen, Bibliotheken, Bahnhöfen, Flughäfen etc. Die

Entwicklungsperspektiven sind hier sehr vielschichtig. Aber auch im privaten Wohnumfeld zeichnen sich

Entwicklungen ab. Insbesondere älteren Menschen können mobile, autonome Systeme wertvolle Dienste

zur Erhöhung ihrer Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit leisten.

Ein heute schon relativ großes Einsatzgebiet haben fahrerlose autonome Transportsysteme bei modernen

Fertigungsverfahren und in Gefahrenbereichen.

Ein fahrerloses Transportsystem ist ein flurgebundener mobiler Roboter. Die Spurführung dieses

automatisierungstechnischen Systems erfolgt entweder auf vorgegebenen Fahrspuren oder aber auch auf

frei bestimmbaren Kursen innerhalb eines Lagers oder Betriebsgeländes. Entsprechend wird eine

leitliniengebundene von einer leitlinienfreien Spurführung unterschieden.

Den Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen zeigen beispielhaft die folgenden Bilder:

Page 8: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Autonome Systeme in der Automatisierungstechnik

8 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Generell kommt bei mobilen autonomen Systemen der Orientierung, Navigation und selbständige

Hinderniserkennung bzw. Hindernisumgehung große Bedeutung zu. Sie sind technisch meist sehr komplex

und stellen damit hohe Anforderungen an die Berufe, die für sie und ihre Einsatzfähigkeit zuständig sind.

Die davon berührten Bereiche der Automatisierungstechnik formen viele Berufsbilder der Elektro- und

Informationstechnik sowie der Mechatronik.

Das Lernsystem Robotino® zielt auf die Ausbildung von Kompetenzen, die im weiten Feld der

Automatisierungstechnik erforderlich sind. Als mobiles, autonomes System enthält es eine breite Palette an

technischen Elementen aus unterschiedlichen Bereichen der Automatisierungstechnik. Robotino® ist dabei

als systemische Einheit aus Hardware und Software zu sehen. Zwar steht jede Teilkomponente auch für sich.

Insbesondere ihrem Zusammenwirken kommt aber eine besonders hohe Bedeutung zu. Mit Robotino® lässt

sich ein sehr weites fachliches Spektrum aus unterschiedlichen Technologiebereichen ansprechen und im

Unterricht umsetzen. Folgende Themenaspekte lassen sich integrieren:

• Kinematik

• Antriebstechnik

• Steuerungs- und Regelungstechnik

• Sensorik

• Informatik

• Prozesstechnik

• Kommunikationstechnik

• Bilderfassungs- und Bildverarbeitungstechnik

• Thematiken der angewandten Mathematik

Page 9: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 9

2 Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

Nachfolgende Ausführungen stellen schlaglichtartig theoretische Bezüge zum Lernfeldkonzept her. Die

Überlegungen zeichnen in einem lerntheoretischen Bezugspunkt unterschiedliche Grundauffassungen für

Unterricht nach. Sie stellen Ausgangspunkt und Zielstellungen der veränderten Lehrplanstruktur vor. Sie

skizzieren die Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) in den Rahmenlehrplänen und leiten daraus

eine mögliche didaktische Umsetzung ab. Für eine Vertiefung der ausgewählten Aspekte und die

Erweiterung der hier nicht ausgeführten Überlegungen sei auf die zitierte Literatur verwiesen.

2.1 Lerntheoretische Bezüge

Ein aktueller Begriff in der lerntheoretischen Diskussion einer modernen beruflichen Bildung ist der

konstruktivistische Unterricht. Der Konstruktivismus ist eine Theorie über die Entstehung von Wissen über

Dinge und Sachverhalte, somit eine Erkenntnistheorie. Die konstruktivistische Position unterscheidet sich

stark von traditionellen Sichtweisen, da sie für ein Individuum den aktiven Generierungsprozess bei der

Wissensentstehung besonders betonen. Der ‚Radikale Konstruktivismus' geht davon aus, dass alles Wissen,

wie immer es auch definiert sein mag, nur in den Köpfen von Menschen existiert und dass das denkende

Subjekt sein Wissen nur auf der Grundlage eigener Erfahrungen konstruieren kann. Konsequenterweise

wäre nach diesen Annahmen die Vermittlung von Lerninhalten oder Wissen im Sinne einer Übertragung

nicht möglich. Der Konstruktivismus steht in seiner radikalen Ausprägung der Instruktion in Lehr-Lern-

Prozessen somit skeptisch gegenüber.

Der Konstruktivismus ist in seiner moderaten Form für Lernen relevant. Er sieht vor, dass Instruktion und

aktive individuelle Wissenskonstruktion nicht nur vereinbar, sondern meist erforderlich sind und sich

gegenseitig bedingen. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die konstruktivistische Lernauffassung viele

wertvolle Hinweise zur Gestaltung von Lernumgebungen geben kann. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen

werden individuelle Unterschiede stärker berücksichtigt. Lernkonzepte sind weniger autoritär und besser

zur Vermittlung komplexer Fähigkeiten, wie z.B. Problemlösungskompetenz, kritisches, vernetztes und

ganzheitliches Denken sowie Selbstständigkeit geeignet. Insbesondere werden Probleme eines trägen

Wissens und mangelnder Transferfähigkeit berücksichtigt (ausführlicher siehe Riedl 2004a, S. 44ff.). Die

hier einleitend vorgestellten theoretischen Überlegungen werden im Folgenden aufgegriffen und näher

dargestellt.

Page 10: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

10 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Grundauffassungen von Unterricht

Übergeordnete und sich gegenüberstehende Grundauffassungen von Unterricht sind die objektivistische

und die konstruktivistische Ausformung. Die konstruktivistische Unterrichtsauffassung lässt sich in einem

handlungsorientierten Unterricht umsetzen. Sie hebt sich von einem objektivistischen Unterricht ab, in

dessen Gefolge ein wissenschaftsorientierter Unterricht zu sehen ist. Zum besseren Verständnis einer

konstruktivistischen Lehr-Lern-Auffassung erfolgt eine Gegenüberstellung, die zunächst den

objektivistischen und wissenschaftsorientierten Ansatz erläutert.

ObjektivistischerUnterricht

WissenschaftsorientierterUnterricht

HandlungsorientierterUnterricht

Entsprechungen bzw. Parallelitäten

Gegenläufige, sich aber nicht grundsätzlich ausschließende Beziehung

KonstruktivistischerUnterricht

Übersicht 2.1: Grundauffassungen von Unterricht

Objektivistischer Unterricht

Die objektivistische Auffassung von Lehr-Lern-Prozessen vertritt die traditionelle Sicht von Unterricht.

Wissen lässt sich durch Experten objektiv festlegen und entsprechend in fachsystematischen Strukturen

instruktionsorientiert durch die Lehrkraft vermitteln. Die Lehrkraft ist aktiv. Sie geht darstellend erläuternd

vor und ist Vermittler und Präsentierer neuer, klar strukturierter Inhalte. Der Lernende ist hierbei

vornehmlich in einer aufnehmenden Rolle. Er wird dabei stark von außen angeleitet. Seine schöpferische

Kraft soll durch Belehrung erst entstehen. Anhänger des objektivistisch ausgerichteten Unterrichts werden

als Objektivisten, Traditionalisten oder Strukturalisten bezeichnet.

Bei der objektivistischen Auffassung von Unterricht besteht die Gefahr, dass das vermittelte Wissen "träge"

verbleibt, indem es in neuen Situationen bei der Lösung von Problemen nicht aktiv eingesetzt werden kann.

Das erworbene Wissen bleibt schwerfällig. Es ist nur schwer für Anwendungs- und Gestaltungsaufgaben

einsetzbar.

Der objektivistische Unterricht findet eine Entsprechung im wissenschaftsorientierten Unterricht. Bei einem

wissenschaftsorientierten Unterricht werden für das betreffende Unterrichtsfach oder Lernfeld jene Inhalte,

Anordnungs-, Verfahrens- und Betrachtungsweisen zugrunde gelegt, welche die korrespondierenden

Wissenschaften ausmachen. Der Unterricht richtet sich nach den zugrunde liegenden Wissenschaften aus

und wird von ihnen geleitet. Die Bildungsgegenstände werden durch die Wissenschaften erkannt und

entsprechend diesen Wissenschaften vermittelt.

Page 11: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 11

Während beim handlungsorientierten Unterricht u. a. der Blick für die Berufstheorie aus den

Handlungsanforderungen des Berufes kommt, blendet der wissenschaftsorientierte Unterricht die Berufs-

und Arbeitssituation, in der die Lernenden in einer beruflichen Bildung stehen, oft aus. Bei dem

wissenschaftsorientierten Unterricht rückt die sachlogische Fachsystematik der zugrunde liegenden

wissenschaftlichen Disziplin bzw. der Disziplinen in den Vordergrund. Die Fachsystematik bestimmt die

Ermittlung und Vermittlung der Bildungsinhalte. Neben den didaktisch reduzierten Inhalten der

Bezugswissenschaften können dabei auch die Methoden ihrer Erkenntnisgewinnung zum Gegenstand des

Unterrichts werden.

Konstruktivistischer Unterricht

Der Begriff eines konstruktivistischen Unterrichts ist zu Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts aus

der nordamerikanischen Pädagogik in die deutsche Pädagogik gelangt. Die Anhänger des

konstruktivistischen Unterrichts wenden sich gegen die traditionelle Auffassung von Unterricht, nach der

Wissen in objektiven, fachsystematischen Strukturen instruktionsorientiert durch die Lehrkraft vermittelt

werden kann.

Die Hirnforschung der letzten Jahre bestätigt, dass Lernen kein passives Aufnehmen und Abspeichern von

Informationen und Wahrnehmungen ist, sondern ein aktiver Prozess der Wissenskonstruktion. Etwas lernen

heißt, das Konstrukt im Kopf zu überarbeiten oder zu erweitern. Es heißt, sich aktiv und intensiv mit dem

Lerngebiet auseinander zu setzen. Außerdem ist Lernen ein individueller, selbstgesteuerter Prozess, der je

nach Vorkenntnissen und -erfahrungen sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Konstruktivistisch orientierte Pädagogen gehen davon aus, dass ein Wissenserwerb in einem vom

Lernenden aktiv-aufbauenden Prozess erfolgt. Lerngegenstände müssen dazu in einem konkreten

Situationsbezug stehen. Entlang dieser Situation entwickelt der Lernende sein Wissen selbst und passt es in

seine individuelle Wissensstruktur konstruktiv ein. Erst damit entsteht richtig verstandenes Wissen, das

nach Ansicht der Konstruktivisten weniger träge ist.

Beim konstruktivistischen Unterricht liegt die Aktivität auf Seiten des Lernenden, der in einem situierten

Prozess sein Lernen gestaltet. Die Lehrkraft unterstützt, berät und regt diesen Prozess an. Sie schafft für den

Lernenden eine situierte Lernumgebung. Mit anderen Worten versucht ein konstruktivistisches Lernen

folgende Merkmale zu berücksichtigen:

• Lernen muss durch die aktive Beteiligung der Lernenden erfolgen, die motiviert sind und an dem, was

oder wie sie es tun, Interesse haben oder entwickeln.

• Lernende können ihre Lernprozesse immer auch selbst steuern und kontrollieren, der Ausprägungsgrad

kann je nach Lernsituation variieren.

• Lernen erfolgt konstruktiv, dazu müssen immer der Erfahrungs- und Wissenshintergrund der Lernenden

berücksichtigt werden und darauf bezogene Interpretationen stattfinden können.

• Lernen ist situativ, da es stets in einem spezifischen Kontext abläuft, der ganzheitlich, lebens- und

berufsnah ist. Hierbei ist möglichst die Realität mit unstrukturierten Problemen leitend, die nicht

reduktionistisch vereinfacht sind.

• Fehler sind bedeutsam, ihr Besprechen und Korrigieren ist Verständnis fördernd.

• Lernen ist ein sozialer Prozess, daher muss es als interaktives Geschehen stattfinden und den

soziokulturellen Hintergrund der Lernenden berücksichtigen.

• Neben kognitiven Aspekten sind Gefühle wie z.B. Erwartungshaltungen, Freude, Angst oder die

persönliche Identifikation mit dem Lerngegenstand bedeutsam.

Page 12: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

12 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

• Lernen bezieht sich besonders auf Fortschritte im Lernprozess und nicht nur auf Lernprodukte.

Integrative Prüfungsverfahren sollen dies berücksichtigen, die auch eine Selbstevaluation durch

Lernende vorsehen können.

Somit erfolgt Lernen aus moderat konstruktivistischer Sicht situiert und anhand authentischer Bezüge.

Lerngegenstände sind möglichst in multiplen Kontexten zu bearbeiten, um eine zu enge Bindung

erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten an konkrete Situationen zu vermeiden. Multiple Perspektiven

erhöhen die Flexibilität bei der Anwendung des Gelernten. Die instruktionale Unterstützung wirkt

ineffektivem Lernen und der Überforderung einzelner Lernender entgegen.

Balance

Soweit sich ein objektivistischer Unterricht um Anwendung des vermittelten Wissens bemüht, steht dieser

Unterricht zwar in einer gegenläufigen, aber nicht grundsätzlich ausschließenden Beziehung zu einem

konstruktivistischen Unterricht. Bemüht sich der konstruktivistische Unterricht darum, kontinuierlich

unterstützende Hilfen von Seiten der Lehrkraft beim selbständigen situierten Lernen anzubieten, nimmt

dieser Unterricht zwar eine gegenläufige, nicht aber grundsätzlich ausschließende Position zum

objektivistischen Unterricht ein. Bei dieser moderat konstruktivistischen Position geht es auch darum,

dekontextualisierte Wissensstrukturen aufzubauen, die für weitere Problemlösungen zur Verfügung stehen.

Das heißt, neu entstandenes Wissen soll abstrahiert und transferiert werden können, damit es sich auch

außerhalb der Situation anwenden lässt, in der es erworben wurde.

Durch die zunehmende Geschäfts- und Arbeitsprozessorientierung drängt es in der beruflichen Bildung zu

einem konstruktivistischen Unterricht. Aufgrund der Prozessorientierung in der modernen beruflichen

Bildung wächst die Bedeutung eines konstruktivistischen Unterrichts.

2.2 Ausgangspunkt und Zielstellungen einer veränderten Lehrplanstruktur

Veränderte Qualifikationsanforderungen

Die Qualifikationsanforderungen an berufliche Facharbeit haben sich in den letzten Jahrzehnten stark

verändert. Heute steht der Begriff ‚berufliche Handlungskompetenz' im Mittelpunkt. Berufliche

Handlungskompetenz offenbart sich in einem professionellen Handeln. Hier kann als zusammenfassende

Anforderung das selbstständige Planen, Durchführen und Kontrollieren einer Arbeitshandlung gelten. Neben

den steigenden inhaltlichen und fachlichen Voraussetzungen zur Bewältigung beruflicher Anforderungen

kommen zunehmend personale und soziale Fähigkeiten immer stärker zum Tragen, die sich dem Konzept

der Schlüsselqualifikationen zuordnen lassen. Dabei steht im Zentrum berufskompetenten Tuns ein sich

selbst bestimmendes Individuum, das reflektiert, eigenverantwortlich und gemeinschaftsorientiert handelt

und bereit ist, sich weiterzuentwickeln.

Veränderungen bei den Qualifikationsanforderungen des Beschäftigungssystems stellen sich durch eine

stetig zunehmende Dynamisierung von Weiterentwicklungen in immer kürzeren Zyklen ein. Zahlreiche und

wiederkehrend erforderliche Neuordnungen der Ausbildungsberufe in den verschiedenen Berufsfeldern

(beginnend 1987 mit Metall und Elektrotechnik) sind die entsprechende strukturelle Reaktion.

Aus der Unterrichtsperspektive zielen aktuelle Bestrebungen in der beruflichen Bildung derzeit darauf, Lehr-

Lern-Prozesse in komplexen Lernumgebungen eines konstruktivistischen Unterrichts stärker zu

individualisieren. Dieser gegenwärtig erkennbare didaktische Konzeptwechsel in einer technischen

beruflichen Bildung will, dass Lehr-Lern-Prozesse stärker situiert, von Schülern selbst gesteuert und

Page 13: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 13

kooperativ verlaufen. Damit verbunden ist die Annahme, die Kompetenzentwicklung von Lernenden positiv

zu beeinflussen.

Handlungskompetenz

Die übergeordnete Zielvorstellung einer zeitgemäßen beruflichen Bildung manifestiert sich im Begriff der

Handlungskompetenz. Sie zeigt sich in der Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen,

gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht sowie individuell und sozial

verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen von Fachkompetenz,

Humankompetenz und Sozialkompetenz. Hinzu kommen Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz

und Lernkompetenz.

Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz,Lernkompetenz

Human-kompetenz

Sozial-kompetenz

Fach-kompetenz

Übersicht 2.2: Handlungskompetenz und ihre Dimensionen

In der Handreichung der KMK sind die Dimensionen von Handlungskompetenz mit nachfolgenden

Umschreibungen gekennzeichnet (2007, S. 11):

• Fachkompetenz

bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens

Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und

das Ergebnis zu beurteilen.

• Humankompetenz

bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen,

Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu

durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und

fortzuentwickeln. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen,

Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die

Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte.

• Sozialkompetenz

bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten,

Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit Anderen rational und

verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu verständigen. Hierzu gehört insbesondere auch

die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidarität.

Bestandteil sowohl von Fachkompetenz als auch von Humankompetenz als auch von Sozialkompetenz

sind Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz und Lernkompetenz.

Page 14: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

14 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

• Methodenkompetenz

bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung zu zielgerichtetem, planmäßigem Vorgehen bei der

Bearbeitung von Aufgaben und Problemen (zum Beispiel bei der Planung der Arbeitsschritte).

• Kommunikative Kompetenz

meint die Bereitschaft und Befähigung, kommunikative Situationen zu verstehen und zu gestalten.

Hierzu gehört es, eigene Absichten und Bedürfnisse sowie die der Partner wahrzunehmen, zu verstehen

und darzustellen.

• Lernkompetenz

ist die Bereitschaft und Befähigung, Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge

selbstständig und gemeinsam mit Anderen zu verstehen, auszuwerten und in gedankliche Strukturen

einzuordnen. Zur Lernkompetenz gehört insbesondere auch die Fähigkeit und Bereitschaft, im Beruf

und über den Berufsbereich hinaus Lerntechniken und Lernstrategien zu entwickeln und diese für

lebenslanges Lernen zu nutzen.

Diese aktualisierte und gegenüber früheren Rahmenlehrplänen veränderte begriffliche Umschreibung von

Handlungskompetenz findet sich in den Rahmenlehrplänen der KMK bereits ab ca. 2005 in der dargestellten

Form. Damit führt die KMK den Begriff der Humankompetenz neu ein, der die früher in den

Rahmenlehrplänen verwendete Bezeichnung Personalkompetenz ersetzt. Bisherige begriffliche

Umschreibungen von Fach-, Personal-, Sozialkompetenz wurden im Wortlaut beibehalten. Eine orthogonale

Zuordnung von Methodenkompetenz, kommunikativer Kompetenz und Lernkompetenz soll die aktuelle

Bedeutung dieser drei Kompetenzausprägungen hervorheben. Dem gemäß kommen diese drei

Kompetenzen sowohl bei der Fach-, Human- und Sozialkompetenz zum Tragen (siehe Übersicht 2.2).

2.3 Lernfelder für den Unterricht der Berufsschule

Curricularer Rahmen für eine technische berufliche Bildung in der Berufsschule sind Rahmenlehrpläne, die

nach Lernfeldern geordnet sind. Die Einführung des Lernfeldkonzeptes durch die KMK basiert auf der

ambitionierten Zielperspektive der Anbahnung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz, dem

selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren von Arbeitstätigkeiten. Diese Leitidee hat ab 1996

mit der ersten Veröffentlichung der ‚Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der

Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit

Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe' für die Gestaltung von

Rahmenlehrplänen einen didaktischen Konzeptwechsel eingeleitet (Sekretariat der

Kultusministerkonferenz, KMK 2007, aktuelle Fassung).

Lernfelder als curricularer Rahmen

In den Rahmenvereinbarungen der KMK über die Berufsschule von 1991 ist der Bildungsauftrag der

Berufsschule beschrieben. Berufsbildung ist nach diesen Vorgaben einem doppelten Ziel verpflichtet:

• Der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Subjekte in sozialer Verantwortung

• zusammen mit der Qualifizierung zur Ausübung der Tätigkeiten eines Berufs, die auf dem Arbeitsmarkt

nachgefragt werden oder für die ein Bedarf erwartet werden kann.

