Blockchain und Smart Contracts
Die vertragsrechtlichen Implikationen
einer neuen Technologie
Inauguraldissertation zur Erlangung der Würde eines Doctor iuris der
Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern.
vorgelegt von
Eleonor Gyr
Die Fakultät hat diese Arbeit am 21. Februar 2019 auf Antrag der beiden
Gutachterinnen, Prof. Dr. Susan Emmenegger und Prof. Dr. Mirjam Eggen,
als Dissertation angenommen.
II
Urheberrechtlicher Hinweis
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Bern gespeichert.
.
III
Vorwort
Als ich im Jahr 2016 die Arbeit an der vorliegenden Dissertation aufnahm,
waren die Begriffe «Blockchain» und «Smart Contracts» zwar bereits
verbreitet; wissenschaftliche Auseinandersetzungen dazu waren jedoch –
insbesondere im deutschsprachigen Raum – nur spärlich vorhanden. Die
juristische Aufarbeitung eines technischen Themas ohne Rückgriff-
möglichkeiten auf einen reichen Fundus an Literatur war einer der
Knackpunkte aber auch die Hauptmotivation für die Ausarbeitung dieser
Dissertation. Zwischenzeitlich findet auch in der Schweizer Literatur eine rege
Auseinandersetzung zu den Themen Blockchain und Smart Contracts statt. Ich
hoffe, dass die vorliegende Arbeit ihren Teil zu dem noch jungen Forschungs-
feld beitragen kann.
Ich danke meiner Doktormutter Prof. Dr. Susan Emmenegger für die grosse
Freiheit, die sie mir bei der Ausarbeitung der Arbeit gewährte. Prof. Dr. Mirjam
Eggen danke ich für die Zweitbegutachtung und die anregenden Diskussionen
zur Blockchain-Technologie während meiner Zeit als Assistentin am
Zivilistischen Seminar der Uni Bern.
Von Herzen bedanke ich mich auch bei RA MLaw Corina Flückiger, M.A.
Ramón Gander und M.A. Hans Martin Jörimann, die mich mit ermunterndem
Zuspruch, kritischer Durchsicht und geduldigem Lektorat bei meinem
Dissertationsvorhaben begleitet haben.
Manuskriptschluss der vorliegenden Arbeit war der 28. Juni 2018; Literatur,
Materialien und Rechtsprechung sind nur bis zu diesem Zeitpunkt
berücksichtigt.
Basel, im März 2019 Eleonor Gyr
Inhaltsübersicht
IV
Inhaltsübersicht
INHALTSÜBERSICHT .............................................................................. IV
INHALTSVERZEICHNIS ....................................................................... VII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...........................................................XVII
LITERATURVERZEICHNIS .............................................................. XXIII
MATERIALIENVERZEICHNIS ........................................................... XLI
WEITERE QUELLEN ............................................................................ XLII
EINLEITUNG ................................................................................................ 1
1. TEIL: GRUNDLAGEN............................................................................. 3
A. EINFÜHRUNG IN DIE BLOCKCHAIN-TECHNOLOGIE ........... 4
I. Historie und Begriff ................................................................................ 5
II. Typologie .............................................................................................. 14
III. Vertrauen und die Blockchain .............................................................. 16
B. TECHNISCHE ASPEKTE DER BLOCKCHAIN-
TECHNOLOGIE ................................................................................ 22
I. Funktionsweise einer Blockchain ......................................................... 22
II. Blockchain-Beispiele ............................................................................ 29
C. VERTRAGLICHE ASPEKTE DER BLOCKCHAIN-
TECHNOLOGIE ................................................................................ 36
I. Involvierte Parteien............................................................................... 36
II. Blockchain als Software ....................................................................... 40
III. Blockchain als Plattform ...................................................................... 60
Inhaltsübersicht
V
IV. Fazit ...................................................................................................... 84
2. TEIL: SMART CONTRACTS ............................................................... 85
A. EINFÜHRUNG SMART CONTRACTS ......................................... 86
I. Historie und Begriff .............................................................................. 86
II. Funktionsweise von Smart Contracts ................................................... 99
III. Fazit .................................................................................................... 104
B. VERTRAGSABSCHLUSS UND SMART CONTRACTS ........... 105
I. Vorfrage: Programmiersprache als Vertragssprache .......................... 106
II. Vertragsparteien: Rechts- und Geschäftsfähigkeit ............................. 110
III. Rechtsbindungswille und Willenserklärung: Antrag und Annahme .. 115
IV. Übereinstimmende Willenserklärung ................................................. 135
V. Widerruf ............................................................................................. 138
VI. Inhalt des Vertrages ............................................................................ 142
VII. Formvorschriften ................................................................................ 148
VIII. Fazit .................................................................................................... 164
C. MANGELHAFTE WILLENSERKLÄRUNGEN ......................... 165
I. Irrtum .................................................................................................. 165
II. Täuschung und Furchterregung .......................................................... 170
III. Rechtsfolgen ....................................................................................... 172
IV. Fazit .................................................................................................... 176
D. LEISTUNGSSTÖRUNGEN ............................................................ 177
I. Leistungsunmöglichkeit...................................................................... 177
Inhaltsübersicht
VI
II. Positive Vertragsverletzung ................................................................ 184
III. Spätleistung ........................................................................................ 187
IV. Fazit .................................................................................................... 190
E. GEWÄHRLEISTUNG UND HAFTUNG ...................................... 191
I. Fehler in der Software (Bug) .............................................................. 191
II. Fehlerhafte Anwendung des Smart Contract ...................................... 199
III. Fazit .................................................................................................... 201
F. SMART CONTRACTS ALS HALTER VON
VERMÖGENSWERTEN ................................................................ 202
I. Übertragung von Vermögenswerten ................................................... 202
II. Funktion des Smart Contract .............................................................. 205
III. Fazit .................................................................................................... 211
3. TEIL: ZUSAMMENFASSUNG ........................................................... 212
I. Erkenntnisse ....................................................................................... 212
II. Würdigung .......................................................................................... 218
ANHANG: BEGRIFFE UND ERLÄUTERUNGEN ................................... I
Inhaltsverzeichnis
VII
Inhaltsverzeichnis
INHALTSÜBERSICHT .............................................................................. IV
INHALTSVERZEICHNIS ....................................................................... VII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...........................................................XVII
LITERATURVERZEICHNIS .............................................................. XXIII
MATERIALIENVERZEICHNIS ........................................................... XLI
WEITERE QUELLEN ............................................................................ XLII
EINLEITUNG ................................................................................................ 1
1. TEIL: GRUNDLAGEN............................................................................. 3
A. EINFÜHRUNG IN DIE BLOCKCHAIN-TECHNOLOGIE ........... 4
I. Historie und Begriff ................................................................................ 5 1. Die Bitcoin-Blockchain ............................................................................ 5
2. Neuere Entwicklungen ............................................................................. 6
3. Definition ................................................................................................. 9
4. Merkmale ............................................................................................... 10
a) Dezentrales, verteiltes Netzwerk ....................................................... 10
b) Transaktionsregister .......................................................................... 11
c) Unabänderbarkeit der registrierten Daten.......................................... 12
d) Pseudoanonymität ............................................................................. 12
II. Typologie .............................................................................................. 14 1. Öffentliche Blockchain .......................................................................... 15
2. Private Blockchain ................................................................................. 15
3. Mischformen .......................................................................................... 16
III. Vertrauen und die Blockchain .............................................................. 16 1. Vertrauen in der öffentlichen Blockchain .............................................. 17
2. Vertrauen in der privaten Blockchain .................................................... 19
3. Vertrauen im Schweizer Rechtssystem .................................................. 19
4. Vertrauenslose Systeme im Schweizer Rechtssystem ............................ 20
Inhaltsverzeichnis
VIII
5. Fazit ....................................................................................................... 21
B. TECHNISCHE ASPEKTE DER BLOCKCHAIN-
TECHNOLOGIE ................................................................................ 22
I. Funktionsweise einer Blockchain ......................................................... 22 1. Transaktionsauslösung ........................................................................... 23
2. Konsensverfahren................................................................................... 25
a) Öffentliche Blockchain ..................................................................... 26
b) Private Blockchain ............................................................................ 28
3. Blockbildung .......................................................................................... 28
II. Blockchain-Beispiele ............................................................................ 29 1. Bitcoin-Blockchain ................................................................................ 29
a) Zweck ................................................................................................ 30
b) Transaktionsmechanismus................................................................. 30
2. Ethereum-Blockchain ............................................................................. 31
a) Zweck ................................................................................................ 31
b) Transaktionsmechanismus................................................................. 32
3. Hyperledger ............................................................................................ 32
a) Zweck ................................................................................................ 33
b) Transaktionsmechanismus................................................................. 33
4. Corda ...................................................................................................... 34
a) Zweck ................................................................................................ 34
b) Transaktionsmechanismus................................................................. 34
C. VERTRAGLICHE ASPEKTE DER BLOCKCHAIN-
TECHNOLOGIE ................................................................................ 36
I. Involvierte Parteien............................................................................... 36 1. Softwareentwickler ................................................................................ 37
2. Nutzer ..................................................................................................... 37
3. Miner ...................................................................................................... 38
4. Wallet-Anbieter ...................................................................................... 39
II. Blockchain als Software ....................................................................... 40 1. Open-Source-Software ........................................................................... 41
a) Begriff ............................................................................................... 42
b) OSS-Lizenzen ................................................................................... 43
Inhaltsverzeichnis
IX
c) Abgrenzungen ................................................................................... 45
d) Blockchain als Open-Source-Software .............................................. 46
2. OSS-Lizenzvertrag ................................................................................. 47
a) Vertragsparteien ................................................................................ 47
b) Vertragsgegenstand ........................................................................... 49
c) Zeitpunkt des Zustandekommens des OSS-Lizenzvertrages ............. 49
d) Vertragstypologie .............................................................................. 51
aa) Gefälligkeit .................................................................................... 53
bb) Schenkung ...................................................................................... 54
cc) Leihe .............................................................................................. 56
dd) Einfacher Auftrag .......................................................................... 56
ee) Zwischenfazit ................................................................................. 57
e) Weitere Vertragsbestandteile ............................................................ 57
aa) Bedingung / Auflage ...................................................................... 57
bb) Haftungs- und Gewährleistungsausschlüsse .................................. 58
3. Fazit ....................................................................................................... 59
III. Blockchain als Plattform ...................................................................... 60 1. P2P-Netzwerk ........................................................................................ 61
a) Begriff ............................................................................................... 61
b) Eigenschaften .................................................................................... 62
2. Gesellschaftsrechtliche Aspekte eines P2P-Blockchain-Netzwerkes ..... 63
a) Körperschaft ...................................................................................... 64
b) Personengesellschaft ......................................................................... 64
c) Einfache Gesellschaft ........................................................................ 65
aa) Zwei oder mehr Personen .............................................................. 65
bb) Vertragsmässige Verbindung ......................................................... 66
cc) Gemeinsamer Zweck mit gemeinsamen Mitteln ............................ 68
dd) Fehlende Identifizierbarkeit der Gesellschafter ............................. 69
d) Fazit ................................................................................................... 70
3. Vertragsverhältnis innerhalb des P2P-Netzwerkes ................................ 70
a) Vertragsverhältnis Nutzer – Miner .................................................... 71
aa) Ethereum-Blockchain .................................................................... 72
bb) Bitcoin-Blockchain ........................................................................ 73
b) Exkurs: Vertragsverhältnis Miner – Nutzer ausserhalb des
Netzwerkes ........................................................................................ 74
aa) Stellvertretung ................................................................................ 75
bb) Hilfsperson ..................................................................................... 76
Inhaltsverzeichnis
X
c) Fazit ................................................................................................... 77
4. Zugang zum P2P-Blockchain-Netzwerk ................................................ 78
a) Internet Service Provider ................................................................... 78
b) Internet-Provider-Haftung ................................................................. 79
c) Wallet-Anbieter als Provider? ........................................................... 81
d) Fazit ................................................................................................... 83
5. Fazit ....................................................................................................... 83
IV. Fazit ...................................................................................................... 84
2. TEIL: SMART CONTRACTS ............................................................... 85
A. EINFÜHRUNG SMART CONTRACTS ......................................... 86
I. Historie und Begriff .............................................................................. 86 1. Historie ................................................................................................... 86
2. Neuere Entwicklungen ........................................................................... 87
3. Smart Contract von Ethereum ................................................................ 89
4. Definitionsansätze .................................................................................. 90
a) Technische Ansätze ........................................................................... 90
b) Juristische Ansätze ............................................................................ 93
5. Eigene Definition von Smart Contracts ................................................. 94
6. Merkmale ............................................................................................... 95
a) Autonomie/Eigenständigkeit ............................................................. 95
b) Unveränderbarkeit ............................................................................. 96
c) Keine Interpretationsmöglichkeit ...................................................... 97
7. Exkurs: Elektronischer Agent ................................................................ 97
a) Begriff ............................................................................................... 98
b) Smart Contracts und elektronische Agenten ..................................... 98
II. Funktionsweise von Smart Contracts ................................................... 99 1. Allgemeines ........................................................................................... 99
2. Bezug zu Ereignissen ausserhalb der Blockchain ................................ 101
3. Übertragung von Vermögenswerten an den Smart Contract ................ 102
4. Beispiele ............................................................................................... 102
a) Wohnungs- oder Automiete: Smarte Schlösser ............................... 102
b) Versicherung ................................................................................... 103
c) Musik .............................................................................................. 103
d) Logistik ........................................................................................... 104
Inhaltsverzeichnis
XI
III. Fazit .................................................................................................... 104
B. VERTRAGSABSCHLUSS UND SMART CONTRACTS ........... 105
I. Vorfrage: Programmiersprache als Vertragssprache .......................... 106 1. Formfreiheit und Stillschweigen .......................................................... 106
2. Programmiersprache ............................................................................ 106
3. Unterschied Programmiersprache zu konventioneller Sprache ............ 107
4. Programmiersprache als Vertragssprache ............................................ 108
5. Fazit ..................................................................................................... 109
II. Vertragsparteien: Rechts- und Geschäftsfähigkeit ............................. 110 1. Rechtsfähigkeit .................................................................................... 110
2. Geschäftsfähigkeit ................................................................................ 111
3. Rechts- und Geschäftsfähigkeit bei Smart Contracts ........................... 112
a) Öffentliche Blockchain ................................................................... 113
b) Private Blockchain .......................................................................... 113
4. Fazit ..................................................................................................... 114
III. Rechtsbindungswille und Willenserklärung: Antrag und Annahme .. 115 1. Rechtsbindungswille ............................................................................ 116
a) Allgemeine Regeln .......................................................................... 116
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr ............................................... 117
c) Bei Smart Contracts ........................................................................ 117
aa) Fachkundige Personen ................................................................. 118
bb) Fachunkundige Personen ............................................................. 119
cc) Fachkundige und fachunkundige Personen .................................. 120
2. Adressatenkreis und Formvorschriften ................................................ 121
a) Allgemeine Regeln .......................................................................... 121
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr ............................................... 122
c) Bei Smart Contracts ........................................................................ 123
3. Zugang der Willenserklärung und Frist ............................................... 125
a) Allgemeine Regeln .......................................................................... 125
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr ............................................... 126
c) Bei Smart Contracts ........................................................................ 127
4. Zeitpunkt des Vertragsabschlusses....................................................... 128
a) Allgemeine Regeln .......................................................................... 128
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr ............................................... 128
Inhaltsverzeichnis
XII
c) Bei Smart Contracts ........................................................................ 129
5. Zurechenbarkeit der Willenserklärung ................................................. 130
a) Allgemeine Regeln .......................................................................... 130
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr ............................................... 131
c) Bei Smart Contracts ........................................................................ 131
6. Auslegung der Willenserklärung .......................................................... 132
a) Allgemeine Regeln .......................................................................... 133
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr ............................................... 133
c) Bei Smart Contracts ........................................................................ 133
7. Fazit ..................................................................................................... 133
IV. Übereinstimmende Willenserklärung ................................................. 135 1. Allgemeine Regeln ............................................................................... 135
a) Natürlicher und normativer Konsens............................................... 135
b) Dissens ............................................................................................ 136
c) Wesentliche Vertragsbestandteile ................................................... 136
2. Konsens im elektronischen Geschäftsverkehr ...................................... 137
3. Konsens bei Smart Contracts ............................................................... 137
V. Widerruf ............................................................................................. 138 1. Allgemeine Regeln ............................................................................... 138
2. Widerruf im elektronischen Geschäftsverkehr ..................................... 140
3. Widerruf bei Smart Contracts .............................................................. 140
VI. Inhalt des Vertrages ............................................................................ 142 1. Grundsatz der Inhaltsfreiheit ................................................................ 142
2. Inhaltsschranken .................................................................................. 142
a) Sittenwidrigkeit ............................................................................... 143
b) Unmöglichkeit ................................................................................. 143
c) Widerrechtlichkeit ........................................................................... 143
3. Inhaltsschranken im elektronischen Geschäftsverkehr und bei .................
Smart Contracts .................................................................................... 144
4. Rechtsfolgen ........................................................................................ 144
a) Nichtigkeit ....................................................................................... 144
b) Teilnichtigkeit ................................................................................. 146
c) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit im elektronischen ...............................
Geschäftsverkehr ............................................................................. 147
d) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit bei Smart Contracts ....................... 147
Inhaltsverzeichnis
XIII
VII. Formvorschriften ................................................................................ 148 1. Grundsatz der Formfreiheit .................................................................. 148
2. Einfache Schriftlichkeit ........................................................................ 149
a) Erklärungsinhalt in Schriftzeichen .................................................. 150
aa) Erklärungsinhalt in Schriftzeichen im elektronischen
Geschäftsverkehr ......................................................................... 152
bb) Erklärungsinhalt in Schriftzeichen bei Smart Contracts .............. 152
b) Erklärungsträger .............................................................................. 153
aa) Erklärungsträger im elektronischen Geschäftsverkehr ................ 154
bb) Erklärungsträger bei Smart Contracts .......................................... 156
c) Unterschrift ..................................................................................... 157
aa) Unterschrift im elektronischen Geschäftsverkehr ........................ 158
bb) Unterschrift bei Smart Contracts ................................................. 158
3. Qualifizierte Schriftlichkeit .................................................................. 159
4. Öffentliche Beurkundung ..................................................................... 160
5. Formungültigkeit .................................................................................. 160
a) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit ....................................................... 161
aa) Allgemeine Regeln ...................................................................... 161
bb) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit bei Smart Contracts.................... 162
b) Rückabwicklung und Konversion ................................................... 162
6. Fazit ..................................................................................................... 163
VIII. Fazit .................................................................................................... 164
C. MANGELHAFTE WILLENSERKLÄRUNGEN ......................... 165
I. Irrtum .................................................................................................. 165 1. Allgemeine Regeln ............................................................................... 165
1. Irrtum im elektronischen Geschäfts-verkehr ........................................ 167
a) Eingabe- und Bedienungsfehler ...................................................... 167
b) Übermittlungsfehler ........................................................................ 168
2. Irrtum bei Smart Contracts ................................................................... 169
a) Fehlerhafte Willenserklärung beim Abschluss des ..............................
Grundgeschäftes .............................................................................. 169
b) Eingabe- und Bedienungsfehler ...................................................... 169
c) Übermittlungsfehler ........................................................................ 170
II. Täuschung und Furchterregung .......................................................... 170
Inhaltsverzeichnis
XIV
1. Täuschung ............................................................................................ 170
2. Furchterregung ..................................................................................... 171
3. Täuschung und Furchterregung im elektronischen ...................................
Geschäftsverkehr und bei Smart Contracts .......................................... 172
III. Rechtsfolgen ....................................................................................... 172 1. Einseitige Unverbindlichkeit ................................................................ 172
2. Schadenersatzpflicht ............................................................................ 174
3. Genehmigung ....................................................................................... 175
4. Rechtsfolgen im elektronischen Geschäftsverkehr und bei .......................
Smart Contracts .................................................................................... 175
IV. Fazit .................................................................................................... 176
D. LEISTUNGSSTÖRUNGEN ............................................................ 177
I. Leistungsunmöglichkeit...................................................................... 177 1. Ursprüngliche und nachträgliche Leistungsunmöglichkeit .................. 178
2. Objektive und subjektive Leistungsunmöglichkeit .............................. 178
3. Unverschuldete Leistungsunmöglichkeit ............................................. 180
4. Verschuldete Leistungsunmöglichkeit ................................................. 181
5. Leistungsunmöglichkeit bei Smart Contracts....................................... 182
a) Ursprüngliche Unmöglichkeit ......................................................... 182
b) Nachträgliche Unmöglichkeit .......................................................... 183
c) Objektive und subjektive Leistungsunmöglichkeit ......................... 183
d) Unverschuldete und verschuldete Leistungsunmöglichkeit ............ 183
II. Positive Vertragsverletzung ................................................................ 184 1. Allgemeine Regeln ............................................................................... 184
2. Positive Vertragsverletzung bei Smart Contracts ................................. 186
III. Spätleistung ........................................................................................ 187 1. Allgemeine Regeln ............................................................................... 187
2. Spätleistung bei Smart Contracts ......................................................... 189
IV. Fazit .................................................................................................... 190
Inhaltsverzeichnis
XV
E. GEWÄHRLEISTUNG UND HAFTUNG ...................................... 191
I. Fehler in der Software (Bug) .............................................................. 191 1. Vertragliche Gewährleistung und Haftung .......................................... 192
a) OSS-Lizenz ..................................................................................... 192
b) Übrige Softwareverträge ................................................................. 194
2. Deliktische Haftung ............................................................................. 195
a) Verschuldenshaftung nach Art. 41 ff. OR ....................................... 195
b) Geschäftsherrenhaftung ................................................................... 196
c) Produktehaftung .............................................................................. 197
II. Fehlerhafte Anwendung des Smart Contract ...................................... 199 1. Vertragliche Haftung ............................................................................ 199
2. Deliktische Haftung ............................................................................. 200
III. Fazit .................................................................................................... 201
F. SMART CONTRACTS ALS HALTER VON
VERMÖGENSWERTEN ................................................................ 202
I. Übertragung von Vermögenswerten ................................................... 202 1. Arten von Vermögenswerten ............................................................... 202
2. Übertragung an Smart Contract ........................................................... 203
3. Involvierte Parteien .............................................................................. 205
II. Funktion des Smart Contract .............................................................. 205 1. Smart Contract als Fiduziar .................................................................. 205
a) Treuhandvertrag .............................................................................. 205
b) Smart Contract als Fiduziar ............................................................. 206
c) Sicherungszession ........................................................................... 207
aa) Sicherungszession mit Smart Contracts ....................................... 207
bb) Forderungsübertragung mit Smart Contracts ............................... 208
2. Smart Contract als Aufbewahrer .......................................................... 209
a) Hinterlegungsvertrag ....................................................................... 209
b) Smart Contract als Aufbewahrer ..................................................... 209
3. Smart Contract als Escrow-Agent ........................................................ 210
a) Escrow-Agreement .......................................................................... 210
b) Smart Contract als Escrow-Agent ................................................... 210
Inhaltsverzeichnis
XVI
III. Fazit .................................................................................................... 211
3. TEIL: ZUSAMMENFASSUNG ........................................................... 212
I. Erkenntnisse ....................................................................................... 212
II. Würdigung .......................................................................................... 218
ANHANG: BEGRIFFE UND ERLÄUTERUNGEN ................................... I 1. Software, Computerprogramm, Algorithmus ............................................ i
2. Hash ........................................................................................................ ii
3. Hash-Bäume ........................................................................................... iii
4. Kryptografische Verschlüsselungsverfahren .......................................... iii
a) Symmetrische Verschlüsselung .......................................................... iv
b) Asymmetrische Verschlüsselung........................................................ iv
5. Digitale Signatur ..................................................................................... vi
a) Allgemeines ........................................................................................ vi
b) Elektronische Signatur gemäss ZertES ............................................ vii
6. Virtuelle Währung / Kryptowährung ...................................................... ix
7. Token ...................................................................................................... xi
8. ICO / TGE ............................................................................................ xiii
9. Hard Fork / Soft Fork ........................................................................... xiii
10. DAOs / DAPs / DACs etc. .................................................................... xiv
Abkürzungsverzeichnis
XVII
Abkürzungsverzeichnis
a.A./A.A. anderer Ansicht
ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abs. Absatz
AG Aktiengesellschaft
AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen
AJP Aktuelle Juristische Praxis
API Application Programming Interface
App(s) Applikation(en)
AT Allgemeiner Teil
Art. Artikel
BAKOM Bundesamt für Kommunikation
BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (D)
BankG Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom
8. November 1934 (SR 952.0)
BBl Bundesblatt
betr. betreffend
BGE Amtliche Sammlung der Entscheide des
Bundesgerichts
BGer Bundesgericht
bspw. beispielsweise
Bst. Buchstabe
BV Bundesverfassung
bzw. beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis
XVIII
ca. circa
CHF Schweizer Franken
CR Computer und Recht
DAO Dezentrale Autonome Organisation
DAPP Dezentrale Applikation
d.h. das heisst
DLT Distributed Ledger Technologie
DuD Datenschutz und Datensicherheit
E. Erwägung
EÖBV Verordnung über die Erstellung elektronischer
öffentlicher Urkunden und elektronischer
Beglaubigungen vom 8. Dezember 2017 (SR
211.435.1).
EFD Eidgenössisches Finanzdepartement
ERC20 Ethereum Request for Comment 20
etc. et cetera
EU Europäische Union
EuGH Europäischer Gerichtshof
f. / ff. folgende Seite(n)
FIDLEG Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen
(Finanzdienstleistungsgesetz) vom 15. Juni 2018
(SR noch nicht bekannt)
FinfraG Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen
und das Marktverhalten im Effekten- und
Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturgesetz)
vom 19. Juni 2015 (SR 958.1)
FINMA Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
Abkürzungsverzeichnis
XIX
FINMA-RS Rundschreiben der FINMA
Fn. Fussnote
FS Festschrift
ggf. gegebenenfalls
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GNU-GPL GNU General Public License
GNU-LGPL GNU Lesser General Public License
h.L. herrschende Lehre
Hrsg. Herausgeber
http / https Hyper Transfer Protocol / Hyper Transfer Protocol
Secure
ICO Initial Coin Offering
i.d.R. in der Regel
InTeR Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht
IoT Internet of Things
IP Internet Protokoll
IT Information Technologie
i.S.v. im Sinne von
i.V.m. in Verbindung mit
KKG Bundesgesetz über den Konsumkredit vom
23. März 2001 (SR 221.214.1)
Kt. Kanton
lit. litera
max. maximal
min. minimal
Abkürzungsverzeichnis
XX
Mio. Millionen
MIT Massachusetts Institute of Technology
MM Medienmitteilung
m.w.H. mit weiteren Hinweisen
m.w.V. mit weitern Verweisen
N. Note
Nr. Nummer
NZZ Neue Zürcher Zeitung
o.ä. oder ähnlich(e/er/s)
OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des
Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil: Obligationenrecht
(SR 220)
OSS-Lizenz Open-Source-Software-Lizenz
PoS Proof of Stake
PoSp Proof of Space
PoW Proof of Work
PrHG Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht
(Produktehaftpflichtgesetz) vom 18. Juni 1993 (SR
221.112.944).
P2P Peer to Peer
resp. respektive
RL Richtlinie
SchlT Schlusstitel
SLTA Swiss Legal Tech Association
sog. sogenannt(e/er/es)
SSRN Social Science Research Network
Abkürzungsverzeichnis
XXI
SR Ständerat
SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und
Finanzmarktrecht
TGE Token Generating Event
THG Bundesgesetz über die technischen
Handelshindernisse vom 6. Oktober 1995 (SR
946.51)
u.a. unter andere /anderen /anderem
URG Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte
Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. Oktober
1992, SR 231.1
UIDG Bundesgesetz über die Unternehmens-
Identifikationsnummer vom 18. Juni 2010 (SR.
431.03)
UXTO Unspent Transaction Output
vgl. vergleiche
VO Verordnung
WIPO Word Intellectual Property Organization
www. World Wide Web
z.B. zum Beispiel
ZertES Bundesgesetz über die Zertifizierungsdienste im
Bereich der elektronischen Signatur und anderer
Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz
über die elektronische Signatur) vom 18. März 2016
(SR 943.03)
ZG Zug
ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom
10. Dezember 1907 (SR 210)
Abkürzungsverzeichnis
XXII
Ziff. Ziffer
zit. zitiert
ZPO Schweizerische Zivilprozessordnung vom
19. Dezember 2008 (SR 272)
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Decentralized Application Platform, abrufbar unter:
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WHITEPAPER HYPERLEDGER, Hyperledger Architecture, Volume 1, abrufbar
unter: <www.hyperledger.org>.
Einleitung
1
Einleitung
Thema
Die sog. Blockchain-Technologie ist gegenwärtig kaum mehr aus der
Medienberichterstattung wegzudenken; es kann sogar von einem regelrechten
Hype gesprochen werden, der an die Ursprungszeiten des Internet erinnert.
Dabei handelt es sich keineswegs um ein neues Phänomen: Die Vorläufer der
heutigen Blockchain entstanden schon in den 90er Jahren. Die heute bekannte
Ausgestaltung findet ihren Ursprung in der Bitcoin-Blockchain, die fast
ausschliesslich als Plattform für die Schaffung von und den Handel mit
Kryptowährungen eingesetzt wurde. Zwischenzeitlich sind zahlreiche weitere
Anwendungsfelder erschlossen worden und die Technologie erfährt eine stete
Weiterentwicklung. Mit Hilfe einer Blockchain können Vermögenswerte
geschaffen und verschoben, Handel betrieben und Unternehmens-
finanzierungen getätigt werden. Die rege Nutzung der Technologie wirft
zahlreiche Fragen auf, welche auch das Recht beschlagen.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einer privatrechtlichen Sicht auf die
Blockchain-Technologie. Ihr Kern ist eine Auslegordnung derselben, mit
einem besonderen Fokus auf Smart Contracts und deren Einordnung in das
allgemeine Vertragsrecht. Auf weitere (zentrale) diskussionswürdige Punkte
wie bspw. prozessuale Fragen, den Datenschutz oder konkursrechtliche
Probleme wird vorliegend nicht eingegangen. Auch nicht behandelt wird die
Einbettung von Dateneigentum in unsere Rechtsordnung.
Fragestellung
Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, ob Smart Contracts als Verträge im
Sinne des Obligationenrechts qualifiziert werden können und falls ja, ob die
bestehenden gesetzlichen Grundlagen für diese Art von Vertrag ausreichende
Handhabe bieten.
Vorgehen
Um die vorgenannte Frage zu beantworten, wird in einem ersten Teil die
Blockchain-Technologie vorerst allgemein, dann aus technischer Sicht und
anschliessend mit einer ersten vertragsrechtlichen Einordnung erläutert. Im
zweiten Teil wird der Smart Contract untersucht und geprüft, ob die
1
2
3
4
Einleitung
2
allgemeinen Grundsätze zur Entstehung eines vertraglichen Verhältnisses auch
auf Smart Contracts angewendet werden können. Abschliessend folgt eine
Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse sowie eine Würdigung.
Die vorliegende Arbeit nähert sich dem Thema Blockchain und Smart
Contracts auf einer generell-abstrakten Ebene, was nicht zuletzt darauf
zurückzuführen ist, dass die Technologie noch verhältnismässig jung ist und
noch kein Anwendungsfall einer gerichtlichen Auseinandersetzung bedurfte.
5
1. Teil: Grundlagen
3
1. Teil: Grundlagen
Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wird in drei Kapiteln eine schrittweise
Annäherung an die Blockchain-Technologie vorgenommen. Der erste Schritt
besteht aus einer allgemeinen Einführung in die Technologie, die einen ersten
Überblick verschaffen soll. Im darauf folgenden Kapitel wird die grundlegende
Funktionsweise der Technologie dargelegt. Im dritten und letzten Abschnitt
werden sodann die vertragsrechtlichen Aspekte der Blockchain-Technologie
erörtert; dies betrifft einerseits die Blockchain als Open-Source-Software und
andererseits die Blockchain als Plattform. Diese ersten vertragsrechtlichen
Einschätzungen dienen als Grundlage für weitere Ausführungen im zweiten
Teil, der sich ausschliesslich mit Smart Contracts beschäftigt.
6
Einführung in die Blockchain-Technologie
4
A. Einführung in die Blockchain-
Technologie
Die Blockchain-Technologie wurde im Detail erstmals im Zusammenhang mit
der Bitcoin-Blockchain im Jahre 2008 beschrieben. Nachdem sie ein paar Jahre
lang ein Mauerblümchendasein fristete und ausserhalb der IT-Branche kaum
Beachtung fand, verhalf ihr die zunehmende Popularität von Bitcoin in den
letzten Jahren zu mehr Bekanntheit.1 Aber auch die Technologie hinter der
Kryptowährung, die Blockchain-Technologie, ist zwischenzeitlich ins
Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt. Sie wird in einem hohen
Tempo weiterentwickelt und Blockchain-Plattformen und Anwendungen, die
auf der Technologie aufbauen, schiessen derzeit wie Pilze aus dem Boden.
Es lässt sich zwar nicht leugnen, dass sich aus den rasch voranschreitenden
Weiterentwicklungen Vorteile für den Nutzer ergeben, doch ist ein regelrechter
Wahn um die Technologie ausgebrochen, der bisweilen skurrile Blüten treibt.
Es entstehen betrügerische Systeme, die bspw. mit Scheinkryptowährungen
Anleger anlocken und mit ihren Aktivitäten Aufsichtsbehörden wie die
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) in Atem halten.2 Findige
Unternehmen machen sich die Blockchain-Euphorie zu Nutze: So ist der
Aktienkurs von Long Island Iced Tea Ltd. um 500% in die Höhe geschnellt,
nachdem die Geschäftsleitung beschlossen hatte, das Wort „Blockchain“ als
Gag in den Firmennamen zu integrieren („Long Blockchain Ltd.“).3
Im folgenden Einführungsteil wird zunächst auf die Entstehungsgeschichte und
den Begriff der Blockchain eingegangen, gefolgt von einer Auslegeordnung
zwecks Konkretisierung der unterschiedlichen Merkmale der Technologie und
1 Der Begriff Bitcoin wird einerseits für die Einheit der Kryptowährung
benutzt, andererseits aber auch für das Netzwerk (Plattform) und das
Protokoll, vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 2; BERENTSEN/
SCHÄR, Kryptoassets, 40. 2 Vgl. www.finma.ch/de/news/2017/09/20170919-mm-coin-anbieter/. 3 Vgl. www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/devisen-rohstoffe/long-
island-iced-tea-500-prozent-plus-durch-namensaenderung-in-long-
blockchain/20767496.html.
7
8
9
Einführung in die Blockchain-Technologie
5
einer Typologisierung. Abschliessend wird auf den Vertrauensaspekt
eingegangen, der in der Blockchain-Technologie eine zentrale Rolle einnimmt.
I. Historie und Begriff
Nachfolgend wird zuerst auf die Bitcoin-Blockchain, die Pionierin unter den
Blockchain-Plattformen, und sodann auf neuere Entwicklungen eingegangen.
Da die Technologie und ihre Anwendungsmöglichkeiten sich in einem rasanten
Tempo weiterentwickeln, kann in dieser Übersicht nicht jede Neuerung
berücksichtigt werden.
1. Die Bitcoin-Blockchain
Das technische Konzept der Blockchain, das heute verbreitet Anwendung
findet und als Grundlage für Weiterentwicklungen dient, tauchte erstmals im
Jahr 2008 im Bitcoin-Whitepaper4 von SATOSHI NAKAMATO5 auf, in dem die
Funktionsweise der Bitcoin-Blockchain im Detail erläutert wird.
Immer wenn sich eine neue, vielversprechende Technologie durchsetzt, stellt
sich die Frage, welche Neuerung oder welcher Nutzen durch diese Technologie
zu erwarten ist, resp. für welche Problematik sie eine Lösung bietet. Im
Hinblick auf die Bitcoin-Blockchain kann die Antwort wie folgt lauten: Für die
Abwicklung von Geschäften, ob im virtuellen Raum oder im „realen Leben“,
ist heute meist eine zwischengeschaltete, vertrauenswürdige Instanz
erforderlich. Wer beispielsweise eine Geldüberweisung tätigen will, vertraut
seiner Bank als Intermediär. Die Bank verwaltet Kundengelder und waltet
gleichzeitig als vertrauenswürdige Instanz, die überprüft, ob ein Betrag nicht
bereits ausgegeben wurde. Vertrauenswürdige Instanzen generieren allerdings
4 Ein Whitepaper wird in der Regel bei Informatikprojekten erstellt. Das
jeweilige Projekt wird mit Worten und Auszügen aus dem Code
beschrieben. 5 SATOSHI NAKAMATO ist ein Pseudonym – es ist bis heute nicht bekannt,
wer sich hinter diesem Namen verbirgt.
