Beteiligung von Bürgern in umweltrelevanten Zulassungsverfahren in Deutschland in der Praxis
+Positionspapier deutscher NGO`s zur Umsetzung der Aarhus-Konvention
Gliederung
1. Übersicht zu den Beteiligungsrechten im Umweltschutz in Deutschland
2. Stichpunkte zur Entwicklung der Rahmenbedingungen der Beteiligung im Umweltschutz seit 1990
3. Inanspruchnahme der Beteiligungsrechte und Aussagen zur Wirksamkeit der Beteiligung
4. Positionspapier deutscher NGO´s zur Umsetzung der Aarhus-Konvention in deutsches Recht
1. Übersicht zu den Beteiligungsrechten im Umweltschutz in Deutschland
- Jedermannbeteiligung in immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren sowie GV nach dem
Gentechnikgesetz
- Betroffenenbeteiligung in Planfeststellungs- bzw.
Plangenehmigungsverfahren
- Verbändebeteiligung (streng genommen derzeit nur
Naturschutzverbände) nach §§ 59, 60 BNatSchG
Übersicht förmliche Zulassungsverfahren im Umweltrecht in Deutschland
PFV = Planfeststellungsverfahren GV = Genehmigungsverfahren E = Erlaubnis B = Bewilligung
Typ Wofür durchgeführt ? PFV Bau und wesentliche Änderung von Bundesfernstraßen, § 17 FStrG PFV Vorhaben der Bahn AG, insbesondere Schienenwegebau aber auch Änderung einer Betriebsanlage der
Eisenbahn § 18 AEG PFV Bau oder Änderung von Straßenbahngleisen sowie von U-Bahnen, § 28 PbefG PFV Ortsfeste Abfallbeseitigungsanlagen, Errichtung und Betrieb einer Abfalldeponie, sowie wesentliche
Änderung ihres Betriebes § 31 KrW-/AbfG
PFV Bau oder Änderung von Magnetschwebebahnen, MagnetschwebebahnplanungsG PFV Bau von Flughäfen oder eines Landeplatzes, § 8 LuftVG PFV Bau von Telegrafenwegen, § 7 Abs.3 Satz 2 TWG PFV Ausbau oder Bau von Bundeswasserstraßen, § 14 WaStrG PFV Gewässerausbau, Gewässerunterhaltung, Damm- und Deichbauten, wesentliche Änderung derselben § 31 Abs.1 S.1 WHG i.V.m. § 73 VwVfG und Vorschriften der Landesgesetze PFV Aufstellung von Rahmenbetriebsplänen, § 52 II a BbergG PFV Errichtung und Betrieb einer atomrechtlichen Anlage des Bundes zur Sicherstellung und zur
Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie wesentliche Änderung derselben § 9 AtG
PFV Flurbereinigungsverfahren § 41 Abs.2 Satz 2 FlurBG GV Genehmigung, Änderungsgenehmigung, Teilgenehmigung und Vorbescheid einer Anlage,
§ 10 BImSchG i.V.m. 9. BImSchG GV Genehmigung, Änderungsgenehmigung, Teilgenehmigung und Vorbescheid einer kerntechnischen
Anlage (Erzeugung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Spaltung von Kernbrennstoffen), § 7 AtG
GV Anlagengenehmigungen in Form von Erst,- Teil- und Änderungsgenehmigungen, auch Tätigkeitsgenehmigungen,
Genehmigung für das Freisetzen und Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen, § 8, § 14 GenTG
B Bewilligung zum Einleiten von Stoffen in ein Gewässer (staatliche Lizenz zur Verschmutzung), § 8 und 9 WHG
E Erlaubnis zum Einleiten von Stoffen in ein Gewässer (ebenfalls staatliche Lizenz zur Verschmutzung) § 7 und 7a WHG
Übersicht nichtförmliche Zulassungsverfahren im Umweltrecht in Deutschland PG= Plangenehmigung GV= Genehmigungsverfahren
Typ Wofür durchgeführt PG Bau und wesentliche Änderung von Bundesfernstraßen, § 17 Abs.1 a FStrG PG Vorhaben der Bahn AG, insbesondere Schienenwegebau aber auch Änderung einer
Betriebsanlage der Eisenbahn, § 18 Abs. 2 AEG PG Bau oder Änderung von Straßenbahngleisen sowie von U-Bahnen, § 28 Abs. 1 a PbefG PG Ortsfeste Abfallbeseitigungsanlagen, Errichtung und Betrieb einer Abfalldeponie, sowie
wesentliche Änderung ihres Betriebes, § 31 Abs. 3 KrW-/AbfG PG Bau oder Änderung von Magnetschwebebahnen, MagnetschwebebahnplanungsG PG Bau von Flughäfen oder eines Landeplatzes § 8 LuftVG PG Bau von Telegrafenwegen, § 7 Abs. 3 Satz 2 TWG PG Ausbau oder Bau von Bundeswasserstraßen § 14 Abs. 1 a WaStrG PG Gewässerausbau, Gewässerunterhaltung, Damm- und Deichbauten, wesentliche
Änderung derselben , § 31 Abs. 3 WHG i.V.m. § 73 VwVfG und Vorschriften derLandesgesetze
PG Aufstellung von Rahmenbetriebsplänen, § 52 II a BBergG PG Flurbereinigungsverfahren, § 41 Abs. 4 FlurBG GV Genehmigung, Änderungsgenehmigung einer Anlage, § 16 Abs. 4 bzw. § 19 BImSchG
i.V.m. 9. BImSchV
Beteiligung anerkannter (Naturschutz)verbände in Deutschland gemäß §§ 59/60 BNatSchG i. v. m. Landesnaturschutzgesetzen
Brandenburg = 6 Verbände Berlin = 11 Verbände Mecklenburg-Vorpommern = 6
Verbände Sachsen = 7 Verbände Sachsen-Anhalt = 9 Verbände Thüringen = 8 Verbände Niedersachsen = 13 Verbände
2. Stichpunkte zur Entwicklung der Rahmenbedingungen zu Bürgerbeteiligung im Umweltschutz in Deutschland
1990 Wiedervereinigung Ende 1990 Verkehrswegeplanungs-
beschleunigungsgesetz für die neuen Länder
Ab 1990 immer mehr Deregulierungsbemühungen (Kommissionen, öffentlicher Druck usw.)