Page 15: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 15

Bezogen auf diesen Bildungsauftrag führen die Vorgaben der KMK zu einer veränderten didaktischen

Struktur der Lernziele und Lerninhalte. Sie weisen dabei besonders auf eine geforderte

Handlungsorientierung des Unterrichts hin: "Die Zielsetzung der Berufsausbildung erfordert es, den

Unterricht an einer auf die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten, die

Handlungsorientierung betont und junge Menschen zu selbständigem Planen, Durchführen und Beurteilen

von Arbeitsaufgaben im Rahmen ihrer Berufstätigkeit befähigt" (KMK 2007, S. 12).

Diese grundsätzlich geforderte Ausrichtung des Unterrichts wird durch die nach Lernfeldern strukturierten

Rahmenlehrpläne curricular unterstützt. Dabei ist die zugrunde liegende Idee, "bei der Planung von Lehr-

Lern-Arrangements nicht von fachsystematischen Inhaltskatalogen auszugehen, sondern von beruflichen

Handlungsfeldern und diese theoretisch aufzuklären. Hierbei sind Lernfelder nicht einfach in den Unterricht

"abgebildete" berufliche Handlungsfelder, sondern didaktisch-methodische Konstrukte, die durch Reflexion

und Rekonstruktion beruflichen Handelns gewonnen werden. Lernfelder sind didaktisch begründete und für

den Unterricht aufbereitete Handlungsfelder" (Bader 1998, S. 211 ). Lernfelder abstrahieren somit konkrete

berufliche Handlungsfelder und führen zur theoriegeleiteten Durchdringung von beruflichen

Handlungssituationen. Durch die Lernarbeit in den verschiedenen Lernfeldern eines Ausbildungsberufes in

der Berufsschule leistet sie einen umfassenden Beitrag zur Berufsqualifikation.

Die Handreichung der KMK betont auf der Grundlage lerntheoretischer und didaktischer Erkenntnisse in

einem pragmatischen Ansatz die Forderung nach einem modernen beruflichen Unterricht, der in seiner

Grundkonzeption handlungsorientiert ausgerichtet ist. Sie untermauern dies mit der Aussage: "Für

erfolgreiches, lebenslanges Lernen sind Handlungs- und Situationsbezug sowie die Betonung

eigenverantwortlicher Schüleraktivitäten erforderlich. Die Vermittlung von Orientierungswissen,

systemorientiertes vernetztes Denken und Handeln, das Lösen komplexer und exemplarischer

Aufgabenstellungen werden mit einem handlungsorientierten Unterricht in besonderem Maße gefördert"

(KMK 2007, S. 17). An dieser Stelle wird aber auch betont, dass es unverzichtbar ist, "die jeweiligen Arbeits-

und Geschäftsprozesse in den Erklärungszusammenhang zugehöriger Fachwissenschaften zu stellen"

(ebd.).

Für die Gestaltung eines handlungsorientierten Unterrichts auf Grundlage eines Lernfeldkonzeptes nennen

sie folgende Orientierungspunkte:

• "Didaktische Bezugspunkte sind Situationen, die für die Berufsausübung bedeutsam sind (Lernen für

Handeln).

• Den Ausgangspunkt des Lernens bilden Handlungen, möglichst selbst ausgeführt oder aber gedanklich

nachvollzogen (Lernen durch Handeln).

• Handlungen müssen von den Lernenden möglichst selbständig geplant, durchgeführt, überprüft, ggf.

korrigiert und schließlich bewertet werden.

• Handlungen sollten ein ganzheitliches Erfassen der beruflichen Wirklichkeit fördern, z. B. technische,

sicherheitstechnische, ökonomische, rechtliche, ökologische, soziale Aspekte einbeziehen.

• Handlungen müssen in die Erfahrungen der Lernenden integriert und in Bezug auf ihre

gesellschaftlichen Auswirkungen reflektiert werden.

• Handlungen sollen auch soziale Prozesse, zum Beispiel der Interessenerklärung oder der

Konfliktbewältigung, sowie unterschiedliche Perspektiven der Berufs- und Lebensplanung einbeziehen"

(KMK 2007, S. 12).

Page 16: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

16 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Hierbei verweist die KMK jedoch ausdrücklich darauf, dass handlungsorientierter Unterricht ein didaktisches

Konzept ist, "das fach- und handlungssystematische Strukturen miteinander verschränkt. Es lässt sich

durch unterschiedliche Unterrichtsmethoden verwirklichen" (ebd. S. 13). Somit enthält der Rahmenlehrplan

zwar keine methodischen Festlegungen für den Unterricht. Die Handreichungen fordern aber klar, dass bei

der Unterrichtsgestaltung "Unterrichtsmethoden, mit denen Handlungskompetenz unmittelbar gefördert

wird, besonders berücksichtigt werden. Selbstständiges und verantwortungsbewusstes Denken und

Handeln als übergreifendes Ziel der Ausbildung muss Teil des didaktisch-methodischen Gesamtkonzepts

sein" (ebd. S. 8).

Vom beruflichen Handlungsfeld zur Lernsituation

Berufliche Handlungsfelder einer ausgebildeten Fachkraft geben die Struktur der Lernfelder in den

Rahmenlehrplänen vor. Die berufsbezogene Festlegung und Abgrenzung von Lernfeldern orientiert sich an

betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozessen, die Lernfelder in typischen Aufgabenbereichen bündeln. Für

die konkrete Ausgestaltung von Lernfeldern und ihrer Umsetzung im Unterricht sind berufliche

Aufgabenstellungen und Handlungsfelder leitend. Hierzu muss für die didaktische und

unterrichtsorganisatorische Planung als praktische Umsetzung des Lernfeld-Konzepts in der Berufsschule

eine Gestaltung von beruflich relevanten Lernsituationen erfolgen.

Nachfolgende Übersicht gibt gängige Definitionen für die Begriffe berufliches Handlungsfeld, Lernfeld und

Lernsituation wieder und zeigt den Transformationszusammenhang zwischen ihnen auf:

Handlungsfelder sind zusammengehörige Aufgabenkomplexe mit beruflichensowie lebens- und gesellschaftsbedeutsamen Handlungssituationen, zu derenBewältigung befähigt werden soll. Handlungsfelder sind immer mehrdimensional,indem sie stets berufliche, gesellschaftliche und individuelle Problemstellungenmiteinander verknüpfen. Die Gewichtung der einzelnen Dimensionen kann dabeivariieren. Eine Trennung der drei Dimensionen hat nur analytischen Charakter.

Lernfelder sind didaktisch begründete, schulisch aufbereiteteHandlungsfelder. Sie fassen komplexe Aufgabenstellungenzusammen, deren unterrichtliche Bearbeitung in handlungs-orientierten Lernsituationen erfolgt. Lernfelder sind durchZielformulierungen im Sinne von Kompetenzbeschreibungenund durch Inhaltsangaben ausgelegt.

Lernsituationen konkretisieren die Lernfelder. Dies geschieht in Bildungsgang-konferenzen durch eine didaktische Reflexion der beruflichen sowie lebens- undgesellschaftsbedeutsamen Handlungssituationen.

4

3

12

Übersicht 2.3: Handlungsfelder, Lernfelder und Lernsituationen (Bader, Schäfer 1998)

Bader und Schäfer (1998) stellen detailliert Transformationen und verschiedene Analyseschritte zwischen

komplexem beruflichem Handlungsfeld, Lernfeld und didaktisch strukturierter Lernsituation auf den

verschiedenen Reflexionsstufen vor. Sie sollen ein systematisches Erschließen bildungsrelevanter

Lernfelder und Lernsituationen aus komplexen Handlungsfeldern erleichtern. Orientiert an theoretischen

Grundlagen beziehen sie sich auf Kriterien der didaktischen Analyse nach Klafki und auf lehr-

Page 17: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 17

lerntheoretische Modellvorstellungen nach Heimann, Otto und Schulz. Hinzu kommen

handlungstheoretische Ansätze und Aspekte der Kompetenzentwicklung. Nachfolgende Ausführungen

beleuchten kurz die einzelnen Transformationen. (1) und (2) erfolgen bei der Lehrplangestaltung gemäß den

Vorgaben durch die KMK. (3) und (4) sind Aufgaben, die Lehrkräfte bei der Umsetzung der

Lehrplanrichtlinien übernehmen.

Didaktische Reflexion vom Handlungsfeld zum Lernfeld (1)

Komplexe berufliche Handlungsfelder existieren für jeden Beruf in großer Zahl. Jedoch erst eine didaktische

Reflexion führt zu didaktisch begründeten Lernfeldern. Die Beantwortung der Frage, auf welche Weise

Handlungsfelder in didaktisch begründeten Lernfeldern widergespiegelt werden können, erfolgt anhand von

vier Grundfragen der Didaktischen Analyse nach Klafki: Gegenwartsbedeutung, Zukunftsbedeutung,

exemplarische Bedeutung und thematische Struktur (siehe auch Bader 2003, S. 215f.).

Beispiel

Das Lernfeld Warten und Pflegen von Fahrzeugen oder Systemen aus dem Rahmenlehrplan für den KFZ-

Mechatroniker (KMK 16.05.2003, S. 11) ist das erste Lernfeld in der 10. Jahrgangsstufe (nachfolgende, in

diesem Kapitel angeführte Beispiele beziehen sich darauf). Erste berufliche Handlungen mit Beginn der

Ausbildung sind häufig einfache Pflege- und Wartungsarbeiten. Aber auch später sind Pflege- und

Wartungsarbeiten zur Funktions- und Werterhaltung an Fahrzeugen oder berufstypischen Systemen für

diesen Beruf sehr wichtig. Die exemplarische Bedeutung dieses Lernfeldes bezieht sich z.B. auf die

Entwicklung eines Sicherheits- und Qualitätsbewusstseins und der Anwendung von Vorschriften für die

Arbeitssicherheit und den Umweltschutz. Die thematische Struktur geht von der Arbeitsplanung aus,

umfasst z.B. technische Informations-, Kommunikations- und Dokumentationssysteme, Geräte und

Verfahren zum Prüfen und Messen, Werkzeuge, Betriebs- und Hilfsstoffe. Gleichzeitig bezieht sie auch

Gesprächsführung und Kommunikationsregeln im Umgang mit dem Kunden ein.

Didaktische Reflexion vom Lernfeld zum Handlungsfeld (2)

Wenn ein Handlungsfeld in der beschriebenen Weise analysiert und als relevant für die Konkretisierung und

Ausgestaltung in einem Lernfeld identifiziert worden ist, muss geprüft werden, in welcher Weise das

Lernfeld dazu beitragen kann, berufliche Handlungskompetenz zu entwickeln und zu fördern. Dies bedingt

die Bildungsrelevanz eines jeden Lernfeldes, die in erster Linie eine Reflexion auf curricularer Ebene ist.

Fragen hierzu sind, welchen Beitrag ein Lernfeld zur Bewältigung gegenwärtiger Lebenssituationen der

Lernenden leistet, ob ein Lernfeld eine vollständige in sich geschlossene berufliche Handlung abbildet, ob

neben fachlichen Zusammenhängen ein Lernfeld auch gesellschaftliche und individuelle Aspekte anspricht

und wie die verschiedenen Dimensionen von Handlungskompetenz für das jeweilige Lernfeld spezifisch

formuliert werden können.

Beispiel

Das aus dem KFZ-Mechatroniker-Lehrplan als Beispiel herangezogene Lernfeld Warten und Pflegen von

Fahrzeugen oder Systemen ermöglicht durch die vielfältig behandelten Aspekte eine ganzheitliche

Bewältigung der Anforderungen dieses definierten Handlungsfeldes. Über rein berufsbezogene und

fachliche Lerninhalte hinaus werden die verbale und nonverbale Kommunikationsfähigkeit und ein

Konfliktvermeidungsverhalten ebenso gefördert wie insgesamt ein Streben nach Arbeitsqualität und ein

Bewusstsein für umweltgerechtes Verhalten.

Page 18: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

18 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Didaktische Reflexion vom Lernfeld zur Lernsituation (3)

Lernsituationen als exemplarische curriculare Bausteine bringen fachtheoretische Inhalte in einen

Anwendungszusammenhang und präzisieren die Vorgaben der Lernfelder. In ihrer Gesamtheit haben sie die

Aufgabe, die Ziele des Lernfeldes abzudecken. Auf dieser Ebene erfolgt die konkrete Planung der

Unterrichtseinheiten, für die unterrichtsorganisatorische Bedingungen analysiert werden müssen. Die

Umsetzung von Lernsituationen im Unterricht ist Aufgabe des Lehrerteams der einzelnen Berufsschule.

Hierbei bietet sich über die Auswahl der Beispiele die Möglichkeit, spezifische regionale Anforderungen in

der Berufsausbildung zu berücksichtigen. Für diese Planung und Ausgestaltung der Lernsituationen spielt

die Zugänglichkeit und Darstellbarkeit der Thematik eine entscheidende Rolle.

Beispiel

Das Lernfeld Warten und Pflegen von Fahrzeugen oder Systemen erschließt sich bei seiner Umsetzung z.B.

durch die exemplarisch durchlaufene Planung, Durchführung und Kontrolle einer Wartungsarbeit an einem

KFZ nach Kundenwunsch. Dabei können Lernende z.B. auf Original-Herstellerunterlagen und Servicepläne

zurückgreifen.

Für die konkrete Ausgestaltung der Lernsituation müssen insbesondere die schulischen

Rahmenbedingungen für die Lernumgebung beachtet werden (vorhandene Fachunterrichtsräume,

einsetzbare Medien und Arbeitsgegenstände, hier z.B. ein KFZ oder ein anderes komplexes technisches

System, an dem ein solcher Geschäftsprozess exemplarisch geplant und durchgeführt werden kann).

Zu diesen unterrichtsorganisatorischen Einflussgrößen kommen weiter die Eingangsvoraussetzungen der

Lernenden als Bedingungsfelder des Unterrichts für die Planung und Ausgestaltung der Lernsituationen

hinzu (anthropologisch-psychologische, sozial-kulturelle aus der Lehr-Lerntheoretischen Didaktik).

Unterschiede ergeben sich hieraus z.B. für Lernende aus dem Nutzfahrzeug-, PKW- oder Motorradbereich.

Lernende können in verschiedenen Klassen einen unterschiedlichen Entwicklungsstand haben, der z.B.

abhängig von jeweiligen Betriebsstrukturen (Größe, Ausbildungsqualität, technische Ausstattung, etc.),

sozialer Herkunft der Lernenden, Alter, usw. sein kann.

Didaktische Reflexion von der Lernsituation zum Handlungsfeld (4)

Die Reflexion einer möglichen Kompetenzentwicklung für berufliche Handlungsfelder analysiert, in welcher

Weise Lernsituationen dazu beitragen, berufliche sowie lebens- und gesellschaftsbedeutsame

Problemstellungen zu bewältigen und welche Aspekte beruflicher Handlungskompetenz durch die jeweilige

Lernsituation besonders gefördert werden können. Hierbei stehen Fragen der methodischen Gestaltung und

der Überprüfbarkeit von Lernprozessen im Vordergrund. Mit der Frage, in welcher Weise in Lernsituationen

Handlungsstrukturen zur Bewältigung der Anforderungen eines Handlungsfeldes aufgebaut werden können,

schließt sich der Kreis.

Beispiel

Das Lernfeld Warten und Pflegen von Fahrzeugen oder Systemen zielt z.B. auf das Lesen können von

Blockschaltbildern, Diagrammen und Funktionsschemata oder die Gesprächsführung mit Kunden, um einen

Wartungsauftrag entgegenzunehmen. Dies erfordert unterschiedlich gestaltete Lernsituationen für die

anvisierten Kompetenzen. Den jeweils im Vordergrund stehenden Zielkategorien beruflicher

Handlungskompetenz (siehe Grafik 2.2 weiter oben) muss die Gestaltung der Lernsituationen gerecht

werden, um sie anbahnen zu können.

Page 19: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 19

Dies betrifft auch die Form der Überprüfung der einzelnen Dimensionen von Handlungskompetenz.

Testformen, die sich primär auf eine Überprüfung des Wissenszuwachses im Bereich der Fachkompetenz

richten, können z.B. soziale Kompetenzen wie die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten oder

methodische und personale Kompetenzen kaum erfassen. Diese komplexen Kompetenzbereiche erfordern

Prüfungssituationen bzw. Diagnoseverfahren (oft auch individualdiagnostischer Art), die ihnen Rechnung

tragen. Ihre Realisierung im Unterricht der Berufsschule kann aber aufgrund des damit verbundenen, meist

hohen Aufwandes erhebliche Schwierigkeiten in sich bergen.

2.4 Handlungsorientierung im Unterricht

In sehr vielen Bereichen haben sich Verlagerungstendenzen von der Handarbeit hin zu zunehmender

Kopfarbeit ergeben. Für die Berufsausbildung bedeutet dies, dass die theoretischen Anteile immer mehr

zunehmen und die Vermittlung der benötigen Kenntnisse und Fertigkeiten einer gesteigerten theoretischen

Durchdringung bedarf. Umgekehrt verlangt die immer komplexer werdende Theorie eine handlungsgemäße

Umsetzung in der Berufsschule, um vermittelbar zu bleiben. Herkömmliche Qualifizierungskonzepte können

aufgrund ihrer meist primären Orientierung an einer Wissensvermittlung diesen veränderten Anforderungen

aber oft nicht gerecht werden.

Ein Unterschied bei den Bildungsbemühungen zwischen den Institutionen Beschäftigungssystem und

Bildungssystem ist derzeit nicht mehr so offenkundig wie bei einer früher klar erkennbaren Trennung der

Aufgaben zwischen Betrieb und Berufsschule. Nach der alten Aufteilung lagen folgende Zuordnungen vor:

Der Betrieb habe sich um das "Was" und "Wie" und die Berufsschule um das "Warum" und "Wozu" zu

kümmern. Dies lässt sich für moderne Berufsbildung nicht mehr aufrechterhalten, da beide eine

übergreifende Bildungsvorstellung verfolgen. Das letztendlich gemeinsam formulierte Ziel ist die

Vermittlung der Berufskompetenz. Zur Förderung der Berufskompetenz ist der Aufbau von Handlungswissen

notwendig. Im Lichte dieser Zielvorstellung lässt sich folgende Akzentuierung für beide Dualpartner

vornehmen: Die Berufsschule übernimmt die Aufgabe, Berufskompetenz systematisch in grundlegenden

Lernprozessen zu vermitteln, was sich durch eine theoretische gesteuerte und reflektierende Förderung

beruflicher Handlungsfähigkeit ausdrückt. Der besondere Schwerpunkt liegt hierbei auf der Vermittlung des

Begründungswissens. Beim Begründungswissen geht es um ein Wissen über Hintergründe und

Zusammenhänge von Sachverhalten, ihre wechselseitig wirkenden Beziehungen oder Erklärungen zu den

Ursachen bestimmter Phänomene. Zugleich dient das Begründungswissen der Vertiefung, Ergänzung,

Erweiterung und Systematisierung des zu erwerbenden Wissens. Im Betrieb dagegen liegt das

Hauptaugenmerk auf gestaltendem und mitverantwortlichem Lernen in realen Arbeitsvollzügen am

Arbeitsplatz. Der Schwerpunkt steht hierbei in der quantitativen Ausprägung von Verfahrenswissen wie aber

auch von Faktenwissen (ausführlicher hierzu siehe Schelten 1997).