10
11
12
Einführung in die Blockchain-Technologie
6
Aufwand und verursachen Kosten für die Nutzer.6 Mit dem Bitcoin-
Whitepaper stellte NAKAMATO nun erstmals ein System vor, das
zwischenparteiliche Transaktionen ohne Intermediär – weder in der Form einer
Abwicklungsplattform noch einer Vertrauensinstanz – ermöglicht.7 Es wird
mithin argumentiert, die Intention hinter der Bitcoin-Blockchain sei es, den
(technologischen) Grundstein für einen intermediärsfreien Wirtschafts-
kreislauf zu legen, da sie ohne Individuum oder Unternehmen auskommt, das
die Verantwortung für das System trägt oder seine Funktionalität sicherstellt.
Es handelt sich um ein kompliziertes, mehrschichtiges System, in dem die
Teilnehmer einander hierarchisch gleichgestellt sind und das so ausgelegt ist,
dass betrügerisches Verhalten keinen Vorteil bringt.8
Die Bitcoin-Blockchain wurde primär für Transaktionen mit der
Kryptowährung Bitcoin entwickelt. Weitere Anwendungsmöglichkeiten (z.B.
das Mitsenden einer Zusatzinformation nebst der Kryptowährung) sind
aufgrund der technischen Ausgestaltung nur in sehr beschränktem Mass
möglich.
2. Neuere Entwicklungen
Seitdem vor rund zehn Jahren die Grundlagen der Bitcoin-Blockchain im
erwähnten Whitepaper veröffentlicht wurden, hat sich viel getan. Insbesondere
ist eine Entwicklung hin zu Business-Blockchain-Lösungen zu beobachten, die
sich von der Grundidee, auf Intermediäre zu verzichten und ein vertrauensloses
Netzwerk (N 24, 39 ff.) aufzubauen, mitunter weit entfernen. Es gibt
zwischenzeitlich Blockchain-Plattformen, die im Vergleich zur Bitcoin-
Blockchain eine grössere Speicherkapazität aufweisen und somit auch die
Integration von weiteren Anwendungen zulassen, wie dies bspw. bei der
Ethereum-Blockchain möglich ist.
6 Vgl. TAPSCOTT/TAPSCOTT, Blockchain Revolution, 3 ff. 7 NAKAMATO, Bitcoin Whitepaper, 1. 8 Vgl. BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 71.
13
14
Einführung in die Blockchain-Technologie
7
Aus den Entwicklungen der letzten Jahre haben sich zwei Grundströmungen
herauskristallisiert. Einerseits gibt es die öffentlichen Blockchain-Plattformen,
die an den Grundidealen des intermediärsfreien, öffentlichen und transparenten
Netzwerks festhalten. Doch auch hier ist zu beobachten, dass die Nutzer
mehrheitlich von Profitstreben geleitet sind und die Blockchain-Technologie
nicht einzig und alleine idealistische Zwecke verfolgt. So herrscht bspw. in der
Bitcoin-Community seit längerer Zeit Uneinigkeit über die künftige
Ausrichtung und Weiterentwicklung der Plattform. Einerseits sind die
Grössenbeschränkung pro Block sowie die Transaktionskadenz Gegenstand
der Diskussionen, andererseits wird auch die Rolle der sog. Miner9 (vgl.
nachfolgend N 101 ff.), also derjenigen Teilnehmer, die mit ihrer
Rechenleistung Transaktionen validieren, kontrovers diskutiert.10 Der Zwist
hat sich in mehreren Spaltungen der Plattform manifestiert; zwischenzeitlich
wurde bspw. Bitcoin durch Bitcoin-Cash und Bitcoin-Gold (diese wiederum
durch weitere Bitcoin-Abspaltungen wie bspw. Bitcoin Diamond) ergänzt.11
Ob die Abspaltungen monetären Interessen geschuldet sind oder tatsächlich
ideeller Natur sind, ist umstritten.12
Parallel zur originären Blockchain-Community gibt es eine starke Bewegung,
die blockchainbasierte Anwendungen und Plattformen schafft, die auf
Unternehmen zugeschnitten sind. So verzichten diese bspw. auf
9 Als ein Miner wird ein Teilnehmer einer Blockchain bezeichnet, der seine
Rechenleistung für das Konsensverfahren zur Verfügung stellt und dafür
vergütet wird (vgl. N 61 ff., 179, 181). 10 Zum Validierungsprozess vgl. nachfolgendes Kapitel B.I.2., N 61 ff. 11 Vgl. zu den Forks der Bitcoin-Blockchain vgl. www.nzz.ch/finanzen/
bitcoin-rekord-aber-abspaltungen-verunsichern-die-investoren-
ld.1325385. 12 Der Kurs von Bitcoin-Cash ist nach der Spaltung kontinuierlich gestiegen;
die Kryptowährung hat sich zwischenzeitlich etabliert. Da jeder Bitcoin-
Besitzer automatisch auch Bitcoin-Cash-Besitzer wurde, haben viele
Teilnehmer von der Spaltung profitiert. Die kurz darauffolgende Spaltung
in Bitcoin-Gold wurde daher eher mit Profitstreben als mit Idealismus
(Wiederherstellung der Dezentralität durch Vermeidung von Miningpools,
vgl. https://bitcoingold.org) in Verbindung gebracht. Selbiges gilt für jede
weitere (Ab-) Spaltung, wie bspw. die Spaltung in Bitcoin Diamond.
15
16
Einführung in die Blockchain-Technologie
8
Pseudoanonymität (vgl. N 28 ff.) und volle Transparenz und ermöglichen die
Einhaltung von regulatorischen Vorgaben. Namhafte Software- und
Computerhersteller wie bspw. IBM oder Microsoft haben in jüngster
Vergangenheit Blockchain-Plattformen und -Applikationen als
Unternehmenslösungen entwickelt. Auch in der Schweiz ist eine ähnliche
Entwicklung zu beobachten: Swisscom hat spezifisch für Unternehmen eine
Blockchain-Plattform und Anwendungen dafür geschaffen und bietet sich als
zentraler Blockchain-Dienstleister an.13
Der Fokus liegt sowohl bei den öffentlichen als auch geschlossenen
Plattformen und Anwendungen nicht mehr nur auf Kryptowährungen: Der
Einsatz der Technologie schliesst u.a. auch Verträge (Smart Contracts, vgl.
N 211 ff.), Unternehmensfinanzierungen (sog. Initial Coin Offerings ICO, vgl.
Anhang, N 35 ff.) oder die Abbildung und administrative Vereinfachung von
komplexen Abläufen, wie bspw. in der Logistik, mit ein.
Selbst die bei der Blockchain-Technologie ursprünglich im Fokus stehenden
Finanzintermediäre, die dank der Technologie überflüssig werden sollen,
investieren grosse Beträge in die Weiterentwicklung der Technologie. So
haben Schweizer Banken14 federführend an der Schaffung des Utility
Settlement Coin (USC) mitgewirkt, der den Interbanken-Zahlungsverkehr
sowie das Clearing und Settlement einfacher und kostengünstiger gestalten
soll.
Nicht nur Unternehmen sind an der Blockchain-Technologie interessiert. Auch
Staaten und Behörden sind daran, die Technologie ihren Interessen anzupassen.
So hat beispielsweise Venezuela einen sog. Petro-Token (PTR) ausgegeben,
der mit Erdöl abgesichert ist und dem Land so aus der Schuldenkrise helfen
soll.15 Wiederum andere Länder sind daran, ihre Grundbücher mit Hilfe dieser
Technologie vertrauenswürdiger und manipulationssicher auszugestalten.16
13 Swisscom-Blockchain, vgl. https://blockchain.swisscom.com/. 14 U.a. UBS und Credit Suisse. 15 Vgl. www.elpetro.gob.ve. 16 Z.B. Georgien, das bereits sein Grundbuch auf Blockchain umgestellt hat,
oder Schweden, das noch in der Pilotphase steckt, vgl.
https://www.forbes.com/sites/laurashin/2017/02/07/the-first-government-
17
18
19
Einführung in die Blockchain-Technologie
9
3. Definition
Aufgrund dieser dynamischen Entwicklung ist heute nicht klar zu umreissen,
was eine Blockchain ausmacht und wie sie zu definieren ist. Da die Bitcoin-
Blockchain die erste ihrer Art war und einen hohen Bekanntheitsgrad aufweist,
wird sie oft pars pro toto stellvertretend für alle Blockchains erwähnt. Auch in
der vorliegenden Arbeit wird als Ausgangsbeispiel häufig die Bitcoin-
Blockchain herangezogen. Sie ist einerseits die Pionierin unter den
Blockchains, andererseits weist sie dank ihrer knapp zehnjährigen Laufzeit
auch eine gewisse Beständigkeit auf und ist damit auch Gegenstand von
wissenschaftlichen Auseinandersetzungen geworden. Grundlegend für das
Verständnis ist aber, dass Blockchains nicht mit Kryptowährungen
gleichzusetzen sind. Kryptowährungen sind lediglich ein Anwendungsfall der
Technologie.17
Der Begriff Blockchain wird je nach Kontext unterschiedlich verstanden und
eingesetzt; Blockchain kommt also gewissermassen die Rolle eines
Sammelbegriffes zu. Es empfiehlt sich für ein differenziertes Verständnis, die
Blockchain gemäss ihren Funktionen zu differenzieren.18 Zu unterscheiden ist
grundsätzlich zwischen der Blockchain als technisches Konzept, der
Blockchain als Software und der Blockchain als Plattform.19 Das technische
Konzept meint die Technologie an sich. Unter Blockchain als Software ist
einerseits der Quellcode für die Blockchain-Plattformen zu verstehen, worunter
auch die verschiedenen Softwarecodes subsumiert werden, die auch für
weitergehende Anwendungsmöglichkeiten (z.B. Smart Contracts N 211 ff.
oder verschiedene Formen von Token N 30 ff.) einsetzbar sind.20 Schliesslich
kann die Blockchain als Plattform generell als die Infrastruktur bezeichnet
werden, die durch das Netzwerk (N 24) betrieben wird.
to-secure-land-titles-on-the-bitcoin-blockchain-expands-
project/#7e19589b4dcd. 17 Vgl. KAULARTZ, Blockchain Technologie, 474. 18 Vgl. BURGWINKEL, Blockchain Technology, 3 ff. 19 Ausführlich BURGWINKEL, Blockchain Technology, 5. 20 Vgl. BURGWINKEL, Blockchain Technology, 9 f.
20
21
Einführung in die Blockchain-Technologie
10
Vereinfacht und definierend kann eine Blockchain als Datenbank, als eine
Aneinanderreihung von Datensätzen bezeichnet werden, die in Blöcken
zusammengefasst und sequentiell miteinander verknüpft werden,21 basierend
auf einem dezentralen, verteilten Netzwerk.22
4. Merkmale
Die Blockchain-Technologie unterscheidet sich durch das Zusammenspiel von
technischen und funktionellen Merkmalen von anderen, bereits bestehenden
Technologien. Als besondere Merkmale gelten das dezentrale, verteilte
Netzwerk, das Transaktionsregister (die Datenbank), die Unveränderbarkeit
der registrierten Daten sowie die Pseudoanonymität der Teilnehmer.
a) Dezentrales, verteiltes Netzwerk
Ein zentrales Element einer Blockchain ist das Netzwerk.23 Es handelt sich um
ein Peer-to-Peer (Person-to-Person, P2P)-Netzwerk24 mit einer verteilten und
dezentralen Architektur. Dezentral bedeutet hier, dass das Netzwerk von
Teilnehmern, die ihre Rechenleistung und Speicherkapazität zur Verfügung
stellen, betrieben wird.25 Gleichzeitig sind die einzelnen Knotenpunkte des
Netzwerkes (Nodes) untereinander vernetzt, wobei die Teilnehmer
untereinander gleichgestellt sind.26 Durch ihre verteilte Struktur sind dezentrale
Netzwerke besonders gut gegen Angriffe und Ausfälle geschützt, da jeder
21 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 199; BURGWINKEL, Blockchain
Technology, 5 f.; GERVAIS, Blockchains, 128; SWAN, Blockchain, X
(Preface). 22 Vgl. WEBER, Blockchain, N 1. 23 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 139; HANCOCK/VAIZEY,
Distributed Ledger, 17; KAULARTZ, Blockchain Technologie, 475. 24 Ausführlich zu P2P-Netzwerken: DUNKEL U.A., System-Architekturen,
141 ff. 25 MOUGAYAR, Business Blockchain, 6. 26 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 95; ENGELHARDT, Urheberrechts-
verletzungen, 25 f.; vgl. MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 206.
22
23
24
Einführung in die Blockchain-Technologie
11
Teilnehmer ersetzbar ist, ohne dass es zu Datenverlusten kommt.27 Änderungen
am System sind grundsätzlich nur mit einer Teilnehmermehrheit durchführbar,
eine Aktualisierung kann nur durch die Betreiber der Knotenpunkte
(Teilnehmer) selbst vorgenommen werden.28
b) Transaktionsregister
Die Blockchain speichert Transaktionsdaten, d.h. sie zeichnet auf, wem was zu
welchem Zeitpunkt gehört; sie ist – wie bereits angedeutet – ein
Transaktionsregister.29 Welche Art von Daten im Einzelfall gespeichert wird,
ist dabei irrelevant.
Häufig taucht in der Beschreibung der Technologie die Bezeichnung
Distributed Ledger auf. Eine prägnante deutsche Übersetzung des Begriffes ist
derzeit nicht in Gebrauch. Wörtlich übersetzt bedeutet Distributed Ledger etwa
verteiltes Kontobuch, oder in einer eher deskriptiven Deutung, dezentrales
Transaktionsregister.30 Der Ledger ist ein (IT-basiertes) System, in dem die
Bewegungen (egal ob monetärer Art oder nicht) aufgezeichnet werden. So
stellt beispielsweise ein bankinternes System, das Aufzeichnungen über
Kontobewegungen führt, ebenfalls ein Ledger dar.31 Je nach Autor werden die
Begriffe Blockchain und Distributed Ledger synonym verwendet32 oder die
Blockchain als eine Unterart der Distributed Ledger-Technologie verstanden.33
Vereinzelt wird auch der Begriff Kryptoledger benutzt,34 wobei die
kryptografische Verschlüsselungstechnik, ein wesentliches Merkmal der
Blockchain, hervorgehoben wird. In der vorliegenden Arbeit wird Blockchain
als eine Anwendung (Unterart) der Distributed-Ledger-Technologie
27 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 96. 28 Für das Bitcoin-Netzwerk vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 139
ff.; BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 194. 29 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 161; HESS/LIENHARD, Übertragung
von Vermögenswerten, N 1. 30 iso-20022.ch, www.iso-20022.ch/lexikon/distributed-ledger-technology/. 31 HANCOCK/VAIZEY, Distributed Ledger, 33 ff. 32 SWANSON, Great Chain, 16 ff. 33 EGGEN, Chain of Contracts, 5. 34 SWANSON, Great Chain, 16.
25
26
Einführung in die Blockchain-Technologie
12
verstanden. Nachfolgend wird ausschliesslich der Begriff Blockchain
verwendet.
c) Unabänderbarkeit der registrierten Daten
Aufgrund der kryptografischen Verschlüsselungstechnik und der verteilten und
dezentralen Struktur ist es (bis zum heutigen Zeitpunkt) nicht möglich, einmal
gespeicherte Daten nachträglich abzuändern oder zu löschen.35 Eine
„Änderung“ von Informationen muss durch eine neue Transaktion erfolgen.
Die einzelnen Blöcke sind sequentiell verkettet, was die zeitliche Reihenfolge
und auch die Integrität der gesamten Daten sicherstellt.36 Die gespeicherten
Daten sind für die Teilnehmer des Netzwerks aufgrund der öffentlichen
Zugänglichkeit jederzeit nachvollziehbar. Es kann also zu jeder Zeit
nachgeprüft werden, zu welchem Zeitpunkt welche Transaktion auf der
entsprechenden Blockchain gespeichert wurde.37
d) Pseudoanonymität
Da der Nutzer einer öffentlichen Blockchain nicht seinen realen Namen
offenlegen muss,38 könnte auf ein auf Anonymität beruhendes System
geschlossen werden. Es ist jedoch vielmehr von einer Pseudoanonymität
auszugehen: Jedem Teilnehmer einer Blockchain wird eine Pseudoidentität in
Form einer Adresse zugewiesen.39 Diese besteht aus einer Abfolge von
Buchstaben und Zahlen.40 Je nach Netzwerk werden Adressen pro Transaktion
oder laufend vergeben.41 Werden die Adressen nicht bei jeder Transaktion
35 Vgl. HESS/LIENHARD, Übertragung von Vermögenswerten, N 4. 36 BURGWINKEL, Blockchain Technology, 5 f.; MOUGAYAR, Business
Blockchain, 5 ff. 37 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 111 ff.; BURGWINKEL, Blockchain
Technology, 21 Tab.7. 38 Vgl. SIXT, Transaktionssysteme, 33. 39 SIXT, Transaktionssysteme, 33. 40 KAULARTZ, Blockchain Technologie, 475. 41 SIXT, Transaktionssysteme, 33; für die Adressen in der Bitcoin-
Blockchain vgl. ausführlich ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 64 ff.;
BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 126 ff.
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28
Einführung in die Blockchain-Technologie
13
gewechselt, besteht die Gefahr, dass Transaktionsmuster eruiert werden
können und daraus auf die Identität einer Person geschlossen werden kann.42
Bei öffentlichen Blockchains, wie bspw. der Bitcoin- oder Ethereum-
Blockchain, müssen sich die Teilnehmer grundsätzlich nicht identifizieren, um
am Netzwerk teilzunehmen. Die durch das System zugewiesene Identität lässt
für sich alleine keine Rückschlüsse auf die wahre Identität eines Nutzers zu.43
Es steht den Teilnehmern jedoch frei, bei einem allfälligen Handel
untereinander mehr Informationen oder gar einen Identitätsnachweis zu
verlangen.44 Bei privaten Blockchains steht die Frage nach Anonymität oder
Pseudoanonymität nicht im Vordergrund, da dieser Aspekt gerade durch einen
geschlossenen Teilnehmerkreis verhindert werden kann, resp. verhindert
werden möchte (vgl. N 35).
Oft geschieht im Zusammenhang mit der Blockchain eine Identifizierung beim
„Eintritt“ in die virtuelle Welt, bspw. mit dem Erwerb einer Kryptowährung
bei einer entsprechenden Börse oder einem Händler oder beim „Austritt“, wenn
Kryptowährung gegen Fiat-Währung45 getauscht wird.46 Der Kauf und Verkauf
von virtuellen Währungen untersteht den Geldwäschereibestimmungen, d.h.
die Käufer oder Verkäufer von Kryptowährungen werden von den Händlern
42 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 129; SIXT, Transaktionssysteme, 33. 43 BOEHM/PESCH, Bitcoins, 76; ISLER, Datenschutz auf der Blockchain, N 4;
KAULARTZ, Blockchain Technologie, 479. 44 Vgl. SIXT, Transaktionssysteme, 155. 45 Als Fiat-Geld oder Fiat-Währung werden diejenigen Währungen
bezeichnet, die von einer Zentralbank ausgegeben werden und als
offizielles Zahlungsmittel anerkannt sind, bspw. Schweizer Franken, Euro
oder Dollar. 46 Um eine Identifizierung zu umgehen, bestehen auch hier spezialisierte
Dienste, die einen Wechsel in eine Fiat-Währung via eine Drittperson
anbieten, z.B. https://localbitcoins.com/ (Person in der Nähe wechselt
Bitcoins in Fiat-Währung und übergibt diese in Bargeld an den
Auftraggeber).
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Einführung in die Blockchain-Technologie
14
oder Börsen identifiziert.47 Daraus schliesst sich, dass, sobald eine Verbindung
zwischen der realen und der virtuellen Welt besteht (z.B. A wechselt seine
Bitcoins in Schweizer Franken), eine Identifizierung unumgänglich ist. Es ist
mit technischem Know-how auch möglich, über zugewiesene (Blockchain-)
Adressen Rückschlüsse auf die verwendeten Geräte, IP-Adressen,
Mailadressen oder gar die Identität zu ziehen.48 Davor bieten auch sog. Mixer-
Dienste, die bspw. Bitcoin-Nutzern helfen sollen, ihre wahre Identität zu
verschleiern, nicht abschliessende Sicherheit.49
Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine Pseudoanonymität besteht, die
nicht mit „echter“ Anonymität verwechselt werden darf. Global betrachtet sind
Rückschlüsse auf die Identität der Nutzer auch bei öffentlichen Blockchains
möglich.
II. Typologie
Wie bereits eingangs erwähnt, können zwei Arten von Blockchains
unterschieden werden: öffentliche, jedermann zugängliche Blockchains und
private Blockchains, bei denen der Teilnehmerkreis geschlossen ist.50 Zu
beachten ist ausserdem, dass Mischformen oder Kombinationen von
öffentlichen und geschlossenen Systemen existieren.
47 BUNDESRAT, virtuelle Währungen, 15; GRÜNEWALD, Währungs- und
geldschwäschereirechtliche Fragen, 105 ff; SIXT, Transaktionssysteme,
33. 48 ISLER, Datenschutz auf der Blockchain, N 4; SIXT, Transaktionssysteme,
155; vgl. Untersuchung von Wissenschaftlern der Universität Luxemburg,
die eine Methode zur Eruierung von IP-Adressen untersuchten, von
welcher aus Bitcoin-Transaktionen generiert wurden: https://arxiv.org/
pdf/1405.7418.pdf. 49 SIXT, Transaktionssysteme, 156. 50 Vgl. HANCOCK/VAIZEY, Distributed Ledger, 18.
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32
Einführung in die Blockchain-Technologie
15
1. Öffentliche Blockchain
Eine offene oder öffentliche (public) Blockchain zeichnet sich dadurch aus,
dass sie einer unbestimmten, nicht vordefinierten Anzahl von Teilnehmern
offensteht. Hin und wieder wird diese Art von Blockchain auch
Unpermissioned Ledger genannt. Diese wird weder von einer verantwortlichen
Person noch einem Unternehmen erstellt oder geleitet und die Teilnehmer sind
untereinander grundsätzlich gleichgestellt.51
Ein solches Blockchain-Netzwerk kann nicht zensuriert und nur sehr schwer
manipuliert werden, da jeder Teilnehmer jederzeit neue Transaktionen
ausführen kann und sämtliche Informationen verteilt, dezentral und laufend
synchronisiert gespeichert werden (vgl. nachfolgend N 53 ff.).52 Beispiele für
diese Art von Blockchain sind die Bitcoin-Blockchain und das Ethereum-
Netzwerk.
2. Private Blockchain
Eine private oder geschlossene Blockchain ist, wie der Name schon sagt, nicht
öffentlich und steht nur einer bestimmten Teilnehmergruppe zur Verfügung. Je
nach Ausgestaltung ist innerhalb dieser Gruppe jeder Teilnehmer
gleichberechtigt oder eine Instanz (z.B. eine Auswahl von Teilnehmern) steuert
die Blockchain und sorgt für deren Integrität. Teilweise wird auch von
Konsortiums-Blockchain gesprochen, wenn ein bestimmter Teilnehmerkreis
eine Blockchain betreibt, der sich bereits vertraut. Eine geschlossene
Blockchain, die von einer vordefinierten Teilnehmergruppe kontrolliert wird,
ähnelt stark den heute bestehenden Systemen – der Unterschied liegt wohl
einzig in der verwendeten Technologie.
51 Vgl. SIXT, Transaktionssysteme, 31. 52 HANCOCK/VAIZEY, Distributed Ledger, 17.
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Einführung in die Blockchain-Technologie
16
Blockchain-Puristen oder Kryptoanarchisten53 würden hier einwenden, dass
einzig eine öffentliche Blockchain eine „echte“ Blockchain sei, da es schon
lange vor NAKAMATOS Bitcoin-Whitepaper verteilte Netzwerksysteme für
geschlossene Teilnehmerkreise gab und bei geschlossenen Systemen gerade
die vorherrschenden Merkmale der Blockchain-Technologie (Dezentralität und
Verzicht auf Vertrauen in Gegenparteien) fehlen. Auf diese Diskussion wird
aber in der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen und auch die private
Blockchain als Blockchain interpretiert und in die Betrachtungen einbezogen.
3. Mischformen
Es sind Mischformen mit Elementen öffentlicher und privater Blockchains
oder Systeme bekannt, die je nach Funktionalität zwischen einer geschlossenen
und einer öffentlichen Plattform hin- und herpendeln oder beide Systeme in
eine Anwendung integriert haben. So gibt es bspw. Plattformen, die zwar
jedermann zugänglich sind, die aber von einer bestimmten Teilnehmergruppe
kontrolliert werden.54 Diese Kontroll-Gruppe ist entweder vorbestimmt oder
wird in einem Validierungsprozess durch die Teilnehmer eingesetzt; sie ist für
die Integrität der Blockchain besorgt.55
III. Vertrauen und die Blockchain
Als treibendes Element und eigentliche konzeptionelle Innovation der
Blockchain-Technologie ist der Vertrauensaspekt zu erwähnen: Mit der
53 Kryptoanarchisten nennt man die Generation von Anarchisten, die die
Staatsmacht mit Hilfe der Technologie auszuhebeln versuchen. Die
Bitcoin-Blockchain wurde u.a. auch mit diesem Grundgedanken
entwickelt. 54 HANCOCK/VAIZEY, Distributed Ledger, 17. 55 Ein Beispiel für diese Art von Blockchain ist Ripple, ein globales
Zahlungsausgleichssystem; vgl. HANCOCK/VAIZEY, Distributed Ledger,
19 (Abbildung).
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Einführung in die Blockchain-Technologie
17
Blockchain wurde ein System geschaffen, das ohne das Vertrauen der Parteien
auskommt (Trustless System).
Grundidee der öffentlichen Blockchain ist die Überwindung des
Vertrauensaspektes, der im täglichen Wirtschaftsleben eine zentrale Rolle
einnimmt. Wir gehen Verträge mit Parteien ein, von denen wir annehmen, dass
sie das Vereinbarte einhalten werden. Dies beruht auf der Reputation einer
Partei, der staatlichen Überwachung oder der persönlichen Bekanntschaft.
Auch im Schweizer Recht spielt der Vertrauensaspekt eine zentrale Rolle. Man
denke bspw. an den Grundsatz von Treu und Glauben, der für die gesamte
Rechtsordnung gilt (vgl. Art. 5 Abs. 3 BV, vgl. nachfolgend N 47).56
Durch die technische Möglichkeit, Daten unveränderbar, dezentral und verteilt
zu speichern, muss bei einer Blockchain keiner Gegenpartei mehr vertraut
werden, sondern einzig und allein der Technologie. Es findet also eine
Verlagerung der Vertrauensrolle von etablierten Unternehmen und
Institutionen hin zu einer Technologie und damit ein Paradigmenwechsel
statt.57
Bei einer genaueren Betrachtung der Technologie und ihrer Anwendungsfälle
ist jedoch zu beobachten, dass bekannte Intermediäre, wie bspw. Banken, zwar
nicht mehr benötigt werden, aber dafür neue Intermediäre (z.B. Wallet-
Anbieter, vgl. N 44) erforderlich werden, um die Technologie für die breite
Masse nutzbar zu machen.
1. Vertrauen in der öffentlichen Blockchain
Durch den Wegfall des Vertrauensaspektes erhoffen sich die Nutzer von
offenen Blockchains intermediärsfreie P2P-Anwendungen. Für die idealistisch
geprägten Nutzer einer öffentlichen Blockchain ist die Blockchain ohne dieses
basisdemokratische Element bedeutungslos. Aber auch weniger idealistischen
56 Vgl. EPINEY, BSK BV, Art. 5 N 1 ff.; HONSELL, BSK ZGB I, Art. 2 N 4. 57 Zum Vertrauensaspekt MOUGAYAR, Business Blockchain, 29 ff.;
SWANSON, Great Chain, 16 f.; TAPSCOTT/TAPSCOTT, Blockchain
Revolution, 3 ff.
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Einführung in die Blockchain-Technologie
18
Nutzern wird der Wegfall von Intermediären nur schon aus Kostengründen
entgegenkommen.
Bei einer öffentlichen Blockchain wird das Vertrauen durch die unzähligen
Betreiber der Rechnerknoten begründet. Durch sie wird gewährleistet, dass das
System nicht von einem einzigen Markteilnehmer abhängig ist. Es ist jedoch
zu beobachten, dass sich durch die (teilweise) Konzentration von Minern
(Mining-Farmen etc.), wie beispielsweise bei der Bitcoin-Blockchain, dieses
basisdemokratisch verteilte Vertrauen nun doch wieder vermehrt auf einige
zentrale Akteure konzentriert, die für das Netzwerk unabdingbar sind.
Der Vertrauensaspekt erleidet bei öffentlichen Blockchains noch eine weitere
Schwächung: Um eine öffentliche Blockchain wie bspw. Bitcoin oder
Ethereum für die Allgemeinheit zugänglich zu machen, sind wiederum
Intermediäre notwendig. Will ein Nutzer nicht die gesamte Blockchain bei sich
abspeichern, ist er bspw. auf einen sog. Wallet-Anbieter (N 104 ff.)
angewiesen, der für ihn die Private Keys aufbewahrt und den Zugang zur
Blockchain sicherstellt.58 Faktisch sind also die bekannten Intermediäre
weggefallen und lediglich durch andere ersetzt worden. So wird bspw. nicht
mehr einer Bank vertraut, dass sie Geld oder andere Vermögenswerte sicher
aufbewahrt, sondern es werden die erworbenen Vermögenswerte (z.B.
Kryptowährung) einem Wallet-Anbieter anvertraut (der in den meisten
Jurisdiktionen keiner Aufsicht untersteht59). Dies widerspricht eigentlich dem
Leitmotiv vieler Blockchain-Plattform-Nutzer, die eine Blockchain gerade
aufgrund des Wegfalls von Intermediären nutzen. Durch das Aufkommen
neuer Intermediäre, welche die Technologie für die breite Masse nutzbar
machen, wird der zentrale Aspekt der Blockchain-Technologie, ein
vertrauensloses System zu etablieren, gewissermassen ad absurdum geführt.
58 Vgl. Kapitel C.III.4., N 198 ff. 59 Für die Schweiz siehe FINMA, Wegleitung ICO, 7.
43
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Einführung in die Blockchain-Technologie
19
2. Vertrauen in der privaten Blockchain
Eine private Blockchain wird durch ein in der Grösse begrenztes Netzwerk
oder einen Anbieter betrieben. Es kann sich dabei um ein Konsortium handeln,
dessen Teilnehmer das Netzwerk nach den gemeinsam definierten Regeln
betreiben. Hier stützt sich das Vertrauen auf die geschlossene Gemeinschaft,
mit deren Teilnehmern die private Blockchain initiiert wurde. Wird eine
Plattform benutzt, die von einem Anbieter betrieben und unterhalten wird, dann
kann nicht mehr von einem Trustless System gesprochen werden, da einem
einzigen Marktakteur – dem Betreiber der Plattform – vertraut wird.
3. Vertrauen im Schweizer Rechtssystem
Das Vertrauen spielt auch im Recht eine sehr zentrale Rolle. Einerseits sorgt
der Staat durch die Schaffung von Aufsichtsrecht und der daraus resultierenden
Beaufsichtigung von Unternehmen oder Berufsgruppen dafür, dass Bürger
oder Marktteilnehmer gewissen Institutionen und Berufsgruppen vertrauen
können. Das betrifft bspw. Banken, Pharmaunternehmen oder einige regulierte
Berufe wie bspw. Ärzte oder Rechtsanwälte.
Vertrauen ist auch ein zentraler Aspekt des Privatrechts. Grundstein des
Schweizerischen Privatrechts ist der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2
ZGB).60 Ausfluss des Prinzips von Treu und Glauben ist das Vertrauensprinzip
bei der Auslegung von Willenserklärungen.61 So werden bei unbewiesenem
übereinstimmendem Willen der Vertragsparteien die Willenserklärungen nach
dem Vertrauensprinzip ausgelegt. Demnach ist eine Willenserklärung so zu
verstehen, wie sie vom Empfänger gemäss Wortlaut, im Zusammenhang und
nach den gesamten Umständen in guten Treuen verstanden werden durfte und
60 Ausführlich HONSELL, BSK ZGB I, Art. 2 N 13 ff. 61 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 708; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 211; HONSELL, BSK ZGB I, Art. 2 N 13;
SCHWENZER, OR AT, N 27.41.
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Einführung in die Blockchain-Technologie
20
musste.62 Bei Vertragsschluss spielt das Vertrauen in die Person der Gegenseite
eine wichtige Rolle. Einer Vertragspartei „mit gutem Namen“ wird eher
vertraut als mit einer Person, die gänzlich unbekannt ist oder deren Ruf nicht
frei von Zweifeln bezüglich Integrität und/oder Bonität ist.
4. Vertrauenslose Systeme im Schweizer
Rechtssystem
Systeme wie eine Blockchain können gewisse Aufgaben, die heute der Staat
übernimmt, erleichtern oder situativ auch erschweren. So kann es sein, dass
heute beaufsichtigte Intermediäre, insbesondere im Finanzmarktbereich,
wegfallen und gegebenenfalls durch ein vertrauensloses System, wie bspw.
eine öffentliche Blockchain, ersetzt werden. Wie jedoch bereits ausgeführt,
kommen dafür neue Akteure auf den Markt, die je nach Tätigkeit zur Wahrung
der Marktintegrität und des Schweizer Wirtschaftssystem zu beaufsichtigen
sind.
Ob ein vertrauensloses System auch Auswirkungen auf die Grundprinzipien
des Vertragsrechtes haben kann, ist aus heutiger Sicht schwer abzuschätzen;
dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Technologie einer steten Entwicklung
unterworfen ist und es noch nicht viele Anwendungsfälle gibt. Auch ist
hervorzuheben, dass der Vertrauensaspekt im Privatrecht zwei Seiten hat. Auf
der einen Seite dient das Vertrauensprinzip der Auslegung von Verträgen.
Durch die Automatisierung von Verträgen mit Hilfe der Blockchain-
Technologie (Smart Contracts, N 214 ff.) findet zwar eine Verfestigung des
Grundsatzes pacta sunt servanda statt, doch können Willenserklärungen durch
die technologischen Bedingungen nicht so abgebildet werden, dass sie
keinerlei Auslegung mehr bedürfen (vgl. N 326 ff.). Auf der anderen Seite
bedarf es im Vertragsrecht auch des Vertrauens in die Integrität der
Vertragspartei. Die Blockchain-Technologie kann diesen Aspekt des
Vertrauens teilweise überflüssig machen, da bspw. das Vertrauen in die
62 BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; 132 III E. 4 S. 28; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 207.
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Einführung in die Blockchain-Technologie
21
Einhaltung von Verträgen aufgrund der technologischen Möglichkeiten nicht
mehr in allen Fällen nötig ist.63
5. Fazit
Zusammenfassend können aus heutiger Sicht zwei Facetten der Auswirkungen
der Technologie auf den Vertrauensaspekt im Privatrecht – abgesehen davon,
dass sie höchst unklar sind – hervorgehoben werden. Einerseits können die
technologischen Möglichkeiten das Vertrauen in die Integrität und
Verlässlichkeit der Vertragspartei überflüssig machen; andererseits kann die
Technologie aber Willenserklärungen nicht so zweifelsfrei abbilden, dass das
Vertrauensprinzip für die Auslegung von Verträgen nicht mehr zur
Anwendung gelangen müsste.