1992 und 1993 weitere Gesetze zur Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung
2. Stichpunkte zur Entwicklung der Rahmenbedingungen für Bürgerbeteiligung im Umweltschutz in Deutschland
1994 Planungsvereinfachungsgesetz 1996 Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und
Änderung der Beteiligung in immissionsschutzrechtlichen GV
Bis heute Fortbestehen dieser unter der CDU/FDP – Regierung auf dem Weg gebrachten Gesetze, keine Änderung durch SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN
1998 nach Regierungswechsel unterzeichnet auch Deutschland die Aarhus-Konvention
2002 mit dem neuen BNatSchG gibt es nach 30 Jahren Verbandsklage auf Bundesebene in rudimentärer Form
2. Stichpunkte zur Entwicklung der Rahmenbedingungen für Bürgerbeteiligung im Umweltschutz in Deutschland
Seit 1990 zugleich Rückgang des Stellenwertes Umweltschutz in der Öffentlichkeit Indikatoren: weniger Zeitschriften zu diesem Thema, außer ND und TAZ keine Umweltseiten mehr in
Tageszeitungen, Spürbarer Rückgang der Nachfrage nach
Beteiligungsmöglichkeiten in den Verbänden Weniger Teilnehmer zum Thema Bürgerbeteiligung
auf Veranstaltungen Latenter Rückgang bzw. Stagnation der
Mitarbeiterzahl bzw. der Mitgliedsbeiträge in Umweltverbänden
Stagnation der Haushaltsmittel für Umweltschutz in Deutschland
3. Inanspruchnahme der Beteiligungsrechte und Aussagen zur Wirksamkeit der Beteiligung
Zur Wirksamkeit der Beschleunigungsgesetzgebung kaum empirische Forschung in Deutschland
2002 Gutachten des Sachverständigenrates beim Umweltminister (Frau Prof. Dr. Lübbe-Wolf, Uni Bielefeld)
Einige Fallstudien (Frau Prof. Dr. Epiney (2003), ältere UBA-Studien (1998)
Vorgestellte Daten und Zahlen beruhen auf eigenen aktuellen Untersuchungen des UfU aus 2003 und 2004
Ö-Beteiligung in Immissionsschutzrechtlichen GV
in Deutschland (neue Bundesländer 1991-2001Erhebung Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V. www.ufu.de)
Verf. ohne Ö-Beteiligung
Verf.mit Ö-beteiligung Verfahren gesamt
Verhältnis von Verf. ohne und mit Öff.bet.in %
ohne mit
1991 389 115 504 77 23
1992 788 206 994 79 21
1993 917 221 1138 81 19
1994 1313 203 1516 87 13
1995 1641 164 1805 91 9
1996 1574 178 1752 90 10
1997 1276 162 1438 89 11
1998 1161 162 1323 88 12
1999 979 122 1101 89 11
2000 835 148 983 85 15
2001 822 96 918 90 10
gesamt 11.695 1.777 13.472
Tatsächliche Inanspruchnahme der Ö-Beteiligung im Umweltschutz in Deutschland dargestellt an immissionsschutzrechtlichen GVim Land Brandenburg (siehe www.ufu.de)
Jahr GV ohne Ö-Beteiligung
GV mit Ö-Beteiligung
Davon mit Erörterungs-termin
Einwendung pro Verfahren
GV Gesamt Davon % öffent.ausgelegt
Davon % tatsächl.Ö-beteiligung
1994 395 47 10 442 11 21
1995 425 41 11 466 9 27
1996 440 55 10 495 11 18
1997 358 70 11 23 428 16 16
1998 329 44 10 373 12 23
1999 262 40 2 302 13 5
2000 249 43 5 292 15 12
2001 298 45 3 40 343 13 7
Erkenntnisse aus den Untersuchungen (siehe www.ufu.de)
In den 6 untersuchten Bundesländern werden nur noch etwa 10-15% aller durchgeführten GV öffentlich ausgelegtM-V 1991 = 35 %, 2001 = 5 %Sachsen-Anhalt 1991 = 32 %, 2001 = 12%
Tatsächliche Öffentlichkeitsbeteiligung in immissionsschutzrechtlichen GV ist die absolute AusnahmeM-V 2001 = 2 von 102 GV
Brandenburg 2001 = 3 von 298 GV
4. Positionspapier deutscher NGO´s zur Umsetzung der Aarhus-Konvention in deutsches Recht