Kennzeichen und Merkmale eines handlungsorientierten Unterrichts

Ein handlungsorientierter Unterricht will wie jede Form von Unterricht ein Behalten, Verstehen und aktives

Anwenden von Wissen, von Fertigkeiten und Fähigkeiten gewährleisten. Zwischen traditionellen

Unterrichtsformen mit einer oft fachsystematischen Grundstruktur und einem handlungsorientierten

Unterricht sind vielfältige und fließende Übergänge möglich. Trotzdem unterscheidet sich ein

handlungsorientierter Unterricht erheblich von einem solchen Unterricht. Der inhaltliche und

organisatorische Ablauf unterliegt gegenüber dem herkömmlichen Unterricht anderen

Grundvoraussetzungen. Eine Vielzahl eigener Bestimmungsgrößen bedingt dieses Unterrichtskonzept:

Page 20: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

20 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

HandlungsorientierterUnterricht

HandlungssystematischesVorgehen

Innere DifferenzierungKooperatives undkommunikatives Lernen

UnterstützendeLehrerrolle

Komplexe Aufgaben-stellung und Lerngebiet

IntegrierterFachunterrichtsraum

Selbststeuerung undFreiheitsgrade

Integrative und offeneLeistungsfeststellung

Übersicht 2.4: Bestimmungsgrößen eines handlungsorientierten Unterrichts

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet

Handlungsorientierter Unterricht richtet sich an vielschichtigen und viele verschiedene Aspekte

umfassenden Aufgabenstellungen mit deutlichem Praxisbezug für die Schüler aus. Ein zentraler

Lerngegenstand bündelt in einem Lerngebiet eine Reihe von Lernzielen aus einem Lernfeld und

berücksichtigt dabei unterschiedliche berufliche Anforderungsbereiche. Darüber hinaus können Lernziele

aus allgemein bildenden Fächern hinzukommen. Die Aufgabenstellungen decken zeitlich langfristig ein

Lerngebiet für eine oder mehrere Wochen im Blockunterricht oder mehrere Wochen im Einzeltagesunterricht

ab. Für die Schüler werden damit abstrakte Lerninhalte, die im fachsystematisch organisierten Unterricht

häufig willkürlich erscheinen, konkret und sachbezogen. Über die Grenzen der traditionellen

Unterrichtsfächer hinaus wird ein Denken in Zusammenhängen gefördert. Problemstellungen mit

angemessenem Komplexitäts- und Schwierigkeitsgrad verorten Lerninhalte in typischen Berufssituationen

der Lernenden. Ein entsprechender Komplexitätsgrad der Aufgaben, der jedoch nicht bis zur Überforderung

gehen darf, bedingt einen Planungsaufwand der Schüler. Der Erwerb von Wissen erfolgt über aktiv

handelnde Problemlöseversuche in vollständigen Handlungen, bei denen auch übergreifende methodische

Qualifikationen erlernt werden. Die Problemstellungen sollen die Erfahrungen und Interessen der Schüler

berücksichtigen und dadurch ihre Identifikation mit der Aufgabenstellung unterstützen.

Handlungssystematisches Vorgehen

Handlungsorientierter Unterricht erfordert eine handlungssystematische Unterrichtsplanung, die sich an der

Handlungslogik einer zugrunde liegenden Aufgabe ausrichtet. Vorgesehene Lernziele und -inhalte müssen

dabei entlang einer voraussichtlichen Bearbeitung der im Mittelpunkt stehenden Arbeitsaufgabe gruppiert

und sinnvoll in den Bearbeitungsablauf integriert werden. Ein Erarbeiten theoretischer Lerninhalte erfolgt an

einer theoriehaltigen Problemstellung, die sich an den Erfordernissen der Praxis ausrichtet.

Integrierter Fachunterrichtsraum

Handlungsorientierter Unterricht fordert eine Lernumgebung, die ständig theoretische Überlegungen mit

ihrer praktischen Umsetzung an experimentellen Einrichtungen, Maschinen, Geräten oder Gegenständen

verbindet. Der integrierte Fachunterrichtsraum (IFU) bildet die vorbereitete Umgebung, die ein

handlungsorientierter Unterricht erfordert. Lerngegenstände, Material-, Geräteaufwand und

Medienausstattung sollen sich generell an berufstypischen Realsituationen, Standardkomponenten und

Originalunterlagen orientieren und über didaktisch reduzierte Modelle, Geräte und schriftliche Unterlagen

hinausweisen.

Page 21: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 21

Innere Differenzierung

Die Lernenden können gemäß ihrer eigenen Lerngeschwindigkeit unabhängig vom Lehrer vorgehen.

Leistungsstarke Schüler werden nicht unterfordert oder gebremst. Der Lehrer kann einzelne Schüler

individuell fördern und sich besonders leistungsschwachen Schülern zuwenden. Jedem einzelnen Schüler

sollte sowohl innerhalb seiner Gruppe als auch im Verhältnis zu anderen Gruppen ein individueller

Lernprozess möglich sein. Hierfür können geeignete Aufgabenstellungen ein gestuftes Schwierigkeits- und

Abstraktionsniveau anbieten. Die individuellen Grundlagen der Schüler, wie unterschiedliches Vorwissen,

verschiedene Lern- und Aufnahmefähigkeiten oder Motivations- und Interesseschwankungen, werden dabei

berücksichtigt.

Kooperatives und kommunikatives Lernen

Der Klassenverband ist in einem handlungsorientierten Unterricht größtenteils aufgelöst. Die Schüler

arbeiten vorwiegend in Teams, aber auch Einzelarbeit ist möglich. Die Gruppenzusammensetzung soll auf

freiwilliger Basis erfolgen, in die der Lehrer zur Optimierung im weiteren Unterrichtsverlauf regulierend

eingreifen kann. Leistungshomogene Gruppen führen zur gleichmäßigeren Verteilung der Aufgaben und

Lernarbeit in der Gruppe. Einer vorwiegend passiven Haltung einzelner, meist schwächerer

Gruppenmitglieder wirkt dies eher entgegen. Leistungsheterogene Gruppen ermöglichen den Einsatz von

Schülern als ‚Hilfslehrer' zur Unterstützung von leistungsschwächeren. Die Aufgabenbearbeitung und

Informationsbeschaffung soll die Zusammenarbeit der Lernenden und den gegenseitigen Austausch

betonen. Anstehende Arbeitsaufgaben sollen in der Gruppe in sozialer und sachbezogener Interaktion

eigenverantwortlich verteilt, übernommenen und koordiniert werden.

Selbststeuerung und Freiheitsgrade

Bei ihrer Lernarbeit sollen die Schüler möglichst wenig durch direktive Vorgaben der Lehrkraft, von

Leittexten, Leitaufgaben und Leitfragen in ihrem Lernprozess eingeengt werden. Arbeitsumgebung,

Arbeitsunterlagen und Aufgabenstellungen müssen jedoch den Lernverlauf zum Teil inhaltlich als auch

ablaufspezifisch vorstrukturieren. Sie sollen aber Entscheidungsspielräume der Lernenden möglichst wenig

einschränken, damit sie ihren Lernprozess weitgehend eigenverantwortlich organisieren, gestalten und

Entscheidungssituationen durchlaufen können, in denen sie individuelle Bearbeitungswege festlegen.

Aufgabenlösungen und Handlungsziele müssen dabei über verschiedene Wege mit verschiedenen

Hilfsmitteln erreichbar sein. Freiheitsgrade und Handlungsspielräume liegen jedoch nur dann wirklich vor,

wenn sie vom Lernenden wahrgenommen werden können und offensichtlich erkennbar sind. Handlungs-

und Entscheidungsspielräume bergen aber auch die Gefahr der Überforderung und Orientierungslosigkeit

der Schüler, wenn diese im Lernverlauf zu wenig Unterstützung durch die Lehrkraft erhalten.

Unterstützende Lehrerrolle

Die Lehrkraft gestaltet die Lernumgebung und organisiert Selbstlernformen für die Lernenden wie z.B.

Leitaufgaben, Leittexte, Informationsmaterial und Arbeitsanweisungen. Sie stellt eine Lernumgebung bereit,

indem sie Arbeitsgegenstände, Werkstoffe, Geräte und Ausstattung, umfangreiches Arbeitsmaterial wie z.B.

Herstellerkataloge, Produktbeschreibungen, Fachbücher oder Informationsblätter organisiert und

vorbereitet. Im Lernprozess tritt die Lehrkraft hinsichtlich der Unterrichtssteuerung in den Hintergrund, da

sie nicht mehr die Rolle des zentralen Wissensvermittlers übernimmt. Sie wird zum Organisator, Initiator

sowie hauptsächlich zum Berater im Unterricht. Die Unterrichtsqualität in einem solchen Unterricht hängt

jedoch zu erheblichen Teilen von der Betreuung der Lernenden bei auftretenden Fragen oder Problemen und

somit von der Verfügbarkeit der Lehrkraft ab. Bei einer zu hohen Schülerzahl kann dies zu erheblichen

Betreuungsanforderungen an die Lehrkraft führen. In großen Klassen kann dadurch eine Betreuung durch

zwei Lehrkräfte erforderlich sein.

Page 22: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

22 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Bisherige Aufgaben der Beaufsichtigung und Leistungskontrolle bleiben bestehen. Auftretende zeitliche

Freiräume durch das eigenständige Lernen leistungsstarker Schüler können für die intensivere Zuwendung

zu leistungsschwachen Schülern oder Gruppen genutzt werden. Die Unterrichtsplanung verschiebt sich für

einen solchen Unterricht von der Ebene unterrichtsbezogener Kommunikation und dabei explizierbarer

Lernziele und -inhalte auf die Ebene der Gestaltung einer Lernumgebung. Ein solcher Unterricht ist nicht

mehr exakt inhaltlich und zeitlich planbar. Die Steuerung des Unterrichts erfolgt nicht mehr allein durch die

Lehrkraft, sondern wird von den Schülern entscheidend mitbestimmt. Lehrkräfte müssen flexibel auf nicht

vorhersehbare, detaillierte Fragen, Situationen und Probleme reagieren und sich rasch eindenken können.

Dies stellt oft hohe Anforderungen an ihre fachliche Kompetenz.

Die Lehrkraft vermeidet die Präsentation vorgefertigter Lösungen, begleitet beratend den gesamten

Lernprozess und versucht, Lernende in die Lage zu versetzen, eigene Lösungswege zu finden.

Fachgespräche sollen sicherstellen, dass eine theoriegeleitete Planung der praktischen Ausführung

vorausgeht oder erledigte Aufgaben einer Reflexion unterzogen werden. Fachgespräche sind

kommunikative Hilfestellungen durch eine Lehrkraft in Lernumgebungen, in denen Lernende über weite

Strecken die Rolle aktiv Handelnder übernehmen. Sie beziehen sich im inhaltlichen Dialog zwischen

Lehrkraft und Lernenden sowohl auf den Lerngegenstand als auch auf den Lernprozess. Mit ihnen gelingt es,

besonders ein Begründungswissen zu fördern (ausführlicher hierzu siehe Buchalik, Riedl 2007 u. Schelten

2006).

Integrative, offene Leistungsfeststellung

Leistungsfeststellungen müssen von ihren Inhalten und ihrem Ablauf dem ganzheitlichen Ansatz eines

handlungsorientierten Unterrichts entsprechen. Wenn ein solcher komplexer Unterricht auf berufliche

Handlungsfähigkeit abzielt, ist es inkonsequent, nach durchlaufenen Qualifizierungsprozessen nur Wissen

abzufragen. Gefordert ist ein ganzheitliches Prüfen mit einer problemhaltigen Situation, die durch

alternative Lösungswege und davor zu treffenden, begründeten Entscheidungen bearbeitet werden kann.

Zusammenfassung

In handlungsorientierten Lehr-Lern-Arrangements, die eine moderate konstruktivistische Auffassung von

Lernen umsetzen, verändern sich die Rollen der Lehrkraft und der Lernenden gegenüber traditionellen

Unterrichtsformen (Gegenüberstellung und Synthese siehe bei Riedl 2004, S. 115ff.). Lehren und Lernen in

einem traditionellen Unterricht erfolgt meist auf der Ebene der personalen Kommunikation zwischen

Lehrendem und den Lernenden mit präzisen Fragen und Impulsen der Lehrkraft und darauf erwarteten

Schülerreaktionen. In einem konstruktivistischen Unterricht verlagern sich Lernprozesse stärker auf die

individuelle Ebene der Lernenden, die in einer vorbereiteten Lernumgebung über weite Strecken stark

eigenständig lernen. Solche Lehr-Lern-Arrangements sind getragen von zwei zentralen Determinanten. Zum

einen sind dies die unterstützend erfolgenden Eingriffe durch eine Lehrkraft, die einen schüler- oder

gruppenindividualisierten Lernprozess beratend begleiten oder durch Instruktionsphasen unterstützen und

ergänzen. Die zweite wichtige Einflussgröße ist das Selbstlernmaterial, das einen schüleraktiven

Wissenserwerb und ein individualisiertes Lernen ermöglicht (z.B. Lern- und Arbeitsgegenstände, Leittexte,

schriftliche Arbeitsanweisungen, Informationsmaterialien, Lösungsbeispiele, etc.).

Für weitere Erkenntnisse und Erfahrungen zur Umsetzung und Durchführung von handlungsorientiertem

Unterricht, die sich auf eine wissenschaftliche Grundlage stützen, die aber auch unterrichtspraktische

Aspekte einbeziehen, siehe Riedl 2004b, S. 96ff.

Page 23: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 23

2.5 Projektunterricht

Projektunterricht ist eine Möglichkeit, handlungsorientiertes Lernen zu verwirklichen. Projektunterricht folgt

gemäß den theoretischen Ausführungen von Karl Frey einem bestimmten Ablaufschema. Der idealisierte

Projektablauf umfasst fünf Projektschritte: Projektinitiative, Projektskizze, Projektplan,

Projektdurchführung, Projektabschluss. Während des gesamten Projektverlaufes lassen sich

organisatorische Fixpunkte und Zwischengespräche einfügen (ausführlicher siehe Riedl 2004a, S. 131ff.).

Aus Sicht allgemein bildender Schulen hat der Projektunterricht folgende Stärken: Er kann die individuelle

Entfaltung und gesellschaftliche Entwicklung der Schüler fördern und die Übernahme von konkreter

Verantwortung einüben. Das Mitgestalten von Situationen im täglichen Leben als Möglichkeit und Aufgabe

wird erfahrbar. In der Projektmethode erfolgt ein Handeln in einem größeren Rahmen, in dem sich eine

produktive Phantasie fördern lässt. Aus dieser Perspektive ist der Lernort Schule an vielen Stellen vom

Leben um ihn herum abgelöst. Die bestehende Kluft zwischen der Schulwirklichkeit und dem ‚wahren Leben'

lässt sich mit der Projektmethode überbrücken. Projektunterricht drückt sich in folgenden Merkmalen aus:

• Zusammenarbeit, Rücksichtnahme und gemeinsames Schaffen werden eher gefördert als

Konkurrenzverhalten.

• Lernobjekte sind meist reale Situationen und Gegenstände, wie sie außerhalb der Schule vorkommen.

• Dadurch wird die Kopplung oder vielleicht sogar die Synthese schulischer und außerschulischer

Lernbereiche ermöglicht.

• Angesprochen werden kognitive, motorische und affektive Bereiche in ganzheitlicher Sicht.

• Persönliche Fähigkeiten des Schülers werden besonders beachtet, um diese möglichst optimal zur

Entfaltung zu bringen.

• Die Motivation für ein Erreichen gemeinsamer Ziele wird kurz- und mittelfristig erleichtert.

• Die Projektmethode ist ein Bindeglied zwischen einzelnen Fächern.

• Die ständige Erneuerung der Schule wird durch Eingehen auf aktuelle Bestätigungsbedürfnisse und

Fragestellungen aufrechterhalten.

Gegenüber den allgemein bildenden Schulen steht Unterricht in der Berufsschule in einem anderen Kontext.

Im Rahmen der beruflichen Erstausbildung ist eine Verknüpfung von Theorie und Praxis hier

systemimmanent. Dadurch gelingt es meist einfacher, durch die schulartspezifische Nähe zu beruflichen

Inhalten einer Kluft zwischen Theorie in der Schule und Anwendungsbezügen in der Praxis

entgegenzuwirken. Beruflicher Unterricht, der entlang so genannter Unterrichtsprojekte theoretische Inhalte

zu vermitteln versucht, folgt dem weiter oben angedeuteten Ablaufschema der fünf Schritte der

Projektmethode oft nicht konsequent - muss diesen fünf Schritten aber auch nicht konsequent folgen. Für

ein solches Vorgehen im Unterricht ist dann der Begriff ‚projektartiger Unterricht' zutreffender.

Projektunterricht (und projektartiger Unterricht) stellt als komplexe Unterrichtsform bei der Planung und

Durchführung sehr hohe Ansprüche an die Beteiligten. Lehrkräfte müssen sich bei der Projektplanung meist

auf einen größeren Zeitraum beziehen und vielschichtige organisatorische und inhaltliche Aspekte

berücksichtigen (komplexes Arbeitsgebiet, vielfältige Themenaspekte, Rahmenbedingungen, externe

Bezugspunkte, …). Die Lehrkraft muss während der Projektdurchführung flexibel auf unvorhersehbare

Entwicklungen bei der Projektarbeit reagieren und ggf. Planungsschritte verändern. Umfassende und

vielschichtige Leistungskontrollen stellen in einem Projektunterricht hinsichtlich einer

Page 24: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule

24 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Kompetenzfeststellung hohe Anforderungen an den Beurteiler. Projektunterricht wird zu weiten Teilen durch

die Mitarbeit und Kreativität der Lernenden in einem solchen Unterricht getragen und stellt daher hohe

Ansprüche auch an sie. Für nachhaltige Lernprozesse müssen Lernende stark eigenverantwortlich arbeiten

und sich engagieren. Für leistungsschwächere oder leistungsunwillige Lernende dagegen, die mit dieser

Methode bisher nicht vertraut sind oder für Schüler, die sich nicht engagieren wollen, kann sich dadurch ein

sehr geringer Lerngewinn einstellen.

2.6 Moderner beruflicher Unterricht als integrative Gesamtkonzeption

Moderner beruflicher Unterricht konstituiert sich durch geführtes, systematisches Lernen in definierten

Wissensdomänen und situationsbezogenem Lernen in realitätsnahen, berufstypischen Aufgabenbereichen.

Ein solcher Unterricht umfasst selbstgesteuertes Lernen ebenso wie einen lehrergeführten Dialog. Situiertes

Lernen ist hier verknüpft mit systematikorientiertem Lernen. Dies zielt auf den Erwerb professioneller

beruflicher Handlungskompetenz durch ein lernförderliches Zusammenwirken von Fach- und

Handlungssystematik in einem integrativen Unterrichtsgesamtkonzept, in dem beide Grundorientierungen

zusammenfließen.

Die in den Lernfeldern der aktuellen Lehrpläne enthaltenen Lernzielformulierungen können grundlegende

unterschiedliche Ausrichtungen enthalten. Sie können z.B. eher grundlagenorientiert oder stärker

anwendungsbezogen und prozessorientiert sein. Eine weitere Unterscheidung ergibt sich aus den

unterschiedlichen Bildungszielen einer beruflichen Grundbildung und einer beruflichen Fachbildung. Für

erstere ist die Einführung in einen Themenbereich, bei der insbesondere theoretische Wissensgrundlagen

situiert und anwendungsorientiert vermittelt werden, zentral. Damit zielt sie auf die Vermittlung von

Begrifflichkeiten und Begründungszusammenhängen, die systematisch in festen Strukturen anzulegen sind.

Das Bildungsziel einer beruflichen Fachbildung ist stark anwendungsbezogen ausgelegt und hat

transferorientierte Lerninhalte zum Gegenstand. Idealerweise erfolgt hier bereits eine Transfersicherung

während des Lernprozesses selbst.

Die Umsetzung von Lernfeldern im Unterricht gemäß den Intentionen der Handreichung der KMK erfolgt

bisher an den Schulen unterschiedlich konsequent. Die unterrichtenden Lehrkräfte müssen dies vor dem

Hintergrund bestehender organisatorischer und rechtlicher Rahmenbedingungen in ihrem schulischen

Umfeld bewerkstelligen. Hierbei hinderlich sein können Klassenräume oft getrennt nach Theorie und Praxis,

der 45-Minuten Takt von Unterrichtsstunden, Schwierigkeiten bei Teilungsstunden und Teamteaching, nicht

vorhandene Verfügungsstunden zur Entwicklung von Lehr-Lern-Arrangements, die rechtlich oft nicht

zulässige Beurteilung von Gruppenleistungen oder die bisherigen unterrichtlichen Vorerfahrungen der

Schüler. Auch die bisher geforderten und bei Lehrkräften vorhandenen Kompetenzen sowie die derzeitige

Form der Lehrerbildung können einschränkend wirken. Der begonnene Entwicklungsprozess einer

Unterrichtsgestaltung, die auf Lernfelder abgestimmt ist, kann und wird wohl so schnell nicht abgeschlossen

sein. Nach wie vor sind sowohl aus theoretischer als auch unterrichtspraktischer Sicht zahlreiche Fragen

offen, wie spezifische Lernziele und Lerninhalte mit teilweise verschiedenen Zielperspektiven in konkreten

Lernsituationen umzusetzen sind.