63 Ausführlich dazu 2. Teil Smart Contracts, N 211 ff.
50
Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
22
B. Technische Aspekte der Blockchain-
Technologie
Mit den nachfolgenden Ausführungen wird die Intention verfolgt, die
Blockchain-Technologie in einer verständlichen Sprache zu erklären, und so
den Grundstein für den zweiten Teil (Smart Contracts) zu legen. Der technisch
versierte Leser muss an dieser Stelle um Nachsicht gebeten werden, da die
Ausführungen die Technologie nicht in technischer Detailtiefe ausloten; dies
ist für das Verständnis der vorliegenden Arbeit aber auch nicht notwendig.
Nachfolgend wird zuerst auf die grundlegende Funktionsweise einer
Blockchain eingegangen. Danach werden als Veranschaulichungsbeispiele vier
Blockchain-Plattformen vorgestellt.
I. Funktionsweise einer Blockchain
In der Folge wird in den Grundzügen dargelegt, wie eine Blockchain
funktioniert. Es gilt das Prinzip, dass mit Hilfe der Blockchain festgehalten,
überprüft und nachgewiesen werden kann, wer zu welchem Zeitpunkt welche
Transaktion durchgeführt hat. Wie bereits ausgeführt, ist die Blockchain eine
Aneinanderreihung von Datensätzen, in der die Daten in Blöcken
zusammengefasst und sequentiell miteinander verknüpft werden.64
Grundsätzlich kann eine Blockchain lediglich als Register, in dem Datensätze
(z.B. Patent, Vertrag, Diplom) abgespeichert werden,65 oder als Infrastruktur
für einfache oder kompliziertere Transaktionen zwischen zwei oder mehreren
64 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 199; BURGWINKEL, Blockchain
Technology, 5 f.; GERVAIS, Blockchains, 128; SWAN, Blockchain, X
(Preface). 65 So gibt bspw. das Center for Innovative Finance (CIF) der Universität
Basel blockchainbasierte Kurszertifikate aus, um diese einerseits
fälschungssicher auszugestalten und für Dritte (z.B. Arbeitgeber) einfach
online überprüfbar zu machen. Eine Demoversion ist abrufbar unter
https://cif.unibas.ch/de/eventsprojekte/zertifikate/.
51
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54
Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
23
Parteien genutzt werden (z.B. Übertragung von Vermögenswerten,
Vertragsabwicklung).66 Bei beiden Verwendungszwecken wird die
Speicherung durch einen Transaktionsmechanismus und ein Konsensverfahren
vorgenommen. In der Ausgestaltung dieser beiden Verfahren können sich dort
Unterschiede ergeben, wo eine Blockchain aufgrund einer eingeschränkten
Funktionalität oder eines eingeschränkten Zweckes oder Benutzerkreises einen
vereinfachten Mechanismus vorsieht.67
Es gibt unzählige Varianten und Ausgestaltungen von Blockchains und die
Entwicklung schreitet unaufhaltsam voran. Die nachfolgenden Erläuterungen
sind daher sehr vereinfacht gehalten und als Grundmechanismen zu verstehen.
Als Orientierungshilfe dient hier die Bitcoin-Blockchain. Dabei wird zuerst
erläutert, wie der Transaktionsmechanismus in den Grundzügen funktioniert
und anschliessend auf die Bedeutung des Konsensverfahrens eingegangen.
1. Transaktionsauslösung
Jeder Teilnehmer des Blockchain-Netzwerkes verfügt über ein
kryptografisches Schlüsselpaar, bestehend aus einem öffentlichen und einem
privaten Schlüssel (Public und Private Key, N 57).68 Aus dem öffentlichen
Schlüssel wird zudem eine Adresse generiert, mit der bspw. Kryptowährungen
oder andere Token entgegengenommen werden können.69
Der private Schlüssel dient als Signatur; diejenige Person, welche eine
Transaktion auslösen möchte, unterschreibt mit diesem Schlüssel die
66 Z.B. die Übertragung von Kryptowährungen auf der Bitcoin- oder
Ethereum-Blockchain. 67 Z.B. eingeschränkter Konsensmechanismus bei einer Blockchain, die
ausschliesslich als Register für die Integritätsnachweise von Dokumenten
dient. 68 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 63; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 119; STOMMEL, Blockchain-Ökosysteme, 10. 69 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 65; BERENTSEN/SCHÄR, Krypto-
assets, 126 f.; STOMMEL, Blockchain-Ökosysteme, 10.
55
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57
Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
24
gewünschte Transaktion.70 Die Signatur belegt, dass die Speicherung oder die
Übertragung eines Wertes tatsächlich von der Person X ausgelöst wurde. Der
öffentliche Schlüssel dient zur Validierung (im Sinne von Authentifizierung
des Inhabers des Private Keys) dieser Transaktion.71 Es kann also mit Hilfe des
öffentlichen Schlüssels überprüft werden, ob Partei X tatsächlich die
entsprechende Transaktion mit ihrem privaten Schlüssel signiert hat.72
Die gewünschte Transaktion wird durch den Nutzer signiert und dann in einem
Transaktionspool (auch Memory Pool oder Memopool) zwischengespeichert,
um anschliessend durch einen Miner validiert zu werden (vgl. nachfolgend
Konsensverfahren N 61 ff.).73
Beispiel 1: Anna hat eine Erfindung gemacht und möchte ihr Patent in der
Blockchain abspeichern. Dazu generiert sie aus dem Dokument (Patent) einen
Hash-Wert (Anhang, N 5 ff.) und speichert diesen auf der Blockchain. Sie
signiert ihren Datensatz mit ihrem privaten Schlüssel.74
Beispiel 2: Anna möchte Empfänger Bert eine Einheit einer Kryptowährung
übertragen. Dazu sendet sie die Einheit an die Adresse von Bert, die aus dem
öffentlichen Schlüssel von Bert generiert wurde. Anna unterschreibt die
Transaktion mit ihrem privaten Schlüssel. Bert kann mit Hilfe des öffentlichen
Schlüssels von Anna überprüfen, ob die Transaktion auch wirklich von ihr
stammt.
70 VIGNA/CASEY, Cryptocurrency, 125 ff. 71 SWANSON, Great Chain, 17 f. 72 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 57, 60; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 55. 73 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 192. 74 Es besteht auch die Möglichkeit, dass der komplette Datensatz auf der
Blockchain gespeichert werden kann; es kommt auf die Speicherkapazität
der jeweiligen Blockchain an. Vgl. BURGWINKEL, Blockchain
Technology, 13 f.
58
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
25
2. Konsensverfahren
Eine kryptografische Signatur kann die Authentizität und die Integrität der
Daten sicherstellen, nicht aber verhindern, dass ein Wert mehrfach übertragen
wird.75 Auch regelt die kryptografische Verschlüsselung nicht, in welcher
Reihenfolge Transaktionen in die Blockchain aufgenommen werden, damit
sämtliche Knotenpunkte über den gleichen Datensatz verfügen. Diese beiden
Probleme (Mehrfachübertragung und Chronologie der Transaktionen) werden
durch das sog. Konsensverfahren gelöst.
Mit dem Konsensverfahren einigen sich die Nutzer grundsätzlich auf eine
Chronologie der Transaktionen und stellen diese Transaktionshistorie mit
einem bestimmten Verfahren, z.B. einer zusätzlichen Aufgabenstellung
sicher.76 Das Konsensverfahren muss zudem so ausgestaltet sein, dass
betrügerisches Verhalten nicht lohnenswert ist und sich die Teilnehmer aus
Eigeninteressen an die Regeln halten.77
In Beispiel 1 kann dieser zusätzliche Prüfschritt entfallen, da Anna keinen Wert
überträgt.
In Beispiel 2 würde in einem ersten Schritt überprüft, ob Anna tatsächlich über
eine Einheit der Kryptowährung verfügen kann und ob sie diese Einheit nicht
bereits einer anderen Person, z.B. Carl, übertragen hat. In einem zweiten Schritt
würde die zusätzliche Aufgabe gelöst, die die Chronologie der Transaktionen
sicherstellt.
75 Die Signatur belegt, dass der Wert tatsächlich übertragen/überschrieben
wurde, jedoch kann eine digitale Signatur nicht verhindern, dass ein Wert
gleichzeitig mehrfach übertragen wird; vgl. ANTONOPOULOS, Mastering
Bitcoin, 2 f.; MEISSER, Kryptowährungen, 81; SCHMEH, Kryptografie,
781. 76 Vgl. BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 206; SIXT, Transaktionssysteme,
43. 77 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 206.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
26
a) Öffentliche Blockchain
Sind sich die Teilnehmer einer Blockchain gänzlich unbekannt, wie dies bei
öffentlichen Blockchains die Regel ist, werden sog. vertrauenslose
Konsensalgorithmen eingesetzt.78 Solche Konsensverfahren sind
beispielsweise Proof of Work (PoW, N 66 ff.), Proof of Stake (PoS)79 oder
Proof of Space (PoSp)80.81 Nachfolgend wird für öffentliche Blockchains
stellvertretend das PoW-Verfahren erläutert, welches bei der Bitcoin-
Blockchain und derzeit auch noch bei der Ethereum-Blockchain angewandt
wird.82
Das PoW-Verfahren soll nicht nur die Mehrfachübertragung eines Wertes
verhindern, sondern auch die Transaktionshistorie sicherstellen; es wird
zusätzlich zur Validierung der Signatur83 eingesetzt.
78 KIENZLER, Hyperledger, 114. 79 Bei Proof of Stake wird die Validierung nach Stimmgewicht eines Nutzers
innerhalb der Blockchain vorgenommen. Das Stimmgewicht stützt sich
dabei auf die Anzahl der Währungseinheiten, die ein Teilnehmer besitzt
oder nach einem vordefinierten Verteilschlüssel der Stimmen, vgl.
WEBER/WAGNER, Corporate Governance, 62. 80 Proof of Space, auch Proof of Capacity, genannt, ist ein
Konsensverfahren, das sich nach der zur Verfügung gestellten
Speicherkapazität richtet (im Gegensatz zur Proof of Work, das sich an
der Rechenleistung orientiert). 81 Vgl. WEBER, Blockchain, N 3 f.; WEBER/WAGNER, Corporate Gover-
nance, 62. 82 Die Ethereum-Blockchain will in Zukunft auf ein anders Konsens-
protokoll wie bspw. Proof of Stake setzen. 83 Die Bitcoin-Blockchain arbeitet mit asymmetrischen Schlüsseln, auf
elliptischen Kurven beruhenden ECDSA-Algorithmus: vgl.
ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 63 ff.; SCHMEH, Kryptografie, 781;
SIXT, Transaktionssysteme, 37.
65
66
Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
27
Grundsätzlich wird beim PoW84 eine Rechenaufgabe gestellt, die zwar
aufwendig zu lösen, aber einfach zu überprüfen ist.85 Die Lösung der Aufgabe
erfolgt mittels der sog. Brute-Force-Methode (auch Exhaustionsmethode
genannt); das heisst, es wird solange nach der Lösung gesucht, bis sie gefunden
ist.86 Das Lösen der Aufgabe benötigt viel Rechenleistung, welche durch einen
Teil der Teilnehmer des Netzwerkes übernommen wird. Bei der Bitcoin- und
Ethereum-Blockchain übernehmen Miner diese Aufgabe und werden mit einer
vordefinierten Anzahl Bitcoins, resp. einer Transaktionsgebühr dafür
entlohnt.87 Erst wenn diese Aufgabe gelöst ist, kann die Transaktion zur
Blockhain hinzugefügt werden.88
In der Praxis arbeiten viele Miner gleichzeitig an der Validierung derselben
Transaktion. Dabei gilt das Prinzip, dass derjenige Miner die Vergütung erhält,
der die Rechenaufgabe zuerst gelöst hat. Es wird an mehreren verschiedenen
Transaktionen gleichzeitig gearbeitet. Dies kann zu einer Bildung von
mehreren Ästen der Kette führen. Der Konsensalgorithmus gibt jedoch vor,
dass nur die längste aller Ketten die gültige ist.89
Überträgt Anna den Wert, den sie bereits Bert versprochen hat, zweimal, das
heisst gleichzeitig auch an Carl, so wird nur diejenige Transaktion in die
Blockchain aufgenommen, die zuerst „gemint“ wurde. Um sicher zu gehen,
dass eine Information in einer Blockchain stabil ist, das heisst, als gültige
Transaktion in die Blockchain aufgenommen wurde, wird bei der Bitcoin-
Blockchain angeraten, mind. sechs Folge-Blöcke abzuwarten.90
84 Ausführlich zum PoW-Algorithmus ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin,
191 ff. PoW wird auch anderweitig eingesetzt, z.B. für Spam-Schutz, siehe
für weitere Beispiele SCHMEH, Kryptografie, 289 f. 85 SWANSON, Great Chain, 17 ff. Zur mathematischen Rechenaufgabe siehe
SCHMEH, Kryptografie, 289 ff. 86 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 61; GERHARDS, Verschlüsselung, 34;
SCHMEH, Kryptografie, 289 f. 87 SCHMEH, Kryptografie, 781; VIGNA/CASEY, Cryptocurrency, 126 ff. 88 Vgl. MEISSER, Kryptowährungen, 86 f.; SIXT, Transaktionssysteme, 31 f. 89 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 216. 90 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, xxiv (unter "confirmations"); SIXT,
Transaktionssysteme, 43.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
28
b) Private Blockchain
Bei privaten Blockchains kann das Konsensverfahren weniger aufwendig
ausgestaltet werden, da sich die Teilnehmer entweder bereits kennen oder die
gegenseitige Identifizierung sicherstellen können.91
3. Blockbildung
Die durch das Mining validierten Transaktionen werden in einem Block
zusammengefasst und an die bestehende Blockchain gekoppelt. Blocks sind
also Informationspakete, die aus mindestens einer Transaktion bestehen.92 Je
nach Blockchain unterscheidet sich die Anzahl der enthaltenen Transaktionen
eines Blockes. Bei der Bitcoin-Blockchain wird nur alle zehn Minuten ein
neuer Block zur Kette hinzugefügt, wobei die Blockgrösse auf derzeit 1MB
limitiert ist (das entspricht ca. 1978 Transaktionen bei einer Transaktionsgrösse
von 500 Bytes).93 Bei der Ethereum-Blockchain ist keine Grössenlimitierung
der einzelnen Blöcke vorgesehen: die Anzahl der Transaktionen wird
dynamisch durch die Berechnung des Gas-Wertes (vgl. N 178) angepasst.94
Ein Block der Blockchain setzt sich grundsätzlich aus einer Kopfzeile (Block
Header) und dem Körper (Block Body) zusammen. In der Kopfzeile werden je
nach Blockchain unterschiedliche Informationen gespeichert. In der Bitcoin-
Blockchain bspw. werden im Block Header vier Datensätze untergebracht: die
Referenz zum vorhergehenden Block, womit der Block mit dem
vorhergehenden verbunden ist; der Hash-Wert (Anhang, N 5 ff.) aller
bisherigen Transaktionen; ein Zeitstempel sowie die Problemlösung der
Rechenaufgabe, die für die Aufnahme in die Blockchain gelöst werden musste
(vgl. PoW, N 66 ff).95
91 Vgl. KIENZLER, Hyperledger, 114, 116 f. 92 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 58. 93 PLOOM, Blockchains, 126. 94 PLOOM, Blockchains, 126. 95 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 163.
70
71
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
29
Der Block Body setzt sich aus einer Liste sämtlicher vorgelagerter
Transaktionen sowie der Information der aktuellen Transaktion zusammen.96
Je nach Art der Blockchain können im Block Body auch noch zusätzliche
Informationen oder Programme (z.B. Smart Contract) enthalten sein.
II. Blockchain-Beispiele
Nachfolgend werden vier bekannte Blockchain-Plattformen als
Anschauungsbeispiele vorgestellt; darunter sind jeweils zwei öffentliche und
zwei geschlossene Plattformen. Dabei werden jeweils der Zweck und die
grundlegenden Funktionalitäten erläutert.
1. Bitcoin-Blockchain
Die Bitcoin-Blockchain ist in erster Linie ein System für die Übertragung der
Kryptowährung Bitcoin. Bitcoin ist (derzeit) die am besten kapitalisierte
Kryptowährung.97 Die Währung erlebt zwar extreme Kursschwankungen,
erfreut sich aber trotzdem seit ihrer Einführung 2008 immer grösserer
Beliebtheit. Bitcoin hat es geschafft, sich vom Stigma krimineller Geschäfte zu
lösen. In der Schweiz können beispielsweise an den Billetautomaten der SBB
Bitcoins erwerben werden.98 Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY geht
sogar noch einen Schritt weiter: Neben der Tatsache, dass das Unternehmen
ihren Mitarbeitern ein Bitcoin-Konto eingerichtet und Bitcoin-Geldautomaten
in den Eingangsbereichen aufgestellt hat, ist es auch möglich, EY seit 2017 in
96 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 162. 97 https://coinmarketcap.com/currencies/. 98 www.sbb.ch/de/bahnhof-services/dienstleistungen/weitere-
dienstleistungen/bitcoin.html.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
30
Bitcoins zu bezahlen.99 Auch die Städte Zug und Chiasso akzeptieren in einem
gewissen Umfang Zahlungen in Bitcoin.100
a) Zweck
Zweck ist die Errichtung eines dezentralen, digitalen P2P-Zahlungssystems,
der Kryptowährung Bitcoin.101 Die Bitcoin-Blockchain sieht eine
Grössenbeschränkung pro Block vor,102 weshalb Zusatzanwendungen nur in
einem sehr beschränkten Masse möglich sind. So besteht bspw. die
Möglichkeit, Zusatzinformationen in begrenztem Umfang mit den einzelnen
Transaktionen mitzusenden.103 Diese Zusatzinformationen werden jedoch
nicht durch das Netzwerk validiert.
b) Transaktionsmechanismus
Das Bitcoin-Modell sieht keine Kontoführung der Nutzer vor; aufgezeichnet
werden lediglich Transaktionsresultate.104 Jede Transaktion muss einen Input
und einen Output aufweisen. Es ist nicht möglich, nur einen Teil der
Kryptowährung zu transferieren, sondern es muss immer der gesamte Betrag
übertragen werden (z.B. Anna hat fünf Bitcoins und will Bert zwei übertragen;
99 www.ey.com/ch/de/newsroom/news-releases/medienmitteilung-ey-
schweiz-ermoglicht-bezahlung-ihrer-dienstleistungen-in-bitcoin. 100 KT. ZG, MM vom 2. November 2017; GEMEINDE CHIASSO, MM vom 7.
September 2017. 101 NAKAMATO, Whitepaper Bitcoin, https://bitcoin.org/bitcoin.pdf;
ausführlich zur Geschichte, Funktion und Anwendung statt vieler
ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 1 ff. 102 Die ursprüngliche Blockheadergrösse beträgt ohne Transaktionen
80 Bytes: Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 156; NAKAMATO,
Bitcoin Whitepaper, 6. 103 Limite bei derzeit 40 Bytes, vgl. PLOOM, Blockchains, 136. 104 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 114 f.; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 170 ff.; KIENZLER, Hyperledger, 119.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
31
in diesem Fall überträgt sie Bert zwei und sich selber drei Bitcoins).105 Dieses
Modell ist als UTXO-Modell (Unspent Transaction Outputs) bekannt.106
Für die Bitcoin-Blockchain wurde als Konsensverfahren Proof of Work
gewählt (vgl. N 66 ff.). 107
2. Ethereum-Blockchain
Die Ethereum-Blockchain gilt als vielseitig und innovativ. Einen Rückschlag
erlitt die Ethereum-Blockchain allerding mit dem „DAO-Hack“, als ein Hacker
die Summe von damals umgerechnet ca. 50 US-Dollar abzweigte und damit
die gesamte Blockchain-Plattform ins Wanken brachte. Die Folge war eine
Spaltung der Ethereum-Blockchain (Hard Fork, vgl. Anhang, N 36).108 Der
dadurch entstandene Reputationsschaden konnte die Ethereum-Blockchain
jedoch nicht daran hindern, sich in viele Richtungen weiterzuentwickeln. Auch
die von Ethereum lancierte Kryptowährung, Ether, erfreut sich wachsender
Beliebtheit; sie ist neben Bitcoin eine der am besten kapitalisierten
Kryptowährungen.109 Ether ist zwar noch kein verbreitetes Zahlungsmittel, die
Stadt Zug akzeptiert jedoch in einem gewissen Umfang Zahlungen in dieser
Kryptowährung.110
a) Zweck
Die Ethereum-Blockchain ist grundsätzlich eine öffentliche Blockchain. Das
Plattform-Modell (resp. der Code) könnte aber auch für den Betrieb eines
privaten Netzwerkes eingesetzt werden. Sie ist nicht nur für die Übertragung
105 NAKAMATO, Bitcoin Whitepaper, 5. 106 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 114 f.; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 171 ff.; NAKAMATO, Bitcoin Whitepaper, 2. 107 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 191 ff.; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 61 ff.; NAKAMATO, Bitcoin Whitepaper, 3. 108 Vgl. GYR, DAO, N 11 ff.; SHIER U.A., DAO Attack; TOSOVIC, DAO-
Hack, 159 ff. 109 https://coinmarketcap.com/currencies/. 110 KT. ZUG, MM vom 2. November 2017.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
32
der Ethereum-eigenen Kryptowährung Ether geschaffen worden, sondern lässt
weitergehende Anwendungen zu, d.h. sie ist eine universelle Plattform.111 Es
ist möglich, auf der Ethereum-Blockchain bspw. eine eigene Kryptowährung
(Anhang, N 28 f.) zu kreieren oder eine DAO (Anhang, N 37) oder Smart
Contracts (N 214 ff.) zu initialisieren.112
b) Transaktionsmechanismus
Im Gegensatz zur Bitcoin-Blockchain verfügt die Ethereum-Blockchain über
ein Kontomodell, auf dem u.a. der Kontostand in Ether und allenfalls ein Smart
Contract113 gespeichert werden kann.114 Aufgrund des Kontomodelles kann im
Gegensatz zum UXTO-Modell (N 77) auch nur eine Teilmenge des auf dem
Konto verbuchten Wertes transferiert werden.115
Die Ethereum-Blockchain wählte wie die Bitcoin-Blockchain das Konzept des
Proof of Work (vgl. N 78, 66 ff.) als Konsensmechanismus.116
3. Hyperledger
Hyperledger ist eine Business-Blockchain-Plattform der Linux Foundation.
Hyperledger ist der Oberbegriff für zahlreiche Anwendungen der Hyperledger-
Technologie, deren verschiedene Projekte jeweils mit einem zusätzlichen
Namen versehen und unterschiedlich ausgestaltet sind.117 Aufgrund der
111 Für die (u.a. technische) ausführliche Beschreibung vgl. ETHEREUM
WHITEPAPER, Abschnitt Ethereum. 112 Übersicht über die Möglichkeiten auf www.ethereum.org. 113 Ein Smart Contract ist eine Software, ausführlich zu Smart Contracts vgl.
2. Teil: Smart Contracts, N 211 ff. 114 ETHEREUM WHITEPAPER, Abschnitt Ethereum Accounts. 115 ETHEREUM WHITEPAPER, Abschnitt Ethereum Accounts; Vgl. KIENZLER,
Hyperledger, 119. 116 Vgl. ETHEREUM WHITEPAPER, Abschnitt Blockchain and Mining. 117 Z.B. Hyperledger Fabric, Hyperledger Iroha, Hyperledger Burrow etc.,
Auflistung inkl. Projektbeschreibungen abrufbar unter
www.hyperledger.org/projects.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
33
Vielfalt der Projekte können nur wenige allgemeingültige Aussagen gemacht
werden.
a) Zweck
Hyperledger ist auf Unternehmen ausgerichtet, die private Blockchains
betreiben möchten.118 Es sollen Standards geschaffen werden, damit die
Interoperabilität zwischen den einzelnen Blockchains von Unternehmen
sichergestellt werden kann.119 Hyperledger bietet eine grosse Anzahl von
Anwendungen, deren Strukturen modular sind, womit grössere Ausbau- und
Anpassungsmöglichkeiten und Flexibilität versprochen werden.120 Verfügbar
sind u.a. eigene Distributed Ledgers, Smart Contracts, Kryptowährungen und
Applikations-Vorlagen.121
b) Transaktionsmechanismus
Der Transaktionsmechanismus hängt davon ab, welche Hyperledger-
Anwendung gewählt wird. Bei Hyperledger Fabric erfolgt eine Transaktion
bspw. in drei Schritten: der Nutzer löst die Transaktion aus, der Smart Contract
(hier Chaincode genannt) führt aus und schreibt das Ergebnis in die
Transaktion; danach wird die Transaktion in eine Warteschlange weitergeleitet,
wo sie auf eine Validierung (je nach Konsensverfahren) wartet, bevor sie in der
Blockchain abgespeichert wird.122
Es werden verschiedene Konsensverfahren angeboten. Den Nutzern steht es
frei, entweder ein Verfahren zu wählen, das auf Zufall beruht (wie z.B. Proof
of Stake oder Proof of Work) oder ein Konsensmodell, das sich auf ein
Abstimmungsverfahren stützt.123
118 www.hyperledger.org; vgl. KIENZLER, Hyperledger, 111. 119 Vgl. HYPERLEDGER WHITEPAPER, Hyperledger Architecture, V1, 2. 120 Vgl. HYPERLEDGER WHITEPAPER, Hyperledger Architecture, V1, 3. 121 Vgl. HYPERLEDGER WHITEPAPER, Hyperledger Architecture, V1, 2. 122 Vgl. PABST, Blockchain-Technologie, 25 f. 123 Zu den verschiedenen eingesetzten Algorithmen wie bspw. Kafka vgl.
HYPERLEDGER WHITEPAPER, Hyperledger Architecture, V1, 6 f.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
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4. Corda
Corda ist eine Entwicklung des Bankenkonsortiums R3.124 Sie ist wie
Hyperledger eine Business-Blockchain und bezeichnet sich als halb-private
Blockchain.125 Nachdem die Plattform erst hinter geschlossenen Türen
entwickelt wurde, wird sie unterdessen als Open-Source-Projekt weitergeführt
(unter der Apache Lizenz 2.0).126
a) Zweck
In erster Linie dient Corda dazu, die zwischen verschiedenen (Finanz-)
Instituten mehrfach geführten Dokumente auf eine einzige Plattform zu
bringen, um mehr Effizienz zu schaffen.127 Die Plattform soll im Gegensatz zu
öffentlichen Blockchains eine hohe Skalierbarkeit aufweisen und die
Geheimhaltung von Daten sicherstellen.128
Corda ist eine globale Plattform; die darauf gespeicherten Daten und
Applikationen sind nur für die involvierten Parteien zugänglich.129 Auf der
Plattform können verschiedene Anwendungen (Apps, Smart Contracts)
installiert werden. Corda verfügt nicht über eine eigene Kryptowährung.
b) Transaktionsmechanismus
Wie bei der Bitcoin-Blockchain werden bei Corda Daten nicht in Form einer
Kontoführung gespeichert (UXTO-Modell, N 77); die Einträge sind entweder
gültig (current, unspent) oder verbraucht (consumed, spent).130 Jeder Eintrag
muss einer originären Transaktion zugeordnet werden können: Er muss also
124 Zum R3-Konsortium gehören über 200 Finanzinstitute weltweit, darunter
auch UBS und CS, vgl. www.r3.com. 125 Vgl. HEARN, Whitepaper Corda II, 7. 126 Vgl. https://github.com/corda/corda. 127 BROWN/CARLYLE/GRIGG/HEARN, Whitepaper Corda I, 3. 128 Vgl. BROWN/CARLYLE/GRIGG/HEARN, Whitepaper Corda I, 13 f.;
HEARN, Whitepaper Corda II, 4, 48 ff. 129 BROWN/CARLYLE/GRIGG/HEARN, Whitepaper Corda I, 8. 130 HEARN, Whitepaper Corda II, 13.
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Technische Aspekte der Blockchain-Technologie
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auf der Liste sämtlicher Outputs abrufbar sein; ansonsten ist er nicht gültig.131
Es ist jedoch möglich, dass ein Input oder ein Output null ist.132
Das Konsensverfahren findet nicht auf dem gesamten Netz statt, sondern nur
zwischen den jeweils an einer Transaktion beteiligten Parteien. Es gibt zwei
Konsensverfahren. Das eine betrifft die Gültigkeit der Transaktion, das andere
die Einmaligkeit (d.h. dieselbe Transaktion wurde nicht bereits für gültig und
einzigartig befunden).133
131 HEARN, Whitepaper Corda II, 13. 132 Ausführlich zum Transaktionsmechanismus HEARN, Whitepaper Corda
II, 13 ff. 133 BROWN/CARLYLE/GRIGG/HEARN, Whitepaper Corda I, 9.
91
Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
36
C. Vertragliche Aspekte der Blockchain-
Technologie
Nachdem die technischen Anwendungen der Blockchain-Technologie
veranschaulicht worden sind, werden im nachfolgenden Kapitel die möglichen
Vertragsbeziehungen innerhalb der beiden Anwendungsmöglichkeiten der
Blockchain-Technologie (Blockchain als Software und Blockchain als
Plattform) sondiert.
Bei der Blockchain als Software kann es sich um eine proprietär erstellte
Software oder um eine Open-Source-Software (zum Begriff sogleich N 112 ff.)
handeln, wobei sich die Vertragsgestaltung nach der vorgesehenen
Verwendungsart richtet. Allerdings sind Open-Source-Entwicklungen im
Zusammenhang mit der Blockchain die Regel, weshalb in der Folge diese Form
genauer untersucht wird.
Die Blockchain als Plattform kann als operativer Dienst oder als reines P2P-
Netzwerk ausgestaltet sein. Die vertragsrechtliche Einordnung richtet sich bei
einem operativen Dienst nach dem Vereinbarten, während bei einem P2P-
Netzwerk zu untersuchen ist, ob die Blockchain-Gemeinschaft einer der
Rechtsordnung bekannten juristischen Figuren zugeordnet werden kann.
In einem ersten Schritt werden zur besseren Verständlichkeit die involvierten
Parteien einer Blockchain kurz eingeführt, um eine spätere vertragsrechtliche
Einordnung zu erleichtern.
I. Involvierte Parteien
Eine Vielzahl von Akteuren stellen das Funktionieren einer Blockchain sicher.
In der vorliegenden Arbeit wird eine Auswahl vorgenommen und lediglich auf
die wichtigsten eingegangen. Es sind dies: die Softwareentwickler, die Nutzer,
die Miner sowie die Wallet-Anbieter.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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1. Softwareentwickler
Die Softwareentwickler stehen chronologisch am Anfang der Blockchain, da
sie den Quellcode entwickeln. Die Software für öffentliche Blockchain-
Plattformen, aber auch für zahlreiche private Blockchains, werden open source
entwickelt. Das bedeutet, dass eine undefinierte Anzahl von
Softwareentwicklern involviert ist, die in der Regel um die Welt verteilt an der
(Weiter-) Entwicklung arbeiten. Es kann also davon ausgegangen werden, dass
nicht ein einziger, sondern eine Vielzahl von Entwicklern an einer Open-
Source-Software beteiligt ist. Der einfachen Lesbarkeit halber wird jedoch
nachfolgend bei der Nennung von Softwareentwicklern die Einzahl verwendet.
Es ist im Übrigen nicht zwingend, dass eine Blockchain-Software als Open-
Source-Software entsteht; sie kann auch proprietär für eine Partei entwickelt
werden.
2. Nutzer
Die Nutzer (in der vorliegenden Arbeit stellenweise auch Teilnehmer genannt)
einer Blockchain sind diejenigen Parteien, die einen Knotenpunkt der
Blockchain-Plattform betreiben.134 Sie können gleichzeitig auch Miner (N 101
ff.) und/oder Wallet-Anbieter (N 104 ff.) sein.135 So beinhaltet bspw. bei der
134 Je nach Blockchain gibt es unterschiedliche Knotenpunkte. So wird in der
Bitcoin-Blockchain zwischen den Full Nodes (auch Bitcoin Core Client),
welche die gesamte aktualisierte Blockchain gespeichert haben und
gleichzeitig auch eine Wallet- und Miningfunktion beinhalten und Thin
oder Light Nodes unterschieden, wobei letztere eine vereinfachte Nutzung
zulassen und nicht über eine Kopie der gesamten Blockchain verfügen und
via sog. Simplified-Payment-Verification (SPV)-Verfahren das Netzwerk
nutzen. Ausführlich zu den Knotenpunkten bei der Bitcoin-Blockchain
ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 180 ff.; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 97 ff.; SIXT, Transaktionssysteme, ff. 135 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 172.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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Bitcoin-Blockchain ein sog. Full Node, also ein vollständiger Knotenpunkt,
jeweils auch eine Wallet-sowie eine Mining-Funktion.136
Nutzer, die zwar über Kryptowährung oder Token verfügen, aber selbst keinen
Knotenpunkt des Netzwerkes unterhalten, werden in der vorliegenden Arbeit
als Nutzer ausserhalb der Blockchain bezeichnet.137
3. Miner
Insbesondere bei öffentlichen Blockchains gehören die Miner zu den
Hauptakteuren. Sie übernehmen die Erstellung von neuen Blocks, welche
gemäss den Regeln im Konsensprotokoll vorgenommen wird (vgl. N 61 ff.). In
der Regel werden Miner für die Zusammenstellung und Validierung der Blöcke
mit einer Gebühr entlohnt (vgl. N 178, 181).
In der vorliegenden Arbeit wird keine Unterscheidung zwischen einzelnen
Minern, Miningpools138 und Mining-Farmen139 gemacht; sämtliche Einheiten
werden unter dem Begriff Miner zusammengefasst.
136 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 172 ff.; SIXT, Transaktions-
systeme, 34. 137 Diese Gruppe stellt in der Praxis wohl die grösste Gruppe dar, da der
Unterhalt eines Knotenpunktes nicht gerade massentauglich ist. Die
meisten Besitzer von Kryptowährungen oder anderen Token (Anhang,
N 30 ff.) verfügen nicht selbst über eine Kopie der Blockchain und stellen
ihren Zugang zum Netzwerk über Drittparteien wie bspw. Wallet-Anbieter
sicher. 138 In einem Miningpool schliessen sich mehrere Miner zusammen, um
gemeinsam mehr Rechenkapazität (und damit auch einen höheren
Verdienst) zu generieren, vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 27. 139 Mining-Farmen sind grosse Anlagen, in denen unzählige von
spezialisierten Mining-Computern stehen, die dank ihrer enormen
Rechenkraft viele Transaktionen validieren und so hohe Gewinne erzielen
können, vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 27.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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Miner können im Übrigen gleichzeitig Nutzer (N 99 f.) und/oder Wallet-
Anbieter sein (N 104 ff.).140
4. Wallet-Anbieter
Als Wallet wird ein digitaler Container oder ein digitales Portemonnaie
verstanden, in dem die kryptografischen Schlüssel (vgl. Anhang, N 13 ff.) und
Adressen von Nutzern verwaltet werden.141 Ein Wallet ist vereinfacht gesagt
eine Datenbank, die für die Verwahrung von Schlüsseln geschaffen wurde.142
Die in einem Wallet verwalteten Private Keys sind unabdingbar, um über die
jeweiligen Kryptowährungen oder sonstigen Token (Anhang, N 30 ff.)
verfügen zu können; ohne diese ist der Zugriff auf die Vermögenswerte nicht
möglich.143
Es kann zwischen Software Wallets, auch virtuelle Wallets genannt (in
Desktop-, Mobile- und Web-Varianten), und Hardware Wallets unterschieden
werden.144 Software Wallets können entweder heruntergeladen oder via eine
Website bedient werden. Bei Software Wallets wird von sog. Hot Storage
gesprochen, da das Wallet direkt oder indirekt mit dem Internet verbunden
ist.145 Bei Hardware Wallets kommen Datenträger zum Einsatz, die nicht mit
dem Internet verbunden sind, wie bspw. USB-Sticks oder eine externe
Festplatte; hierbei handelt es sich um das sog. Cold Storage.146 Es ist auch
140 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 172. 141 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 93. 142 Vgl. ausführlich zu Wallets und deren technologischer Ausgestaltung
ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 93 ff.; BERENTSEN/SCHÄR, Krypto-
assets, 131 ff. 143 Vgl. BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 310. 144 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 7; BERENTSEN/SCHÄR, Krypto-
assets, 313 ff. 145 Die Verbundenheit mit dem Internet birgt Risiken, insbesondere von
Hackerangriffen, vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 7;
BERENTSEN/ SCHÄR, Kryptoassets, 313 f. 146 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 7; BERENTSEN/SCHÄR, Krypto-
assets, 318.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
40
möglich, die Private Keys konventionell auf Papier aufzuzeichnen und
aufzubewahren, wofür kein Wallet in vorgenanntem Sinne benötigt wird (sog.