Papier initiiert durch das UfU und diskutiert auf Workshop Januar 2004
Verfasst ab Januar 2004, Zuarbeiten von Umweltverbänden, NGO`s
Ganz wichtig: Öffnung des Papiers, jetzt auch NGO´s aus dem Globalisierungsspektrum vertreten
4. Positionspapier deutscher NGO´s zur Umsetzung der Aarhus-Konvention in deutsches Recht
Forderungen an den Gesetzgeber Im Sinne eines bundeseinheitlichen Vollzuges ist das Festhalten an einem
einheitlichen Umweltinformationsgesetz dringend geboten. Die derzeitige Konzeption des Gesetzentwurfes (vom 01.04.04), welche ein Bundesgesetz und 16 Ländergesetze erfordert, wird dem Anliegen der Aarhus-Konvention und der EU-Umweltinformationsrichtlinie nicht gerecht. Sie ist aufwendig, teuer und erschwert die Handhabung des Gesetzes in der Praxis immens.
Der Gesetzgeber wird aufgefordert, den Informationszugang möglichst kostenlos zu gewährleisten, und wo dies nicht zielgerecht erscheint, stärker begrenzende Vorgaben für einfache Anfragen innerhalb des Ermessensspielraumes von 500 Euro zu machen.
Die Nichtregierungsorganisationen fordern für die Umsetzung der EU-Öffentlichkeitsrichtlinie ein entsprechendes Öffentlichkeitsgesetz in Umweltangelegenheiten. Dieses ließe sich am besten mit der Zielstellung der EU-Richtlinie vereinbaren und später leicht in ein Umweltgesetzbuch integrieren. Den Bürgern und den Umweltverbänden würde damit ein leicht zu überschauendes und damit anwendungsfreundliches Rechtsinstrument zur Verfügung gestellt.
• Alle bisher im Naturschutzrecht anerkannten Umweltschutzorganisationen sollten ohne neues Verfahren weiterhin anerkannt bleiben. Die Ad hoc Anerkennung für Umweltgruppen muss gewährleistet werden.
• Der Gesetzgeber sollte sicherstellen, dass sich künftig bei Klagen der Klagegegenstand auf alle Fälle des materiellen Umweltrechts beziehen kann und der Umweltbegriff nach dem Vorbild der Aarhus-Konvention und des EU-Rechts weit gefasst wird.• Die Präklusionsregelungen sowie die Praxis der Fehlerlehre im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht sind entsprechend an die Zielstellung der Öffentlichkeitsrichtlinie anzupassen.• Die anerkannten Umweltverbände sind finanziell so zu stellen, dass sie den erweiterten Aufgabenkatalog aus der EU-Richtlinie erfüllen können.Von der Bundesregierung wird erwartet, dass sie sich aktiv und nachdrücklich für die rasche Verabschiedung des Richtlinienentwurfes für den Zugang zu Gerichten (KOM 2003, 624 v. 24.10.2003) einsetzt. • Die Bundesregierung wird darüber hinaus aufgefordert, die Gesetzgebungsverfahren für die 3 Säulen der Aarhus-Konvention im Sinne einer maximalen zivilgesellschaftlichen Beteiligung auszugestalten. Sie leistet damit einen aktiven Beitrag, die bislang kaum bekannte Aarhus-Konvention einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland näher zu bringen.
4. Positionspapier deutscher NGO´s zur Umsetzung der Aarhus-Konvention in deutsches Recht
Wer hat bisher unterzeichnet?- Greenpeace- BUND- Nabu- Humanistische Union- Urgewald- Weed- UfU- Grüne Liga- DNR- weitere
4. Positionspapier deutscher NGO´s zur Umsetzung der Aarhus-Konvention in deutsches Recht
Weiterer Gang der Aktivitäten: - Übergabe an Parlamentarier am 24. Mai - weitere Arbeitstreffen mit BMU - evtl. weitere Infoseminare, evtl.
Kampagne
Motto zum Abschluß
„Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“I. Kant, Zum ewigen Frieden, Anh. II
Top Related