Ein moderner beruflicher Unterricht muss hohen Qualitätsansprüchen genügen. Ein solcher Unterricht

umschließt sowohl fachsystematische als auch handlungssystematische Konzepte mit unterschiedlicher

Akzentuierung in einem sich gegenseitig ergänzenden und bereichernden Wechselspiel. Eine

konstruktivistische Grundauffassung für Lernen ist dabei leitend.

Page 25: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 25

3 Die Komponenten des Lernsystems Robotino®

Das Lernsystem Robotino® versteht sich als Einheit aus den drei Komponenten:

• Hardware

• Software

• Arbeitsbuch

Die Hard- und Software bilden zusammen ein Automatisierungsgerät, das stellvertretend für eine attraktive

automatisierte Anlage steht.

Durch die Kombination aus Robotino® (Hardware) und Robotino® View (Software) lässt sich ein sehr weites

fachliches Spektrum aus unterschiedlichen Technologiebereichen der Automatisierungstechnik ansprechen

und im Unterricht umsetzen (siehe Kapitel 1).

Das Arbeitsbuch liefert eine erste didaktische Aufbereitung dieser Themen in handlungsorientierten

Projekten.

3.1 Hardware

Modularer Aufbau

Die Hardware des Robotino® ist modular aufgebaut und umfasst folgende Einzelkomponenten:

Page 26: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Die Komponenten des Lernsystems Robotino®

26 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Beschreibung der Antriebseinheit

12

3 4 5

Motor (1) Inkrementalgeber (2) Allseitenrolle (3) Getriebe (4) Zahnriemen (5)

Schnittstellen

Frontansicht des Chassis

Page 27: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Die Komponenten des Lernsystems Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 27

Bodenansicht des Chassis

Stromlaufplan der EA-Klemmleiste

1 24

REL 0

REL 1

Analog IN0 ... 10 V

GND

GND

+24V

+24V

MO

DigitalOUT

DigitalIN

0123021 1346 57

GND

GND

+24V

+24V

M4

4567462 5702 13

1 24

Obere Klemmleiste und untere Klemmleiste

Page 28: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Die Komponenten des Lernsystems Robotino®

28 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Folientastatur und Display

Enter

1

2

3 6

7

54

Display (1) LED (2) Ein/Aus (3) Menüebene nach oben (4)

Auswahl nach unten (5) Auswahl übernehmen (6) Auswahl nach oben (7)

Aufbau und Tastenfunktion

Menüstruktur derBedieneinheit

Sprachen

NetzwerkIP Adresse

Sub NetmaskeLadezustand

Balkenanzeige

aktueller Strom

Spannung

Demoprogramme

Kreis

Vorwärts

Viereck

Erkunden

Liniefolgen

Deutsch

Englisch

Französisch

Spanisch

Menüstruktur

Page 29: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Die Komponenten des Lernsystems Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 29

3.2 Software

Neues Arbeitsblatt (1) Programmstart (2) Webcam (3a und 3b)

Robotino® Hardware (4) Kamerafenster (5)

Aufbau der Software

Bedeutung der Software im Gesamtsystem

Robotino® ist als operative Einheit aus Hardware und Software zu sehen. Die Hardware führt die in der

Software programmierten Aktionen aus. Sie wird erst durch die Software umfassend bewegungsfähig.

Einige Programmabläufe sind bereits als Demoprogramme in der Steuereinheit hinterlegt. Sämtliche

Bewegungen, die zielgerichtet und aufgabenorientiert neue Situationen bewältigen sollen, müssen jedoch

individuell mit der Software Robotino® View programmiert werden. Das Lernsystem zielt damit primär auf

das Verständnis für ein solches System als Einheit aus Hard- und Software sowie das Erlernen der

Programmierung eines automatisierten Systems. Gleichzeitig visualisiert die Software ständig die jeweiligen

Prozesszustände und steht somit stellvertretend für eine moderne Prozessvisualisierung.

Diese Schwerpunktsetzung entspricht dem beruflichen Anspruch im Bereich der Automatisierungstechnik.

Moderne Industrieanlagen sind ohne Softwareunterstützung nicht mehr denkbar. Die stetig wachsende

Aufgabenkomplexität lässt sich nur noch durch das Zusammenwirken von Hard- und Software bewältigen.

Page 30: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Die Komponenten des Lernsystems Robotino®

30 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Schnelle und einfache Prozessablaufänderungen, Kostenreduzierung, Eingliederung in zentrale

Produktionsüberwachung, Datenübernahme aus Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen, steigende

Komplexität der Produkte, Schnelligkeit und Effektivität der Produktion usw. belegen die Bedeutung einer

softwaregestützten Technologie. Dem entsprechend orientieren sich daran die Inhalte einschlägiger Berufe.

Robotino® bildet diese Verzahnung ab und hebt die Bedeutung der Software-Orientierung hervor, da die

Software die zentrale Lernschnittstelle für das Lernsystems darstellt.

3.3 Das Arbeitsbuch

Das Arbeitsbuch steht als dritte Komponente im Lernsystem Robotino® neben Hard- und Software. Es

gliedert sich in vier Bereiche: Projektteil, Theorieteil, Lösungsteil und Anhang.

Der Projektteil beinhaltet elf Aufgabenstellungen (hier Projekte genannt), die angelehnt an industrielle

Aufgabenstellungen mögliche Beispiele für die Umsetzung als Lerneinheiten im Unterricht enthalten. Die

ausgewählten Arbeitsprozesssituationen sind beispielsweise Wareneingangsprüfung, Erstinbetriebnahme

oder industriell orientierte Problemsituationen wie Aufgaben der Positionierung oder des abstandgenauen

Fahrens.

Die einzelnen Lerneinheiten im Arbeitsbuch sind nach einem einheitlichen Schema aufgebaut.

Vorausgehend beschreiben Lernzielformulierungen die Inhalte der Lerneinheit. Eine Problemstellung aus

der industriellen Praxis spannt den Rahmen der zu bearbeitenden Thematik auf. Sie mündet in einen

konkreten Projektauftrag, der ausführlicher einzelne, erforderliche Handlungsschritte zur Bearbeitung der

Problemstellung beschreibt und konkrete Arbeitsaufträge enthält. Enthalten sind immer auch Hinweise auf

Arbeitshilfen, Informationen zu den erforderlichen Randbedingungen und der Verweis auf mögliche,

ergänzende Zusatzaufgaben, mit denen sich die Aufgabenstellung erweitern lässt.

Der Theorieteil erläutert einzelne inhaltliche Themenfelder wie beispielsweise PID-Regler, Omniantrieb oder

Infrarotsensoren unter fachsystematischen Gesichtspunkten. Die inhaltliche Auswahl orientiert sich am

Antrieb und den Sensoren von Robotino® und der Software Robotino® View. Dieser Teil soll ergänzend zur

Softwarehilfe, dem technischen Handbuch und den technischen Unterlagen bzw. Datenblättern als

Informationsquelle zu den einzelnen Projektaufgaben dienen. Lernenden dient der Theorieteil als

Nachschlagewerk, auf das sie in selbstgesteuerten Lernphasen zurückgreifen können.

Der dritte Teil stellt Lösungen zu den elf Projektaufgaben vor und beinhaltet für Lehrkräfte ergänzende

Informationen, die aus der Unterrichtsperspektive eine Projektdurchführung unterstützen.

Im letzten Abschnitt sind die einzelnen Projekte den Inhalten des lernfeldorientierten Rahmenlehrplans aus

den Berufen des Elektronikers für Automatisierungstechnik und Betriebstechnik, den Mechatronikern und

den Feinwerkmechanikern zugeordnet. Diese Zuordnung liefert Orientierungshilfen zur Gestaltung eines

individuellen Unterrichts für die genannten Ausbildungsberufe.

Das Layout im Projektteil bietet durch die großzügige und optisch wenig verdichtete Darstellungsform Raum

für eigene, ergänzende Aufzeichnungen oder Anmerkungen. Dies trägt ganz erheblich zu einer hohen

Übersichtlichkeit und Klarheit bei.

Page 31: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 31

4 Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem

Lernsystem Robotino®

Mit dem Lernsystem Robotino® eröffnen sich Möglichkeiten für einen spielerisch motivierten Zugang zur

Automatisierungstechnik.

Nachfolgend sind drei Vorschläge skizziert, die Einsatzmöglichkeiten des Lernsystems in spielerischer Form

vorstellen. Den Spielvorschlägen gehen zunächst grundsätzlich Erläuterungen zur Vorbereitung von

Robotino® für die Spiele voraus. Jeder Spielvorschlag enthält eine Skizze zum räumlichen Aufbau des

Spielfeldes, Angaben zur Aufgabenstellung und zum Ziel des Spiels sowie spielspezifisch erforderliche

Vorbereitung am Spielgerät. Mögliche inhaltliche Fragestellungen zur Automatisierungstechnik, die aus dem

beschriebenen Spiel abgeleitet werden können, runden jedes Spiel ab. Am Ende dieses Kapitels fassen

kurze Anmerkungen zu Lernspielen aus didaktischer Perspektive die Ausführungen zusammen.

4.1 Vorbereitungen vor jedem Spiel

Technische und organisatorische Vorbereitungen

• Starten Sie das Programm Robotino® View und stellen Sie eine Verbindung zur Hardware her

• Laden Sie das Robotino® View Programm: Gesamtablauf für spielerischen Zugang.rvw.

• Stecken Sie den Joystick an und prüfen die Funktion innerhalb der Software (eventuell müssen Sie über

das Menü: Extras / Optionen nach Joysticks scannen und im Funktionsbaustein Joystick die

Konfiguration entsprechend anpassen)

• Konfigurieren Sie die Tasten des Funktionsbausteins Joystick

– vor und zurück fahren auf Achse O

– links und rechts fahren auf Achse 1

– Links-Drehung auf Knopf 0

– Rechts-Drehung auf Knopf 1

– Quittierfunktion auf Knopf 9

Diese Konfiguration empfiehlt sich, da sie die Teilnehmer meist intuitiv richtig durchführen. Jedoch

können in der Knopfbelegung Unterschiede bei verschiedenen Joystickherstellern auftreten

• Die Teilnehmer müssen vor dem Spiel eine Einführung in die konfigurierten Joystickfunktionen erhalten

• Die Geräteschutzfunktionen müssen verdeutlicht werden (sind im Programm hinterlegt, lassen sich

durch einzugebende Konstanten beeinflussen)

Funktion "Abstandhalten":

Der Robotino® kann sich nur bis auf ein vorher definiertes Maß (5 - 30 cm) an Hindernisse annähern.

Wird dieser Abstand unterschritten, so geht er in den Drehmodus über. Dieser Drehmodus muss durch

eine Taste am Joystick quittiert werden. Erst dann lässt sich der Robotino® wieder "frei" fahren

Kollision:

Kollidiert der Robotino® mit einem Gegenstand so endet das Programm. Die Kollisionserkennung läuft

durch die Stoßleiste, die um das Gerät montiert ist

• Eine Stoppuhr ist zur genauen Zeitmessung erforderlich

• Der Untergrund sollte möglichst rutschfrei sein

Page 32: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

32 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Parametrierung und Definition des Schwierigkeitsgrades

Im Programm sind die Konstanten Drehung links, Drehung rechts, Abstand und Induktion hinterlegt. Für die

Drehgeschwindigkeiten empfehlen sich Werte zwischen 50 und 300. Die Konstante für die Drehung rechts

erfordert einen positiven Wert, die für Drehung links einen negativen Wert.

Die Konstante Abstand definiert einen Vergleichswert zum gemessenen Abstand. Den Abstand zwischen

Robotino® und Gegenstand erfasst ein analoger Spannungswert, der sich im Bereich zwischen 0 und 2,56

bewegt. Die Software führt eine Vergleichsoperation zwischen Konstante und gemessenem Wert durch. Das

Ergebnis der Vergleichsoperation kann den Programmablauf Drehmodus auslösen. Hierzu empfiehlt es sich,

für die Konstante Abstand einen Wert von 1,2 vorzugeben. Dieser entspricht einem Abstand von ca. 10 cm.

Der Drehmodus startet, wenn dieser Abstand unterschritten ist.

Die Konstante Induktion definiert einen Vergleichswert zum gemessenen analogen induktiven Wert. Dies

funktioniert ähnlich der Abstandmessung (siehe oben). Hierbei sollte sich das Spektrum zwischen den

Werten 0 bis 10 befinden.

Konstantenbezeichnung Idealer Wert

Drehung rechts (pos.) 50

Drehung links (neg.) -50

Abstand 1,2

Induktion 7

Beispiel für eine ideale Parametrierung

Hinweise für die Spieldurchführung

• Während des Spielverlaufs fungiert die Lehrkraft als Spielleiter.

• Bei technisch bedingten Störungen, die nicht in der Verantwortung der Spieler liegen, muss die Zeit

angehalten werden, um einen gerechten Wettkampf zu gewährleisten.

• Bewertungssysteme für Spieler sollte die Lehrkraft vor Spielbeginn bekannt geben.

• Beispiel einer möglichen Spielbewertung

Pro Durchlauf: Platz Eins erhält drei Punkte

Platz Zwei erhält zwei Punkte

Platz Drei erhält einen Punkt

Gesamtbewertung: Alle gesammelten Punkte werden aufaddiert.

Gewonnen hat derjenige, der nach allen Spieldurchläufen die meisten Punkte hat.

• Häufig haben Spielteilnehmer Vorteile, die zunächst das Spielgeschehen beobachten und erst später

spielen. Um dies auszugleichen empfiehlt es sich, den Gewinner des vorausgehenden Spieldurchlaufs

beim nächsten Spiel beginnen zu lassen.

Page 33: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 33

4.2 Spielvorschlag: Slalomfahrt im begrenzten Raum

Spielaufgabe

Die Teilnehmer müssen den Parcours auf einer vorgegebenen Route mit Robotino® durchfahren. Dabei

dürfen Sie die Kegel oder die Randbegrenzung nicht berühren

Spielfeld

Start

Ziel

Beginn/EndeZeitmessung x

x

x

x = 80 cm(gilt für vorgegebene ideale Konstanten)

Kegel

Fahrlinie

Randbegrenzung

Skizze

Vorbereitung

• Führen Sie die unter 4.1 genannten Schritte systematisch durch.

• Geben Sie für die Konstante Induktion den Wert 10 ein (somit wird der Sensor außer Funktion gesetzt).

• Prüfen Sie den Wert des Abstandssensors. Dieser sollte bei 1,2 für den in der Skizze dargestellten Wert

liegen (entspricht einen ungefähren Abstandswert von 10 cm).

• Bauen Sie den Parcours gemäß der Skizze auf. Beachten Sie dabei, dass die Kegel einen Abstand von

80 cm zueinander und zu den Randbegrenzungen haben.

• Die Slalomfahrstrecke (siehe Skizze, blaue Linie) sollte auf dem Boden markiert sein.

• Der Spielleiter sollte den Parcours vor Spielbeginn zur Demonstration durchfahren und seine Fahrzeit

messen. Diese Zeit mit dem Faktor 2 multipliziert kann als maximale Zeit pro Durchlauf gesetzt werden.

Darüber liegende Zeiten kommen nicht in die Wertung.

Page 34: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

34 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Spielregeln

• Das Spiel endet, wenn die maximale Spielzeit überschritten ist.

• Bei der Kollision mit der Randbegrenzung endet der Durchlauf. Für diesen Durchlauf wird die maximale

Spieldauer gewertet.

• Bei der Kollision mit einem Kegel muss pro berührtem Kegel ein Drittel der Maximalzeit als Strafzeit auf

die tatsächlich gemessene Zeit aufaddiert werden.

Ziel des Spiels

• Der Parcours muss möglichst schnell durchfahren werden. Hierzu ist eine möglichst feinfühlige

Steuerung mit dem Joystick erforderlich, da die Abstände zwischen den Kegeln und der

Randbegrenzung mögliche Fahrbewegungen beschränken.

• Sieger ist derjenige, der die geringste Zeit für die Durchfahrt benötigt hat.

Mögliche inhaltliche Fragestellungen, die aus dem beschriebenen Spiel abgeleitet werden können

• Wo kommt eine solche Aufgabe in der industriellen Praxis vor? (Nicht spurgeführtes Fahrerloses

Transportsystem)

• Welche Sensoren dienen zur Abstandsmessung?

• Wie wird die zurückgelegte Wegstrecke in ein elektrisches Signal umgewandelt?

• Welche Probleme bei der Erfassung des Abstandes können sich ergeben?

• Welche Freiheitsgrade besitzt ein Mehrachsensystem?

• Wie kommt die Vor- und Seitwärtsbewegung des Robotino® zustande?

• Welche Störgrößen können die Fahrt beeinflussen?

• Welche Probleme können für eine exakte Positionierung auftreten?

• Welche Schutzfunktionen sind in Robotino® integriert?

• Welche Teilprogramme sind in dem manuellen Ablauf integriert?

• Wie kann der Ablauf automatisiert erfolgen?

• Welche Teilaufgaben muss ein automatisierter Ablauf erfüllen?

Page 35: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 35

4.3 Spielvorschlag: Manuelle Bahnfahrt auf Metallband

Spielaufgabe

Die Teilnehmer müssen mit Robotino® entlang eines Metallklebebandes fahren. Fahrbewegungen sind nur

möglich, solange der Induktivsensor dem Metallband folgt.

Start

Ziel

idealeTeilnehmerposition

BeginnZeitmessung

EndeZeitmessung

Spielfeld

entspricht ca. 80 cm

induktiver Sensor

metallische Führungslinie(Führungslinie sollte min. 5 cm breit sein)

Skizze

Vorbereitung

• Führen Sie die unter 4.1 genannten Schritte systematisch durch.

• Bauen Sie den Parcours gemäß der Skizze auf. Beachten Sie dabei, dass die Führungslinie induktiv

erfassbar ist und ein Breite von ca. 5 cm besitzt.

• Stellen Sie die Konstante des Induktivsensors mit der erforderlichen Empfindlichkeit ein. Ein idealer

Wert liegt hier bei 7.

• Achten Sie darauf, dass entlang des Parcours im Umkreis von 0,5 m kein Gegenstand oder Hindernis

den Fahrbereich des Robotino® einschränkt.

• Der Spielleiter sollte den Parcours vor Spielbeginn zur Demonstration durchfahren und seine Fahrzeit

messen. Diese Zeit mit dem Faktor 2 multipliziert kann als maximale Zeit pro Durchlauf gesetzt werden.

Darüber liegende Zeiten kommen nicht in die Wertung.

• Die Spieler positionieren sich so zum Gerät, dass Sie die metallische Führungslinie und den induktiven

Sensor stets im Blickfeld haben.

Spielregeln

• Das Spiel endet, wenn die maximale Spielzeit überschritten ist.

• Sollte sich Robotino® so weit vom Metallband entfernen, dass der Induktivsensor die Führungslinie

nicht mehr erfassen kann, so werden die Achsfunktionen des Joysticks abgeschaltet. Da nur noch

Drehbewegungen mit dem Robotino® möglich sind, endet das Spiel. Gewertet wird die Maximalzeit.

Page 36: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

36 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Ziel des Spiels

• Robotino® muss der Metallbandlinie möglichst genau folgen, damit der Parcours schnell durchfahren

werden kann.

• Sieger ist derjenige, der die geringste Zeit für die Durchfahrt benötigt hat.

Mögliche inhaltliche Fragestellungen, die aus dem beschriebenen Spiel abgeleitet werden können

• Wo kommt eine solche Aufgabe in der industriellen Praxis vor? (Spurgeführtes Fahrerloses

Transportsystem)

• Wie wird die Abweichung von der Führungslinie erkannt?

• Welche Eigenschaften des analogen Sensors sind zu erkennen?

• Wie setzt das Programm solche Informationen um?

• Wie wirkt sich eine Veränderung zwischen Konstante und Sensor im Soll-Ist-Vergleich aus?

• In welchem Zusammenhang steht die Fahrgeschwindigkeit mit dem Sensorwert?

• Welche umgebungsbedingten Probleme können auftreten?

• Welche Auswirkungen auf das Steuerungsprogramm haben die Signallaufzeiten der Kommunikation?

• Wie kann diese Aufgabe als automatisierter Ablauf stattfinden?

• Welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?

• Welche Gefahren können bei einem automatisierten Ablauf auftreten?

• Wo kann lässt sich ein solches System in der Praxis einsetzen?