Paper Wallet147).148
Wallets sind insbesondere für Nutzer ausserhalb der Blockchain (N 100) von
zentraler Bedeutung, da bspw. Software Wallets, die gleichzeitig einen
vollständigen Knotenpunkt betreiben, Transaktionen für ihre Nutzer
durchführen.149
Ein Wallet-Anbieter kann gleichzeitig auch Miner oder Nutzer sein.150
II. Blockchain als Software
Eine allgemeinverbindliche Definition des Begriffes Software existiert nicht.
Mancherorts wird zwischen Computerprogramm und Software unterschieden,
andernorts werden die Begriffe synonym verwendet. Wird Software als
Überbegriff verstanden, so beinhaltet er nebst dem Computerprogramm selbst
auch die dazugehörige Dokumentation.151 Wird zwischen Computerprogramm
und Dokumentation unterschieden, dann enthält das Computerprogramm den
Code (als Source- oder Objektcode) und die Dokumentation die Beschreibung
(z.B. Bedienungsanleitung, Installationsanleitung etc.).152 Es gibt unzählige
Arten von Software, die sich je nach Zweck und Anwenderkreis
unterscheiden.153
147 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 88 ff.; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 319. 148 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 7, 88 ff; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 319 ff. 149 BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 314; SIXT, Transaktionssysteme, 36 f. 150 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 172. 151 LUDEWIG/LICHTER, Software Engineering, 34; MORSCHER/DORIGO,
Software-Lizenzverträge, 21; WIDMER, Software-pflegevertrag, 5 ff.; vgl.
FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 25; FISCHER/HOFER, Lexikon
der Informatik, 837. 152 FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 25 f. 153 Für eine Übersicht vgl. FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 29 ff.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
41
Viele der Blockchain-Quellcodes sind als Open-Source-Software
veröffentlicht (vgl. nachfolgend N 121). Im Gegensatz zur Entwicklung
proprietärer Software, bei der in der Regel nur einzelne Entwickler involviert
sind, die Entwicklung grundsätzlich geheim ist und der Quellcode dem
Anwender nicht bekannt gegeben wird, ist bei Open-Source-Software-
Projekten eine (generell unbekannte) Vielzahl von Entwicklern (meist
dezentral und in einer virtuellen Entwicklungsgemeinschaft) involviert und der
Quellcode steht allen offen.154
Die bekannten öffentlichen Blockchain-Plattformen sind alle als open source
erstellt worden und auch private Blockchain-Software ist zwischenzeitlich
meist open source ausgestaltet (vgl. nachfolgend N 121). Aufgrund der
zentralen Bedeutung von Open-Source-Software bei der Blockchain-
Technologie wird nachfolgend nur auf diese Art von Software eingegangen.155
Open-Source-Software spielt nicht nur in Bezug auf die Blockchain-
Technologie eine grosse Rolle; sie ist auch wirtschaftlich von grosser
Bedeutung, da selbst die grossen Softwareanbieter, wie bspw. Google, IBM
oder Microsoft Produkte unter Open-Source-Software-Lizenzen (nachfolgend:
OSS-Lizenzen) entwickeln.156
1. Open-Source-Software
Nachfolgend wird als Einführung in die Open-Source-Software zuerst auf den
Begriff eingegangen. Danach werden Abgrenzungen in Bezug auf Urheber-
und Nutzungsrechte vorgenommen. Im letzten Abschnitt werden die in den
gängigen Blockchains verwendeten OSS-Lizenzen aufgelistet.
154 FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 1834. 155 Zu andern Softwareverträgen und -lizenzen vgl. statt vieler FRÖHLICH-
BLEULER, Softwareverträge, N 1 ff. 156 Vgl. FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 1835.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
42
a) Begriff
Mit dem Aufkommen des Personalcomputers (PC) in den 50er Jahren waren
Soft- und Hardware noch untrennbar miteinander verbunden und wurden als
Gesamtpaket verkauft.157 Dabei wurde der Softwarecode bspw. von IBM (dem
damals marktbeherrschenden Hersteller) „offen“ geliefert, damit Kunden ihre
individuellen Anpassungen selbst vornehmen konnten.158 Mit dem
aufkommenden Wettbewerb unter den Computerherstellern in den 70er Jahren
wurden Soft- und Hardware allmählich losgelöst voneinander verkauft und
entwickelt.159 Anfang der 90er Jahre setzte sich die Idee der freien Software
(heute: Open-Source-Software) durch.160
„Frei“ (resp. Open Source) ist dabei nicht als Synonym für „frei von Rechten
und Pflichten“ zu verstehen, auch wenn dies auf den ersten Blick und aufgrund
der Unentgeltlichkeit so erscheinen mag. Frei bedeutet in diesem
Zusammenhang eine zweckoffene Verwendung der Software. Grundsätzlich
gewährt Open-Source-Software die freie Nutzung, die Möglichkeit der
individuellen Abänderbarkeit (durch Zugang zum Quellcode), die
Weiterverbreitungsmöglichkeit und die Weiterentwicklungsmöglichkeit
geknüpft an die Pflicht, Weiterentwicklungen ebenfalls jedermann zugänglich
zu machen.161
157 ROWLAND/KOHL/CHARLESWORTH, IT Law, 517; ausführliche historische
Ausführungen siehe bei WIDMER, urheberrechtliche Aspekte, 8 ff. 158 ROWLAND/KOHL/CHARLESWORTH, IT Law, 517 f. 159 ROWLAND/KOHL/CHARLESWORTH, IT Law, 518; WIDMER, urheber-
rechtliche Aspekte, 9; vgl. HILTY, Softwarevertrag, 66 f. 160 Vgl. WEBER, Freie Software, 42. 161 MARLY, Softwarerecht, N 938; ROWLAND/KOHL/CHARLESWORTH, IT
Law, 519; WEBER, Freie Software, 42 f; WIDMER, urheberrechtliche
Aspekte, 37 ff.; SESTER, Open-Source-Software, 797.
Es gibt vier Kriterien zur Definition von Open-Source-Software seitens
der Open Source Initiative OSI sowie vier sog. Freiheiten zur Definition
freier Software seitens der Free Software Foundation FSF. Die beiden
Kriterienkataloge sind fast identisch; die Abweichungen sind
unwesentlich (siehe ausführlich zu diesem Thema JAEGER/METZGER,
112
113
Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
43
Es sind mehrere Open-Source-Software-Bewegungen bekannt. Eine der ersten
Initiativen geht auf RICHARD STALLMANN zurück, der die GNU-Lizenzen
entwickelt hat,162 von denen mehrere Formen existieren,163 wobei die die GNU
General Public License (GNU-GPL) die meistverbreitete ist.164 Ende der 90er
Jahre formierte sich die Open Source Initiative (OSI)165, die ein Zertifizierungs-
programm für die Beurteilung von Open-Source-Software etablierte.166 Die
verschiedenen Bewegungen sind sich bezüglich der Auslegung der
Begrifflichkeiten und der Beweggründe nicht einig, jedoch sind die
Grundprinzipien vergleichbar, weshalb nachfolgend nicht näher auf die
einzelnen Begriffsauffassungen der einzelnen Open-Source-Software-
Bewegungen eingegangen wird.167
b) OSS-Lizenzen
Open-Source-Software wird unter Lizenzen vertrieben. Diese enthalten im
Gegensatz zu gewöhnlichen Softwarelizenzverträgen ein sog. Copyleft (als
Gegensatz zu Copyright).168 Copyleft steht jedoch nicht für eine Abkehr vom
Urheberrecht, sondern für eine extensive Nutzung des Werkes durch den
Lizenznehmer.169 Das Copyleft soll eine Weiterverbreitung der Software unter
den gleichen Bedingungen sicherstellen und gleichzeitig verhindern, dass ein
auf Basis der Open-Source-Software entwickeltes Softwareprogramm
Open Source Software, N 2 ff.; WIDMER, urheberrechtliche Aspekte, 70
ff.). 162 WEBER, Freie Software, 42. 163 Übersicht über die verschiedenen Lizenzen unter www.gnu.org/licenses/. 164 Zur GNU-GPL vgl. WIDMER, urheberrechtliche Aspekte, 102 ff. 165 https://opensource.org. 166 ROWLAND/KOHL/CHARLESWORTH, IT Law, 519; WEBER, Freie Software,
42 f. 167 Ausführlich zu den Begriffen und der Entwicklung der Bewegungen statt
vieler JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 2 ff. 168 FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 1926 f.; JAEGER/METZGER,
Open Source Software, N 5 f.; ROWLAND/KOHL/CHARLESWORTH, IT
Law, 520. 169 Vgl. JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 5; WIDMER, urheber-
rechtliche Aspekte, 16.
114
115
Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
44
proprietär weitervertrieben werden kann.170 Es gibt OSS-Lizenzen mit
strengem171, beschränktem172 oder ohne Copyleft173 (wobei letztere als die
liberalsten Lizenzen gelten).174
Trotz der kostenlosen Zurverfügungstellung des Quellcodes und
umfangreicher Nutzungsrechte ist Open-Source-Software urheberrechtlich
geschützt.175 Gemäss Art. 2 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz (URG)176 sind
Computerprogramme den urheberrechtlichen Werken gleichgestellt.177 Auch
völkerrechtlich sind Computerprogramme gemäss Art. 4 WIPO-Urheber-
rechtsvertrag178 urheberrechtlich geschützt. Bei Open-Source-Software
verzichtet der Urheber (wie bei gewöhnlichen Softwarelizenz-verträgen
170 JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 5 f.; MARLY, Softwarerecht,
N 955. 171 Strenges Copyleft bedeutet, dass die Software ausschliesslich mit der
ursprünglichen Lizenz verbreitet werden darf (Bsp. GNU-GPL-3.0). 172 Beschränktes Coypleft bedeutet, dass die Software unter gewissen
Bedingungen nicht unter der ursprünglichen Lizenz verbreitet werden darf
(Bsp. GNU-LGP-3.0). 173 Kein Copyleft bedeutet, dass der Erwerber keinerlei Restriktionen
bezüglich der Weiterverbreitung unter der ursprünglichen Lizenz
unterliegt (Bsp. MIT-Lizenz). 174 FRÖHLICH-BLEULER, Open Source Compliance, N 2; JAEGER/METZGER,
Open Source Software, N 5. 175 MARLY, Softwarerecht, N 943 ff.; ROWLAND/KOHL/CHARLESWORTH, IT
Law, 520. 176 Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzgesetze
(Urheberrechtsgesetz, URG) vom 9. Oktober 1992, SR. 231.1. 177 CHERPILLOD, SHK URG, Art. 2 N 64; HILTY, Lizenzvertragsrecht, 26 f.;
MORSCHER/DORIGO, Software-Lizenzverträge, 19. 178 WIPO-Urheberrechtsvertrag (WTC), abgeschlossen in Genf am
20. Dezember 1996, von der Bundesversammlung genehmigt am
5. Oktober 2007, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am
31. März 2008, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juli 2008, SR
0.231.151.
116
Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
45
auch179) jedoch auf die Geltendmachung gewisser Urheberrechte (bspw.
alleiniges Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht).180
c) Abgrenzungen
Open-Source-Software ist von Freeware, Public Domain Software und
Shareware zu unterscheiden.181
Bei der Freeware handelt es sich um kostenlose Software, bei der im
Unterschied zur Open-Source-Software der Quellcode nicht zur Verfügung
gestellt wird und die grundsätzlich nicht verändert werden darf.182 Beispiel für
Freeware ist der Microsoft Internet Explorer.
Der Begriff Public Domain Software stammt aus dem US-amerikanischen
Recht. Darunter fallen diejenigen Werke, bei denen der Urheber auf sämtliche
Rechte verzichtet hat (das Werk ist nicht mehr urheberrechtlich geschützt) und
die Gemeingut darstellen.183 Im Gegensatz zum US-amerikanischen
Urheberrecht ist nach dem Schweizer Immaterialgüterrecht allerdings kein
vollständiger Verzicht auf die Urheberrechte (Urheberpersönlichkeitsrechte)
möglich; eine Public-Domain-Software kann daher nur nach Ablauf der
Schutzfrist entstehen.184 Im deutschen Recht wird die Nutzung einer Public-
179 Zu Softwarelizenzverträgen allgemein siehe MORSCHER/DORIGO,
Software-Lizenzverträge, 19 ff. 180 Zu urheberrechtlichen Fragen vgl. MARLY, Softwarerecht, N 943 ff.;
MORSCHER/DORIGO, Software-Lizenzverträge, 19 f.; WIDMER,
urheberrechtliche Aspekte, 70 ff; KOCH, Open-Source-Software (I), 275
ff. 181 Hilfreiche Tabelle zu Sonderformen der Softwareüberlassung bei MARLY,
Softwarerecht, N 942. 182 CHIAMPI OHLY, Softwarerecht, 328; JAEGER/METZGER, Open Source
Software, N 9; MARLY, Softwarerecht, N 940. 183 CHIAMPI OHLY, Softwarerecht, 327 f.; JAEGER/METZGER, Open Source
Software, N 8. 184 Gem. Art. 29 Abs. 2 lit. a URG nach Ablauf von 50 Jahren nach dem Tod
des Urhebers oder der Urheberin, vgl. CHIAMPI OHLY, Softwarerecht, 328;
JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 8; REUTTER GERSTER, SHK
URG, Art. 29 N 10 f; WEBER, Freie Software, 42.
117
118
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
46
Domain-Software als einfaches Nutzungsrecht für jedermann mit
unbeschränkter Verwertung ausgelegt.185
Shareware hingegen ist ein Vermarktungskonzept, wobei die Software für eine
bestimmte Dauer (Testphase) dem Nutzer unentgeltlich zur Verfügung gestellt
wird. Im Anschluss besteht die Möglichkeit des Erwerbs einer
Nutzungslizenz.186 Shareware ist grundsätzlich an eine herkömmliche
Softwarelizenz geknüpft.187
d) Blockchain als Open-Source-Software
Viele der Blockchain-Quellcodes werden open source (weiter-) entwickelt; d.h.
sie sind unter einer OSS-Lizenz veröffentlicht. So ist bspw. die Bitcoin-
Blockchain unter der MIT-Lizenz188 lizenziert.189 Auch die Ethereum-
Blockchain ist als Open-Source-Software ausgestaltet, so ist bspw. Go
Ethereum190 unter GNU-LGPL 3.0191, Applikationen teilweise unter GNU-
GPL lizenziert und die Middleware192 steht unter GNU Affero-Lizenz.193
Hyperledger, die Industrie-Blockchain, ist ebenfalls eine Open-Source-
Software; sie läuft unter der Apache-Lizenz 2.0.194 Die Banken-Blockchain des
185 CHIAMPI OHLY, Softwarerecht, 328; JAEGER/METZGER, Open Source
Software, N 8. 186 CHIAMPI OHLY, Softwarerecht, 328; JAEGER/METZGER, Open Source
Software, N 10; MARLY, Softwarerecht, N 919 ff. 187 JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 10. 188 MIT steht für Massachusetts Institute of Technology. 189 https://bitcoin.org/de/ (Hinweis zur Lizenzierung am Seitenende). 190 Go Ethereum ist eine der drei originären Möglichkeiten zur
Implementierung des Ethereum-Protokolls, vgl. https://geth.ethereum.org. 191 https://geth.ethereum.org. 192 Middleware ist ein Vermittlungsprogramm, sie steht zwischen der
Anwender- und der Betriebssoftware und sie stellt das Funktionieren von
verschiedenen Applikationen sicher: FRÖHLICH-BLEULER, Software-
verträge, N 32. 193 https://github.com/ethereum/wiki/wiki/Licensing. 194 https://github.com/hyperledger/fabric/blob/master/LICENSE; zur Apache
License 2.0 siehe JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 102 ff.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
47
Konsortiums R3 hat ihre Blockchain Corda / R3-Corda nun ebenfalls als Open-
Source-Software ausgestaltet; sie läuft unter der Apache-Lizenz 2.0.195
2. OSS-Lizenzvertrag
Wie vorgängig ausgeführt, wird Blockchain-Software in aller Regel unter
OSS-Lizenzen angeboten. Nachfolgend wird dargelegt, wer bei einer
Blockchain, die unter einer OSS-Lizenz steht, die Vertragsparteien sind und
was der Vertragsgegenstand ist. Nicht ganz unumstritten in der Lehre ist der
Zeitpunkt des Zustandekommens eines OSS-Lizenzvertrages, weshalb auch
auf diese Frage kurz eingegangen wird. Im Anschluss daran wird anhand des
charakteristischen Merkmals der Unentgeltlichkeit eine Vertragsqualifikation
des OSS-Lizenzvertrages vorgenommen und kurz dargelegt, welche weiteren
Vertragsbestandteile jeweils bei OSS-Lizenzen zu finden sind.
Software existiert nicht physisch. Wird sie auf einem physischen Datenträger
(z.B. USB-Stick) verkörpert, dann hat diese Verkörperung keine Relevanz, da
der Wert des Datenträgers kaum je von erheblichem Wert sein wird.196 Die
Unterscheidung, ob Software auf einem Datenträger oder online (Download,
Software-as-a-Service) zur Verfügung gestellt wird, spielt in der
Vertragsqualifikation keine Rolle. Der Europäische Gerichtshof stellt die
Online-Übertragung von Software und die Aushändigung eines materiellen
Datenträgers funktionell gleich.197
a) Vertragsparteien
Open-Source-Software kann grundsätzlich direkt vom Urheber oder einem
Dritten erworben werden, je nachdem kostenlos zum Herunterladen oder
allenfalls auch auf einem Datenträger.198 Blockchain-Open-Source-Software
195 https://www.corda.net/downloads. 196 Vgl. HILTY, Rechtsnatur Softwarevertrag, 626; JAEGER/METZGER, Open
Source Software, N 207; MORSCHER/DORIGO, Software-Lizenzverträge,
21. 197 Urteil EuGH vom 3. Juli 2012, C-128/11, UsedSoft, Rz. 61. 198 Vgl. JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 202, 234, 249.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
48
kann grösstenteils direkt von der Internetplattform Github oder direkt von der
Website des Urhebers heruntergeladen werden und wird nicht auf Datenträgern
vertrieben.
Wird die Open-Source-Software also von einem Dritten bezogen, können
mehrere Vertragsverhältnisse entstehen: zwischen dem Entwickler (Urheber)
und dem Nutzer; zwischen dem Entwickler und dem Dritten (Distributor, bei
Blockchain-Software z.B. Github)199 sowie zwischen dem Nutzer und dem
Dritten.200 Mit Nutzer sind vorliegend auch der Miner (N 101 ff.) sowie Wallet-
Anbieter (N 104 ff.) gemeint; also grundsätzlich sämtliche Parteien, die einen
Knotenpunkt betreiben. Von Interesse für die vorliegende Arbeit ist
insbesondere das Verhältnis zwischen dem Nutzer und dem Entwickler, da der
OSS-Lizenzvertrag zwischen diesen Parteien zustande kommt.
Nicht näher eingegangen wird auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Dritten
und dem Nutzer, da zwischen diesen Parteien kein Lizenzvertrag zustande
kommt (Dritter ist nicht Urheber). Diese Konstellation wird bei kostenloser
Zurverfügungstellung der Software in der deutschen Lehre als Schenkung
klassifiziert.201 Diese Ansicht kann auch für das Schweizer Recht gelten.
Zwischen dem Urheber und dem Dritten kommt, wie zwischen dem Urheber
und dem Nutzer, allenfalls ein OSS-Lizenzvertrag zustande (vgl. nachfolgend
N 127), weshalb das nachfolgend Ausgeführte auch für diese Konstellation
gilt.202
199 Zum Vertragsverhältnis zwischen Nutzer und Distributor vgl.
JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 173 ff., 251. 200 JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 201 ff.; MARLY, Software-
recht, N 959 ff.; POLEDNA/SCHLAURI/SCHWEIZER, Open Source Software
in der öffentlichen Verwaltung, N 48. 201 JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 251. 202 Vgl. JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 251.
125
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
49
b) Vertragsgegenstand
Gegenstand des OSS-Lizenzvertrages ist sowohl der Quellcode des
Programmes (die Software selbst) als auch das Nutzungsrecht daran.203 Diese
stellen theoretisch zwei verschiedene Vermögenswerte dar.204 Diese
Unterscheidung ergibt auf abstrakter Ebene Sinn, in praktischer Hinsicht
jedoch weniger, da die beiden Vermögenswerte so eng aneinandergeknüpft
sind, dass eine Trennung nicht zweckdienlich ist.205 Gemäss JAEGER/METZGER
ist jedoch die Unterscheidung dort angebracht, wo die Open-Source-Software
nicht direkt vom Urheber, sondern von einer Drittpartei erworben wird. In
diesen Fällen wird die Software vom Dritten übertragen, resp. kostenlos zur
Verfügung gestellt (was gem. dt. Lehre eine Schenkung darstellt, vgl.
vorhergehend N 123) und das Nutzungsrecht daran wird vom Urheber an den
Nutzer übertragen.206
c) Zeitpunkt des Zustandekommens des OSS-Lizenzvertrages
Ein Vertrag kann nebst übereinstimmender Willenserklärung auch durch
konkludentes Verhalten oder stillschweigend zustande kommen (Art. 1 OR).207
Teilweise wird in OSS-Lizenzen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der
Lizenzvertrag mit Nutzung der Software zustande kommt (z.B. Ziff. 5 GNU-
GPL-1.0)208 oder erst zu dem Zeitpunkt, wenn die Software verändert oder
verbreitet wird (z.B. Ziff. 9 GNU GPL-3.0).209 Enthält eine OSS-Lizenz eine
203 Nur Computerprogramm als Vertragsgegenstand: FRÖHLICH-BLEULER,
Softwareverträge, N 1851. 204 JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 203 f. 205 Vgl. Urteil EuGH vom 3. Juli 2012, C-128/11, UsedSoft, Rz. 44; HILTY,
Rechtsnatur Softwarevertrag, 628. 206 JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 252. 207 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 236 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 177 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 27.98 ff.;
ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 1 N 15 ff. 208 Vgl. FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 1857; WEBER, Open
Source Software, 81. 209 Vgl. MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 211.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
50
entsprechende Klausel, dann richtet sich der Zeitpunkt des Zustandekommens
des Vertrages nach diesen Bestimmungen.
Enthält der OSS-Lizenzvertrag keine diesbezügliche Bestimmung (z.B. MIT-
Lizenz), fragt sich, zu welchem Zeitpunkt der Lizenzvertrag zustande kommt.
Open-Source-Software ist urheberrechtlich geschützt (vgl. N 115 f.), das heisst
der Urheber kann grundsätzlich bestimmen, ob, wann und wie sein Werk
verwendet werden darf (Art. 10 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz, URG210), wobei
gesetzliche Schranken für die Zustimmung vorgesehen sind. Gemäss dem
Erschöpfungsgrundsatz in Art. 12 Abs. 2 URG darf der Erwerber der Software
diese nutzen und weiterveräussern, wenn der Urheber ihm diese Software
veräussert hat oder der Veräusserung zugestimmt hat.211 Unter bestimmungs-
gemässer Gebrauch wird gem. Art. 17 Urheberrechtsverordnung (URV)212 die
bestimmungsgemässe Verwendung des Programms sowie dazugehörige
Handlungen (laden, anzeigen, ablaufen, übertragen oder speichern etc.)
erwähnt; es handelt sich dabei um das sog. Gebrauchsrecht.213 Bei Open-
Source-Software wird unter bestimmungsgemässem Gebrauch von der
regulären Nutzung (inkl. dem Herunterladen und Kopieren) der Software
ausgegangen, wobei die Weiterentwicklung und Weiterveräusserung nicht
darunter fallen.214 Sofern also der Erwerber die Open-Source-(Blockchain)-
210 Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
(Urheberrechtsgesetz, URG) vom 9. Oktober 1992, SR 213.1. 211 BARRELET/EGLOFF, URG-KOM, Art. 12 N 12. 212 Verordnung über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
(Urheberrechtsverordnung, URV) vom 26. April 1993, SR 231.11. 213 Das Gebrauchsrecht enthält einen zwingenden Kern, welcher die
Installation auf dem Arbeitsspeicher und die damit verbundene
Vervielfältigung sowie Speicherung umfasst, damit der Nutzer die
Software überhaupt benützen kann. Für weitere bestimmungsgemässe
Elemente ist sodann eine Einzelfallbetrachtung der jeweiligen Software
von Nöten. Vgl. ausführlich zum Gebrauchsrecht FRÖHLICH-BLEULER,
Softwareverträge, N 146 ff. 214 FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 1854, 1857; JAEGER/
METZGER, Open Source Software, N 182.
129
Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
51
Software bestimmungsgemäss nutzt, ist davon auszugehen, dass für diese
Nutzung kein Lizenzvertrag mit dem Urheber zustande kommt.
OSS-Lizenzen sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
ausgestaltet.215 AGB sind einseitig vorformulierte Vertragsbedingungen, die
nicht verhandelt werden können und sich so von einer Individualabrede
unterscheiden.216 AGB müssen, wie jeder andere Vertrag auch, vom Konsens
beider Vertragsparteien getragen sein, d.h. sie müssen angenommen werden.217
Bei AGB gilt die Global- oder Vollübernahme, je nachdem ob die
akzeptierende Vertragspartei die AGB tatsächlich gelesen, verstanden und
akzeptiert hat (Vollübernahme) oder die Möglichkeit bestand, den Inhalt mit
zumutbarem Aufwand zu konsultieren, dieser jedoch ungelesen übernommen
wird (Globalübernahme).218 Bei elektronischem Vertragsschluss muss überdies
die Möglichkeit bestehen, die AGB herunterzuladen, abzuspeichern und
auszudrucken.219 Diese Erfordernisse müssen auch bei jeder Blockchain-OSS-
Lizenz erfüllt sein, damit ein OSS-Lizenzvertrag gültig zustande kommen
kann.
d) Vertragstypologie
Der OSS-Lizenzvertrag ist (wie allgemein der Lizenzvertrag) nicht gesetzlich
geregelt. Verträge, die weder im Besonderen Teil des Obligationenrechts (OR
BT) noch in einem Spezialgesetz geregelt sind, werden Innominatverträge
genannt. Dabei wird zwischen gemischten Verträgen und Verträgen sui generis
215 FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 1866; JAEGER/METZGER, Open
Source Software, N 179. 216 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1117; KRAMER/
PROBST/PERRIG, AGB, N 73; SCHWENZER, OR AT, N 44.01. 217 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1128; KRAMER/
PROBST/PERRIG, AGB, N 86; SCHWENZER, OR AT, N 45.01. 218 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1128c;
KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 86 f.; SCHWENZER, OR AT,
N 45.01 ff. 219 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1135c; KRAMER/
PROBST/PERRIG, AGB, N 90; SCHWENZER, OR AT, N 45.06a; WEBER, E-
Commerce, 350.
130
131
Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
52
unterschieden, wobei letztere Elemente enthalten, die in keinem gesetzlichen
Vertragstyp vorkommen.220
Standard-Softwarelizenzverträge stellen im Schweizer Recht
Innominatkontrakte dar, auch wenn sie zwischenzeitlich als „konstituiert“
angesehen werden können.221 Dabei werden je nach Typus Elemente des
Pacht-, Miet-, Werkvertrag- und/oder Kaufrechts herangezogen.222 Bei der
vertragsrechtlichen Einordnung von Standard-Softwareverträgen gibt es in der
Lehre grundsätzlich zwei Meinungen. Ein Teil der Lehre plädiert für die
konsequente Anwendung von Lizenzvertragsrecht223, da es sich bei Software
um ein immaterielles Gut handle und daher lediglich Nutzungsbefugnisse
eingeräumt werden können.224 Der andere Teil der Lehre spricht sich hingegen
für die Anwendung von Kaufrecht aus, da der Parteiwille sich jeweils auf einen
einmaligen und dauerhaften Leistungsaustausch beziehe, man sich demgemäss
also auf einen Kauf einige.225 Der EuGH hat sich bezüglich Standard-Software
für die Anwendung von Kaufrecht ausgesprochen.226
220 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, 296 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, 252; SCHWENZER, OR AT, 3.16. 221 HILTY, Softwarevertrag, 62 ff. m.w.H.; MORSCHER/DORIGO, Software-
Lizenzverträge, 19 f.; WEBER, Open Source Software, 78. 222 MORSCHER/DORIGO, Software-Lizenzverträge, 29 ff. 223 Der Lizenzvertrag wird in mehreren Gesetzen erwähnt, jedoch nicht näher
definiert. In der Lehre wird der Lizenzvertrag als Vertrag umschrieben, in
dem sich der Lizenzgeber verpflichtet, dem Lizenznehmer ein
Immaterialgut zu Gebrauch und Nutzung zu überlassen, in der Regel
gegen eine Lizenzgebühr: AMSTUTZ/MORIN, BSK OR I, Einl. vor Art. 184
N 238; PROBST, der Lizenzvertrag, N 4; WEBER, Freie Software, 50 f. 224 HILTY, Rechtsnatur Softwarevertrag, 626; MORSCHER/DORIGO, Software-
Lizenzverträge, 29; WEBER, Open Source Software, 79; WIDMER,
Softwarepflegevertrag, 76. 225 Für eine Übersicht über den Meinungsstand ADLER, Rechtsfragen der
Softwareüberlassung, 27 ff. m.w.H.; FRÖHLICH-BLEULER, Software-
verträge, N 1643 ff.; MORSCHER/DORIGO, Software-Lizenzverträge, 30. 226 Urteil EuGH vom 3. Juli 2012, C-128/11, UsedSoft.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
53
Der OSS-Lizenzvertrag stellt wie der Standard- Softwarelizenzvertrag einen
Innominatkontrakt dar.227 Im Gegensatz zu Standard-Softwarelizenzverträgen
ist bei einem OSS-Lizenzvertrag keine Vergütung (Gegenleistung) vorgesehen
und auch die Verpflichtung, eine allfällige Weiterentwicklung ebenfalls
kostenlos zur Verfügung zu stellen, ist atypisch für einen gewöhnlichen
Softwarelizenzvertrag.228 Aufgrund der fehlenden Entgeltlichkeit fallen die bei
einem gewöhnlichen Softwarelizenzvertrag angenommenen Elemente des
Kauf-, Miet-, Pacht- oder Werkvertrages bei einer OSS-Lizenz ausser
Betracht.229
OSS-Lizenzen sind bezüglich der Einräumung von Rechten und Pflichten sehr
unterschiedlich ausgestaltet und können daher nicht über einen Leisten
geschlagen werden.230 Charakteristisches Merkmal jeder OSS-Lizenz ist
jedoch die Unentgeltlichkeit. Für die Analogieschlüsse zu Nominatkontrakten
kommen daher nur diejenigen Verträge in Betracht, die die Unentgeltlichkeit
als typisierendes Element beinhalten oder ein solches nicht ausschliessen. In
Frage kommen daher die Schenkung, die Leihe oder der einfache Auftrag.
Vorfrageweise ist zu prüfen, ob überhaupt ein vertragliches Verhältnis vorliegt
oder allenfalls eine blosse Gefälligkeit.
aa) Gefälligkeit
Im Gegensatz zu einem Schuldvertrag besteht bei einer Gefälligkeit keinerlei
Verpflichtung, diese zu erbringen.231 Die Gefälligkeit ist laut Bundesgericht im
Gegensatz zum Vertrag unentgeltlich, uneigennützig und erfolgt bei
Gelegenheit, ohne dass eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Leistungs-
erbringung besteht.232 Die Gefälligkeit hat demgemäss ein altruistisches
227 WEBER, Freie Software, 46 ff. 228 WEBER, Freie Software, 51 f.; WEBER, Open Source Software, 78. Zum
Softwarelizenzvertrag siehe HILTY, Softwarevertrag, 75 ff.; MORSCHER/
DORIGO, Software-Lizenzverträge, 18 ff. 229 WEBER, Freie Software, 52. 230 Vgl. die umfassende Übersicht über die Ausgestaltung der einzelnen
Lizenzen bei JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 25 ff. 231 HÜRLIMANN-KAUP, privatrechtliche Gefälligkeit, N 108. 232 BGE 137 III 539 E. 4.1 S. 542 m.w.V.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
54
Merkmal.233 Ob eine Gefälligkeit oder ein Vertrag vorliegt, muss jeweils nach
dem Willen der Parteien und dem Vertrauensprinzip ermittelt werden.234 Dafür
werden die Umstände des Einzelfalls betrachtet, namentlich die Art der
Leistung, der Grund und Zweck, die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung,
die Umstände, nach denen sie erbracht wurde und schliesslich die
Interessenslage der Parteien.235 Ein Bindungswille der Parteien wird verneint
bei Gefälligkeitshandlungen des täglichen Lebens, bei Zusagen im rein
gesellschaftlichen Verkehr oder bei ähnlichen Vorgängen.236
OSS-Lizenzen sind zwar unentgeltlich, jedoch ist ein altruistischer Charakter
aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung von OSS-Lizenzen klar zu
verneinen.237 Auch kann die Nutzung oder die Weiterverbreitung einer
Software, die unter einer OSS-Lizenz „erworben“ wurde, nicht einer
Gefälligkeitshandlung im täglichen Leben, dem gesellschaftlichen Verkehr
oder einem ähnlichen Vorgang zugeordnet werden. OSS-Lizenzverträge sind
gerichtlich durchsetzbar, was ebenfalls einer Qualifikation als Gefälligkeit
widerspricht.238
bb) Schenkung
Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, womit jemand aus dem
Vermögen eines anderen ohne entsprechende Gegenleistung bereichert wird
(Art. 239 Abs. 1 OR). Dazu benötigt der Schenker eine Schenkungsabsicht
gegenüber dem Beschenkten, ohne dafür eine Gegenleistung erhalten zu
wollen (subjektives Element) und der Beschenkte muss aus dem Vermögen des
233 WEBER, BSK OR I, Art. 419 N 9a. 234 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 353b. 235 BGE 137 III 539 E. 4.1 S. 542; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER,
OR AT, N 353b; SCHWENZER, OR AT, N 4.46. 236 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 353b; SCHWENZER,
OR AT, N 4.47. 237 Vgl. WEBER, Freie Software, 53; WEBER, Open Source Software, 77. 238 FRÖHLICH-BLEULER, Open Source Compliance, N 16 ff.; POLEDNA/
SCHLAURI/SCHWEIZER, Open Source Software in der öffentlichen
Verwaltung, N 100.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
55
Schenkers bereichert werden (objektives Element).239 Der Wert der
geschenkten Sache sowie das Motiv sind unerheblich.240
In der deutschen Lehre wird bei OSS-Lizenzen teilweise von einer direkten
oder analogen Anwendung des Schenkungsrechts ausgegangen.241 In der
Schweizer Lehre sind die Meinungen geteilt. Während teilweise der deutschen
Lehre gefolgt und die Anwendung von Schenkungsrecht als gerechtfertigt
angesehen wird,242 verneint ein anderer Teil der Lehre eine analoge
Anwendung von Schenkungsrecht.243 So zweifelt WEBER bei einer
schenkungsrechtlichen Qualifizierung am altruistischen Charakter von
Nutzungsrechten bei Open-Source-Software; die Entwickler der Software
würden regelmässig von einer gesteigerten Wertschöpfung (Pflege- und
Wartungsfolgeaufträge) profitieren und auch strategische Zwecke seien nicht
ausser Acht zu lassen.244 Gegen die Annahme von Schenkungsrecht sprechen
auch die unterschiedlichen Auflagen und Verpflichtungen in den OSS-
Lizenzen, wie bspw. ein strenges Copyleft (N 115) oder die Beendigungs-
klauseln bei Nichteinhaltung von Lizenzbestimmungen. Gemäss Art. 245 OR
können Schenkungen mit Auflagen verbunden werden, doch ist hier WEBERS
Ansicht, das Auflagenkonzept der Schenkung würde bei einer Anwendung auf
Open-Source-Software zu stark strapaziert, zuzustimmen: Ein Rückfall der
Schenkung bei Nichteinhaltung der Auflage ist bei Open-Source-Software
nicht möglich und die bedingungsgemässe Leistung (Zurverfügungstellung
allfälliger Weiterentwicklungen unter gleichen Bedingungen) erfolgt nicht aus
239 VOGT/VOGT, BSK OR I, Art. 239 N 1. 240 VOGT/VOGT, BSK OR I, Art. 239 N 1. 241 JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 205 ff.; MARLY,
Softwarerecht, N 961 ff.; REDEKER, IT-Recht, N 595a ff. 242 FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge, N 1879; POLEDNA/SCHLAURI/
SCHWEIZER, Open Source Software in der öffentlichen Verwaltung,
N 113; WEBER, Open Source Software, 89 (nur für Haftungsfragen bei
isolierter Betrachtung der Einräumung von Nutzungsrechten). 243 WEBER, Open Source Software, 77 f.; für das dt. Recht KOCH, Open
Source Software, 335; SESTER, Open Source Software, 799. 244 WEBER, Freie Software, 53; WEBER, Open Source Software, 77.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
56
der Schenkung selbst.245 Des Weiteren fehlt es am Element der Entreicherung
des Schenkers, da die proprietären Rechte beim Urheber verbleiben und durch
die Nutzungsrechte des Quellcodes keine Vermögensverminderung
stattfindet.246 Zudem fehlt im Falle von Open-Source-Software das
Schrifterfordernis, sollte es eine Handschenkung darstellen.247
cc) Leihe
Obwohl die Leihe zwingend unentgeltlich ist, fällt eine entsprechende
Subsumierung der OSS-Lizenz aufgrund der fehlenden Rückgabe nach
erfolgter Nutzung an den Leihgeber sowie der Verpflichtung, eine allfällige
Weiterentwicklung ebenfalls kostenlos zur Verfügung zu stellen, ausser
Betracht.248
dd) Einfacher Auftrag
Die Unentgeltlichkeit der Open-Source-Software würde dem Wesen eines
einfachen Auftrages gem. Art. 394 ff. OR nicht widersprechen, da eine
Vergütung nicht zwingend vorgesehen ist (Art. 394 Abs. 1 OR). Der einfache
Auftrag umfasst eine Arbeitsleistung und der Beauftragte hat eine bestimmte
Tätigkeit zu erbringen.249 Wesensmerkmale des einfachen Auftrages sind die
Treuepflicht, ein besonderes Vertrauensverhältnis und ein Persönlichkeits-
bezug.250 Der Beauftragte ist verpflichtet, das ihm übertragene Geschäft
vertragsgemäss zu besorgen.
Bei der OSS-Lizenz kommt als Tätigkeit i.S. des einfachen Auftrages die
Nutzung der Software, eine allfällige Weiterentwicklung derjenigen sowie der
kostenlose (Weiter-)Vertrieb (inkl. der Weiterentwicklung) in Frage. Die
Treuepflicht sowie das besondere Vertrauensverhältnis und ein
Persönlichkeitsbezug sind hingegen schwer zuzuordnen, da OSS-Lizenzen im
Netz frei verfügbar sind und sich an einen offenen Personenkreis richten.
245 WEBER, Freie Software, 54. 246 Vgl. VOGT/VOGT, BSK OR I, Art. 239 N 1. 247 Zum Formerfordernis vgl. VOGT/VOGT, BSK OR I, Art. 243 N 1 ff. 248 Zur Leihe SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK OR I, Art. 305 OR N 1 ff.;
WEBER, Freie Software, 52 f.; WEBER, Open Source Software, 77. 249 FELLMANN, BK OR, Art. 394 N 35; WEBER, BSK OR I, Art. 394 N 1. 250 WEBER, BSK OR I, Art. 394 N 3.
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Zwischen dem Urheber und dem Nutzer (oder Weiterentwickler) besteht kein
persönliches Verhältnis; meist hat der Urheber keine Kenntnis davon, wer seine
unter einer OSS-Lizenz zur Verfügung gestellte Software nutzt,
weiterentwickelt oder weitervertreibt.
ee) Zwischenfazit
Trotz des charakterisierenden Merkmals der Unentgeltlichkeit kann die OSS-
Lizenz keinem gesetzlichen Vertragstyp zugeordnet werden, als
charakteristisches Merkmal ebenfalls die Unentgeltlichkeit beinhaltet oder eine
solche zumindest nicht ausschliesst. Es ist daher von einem unentgeltlichen
Lizenzvertrag auszugehen; die analoge Anwendung von Schenkungsrecht,
Bestimmungen über die Leihe oder des einfachen Auftrages sind abzulehnen.
e) Weitere Vertragsbestandteile
OSS-Lizenzen enthalten in der Regel Auflagen, die insbesondere mit der
Weiterverbreitung und Weiterentwicklung der Software zusammenhängen,
Beendigungsklauseln im Falle der Nichteinhaltung der Auflagen sowie
umfassende Gewährleistungs- und Haftungsausschlüsse.
aa) Bedingung / Auflage
OSS-Lizenzen haben gemeinsam, dass ein Weitervertrieb der Software
grundsätzlich erlaubt ist; dies meist unter der Auflage, dass die
Weiterentwicklung oder der Weitervertrieb unter den gleichen Bedingungen
gewährleistet wird, zu denen die Lizenz erworben wurde (sog. Copyleft, vgl.
N 115 f.). Die Folge der Nichteinhaltung solcher Auflagen ist meist die
Beendigung des Lizenzvertrages. Diese Bestimmungen sind grundsätzlich
gerichtlich durchsetzbar, wobei in der Schweiz noch kein entsprechendes
Urteil vorliegt.251
251 Vgl. FRÖHLICH-BLEULER, Open Source Compliance, N 16 ff.; JAEGER/
METZGER, Open Source Software, 151 f. (m.H. auf dt. sowie US-
amerikanische Urteile); POLEDNA/SCHLAURI/SCHWEIZER, Open Source
Software in der öffentlichen Verwaltung, N 100.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
58
bb) Haftungs- und Gewährleistungsausschlüsse
OSS-Lizenzen sind, wie bereits erwähnt, als AGB ausgestaltet (N 130) und
enthalten umfassende Haftungs- und Gewährleistungsausschlüsse. Daneben
sind teilweise (salvatorische) Klauseln anzutreffen, die bezüglich
Freizeichnung subsidiär auf das anwendbare nationale Recht verweisen, sollten
umfassende Freizeichnungen im nationalen Recht nicht gültig sein (z.B.
Ziff. 17 GNU-GPL-3.0).252
Freizeichnungsklauseln in AGB sind dann unzulässig, wenn sie gegen die
Bestimmungen von Art. 100 OR verstossen, das heisst, wenn sie eine Haftung
auch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausschliessen (Art. 100 OR).253 Die
Rechtsfolge von solchen Bestimmungen ist die Nichtigkeit (Art. 100 Abs. 1
OR).254 Die Nichtigkeit betrifft in der Regel nur die entsprechende
Bestimmung und nicht den ganzen Vertrag (Teilnichtigkeit), ausser es handelt
sich bei dieser Bestimmung um das Kernstück des Vertrages.255 Die nichtige
Freizeichnungsklausel wird auf das gesetzlich erlaubte Mass reduziert, d.h. es
besteht eine Haftung und Gewährleistung für Absicht und grobe
Fahrlässigkeit.256 Anders verhält es sich dann, wenn die in den AGB
verankerten Freizeichnungsklauseln zulasten einer schwächeren Partei gehen;
in diesen Fällen wird eine geltungserhaltende Reduktion von einem Teil der
Lehre abgelehnt.257 OSS-Lizenzverträge sind zwar als AGB ausgestaltet, doch
kann hier nicht von einer stärkeren Position der Urheber ausgegangen werden,
da den Nutzern einerseits freisteht, andere Software zu nutzen und diese im
Alltag nicht unersetzlich ist und andererseits kostenlos zur Verfügung steht.
252 Vgl. JAEGER/METZGER, Open Source Software, N 221. 253 KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 279, 530; WIEGAND, BSK OR I, Art.
100 N 3 ff. 254 KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 530; WEBER, BK OR, Art. 100 N 156;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 100 N 3. 255 WEBER, BK OR, Art. 100 N 156. 256 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3082; WEBER, BK
OR, Art. 100 N 156; WIEGAND, BSK OR I, Art. 100 N 4. 257 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3082; SCHWENZER,
OR AT, N 32.45.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
59
Dem Erwerber werden durch die OSS-Lizenz weitergehende Befugnisse
eingeräumt und nicht eingeschränkt.
Die Freizeichnungsklausel in den OSS-Lizenzverträgen ist in Anwendung von
Schweizer Recht also ungültig; es besteht demgemäss keine Freizeichnung für
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.
3. Fazit
Open-Source-Software ist ein Gegenkonzept zu Standard-Software und räumt
dem Erwerber umfangreiche und weitgehende Nutzungs-, Vervielfältigungs-,
Weiterentwicklungs- und Weiterverbreitungsrechte ein. Blockchain-Software
wird fast ausschliesslich open source entwickelt. Open-Source-Software wird
grundsätzlich lizenziert, wobei dieser OSS-Lizenzvertrag einen Innominat-
vertrag darstellt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein OSS-
Lizenzvertrag unentgeltlich und teilweise mit Auflagen versehen ist und
umfangreiche Nutzungs- und Weiterverarbeitungsbefugnisse unter Ausschluss
von Haftungs- und Gewährleistungsansprüchen erteilt. Trotz des
charakteristischen Merkmals der Unentgeltlichkeit ist ein Analogieschluss zu
Nominatverträgen nicht angezeigt; auch die Anwendung von Schenkungsrecht
ist aufgrund der besonderen Ausgestaltung der Lizenzverträge abzulehnen.
Es ist daher von einem unentgeltlichen Softwarelizenzvertrag auszugehen. Es
sind die von der Lehre entwickelten Grundsätze des Softwarelizenzvertrags-
rechts sowie die Allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts
heranzuziehen.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
60
III. Blockchain als Plattform
Wird die Blockchain als Plattform verwendet, stellt sie die Infrastruktur dar,
auf der Daten gespeichert werden. Diese Infrastruktur kann entweder durch ein
reines P2P-Netzwerk betrieben werden oder als Betriebsplattform (operativer
Dienst) eines Anbieters ausgestaltet sein.258 Ist die Blockchain als operativer
Dienst eingerichtet, der von einem Anbieter zur Verfügung gestellt wird, dann
orientieren sich die vertraglichen Verhältnisse am jeweiligen Plattformvertrag.
Auf dieses Verhältnis wird in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen,
weil es einerseits eine neuere Erscheinung darstellt und andererseits bei
privaten Blockchains die vertraglichen Verhältnisse mannigfaltig ausgestaltet
sein können; eine entsprechende Abhandlung würde den Umfang dieser Arbeit
sprengen. Wird die Plattform jedoch von einem P2P-Netzwerk betrieben – wie
dies bei öffentlichen Blockchains der Fall ist –, dann ist zu prüfen, wie ein
solches P2P-Netzwerk aus einer Schweizer Perspektive zivilrechtlich
eingeordnet werden kann.
Wie bereits die ausführlichen Diskussionen zum Internet zeigten, sind
weltweite und dezentrale P2P-Netzwerke nur schwer fassbar. Das hat u.a. dazu
geführt, dass Verantwortlichkeiten dort angeknüpft werden, wo ein Zugang
zum Netzwerk gewährt wird. Dies geschieht im Falle des Internet über
Provider. Es wurden verschiedene Provider-Kategorien geschaffen, um je nach
Konstellation die Verantwortlichkeit zu eruieren. Da die Blockchain als
dezentrales P2P-Netzwerk ebenso schwer fassbar ist, ist zu prüfen, ob auch hier
(zivilrechtliche) Verantwortlichkeiten dort angeknüpft werden müssen, wo der
Zugang zu diesem Netzwerk ermöglicht wird.
258 BURGWINKEL, Blockchain Technology, 10 f.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
61
1. P2P-Netzwerk
Nachfolgend wird das P2P-Netzwerk begrifflich eingeführt und seine
Eigenschaften dargelegt.
a) Begriff
In das Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit rückten P2P-Netzwerke durch
die Verbreitung des kostenlosen Filesharing (damals v.a. MP3-Musikdateien),
welches weltweit betrieben werden konnte. Bekannte Beispiele für P2P-
Netzwerke waren in den 90ern und anfangs der 2000er Jahre Napster259 und
Gnutella260. Auch das Internet war in seiner ursprünglichen Ausgestaltung ein
P2P-Netzwerk.261 Bei einem P2P-Netzwerk sind mehrere gleichberechtigte
Nutzer (Endgeräte) miteinander direkt über ein Datennetz verbunden.262 Im
Unterschied zu den Client-Server-Diensten zeichnen sich P2P-Netzwerke
durch eine bessere Skalierbarkeit (z.B. effizientes Wachstum in grossen
Dimensionen), mehr Sicherheit und Verlässlichkeit (zensurresistente
Speicherung sowie Schutz vor Angriffen auf zentrale Dienste) und mehr
Flexibilität aus.263 Die Nutzung erfolgt ohne zentrale Koordination und der
259 Napster Inc., bot die ursprüngliche Software zum kostenlosen Austausch
von MP3 Musikdateien an; aufgrund von Urheberrechtsverletzungen und
Klagen durch die Musikindustrie stellte die Plattform den Dienst 2002
definitiv ein; vgl. A&M Records Inc. v. Napster Inc., 239 F.3d, 1004 (9th
Cir. 2001). 260 Gnutella, als eines der beliebtesten dezentralen P2P-Netzwerke, gibt es in
der ursprünglichen Form nicht mehr. Das Netzwerk wurde benutzt, um
vielerlei Daten (nicht nur MP3) direkt zwischen den Nutzern
auszutauschen. 261 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 171. 262 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 171; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 95; CREUTZ, virtuelle Welten, 9; SIXT, Transaktions-
systeme, 13. 263 ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 44; STEINMETZ/WEHRLE, Peer-
to-Peer-Networking, 51.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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Zugriff auf die erforderlichen Betriebsmittel (z.B. Speicherplatz,
Rechenleistung) erfolgt direkt zwischen den Teilnehmern.264
Bei P2P-Netzwerken kann zwischen zentralisierten und dezentralisierten
Netzwerken unterschieden werden.265 Bei zentralisierten Netzwerken laufen
die Suchanfragen der Netzwerkteilnehmer über einen Server. Dieser speichert
zwar selbst keine Daten, vermittelt aber zwischen den Teilnehmern. Bei einem
dezentralen P2P-Netzwerk existiert keine Zentraleinheit; die Teilnehmer sind
untereinander direkt vernetzt.266 Rechtlich betrachtet fanden P2P-Netzwerke
meist im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen Beachtung (vgl.
N 157).267 In öffentlichen Blockchains werden für die Aufrechterhaltung der
Infrastruktur dezentralisierte P2P-Netzwerke eingesetzt.268
b) Eigenschaften
Ein P2P-System zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:
• Jeder Knotenpunkt (Endgerät, Nutzer) stellt Ressourcen zur Verfügung
und nutzt Ressourcen, wie bspw. Rechenleistung, Speicherkapazität,
Bandbreite;
• Das Netzwerk ist dynamisch; es können jederzeit Knotenpunkte
hinzukommen oder wegfallen, die „Mitgliedschaft“ ist dynamisch
ausgestaltet, was sich auf die Stabilität und Robustheit des Netzwerkes
auswirkt;
• Die einzelnen Mitglieder des Netzwerkes sind i.d.R. autonom, d.h. sie
entscheiden selbst, ob und wie lange sie in einem P2P-Netzwerk bleiben
und welche Ressourcen sie zur Verfügung stellen;
264 STEINMETZ/WEHRLE, Peer-to-Peer-Networking, 52. 265 ENGELHARDT, Urheberrechtsverletzungen, 26; SIXT, Transaktions-
systeme, 13. 266 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 171; ENGELHARDT, Urheberrechts-
verletzungen, 26 f. 267 Siehe ausführlich dazu ENGELHARDT, Urheberrechtsverletzungen, 190 ff. 268 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 171; BERENTSEN/SCHÄR, Krypto-
assets, 95; SIXT, Transaktionssysteme, 13.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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• P2P-Netzwerke sind oft als Overlay Network des Internet ausgestaltet, d.h.
das Internet gewährleistet den Zugriff und die Verbindung zwischen den
einzelnen Knotenpunkten.269
2. Gesellschaftsrechtliche Aspekte eines P2P-
Blockchain-Netzwerkes
Am Anfang eines P2P-Blockchain-Netzwerks steht die Entwicklung der
entsprechenden Software. Wenn der Entwickler diese unter einer OSS-Lizenz
veröffentlicht hat, dann richtet sich das vertragliche Verhältnis zwischen den
einzelnen Nutzern und dem Entwickler nach diesen Lizenzbestimmungen (vgl.
vorhergehend N 122 ff.). Durch diese Open-Source-Software sind die Nutzer
in der Lage, sich als P2P-Netzwerk zu konstituieren.
Bis anhin wurden P2P-Netzwerke insbesondere im Zusammenhang mit der
Verletzung von Urheberrechten (z.B. Austausch urheberrechtlich geschützter
Werke wie Filme oder Musik) einer genaueren rechtlichen Betrachtung
unterzogen.270 Als bekanntestes Beispiel ist das Verfahren gegen Napster zu
269 EFFELSBERG/STEINMETZ/LEHN, Peer-to-Peer Systems, 4; vgl. BGer Urteil
6B_757/2010 vom 7. Februar 2011, E.1, S. 3 (Verletzung von
Urheberrechten, Gehilfenschaft); vgl. ANTONOPOULOS, Mastering
Bitcoin, 139 f. 270 Bei Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer eines P2P-Netzwerkes
stellen sich in der Schweiz folgende Probleme: Pflichten zur Verhinderung
von Urheberrechtsverletzungen, wie sie bspw. Hosting- oder
Accessprovider haben (zur Providerhaftung vgl. RIGAMONTI, Provider-
haftung, 119 ff.), sind gegenüber P2P-Netzwerken nicht durchsetzbar, da
sie eine dezentrale und weltweit verteilte Struktur aufweisen (N 24). Ein
direktes Vorgehen gegen die einzelnen Nutzer gestaltet sich aufgrund der
fehlenden Identifikation als schwierig; eine gezielte Auswertung von IP-
Adressen ist seit dem Logistep-Urteil (BGE 136 II 508; Logistep hat IP-
Adressen von P2P-Netzwerken ausgewertet, um betroffenen
Urheberrechtsinhabern die Verfolgung ihrer Ansprüche ermöglichen zu
können) aus datenschutzrechtlichen Gründen (derzeit) nicht möglich (vgl.
RIGAMONTI, Providerhaftung, 129 f.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
64
nennen.271 Bei der Beurteilung der urheberrechtlichen Problemstellungen
wurde die Frage, wie die Gemeinschaft der Knotenpunkte (zivil)rechtlich
einzuordnen ist, jeweils ausser Acht gelassen. Dies liegt nicht zuletzt daran,
dass ein P2P-Netzwerk in seiner dezentralen und globalen Ausgestaltung in
juristischen Kategorien nur sehr schwer fassbar ist. Ein P2P-Blockchain-
Netzwerk ist unbestrittenermassen eine Art Gemeinschaft. Nachfolgend wird
nun geprüft, ob ein solches Netzwerk einer dem Schweizer Recht bekannten
Gesellschaftsform zugeordnet werden kann.
a) Körperschaft
Eine Qualifikation als juristische Person des Schweizer Rechts kommt für ein
P2P-Netzwerk nicht in Frage: Für Körperschaften gibt es einen numerus
clausus der möglichen Gesellschaftsformen.272 Sie müssen eine gewisse
organisatorische Struktur (verschiedene Organe) aufweisen und gewisse
zwingende Bestimmungen zur Gründung einer solchen Gesellschaft
einhalten.273 So sind bspw. Kapitalgesellschaften ohne (menschliche, nicht
computergenerierte) Oberleitung nicht zulässig.274 Ein P2P-Netzwerk basiert
in der Regel auf der Gleichberechtigung aller beteiligten Parteien: es gibt keine
Organe. Zwingende Bestimmungen zur Gründung einer Körperschaft sind
aufgrund der Natur eines solchen Netzwerkes zu verneinen.
b) Personengesellschaft
Nebst Körperschaften gibt es auch Personengesellschaften. Diese sind, wie es
der Name schon sagt, personenbezogen ausgestaltet und besitzen im Gegensatz
zu Körperschaften keine eigene Rechtspersönlichkeit.275 Die Grundformen der
271 A&M Records Inc. v. Napster Inc., 239 F. 3d, 1004 (9th Cir. 2001). 272 AG (Art. 620 ff. OR), Kommandit-AG (Art. 764 ff. OR), GmbH (Art. 722
ff. OR), Genossenschaft (Art. 828 ff. OR), Verein (Art. 60 ff. ZGB),
SICAV (Art. 26 ff. KAG) oder SICAF (Art. 110 ff. KAG). 273 Vgl. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §2 N 49 ff. 274 BAYERN U.A., Gesellschaftsrecht und autonome Systeme, 194; JUNG, ZK
OR, Art. 625 N4 und 36. 275 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §2 N 81; VONZUN,
Personengesellschaft, N 393 ff.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
65
Personengesellschaften sind die einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR), die
Kollektivgesellschaft (Art. 522 ff. OR) sowie die Kommanditgesellschaft
(Art. 594 ff. OR). Daneben existiert die Spezialform der Kommandit-
gesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (Art. 98 ff. KAG).276 Die
Kommandit- und die Kollektivgesellschaft sind Handelsgesellschaften mit dem
Zweck des Betriebes eines kaufmännisch geführten Gewerbes.277 Diese
Zweckbestimmung trifft auf ein P2P-Netzwerk, insbesondere ein P2P-
Blockchain-Netzwerk, nicht zu; diese beiden Gesellschaftsformen sind folglich
auszuschliessen. Gleich verhält es sich mit der Kommanditgesellschaft für
kollektive Kapitalanlagen, deren einziger Zweck die kollektive Kapitalanlage
ist (vgl. Art. 98 Abs. 1 KAG).
Die einfache Gesellschaft ist die Grundform der Personengesellschaften und
dient als Auffangbecken, wenn keine andere Gesellschaftsform zum Tragen
kommt.278 Sie wird in der Folge genauer untersucht.
c) Einfache Gesellschaft
Wie erwähnt ist die einfache Gesellschaft eine vertragliche
Personengemeinschaft, deren Regelungen subsidiär zur Anwendung gelangen,
wenn andere Gesellschaftsformen ausgeschlossen werden können.279 Eine
einfache Gesellschaft ist gem. Art. 530 Abs. 1 OR die Verbindung von zwei
oder mehr Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes mit
gemeinsamen Mitteln oder Kräften.
aa) Zwei oder mehr Personen
Erforderlich für die Gründung einer einfachen Gesellschaft sind zwei oder
mehr Personen, wobei juristische Personen Teil einer einfachen Gesellschaft
276 Vgl. DU PASQUIER/POSKRIAKOV, BSK KAG, Art. 98 N 1 ff.; JUNG/KUNZ/
BÄRTSCHI, Gesellschaftsrecht, §7 N 3. 277 JUNG/KUNZ/BÄRTSCHI, Gesellschaftsrecht, §7 N 39. 278 FELLMANN/MÜLLER, BK OR, Art. 530 N 133; MEIER-HAYOZ/
FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §12 N 34. 279 FELLMANN/MÜLLER, BK OR, Art. 530 N 27 ff. und 133; MEIER-
HAYOZ/FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §12 N 34; SCHÜTZ, SHK OR,
Art. 530 N 1.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
66
sein können.280 In einem P2P-Blockchain-Netzwerk sind mehrere Akteure
involviert. Es sind dies die unterschiedlichen Knotenpunkt-Betreiber, d.h. die
Nutzer (N 99 f.), die Miner (N 101 ff.) und/oder die Wallet-Anbieter (N 104
ff.).281 Daneben können noch weitere Parteien involviert sein, wie bspw.
Börsen oder andere Handelsplätze. Bei einem P2P-Blockchain-Netzwerk sind
in der Regel zwei oder mehr Parteien involviert.
bb) Vertragsmässige Verbindung
Die vertragliche Verbindung der Parteien muss nicht bewusst erfolgen; es kann
auch Teil einer einfachen Gesellschaft werden, wer sich dessen nicht bewusst
ist.282 Zwingend ist jedoch der Rechtbindungswille mindestens einer Partei.
Einen beidseitig unbewussten und ungewollten Vertragsschluss gibt es nicht.283
Die Verbindung zur einfachen Gesellschaft kann formfrei zustande
kommen.284 Inhaltlich besteht die vertragliche Vereinbarung aus der Einigung
über die Zweckverfolgung und der Beitragspflicht.285
Die Abgrenzung zu Austauschverhältnissen oder zu Personenverbindungen
ohne rechtlichen Bindungswillen (lose Gesellschaft) ist nicht evident. Lose
Gesellschaften ohne Bindungswillen werden als kurzfristige Verbindung
geselligen Charakters umschrieben.286 Hier ist jeweils eine Einzelbetrachtung
erforderlich, wobei als Abgrenzungskriterien auch die Art des Projektes sowie
dessen wirtschaftliche Bedeutung heranzuziehen sind.287
280 HANDSCHIN, BSK OR II, Art. 530 N 3. 281 Vgl. für das Bitcoin-Netzwerk ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin,
172 ff. 282 HANDSCHIN, BSK OR II, Art. 530 N 2. BGer Urteil 4A_27/2008 vom
9. Mai 2008 E. 2.3. 283 BGer Urteil 4C.24/2000 vom 28. März 2000 E. 3d; FELLMANN/MÜLLER,
BK OR, Art. 530 N 61 und 440 ff; HANDSCHIN, BSK OR II, Art. 530 N 2. 284 HANDSCHIN, BSK OR II, Art. 530 N 2; VONZUN, Personengesellschaft,
N 506 f.; vgl. BGE 96 II 325 S. 332 E.6c. 285 HANDSCHIN, BSK OR II, Art. 530 N 2. 286 FELLMANN/MÜLLER, BK OR, Art. 530 N 434; MEIER-HAYOZ/
FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §1 N 62 f. 287 HÜRLIMANN-KAUP, privatrechtliche Gefälligkeit, 103 ff.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
67
Bei P2P-Blockchain-Netzwerken ist es grundsätzlich möglich, nur für eine
kurze Dauer Mitglied zu werden. Die Motivation für die Teilnahme an einem
P2P-Blockchain-Netzwerk ist jedoch kaum je geselligen Charakters, sondern
eher profitstrebender Natur. Je nach Ausgestaltung der Blockchain steht dabei
die Speicherung und Übertragung von Daten oder Vermögenswerten (wobei es
sich bei Vermögenswerten streng genommen auch um Daten handelt) im
Vordergrund und es gibt, wie einleitend dargelegt, verschiedene Rollen, die in
einem solchen Netzwerk eingenommen werden können (N 96 ff.). Es kann bei
sämtlichen involvierten Parteien ein Motiv ausgemacht werden, das über einen
geselligen Charakter hinausgeht. Generell wollen Nutzer ihre Daten in einem
sicheren (und transparenten) System übertragen und speichern. Miner stellen
ihre Rechenleistung zur Verfügung, um Transaktionen zu verifizieren und
erhalten dafür eine Transaktionsgebühr (z.B. bei der Bitcoin-Blockchain durch
die Nutzer und das System selbst N 181, bei Ethereum durch die Nutzer
N 178). Die Wallet-Anbieter verwalten Schlüssel (und Adressen) der Nutzer
und führen teilweise selbst Transaktionen durch (vgl. N 104 ff.); auch bei ihnen
kann kein geselliger Charakter in Bezug auf diese Dienstleistungen ausgemacht
werden, sondern ein wirtschaftlicher. Insgesamt kann also von einem
wirtschaftlichen Nutzen aller Teilnehmer des P2P-Blockchain-Netzwerkes
ausgegangen werden. Das wiederum lässt auf einen Rechtsbindungswillen der
Teilnehmer schliessen, auch wenn nur ein kurzzeitiger Beitritt zum Netzwerk
vorliegt.
Das mit Blick auf die Miner an ein Austauschverhältnis erinnernde Konstrukt
oder das vorliegende Abhängigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung
(Rechenleistung gegen Kryptowährung) spricht nicht per se gegen die
Annahme einer einfachen Gesellschaft. Es steht nämlich nicht der Austausch,
d.h. die wechselseitige Erbringung von Leistungen, im Vordergrund, sondern
vielmehr die koordinierte Zusammenführung der Leistungen.288
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein Rechtsbindungswille
und somit eine vertragsmässige Verbindung bei Teilnehmern von P2P-
Blockchain-Netzwerken angenommen werden kann.
288 Vgl. FELLMANN/MÜLLER, BK OR, Art. 530 N 70.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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cc) Gemeinsamer Zweck mit gemeinsamen Mitteln
Die Zweckverfolgung einer einfachen Gesellschaft kann wirtschaftlicher oder
ideeller Natur sein.289 Der gemeinsame Zweck geht dabei über das Interesse
der reinen Vertragserfüllung hinaus: Er wird nicht mit den gemeinsamen
Mitteln, sondern mittels der vorgesehenen Leistungen erreicht.290 In
Abgrenzung zu einem Austauschvertrag ist zu untersuchen, ob es sich wirklich
um einen gemeinsamen Zweck oder lediglich um ein gemeinsames Motiv für
den Vertragsschluss handelt.291 Sobald das Motiv gemäss dem gemeinsamen
Willen der Beteiligten zur Pflicht wird, liegt der gemeinsame Zweck im
Umfang der gemeinsamen Pflichtverfolgung.292 Entscheidend ist also der
gemeinsame Wille zur Verfolgung des Zweckes.
Bei einem P2P-Blockchain-Netzwerk orientiert sich die Zweckverfolgung an
der Ausgestaltung der Blockchain. Als grundsätzliche Zweckverfolgung jeder
Blockchain kann die Schaffung und Aufrechterhaltung des Netzwerkes
genannt werden – denn ohne Teilnehmer, die Rechenleistung zur Verfügung
stellen und somit ein dezentrales System schaffen, gibt es keine Plattform. Als
weiterer Zweck kann die dauerhafte und transparente Speicherung von Daten
genannt werden. Die gemeinsamen Mittel sind dabei die von jedem einzelnen
Knotenpunkt zur Verfügung gestellten Ressourcen, welche die dezentrale
Speicherung der gesamten Systemdaten ermöglichen. Die von den Minern
geleisteten Validierungen von Transaktionen stellen hingegen keine
gemeinsamen Mittel dar, da sie separat vergütet werden (vgl. N 61, 178, 181).
289 HANDSCHIN, BSK OR II, Art. 530 N 4; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER,
Gesellschaftsrecht, §12 N 35 f.; BGE 99 II 315 S. 322 E. 5b; Urteil des
Bundesgerichts 9C_455/2008 vom 5. November 2008 E. 5. 290 HANDSCHIN, BSK OR II, Art. 530 N 5. 291 HANDSCHIN, Abgrenzung einfache Gesellschaft, 112; vgl. MEIER-HAYOZ/
FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §12 N 19 f. 292 HANDSCHIN, Abgrenzung einfache Gesellschaft, 113.
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dd) Fehlende Identifizierbarkeit der Gesellschafter
Die einfache Gesellschaft ist eine Personengesellschaft, bei der die
Persönlichkeit der Gesellschafter im Vordergrund steht.293 Dies spielt
insbesondere bei der Zweckerreichung eine Rolle, welche durch den Einsatz
der persönlichen Eigenschaften der Gesellschafter geprägt ist.294 Auch die
Treue- und Sorgfaltspflichten sowie die Haftung sind personenbezogen
ausgestaltet.295
Die Teilnehmer eines P2P-Netzwerkes kennen sich grundsätzlich nicht
persönlich (vgl. N 28 ff.). Die einzelne Person spielt aber insofern eine Rolle,
als ohne sie (resp. das von ihr zur Verfügung gestellte Endgerät) das P2P-
Blockchain-Netzwerk nicht bestehen würde. Bei einem P2P-Blockchain-
Netzwerk ist die Rolle der einzelnen Teilnehmer ambivalent: grundsätzlich
herrscht Gleichberechtigung und das Netzwerk ist ohne Teilnehmer nicht
funktionsfähig. Gleichzeitig ist aber durch die dezentrale Struktur und die
jederzeitige Möglichkeit des Ein- und Austrittes jeder einzelne Teilnehmer
austauschbar. In dieser Art des virtuellen Zusammenschlusses spielt die
Persönlichkeit, im Sinne der Identifizierbarkeit der Personalien und die
persönliche Bekanntschaft, eine untergeordnete, wenn nicht sogar gar keine
Rolle. Bei einer generellen Betrachtung eines P2P-Blockchain-Netzwerks lässt
sich feststellen, dass einzig die zur Verfügung stehenden Ressourcen in Form
von Rechenleistung für das Funktionieren des Netzwerks von Interesse sind.
Mit einer Personengesellschaft, auch in der abgewandelten Form einer
virtuellen Personengesellschaft, können keine Gemeinsamkeiten mehr
festgestellt werden.296
293 FELLMANN/MÜLLER, BK OR, Art. 530 N 172; vgl. HANDSCHIN, BSK OR
II, Art. 530 N 6. 294 FELLMANN/MÜLLER, BK OR, Art. 530 N 172; JUNG, CHK-OR, Art. 530
N 23. 295 FELLMANN/MÜLLER, BK OR, Art. 530 N 173 ff. 296 Anders aber bei einer blockchainbasierten Anwendung einer DAO (vgl.
Anhang, N 37 f.), wie bspw. „The DAO“, wo zusätzlich Abstimmungen
über gemeinsame Investitionen getätigt werden: GYR, DAO, N 31 f.
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70
d) Fazit
Bei einem P2P-Blockchain-Netzwerk können die Kriterien des
Rechtsbindungswillens der Teilnehmer und der gemeinsamen
Zweckverfolgung mit gemeinsamen Mitteln bejaht werden. Ein
Analogieschluss zur einfachen Gesellschaft ist unter gewissen Vorbehalten
also nicht per se ausgeschlossen. Jedoch wird der Begriff der
Personengesellschaft in dieser virtuellen Form (zu) sehr strapaziert, da ein
Personenbezug praktisch nicht mehr vorhanden ist.
Folglich ist bei einem P2P-Blockchain-Netzwerk von einer Gemeinschaft
auszugehen, die zwar einen gemeinsamen Zweck mit gemeinsamen Mitteln
verfolgt; allerdings geschieht dies ausserhalb eines juristisch fassbaren
Konstruktes. Es handelt sich vielmehr um einen losen Zusammenschluss, zu
dem ein jederzeitiger Ein- und Austritt möglich ist. Die Gemeinschaft bleibt
nur so lange bestehen, wie Teilnehmer gewillt sind, daran teilzunehmen.
Rechte und Pflichten richten sich nach dem vorgegebenen System (Software),
wobei durch die Teilnehmer grundsätzlich keine Einflussmöglichkeit besteht297
und auch keine verbindlichen Rechte und Pflichten ausgemacht werden können
– ausser der Entrichtung einer Transaktionsgebühr für die Validierung einer
Transaktion durch die Miner.298
3. Vertragsverhältnis innerhalb des P2P-Netzwerkes
Wie im vorangehenden Kapitel aufgezeigt, ist das P2P-Blockchain-Netzwerk
den im Schweizer Recht bekannten Gesellschaftsformen schwerlich
zuzuordnen. Es ist daher angezeigt, einzelne Vertragsverhältnisse innerhalb
297 Eine Einflussmöglichkeit besteht insofern, als durch die Teilnehmer ein
neues oder abgewandeltes System geschaffen werden kann, wobei für
dieses System wiederum genügend Teilnehmer gefunden oder überzeugt
werden müssen, damit es betrieben werden kann (z.B. durch Hard Fork
Anhang, N 36 oder durch die Mehrheit der Knotenbetreiber, die die
aktualisierte Software übernehmen, ohne dass es zum Hard Fork kommt). 298 Es besteht grundsätzlich kein Anrecht darauf, dass eine Transaktion
„gemint“ wird; dies ist jedoch im System impliziert.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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des P2P-Blockchain-Netzwerkes zu eruieren. Wie bereits angesprochen, sind
die Teilnehmer einer öffentlichen Blockchain grundsätzlich gleichberechtigt.