• Welche Schutzeinrichtungen sind dafür erforderlich?

Page 37: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 37

4.4 Spielvorschlag: Parcours fahren mit Kamerabild

Spielaufgabe

Die Teilnehmer müssen Robotino® entlang einer Führungslinie entlang fahren. Dabei darf die Linie nicht

verlassen werden. Sie haben dabei keinen direkten Sichtkontakt zum Gerät. Die Fahrt sehen sie nur auf dem

Bildschirm aus der Perspektive der Kamera.

Start

Ziel

BeginnZeitmessung

EndeZeitmessung

Spielfeld

entspricht 80 cm

induktiver Kamera

metallische Führungslinie

farbige Führungslinie(Führungslinien sollte min. 5 cm breit sein)

Skizze

Vorbereitung

• Führen Sie die unter 4.1 genannten Schritte systematisch durch

• Bauen Sie den Parcours gemäß der Skizze auf. Dabei kann die Linie aus unterschiedlichen Farben und

Materialien bestehen. Sie soll aber eine Breite von ca. 5 cm haben.

• Stellen Sie die Konstante des Induktivsensors auf den Wert 10, somit wird dieser außer Funktion

gesetzt.

• Achten Sie darauf, dass entlang des Parcours im Umkreis von 0,5 m kein Gegenstand oder Hindernis

den Fahrbereich des Robotino® einschränkt.

• Der Spielleiter sollte den Parcours vor Spielbeginn zur Demonstration durchfahren und seine Fahrzeit

messen. Diese Zeit mit dem Faktor 2 multipliziert kann als maximale Zeit pro Durchlauf gesetzt werden.

Darüber liegende Zeiten kommen nicht in die Wertung.

• Die Teilnehmer stehen oder sitzen so zum Gerät, dass Sie keine Möglichkeit haben, das Gerät direkt zu

sehen. Hier empfiehlt sich eine räumliche Trennung von Soft- und Hardware oder eine dazwischen

aufgestellte Trennwand.

• Die Kamera muss so eingestellt sein, so dass auf dem Kamerabild am unteren Rand ein Teil des

Robotino® und darüber z.B. die Führungslinie zu erkennen sind. Dies ist für die Orientierung während

der Fahrt erforderlich.

Page 38: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

38 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Spielregeln

• Das Spiel endet, wenn die maximale Spielzeit überschritten ist.

• Sollte der Spieler die Führungslinie aus der Perspektive der Kamera nicht mehr erkennen können, muss

er neu beginnen.

• Sollte der Teilnehmer regelwidrig Sichtkontakt zum Gerät aufnehmen, endet das Spiel, die maximale

Spielzeit wird gewertet.

Ziel des Spiels

• Der Teilnehmer soll einen Parcours ohne direkten Sichtkontakt zu Robotino® möglichst schnell nur mit

Hilfe des Kamerabildes durchfahren.

• Sieger ist derjenige, der den Parcours am schnellsten durchfahren hat.

Inhaltliche Fragestellungen, die aus dem beschriebenen Spiel abgeleitet werden können

• Wo kommt eine solche Aufgabe in der industriellen Praxis vor? (Bilderkennungssysteme)

• Welche Einschränkungen für die manuelle Fahrt ergeben sich aus der Perspektive der Kamera?

• Wo lassen sich solche Systeme einsetzen?

• Welche Gefahren für Mensch und Maschine können dadurch resultieren?

• Welche Vorteile können sich aus einer solchen Steuerung ergeben?

• Welche Probleme treten auf, wenn auf dem Kamerabild mehrere Linien zu sehen sind?

• Wie kann die Bildschärfe des Kamerabilds einstellt werden?

• Welchen Einfluss haben Unterschiede der Bildschärfe auf eine Steuerung?

• Spielt die Kameraauflösung eine Rolle bei der Bildverwertung?

• Welche Unterschiede bei der Bilderkennung treten bei verschiedenen Farbräumen auf?

• Welchen Einfluss hat das Raumlicht auf das Kamerabild?

• Welche Anforderungen richten sich an die Software bezüglich der Linienerkennung?

• Welche Anforderungen richten sich an die Software bezüglich der Formenerkennung?

• Welche weiteren Funktionen können mit Hilfe der Kamera erschlossen werden?

Page 39: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 39

4.5 Lernspiele aus didaktischer Perspektive

Spielen ist eine der grundlegenden Betätigungsformen menschlichen Handelns. Neben Gespräch, Arbeit und

Feier ist Spielen eine Urform des Lernens. Spielen vermittelt ein Gefühl der Spannung und Freude. Durch

eine hohe Eigendynamik sind Verlauf und Ergebnis selten vorhersehbar, was die Spannung am Spielen

erhält. Spielen bedingt eine ständige Interaktion zwischen den einzelnen Mitspielern und mit dem

Spielobjekt. Dies setzt eine aktive Beteiligung der Spieler voraus. Der ganzheitliche Charakter von

Spielsituationen ist bedingt durch das kognitive anregende Durchlaufen einer Problemsituation. Hinzu

kommen emotionale Aspekte wie das meist positive Erleben einer Spielsituation in einem weitgehend

entspannend agierenden Sozialverbund.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Lernspiele im Unterricht meist ein hohes Motivationspotenzial

bergen. In Lernspielen lässt sich durch die geforderte eigenständige Initiative zur Problemlösung die

Selbstorganisation von Lernprozessen fördern.

Die Spielvorschläge mit Robotino® wecken bei den Lernenden Neugier an einem, auf den ersten Blick sehr

komplex erscheinenden Lernobjekt. Trotz des spielerischen Zugangs bleibt der Ernstcharakter der in den

Spielvorschlägen enthaltenen Problemstellungen jederzeit erhalten, da Robotino® ein

automatisierungstechnisches System im Industriestandard darstellt. Die erlebte Spielsituation und die

daraus abgeleiteten Fragen stellen die Lernenden vor neue Herausforderungen. Während des Spielverlaufs

entwickelte Fragehaltungen zu den im Spiel aufgetretenen Phänomenen und die erforderlichen

Problemlösestrategien regen den Denkhorizont der Lernenden in Bezug auf die Automatisierungstechnik an

und erweitern ihn.

Aus den vorgestellten Spielvorschlägen wird deutlich, dass sich daraus viele inhaltliche Fragestellungen

ableiten lassen, die einen direkten Bezug zu realen Aufgabenstellungen aus der Praxis der

Automatisierungstechnik haben. Dadurch bieten sich für die Lehrkraft zahlreiche Anknüpfpunkte zur

Weiterführung des Unterrichts.

Page 40: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®

40 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Page 41: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 41

5 Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

5.1 Lerninhalte der Projektaufgaben des Arbeitsbuches und ihre Zuordnung zu Berufen und

Lernfeldern

Nachfolgende Übersicht ordnet das inhaltliche Potenzial des Lernsystems Robotino® Lernfeldern für Berufe

der Elektrotechnik und Metalltechnik zu. Die berücksichtigten Lerninhalte beziehen sich auf die elf

Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch des Lernsystems und die dort im Teil 4 vorgenommene Zuordnung.

Die ausgewählten Rahmenlehrpläne stehen für Berufe mit hohen Ausbildungsanteilen im Bereich der

Automatisierungstechnik. Der Lehrplan für Elektroniker unterscheidet nach dem ersten Ausbildungsjahr die

Schwerpunkte Automatisierungstechnik, Betriebstechnik und Maschinen- und Antriebstechnik. Ebenso der

Feinwerkmechaniker, der die Schwerpunkte Maschinenbau und Feinmechanik ausweist.

Die folgende Tabelle zeigt auf, an welchen Stellen im Arbeitsbuch inhaltliche Entsprechungen zu Lernfeldern

der aufgelisteten Berufe vorhanden sind. An einem Beispiel verdeutlicht heißt dies, Inhalte aus

Projektaufgabe 5 sprechen für den Elektroniker in der Grundstufe das Lernfeld 3 an. Die Lernfelder 6, 7, 8

und 10 sind für den Schwerpunkt Automatisierungstechnik in der Fachstufe relevant.

Für ein konkretes Unterrichtsvorhaben in einem Lernfeld kann die Lehrkraft inhaltliche und didaktische

Anregungen aus dem Arbeitsbuch gewinnen. Darüber hinaus sind aber auch von Seiten des Lernsystems

inhaltliche Erweiterungen denkbar. Ebenso lassen sich Lernfelder aus weiteren Berufen z.B. für

Informationselektroniker mit Robotino® ausgestalten.

Berufe Projekt 1 Projekt 2 / 3 Projekt 4 Projekt 5 Projekt 6

Elektroniker(Grundstufe) LF1, LF3 LF1, LF3 LF3 LF3

Schwerpunkt

Automatisierungstechnik

LF10, LF11, LF13 LF6, LF7, LF8, LF9,

LF10, LF13

LF6, LF7, LF8, LF9,

LF10, LF12, LF 13

LF6, LF7, LF8,LF10 LF6, LF7, LF8, LF9,

LF10, LF12, LF13

Schwerpunkt Betriebstechnik LF6 LF7, LF8 LF7, LF8, LF11 LF7 LF3, LF7, LF11

Schwerpunkt Maschinen- und

Antriebstechnik

LF10

Feinwerkmechaniker(Grundstufe) LF8 LF8 LF8 LF8

Schwerpunkt Maschinenbau LF16a LF16a LF16a LF16a

Schwerpunkt Feinmechanik LF15b LF15b LF15b LF15b

Industriemechaniker LF10, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13

Mechatroniker LF7, LF8 LF7, LF 8 LF7, LF11 LF7, LF11

Zuordnung von Lerninhalten der Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch zu Berufen und Lernfeldern

Page 42: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

42 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Berufe Projekt 7 Projekt 8 Projekt 9 Projekt10 Projekt11

Elektroniker(Grundstufe) LF3 LF3 LF1, LF3 LF3 LF3

Schwerpunkt

Automatisierungstechnik

LF6, LF7, LF8, LF9,

LF10, LF12, LF13

LF6, LF6, LF7, LF8,

LF9, LF10, LF11,

LF13

LF6, LF7, LF8, LF9,

LF10, LF11

LF6, LF7, LF9,

LF10, LF11

LF6, LF7, LF9,

LF10, LF11

Schwerpunkt Betriebstechnik LF7, LF8, LF11 LF6, LF7, LF8 LF6, LF7, LF8, LF9,

LF10, LF11

LF7 LF7

Schwerpunkt Maschinen- und

Antriebstechnik

LF4, LF10, LF11

Feinwerkmechaniker(Grundstufe) LF8 LF8 LF8 LF8

Schwerpunkt Maschinenbau LF16a LF16a LF16a LF16a

Schwerpunkt Feinmechanik LF15b LF15b LF15b LF15b

Industriemechaniker LF6, LF10, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13

Mechatroniker LF7, LF8, LF11 LF7, LF11 LF7, LF8, LF9,

LF11

LF7, LF11 LF7, LF11

Zuordnung von Lerninhalten der Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch zu Berufen und Lernfeldern

5.2 Lerninhalte aus fachsystematischer Sicht und ihre Umsetzung in Projektaufgaben

Das Lernsystem Robotino® kleidet die mit ihm vermittelbaren fachsystematischen Inhalte in

Projektaufgaben. Aus der Verbindung von Fachsystematik und Situationsbezug sind Projektthemen

abgeleitet worden, die theoretische Aspekte mit einem konkreten Situationsbezug in Form von

berufstypischen Aufgaben- oder Problemstellungen aus der industriellen Praxis hinterlegen. Nachfolgende

Gegenüberstellung zeigt auf der linken Seite aus fachsystematischer Perspektive Oberbegriffe für

Lerninhalte, die sich mit Robotino® abbilden lassen. Gegenübergestellt sind rechts die Projektthemen im

Arbeitsbuch, mit denen fachsystematische Inhalte vermittelt werden können.

Page 43: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 43

Fachsystematische Inhalte

Steuerungstechnische Anforderungen

Regelungstechnische Anforderungen

Schnittstellenproblematiken

Positionierung

Inhalte über Sensorik

Kommunikationstechniken

Prozesstechnik

Abstandsgenaues Annähern

Systematische Fehlersuche

Thematiken zur Bilderfassungund deren Auswertung

C++ Programmierung

Projektthemen im Arbeitsbuch

Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme

Lineares Verfahren einesMehrachssystems

Positionierung einesMehrachssysstems

Bahnverfolgung mit Reflexlichttastern

Abstandsgenaues Anfahren des Robotino®

Abstandgenaues Umkreisen eines Gegenstandes mit Robotino®

Bahnverfolgung mitInduktivsensor

Abstandsgenaues Fahren

Ermittlung eines optimalenFahrverhaltens

Bahnverfolgung mit der Webcam

Zielanfahren durch die Webcam

Umsetzung

ArbeitsbuchProjekt 1

ArbeitsbuchProjekt 2

ArbeitsbuchProjekt 3

ArbeitsbuchProjekt 4

ArbeitsbuchProjekt 5

ArbeitsbuchProjekt 6

ArbeitsbuchProjekt 7

ArbeitsbuchProjekt 8

ArbeitsbuchProjekt 10

ArbeitsbuchProjekt 9

ArbeitsbuchProjekt 11

Fachsystematik + Situationsbezug

Fachsystematische Lerninhalte und ihr Bezug zur industriellen Praxis

Das Lernsystem Robotino® ist so angelegt, dass es zur inhaltlichen Konkretisierung der angeführten

Oberbegriffe der vermittelbaren fachsystematischen Lerninhalte einen großen Interpretationsspielraum

bietet. Dieser umfasst sowohl Umfang als auch Tiefgang der Inhalte, die in sehr weiten Bereichen

differenzierbar sind. Hierbei kommt beim didaktisch reflektierten Einsatz des Lernsystems im Unterricht der

Lehrkraft die entscheidende Rolle bei der Auswahl und Umsetzung zu.

5.3 Umsetzungsbeispiele für ausgewählte Inhalte

Die nachfolgenden Umsetzungsbeispiele zeigen auf, wie sich Unterrichtsvorhaben mit dem Lernsystem

gestalten lassen. Die unterschiedlichen Beispiele kommentieren Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch. Sie

umfassen folgende Inhalte:

• Erstinbetriebnahme und Wareneingangsprüfung

• Bewegungsmöglichkeiten von Mehrachssystemen

• Möglichkeiten der Positionierung

• Sensoren und Aktoren

• Steuerungs- und Regelungstechnik

Page 44: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

44 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

5.3.1 Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme

Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme stellen im beruflichen Alltag der Auszubildenden

wiederkehrende Aufgaben dar. Sie kommen in nahezu allen Berufsfeldern vor. Zur Wareneingangsprüfung

gehört z.B. das Prüfen des Lieferumfangs einschließlich der Vollständigkeit der technischen Unterlagen. Am

Beispiel von Robotino® lassen sich im Unterricht besonders das vertraut Machen mit einem komplexen

technischen System hinsichtlich seines Aufbaus und seiner Bedienelemente herausstellen. Zur

Erstinbetriebnahme gehören das Ein-/Ausschalten des Systems, Prüfen des Ladezustands des Akkus,

Starten von Demoprogrammen an der Hardware und Verknüpfen von Hard- und Software. Dies sind wichtige

Aufgaben aus dem beruflichen Alltag im Bereich der Automatisierungstechnik. Sie greift Projekt 1 des

Arbeitsbuchs auf.

Wareneingangsprüfung

Projektaufgabe 1 fordert vom Lernenden zunächst die Wareneingangsprüfung. Erste Aufgabe ist die

Sichtprüfung des erhaltenen Systems nach optischen Mängeln bzw. fehlenden Bauteilen einschließlich der

Dokumentation dieser Tätigkeit. Als Grundlage dafür dient das technische Handbuch.

Zusatzmöglichkeiten

Abgeleitet aus diesen Arbeitsaufträgen des Arbeitsbuchs lassen sich für Lernende Zuordnungsübungen zu

einzelnen Hardwareelementen durchführen, die Antriebseinheit, Bedieneinheit, Schnittstellen und Chassis

umfassen. Denkbar ist das Beschriften der Betriebsmittel durch Klebebandetiketten am System, die

anschließend nach Bedarf wieder entfernt werden können. Dabei sind funktionstechnische Gesichtspunkte

zu berücksichtigen. Beschriftungen müssen so angebracht werden, dass sie gut sichtbar sind, aber keine

betriebsbedingten Einschränkungen für das Gerät mit sich bringen. Eine weitere methodische Umsetzung

sind Arbeitsblätter, bei denen die Komponentenbeschriftung fehlt, die von den Lernenden zu ergänzen ist.

Zum Erschließen der Programmiersoftware Robotino® View sind Zuordnungsübungen anhand von

Screenshots durchführbar, mit denen sich der grundsätzliche Aufbau der Software Robotino® View

vermitteln lässt (siehe hierzu auch Kapitel 3.2.1).

Der modulare Aufbau der Hardware des Systems (siehe Kapitel 3.1) ermöglicht, dass Lernende das System

bereits in der Erstbegegnung in die Einzelkomponenten Antriebseinheiten, Steuereinheit, Chassis und Akku

zerlegen bzw. aus einem bereits zerlegten Zustand zusammenbauen. Im gleichen Zug bietet sich an, den

Austausch des Akkus durchzuführen. Methodisch lassen sich für ein selbstständiges Arbeiten der Lernenden

die geforderten Handlungen durch schriftliche Arbeitsaufträge zusammen mit dem Hilfsmittel technisches

Handbuch unterstützen. Ein Robotino® in zusammengebautem Zustand kann als Anschauungsmaterial für

das Zusammenfügen der Modulteile dienen.

Page 45: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 45

Beispiel einer Zuordnungsübung

Ordnen Sie die Bauteile entsprechend der Zahlen zu! Hilfsmittel: Technisches Handbuch

12

3 4 5

_________________________________________________________________________________________

_________________________________________________________________________________________

_________________________________________________________________________________________

Erstinbetriebnahme

Der zweite Teil der Projektaufgabe 1 aus dem Arbeitsbuch beinhaltet die Erstinbetriebnahme eines

autonomen technischen Systems. Einzelne Arbeitsaufträge sind:

• Sichern des Gerätes auf dem mitgelieferten Standbock

• Anbinden des Gerätes an eine stationäre Stromversorgung

• Ein/Ausschalten von Robotino® und Kontrolle des Betriebszustandes

• Prüfen des Akkus auf Ladezustand

• Starten von Demoprogrammen und beschreiben ihrer Funktionen

• Durchführung anhand der technischen Dokumentation zur Erstinbetriebnahme

Page 46: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

46 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Inhaltliche und methodische Erweiterungsmöglichkeit: WLAN, Bedienfeld und Softwareanbindung

Die Erstinbetriebnahme von Robotino® lässt sich um die Lerninhalte WLAN, Bedienfeld und

Softwareanbindung erweitern.

Im Lernkontext von WLAN lassen sich die Begriffe der IP und der SSID erarbeiten. Diese Inhalte sind aber

von der technischen Realisierung der Verbindung zwischen Hard- und Software abhängig. Möglich ist hier

die Verbindung über USB-WLAN-Sticks oder über ein Schulnetzwerk mit einem zentralen Access-Point. In

der Umsetzung ist als Aufgabe das Ansteuern eines Robotino® von mehreren Schülerarbeitsplätzen

nacheinander denkbar, oder die Einstellung der stationären IP-Adresse eines Robotino® wird verändert. Bei

diesen Übungen steuern Lernende ihren Robotino® von ihrem eigenen oder von einem anderen Arbeitsplatz

aus an oder übernehmen die Bedienung bzw. Kontrolle eines anderen Gerätes. Diese Übungen dienen der

Vertiefung von Inhalten aus dem Bereich der Kommunikationstechnik und erschließen deren spezifische

Besonderheiten.

Bei der Bedieneinheit lässt sich ihr grundsätzlicher Aufbau, die Funktionen der Bedientasten und die

Menüstruktur ihrer Software erschließen. Methodisch eignen sich dazu Zuordnungsübungen z.B. anhand

einer Mind-Map (siehe Punkt Menüstruktur, Kapitel 3).

Die Softwareanbindung lässt sich durch das schrittweise Vorgehen vermitteln, indem Lernende zunächst ein

lauffähiges Programm in die Arbeitsfläche von Robotino® View laden, die IP-Verbindung aktivieren und das

Programm über das Play-Symbol starten. Dabei können sie mit der Tastenkombination Strg + D die aktuellen

Werte des Programms abfragen und die Reaktion von Robotino® beobachten.