Es besteht jedoch die Möglichkeit, unterschiedliche Funktionen einzunehmen,
wie z.B. als Miner oder als Wallet-Anbieter. Da Miner für die Validierung der
Transaktionen besorgt sind und dafür eine Gebühr kassieren, ist das Verhältnis
zwischen Miner und Nutzer näher zu betrachten. Der Wallet-Anbieter
verwaltet die Schlüssel und Adressen von Nutzern, primär jedoch nur von
solchen ausserhalb des P2P-Netzwerkes. Nutzer besitzen auch ein Wallet,
welches jedoch in ihrem Knotenpunkt als Anwendung integriert ist und nicht
über einen Drittanbieter läuft. Daher wird eine gesonderte Betrachtung des
Verhältnisses zwischen Nutzer und Wallet-Anbieter an dieser Stelle nicht
vorgenommen (vgl. jedoch N 198 ff.).
Als mögliches gesondertes Vertragsverhältnis kommt also lediglich das
Verhältnis zwischen Nutzer und Miner in Betracht. Da Miner eine zentrale
Rolle in der Blockchain übernehmen und Nutzer ausserhalb der Blockchain die
grösste Nutzergruppe darstellen, wird in einem Exkurs noch der Frage
nachgegangen, wie das Verhältnis zwischen Miner und Nutzer ausserhalb der
Blockchain vertraglich qualifiziert werden könnte.
a) Vertragsverhältnis Nutzer – Miner
Wenn Nutzer ihre Transaktionsdaten in die Blockchain aufnehmen lassen
wollen, müssen diese vorgängig validiert werden (N 61 ff.), was Miner
übernehmen.299 Dafür werden sie in irgendeiner Form (i.d.R. mit
Kryptowährung), entweder durch die an der Transaktion beteiligten Parteien
und/oder durch das System selbst, entschädigt.
Um zu prüfen, ob zwischen dem Nutzer und dem Miner ein vertragliches
Verhältnis entsteht, ist eine Einzelbetrachtung der verschiedenen Blockchain-
Netzwerke vorzunehmen, da die Konsensprotokolle und das Mining sehr
unterschiedlich ausgestaltet sein können. Nachfolgend wird beispielhaft auf die
Ethereum-Blockchain und die Bitcoin-Blockchain eingegangen.
299 MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 212.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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aa) Ethereum-Blockchain
Der Nutzer bestätigt eine Transaktion mittels Signatur, welche anschliessend
im Transaktionspool zwischengespeichert wird, bis sie von einem Miner
validiert und anschliessend in die Transaktionskette aufgenommen wird (vgl.
N 61 ff.). Das System (Software) bestimmt für jede Transaktion den
Rechenaufwand, welcher in Gas300 angegeben wird. Ebenfalls berechnet es die
Höhe der Transaktionsgebühr für den Rechenaufwand. Dem Nutzer steht es
zwar grundsätzlich frei, in welcher Höhe er den Miner dafür entschädigen
möchte.301 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Unterschreitung des vom
System vorgerechneten Preises nicht ratsam ist, da die Transaktion ansonsten
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von einem Miner bearbeitet und folglich
auch nicht in die Transaktionskette aufgenommen wird.302 Der Nutzer und der
Miner kennen sich nicht und treten auch nie in Kontakt.
Bei diesem Verhältnis zwischen dem Nutzer und dem Miner könnte es sich um
eine Auslobung gem. Art. 8 OR handeln.303 Eine Auslobung ist ein einseitiges
Rechtsgeschäft, ein Versprechen zu Gunsten eines unbestimmten Personen-
kreises, zu dem sich der Versprechende für den Fall einer bestimmten Leistung
zur Ausrichtung einer Belohnung verpflichtet.304 Vorausgesetzt wird eine
öffentliche Erklärung, die sich an eine Vielzahl von Personen richten muss und
300 Gas ist eine Einheit für die Berechnung der Rechenkapazität. Aus dem
Gas-Wert kann ein Wert in der Kryptowährung Ether berechnet werden,
welche vom Nutzer als Transaktionsgebühr an den Miner bezahlt werden
muss (der Gas-Preis bewegt sich zwischen ca. 2 und 50 GWEI
Bezeichnung für die viertkleinste Einheit von Ether, je nachdem, wie
schnell die Transaktion in die Blockchain aufgenommen werden soll); vgl.
MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 212. 301 Vgl. MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 212. 302 MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 212. 303 MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 214. 304 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1041; vgl.
SCHWENZER, OR AT, N 28.52 f.; ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER,
BSK OR I, Art. 8 N 1.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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nicht bloss an einzelne Interessenten gerichtet sein darf.305 Sodann ist die
Auslobung bedingt. Erforderlich ist eine beliebig geartete Leistung der
Gegenpartei.306 Die Belohnung kann aus Geld oder auch aus einer anderen
Leistung bestehen.307 Grundsätzlich ist bei der Auslobung ein Widerruf
möglich, wobei eine allfällige Schadenersatzpflicht gemäss Art. 8 Abs. 2 OR
besteht.308
Die Voraussetzungen der Auslobung sind vorliegend gegeben: Der Nutzer
bestätigt seine Transaktion und setzt die Transaktionsgebühr fest. Diese
Transaktionsgebühr ist die ausgeschriebene Belohnung dafür, dass eine
Transaktion durch einen Miner validiert wird. Die signierte Transaktion
befindet sich im Transaktionspool, wo sie für alle Miner der Ethereum-
Blockchain zugänglich ist (vgl. N 58). Die Ansetzung der Belohnung für die
Transaktionsvalidierung ist also öffentlich, da auch die Ethereum-Blockchain
grundsätzlich öffentlich ist und es jedermann offensteht, an dieser als Miner
teilzunehmen. Die Leistung, die von Minern erbracht werden muss, ist die
Validierung der Transaktion. Der Nutzer hat grundsätzlich keinen Einfluss auf
die tatsächliche Validierung seiner Transaktion; er kann lediglich durch die
Höhe der Transaktionsgebühr einen Anreiz setzen.
bb) Bitcoin-Blockchain
Beim Bitcoin-Netzwerk wird dem Miner sein Rechenaufwand zweimal
vergütet: einmal durch eine im System hinterlegte, vordefinierte Anzahl
Bitcoins309 und einmal durch eine Transaktionsgebühr, die von den Nutzern zu
bezahlen ist.310 Den Hauptanreiz für das Mining stellen derzeit noch die vom
305 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1042; ZELLWEGER-
GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 8 N 17. 306 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1043; ZELLWEGER-
GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 8 N 10 ff. 307 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1044;
KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR, Art. 8 N 31. 308 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1048; ZELLWEGER-
GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 8 N 38 f. 309 Der vom System bezahlte Betrag wird kleiner, umso mehr Bitcoins bereits
gemint sind, vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 214. 310 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 214.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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System neu ausgegeben Bitcoins dar.311 Bei der Bitcoin-Blockchain werden so
lange neue Bitcoins ausgegeben, bis die vordefinierten Summe von
20.99999998 Millionen Bitcoins erreicht ist; danach werden sich Miner für die
Validierung von Transaktionen ausschliesslich über Gebühren finanzieren
können.312
Die Transaktionsgebühr, die vom Nutzer an den Miner bezahlt wird, kann wie
bei der Ethereum-Blockchain vom Nutzer selbst angesetzt werden. Auch sonst
ist der Ablauf identisch (N 178). Zwischen dem Nutzer und dem Miner entsteht
also wie bei der Ethereum-Blockchain ein einseitiges Rechtsgeschäft in Form
einer Auslobung (N 179 f.).
b) Exkurs: Vertragsverhältnis Miner – Nutzer ausserhalb des
Netzwerkes
Wie bereits dargelegt, werden in der vorliegenden Arbeit nur diejenigen
Parteien als Teilnehmer der Blockchain-Plattform verstanden, die auch
tatsächlich Teil des P2P-Netzwerkes sind, in dem sie einen Knotenpunkt
betreiben (vgl. N 162). Die Nutzer ausserhalb der Blockchain-Plattform
(welche faktisch die grösste Gruppe darstellen), die nur punktuell auf das
Netzwerk zugreifen, wurden in den bisherigen Ausführungen nicht
berücksichtigt.
Solange das P2P-Netzwerk keiner vertragsfähigen Gemeinschaft zugerechnet
werden kann,313 ist auch das Eingehen eines Schuldverhältnisses mit diesem
Netzwerk nicht möglich, da hierfür die Rechts- und Geschäftsfähigkeit beider
Vertragsparteien vorliegen muss.314 In diesen Fällen ist zwischen den Nutzern
ausserhalb der Blockchain und den Minern wie beim Verhältnis Nutzer-Miner
(zumindest bei der Bitcoin- und Ethereum-Blockchain) ebenfalls von einer
Auslobung gem. Art. 8 OR auszugehen (N 176 ff.), wobei das Angebot des
Nutzers ausserhalb der Blockchain mangels eigenem Zugang zum Netzwerk in
311 Derzeit noch ca. 12.5 Bitcoins pro Block. 312 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 214. 313 Vgl. vorhergehend zum P2P-Netzwerk als einfache Gesellschaft Kapitel
C.II, N 157 ff. 314 Zur Rechts- und Geschäftsfähigkeit vgl. Kapitel E.II., N 277 ff.
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den meisten Fällen via Wallet-Anbieter (Bote, vgl. N 416) in die Blockchain
gestellt wird.
Vorgängig wurde die Qualifizierung des P2P-Blockchain-Netzwerkes oder
eine analoge Anwendung von Regeln der einfachen Gesellschaft abgelehnt
(vgl. N 157 ff.). Würde man jedoch der Annahme folgen, dass es sich beim
P2P-Blockchain-Netzwerk um eine einfache Gesellschaft handelt, wäre zu
prüfen, ob ein Miner gegenüber den aussenstehenden Nutzern des Netzwerkes
in Stellvertretungsfunktion (nachfolgen N 186 f.) oder als Erfüllungsgehilfe
(nachfolgend N 188) der Gesellschaft handelt.
aa) Stellvertretung
Die einfache Gesellschaft wird gegen aussen nicht als Gesellschaft (da sie kein
Rechtssubjekt darstellt), sondern durch die Gesamtheit der Gesellschafter
vertreten.315 Bei einer einfachen Gesellschaft gilt die Vermutung, dass der
geschäftsführende Gesellschafter Vertretungsbefugnis besitzt (Art. 543 Abs. 3
OR). Ist kein solcher bestimmt, sind alle Gesellschafter gleichermassen
vertretungsbefugt (Art. 535 Abs. 1 OR). Bei der einfachen Gesellschaft sind
die Regeln der Stellvertretung anwendbar, sofern der gegen aussen auftretende
Gesellschafter im Namen aller Gesellschafter handelt (Art. 543 Abs. 2 OR).316
Die Stellvertreter müssen überdies von der Gesellschaft dazu ermächtigt
worden sein (Art. 543 Abs. 2 i.V.m. Art. 32 OR).317
Bei der Bitcoin-Blockchain wie auch bei der Ethereum-Blockchain sind keine
Organe vorgesehen.318 Es gibt demgemäss auch keinen geschäftsführenden
315 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §12 N 62; PESTALOZZI/
VOGT, BSK OR II, Art. 543 N 1. 316 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §12 N 62; PESTALOZZI/
VOGT, BSK OR II, Art. 530 N 5. 317 Vgl. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Gesellschaftsrecht, §12 N 62 f.;
PESTALOZZI/VOGT, BSK OR II, Art. 530 N 7 ff. 318 Faktisch verhält es sich jedoch so, dass einzelne Akteure (Bitcoin-Core-
Entwickler und Miningpools) einen wesentlichen Einfluss auf die
Anpassungen und Änderungen des Systems haben, sei es durch ihre
Reputation als Entwickler, sei es durch ihre vorherrschende Stellung im
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Gesellschafter. Miner treten gegen aussen auch nicht in Erscheinung. Die zu
bearbeitenden Transaktionen werden gesammelt und von den Minern anonym
abgearbeitet.319 Da die Miner den Nutzern gegenüber also nicht in Erscheinung
treten, agieren sie somit auch nicht als Stellvertreter des Netzwerkes.
bb) Hilfsperson
Wenn die Schuldnerin (hier: das P2P-Netzwerk) ihre Schuldpflicht nicht
persönlich, sondern durch einen Dritten erfüllen lässt, kann es sich bei dem
Dritten um eine Hilfsperson handeln (vgl. Art. 101 OR).320 Eine Hilfsperson
kann der Schuldnerin bei der Erfüllung lediglich unterstützen oder alleine, aber
nach der Einzelanweisung der Schuldnerin erfüllen. Der Hilfsperson kann auch
die selbständige Erfüllung des Geschäftes übertragen werden.321 Notwendige
Voraussetzung für die Hilfspersonenstellung ist ein bestehendes
Schuldverhältnis der Geschäftsherrin mit einer Vertragspartei.322 Für die
Annahme einer Hilfspersonenstellung ist erforderlich, dass die Hilfsperson mit
Einwilligung der Schuldnerin handelt; auf das Innenverhältnis kommt es
indessen nicht an.323 Die Qualifizierung als Hilfsperson spielt insbesondere
dort eine Rolle, wo ein Schaden entsteht; der durch die Hilfsperson verursachte
Schaden muss in einem funktionellen Zusammenhang zu der durch den
Geschäftsherrn übertragenen Aufgabe stehen.324
System durch eine grosse Anzahl Knotenpunkte und der zur Verfügung
stehender Rechenkraft. 319 Vgl. für das Bitcoin-Netzwerk ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 220 f. 320 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1768; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 3016; SCHWENZER, OR AT, N 23.04. 321 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3021 ff.; WEBER,
BK OR, Art. 101 N 45 ff. 322 Im Normalfall ein Vertragsverhältnis, ausnahmsweise aber auch aus
einem anderen Rechtsgrund wie Gesetz oder Vertragsverhandlung:
GAUCH/ SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3030. 323 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3027 f.;
SCHWENZER, OR AT, N 23.04; WEBER, BK OR, Art. 101 N 48. 324 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1775; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3032 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 23.09.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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c) Fazit
Ob zwischen dem P2P-Netzwerk (als Geschäftsherrin) und dem Nutzer
ausserhalb der Blockchain ein Schuldverhältnis besteht, muss im Einzelfall und
je nach Blockchain betrachtet werden. Für die Bitcoin- und die Ethereum-
Blockchain kann wie bereits dargelegt nicht von einem zweiseitigen
Vertragsverhältnis ausgegangen werden: Das System gibt zwar vor, unter
welchen Bedingungen eine Transaktion als valide eingestuft wird und wie der
Validierungsmechanismus vorgenommen werden muss, der Nutzer hat aber
grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass seine Transaktion validiert und in
die Blockchain aufgenommen wird (N 176 ff.).325 Es ist vielmehr (zumindest
in Bezug auf die Bitcoin- und Ethereum-Blockchain) von einem einseitigen
Rechtsgeschäft in Form der Auslobung gem. Art. 8 OR auszugehen (N 176 ff.).
Da zwischen dem P2P-Netzwerk und dem Nutzer ausserhalb der Blockchain
kein Schuldverhältnis besteht, kann einem Miner keine Hilfspersonenstellung
des P2P-Netzwerkes zukommen.
325 Siehe für den Transaktionsmechanismus bei der Bitcoin-Blockchain
ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 22 ff.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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4. Zugang zum P2P-Blockchain-Netzwerk
Wie in den ersten Abschnitten des vorliegenden Kapitels erwähnt, sind P2P-
Blockchain-Netzwerke dezentral ausgestaltet und die Teilnehmer
pseudoanonym. Die Gemeinschaft ist in juristischen Kategorien nicht klar
fassbar (vgl. N 157 ff.). Die gleiche Problematik stellte sich bereits mit dem
Aufkommen des Internet. Bei rechtswidrigem Verhalten im Internet, bspw. bei
einer Urheberrechts- oder Persönlichkeitsverletzung, war und ist nicht nur die
Eruierung des Täters ein Problem,326 sondern auch die nicht in juristischen
Kategorien fassbare Netzwerkgemeinschaft.327 Für das Internet als Netzwerk
wurde jedoch keine neue Gesellschaftsform geschaffen, sondern die
Verantwortlichkeit dort angeknüpft, wo Zugang zu diesem Netzwerk gewährt
wird. Für die Zugänge zum Internet wurden Providerkategorien geschaffen, die
zusammengefasst Internet Service Provider (ISP) genannt werden.
a) Internet Service Provider
Es kann grundsätzlich zwischen Content, Host, und Access Provider
unterschieden werden, wobei teilweise auch andere Begriffe benutzt werden.328
Der Content Provider hält auf seinem eigenen Server (oder auf dem eines Host
Providers) eigene oder fremde Inhalte zum Abruf oder Herunterladen bereit.329
Wenn ein Dritter seine Informationen bei einem Content Provider ablegt, dann
beinhaltet dies nebst Content oftmals auch Host Providing.330
326 U.a. auch aus datenschutzrechtlichen Gründen, vgl. BGE 136 II 508
(Logistep-Urteil). 327 RIGAMONTI/WULLSCHLEGER, Teilnahme an Urheberrechtsverletzungen,
48. 328 Vgl. die verschiedenen Definitionen im Bundesratsbericht vom
11. Dezember 2015, 17 ff.; zur Herleitung der Wortbedeutungen FERCSIK
SCHNYDER, Internet-Access-Providing-Verträge, 28 ff., 34 ff. 329 ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 18; WEBER, E-Commerce, 500;
Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 17. 330 ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 24; WEBER, E-Commerce, 500,
516.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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Host Provider stellen Dritten Speicherkapazität und Kommunikations-
funktionen zur Verfügung, damit diese ihre Inhalte im Internet bereithalten
können.331 Dabei wird jeweils davon ausgegangen, dass der Host Provider die
Herrschaft über die Daten via die Herrschaft über den Server, auf dem die
entsprechenden Informationen gespeichert sind, innehat.332
Im Gegensatz zum Host und Content Provider hat der Zugangsvermittler zum
Inhalt, der Access Provider, keine Herrschaft über die Server, auf dem die
fremden Daten gespeichert sind.333 Der Access Provider ermöglicht
grundsätzlich den Zugang zum Internet, meist gegen Entgelt und zusätzliche
Dienstleistungen (bspw. E-Mail).334
b) Internet-Provider-Haftung
Die Haftung von ISP ist umstritten und nicht gesetzlich geregelt.335 Der
Bundesrat hat in einem Bericht 2015 auch ausdrücklich auf eine gesetzliche
Regelung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit von Providern verzichtet.336
Es geht bei der Providerhaftung grundsätzlich um eine Haftung für das
Verhalten von Dritten, wobei seitens der in Recht gefassten Partei (Provider)
keine direkte schädigende Handlung vorliegt.337 Es kann dabei zwischen
negatorischen Ansprüchen (z.B. Unterlassung), reparatorischen Ansprüchen
331 ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 24; Bundesratsbericht vom
11. Dezember 2015, 17. 332 ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 24 f.; siehe auch FERCSIK
SCHNYDER, Internet-Access-Providing-Verträge, 38. 333 ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 32 f.; vgl. WEBER, E-Commerce,
507; FERCSIK SCHNYDER, Internet-Access-Providing-Verträge, 34. 334 ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 233; THOUVENIN U.A.,
Netzsperren, 718; vgl. Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 17 f.;
FERCSIK SCHNYDER, Internet-Access-Providing-Verträge, 34 f. 335 Vgl. KERNEN, Verantwortlichkeit Host Provider, N 13 ff. (in Besprechung
des BGer Urteil 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013); PRAZELLER,
Mitwirkungsbegriff, N 14 ff.; THOUVENIN, Vergleichs- und Bewertungs-
dienste, 146; THOUVENIN U.A., Netzsperren, 718. 336 Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 4. 337 RIGAMONTI, Providerhaftung, 117.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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(z.B. Schadenersatz) oder Auskunftsansprüchen gegenüber den ISP
unterschieden werden.338
Bei negatorischen Ansprüchen ist grundsätzlich umstritten, ob ISP eine
Teilnahmehandlung (Tun oder Unterlassen) zur Verhinderung von
rechtsverletzendem Verhalten trifft. Der Bundesrat geht dabei von einem Tun
aus, d.h. der Provider setzt durch das Bereitstellen seines Angebots eine aktive
Ursache für die widerrechtliche Handlung eines Dritten;339 die Lehre
differenziert mehrheitlich und verweist auf eine Einzelfallbetrachtung.340
Negatorische Ansprüche können durch eine Beseitigung des Inhalts auf dem
Server oder durch eine Beschränkung des Zugangs mittels Sperren erreicht
werden.341 Es ist jedoch jeweils zu beachten, dass nicht alle Provider die
Möglichkeit haben, Inhalte zu löschen und Sperren (von IP- oder DNS-
Adressen342) bekanntermassen einfach zu umgehen sind und der Nutzen von
solchen daher fraglich ist.343
Reparatorische Ansprüche gegenüber einem Provider werden über Art. 50 OR
hergeleitet.344 Hierbei stellt insbesondere die Frage nach der Verletzung einer
Sorgfaltspflicht eine besondere Herausforderung dar, da in der Schweiz weder
gesetzliche Regelungen noch eine konkretisierende Rechtsprechung zur
338 Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 12. 339 Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 28 (Herleitung eines Tuns
auch durch BGer Urteil 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013, mit dem
Argument, dass das Bundesgericht durch die Nichtbehandlung dieser
Frage stillschweigend von einem Tun ausgegangen ist). 340 RIGAMONTI, Providerhaftung, 119 ff.; ROHN, Verantwortlichkeit der
Provider, 82; WEBER, E-Commerce, 508 f. 341 Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 44, 47. 342 Jedes an das Internet angeschlossene System besitzt eine IP-Adresse; diese
ist eine Kombination aus Zahlen (z.B. 19.324.33.1). DNS steht für
Domain Name System und stellt für Nutzer lesbare Namen dar, die einer
IP-Adresse zugeordnet werden (z.B. www.adresse.ch); vgl. THOUVENIN
U.A., Netzsperren, 704. 343 Eingehend zu Netzsperren THOUVENIN U.A., Netzsperren, 701 ff. 344 Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 60; Vgl. RIGAMONTI,
Providerhaftung, 50; ROHN, Verantwortlichkeit der Provider, 100.
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Sorgfaltspflicht von ISP vorliegt.345 Private Regelwerke346 und Lehre weisen
hierbei auf Regelungen aus dem Ausland hin, insbesondere auf die E-
Commerce-Richtlinie347 der EU.348 Erst wenn eine Sorgfaltspflichtverletzung
des Providers bejaht wird, kann allenfalls eine solidarische Haftung gem.
Art. 50 OR (unter Erfüllung der übrigen Voraussetzungen) zustande
kommen.349
Im Zivilrecht kann kein Anspruch gegen Unbekannt anhängig gemacht werden
und die ZPO sieht keine Möglichkeit vor, an die Identität eines
Rechtsverletzers zu gelangen. Auskunftsansprüche spielen daher insbesondere
im Strafrecht eine Rolle; indirekt ist dies jedoch auch für das Zivilrecht
relevant, da via Strafprozess die Identität des Täters festgestellt und im
Anschluss ein Zivilprozess eingeleitet werden kann.350 Von Interesse ist in der
Praxis insbesondere die Auskunft von Providern über die Identität von
Personen aus P2P-Netzwerken, in denen urheberrechtliche Verletzungen
begangen werden (vgl. N 154).351
c) Wallet-Anbieter als Provider?
Es ist zu prüfen, ob analog zu den für das Internet geschaffenen
Providerkategorien zivilrechtliche Verantwortlichkeiten ebenfalls dort
345 Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 62. 346 Z.B. der von der SWISS INTERNET INDUSTRY ASSOCIATION (SIMSA)
ausgearbeitete Code of Conduct Hosting (abrufbar unter:
https://www.simsa.ch/_Resources/Persistent/53642eb64a0552851325159
6c00840097445f789/ 130201-simsa-cch-public-web.pdf). 347 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der
Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen
Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen
Geschäftsverkehr“), ABl. EG Nr. L 178/1. 348 Vgl. RIGAMONTI, Providerhaftung, 124; WEBER, E-Commerce, 517. 349 Vgl. Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 65. 350 Bundesratsbericht vom 11. Dezember 2015, 79. 351 Vgl. RIGAMONTI, Providerhaftung, 128; RIGAMONTI/WULLSCHLEGER,
Teilnahme an Urheberrechtsverletzungen, 54.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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angeknüpft werden können, wo Zugang zu einem P2P-Blockchain-Netzwerk
geschaffen wird. In der Praxis wird der Zugang zu einer Blockchain oft durch
Wallet-Anbieter gewährt, da die wenigsten Nutzer einer Blockchain die
gesamte Blockchain heruntergeladen haben und ihre Private Keys selbst
verwalten. Daneben wird der Zugang grundsätzlich ebenfalls über die Internet-
Provider hergestellt, da Blockchain-Netzwerke (vereinfacht ausgedrückt) Teil
des Internet sind.
Wie einleitend erwähnt gibt es Software- und auch Hardware-Wallets (vgl.
N 104 ff.). Unterschieden werden kann zudem bei Software-Wallets auch
danach, ob das Wallet einen vollständigen Knotenpunkt unterhält, der den
Zugang zum Netzwerk gewährleistet (Full Node), ob es über einen sog.
Lightweight Client handelt, der für Informationen über das Netzwerk mit den
Full Nodes kommuniziert aber selber die Daten seiner Nutzer speichert oder
Wallets, die keinen direkten Zugang zum Netzwerk haben, sondern sich diesen
wiederum über eine Drittpartei einholen (sog. Third Party API client).352
Hardware-Wallets sind externe Geräte, die lediglich zur sicheren
Aufbewahrung der Schlüssel dienen und selbst keinerlei Verbindung zum
Internet oder Netzwerk aufbauen (vgl. N 104); über diese wird also kein
Zugang zum Netzwerk hergestellt. Nachfolgend wird bei der Verwendung des
Begriffs Wallet daher jeweils von Software-Wallets ausgegangen.353
Ein Wallet-Anbieter verfügt in der Regel über eine Kopie der Blockchain auf
seinem Rechner (Full Node oder SPV Node, FN 134). Als Knotenbetreiber der
Blockchain ist er selbst Teil des P2P-Netzwerkes. Der Inhalt, der den Nutzern
zur Verfügung gestellt wird, ist also eine Mischung aus eigenen sowie fremden
Inhalten, was einer Mischung von Content und Host Providing entsprechen
würde. Ein Wallet-Anbieter hat jedoch keine Kontrolle über die Daten, resp.
keine Herrschaft über den Server, auf dem die Daten gespeichert sind, da die
352 ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 7 f.; BERENTSEN/SCHÄR, Krypto-
assets, 314 f.; SIXT, Transaktionssysteme, 36. 353 Wallet-Software ist meist unter einer Open-Source-Software
veröffentlicht (vgl. Auflistung bei BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets,
316). Der Nutzer und der Wallet-Anbieter stehen allenfalls in einem
lizenzvertraglichen Verhältnis, vgl. zum OSS-Lizenzvertrag Kapitel C.II.,
N 115 ff.
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
83
Daten gerade nicht zentral, sondern dezentral verteilt im P2P-Netzwerk
abgespeichert sind. Es ist einem Wallet-Anbieter in keiner Weise möglich, auf
diese Daten Einfluss zu nehmen; er kann lediglich Zugang dazu vermitteln. Die
Funktion der Wallet-Anbieter ist also ähnlich wie die eines Access Providers,
nur erfolgt die Zugänglichmachung in der Regel unentgeltlich.
d) Fazit
Bei einem Wallet-Anbieter könnte für die Zugänglichmachung zu einem P2P-
Blockchain-Netzwerk die Funktion eines Access Providers angenommen
werden. Er wäre folglich auch der Providerhaftung ausgesetzt.
5. Fazit
Ist die Blockchain-Plattform als dezentrales und verteiltes P2P-Netzwerk
ausgestaltet, kann sie keiner dem Schweizer Recht bekannten vertraglichen
Form zugeordnet werden – auch eine Qualifikation als einfache Gesellschaft
ist aufgrund der Ausgestaltung abzulehnen.
Das Verhältnis zwischen Miner und Nutzer ist je nach Blockchain-Plattform
verschieden; bei der Bitcoin- sowie der Ethereum-Blockchain kann ein
vertragliches Verhältnis in Form einer Auslobung gem. Art. 8 OR
angenommen werden.
Auch für das Verhältnis zwischen den Nutzern ausserhalb der Blockchain und
den Minern kann ein einseitiges Rechtsgeschäft in Form einer Auslobung
angenommen werden – zumindest gilt dies für die Bitcoin- und Ethereum-
Blockchain. Wenn von der Annahme ausgegangen wird, dass das P2P-
Blockchain-Netzwerk eine einfache Gesellschaft darstellt, kann zwischen dem
Netzwerk und dem Nutzer ausserhalb der Blockchain keine vertragliche
Verbindung eruiert werden; den Minern kommt in dieser Konstellation weder
eine Stellvertreter- noch eine Hilfspersonenstellung zu.
Werden aufgrund der fehlenden Annahme von vertraglichen Verhältnissen bei
der Blockchain in ihrer Funktion als Plattform die für die Internethaftung
geschaffenen Providerkategorien betrachtet, kann bei Wallet-Anbietern eine
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Vertragliche Aspekte der Blockchain-Technologie
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Funktion als Access Provider hergeleitet werden. Ein Wallet-Anbieter könnte
sich demgemäss mit Ansprüchen aus der Providerhaftung konfrontiert sehen.
IV. Fazit
Bei der Blockchain als Software wie auch bei der Blockchain als Plattform
können verschiedene vertragliche Verhältnisse festgestellt werden.
Blockchain-Software ist open source ausgestaltet und unter entsprechenden
Lizenzbestimmungen veröffentlicht. Zwischen den Knotenbetreibern (Nutzer,
Miner, Wallet-Anbieter) kann mit dem Urheber der Software zumindest dann
ein OSS-Lizenzvertrag entstehen, wenn die Blockchain-Software über das
normale Gebrauchsrecht hinaus benutzt wird. Bei einem OSS-Lizenzvertrag ist
von einem unentgeltlichen Softwarelizenzvertrag auszugehen; es sind die von
der Lehre entwickelten Grundsätze des Softwarelizenzvertragsrechts sowie die
Allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts heranzuziehen.
Die Blockchain als Plattform wird bei öffentlichen Blockchains durch ein P2P-
Netzwerk aufrechterhalten. Dieses Netzwerk ist keiner der im Schweizer Recht
bekannten Gesellschaftsformen zuzuordnen. Es handelt sich um einen losen
Zusammenschluss, der zwar ein gemeinsames Ziel mit gemeinsamen Mitteln
verfolgt, jedoch keinerlei Rechte und Pflichten begründet.
Innerhalb des P2P-Netzwerkes besteht zwischen den Minern und den Nutzern
und den Nutzern ausserhalb der Blockchain ein einseitiges Rechtsgeschäft in
Form einer Auslobung gem. Art. 8 OR.
Die Wallet-Anbieter gewähren Nutzern ausserhalb der Blockchain Zugang zur
Blockchain, weshalb ihnen die Funktion eines Access Providers zukommt.
Daraus folgt, dass dem Wallet-Anbieter allenfalls Ansprüche aus der
Providerhaftung geltend gemacht werden können.
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2. Teil: Smart Contracts
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2. Teil: Smart Contracts
Nachdem im ersten Teil der Arbeit die Blockchain-Technologie auf ihre
technischen und vertragsrechtlichen Aspekte untersucht worden ist, gilt das
Hauptaugenmerk in diesem zweiten Teil einer konkreten Anwendungsform der
Technologie: dem Smart Contract.
Im Einführungsteil wird zunächst eine historische und begriffliche Einordnung
des Smart Contract vorgenommen, gefolgt von einem Definitionsversuch und
einer Beschreibung der grundlegenden Funktionsweise; im anschliessenden
Teil wird sodann geprüft, ob mit Smart Contracts direkt Verträge
abgeschlossen werden können. Die folgenden Kapitel sind der Fragestellung
gewidmet, ob die allgemeinen Regeln zu Leistungsstörungen, Haftung und
Gewährleistung auch auf Smart Contracts angewendet werden können oder ob
allenfalls neue Regelungen erforderlich sind. Im Abschlusskapitel wird der
Frage nachgegangen, wie das Halten von Vermögenswerten durch einen Smart
Contract vertragsrechtlich eingeordnet werden kann.
Nachfolgend wird mit Ausnahme von vier kurzen Anwendungsfällen bewusst
auf Beispiele verzichtet. Dies aus den folgenden Gründen: Bei medienwirksam
vorgestellten Anwendungsfällen der Blockchain-Technologie in Verbindung
mit Smart Contracts handelt es sich oft um Projekte von Unternehmen, die noch
nicht die Phase des Proof of Concept erreicht haben und daher ungewiss ist, ob
sie jemals umgesetzt werden. In anderen Fällen sind Anwendungen von Start-
ups betroffen, deren weiterer Fortgang offen ist. Auch werden in einer hohen
Kadenz neue Anwendungen hervorgebracht und wieder verworfen, so dass es
kaum möglich ist, den aktuellsten Stand abzubilden
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Einführung Smart Contracts
86
A. Einführung Smart Contracts
Der folgende einführende Teil befasst sich vorerst mit einer historischen und
begrifflichen Einordnung sowie der Herleitung einer Definition. Anschliessend
wird in einem zweiten Kapitel die Funktionsweise eines Smart Contract
erläutert.
I. Historie und Begriff
Eine eindeutige und allgemeingebräuchliche Definition des Begriffes Smart
Contract existiert zum heutigen Zeitpunkt nicht, da diese Anwendung von
unterschiedlichen Akteuren zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt wird. Es
herrscht sowohl im Internet als auch in der Fachliteratur eine nuancenreiche
Definitionsvielfalt. Um den Begriff und das Konzept des Smart Contract zu
erfassen, wird der Begriff in den folgenden Kapiteln zuerst in einen
historischen Kontext eingeordnet und danach sukzessive mit verschiedenen
Definitionsansätzen eingegrenzt. Abschliessend wird daraus eine eigene
Definition des Begriffes Smart Contract hergeleitet.
1. Historie
Erstmals verwendet hat den Begriff Smart Contracts NICK SZABO354 in seinem
1994 erschienenen Aufsatz „Smart Contracts“ (zur Definition von SZABO vgl.
nachfolgend N 224). Als Veranschaulichungsbeispiel für den Mechanismus
eines Smart Contract wählt SZABO in weiteren Aufsätzen zu Smart Contracts
einen Verkaufsautomaten: Jede beliebige Person kann mit dem Verkäufer (also
dem Automaten) in Kontakt treten. Wenn die Grundvoraussetzungen erfüllt
sind (ein bestimmter Geldbetrag, bezahlt in Münzen), wird der Vertrag
automatisch ausgeführt (der Automat gibt das gewünschte Produkt frei).
Gesichert wird der Automat durch einen speziellen Schliessmechanismus und
andere Sicherungsmassnahmen. Der Automat ist genügend sicher, damit das
354 Ein Computer- und Rechtswissenschaftler aus den USA.
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Einführung Smart Contracts
87
Geschäft sowohl für den Käufer als auch den Verkäufer attraktiv ist und in
verschiedenen Bereichen breit eingesetzt werden kann.355 Dieses Beispiel soll
zeigen, wie durch einen einfachen Sicherungsmechanismus ein konkreter
Vertrag entsteht, d.h. wie eine „neue“ Technik eine automatisierte Art von
Vertragsabschluss und -abwicklung ermöglicht.356 SZABO ging bereits in den
90er Jahren davon aus, dass ein ausgereiftes (technisches) Sicherungssystem
dazu führen würde, Verträge automatisch abzuwickeln und dass dadurch
Kosten bei der Durchsetzung von Verträgen eingespart werden können.357 Die
Ausführungen von SZABO werden noch heute von vielen Autoren als die
Grundlagen von Smart Contracts betrachtet und oft zitiert.358
2. Neuere Entwicklungen
Heute wird der Begriff Smart Contract oft als Sammelbegriff für eine Reihe
von Anwendungen verwendet. Er bezieht sich jedoch auch auf spezifische
Anwendungen und Produkte (z.B. nennt die Ethereum-Stiftung eine ihrer
Anwendungen Smart Contracts359). Ihnen allen ist gemein, dass sie auf der
Blockchain-Technologie aufbauen.
Grob kann zwischen einer technologisch eingefärbten sowie einer juristischen
Sichtweise der Begrifflichkeit unterschieden werden. Dabei wird der Fokus
jeweils auf die Eigenschaften und Möglichkeiten gelegt; die Fachdisziplin gibt
dabei den Schwerpunkt der jeweiligen Betrachtung vor. Eine neuere Tendenz
geht dahin, zwischen Smart Contract Code und Smart Legal Contract zu
355 Vgl. SZABO, Formalizing and Securing Relationship, Titel Contracts
Embedded in the World, 1. Abschnitt. 356 SZABO, Smart Contract, 6. Abschnitt. 357 SZABO, Smart Contract, 3. Abschnitt; SZABO, Idea of smart contract, 2.
Abschnitt ff. 358 So bspw. MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 207 f.; MOUGAYAR,
Business Blockchain, 41; SWAN, Blockchain, 16 f.; SWANSON, Great
Chain, 15 f.; WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei
Smart Contracts, RN 2 FN 1. 359 Zur Programmierung siehe https://solidity.readthedocs.io/en/develp/
introduction-to-smart-contracts.html.
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Einführung Smart Contracts
88
unterscheiden.360 Diese Zweiteilung dient der Differenzierung des
durchzusetzenden Aspektes: Der Smart Contract Code setzt die Programm-
ierung um (operationelle Ausführung), während der Smart Legal Contract die
mehr oder weniger komplexen rechtlichen Verpflichtungen durchsetzt.361
Mancherorts wird ausserdem ausgeführt, dass im Zusammenhang mit Smart
Contract Code das Wort Contract die Ausführung von rechtlichen
Verpflichtungen auf einer Blockchain impliziere362 und ein Smart Legal
Contract die Art und Weise bezeichne, wie ein rechtlicher Vertrag in Software
abgebildet werden kann.363
Diese skizzierte Zweiteilung in Smart Contract Code und Smart Legal Contract
bringt also keine eindeutige Klärung der Begrifflichkeit, sondern schafft
vielmehr eine weitere Kategorie von Begriffen, die wiederum unterschiedlich
ausgelegt und verstanden werden können. So ist bspw. nicht klar, ob der
Begriff Smart Legal Contract auf eine Programmiersprache oder aber die Art
und Weise, wie ein Smart Contract rechtliche Verpflichtungen durchsetzt,
hinweist. Diese weitere Unterteilung ist im Hinblick auf eine einheitliche
Definition oder Klärung des Begriffes nicht zielführend.
Doch damit nicht genug: Aktuell wird nicht mehr nur von Smart Contract Code
und Smart Legal Contracts gesprochen. Bereits ist eine neue Schöpfung mit
dem Präfix smart entstanden: Neuerdings wird im Zusammenhang mit Smart
Contracts von Smart Legal Context gesprochen.364 Auf diese Verästelung wird
360 BACON/BAZINAS, Smart Contracts, N 3; JACCARD, Smart Contract, 21 ff.;
MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 207. 361 BACON/BAZINAS, Smart Contracts, N 4; vgl. MEYER/SCHUPPLI, Smart
Contracts, 207 f. 362 CLACK/BAKSHI/BRAINE, Smart Contract Templates, 2; MEYER/SCHUPPLI,
Smart Contracts, 207. 363 CLACK/BAKSHI/BRAINE, Smart Contract Templates, 2; MEYER/SCHUPPLI,
Smart Contracts, 208; KRONBALD/HAAPIO verstehen generell unter Smart
Contract jeweils einen rechtlich durchsetzbaren Vertag im Sinne eines
Smart Legal Contracts, vgl. KRONBLAD/HAAPIO, Smart Contracts, N 1 FN
4. 364 Unter Smart Legal Context verstehen EBENHOCH/GANTER (aus Sicht des
Softwareentwicklers) den klassischen Vertragstext als denjenigen
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Einführung Smart Contracts
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hier nicht näher eingegangen;365 dieses Beispiel soll jedoch zeigen, wie
dynamisch sich die Begrifflichkeiten (im Gleichschritt mit der Technologie)
weiterentwickeln.
3. Smart Contract von Ethereum
Eine Vorreiterrolle kommt im Zusammenhang mit Smart Contracts der in der
Schweiz ansässigen Ethereum-Stiftung zu. Ethereum nennt bestimmte Codes,
die auf der Ethereum-Blockchain initiiert werden können, Smart Contracts und
umschreibt deren Funktion folgendermassen: Als account holding objects auf
der Blockchain können sie mit anderen Smart Contracts interagieren,
Entscheidungen treffen, Daten speichern und Ether (die Kryptowährung von
Ethereum, vgl. Anhang, N 28 f.) versenden. Die jeweiligen Eigenschaften
können durch ihre Schöpfer bestimmt werden – die Ausführung und allfällige
weitere Serviceleistungen werden jedoch durch die Ethereum-Blockchain
vorgenommen. Smart Contracts existieren solange, wie das Netzwerk (die
Blockchain) selbst existiert und sie werden nur dann aufgelöst, wenn sie zur
Selbstzerstörung programmiert wurden.366
Die Beschreibung des Smart Contract der Ethereum-Blockchain wird an dieser
Stelle deshalb ausdrücklich erwähnt, weil diese Blockchain eine der
bedeutendsten ist und Ethereum im Bereich der Smart Contracts eine wichtige
Rolle spielt. Der Begriff Smart Contract wurde von der Ethereum-Plattform
geprägt und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, obschon
SZABO als Urheber dieses Begriffes gilt (vgl. RN 216). Zwischenzeitlich findet
der Terminus allgemeine Verwendung.
Kontext, in dem das Programm entwickelt wird: EBENHOCH, Blockchain
Compliance, N 38 f.; EBENHOCH/GANTER, Smart Context für Smart
Contracts, N 18. 365 Ausführlich dazu EBENHOCH/GANTER, Smart Context für Smart
Contracts, N 18 ff. 366 Vgl. www.ethereum.org/greeter.
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Einführung Smart Contracts
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4. Definitionsansätze
Wie schon angedeutet, wird der Begriff Smart Contract je nach Kontext und
Quelle unterschiedlich ausgelegt und verstanden. Obwohl sein Wortlaut das
Vorliegen eines smarten, also intelligenten Vertrages suggeriert, liegt ein
solcher bei genauerer Betrachtung nicht vor. Im Zusammenhang mit
Technologie wird der Begriff smart geradezu inflationär etlichen Begriffen
vorangestellt – wobei die eigentliche Wortbestimmung verloren geht.367 Beim
Begriff Smart Contract liegt gleich eine doppelte Ungenauigkeit vor: Einerseits
herrscht Einigkeit darüber, dass dem Wort smart in diesem Kontext nicht die
Bedeutung von intelligent zu attestieren ist; andererseits scheiden sich die
Geister an der Frage, ob ein Smart Contract tatsächlich als Vertrag einzustufen
ist.
Wie eingangs erwähnt, wird im Zusammenhang mit der Blockchain-
Technologie Algorithmen mehr vertraut (vgl. N 38 ff.) als menschlicher
Interaktion,368 was sich teilweise auch in den Definitionen des Begriffes Smart
Contract widerspiegelt. Aus der schier unüberschaubaren Fülle an Definitionen
hat sich bis dato noch keine durchgesetzt. Es sind jedoch Definitionsansätze
erkennbar, welche nachfolgend gruppiert und vorgestellt werden.369
a) Technische Ansätze
SZABO (Computer- und Rechtswissenschaftler) gilt als ideeller Vater des Smart
Contract (vgl. N 216 f.). Er hat ihn 1994 – lange vor dem Durchbruch der
Blockchain-Technologie – folgendermassen definiert: Ein Smart Contract ist
367 Man denke bspw. an Smart Phone, Smart Home, Smart Watch, Smart Car,
Smart Shoes etc. 368 Vgl. MIK, Smart Contract, 2. 369 Viele inhaltliche Diskussionen rund um die Blockchain-Technologie und
Smart Contracts finden in Internetforen statt. Es gibt unzählige (qualitativ
hochwertige) Blogs, die sich dem Thema widmen. Foren und Blogbeiträge
können in dieser Arbeit nicht ausführlich zitiert werden. Nichtsdestotrotz
soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die aktuellsten und
teilweise auch aufschlussreichsten Diskussionen jeweils in den
einschlägigen Foren zu finden sind.
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Einführung Smart Contracts
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ein computerisiertes Transaktionsprotokoll, das Vertragsbestandteile ausführt.
Hauptzweck ist die Durchsetzung von allgemeinen Vertragsbedingungen
(Zahlungskonditionen, Retentionsrecht, Vertraulichkeit und sogar
Durchsetzbarkeit), die Minimierung von vorsätzlichen und fahrlässigen
Vertragsbrüchen und der Notwendigkeit von vertrauenswürdigen
Intermediären. Ökonomisch betrachtet führe dies zu weniger Verlusten durch
Betrug, Schlichtungs- und Durchsetzungskosten sowie anderen
Transaktionskosten.370
SWANSON (interdisziplinärer Wissenschaftler) beschreibt einen Smart Contract
als ein Computerprotokoll, das einen Vertrag selbst ausführen, selbst
durchsetzen und selbst überprüfen kann.371 Im Unterschied zu klassischen
Verträgen sind Smart Contracts laut SWANSON nicht auf eine physische
Durchsetzungskraft angewiesen.372
Eine kurze Definition findet sich bei SWAN (Philosophin und
Naturwissenschaftstheoretikerin). Nach dieser Autorin sind Smart Contracts
blockchainbasierte Transaktionen, die über einfache Kaufs-/Verkaufs-
Transaktionen hinausgehen.373 Gemäss SWAN sind die Vorteile von Smart
Contracts die Autonomie, Eigenständigkeit und Dezentralität.374 Unter
Autonomie versteht sie die Annahme, dass der Smart Contract – sobald initiiert
und operativ – keine Interaktion zwischen dem Agenten und dem Vertrag mehr
erfordere. Eigenständig können Smart Contracts Ressourcen einteilen, indem
sie bspw. die mittels Kapitalbeschaffung erhaltenen Mittel (bspw. durch die
Ausgabe von Anteilen) in die notwendigen Ressourcen (bspw. Rechenleistung
oder Speicherplatz) investieren. Die Dezentralität bezieht sich auf die
Blockchain, auf der ein Smart Contract gespeichert ist.375 SWAN schlägt vor,
370 SZABO, Smart Contract, Glossary. 371 SWANSON, Great Chain, 16. 372 SWANSON, Great Chain, 16. 373 SWAN, Blockchain, 16. 374 SWAN, Blockchain, 16. 375 SWAN, Blockchain, 16.
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Einführung Smart Contracts
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für diese Art von codebasierten Regelungen neue Rechtsgefässe zu schaffen,
um der digitalen Realität Rechnung tragen zu können.376
Mit einem Negativkatalog sowie einer Aufzählung von Eigenschaften
umschreibt MOUGAYAR (Unternehmer) Smart Contracts. Demgemäss ist ein
Smart Contract kein Vertrag, kein Ricardian Contract377, kein Gesetz, enthält
keine künstliche Intelligenz, keine Blockchain-Applikation, nicht nur für
Softwareentwickler gedacht und einfach zu programmieren sowie sicher und
sehr breit in den Anwendungsmöglichkeiten.378 Die Quintessenz dieser
Umschreibung ist, dass ein Smart Contract eine individuell anpassbare
Software ist, die auf Blockchain-Netzwerken betrieben wird.
Die Definition von BUTERIN (Softwareentwickler) besitzt eine gewisse
Aussagekraft, da er als einer der Hauptentwickler der Ethereum-Blockchain in
der Blockchain-Community eine Schlüsselrolle spielt. Gemäss BUTERIN ist ein
Smart Contract die einfachste Form von dezentraler Automatisierung. Ein
Smart Contract sei ein Mechanismus, wobei digitale Vermögenswerte und
zwei oder mehr Parteien involviert sind. Die Parteien bringen ihre
Vermögenswerte ein und diese werden automatisch gemäss den von den
Parteien vereinbarten Regeln verteilt, wobei auf Daten zurückgegriffen wird,
die zum Zeitpunkt der Initiierung des Smart Contract noch nicht bekannt
sind.379
Schliesslich ist noch die Definition von CLACK/BAKSHI/BRAINE
(Computerwissenschaftler) zu erwähnen. Diese schlagen gewissermassen als
Kompromiss zwischen einer rein technischen und einer rein juristischen
Sichtweise (zur juristischen Sichtweise siehe später) folgende Definition vor:
376 SWAN, Blockchain, 17. 377 Ein Ricardian Contract ist eine Form des digitalisierten Vertrags und geht
auf eine Idee von IAN GRIGG aus den 90er Jahren zurück. Ein Vertrag im
Rechtssinne soll ohne Verlust der Gültigkeit und des tatsächlich
Vereinbarten digital abgebildet werden („The Ricardian Contract“ von
GRIGG abrufbar unter: http://iang.org/papers/ricardian_contract.html;
bildliche Darstellung auch bei MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 207). 378 MOUGAYAR, Business Blockchain, 42 f. 379 https://blog.ethereum.org/2014/05/06/daos-dacs-das-and-more-an-
incomplete-terminology-guide/.
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Ein Smart Contract ist eine automatisierbare und durchsetzungsfähige
Vereinbarung. Automatisierbar ist ein Smart Contract durch den Computer,
auch wenn gewisse Teile davon menschlichen Input und Kontrolle benötigen
können. Durchsetzbar ist er im rechtlichen Sinne oder mit Hilfe der
manipulationssicheren Durchführung des Computercodes.380
b) Juristische Ansätze
Auch Juristen haben sich schon mit der Definition und Verortung von Smart
Contracts beschäftigt. So schlagen KAULARTZ/HECKMANN folgende
Definition vor: Ein Smart Contract ist eine Software, „die rechtlich relevante
Handlungen (insbesondere einen tatsächlichen Leistungsaustausch) in
Abhängigkeit von digital prüfbaren Ereignissen steuert, kontrolliert und/oder
dokumentiert, mit dessen Hilfe aber unter Umständen auch ... dingliche
und/oder schuldrechtliche Verträge geschlossen werden können.“381
MEYER/SCHUPPLI definieren Smart Contracts als „digitale Programme, die
sich, gestützt auf die Blockchain-Architektur, beim Eintritt gewisser
Bedingungen selbst ausführen und aufgrund der dezentralen und
kryptografischen Ausgestaltung der Blockchain selbstdurchsetzend und
manipulationssicher sind“.382
Die SWISS LEGAL TECH ASSOCIATION (SLTA) hat ebenfalls eine Definition
von Smart Contracts vorgeschlagen. Gemäss Whitepaper vom 27. April 2018
ist ein Smart Contract ein sich selbstausführender Software-Code, der dazu
entwickelt wird, vordefinierte Bedingungen, Funktionen oder Aktionen
auszuführen. Wesentliche Eigenschaften sind die selbständige
Durchsetzbarkeit sowie die Unveränderlichkeit.383
380 CLACK/BAKSHI/BRAINE, Smart Contract Templates, 2. 381 KAULARTZ/HECKMANN, Smart Contract, 618. 382 MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 208. 383 SLTA, Data, Blockchain and Smart Contracts, 9.
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5. Eigene Definition von Smart Contracts
Wie bereits vorhergehend ausgeführt werden Smart Contracts je nach Quelle
und Kontext unterschiedlich definiert. Den meisten Definitionen gemein ist,
dass sie den Begriff Software oder Computerprogramm (vgl. Anhang, N 1 ff.)
enthalten oder Smart Contracts pleonastisch durch Nennung der
Begriffselemente charakterisieren. Des Weiteren enthalten die meisten der hier
exemplarisch aufgelisteten Definitionen Adjektive (bspw. automatisiert,
selbstausführend, selbstdurchsetzend etc.), die generell den Terminus Software
umschreiben und weisen auf die technologischen Möglichkeiten hin (bspw.
Vertragsschluss, Vertragsdurchsetzung, Senkung von Transaktions- oder
Prozesskosten etc.).
Es ist daher zielführend, in einem ersten Schritt pleonastische Elemente zu
entfernen und so eine möglichst griffige Definition von Smart Contracts
herzuleiten. Um den rasch voranschreitenden Entwicklungen gerecht zu
werden, sind Beschreibungen der Eigenschaften und der technologischen
Möglichkeiten von Smart Contracts aus der Definition zu verbannen. So kann
eine möglichst universelle Gültigkeit hergestellt werden.
Da Einigkeit darüber herrscht, dass ein Smart Contract im Kern ein
Computerprogramm darstellt, muss hierauf nicht näher eingegangen werden.384
Software ist ein Überbegriff und inkludiert Computerprogramme (vgl. Anhang,
N 1). Die Einordnung, ob ein Smart Contract eine Software oder ein
Computerprogramm darstellt, kann aus juristischer Sicht nicht beurteilt werden
und sei den Computerwissenschaftlern überlassen.
Vereinfachend und die vorgängig aufgeführten Definitionen zusammenfassend
kann festgehalten werden, dass unter Smart Contracts die diversen
Programmiermöglichkeiten verstanden werden, die mit einer einfachen
384 Vgl. auch KAULARTZ/HECKMANN, Smart Contract, 618 f.; MEYER/
SCHUPPLI, Smart Contracts, 204; MIK, Smart Contract, 3 ff.; WEBER,
Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart Contracts, 2 f.
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Einführung Smart Contracts
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Transaktion auf einer Blockchain verknüpfbar sind (bspw. die Verbindung
einer Transaktion mit einer Bedingung).385
Aufgrund der rasanten Entwicklung und der heute noch nicht vollständig
bekannten oder realisierten Möglichkeiten bietet es sich an, eine möglichst
stringente Definition des Begriffes Smart Contract zu verwenden, die
weitgehend auf deskriptive Elemente verzichtet (den Merkmalen des Smart
Contract ist der folgende Abschnitt gewidmet). Dadurch soll die Definition
möglichst lange ihre Gültigkeit und Plausibilität behalten. Gemäss dem
vorhergehend Ausgeführten lässt sich in der Quintessenz die Definition auf
Folgendes reduzieren: Ein Smart Contract ist ein auf der Blockchain-
Technologie basierendes, individualisierbares Computerprogramm.
6. Merkmale
In den in dieser Arbeit exemplarisch aufgeführten Definitionen (vgl. N 224 ff.),
aber auch in vielen anderen Definitionsansätzen kristallisieren sich als
vorherrschende Eigenschaften von Smart Contracts Autonomie/
Eigenständigkeit, Unveränderbarkeit und fehlende Interpretationsmöglichkeit
heraus. Auf diese Merkmale wird nachfolgend im Detail eingegangen.
a) Autonomie/Eigenständigkeit
Die vorprogrammierten Regeln werden durch das Programm selbständig, d.h.
ohne jegliche menschliche Interaktion, angewandt. Darunter kann auch die
selbständige Durchsetzung von Vertragsbestandteilen fallen. Der Code kann –
einmal auf der Blockchain abgespeichert – im Nachhinein nicht mehr
abgeändert werden und entwickelt so eine gewisse Eigendynamik. Ein Smart
Contract kann einzelne vertragliche Elemente autonom ausführen und macht
somit die Intervention eines Intermediärs (z.B. Anwalt oder Gericht) zur
385 Gemäss BERENTSEN/SCHÄR werden die durch die Smart Contracts
„geskripteten Abfolgen“ durch die Blockchain „besichert“: BERENTSEN/
SCHÄR, Kryptoassets, 289.
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Einführung Smart Contracts
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Durchsetzung teilweise überflüssig.386 Ein Smart Contract kann zwar
selbständig vorprogrammierte Befehle ausführen. Allerdings ist festzuhalten,
dass es sich nicht um eine eigenständig handelnde Entität mit eigener
Rechtspersönlichkeit handelt.387 Sämtliche Befehle, die durch den Smart
Contract ausgeführt werden, stammen von einer oder mehreren Parteien, die
die entsprechenden Befehle vorgängig programmiert und/oder initiiert haben.
Dies gilt auch für komplexe Smart Contracts, wie beispielsweise DAOs (vgl.
Anhang N 37 f.)388
b) Unveränderbarkeit
Unveränderbarkeit gilt als zentrales Merkmal von Smart Contracts. Es muss
hier präzisiert werden, dass Smart Contracts zwar auf der Blockchain-
Technologie aufbauen, welche als unveränderlich gilt. Die Unveränderbarkeit
bezieht sich im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie aber in der
Regel auf die Transaktionen, die definitiv in das Transaktionsregister
aufgenommen wurden. Smart Contracts können als Zustand auf die Blockchain
gespeichert werden; bei der Ethereum-Blockchain bspw. ist der Code als
Zustand im entsprechenden Konto gespeichert (vgl. N 80) und wird bei Eintritt
der erforderlichen Bedingung ausgeführt. Durch die Speicherung im
entsprechenden Konto, das wiederum auf sämtlichen beteiligten Nodes
abgespeichert ist, erwirbt der Smart Contract die Eigenschaft der Blockchain,
also die Unabänderbarkeit der in der Blockchain gespeicherten Daten.389 Es
besteht jedoch die Möglichkeit, dass ein Smart Contract nur das Resultat in die
Blockchain speichert, er selbst jedoch nicht auf der Blockchain, sondern in
einem virtuellen Container (z.B. Cloud) ausserhalb der Blockchain
386 SWAN, Blockchain, 16; SWANSON, Great Chain, 16; WEBER, Leistungs-
störungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart Contracts, N 4. 387 Vgl. KAULARTZ/HECKMANN, Smart Contract, 618 f.; a.A. ROON,
Schlichtung und Blockchain, 360. 388 Vgl. GYR, DAO, N 17 ff. 389 Vgl. MIELKE/WOLFF, Smart Contracts als interdisziplinäres Problem,
N 10 ff.; PLOOM, Blockchains, 129.
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abgespeichert ist (vgl. nachfolgend N 250).390 In diesen Fällen besitzt der
Smart Contract selbst nicht zwingend die Eigenschaft der Unveränderbarkeit.
c) Keine Interpretationsmöglichkeit
Die im Smart Contract hinterlegten Regeln sind nicht auslegbar. Sie sind im
Sinne der Naturgesetze deterministisch.391 Es wird durch das
Computerprogramm ausgeführt, was als Regel hinterlegt wurde. Verträge im
Rechtssinne können im Gegensatz dazu interpretiert und gemäss dem Willen
der Vertragsparteien ausgelegt werden (vgl. nachfolgend N 326 ff.).
7. Exkurs: Elektronischer Agent
Teilweise findet sich im Zusammenhang mit Smart Contracts die Fragestellung
(oder auch die Feststellung), ob ein Smart Contract eine eigenständig
handelnde Entität darstellt und ihm aus diesem Grund allenfalls sogar eine
eigene Rechtspersönlichkeit zukommen sollte.392 Diese Fragestellung erinnert
an die Diskussion über die elektronischen Agenten (auch intelligente Agenten,
Softwareagenten, Computererklärungen, oder Agentenerklärungen genannt),
als mit dem Aufkommen des E-Commerce393 die gleiche Frage aufgeworfen
wurde.394
390 Vgl. PLOOM, Blockchains, 144. 391 GANTER, Is Law Code?, N 28. 392 Vgl. KOLVART/POOLA/RULL, Smart Contracts, 134; ROON, Schlichtung
und Blockchain, 360 f. 393 E-Commerce steht für Elektronischer Geschäftsverkehr; Begriff und
Entwicklung von E-Commerce siehe BRÄUTIGAM, E-Commerce 2.0,
N 1 ff. 394 Vgl. BALSCHEIT, Konsumvertragsrecht, 168 ff.; GISLER, vertragliche
Aspekte elektronischer Märkte, 97 ff.; KIANICKA, Agentenerklärung,
53 ff.; WEBER/JÖHRI, Vertragsschluss im Internet, 48 ff.
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a) Begriff
Mit dem Aufkommen des Internet und des E-Commerce verbreitete sich der
Begriff des elektronischen Agenten.395 Darunter ist ein Programm zu
verstehen, das selbständig Aufgaben ausführt, ohne auf den kontinuierlichen
Input oder die Kontrolle eines Menschen angewiesen zu sein.396 Analog zu
Smart Contracts wurde auch bei elektronischen Agenten bereits das Adjektiv
smart vorangestellt. Allerdings wies smart schon damals auf die
Programmierung hin; der Agent ist so intelligent wie die Programmierung es
vorgesehen hat.397 Ein Agent ist also nichts Anderes als Software.
Im Zusammenhang mit elektronischen Agenten wurde ebenfalls diskutiert, ob
ihnen aufgrund ihrer suggerierten künstlichen Intelligenz eine eigenständige
Rechtspersönlichkeit zukommt oder zukommen soll. Dies wurde und wird
grossmehrheitlich verneint, da auch die Handlungen eines elektronischen
Agenten jeweils einer Person zugerechnet werden können.398
b) Smart Contracts und elektronische Agenten
Gemäss den Ausführungen im vorangehenden Kapitel (vgl. N 238 f.) sind
Smart Contracts ebenfalls als Agenten zu qualifizieren, da sie ebenfalls
Software darstellen. Der Terminus Agent sollte jedoch vermieden werden, da
er eine Eigenständigkeit suggeriert, die nicht vorhanden ist.
Aus heutiger Perspektive unterscheiden sich die vormals vieldiskutierten
elektronischen Agenten und Smart Contracts vor allem in der ihnen
zugrundeliegenden Technologie. Die aufgeworfenen Fragen, insbesondere in
Bezug auf das Vertragsrecht, wie bspw. zur elektronischen Willenserklärung
und Zurechenbarkeit von elektronischen Willenserklärungen (vgl. nachfolgend
N 287 ff.) bleiben indes praktisch identisch.
395 KIANICKA, Agentenerklärung, 53. 396 KIANICKA, Agentenerklärung, 53. 397 Vgl. KIANICKA, Agentenerklärung, 54. 398 KIANICKA, Agentenerklärung, 63 ff.
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II. Funktionsweise von Smart Contracts
Im nachfolgenden Kapitel wird – stark vereinfachend – die Funktionsweise von
Smart Contracts erläutert. Dabei wird dargelegt, wie ein Smart Contract auf
Ereignisse ausserhalb der Blockchain zugreifen kann und wie es möglich ist,
Vermögenswerte an einen Smart Contract zu übertragen. Abgeschlossen wird
das Kapitel durch konkrete Anwendungsbeispiele von Smart Contracts.
1. Allgemeines
Ein Smart Contract ist, wie vorgängig ausgeführt, ein Computerprogramm, das
auf einer Blockchain-Plattform ausgeführt werden kann (vgl. N 238 ff.).
Ein Smart Contract kann direkt auf einer (öffentlichen) Blockchain als Zustand
abgespeichert werden. Bei der Ethereum-Blockchain bspw. wird ein Smart
Contract in einem Konto, also direkt auf der Blockchain (d.h., gleichzeitig auf
allen Knotenpunkten), abgespeichert.399 Dadurch, dass er direkt400 auf der
Blockchain abgespeichert ist, kann der Smart Contract nachträglich nicht mehr
abgeändert werden (vgl. N 242). Das Ergebnis, also die durch den Smart
Contract durchgeführte Transaktion, kann jederzeit durch die Knotenpunkte
überprüft und validiert werden, was auf ein sicheres Ergebnis schliessen
lässt.401 Die direkte Verankerung des Smart Contract auf der Blockchain ist
hinsichtlich der Manipulationssicherheit sowie der Validierung der
Transaktion durch das Netzwerk sicher ein Vorteil; im Fall von fehlerhaften
399 Vgl. MIELKE/WOLFF, Smart Contracts als interdisziplinäres Problem, 3 f.;
PLOOM, Blockchains, 129. 400 Direkt meint in diesem Zusammenhang, dass der Smart Contract als
Applikation auf der Blockchain-Plattform verankert ist. Durch diese
Verankerung wird der Smart Contract auf dem gesamten Blockchain-
Netzwerk hinterlegt, d.h. er ist auf allen Knotenpunkten verteilt und alle
Knotenpunkte führen den Smart Contract einzeln aus (vgl. PLOOM,
Blockchains, 128.). 401 Vgl. PLOOM, Blockchains, 129; MIELKE/WOLFF, Smart Contracts als
interdisziplinäres Problem, 4; FURRER, Smart Contracts, 104.
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Smart Contracts, die nicht mehr abgeändert werden können, stellt sie jedoch
einen Nachteil dar (vgl. nachfolgend N 341 ff.).402
Neben der Speicherung des Smart Contract als Zustand auf der Blockchain
besteht die Möglichkeit, ihn ausserhalb der Blockchain z.B. in einem virtuellen
Container (Cloud) zu speichern und nur den Hash403 des Smart Contract
und/oder nur das Ergebnis des Smart Contract in der Blockchain
abzuspeichern. Dieses Modell wurde insbesondere für private Anwendungen
und Unternehmen entwickelt, da ein solches Modell ermöglicht, dass der Smart
Contract auch auf Systeme von Unternehmen zugreifen kann (was bei Smart
Contracts von Ethereum bspw. nicht möglich ist) und nicht viel Speicherplatz
auf der Blockchain benötigt.404 Ist der Smart Contract ausserhalb der
Blockchain gespeichert, lässt dies allenfalls auch ein Eingreifen durch die
Parteien zu (bspw. bei einer fehlerhaften Programmierung oder geänderten
Umständen).
Als Grundsatz für den Mechanismus kann festgehalten werden, dass bei einem
Smart Contract die von den Parteien eingebrachten Vermögenswerte
automatisch gemäss den von den Parteien vereinbarten Regeln verteilt werden;
dabei wird auf Daten zurückgegriffen, die zum Zeitpunkt der Initiierung des
Smart Contract noch nicht bekannt sind (vgl. hiervor N 230).
402 Da Smart Contracts auf sämtlichen Knotenpunkten abgespeichert sind,
jeder Knoten den Smart Contract ausführt und das Ergebnis, also die
Transaktion, immer wieder validiert wird, führt dies zu einem enormen
Speicher- und Rechenaufwand im Netzwerk (vgl. PLOOM, Blockchains,
129, 144.). 403 Für Erklärungen zum Begriff Hash vgl. Anhang, N 5 f. 404 So z.B. Chaincode von Hyperledger, Übersicht der Chaincodes auf den
verschiedenen Blockchain-Infrastrukturen von Hyperledger im
WHITEPAPER HYPERLEDGER, Hyperledger Architecture, Volume II, 8;
Vgl. PLOOM, Blockchains, 144.
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2. Bezug zu Ereignissen ausserhalb der Blockchain
Ein Smart Contract referenziert auf Daten, die zum Zeitpunkt der Initiierung
noch nicht vorliegen (vgl. N 253). Diese Dateninformation kann sich entweder
auf der Blockchain befinden (sog. on chain) oder von einem Ereignis, resp.
einer Information, ausserhalb der Blockchain (sog. off chain), entweder in der
virtuellen oder realen Welt, abhängen. Der Bezug zu einer Information
ausserhalb der Blockchain kann durch ein sog. Orakel hergestellt werden. Das
Orakel ist eine Drittpartei, eine von den Parteien auserkorene,
vertrauenswürdige Instanz, welche bspw. den Eintritt eines bestimmten
Ereignisses als Transaktion in der Blockchain speichert, worauf wiederum der
Smart Contract referenziert.405 Oder das Orakel hält einen privaten Schlüssel,
der für die Auslösung der Transaktion als Bedingung vorausgesetzt wird.406 Es
ist hierbei zu beachten, dass diese Schnittstellen nicht die gleichen (Sicherheits-
) Merkmale wie die Daten auf Blockchain selbst aufweisen und dass die
Informationen, die von aussen in die Blockchain getragen werden, nicht durch
das Netzwerk (Miner) validiert werden.407
Die Verbindung von einem Smart Contract zu einem Gegenstand in der realen
Welt kann auch mittels Schnittstellen zum Internet of Things (IoT) hergestellt
werden.408 IoT ist eine internetbasierte Informationsarchitektur, die realen
Gütern mit Hilfe von eingebauten Kleinstcomputern die Kommunikation mit
der virtuellen Welt ermöglicht.409
405 Vgl. SWAN, Blockchain, 17; SWANSON, Great Chain, 61; WEBER,
Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart Contracts,
N 33 f.; BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 294. 406 Vgl. BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 294. 407 FURRER, Smart Contracts, 104; MIK, Smart Contract, 9; vgl.
BERETSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 294 f. 408 Zur möglichen Verbindung zwischen Blockchain und IoT vgl.
CHRISTIDIS/DEVETSIKIOTIS, Smart Contracts for IoT, 2298 ff. 409 EGGEN, Home Smart Home, 1131 f.; WEBER/WEBER, IoT, 1.
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Einführung Smart Contracts
102
3. Übertragung von Vermögenswerten an den Smart
Contract
Ein Smart Contract kann Vermögenswerte halten.410 So ist es beispielsweise
möglich, an die Adresse eines Smart Contract Kryptowährung oder andere
Token (Anhang, N 30 ff.) zu senden.411 Der Smart Contract kann diese Token
halten und nach Eintritt der vordefinierten Bedingungen an die vorbestimmte
Partei (resp. deren Adresse) übertragen.
4. Beispiele
Nachfolgend werden exemplarisch Anwendungsgebiete vorgestellt, in denen
Smart Contracts zum Einsatz kommen könnten. Smart Contracts kommen
bereits heute weit verbreitet zum Einsatz. Allerdings agieren diese im
Verborgenen (innerhalb von Anwendungen) und sind nicht per se als
„Verträge“ erkennbar. Auf diese Frage wird jedoch später eingegangen (vgl.
N 266 ff.). Die nachfolgenden Beispiele sind bewusst kurz und oberflächlich
gehalten und dienen lediglich der Veranschaulichung. Sie weisen nicht auf
allfällige juristische Fallstricke hin.
a) Wohnungs- oder Automiete: Smarte Schlösser
Smart Contracts können via IoT mit einem Gegenstand in der realen Welt
verbunden sein. So können bspw. Mietverträge über Wohnungen oder Autos
mit einem Smart Contract abgewickelt werden. Der Mieter hinterlegt beim
Smart Contract die Miete sowie eine Kaution. Im Anschluss erhält er einen
Schlüssel, mit dem er die Wohnung oder das Fahrzeug öffnen kann. Der
Mietgegenstand, der via IoT mit dem Smart Contract verbunden ist, „weiss“
sodann, dass der Mieter die Zahlungen hinterlegt hat und gibt das Schloss,
wenn es mit dem entsprechenden Schlüssel geöffnet wird, frei. Bei Rückgabe
410 Vgl. hierzu Kapitel I., N 517 ff. 411 Zu Token und deren Klassifizierung vgl. Anhang, N 30 ff.
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Einführung Smart Contracts
103
der Wohnung oder des Autos wird die Kaution dann automatisch
zurücküberwiesen.412
b) Versicherung
Ein Smart Contract kann im Versicherungsbereich eingesetzt werden. Es
kursieren viele Beispiele, die praktisch jedoch noch nicht umgesetzt worden
sind.413
Bei Schadensversicherungen bspw. würde der Smart Contract die
Versicherungsbedingungen enthalten. Bei Eintritt des versicherten Schaden-
ereignisses würde automatisch die versprochene Versicherungsleistung
ausbezahlt.
Bei der Haftpflichtversicherung eines Autolenkers könnte der Smart Contract
direkt mit dem Fahrzeug des Lenkers verbunden sein. Via IoT würde dem
Smart Contract mitgeteilt, ob der Lenker verkehrswidrige Verhaltensweisen
(z.B. wiederholtes zu schnelles Fahren) aufzeigt und so die Prämien
entsprechend automatisch angepasst.
c) Musik
Ein bereits seit längerem bekanntes Problem in Bezug auf Streamingdienste
könnte mit Hilfe der Blockchain-Technologie gelöst werden. Eine Band könnte
bspw. ihre Musik mit Hilfe einer Blockchain direkt an ihre Fans verkaufen und
den Preis so selbst festlegen. Musiktitel können mit einem Smart Contract
hinterlegt werden, der bei Nutzung der Musik die erforderliche Gebühr
automatisch von dem Nutzer einfordert und danach die Musik freigibt. Der
Musiker muss so nicht mehr auf die Bezahlung durch die Streamingdienste
oder Musiklabels warten, sondern interagiert direkt mit den Nutzern.414
412 Z.B. https://slock.it. 413 Die Flugverspätungs-App der AXA, die auf Blockhain basiert
(https://fizzy.axa), befindet sich noch in der Testphase und ist nur für
ausgewählte Flüge für Kunden aus Frankreich und Italien zugänglich. 414 Z.B. https://ujomusic.com.