5.3.2 Bewegungsmöglichkeiten von Mehrachssystemen

Das Lernsystem Robotino® enthält ein omnidirektional angetriebenes Mehrachssystem. Inhaltliche

Herausforderungen für Lernende stellen hierbei z.B. die Wirkungen von Antriebsbewegungen einschließlich

deren Überlagerungen und die Freiheitsgrade eines solchen Systems dar. Im Arbeitsbuch greift

Projektaufgabe 2 dazu folgende Lerninhalte auf:

• Einfache lineare Bewegungen eines angetriebenen Mehrachssystems beschreiben und programmieren

• Koordinaten eines Bezugssystems bezogen auf den Antrieb von Robotino®

• Freiheitsgrade eines solchen Systems und kinematische Zusammenhänge

• Programmierung eines omnidirektionalen Antriebs und Grundfunktionen beschreiben

• Reale Einflüsse auf ein solches Antriebssystem

Zusatzmöglichkeit: Aufbau der Antriebseinheiten, deren Anordnung und Zusammenwirken

Ergänzend zu Projektaufgabe 2 lassen sich im Unterricht der Aufbau der Antriebseinheiten, ihre Anordnung

und ihr Zusammenwirken behandeln. Methodisch denkbar ist, dass Lernende die drei Antriebseinheiten in

Einzelteilen erhalten. Beim Zusammenbauen dieser Komponenten erschließen sie sich ihre Funktionalität

als einzelnes Bauteil und innerhalb des Gesamtsystems. Als Hilfsmittel fungieren dabei der Theorieteil des

Arbeitsbuches und das technische Handbuch.

Als Erweiterungsaufgabe sind die drei Antriebsachsen in das Chassis einzubauen und das Zusammenwirken

der drei Antriebsachsen zu erläutern. Die Freiheitsgrade eines solchen Systems lassen sich an dieser Stelle

vertiefen. Methodisch bietet hierbei der Theorieteil des Arbeitsbuchs weitere Anregungen.

Page 47: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 47

Damit verknüpfen und auf reale Anwendungen übertragen lassen sich mathematische Betrachtungen zur

Vektoranalysis und Trigonometrie. Informationen hierzu enthalten auch der Theorieteil des Arbeitsbuches,

die Online-Hilfe der Software Robotino® View und der Anhang dieser Handreichung.

Da mathematische Bezüge zunächst sehr abstrakt sind und die Bestimmung der Fahrtrichtung sehr komplex

ist, empfiehlt sich an dieser Stelle die Einführung des Omnimoduls. Der Funktionsbaustein Omnimodul

berechnet aus translatorischen Geschwindigkeitsvorgaben (Vektorkoordinaten Vx,Vy,Vz) die

Geschwindigkeitssollwerte der drei Einzelmotoren des Antriebs und berücksichtigt dabei die Position des

Chassis.

Die vom Omnimodul vorgenommene Berechnung der Bewegungsrichtung von Robotino® und die Vorteile,

die sich durch die Verwendung des Omnimoduls ergeben, erschließen sich leichter über das oft

grundsätzliche vorhandene Verständnis über translatorische Systeme und deren theoretischen Hintergrund.

5.3.3 Aufgaben der Positionierung

Ein wichtiger inhaltlicher Aspekt für autonome, mobile automatisierungstechnische Systeme ist ihre exakte

Positionierung. Das Arbeitsbuch stellt hierzu drei Möglichkeiten im Projekt 3 dar. Die erste

Positionieraufgabe bezieht sich auf das Zählen von Motorinkrementen. Dabei werden aus dem

Funktionsbaustein Motor der Software die gezählten Inkremente herausgelesen und mit einer Konstanten

verglichen. Das Ergebnis dieser logischen Operation wirkt direkt auf den Motor zurück. Diese Form der

Positionierung schließt trigonometrische Funktionen für die Bewegungsrichtung zur Berechnung der

Ansteuerung der Antriebsachsen ein.

Ergänzend dazu lassen sich relative und unmittelbare Drehzahlmessung von Motoren, deren technische

Umsetzung und auch potentielle Fehlerquellen der Messung betrachten. Weiter lassen sich dazu Getriebe

und Riemenübersetzungen in Bezug setzen, das Zusammenwirken von Motor und Radumdrehung sowie

Problematiken des Schlupfs erschließen.

Die beiden weiteren Positionieraufgaben verwenden den Hilfsbaustein Omnimodul und beschreiben die

Positionierung jeweils mit einer Formel zur gleichförmigen Bewegung:

Die Grundformel V = s : t ergibt umgestellt nach dem Weg s = V * t die Abhängigkeit der definierten Strecke

von der Geschwindigkeit und Zeit. Die zurückgelegte Wegstrecke lässt sich über die Veränderung beider

Größen V und t definieren (siehe Projekt 3, Teilaufgabe 2 im Arbeitsbuch).

Alle drei Verfahren der Positionierung sind gemäß der Vorgaben im Arbeitsbuch mit verschiedenen

Bodenoberflächen und verschiedenen Geschwindigkeiten in mehreren Versuchsreihen durchzuführen. Reale

Einflussgrößen und Fehlerquellen, wie beispielsweise die Summation von Fehlern, verschiedene

Bodenbeläge, Reaktionszeiten, usw. werden den Lernenden vor Augen geführt.

Page 48: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

48 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Zusatzmöglichkeit

Ergänzend dazu lassen sich weitere Fragestellungen zur Positionierung aufgreifen. Mögliche Stichworte sind

die relative und die absolute Positionierung. Hierzu müssen die Begriffsbedeutungen unterschieden und

ihre technische Umsetzung mit möglichen Problemen dargestellt werden. Folgende Fragestellungen bieten

Impulse für solche Inhalte:

• Wie lässt sich Robotino® nach einer zurückgelegten Fahrstrecke wieder genau in die Ausgangslage

bringen?

• Welche Messmöglichkeiten müssen hierzu vorhanden sein?

• Welche technischen Zusatzkomponenten benötigt das System?

• Wie kommt es zur Summation von Positionierfehlern?

• Wovon hängt die Positioniergenauigkeit ab?

• Welche Probleme können durch eine indirekte Messwertaufnahme entstehen?

• Wie lassen sich solche Fehler beheben?

5.3.4 Sensoren und Aktoren

Das Standardausführung des Lernsystems Robotino® ist mit je zwei digitalen und je zwei analogen

Sensorarten ausgestattet. Bei den digitalen Sensoren verwendet das System zwei Reflexlichttaster und eine

Stoßleiste. Die analogen Sensoren umfassen neun Infrarot-Abstandssensoren und einen induktiven

Endschalter. Die Stoßleiste und die induktiven Abstandsensoren sind fest in der Hardware eingebaut.

Reflexlichttaster und induktiver Endschalter sind jeweils extern über die EA-Schnittstelle an das System

angebunden.

Sensoren

Infrarot AbstandssenorStoßleisteintegriert

extern angebundenInduktiver SensorReflexlichttaster

Digital Analog

Sensorarten im Lernsystem Robotino®

Im Arbeitsbuch werden die Sensoren im Theorieteil nach Aufbau und Funktion erläutert und in den einzelnen

Projekten je nach Auftragsanforderung integriert. Dabei beschäftigt sich das Lernsystem mit:

• unterschiedlichen Schaltzuständen wie Öffner und Schließer

• Justieren von Sensoren

• Einstellen von Schaltreserven

• Anbinden an Schnittstellen

• Technische Dokumentation mit Hilfe von Stromlaufplänen

• Umgang mit Datenblättern und technischen Unterlagen

• Einbinden in die Software durch die entsprechenden Funktionsbausteine

• Konfiguration innerhalb der Software

• Funktionsprüfung durch die Software

• Aufnahme von Messwerten und Messtabellen

• Erstellen von Kennlinien und deren Interpretation

• Bilderfassung, Auswertung und Weiterverarbeitung

Page 49: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 49

Projekt 5 leitet die Kennlinie eines analogen Sensors her. Hierbei werden zunächst mit Hilfe der Software die

einzelnen Messwerte eines analogen Sensors aufgenommen, tabellarisch dokumentiert und grafisch in ein

Achsensystem übertragen. Diese Schaltkennlinie des Infrarotsensors muss für den geforderten

Anwendungsbezug interpretiert und eingebunden werden. Ihre grafische Umsetzung ist z.B. mit dem

Programm EXCEL möglich.

Aktoren beschränken sich derzeit im Lernsystem Robotino® auf die drei Antriebseinheiten der Hardware. Sie

wurden bereits in vorausgehenden Kapiteln erläutert.

Erweiterungsmöglichkeiten für die Systemeingänge

Das System lässt sich um sechs digitale und sieben analoge Sensoren über die Standardausstattung hinaus

erweitern. Ergänzend dazu lassen sich zusätzliche externe Signalgeber einbeziehen. Eingabegeräte sind z.B.

Joystick, Steuerungsfeld oder ein Kamerasystem. Diese Komponenten ermöglichen erheblich erweiterte und

komplexere Aufgabenstellungen.

Erweiterungsmöglichkeiten durch acht digitale Ausgänge

Das Lernsystem Robotino® lässt sich über acht digitale Ausgänge erweitern. Dadurch können z.B.

Übergabesignale zwischen Robotino® und anderen Maschinenkomponenten etwa durch Lampen simuliert

werden. In der industriellen Anwendung ist dies beispielsweise bei einem hardwareseitigen

Kontaktaustausch umgesetzt und ermöglicht so den Abgleich zwischen einzelnen Maschinenpositionen, die

oftmals auch von verschiedenen Herstellern kommen.

5.3.5 Steuerungs- und Regelungstechnik

Bei Projektaufgabe 5 im Arbeitsbuch zum abstandsgenauen Anfahren einer Beladestation stehen

Steuerungs- und Regelungsprozesse im Mittelpunkt.

Der erste Aufgabenteil erfordert zunächst Entscheidungen zu den einzusetzenden Sensoren. Der dafür

geeignete Infrarot-Abstandssensor liefert der Software das Eingangssignal und wird mit dem

entsprechenden Funktionsbaustein konfiguriert. Anschließend ist die grundsätzliche Entwicklung einer

Steuerstrategie gefordert. Im Arbeitsbuch erfolgt dies durch eine Vergleichsoperation zwischen einer

Sollwertkonstanten und dem Sensorwert. Ist dieser Vergleich erfüllt, schaltet das Programm die

Fahrbewegung ab. Da keine Rückwirkung stattfindet, erfolgt in diesem Projektabschnitt ein

Steuerungsprozess. Diese Steuerungsanwendung testen die Lernenden mit verschieden Abstands- und

Geschwindigkeitswerten. Als Voraussetzung hierfür müssen sie die Kennlinien von Sensoren lesen und

verstehen können. Durch das Experimentieren erschließen sich potentielle Einflussfaktoren, die in der

beruflichen Realität automatisierte Anlagen mit beeinflussen.

Aufbauend auf dieser Aufgabe fordert die erweiterte Aufgabenstellung im Arbeitsbuch eine

Regelkreisstrategie. Der geforderte Abstand zum anzufahrenden Gegenstand muss in einer 2. Teilaufgabe

auch bei beweglichem Hindernis beibehalten werden. Die dritte Teilaufgabe fordert das Entlangfahren an

einer Mauer mit konstantem Abstand.

Bei den beiden Erweiterungsaufgaben sind Regelungen erforderlich. Dabei werden spezifische Regelgrößen

definiert und der Wirkungszusammenhang mit Hilfe eines Blockschaltbildes entwickelt. Diese Darstellung

der Regelung übertragen die Lernenden auf ein Programm der Software Robotino® View. Die graphische

Ähnlichkeit des Blockdiagramms mit dem Softwareprogramm fördert den Verständnisprozess. Im Anschluss

daran testen die Lernenden das erstellte Programm an den verschiedenen Aufgabenstellungen, wie

Page 50: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

50 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

beispielsweise das Verschieben des Hindernisses während des Programmlaufs oder durch Verändern der

Abstände zu Hindernissen.

Das vorausgehende Beispiel im Arbeitsbuch führt den Lernenden zum ersten Mal bewusst

Regelungsprozesse vor Augen. Dabei werden unterschiedliche Quellen der Eingangssignale anhand

verschiedener Sensorarten und Eingabegeräten in die Regelung einbezogen. Die zunehmende Komplexität

der Regelungsaufgaben bedingt eine strukturierte Programmierung, die mit Hilfe von Ablaufsequenzen

verwirklicht wird. Dabei sind komplexe Anforderungen in Einzelaufgaben zu zerlegen, die von der Robotino®

View Software in entsprechende Programme abgespeichert werden. Diese Einzelprogramme ermöglichen,

drei digitale Signale aus dem Programm herauszulösen und mit Folgeapplikationen zu verknüpfen. Diese

Vernetzung einzelner Programme bildet die Software Robotino® View durch die grafische Arbeitsfläche für

Ablaufstrukturen ab. Im Arbeitsbuch greifen die weiteren Projektaufgaben Beispiele für Regelungsaufgaben

gemäß industrieller Anforderungen auf. Sie sprechen folgende Lerninhalte an:

• Prinzipien der Steuerung und Regelung

• Begrifflichkeiten der Steuerung und Regelung

• Entwicklung von Steuerungs- und Regelungsstrategien

• Umsetzung einer Strategie innerhalb einer Software-Oberfläche

• Strukturierte Programmerstellung und Ablaufsequenzen

• Testen unter realen Umgebungseinflüssen

• Erkennen von Fehlerquellen

• Optimierung und Beseitigung von Fehlerquellen

• Grundlegende Reglertypen (Proportional-, Differenzial-, Integralregler)

• Auswirkungen von Regelungsstrategien

• Kombination verschiedener Reglertypen

• Einstellung von verschiedenen Reglerparametern

• Optimierung von Reglerstrategien

5.3.6 Perspektiven des Lernsystems Robotino®

Die vorausgehend beschriebenen Beispiele aus dem Arbeitsbuch stellen einen kleinen Auszug des

inhaltlichen und didaktischen Spektrums des Lernsystems Robotino® dar.

Das Lernsystem umfasst sehr viele Fachinhalte von automatisierten Anlagen. Neben den bereits integrierten

lassen sich durch die Schnittstellen viele weitere Möglichkeiten der Signalerfassung, deren Auswertung und

Weiterverarbeitung, Bildverarbeitungs- und Umsetzungsstrategien, Gestaltung der Bildschirmoberfläche,

die Übernahme einer autonomen CPU, usw. in das Lernsystem integrieren. Dies gewährleistet die offene

Gestaltung des Lernsystems mit vielen Schnittstellen (siehe Punkt 3.1.2.1). Beispielsweise lassen sich über

die Schnittstellen

• weitere analoge und digitale Sensoren anbinden (siehe Kap. 5.3.4)

• externe Komponenten durch potentialfreie Relaiskontakte schalten

• zusätzliche Eingabetasten am Joystick einbeziehen

• zusätzliche digitale Aktoren anbinden

• ein Kamerasystem integrieren

• mechanische Werkzeuge wie z.B. einen Greifer anbauen

Page 51: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 51

Robotino® lässt sich in seiner Vielseitigkeit sehr stark ausbauen. Die Firma Festo entwickelt ständig neue

Möglichkeiten der technischen Erweiterung des Systems. So wird beispielsweise die Einbindung eines

Greifarms oder die Erkennung eines absoluten Nullpunkts im Raum in den nächsten Versionen als optionale

Erweiterung zum Grundsystem mit angeboten. Besonders wichtig ist aber die Innovationsbereitschaft der

Lehrkräfte, die mit dem Lernsystem arbeiten. Sie geben die entscheidenden Anstöße für die didaktische

Entwicklung und Entfaltung des Potenzials von Robotino® im Unterricht.

5.4 Anknüpfpunkte zum bestehenden Unterricht

In vielen Schulen dominiert den Unterricht der Automatisierungstechnik die Siemens Steuerung S7. Dies

liegt zum einen daran, dass das Berufsbild des Elektronikers für Automatisierungstechnik sehr stark durch

Speicherprogrammierbare Steuerungen geprägt ist, da sie im beruflichen Alltag sehr häufig mit solchen

System umgehen müssen. Auf der anderen Seite begründet die starke unterrichtliche Ausrichtung auf die

Siemens Programmieroberfläche deren Marktdominanz. Nahezu 90 Prozent der automatisierten Anlagen in

der deutschen Industrie beinhalten Komponenten der S7 Steuerung.

Dem gegenüber ist zu bedenken, dass die Thematik Speicherprogrammierbare Steuerung nur ein Ausschnitt

der Automatisierungstechnik ist und bei weitem nicht alle wichtigen Themenbereiche anspricht. Bisher oft

vernachlässigte Themen in beruflichem Unterricht sind z.B. die drahtlose Kommunikation oder

Regelungsprozesse eines komplexen, autonomen Systems. Hierzu repräsentiert das Lernsystem Robotino®

insbesondere für ein Lernen an realen und berufstypischen Anlagen für einen solchen Unterricht ein

besonders geeignetes Lernmedium. Lehrkräfte aus der Unterrichtspraxis stellen sich nun wohl berechtigt die

Frage, wo in ihrem bestehenden Unterricht das Lernsystem Robotino® einsetzen lässt. Ausgehend von der

weiter oben beschriebenen Annahme, dass der bisherige Unterricht oftmals sehr intensiv durch die

Speicherprogrammierbare Steuerung geprägt ist, sollen folgende Ausführungen Anknüpfpunkte für das

Lernsystem aufzeigen.

Programmierbausteine

Die Programmierbausteine, die andere industrielle Softwarekonzepte als Funktionen bzw.

Funktionsbausteine darstellen, sind mit einzelnen Unterprogrammen der Software Robotino® View

vergleichbar. Hierbei werden gezielt Programmfunktionen in der Bearbeitungsoberfläche graphisch

programmiert und als separates Programm abgespeichert.

Strukturierte Programmierung

Strukturierte Programmierung bedeutet eine Untergliederung eines Hauptprogramms in einzelne

Unterprogramme. Dabei wird der Ausgangspunkt in anderen Programmierungskonzepten auf einen

zentralen Organisationsbaustein gelegt. Die CPU arbeitet einen zentralen Programmbaustein sequenziell ab,

von dem aus einzelne Unterprogramme aufgerufen werden. In der Programmiersoftware Robotino® View

entspricht dies der Ablaufsteuerungsoberfläche. Diese Oberfläche ist die Plattform für einzelne

Unterprogramme, die sich hier miteinander verknüpfen lassen. Auch hier werden mit Beginn des

Programmablaufs (Taste Play) die verknüpften Programme sequentiell nacheinander abgearbeitet.

Page 52: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®

52 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Verschiedene Anlaufarten einer industriellen Steuerung

Steuerungen von automatisierten Anlagen unterscheiden sich durch verschiedene Anlaufarten. Beispiele

sind RUN, STOPP oder WIEDERANLAUF. Vergleichbare Betriebsarten enthält Robotino® View: RUN lässt sich

mit der Play-Taste, der WIEDERANLAUF mit der Pause-Taste und die Betriebsart STOPP mit der Stopp-Taste

vergleichen.

Graphische Programmierung

Die graphische Programmierung der Software Robotino® View ist der Programmierung in FUP

(Funktionsplan) der Speicherprogrammierbaren Steuerung sehr ähnlich.

Logische Verknüpfungen

Es lassen sich Bit-Operationen durch logische Verknüpfungen, Speicher-, Zeit-, Vergleichs- und Zähler-

Operationen programmieren.

Page 53: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 53

6 Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®

Das nachfolgende Beispiel skizziert ein mögliches Unterrichtsvorhaben für die Berufsschule. Es gründet sich

auf unterrichtspraktische Erfahrungen mit Robotino®. In dieser Form ist das Unterrichtsvorhaben im

Berufsfeld Elektrotechnik mit dem Ausbildungsberuf Elektroniker im dritten Ausbildungsjahr an zwei

unterschiedlichen Schulstandorten erprobt worden. Ein Anhaltspunkt für den zeitlichen Umfang sind

5 Unterrichtstage (entsprechend einer Blockwoche) mit je 6 Unterrichtsstunden. Dabei ist pro Unterrichtstag

eine inhaltliche Schwerpunktsetzung denkbar. Die mögliche Zuordnung der Lerninhalte und Lernschritte

kann gemäß der Auflistung in Kap. 6.2 erfolgen.

6.1 Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis

Das gesamte Unterrichtsvorhaben orientiert sich an einer Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis.

Diese kann wie folgt lauten:

In Ihrem Betrieb besteht ein Gefahrenbereich, durch den Stückgut transportiert werden muss. Hierzu hat Ihr

Betrieb ein Fahrerloses Transportsystem (kurz FTS) der Firma Festo gekauft. Dieses Gerät muss

auftragsgemäß in Betrieb genommen und konfiguriert werden.

Konkrete betriebliche Auftragssituation:

Das gekaufte FTS befindet sich im Auslieferungszustand. Die Elektroabteilung Ihres Betriebs soll das Gerät

entgegennehmen, den Lieferumfang kontrollieren und das System so konfigurieren, dass es seinen

Einsatzzweck erfüllt. Die Einsatzsituation erfordert, dass ein FTS vom Startpunkt entlang eines

vorgegebenen Weges zu einer Beladestation fährt, dort beladen wird und anschließend wieder zurück zum

Ausgangspunkt fährt. Dabei ist der folgende Weg zurückzulegen:

Start

Beladestationmetallischer Punkt

gelbe Führungslinie

manuelle Fahrt

Page 54: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®

54 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Vom Ausgangspunkt (Start) muss das FTS zunächst einer gelben Führungslinie folgen. Anschließend ist eine

Wegstrecke durch manuelle Fahrt zu überwinden. Danach folgt noch einmal eine Wegstrecke mit einer

gelben Führungslinie, die am Zielpunkt (Beladestation) endet. Anfang und Ende jeder Teilstrecke sind durch

metallische Abschlüsse gekennzeichnet.

Mit der Aufgabenstellung sind folgende Anforderungen an die Lernenden verbunden:

• Start der Fahrt

Vom PC aus wird der Ablauf gestartet. Vor Fahrtbeginn (zeitlich verzögert) muss eine Signallampe

leuchten, die bestätigt, dass sich Robotino® in der Ausgangsposition befindet.

• Automatisierte Fahrt der ersten Teilstrecke

Im Anschluss daran muss Robotino® der gelben Führungslinie automatisiert folgen. Ein Signal (Lampe)

soll anzeigen, sobald das FTS das Ende der ersten Teilstrecke erreicht hat und sich in der

Ausgangsposition für die zweite Teilstrecke befindet.

• Kameragesteuertes Fahren der zweiten Teilstrecke (mit Joystick)

Nachdem das FTS am Ende der ersten Teilstrecke ein Signal gibt, weiß der Bediener, dass er Robotino®

nun mit Hilfe von Kamera und Joystick entlang der zweiten Teilstrecke fahren muss. Dabei sollen

Schutzfunktionen wie die Stoßleiste und die Infrarotsensoren das Annähern an Hindernisse auf

ca. 15 cm begrenzen. Sollte dennoch eine Kollisionsgefahr entstehen, so muss eine Warnmeldung

gegeben werden (rote Lampe). Mit dem Verlassen des Kollisionsbereichs erlischt die Warnlampe. Ein

Signal (Lampe) soll anzeigen, sobald das FTS das Ende der zweiten Teilstrecke erreicht hat und sich in

der Ausgangsposition für die dritte Teilstrecke befindet.

• Automatisierte Fahrt der dritten Teilstrecke

Auf der dritten Teilstrecke soll das FTS erneut automatisiert der gelben Führungslinie folgen. Die Fahrt

beginnt dann, wenn Robotino® das Erreichen der dritten Fahrtstrecke durch eine Lampe anzeigt.

• Erreichen der Beladestation und Rückfahrt

Am Ende der gesamten Fahrstrecke soll das FTS an der Beladestation anhalten und die

Beladebereitschaft durch ein Signal anzeigen (Lampe). Die erfolgte Beladung soll nach ihrer Quittierung

mit dem Joystick durch den Bediener erneut durch ein Signal gemeldet werden. Robotino® soll sich dann

um 180 Grad drehen und die drei Teilstrecken aus der Hinfahrt in umgekehrter Richtung durchfahren.

Dieser Ablauf erfolgt zurück zum Startpunkt unter denselben Bedingungen wie auf der Hinfahrt.

6.2 Lerninhalte und Lernschritte

Für das skizzierte Unterrichtsvorhaben, das eine Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis aufgreift,

ergeben sich einzelne Themenschwerpunkte. Die zuordenbaren Lerninhalte oder Lernschritte sind unter

einer jeweiligen Themenüberschrift aufgelistet. Gedanken zu ihrer methodischen Umsetzung enthalten

bereits Kapitel 5 und die Projektaufgaben des Arbeitsbuchs, die sich der jeweiligen Thematik zuwenden.

Ein Lösungsbeispiel für diese Aufgabenstellung finden Sie auf der beigefügten CD.

6.2.1 Wareneingang und Erstinbetriebnahme

Lerninhalte und Lernschritte

• Entgegennehmen eines komplexen Automatisierungstechniksystems

• Hardware eines komplexen Systems

• Lage einzelner Sensoren und Aktoren

• Komplexes System eindeutig beschriften

• Technische Dokumentation zum Wareneingang

• Aufbau und Funktion der Bedieneinheit

Page 55: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 55

• Grundsätzliche Funktionen der Bedieneinheit (Tasten des Bedienfeldes)

• Menüstruktur des Bedienfeldes

• Einzelne Demoprogramme starten

• Funktionen der Demoprogramme und dabei verwendete Sensoren

• Verbindungen zwischen Hard- und Software über WLAN herstellen

• Begriffe der WLAN-Kommunikation (SSID und IP)

• Erstellen von Kommunikationsprofilen

• Grundsätzlicher Aufbau und Funktionalität einer softwaremäßigen Benutzeroberfläche

• Grundsätzliche Bedienung einer solchen Programmoberfläche

• Gespeicherte Programme öffnen und testen

• Funktionsbausteine als Symbole der Hardware

• Strukturen von Funktionsmodulen

• Einfache Parametrierung von vorgegebenen Musterprogrammen (Beispielprogramm: Sollwert und

Funktionsbaustein Motor)

6.2.2 Umgang mit einem komplexen Antriebssystem

Lerninhalte und Lernschritte

• Hardwareaufbau eines komplexen Antriebssystems und Funktion einzelner Komponenten

• Koordinaten in der translatorischen Ebene

• Freiheitsgrade eines automatisierten Systems

• Translatorisches Bezugssystem auf Antriebssystem übertragen

• Anordnung der Antriebsachsen zueinander

• Vektordarstellung einer Geschwindigkeit (Betrag, Richtung)

• Drehrichtung der Antriebsachen

• Wirkung einer Antriebseinheit auf den Untergrund

• Zusammenwirken der drei Antriebsachen

• Steuerung der Antriebseinheit durch gezielte Wertvorgaben und Berechnungen der einzelnen Vektoren

• Omnimodul als Vereinfachung für mathematischen Berechnungen (translatorische Seite, vektorielle

Seite)

• Bewegungen aus translatorischer Sicht durch das Omnimodul definieren

6.2.3 Einbinden von verschiedenen Sensoren

Lerninhalte und Lernschritte

• Grundlagen zu Sensoren (Bedeutung, Arten, Schaltzustände, …)

• Aufbau und Funktion eines Reflexlichttasters

• Einbau eines Reflexlichttasters

• Umgang mit Datenblättern

• Umgang mit technischen Unterlagen

• Ordnungsgemäßer Einbau von Sensoren (Kabelverlegung, Anschluss)

• Den Umgang mit einem Lichtwellenleiter (Abschneiden, Knicken, Funktion;….)

• Sensoren in die Software mit einbinden (Konfiguration, Skalierung und Beschriftung)

• Sensoren auf reale Situation abgleichen (Justage)

• Verschiedene Einflussgrößen auf Reflexlichttaster (Bodenbelag, Lichtverhältnisse,…)

• Verschiedene Materialien als Führungslinie

• Aufbau und Funktion des Infrarotsensors als Beispiel für einen analogen Sensor

• Analoge Sensoren in die Software integrieren (Konfiguration, Beschriftung, Skalierung)

• Ist-Werte des Sensors in der Software abfragen (Strg + D)

Page 56: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®

56 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

• Systematische Messreihen zum Infrarotsensor

• Schaltdiagramme zum Infrarotsensor darstellen (z.B. mit MS Excel)

• Schaltdiagramme interpretieren

• Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Sensoren

• Einbindung von Sensoren zum Personenschutz

• Drahtbruchsicherheit von Sensoren

• Ausgänge in ein Softwareprogramm konfigurieren

• Zusätzliche externe Komponenten integrieren

6.2.4 Erstellung von Programmstrukturen

Lerninhalte und Lernschritte

• Ablaufstrategie für gesamte Aufgabenstellung entwickeln und einzelne Teilaufgaben daraus ableiten

(automatischen Bahnsteuerung, manuelle Fahrt, Positionserkennung und Anzeige, GANT-Diagramm, …)

• Optische Bahnsteuerung verbalisieren

• Verbale Beschreibung in ein Funktionsblockdiagramm umsetzen

• Funktionsblockdiagramm in ein Softwareprogramm umsetzen

• Erstelltes Programm starten und auf Funktion testen

• Probleme beim Programmablauf erfassen und korrigieren

• Programme optimieren

• Verschiedene Programmstrategien erfassen

• Technische Programmdokumentationen durchführen

• Programm zur manuellen Fahrt erstellen

• Schutzfunktionen integrieren (Stoßleiste mit Abschaltfunktion und Infrarotsensoren bei Annäherung an

Hindernisse mit Abschaltung versehen)

• Prinzip der strukturierten Programmierung, Vorteile und Nachteile

• Ablaufsteuerung

• Programminterrupts festlegen

• Teilprogramme zusammenführen

6.2.5 Auftragsübergabe an den Kunden

Lerninhalte und Lernschritte

• Programmablaufstrategie auf reale Bedingungen anpassen

• Programmablauf testen und optimieren

• Kundenübergabe vorbereiten

• Präsentation des Lösungsvorschlages

• Service und Wartungsdokumentation erstellen

• Kundenübergabe

Page 57: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 57

7 Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

Nachfolgende Ausführungen reflektieren Einsatzmöglichkeiten des Lernsystems Robotino® im Unterricht

und das damit verbundene didaktische Potenzial. Zunächst erfolgen Betrachtungen zu ausgewählten

grundsätzlich möglichen Lernzugängen zum Lernsystem. Anschließend soll Robotino® an Merkmalen für

einen handlungsorientierten Unterricht gespiegelt werden. Dies bezieht sich auf die theoretischen

Ausführungen in Kapitel 2. Abschließend erfolgen Einschätzungen zur Eignung von Robotino® für den

Einsatz in einem lernfeldorientierten Unterricht.

7.1 Lernzugänge zum Lernsystem Robotino®

Das Lernsystem Robotino® ist ein inhaltlich umfassendes Lernmedium für die Automatisierungstechnik. Die

Ausgestaltung drängt zu einer Umsetzung im Unterricht, bei der Schüler individualisiert und eigenaktiv

lernen können. Als Lehr- und Demonstrationsmedium für die Hand der Lehrkraft in einem Frontalunterricht

ist es nicht konzipiert.

Für Lernende sind die möglichen Lernzugänge zum Lernsystem Robotino® vielgestaltig. Einige Schlagworte

für pädagogische Grundorientierungen sind z.B. konstruktivistisch, problemorientiert, entdeckend,

experimentierend oder spielerisch. Dabei bilden die einzelnen Schlagworte keine abgeschlossenen

Kategorien, da zwischen ihnen große Überlappungsbereiche bzw. Affinitäten bestehen.

Konstruktivistisches Lernen

Das Lernsystem Robotino® drängt zum Einsatz in einem konstruktivistischen Unterricht (Merkmale siehe

Kap. 2.1). Hier schlüpfen Lernende in die aktive Rolle und können ihr Tun auch selbst steuern und

kontrollieren. In einer solchen Konzeption ist aus Lehrersicht die Berücksichtigung des vorhandenen

Vorwissens der Lernenden bei der Unterrichtsplanung wichtig, damit Lernende bei der Arbeit mit Robotino®

das neu zu erwerbende Wissen damit konstruktiv verknüpfen können. Das Lernobjekt Robotino®

gewährleistet einen hohen situativen Bezug der Automatisierungstechnikinhalte. In komplexen

Aufgabenstellungen lassen sich Fehler lernförderlich nutzen. Lernen erfolgt in einem Sozialgefüge und

richtet sich besonders am Fortschritt im Lernprozess aus und nicht nur an einem möglichen Lernergebnis.

Mit dem Lernsystem ist ein pädagogisches Konzept realisierbar, bei dem sich Merkmale für ein

konstruktivistisches Lernen in sehr hoher Ausprägung umsetzen lassen.

Problemorientiertes Lernen

Für einen problemorientierten Unterricht ist eine anspruchsvolle Aufgabe leitend, über die Lernende

nachdenken müssen, um sie zu lösen. Ein Problem liegt dann vor, wenn für die Lösung reproduktives

Denken nicht ausreicht und wenn darüber hinaus eine Strategie des Suchens und Findens entwickelt

werden muss. Das Lernsystem Robotino® wählt im Arbeitsbuch grundsätzlich ein problemorientiertes

Herangehen an die enthaltenen Lerninhalte (siehe Kap. 3.3). Die elf Projektaufgaben spannen immer eine

Problemstellung aus der industriellen Praxis als Rahmen für die zu bearbeitende Thematik auf. Dies gelingt

meist sehr gut, da der abgebildete Aufgabenkontext authentisch, für die Adressaten hinreichend komplex

und anspruchsvoll ist. Im Lernverlauf fordert das Arbeitsbuch, den Problemlöseprozess zu dokumentieren.

Hinzu kommen lernförderliche Anregungen durch gezielte Fragen zur gewählten Lösungsstrategie z.B. zu

möglichen Ursachen für Ungenauigkeiten oder denkbaren Fehlerquellen. Dies stellt Lernende oft vor neue

Problemsituationen. Durch die vom Arbeitsbuch vorstrukturierte Führung auf dem Weg zur Problemlösung

lässt sich bei den Lernenden ein schematisches Problemlösevorgehen anbahnen, das sie verinnerlichen und

das zu einer hohen fachlichen Expertise führt.

Page 58: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

58 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Über das Arbeitsbuch hinaus bieten sich für eine Lehrkraft mit Robotino® nahezu unerschöpfliche

Möglichkeiten für ein problemorientiertes Arbeiten im Unterricht nach eigenen pädagogischen

Vorstellungen. Dies basiert auf dem sehr weiten Spektrum der enthaltenen fachlichen Inhalte, das mit einer

realitätshaltigen technischen Ausgestaltung des Systems korrespondiert.

Entdeckendes und experimentelles Lernen

In der pädagogischen Fachsprache repräsentieren entdeckendes und experimentelles Lernen zunächst

jeweils eigenständige theoretische Konstrukte zur Gestaltung von Unterricht. Sie stehen jedoch in großer

Nähe zueinander und sollen hier zusammenfassend mit Blick auf Robotino® betrachtet werden.

Das Lernsystem Robotino® ermöglicht ein entdeckendes Lernen und fordert in vielerlei Hinsicht zu einem

experimentellen Zugang auf. Am Beispiel der Lerninhalte zur Antriebseinheit sind für Lernende sehr gut

externe Einflüsse z.B. auf die Positionierung eines mobilen Systems erkennbar. Offenkundig gewordene

Phänomene führen zu Rückschlüssen auf Ursachen. Im angesprochenen Beispiel sind dies Fahrdynamik und

Bodeneigenschaften. Robotino® rutscht bei hohen Geschwindigkeiten und glatten Oberflächen nach bzw.

durch.

In einem experimentellen Zugang lässt sich z.B. die Kennlinie eines analogen Sensors herleiten (siehe

Arbeitsbuch Projekt 5, Kennlinie eines Infrarotsensors). Lernenden erschließt sich dabei, dass der Sensor

nicht linear schaltet, sondern einem begrenzten Bereich unterliegt, Sättigungsmomente und

Erfassungslücken aufweist. Ein experimenteller und entdeckender Erkenntnisgewinn lässt sich auf viele

weitere Thematiken ausweiten, die im ersten Zugang abstrakt erscheinen, für ein grundlegendes

Verständnis der Automatisierungstechnik aber wichtig sind. Mit dem Lernsystem Robotino® liegt somit ein

Medium vor, mit dem abstrakte und theoretisch komplexe Inhalte für Lernende ansprechend darstellbar und

leichter erfassbar werden.

Spielerischer Zugang

Wie in Kap. 4.5 angedeutet, bieten Lernspiele aus didaktischer Perspektive ein großes Potenzial. Ein

spielerischer Zugang zu Robotino® ist primär durch das Ansteuern der Hardware mit einem Joystick möglich.

Das intuitive Steuern von Robotino® knüpft bei vielen Lernenden an bereits vorhandene Erfahrungen z.B.

mit Computerspielen oder Modellautos an. Der spielerische Zugang zu Robotino® ist eine sehr gute

Erstbegegnung mit dem Lernsystem. Selbst bei dieser Form des Herangehens wird dem Lernenden sofort

klar, dass die Hardware keinesfalls Spielzeugcharakter besitzt, sondern im Industriestandard ausgeführt ist.

Das so ermöglichte, einfache und intuitive Herangehen beugt aber der Gefahr vor, dass Lernende die hohe

Komplexität des anspruchsvollen technischen Systems abschreckt, wenn sie noch geringen Kenntnisstand

zur Automatisierungstechnik haben. Trotzdem lassen sich bereits über den spielerischen Zugang viele

technische Details von Robotino® zumindest in Ansätzen erkennen, was Neugier wecken und

Motivationsanreize für weiteres Lernen bieten kann.

Page 59: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 59

7.2 Umsetzung von Bestimmungsgrößen für einen handlungsorientierten Unterricht

Handlungsorientiertes Lernen in der beruflichen Bildung lässt sich aus der Umsetzungsperspektive mit Blick

auf Unterricht anhand verschiedener Bestimmungsgrößen kennzeichnen (siehe Kap. 2). Diese sind als

Anforderungskatalog für einen qualitativ hoch entwickelten Unterricht zu sehen. Nachfolgend sollen

Einsatzmöglichkeiten des Lernsystems Robotino® an diesen Charakteristika gespiegelt werden. Die

einzelnen Stichpunkte sind:

• Komplexe Aufgabenstellung und komplexes Lerngebiet

• Handlungssystematisches Vorgehen

• Integrierter Fachunterrichtsraum

• Innere Differenzierung

• Kooperatives und kommunikatives Lernen

• Selbststeuerung und Freiheitsgrade

• Unterstützende Lehrerrolle

• Integrative offene Leistungsfeststellung

Komplexe Aufgabenstellung und komplexes Lerngebiet

Handlungsorientierter Unterricht richtet sich an umfassenden und hinreichend komplexen

Aufgabenstellungen mit deutlichem Praxisbezug für die Lernenden aus. Der zentrale Lerngegenstand

bündelt Lernziele aus einem Lernfeld und berücksichtigt dabei vielfältige berufliche Anforderungsbereiche.

Mit Robotino® liegt ein Lernsystem vor, das ein sehr komplexes Lerngebiet - hier die

Automatisierungstechnik - abdeckt. Als Lernobjekt bietet der Verbund aus Hardware und Software die

Möglichkeit, Lernprozesse von einfacheren Aufgabenstellungen bis hin zu sehr komplexen

Aufgabenstellungen zu gestalten. Dabei lässt sich sowohl der Umfang als auch der Schwierigkeitsgrad je

nach Einsatzgebiet und Adressatengruppe in einer großen Spannweite variieren. Durch die Möglichkeit,

einzelne Themenaspekte aus der Automatisierungstechnik modularisiert und in kleineren, abgeschlossenen

Einheiten mit Robotino® erlernbar zu machen, ist ein äußerst vielfältiger didaktischer Einsatz möglich. Mit

dem Lernsystem Robotino® lässt sich ein sehr weites Spektrum an Lernzielen aus der

Automatisierungstechnik abdecken und handlungsorientiert umsetzen.

Hard- und Software im Verbund führen meist zu einer höheren Aufgabenkomplexität, die einen engen

Berufsbezug herstellt und situatives Lernen in authentischen Situationen mit hohem Realitätsgehalt

ermöglicht. Hardware und Software lassen sich aber auch jeweils separat als Lerngegenstand heranziehen,

wodurch die Aufgabenkomplexität verringert werden kann. Ein Einsatz in kleineren, abgeschlossenen

Lerneinheiten ist dadurch möglich.

Mit dem Lernsystem Robotino® lässt sich ein projektartiger Unterricht im Lerngebiet

Automatisierungstechnik über einen längeren Zeitraum durchführen. Das Lernsystem ermöglicht ein Lernen

gemäß einer konstruktivistischen Lernauffassung, bei dem ein Wissenserwerb durch aktiv handelnde

Problemlöseversuche in vollständigen Handlungen erfolgt.

Dass Arbeitsbuch aus dem Lernsystem strukturiert den Zugang über Robotino® zur

Automatisierungstechnik. Eine direkte Übernahme einzelner Projekte in den Unterricht kann zwar erfolgen.

Oft ist jedoch eine Modifikation entsprechend den curricularen und schulspezifischen Anforderungen

erforderlich. Hierfür wirken die Projekte des Arbeitsbuchs leitend und können entscheidende Impulse zur

Gestaltung des Unterrichts liefern.

Page 60: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

60 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Handlungssystematisches Vorgehen

Handlungsorientierter Unterricht erfordert, dass der Lernverlauf möglichst konsequent einer Handlungslogik

folgt. Für beruflichen Unterricht ist dies möglichst eine berufstypische Aufgaben- oder Problemstellung.

Fachliche Lerninhalte gruppieren sich entlang dieser leitenden Handlungslogik. Alle Lernhandlungen

müssen für den Lernenden möglichst klar auf ein übergeordnetes und möglichst konkretes Handlungsziel

gerichtet sein. Durch die vielfältigen Möglichkeiten von Robotino®, berufsspezifische Aufgaben und

Situationen aus der Automatisierungstechnik im Unterricht abzubilden, ist ein Wissenserwerb in

vollständigen Handlungen in hohem Maße umsetzbar. Themen und Inhalte lassen sich projektartig an

Problemstellungen aus der industriellen Praxis umsetzen. Die Lernarbeit im Unterricht leiten dabei

Arbeitsaufträge, die Arbeitsprozesssituationen aus der Praxis in den Unterricht transportieren. Lernen

erfolgt hierbei in vollständigen Handlungen, bei dem Lernende ihre Aktivitäten weitgehend selbstständig

planen, durchführen und kontrollieren.

Für konkrete Problemstellungen können die Projektaufträge aus dem Arbeitsbuch als leitende

Handlungsstruktur dienen. Lehrkräften eröffnen sich darüber hinaus vielfältigste Möglichkeiten, eigene

Aufgabenstellungen zu konzipieren. Das Lernsystem Robotino® drängt grundsätzlich durch seinen

unmittelbaren Anwendungsbezug dazu, ein Lernen in vollständigen und in sich geschlossenen Handlungen

im Unterricht zu realisieren.

Integrierter Fachunterrichtsraum

Eine integrierte Fachlernumgebung setzt voraus, dass Lernen in vollständigen Handlungen aus der

kontinuierlichen Verbindung von theoretischen Überlegungen und ihrer unmittelbaren praktischen

Umsetzung erfolgen kann. Das Lernsystem Robotino® bietet hierzu optimale Voraussetzungen, da es sehr

einfach zu transportieren ist und mit verhältnismäßig wenig technischem Aufwand betriebsbereit gemacht

werden kann. Das Lernsystem Robotino® erfordert einen PC (günstig ist hier ein Laptop), auf dem die

Software installiert ist. Der Systainer der Firma Festo Didactic beinhaltet die Hardware. Für den

Unterrichtseinsatz sind je nach Schülerzahl und gewünschter Gruppengröße mehrere Einheiten erforderlich.

Robotino® erfordert keine besonderen räumlichen Anforderungen und lässt sich auch in herkömmlichen

Klassenzimmern einsetzen. Für Fahrbewegungen ist pro Einheit lediglich ein je nach Aufgabenstellung

unterschiedlich großer Bewegungsraum erforderlich.

Innere Differenzierung

Die geforderte Individualisierung von Lernprozessen in beruflichem Unterricht ermöglicht das Lernsystem

Robotino® durch eine Dezentralisierung des Lernens. Lernende in Gruppen können gemäß ihrer eigenen

Lerngeschwindigkeit oft unabhängig vom Lehrer vorgehen und bearbeiten die ihnen übertragene

Problemstellung. Robotino® richtet einen gewissen Mindestanspruch an die Lernenden. Eine didaktische

Anpassung für lernschwächere Schüler kann jedoch von der Lehrkraft vorgenommen werden. Für

komplexere und anspruchsvollere Aufgaben, an denen sich für leistungsstarke Schüler zusätzliche

Lernmöglichkeiten auftun, bietet Robotino® genügend Möglichkeiten. Der Gestaltungsspielraum der

Benutzeroberfläche der aktuellen Software-Version ist eingeschränkt. Wünschenswerte Eingriffe wie die

Gestaltung von Bibliotheken, Einfügen von Textfeldern oder ausschnittweise Vergrößerungen einzelner

Bildschirmelemente stellen einige Beispiele für vorhandene Beschränkungen der Software dar. In einer

zukünftigen Version der Software Robotino® View sollen angesprochene und auch weitere didaktische

Eingriffsmöglichkeiten realisierbar sein.

Page 61: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 61

Kooperatives und Kommunikatives Lernen

Kooperatives und kommunikatives Lernen wird für die Anbahnung einer umfassenden beruflichen

Handlungskompetenz immer wichtiger. Es lässt sich mit Robotino® gut verwirklichen, wenn Lernarbeit so

angelegt ist, dass Aufgaben im Team bearbeitet werden. Dies erfordert in einem größeren Klassenverbund,

dass mehrere Robotino® verfügbar sein müssen. Ideal für eine möglichst eigenaktive Lerntätigkeit ist eine

Gruppengröße bis vier Schüler pro Lernsystem. Eine leistungshomogene Gruppenzusammensetzung

gewährleistet tendenziell eher, dass sich Lernende ähnlich intensiv bei der Arbeit ihrer Gruppe engagieren.

Da sich die Hardwarekomponente von Robotino® auch durch mehrere Rechner ansteuern lässt, sind hier

verschiedene Konstellationen denkbar. Besonders lernförderlich kann die Lernarbeit dann verlaufen, wenn

bei größeren Arbeitsgruppen je zwei Schüler an einer Software-Schnittstelle arbeiten können. Aufgrund der

einschränkenden Möglichkeiten bei der Arbeit an einem Bildschirm stellen zwei Schüler an einem PC hier

erfahrungsgemäß die Grenze dar. Durch solche Untergruppen entstehen oft verschiedene Lösungsansätze

zu einer Problemstellung, die im Anschluss daran gegenseitig präsentiert und hinsichtlich ihrer

Lösungsrelevanz durchdacht werden müssen. Dadurch lassen sich soziale und personale Kompetenzen wie

Kommunikation, Kooperation sowie Kritikfähigkeit, Selbstständigkeit und Selbstvertrauen fördern.

Freiheitsgrade und Selbststeuerung

Handlungsorientiertes Lernen bedingt, dass Lernende Planungsentscheidungen bewusst treffen müssen. Im

Rahmen einer geforderten Selbststeuerung des Lernprozesses müssen Aufgabenstellungen Freiheitsgrade

enthalten. Vor diesem Hintergrund lässt sich mit dem Lernsystem Robotino® ein Unterricht konzipieren, der

dies in sehr hoher Ausprägung ermöglicht. Als Teil des Lernsystems führt das Arbeitsbuch bei vielen

Vorgaben für die Lernarbeit zwar sehr eng und lässt wenig Entscheidungsspielraum für die Lernenden zu.

Diese enge Führung ermöglicht die Lernarbeit mit Robotino® in einem außerunterrichtlichen Lernkontext

ohne Lehrerunterstützung. Wird an dieser Stelle das Arbeitsbuch als Ideengeber verstanden, so kann sich

eine Lehrkraft durch die Aufgabenführung sehr schnell in die jeweilige Problematik einarbeiten. Für den

eigenen Unterricht kann sie Schwerpunkte festlegen, die sich aus der jeweiligen Problematik ableiten und

passend zu den anvisierten Lernzielen der Zielgruppe die didaktische Umsetzung weiter aufbereiten

Unterstützende Lehrerrolle

In einem handlungsorientierten Unterricht verlagern sich Lernprozesse stark auf die individuelle Ebene der

Lernenden, die über weite Strecken eigenständig lernen. Eine hohe Bedeutung haben dabei die begleitend

dazu erfolgenden, unterstützenden Eingriffe durch eine Lehrkraft. Robotino® legt einen schülerzentrierten

Unterricht nahe, bei dessen Durchführung der Lehrkraft diese Aufgabe übertragen ist. Das im Lernsystem

integrierte Informationsmaterial, das technische Handbuch, Arbeitsbuch, Datenblätter zu Sensoren und die

online Hilfe versetzen die Lehrkraft in die Lage, den Unterricht vorwiegend beratend begleiten zu können.

Hier ist neben der pädagogisch-didaktischen Kompetenz eine sehr hohe fachliche Expertise gefordert, die

von Seiten des Lernsystems durch die enthaltenen Unterlagen gestützt werden.

Integrative und offene Leistungsfeststellung

Integrative und offene Leistungsfeststellungen, die bezüglich Inhalt und Ablauf dem ganzheitlichen Ansatz

eines handlungsorientierten Unterrichts entsprechen, lassen sich mit Robotino® umsetzen. Gemäß dem

Vorgehen im Unterricht kann das Lernsystem vielfältige Prüfungsverfahren verwirklichen. Fachliches Wissen

und methodische Kompetenzen lassen von einem engen situativen Bezug bis hin zu einer hohen Abstraktion

ermitteln. Mit dem Lernsystem lassen sich für Tests berufstypische Situationen projizieren, in denen Schüler

als Experten handeln müssen. Hierbei bietet das Lernsystem Robotino® den Vorteil, dass eine

Berufssituation realitätsnah abgebildet werden kann. Erfassen lassen sich dabei auch berufstypische

Handlungsroutinen wie z.B. die Fehlersuche. Die Authentizität der Prüfungssituation schlägt sich dadurch

Page 62: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

62 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

nieder, dass Manipulationen an der Software durch die Reaktion der Hardware unmittelbar und unter den

real existierenden Umgebungseinflüssen erlebbar sind und weit über simulierte Reaktionen hinausgehen.

Insbesondere während des Unterrichts bietet das Lernsystem Robotino® gute Voraussetzungen für eine

indirekte Leistungserhebung. Neben fachlichen und methodischen Kompetenzen lassen sich hier auch

soziale und personale Kompetenzen erschließen. Die Lehrkraft kann beobachtend die unterschiedlichen

Kompetenzbereiche der Lernenden in berufsnahen Handlungssituationen diagnostizieren.

Eine für Schüler oftmals unangenehme Prüfungssituation lässt sich humaner gestalten, wenn Lernende mit

der Prüfungssituation, den Prüfungsbedingungen und den Prüfungsanforderungen vertraut sind. Da sie

Robotino® bereits durch den Lernprozess kennen, kommt ihnen dies in Prüfungssituation entgegen,

insbesondere dann, wenn die Lehrkraft in Fachgesprächen die Schüler darauf vorbereitet.

7.3 Gestalten von Lernsituationen in einem lernfeldorientierten Unterricht mit dem Lernsystem

Robotino®

Die beiden vorausgehenden Kapitel weisen für das Lernsystem Robotino® aus, dass es Lernenden viele

unterschiedliche Lernzugänge eröffnet und damit ein breites didaktisches Potenzial aufweist (Kap. 7.1).

Merkmale und Bestimmungsgrößen für einen handlungsorientierten Unterricht lassen sich mit Robotino®

konsequent und in qualitativ sehr hoher Ausprägung umsetzen (Kap. 7.2). Daran knüpft sich abschließend

die Frage an, inwieweit sich das Lernsystem zur Ausgestaltung eines lernfeldorientierten Unterrichts eignet.

Bei der Frage nach der inhaltlichen Reichweite des Lernsystems für Unterricht in der Berufsschule spiegelt

Kapitel 5.1 die Projektaufgaben im Arbeitsbuch mit der jeweiligen Thematik an den Inhalten ausgewählter

Rahmenlehrpläne zu verschiedenen Ausbildungsberufen. Die Projektaufgaben bilden sehr viele inhaltliche

Möglichkeiten von Robotino® ab. Sie eignen sich daher zur Einschätzung der inhaltlichen Relevanz des

Lernsystems. Hierbei zeigt sich, dass Robotino® im Berufsfeld Elektrotechnik für den Ausbildungsberuf

Elektroniker sehr viele inhaltliche Anknüpfpunkte für das Lerngebiet Automatisierungstechnik bietet. Für

diese Berufsgruppe spricht das Lernsystem Inhalte aus mehr als der Hälfte der Lernfelder des Lehrplans an.

Auch im Berufsfeld Metall lassen sich mit Robotino® viele automatisierungstechnische Inhalte der

entsprechenden Lernfelder im Unterricht bearbeiten.

Zwar ist die direkte Übernahme von kompletten Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch in den Unterricht

wohl nur bedingt möglich. Eine gesamte Projektaufgabe lässt sich mit ihren Lernzielen nur eingeschränkt

mit den Lernzielen eines Lernfeldes zur Deckung bringen. Für die Lehrkraft bedeutet dies, dass das

Arbeitsbuch für sie als unterrichtsnaher Ideengeber fungieren kann. Viele Einzelaspekte bis hin zu

enthaltenen Aufgabenteilen lassen sich daraus auf den Unterricht übertragen.

Ein konsequent lernfeldorientierter Unterricht ermöglicht ein Lernen in Lernsituationen mit relevanten

Inhalten aus beruflichen Handlungsfeldern. Lernende sollen über diesen situativen Bezug Kompetenzen

erwerben, die sie in ihren beruflichen Handlungsfeldern einsetzen können (siehe Kap. 2.3). Beruflicher

Unterricht in einem konkreten Lernfeld erfordert, dass Lehrkräfte bei der Ausgestaltung von Lernsituationen

die Eingangsbedingungen und Anforderungen der Lernenden ebenso berücksichtigen wie die

Anforderungen des jeweiligen Ausbildungsberufes. Ein konkretes Unterrichtsvorhaben zu einer

Lernsituation muss zusätzlich auch vor dem schulspezifischen Hintergrund individuell aufbereitet werden.

Page 63: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 63

Robotino® eignet sich für die Vermittlung der Inhalte aus der Automatisierungstechnik zu vielen Lernfeldern

unterschiedlicher Berufe. Mit dem Lernsystem lassen sich aus didaktischer Sicht Lernsituationen gestalten,

die authentische Situationen aus der beruflichen Praxis aufgreifen und sie im Unterricht schülerzentriert

umsetzbar machen. Eine der Stärken von Robotino® ist die ganzheitliche Abbildung eines mobilen,

autonomen, automatisierungstechnischen Systems. Lernen kann hier durchgängig mit hohem situativem

Bezug erfolgen. Gleichzeitig lässt sich mit Robotino® das grundsätzliche Bildungsverständnis des

Dualpartners Berufsschule verfolgen: Mit dem Lernsystem lassen sich über den unmittelbaren situativen

Bezug hinaus Abstrahierungen vornehmen, mit denen Begründungszusammenhänge verfolgt werden, die

bestimmte Phänomene und ihre Ursachen mit Erklärungen theoretisch hinterlegen.

Aus Sicht des Lernsystems Robotino® richtet sich die Anforderung an die Lehrkraft, für einen

lernfeldorientierten Unterricht zur Automatisierungstechnik das inhaltlich und didaktisch große Potenzial

des Lernmediums schülergemäß auszuschöpfen.

Page 64: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®

64 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Page 65: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 65

8 Kleine Störungen selbst beheben

Bevor Sie den Kundendienst rufen:

Überprüfen Sie, ob Sie die Störung aufgrund der folgenden Hinweise selbst beheben können.

Störung Mögliche Ursache Abhilfe

Robotino® lässt sich nicht einschalten Keine ausreichende Batteriespannung Verbinden Sie das Netzgerät mit dem Robotino®

und laden diesen ca. 60 Minuten.

Interner Anschlussstecker der

Bedieneinheit hat sich gelöst.

Öffnen Sie das Gehäuse der Steuereinheit.

Stecken Sie das dünne Flachbandkabel an der

Platine der Bedieneinheit wieder auf.

Keine Anzeige auf Bedieneinheit, trotz

eingeschaltetem Zustand

Interner Anschlussstecker der

Bedieneinheit hat sich gelöst.

Öffnen Sie das Gehäuse der Steuereinheit.

Stecken Sie das breite Flachbandkabel an der

Platine der Bedieneinheit wieder auf.

Kamera geht nicht, obwohl diese am

Robotino® angesteckt ist und die

Software sich im Play-Modus befindet

Kamera wurde nach dem Hochlaufen

der Steuereinheit angesteckt.

Schalten Sie den Robotino® aus, warten Sie

einige Augenblicke und schalten Sie den

Robotino® wieder ein. Stellen Sie erneut eine

Verbindung zwischen Hard- und Software her.

Firewall Ihres PCs unterdrückt einige

Datenprotokolle.

Prüfen Sie die Einstellungen Ihrer Firewall und

passen Sie eventuelle einschränkende

Einstellungen an.

Unzureichender Kontakt an der USB-

Schnittstelle

Prüfen Sie, ob der USB-Anschlussstecker der

Kamera vollständig mit der Steuereinheit des

Robotino® verbunden ist und das Statuslicht an

der Kamera leuchtet.

Das Innenleben der USB-Buchse hat

sich gelöst

Öffnen Sie das Gehäuse der Steuereinheit.

Stecken Sie das Innenleben des USB-Steckers

wieder in dessen Aufnahme.

E/A-Signale kommen fehlerhaft an Laufzeitfehler der Controllerplatine Starten Sie den Robotino® neu

Beim Hochfahren des Robotino® kommt

es zu unkontrollierten Bewegungen

Es schalten sich nicht alle

Mikroprozessoren ein.

Den Robotino® beim Hochfahren immer

aufbocken!

Den Robotino® immer ohne angesteckte Kabel

hochfahren.

Page 66: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

66 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303

Page 67: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 67

9 Literatur

– Bader, Reinhard:

Das Lernfeldkonzept in den Rahmenlehrplänen. In: Die berufsbildende Schule 50 (1998) 7-8,

S. 211 – 212

– Bader, Reinhard; Schäfer, Bettina:

Lernfelder gestalten. Vom komplexen Handlungsfeld zur didaktisch strukturierten Lernsituation. In: Die

berufsbildende Schule 50 (1998) 7-8, S. 229 – 234

– Buchalik, Uwe; Riedl, Alfred:

Fachgespräche in komplexen, schülerzentrierten Lehr-Lern-Umgebungen. Lehrstuhl für Pädagogik,

Technische Universität München 2007 *

– Riedl, Alfred:

Grundlagen der Didaktik. Stuttgart: Steiner 2004a

– Riedl, Alfred:

Didaktik der beruflichen Bildung. Stuttgart: Steiner 2004b

– Riedl, Alfred:

Innere Differenzierung – Herausforderung für modernen Unterricht. Lehrstuhl für Pädagogik, Technische

Universität München 2008 *

– Riedl, Alfred; Schelten, Andreas:

Handlungsorientiertes Lernen. Aktuelle Entwicklungen aus der Lehr-Lern-Forschung und deren

Anwendung im Unterricht. Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München.

Teilnehmerunterlagen einer Lehrerfortbildung am 14. Februar 2006 *

– Schelten, Andreas:

Aspekte des Bildungsauftrages der Berufsschule: Ein Beitrag zu einer modernen Theorie der

Berufsschule. In: Pädagogische Rundschau 51 (1997) 5, S. 601 – 615 *

– Schelten, Andreas:

Begriffe und Konzepte der berufspädagogischen Fachsprache. Stuttgart: Steiner 2000

– Schelten, Andreas:

Einführung in die Berufspädagogik. Stuttgart: Steiner 2004

– Schelten, Andreas:

Fachgespräche. In: Die berufsbildende Schule 58 (2006) 5, S. 107 – 108 *

– Sekretariat der Kultusministerkonferenz:

Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den

berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des

Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Bonn 2007 (http://www.kmk.org)

Die mit * gekennzeichneten Quellen und weitere Literatur mit engem Themenbezug sind auf folgender

Internetseite zu finden: http://www.paed.wi.tum.de/publik/

Page 68: Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert ...riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/riewescheblihandreichung... · Handreichung zur Gestaltung von Lernsituationen mit

68 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303