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Einführung Smart Contracts
104
d) Logistik
In der Logistik sind komplexe Abläufe die Regel, was zu einem hohen
administrativen Aufwand und vielen Dokumentenflüssen führt. Dies ist ein
Feld, in dem Blockchain-Anwendungen mit hoher Intensität entwickelt
werden.415 So versucht Maersk, die gesamte Logistikkette auf der Blockchain
abzubilden und allen involvierten Parteien den gleichen Einblick auf den
aktuellen Status zu ermöglichen. Mit Smart Contracts werden dabei die
einzelnen Schritte durchgesetzt, um die erforderliche Abfolge sicherzustellen.
Maersk setzt dabei auf eine private Blockchain-Plattform (Hyperledger).416
III. Fazit
Je nach Quelle und Kontext werden Smart Contracts unterschiedlich definiert
und ausgelegt. Den meisten Definitionen ist gemein, dass sie den Begriff
Software enthalten oder Adjektive verwenden, die die Funktion von Software
generell umschreiben. Es wird als möglichst griffige und generelle Definition
Folgendes vorgeschlagen: Ein Smart Contract ist ein auf der Blockchain-
Technologie basierendes, individualisierbares Computerprogramm.
Universelle Eigenschaften des Smart Contract sind seine Eigenständigkeit,
Unveränderbarkeit sowie die fehlende Interpretationsmöglichkeit.
Wie vorgängig aufgezeigt, existieren unzählige Smart Contracts, die je nach
Ausgestaltung und verwendeter Programmierung unterschiedliche
Funktionsweisen aufweisen. Ist der Smart Contract auf eine Information aus
der realen Welt oder ausserhalb der Blockchain angewiesen, so wird diese
durch ein Orakel abgerufen. Auch die Verbindung von Smart Contracts mit
realen Gegenständen ist mit Hilfe von IoT möglich.
415 Z.B. von Maersk in Zusammenarbeit mit IBM. 416 www-01.ibm.com/common/ssi/cgi-
bin/ssialias?htmlfid=CPV03008USEN
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
105
B. Vertragsabschluss und Smart
Contracts
Um gültig einen Vertrag gemäss Schweizer Recht abzuschliessen, müssen die
Voraussetzungen des Obligationenrechts erfüllt sein; dies gilt unabhängig
davon, welches Medium dafür verwendet wird. Für das gültige
Zustandekommen eines Vertrages braucht es rechts- und geschäftsfähige
Vertragsparteien (N 277 ff.), gegenseitige übereinstimmende Willens-
erklärungen (N 284 ff.) sowie einen Konsens über die wesentlichen Vertrags-
bestandteile (N 333 ff.). Zudem darf weder ein Willensmangel noch ein Irrtum
oder eine Täuschung vorliegen (N 412 ff.). Im Schweizer Vertragsrecht gilt der
Grundsatz der Inhalts- und Formfreiheit unter Vorbehalt bestimmter
Sondernormen (N 270, 349 ff.).
Unbestritten ist, dass ein Smart Contract als Hilfsmittel dienen kann, einen
(ausserhalb der Blockchain geschlossenen) Vertrag umzusetzen. Nachfolgend
wird daher insbesondere untersucht, ob ein Smart Contract selbst das
Vertragsverhältnis darstellen kann. Teilweise decken sich die Fragen, die
nachfolgend untersucht werden, mit denjenigen, die sich beim Abschluss eines
digitalen Vertrages generell stellen. Es werden daher neben den allgemeinen
Regeln auch die zum E-Commerce erarbeiten Grundsätze herangezogen.
Fragestellungen, die im Zusammenhang mit dem E-Commerce bereits
ausführlich diskutiert und geklärt wurden (z.B. digitale Willenserklärung,
Vertragsschluss per Mausklick etc.)417 werden in der vorliegenden Arbeit nur
kurz behandelt.
Bevor die soeben aufgeworfenen Problemstellungen angegangen werden, wird
vorfrageweise untersucht, ob eine Programmiersprache gemäss Schweizer
Recht Vertragssprache sein kann.
417 Vgl. FREI, Konsumentenverträge im Internet, 54 ff.; GISLER, vertragliche
Aspekte elektronischer Märkte, 94 ff.; WEBER, E-Commerce, 321 ff.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
106
I. Vorfrage: Programmiersprache als
Vertragssprache
Mit der Automatisierung von Verträgen, und insbesondere im Zusammenhang
mit Smart Contracts, stellt sich die Frage, ob ein Vertrag auch direkt in
Programmiersprache verfasst sein kann. Von Interesse ist diese Fragestellung
selbstredend nur dort, wo sonst kein Vertrag in einer anderen (z.B.
verschriftlichten) Form vorliegt.
1. Formfreiheit und Stillschweigen
Grundsätzlich herrscht im Schweizer Vertragsrecht Formfreiheit (siehe dazu
nachfolgend N 365 f). Das heisst, der Vertrag muss weder schriftlich fixiert,
noch „sprachlich gefertigt“ werden.418 Gemäss HUGUENIN blickt die fehlende
Sprach- und Formbedürftigkeit von Verträgen auf eine lange Entwicklung
zurück.419 Jedoch ist auch bei einer fehlenden Sprach- und Formbedürftigkeit
von entscheidender Bedeutung, dass zwischen den Parteien eine
übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung vorliegt (Art. 1 OR).420
2. Programmiersprache
Software ist in einer bestimmten Programmiersprache verfasst und abgesehen
von den entsprechenden Spezialisten nur durch Computer lesbar, resp.
übersetzbar. Eingesetzt werden heutzutage vor allem sog. höhere
Programmiersprachen, die nicht mehr direkt von einem Computer gelesen
418 HUGUENIN, linguistische Kommunikation und Verträge, 114. 419 HUGUENIN, linguistische Kommunikation und Verträge, 114. 420 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 286; KRAMER/
SCHMIDLIN, BK OR, Art. 1 N 4; ZELLWEGER-GUTKNECHT/ BUCHER, BSK
OR I, Art. 1 N 2 ff.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
107
werden müssen, sondern durch ein Übersetzungsprogramm (Compiler421) in
Maschinensprache übersetzt werden und dadurch nicht nur
problemorientierter, sondern auch einfacher verständlich sind.422 Bekannte
(höhere) Programmiersprachen sind Java, C++ oder die in Blockchain-
Anwendungen verbreiteten Sprachen JavaScript, Go, Python oder Solidity.423
3. Unterschied Programmiersprache zu
konventioneller Sprache
Im Gegensatz zur natürlichen Sprache424 kann Programmiersprache nur Syntax
abbilden, jedoch keine Semantik. Programmiersprache besteht aus einer
Abfolge von Zeichen, denen jeweils eine bestimmte Funktion zukommt. Es ist
also nicht möglich, mittels Programmiersprache bspw. unbestimmte
Rechtsbegriffe abzubilden.425 Ein vollständig ausformulierter Vertrag kann mit
Programmiersprache daher nicht aufgesetzt werden; doch ist zu bedenken, dass
auch konventionelle Verträge nicht ausschliesslich vollständig oder
widerspruchsfrei aufgesetzt sind. Zu denken ist hier auch an mündliche oder
stillschweigend geschlossene Verträge. Programmiersprache ist im Gegensatz
zu konventioneller Sprache der Allgemeinheit nicht zugänglich;426 dies könnte
421 Ein Compiler übersetzt eine (höhere) Programmiersprache in
Maschinensprache, damit das Programm durch den Computer ausgeführt
werden kann (vgl. HEROLD/LURZ/WOHLRAB/HOPF, Grundlagen der
Informatik, 138 f.). 422 HEROLD/LURZ/WOHLRAB/HOPF, Grundlagen der Informatik, 148 f., 233;
KRYPZCYK/BOCHKOR, Programmieren, 5. 423 Vgl. FURRER, Smart Contracts, 107; HEROLD/LURZ/WOHLRAB/HOPF,
Grundlagen der Informatik, 149; WHITEPAPER HYPERLEDGER,
Hyperledger Architecture, Volume II, 8. 424 Natürliche Sprache ist die von Menschen gesprochene Sprache. 425 Vgl. WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart
Contracts, N 18. 426 Vgl. FURRER, der festhält, dass für interessierte Laien höhere
Programmiersprachen grundsätzlich nachvollziehbar seien: FURRER,
Smart Contracts, 107.
272
Vertragsabschluss und Smart Contracts
108
sich jedoch angesichts des technologischen Wandels und der Digitalisierung
aller Lebensbereiche in Zukunft ändern.
4. Programmiersprache als Vertragssprache
Wie bereits ausgeführt, ist die materielle Voraussetzung für einen
Vertragsabschluss gem. Art. 1 OR die gegenseitige übereinstimmende
Willenserklärung. Da ein Vertrag auch ohne sprachliche Fixierung zustande
kommen kann, soll er daher grundsätzlich auch in Form einer Programmier-
sprache aufgesetzt werden können, sofern dies dem übereinstimmenden Willen
der Vertragsparteien entspricht.427
Von diesem Grundsatz zu differenzieren ist die Frage nach der Tauglichkeit
eines Smart Contract, den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien
abzubilden (vgl. nachfolgend N 287 ff.), allfällige Formvorschriften einzu-
halten (vgl. nachfolgend N 298 ff.) oder als Beweis vor Gericht zugelassen zu
sein.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass es bereits seit den 90er Jahren Bestrebungen
gibt, Verträge digital zu erfassen428 oder juristische Programmiersprachen zu
entwickeln, die Verträge juristisch korrekt in Algorithmen festhalten sollen.429
Durchgesetzt hat sich allerdings noch keines dieser Systeme. Es ist nach dem
Gesagten ohnehin fraglich, ob eine solche Digitalisierung für einen Grossteil
von Verträgen erforderlich ist. Die Notwendigkeit besteht allenfalls dort, wo
Formvorschriften vorgesehen sind und die entsprechende gesetzliche
Regelung, die wie auch immer ausgestaltete elektronische Form anerkennt.
427 Gleiche Ansicht für das dt. Recht: KAULARTZ/HECKMANN, Smart
Contract, 621 f. 428 Als Beispiel diene der Ricardian Contract (siehe FN 377). 429 Es gibt diverse Projekte, die sich mit der Ausarbeitung von juristischen
Programmiersprachen (sog. Legal Programming) auseinandersetzen. Für
eine Übersicht über die in der Schweiz laufenden Projekte siehe
<www.swisslegaltech.ch/mapping>. Kritisch zu Verträgen direkt als Code
MIK, Smart Contract, 15 ff.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
109
5. Fazit
Aufgrund der Formfreiheit im Schweizer Vertragsrecht ist es grundsätzlich
möglich, dass ein Vertrag in Programmiersprache verfasst ist. Voraussetzung
ist, dass dies dem Willen der Parteien entspricht und die übrigen
Voraussetzungen zum gültigen Vertragsschluss gem. Obligationenrecht erfüllt
sind.
276
Vertragsabschluss und Smart Contracts
110
II. Vertragsparteien: Rechts- und
Geschäftsfähigkeit
Ein Vertragsschluss setzt mehrere beteiligte Parteien voraus; ein Vertrag kann
nicht mit sich selbst abgeschlossen werden.430 Die Rechts- und
Geschäftsfähigkeit sind dabei unabdingbare Voraussetzungen an die Parteien,
um Verträge rechtsgültig abschliessen zu können.431 Um die Rechts- und
Geschäftsfähigkeit zu gewährleisten, resp. überprüfen zu können, müssen sich
die Parteien in irgendeiner Form identifizieren. In praktischer Hinsicht werden
diese Voraussetzungen nicht getrennt voneinander, sondern vielmehr
gemeinsam überprüft.
1. Rechtsfähigkeit
Rechtsfähig sind in der Schweiz alle natürlichen und juristischen Personen
(Art. 11 und 53 ZGB).432 Die Rechtsfähigkeit wird vermutet.433 Allfällige
Einschränkungen sind von derjenigen Partei, die daraus etwas ableiten will, zu
beweisen.434 Fehlt es an der Rechtsfähigkeit einer Partei, fehlt es auch an der
vertraglichen Wirkung des Vereinbarten.435 Die Rechtsfähigkeit ist also
unabdingbar, um nach Schweizer Recht einen Vertrag gültig abzuschliessen.
Dabei ist zu beachten, dass mit einer Maschine aufgrund deren fehlender
Rechtspersönlichkeit kein Vertragsverhältnis eingegangen werden kann.436
430 BGE 132 III 32 E. 5.2 S. 43; SCHWENZER, BSK OR I, Art. 13 N 14 ff. 431 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 300, 305; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 299 f. 432 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 300. HÜRLIMANN-
KAUP/SCHMID, Personenrecht, N 566 ff.; HOFER/HRUBESCH-MILLAUER,
Personenrecht, N 11.03 f. 433 FANKHAUSER, BSK ZGB I, Art. 11 N 22. 434 STEINAUER/FOUNTOULAKIS, Droit des personnes, N 40 f. ; FANKHAUSER,
ZGB I, Art. 11 N 22. 435 Vgl. FANKHAUSER, BSK ZGB I, Art. 11 N 4. 436 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 300.
277
278
Vertragsabschluss und Smart Contracts
111
Nicht zu verwechseln ist die Konstellation Mensch-Maschine jedoch mit den
Fällen, in denen mittels Programmen automatisch eine Willenserklärung
übermittelt wird. Dort muss sich die betreffende Partei die durch das
Computerprogramm übermittelte Willenserklärung als eigene zurechnen
lassen (vgl. nachfolgend N 321 ff.).437
2. Geschäftsfähigkeit
Nebst der Rechtsfähigkeit bedarf es zum gültigen Vertragsschluss auch der
Geschäftsfähigkeit. Die Geschäftsfähigkeit ist (mit der Deliktsfähigkeit) eine
Unterart der Handlungsfähigkeit gem. Art. 12 ZGB für natürliche, resp. Art. 54
ZGB für juristische Personen. Sie steht für die Fähigkeit einer Person,
rechtsgeschäftliche Willenserklärungen abzugeben.438 Die Handlungsfähigkeit
ist sowohl für die zweiseitigen Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte als
auch für die einseitigen Rechtsgeschäfte unabdingbar; durch sie werden Rechte
und Pflichten begründet.439 Natürliche Personen müssen volljährig
(Vollendung des 18. Lebensjahres, Art. 14 ZGB)440 sowie urteilsfähig (Art. 16
ZGB)441 sein und dürfen nicht unter umfassender Beistandschaft stehen
(Art. 17 ZGB).442 Juristische Personen sind handlungsfähig, sobald nach
437 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 300; WEBER, E-
Commerce, 340. 438 HOFER/HRUBESCH-MILLAUER, Personenrecht, N 10.14; HUGUENIN, OR,
N 142; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Personenrecht, N 591. 439 HOFER/HRUBESCH-MILLAUER, Personenrecht, N 10.14; HÜRLIMANN-
KAUP/SCHMID, Personenrecht, N 590 ff.; FANKHAUSER, BSK ZGB I, Art.
12 N 12 f. 440 HOFER/HRUBESCH-MILLAUER, Personenrecht, N 10.17; HUGUENIN, OR,
N 145 ff.; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Personenrecht, N 611 ff. 441 Urteilsfähig ist, wer vernunftgemäss handeln kann, d.h. wer nicht wegen
Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch
oder ähnlicher Zustände in seinem vernunftgemässen Handeln
eingeschränkt ist (Art. 16 ZGB); FANKHAUSER, BSK ZGB I, Art. 16 N 1
ff.; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Personenrecht, N 601 ff. 442 Vgl. FANKHAUSER, BSK ZGB I, Art. 17 N 4.
279
Vertragsabschluss und Smart Contracts
112
Gesetz und Statuten die erforderlichen Organe bestellt sind (Art. 54 ZGB).443
Die Handlungsfähigkeit (resp. Geschäftsfähigkeit) wird vermutet, die
Handlungsunfähigkeit muss von der Partei bewiesen werden, die diese
behauptet.444 Auch beschränkt Handlungsunfähige (bspw. urteilsfähige
handlungsunfähige Personen, Art. 19-19c ZGB) können teilweise
geschäftsfähig sein und rechtswirksam gewisse Rechtsgeschäfte abschliessen
(Art. 19 Abs. 1 und 2 ZGB).445 Die fehlende Geschäftsfähigkeit als Folge der
fehlenden Urteilsfähigkeit bewirkt die Nichtigkeit des Vertrages (Art. 18
ZGB).446 Fehlt es hingegen einem Urteilsfähigen an der vorausgesetzten
Handlungsfähigkeit, so ist der Vertrag ohne Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters für ihn einseitig unverbindlich.447
3. Rechts- und Geschäftsfähigkeit bei Smart
Contracts
Wie bereits dargelegt, kann ein Smart Contract grundsätzlich auf einer
öffentlichen oder einer privaten Blockchain-Plattform implementiert sein (vgl.
N 80, 84, 251 ff.). Dabei stellt sich die Frage, ob die Teilnehmer in irgendeiner
443 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 391; HUGUENIN/REITZE, BSK
ZGB I, Art. 54 N 2. 444 FANKHAUSER, BKS ZGB I, Art. 12 N 40; HÜRLIMANN/SCHMID,
Personenrecht, N 595.
Der gute Glaube an die Handlungsfähigkeit wird jedoch nicht geschützt:
BGE 107 II 105 E. 6a S. 116, 89 II 387 E. 2 S. 389; BERGER, Allgemeines
Schuldrecht, N 319; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT,
N 301. 445 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 322; HOFER/HRUBESCH-
MILLAUER, Personenrecht, N 10.26 ff.; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID,
Personenrecht, N 597 ff. 446 FANKHAUSER, BSK ZGB I, Art. 18 N 3, 6 ff.; HOFER/HRUBESCH-
MILLAUER, Personenrecht, N 10.43. 447 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 311 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 302; HOFER/HRUBESCH-MILLAUER,
Personenrecht, N 10.40.
280
Vertragsabschluss und Smart Contracts
113
Weise zwecks Feststellung der Rechts- und Geschäftsfähigkeit identifiziert
werden (können).
a) Öffentliche Blockchain
Das Prinzip der öffentlichen Blockchain ist, dass sie jedermann zugänglich ist
(vgl. N 33). Es ist fraglich, wie die Parteien bei einem Vertragsschluss auf einer
öffentlichen Blockchain die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der potentiellen
Vertragspartei sicherstellen. Da die öffentliche Blockchain grundsätzlich
jedermann zugänglich ist und ohne Zentralinstanz auskommt, ist eine wie auch
immer geartete Form der Zulassungskontrolle (z.B. zugelassen wird nur, wer
sich identifiziert) nicht realistisch und widerspricht der Grundkonzeption. Es
ist daher in der Verantwortung der potentiellen Vertragsparteien, die Rechts-
und Geschäftsfähigkeit ihrer Vertragspartner zu überprüfen oder einen
entsprechenden Nachweis zu verlangen. Eine Möglichkeit würde darin
bestehen, dass eine Applikation für den Vertragsschluss genutzt wird, welche
die Identifizierung der Parteien übernimmt, resp. die Rechts- und
Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner überprüft oder nachweist.
b) Private Blockchain
Werden Verträge auf einer privaten Blockchain (vgl. N 35 f.) geschlossen,
kann von Anfang an eine Identifizierung der Teilnehmer vorgesehen werden.
So können nur Teilnehmer zur Blockchain zugelassen werden, die vorgängig
ihre Rechts- und Geschäftsfähigkeit nachweisen, resp. sich identifizieren
können. In der Regel sind sich die Teilnehmer eines geschlossenen Netzwerkes
bereits bekannt oder können sich gegenseitig identifizieren. Die Ausgestaltung
des Identitätsnachweises richtet sich nach den Regeln der Blockchain oder der
Applikation. Aber auch bei einer privaten Blockchain gilt, dass es dem
einzelnen Nutzer obliegt, ob und wie er den Nachweis der Rechts- und
Geschäftsfähigkeit seines Vertragspartners einholt.
281
282
Vertragsabschluss und Smart Contracts
114
4. Fazit
Der Nachweis der Rechts- und Geschäftsfähigkeit von Vertragsparteien kommt
bei der Anwendung von Smart Contracts einer Identifizierung der Teilnehmer
gleich. Entweder verwenden die Nutzer einer öffentlichen Blockchain eine
Applikation, auf der Identifizierungen vorgenommen werden oder sie stellen
auf anderem Wege sicher, dass ihre Vertragspartei rechtsgültig Geschäfte
abschliessen darf. Das Gleiche gilt für Smart Contracts auf privaten
Blockchains, wobei bei diesen eher davon ausgegangen werden kann, dass die
Parteien ihre Identität offengelegt haben oder diese nachvollziehbar ist.
283
Vertragsabschluss und Smart Contracts
115
III. Rechtsbindungswille und
Willenserklärung: Antrag und Annahme
Für den Abschluss eines Vertrages braucht es einen Antrag sowie eine
Annahme der Parteien. Die Parteien benötigen einen Rechtsbindungswillen,
ein vertragliches Verhältnis eingehen zu wollen.
Auch für elektronische Willenserklärungen gelten die Grundsätze des
Obligationenrechts.448 Im elektronischen Geschäftsverkehr wird die
Willenserklärung oftmals nur durch einen Mausklick kundgetan,449 kann aber
auch als individuell verfasste Erklärung elektronisch versendet werden (z.B.
mittels E-Mail oder via Webformular).450
Die Blockchain eignet sich grundsätzlich als System, um Antrag und Annahme
zusammenzufügen.451 Dabei ist zu unterscheiden, ob bspw. ein Angebot mit
einem Smart Contract in eine Blockchain-Plattform gesetzt wird, wonach bei
Zustimmung durch eine andere Partei automatisch das vordefinierte Geschäft
ausgeführt wird, ob die Parteien einen Vertrag direkt als Smart Contract
aufsetzen oder ob ein Smart Contract von den Vertragsparteien dafür benutzt
wird, das vorher vereinbarte Grundgeschäft abzubilden und ggf.
abzuwickeln.452 Bei letzterer Variante entscheiden sich die Fragen über Antrag
und Annahme nach dem Grundgeschäft ausserhalb des Smart Contract. Sollte
der Smart Contract das Grundgeschäft selbst darstellen, so stellen sich
nachfolgende Fragen unabhängig davon, ob der Smart Contract auf einer
öffentlichen oder auf einer privaten Blockchain eingesetzt wird.
448 Vgl. WEBER, E-Commerce, 345. 449 WEBER, E-Commerce, 339. 450 BALSCHEIT, Konsumvertragsrecht, 168. 451 Gem. EGGEN ein “Matchingsystem”: EGGEN, Chain of Contracts, 7. 452 Für letztere Konstellation Vgl. FURRER, Smart Contracts, 111.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
116
1. Rechtsbindungswille
Gemäss Art. 1 OR braucht es für das Zustandekommen eines Vertrages eine
übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung (Abs. 1). Diese Zustimmung
kann ausdrücklich oder stillschweigend sein (Abs. 2). Die zeitlich erste
Willenserklärung besteht aus dem Antrag, die zweite aus der Annahme.453
a) Allgemeine Regeln
Mit dem Antrag erklärt der Antragsteller seinen endgültigen
Vertragsabschlusswillen.454 Davon zu unterscheiden ist die Einladung zur
Offertenstellung (invitatio ad offerendum), die sich an eine oder mehrere
Personen richten kann und mit der erst die Bereitschaft zu einem
Vertragsabschluss – jedoch ohne endgültigen Abschlusswillen – kundgetan
wird.455
Der (Rechtsbindungs-, Rechtsfolge- oder Geschäfts-) Wille im juristischen
Sinne ist das Resultat einer psychischen Leistung, „des gegenseitigen
Abwägens der verschiedenen Strebungen und der Gewinnung eines
Standpunktes, bei dem behaftet zu werden man gewillt ist.“456 Das Vorliegen
eines Bindungswillens ist elementar für die Abgrenzung eines Vertrages von
einem Gefälligkeitsgeschäft.457 Wird der Wille nach dem Vertrauensprinzip
ausgelegt, dann wird ein Bindungswille verneint bei „Gefälligkeitshandlungen
453 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 647, 668; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 363 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 28.01;
WEBER, E-Commerce, 340. 454 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 648; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 363; SCHWENZER, OR AT, N 28.09. 455 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 648; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 369; vgl. SCHWENZER, OR AT, N 28.09. 456 ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 1 N 3. 457 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 353a; vgl.
HÜRLIMANN-KAUP, privatrechtliche Gefälligkeit, N 110.
287
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289
Vertragsabschluss und Smart Contracts
117
des täglichen Lebens, bei Zusagen im rein gesellschaftlichen Verkehr oder bei
ähnlichen Vorgängen“.458
Die Annahme ist die Kundgabe des Vertragsabschlusswillens und muss als
zweite Willenserklärung mit dem Antrag übereinstimmen – weicht sie
inhaltlich vom Angebot ab, gilt dies grundsätzlich als Gegenangebot.459
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr
Auch im elektronischen Rechtsverkehr gilt, dass zum gültigen Abschluss eines
Vertrages ein Rechtsbindungswille vorliegen muss. In den Anfangszeiten des
E-Commerce schien es fraglich, ob ein Nutzer sich aufgrund der unzähligen
erforderlichen Mausklicks bewusst ist, wann er mittels Klick einen Vertrag
eingeht.460 Zwischenzeitlich ist anerkannt, dass ein Mausklick dem Absender
zugerechnet wird (vgl. N 323).461 Internetseiten sind u.a. auch aufgrund von
regulatorischen Vorgaben so ausgestaltet, dass explizit auf das Eingehen eines
Vertragsverhältnisses hingewiesen werden muss.462 In der Regel müssen die
AGB vorgängig akzeptiert werden. Ein zufälliges Eingehen einer rechtlichen
Beziehung ohne Rechtsbindungswille im elektronischen Geschäftsverkehr ist
daher unwahrscheinlich.
c) Bei Smart Contracts
In den Fällen, in denen ein Smart Contract zur Abbildung und/oder zur
Durchsetzung eines ausserhalb der Blockchain geschlossenen Vertrages
eingesetzt wird, ist der Rechtbindungswille in diesem Grundgeschäft zu
verorten. Der Geschäftswille muss sich nur dann auf die Verwendung des
Smart Contract (bspw. als Abbildungs- oder Durchsetzungsinstrument)
458 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 353b m.w.H;
HÜRLIMANN-KAUP, privatrechtliche Gefälligkeit, N 116. 459 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 670; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 435, 441; SCHWENZER, OR AT, N 28.31. 460 Vgl. WEBER, E-Commerce, 339 f. 461 WEBER, E-Commerce, 340. 462 Z.B. Art. 11 E-Commerce RL.
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beziehen, wenn die Verwendung des Smart Contract einen wesentlichen
Hauptpunkt des Vertrages darstellt.463
In den übrigen Fällen ist zu differenzieren, ob es sich bei den beteiligten
Parteien um fachkundige Personen handelt, die von den wesentlichen
Regelungen im Smart Contract Kenntnis nehmen können (bspw. durch
Kenntnis der Programmiersprache), ob es beiden Parteien möglich ist, den
Inhalt eines Smart Contract in zumutbarer Weise zu erschliessen oder ob ein
Gefälle im Verständnishorizont der Parteien besteht.
aa) Fachkundige Personen
Verwenden fachkundige Parteien einen Smart Contract, ohne dabei vorgängig
einen anderen Vertrag abzuschliessen, ist zu vermuten, dass die Nutzung des
Smart Contract und die darin enthaltenen Bedingungen dem Willen der
Parteien entsprechen.464 Da eine Programmiersprache grundsätzlich
Vertragssprache sein kann (N 273 ff.), stellt in dieser Konstellation der Smart
Contract direkt den Vertrag dar465 – unter Voraussetzung der übrigen
notwendigen Elemente für einen gültigen Vertragsabschluss. Da sich ein Smart
Contract auf Informationen (Ereignisse) bezieht, die bei Vertragsschluss noch
nicht vorliegen, handelt es sich dabei i.d.R. um einen (resolutiv oder suspensiv)
463 Vgl. FURRER, Smart Contracts, 106. 464 A.A. SCHALLER, blogpost 32, N 6; SCHALLER, blogpost 34, N 8. 465 A.A. SCHALLER, der die Meinung vertritt, dass der Vertrag „eine
juristische Sekunde“ zuvor zustande kommt: Die Parteien würden den
Vertrag jeweils schriftlich, mündlich oder konkludent im Vorfeld
schliessen und erst danach in einen Smart Contract überführen; ausser, die
Parteien hätten explizit erklärt, erst gebunden sein zu wollen, wenn der
Vertrag als Smart Contract vorliegt (SCHALLER, blogpost 32, N 4, 6.).
Dieser Meinung ist im Grundsatz insofern zu widersprechen, als dies
konsequenterweise auch für Vertragsschlüsse ohne Smart Contracts gelten
müsste: Bei einem schriftlich fixierten Vertrag kommt der Vertrag in der
Regel nicht schon im Vorfeld mündlich oder konkludent zustande;
vielmehr ist dies das Stadium der vorvertraglichen Verhandlungen.
A.A. auch FURRER, nach dem der Smart Contract kein eigenständiger
Vertrag ist, aber den gemeinsamen Willen der Vertragsparteien reflektiert:
FURRER, Smart Contracts, 109.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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bedingten Vertrag (Art. 151 Abs. 1 OR).466 Ein bedingter Vertrag kann
aufgrund der Privatautonomie für Schuldverhältnisse und auch für
Verfügungsgeschäfte eingesetzt werden.467 Bedingungsfeindlich sind jedoch
diejenigen Rechtsgeschäfte, die zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der
Rechtssicherheit führen oder eine widerrechtliche oder sittenwidrige Absicht
beinhalten.468
bb) Fachunkundige Personen
Obwohl sich die Blockchain-Technologie immer grösserer Beliebtheit erfreut,
ist aus heutiger Sicht das Szenario, dass eine unkundige Person „aus Versehen“
einen Smart Contract implementiert, ziemlich unwahrscheinlich. Soll ein
Smart Contract auf einer Blockchain initiiert und ein Vermögenswert auf die
Adresse des Smart Contract übertragen werden, erfordert dies immer eine
aktive Handlung durch mindestens eine Partei. Durch diese aktive Handlung
kann der Partei auch ein Handlungswille zugeschrieben werden. Ob diese
Handlung jeweils auch einen Geschäftswillen beinhaltet, kann nur im
Einzelfall beurteilt werden. Fest steht jedoch, dass durch das Signieren mit dem
Private Key die Partei bewusst eine Transaktion auslöst.
Sollte dabei den Parteien die Tragweite der signierten Transaktion nicht
bewusst sein (resp. sie können aufgrund fehlender Kenntnissen die Inhalte des
Smart Contract nicht in zumutbarer Weise erschliessen) und kein
Bindungswille mit den damit verbundenen (rechtlichen) Folgen vorhanden
sein, dann stellt der Smart Contract selbst keinen Vertrag dar. In dieser
Konstellation ist es jedoch fraglich, ob den Parteien bei bewusster Nutzung
eines Smart Contract ohne die Kenntnisse des konkreten Inhaltes die Berufung
466 Laut Art. 151 Abs. 1 OR ist die Bedingung der Eintritt einer ungewissen
Tatsache. Die Bedingung steht für ein objektiv ungewisses zukünftiges
Ereignis, von dem nach dem Willen der Parteien die Wirksamkeit des
Vertrages abhängt: EHRAT/WIDMER, BSK OR I, Vorbem. Art. 151-157
N 1. 467 EHRAT/WIDMER, BSK OR I, Vorbem. Art. 151-157 N 4; BERGER,
Allgemeines Schuldrecht, N 790; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 3952. 468 EHRAT/WIDMER, BSK OR I, Vorbem. Art. 151-157 N 5a; BERGER,
Allgemeines Schuldrecht, N 794 f.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
120
auf den fehlenden Geschäftswillen aufgrund des Rechtmissbrauchsverbots
verwehrt sein soll (vgl. N 412 ff.).469
cc) Fachkundige und fachunkundige Personen
Wird ein Vertrag mit einem Smart Contract aufgesetzt und sind die involvierten
Parteien eine fachkundige Person und eine fachunkundige Person, ist
wiederum eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Handelt es sich bei der
fachunkundigen Person um einen Konsumenten470 und bei der fachkundigen
Person um ein Unternehmen, dann ist aufgrund der fehlenden Übersetzung des
Vertrages in natürliche Sprache davon auszugehen, dass der Smart Contract
nicht den Vertrag selbst darstellt (vgl. nachfolgend N 306). Handelt es sich
nicht um einen Konsumentenvertrag, dann ist zu prüfen, worauf sich der Wille
der fachunkundigen Person gerichtet hat. Wenn es der fachunkundigen Person
in zumutbarer Weise möglich war, vom Inhalt des Smart Contract Kenntnis zu
nehmen (z.B. durch Erkundigung bei der Vertragspartei), dann stellt der Smart
Contract direkt den Vertrag dar – unter Vorbehalt der Erfüllung der übrigen
Voraussetzungen zum gültigen Vertragsabschluss.
469 KAULARTZ/HECKMANN, Smart Contract, 624 (dt. Recht); vgl. WEBER,
Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart Contracts, N 10;
ausführlich zum Rechtsmissbrauchsverbot statt vieler HAUSHEER/AEBI-
MÜLLER, BK ZGB, Art. 2 N 41 ff. 470 Unter Konsument ist eine natürliche Person zu verstehen, die für den
persönlichen oder familiären Gebrauch Waren oder Dienstleistungen
erwirbt (KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, 62); vgl. Art. 40a ABS. 1 OR,
Art. 32 Abs. 2 ZPO, Art. 120 Abs. 1 IPRG oder Art. 15 Abs. 1 LugÜ.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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2. Adressatenkreis und Formvorschriften
Der Antrag und die Annahme kann sich an einen bestimmten oder
unbestimmten Adressatenkreis richten und unterliegt allenfalls
Formvorschriften, wenn das angebotene Geschäft einer Formvorschrift
unterliegt.
a) Allgemeine Regeln
Der Antrag kann sich an Anwesende (Art. 4 OR)471 oder Abwesende (Art. 5
OR)472 richten und ist grundsätzlich formfrei möglich (Art. 11 OR).473
Ausnahmen bilden diejenigen Verträge, die einer gesetzlichen Formvorschrift
unterliegen (Art. 11 und 16 OR); hier unterliegt sowohl der Antrag als auch die
Annahme grundsätzlich der entsprechenden Formvorschrift.474 Der
Antragsteller kann sein Angebot an einen einzigen Empfänger oder an einen
unbestimmten Personenkreis richten.475 Die Auslage von Ware inkl.
Preisangabe stellt gem. Art. 7 Abs. 3 OR in der Regel einen Antrag dar; diese
Regelung gilt jedoch nicht für Dienstleistungen.476 Keinen Antrag stellt die
471 Hier wird davon ausgegangen, dass sich die Parteien am gleichen Ort
befinden oder miteinander am Telefon verbunden sind, vgl. BERGER,
Allgemeines Schuldrecht, N 655 f.; ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER,
BSK OR I, Art. 4 N 3. 472 Unter Abwesenden wird verstanden, dass die Parteien in keiner
unmittelbaren Kommunikation stehen, vgl. BERGER, Allgemeines
Schuldrecht, N 657. 473 Die Willenserklärung kann in Form der reinen Erklärung (Sprache oder
nonverbale Ausdrucksmittel, d.h. Handlung bezweckt den Ausdruck des
Geschäftswillens), durch konkludentes Verhalten, durch mündliche oder
schriftliche Erklärung (z.B. auch via E-Mail), mittelbar oder unmittelbar
oder ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen: GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, 178 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 27.09 f.,
27.12. 474 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 385 f.; vgl.
SCHWENZER, BSK OR I, Art. 11 N 12 f. 475 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 387 f. 476 ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 7 N 10.
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Auskündung gem. Art. 7 Abs. 2 OR dar; betroffen davon ist das Versenden von
Tarifen, Preislisten und dergleichen (bspw. Kataloge, Muster etc.).477
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr
Das Angebot von Waren und Dienstleistungen im Internet stellt nach h.L. eine
Auskündung gem. Art. 7 Abs. 2 OR dar.478 Je nach Umstand kann aber auch
auf ein konkretes Angebot geschlossen werden, so z.B. in den Fällen, in denen
sich die Dienstleistung oder die Ware (darunter sind in diesem Zusammenhang
auch unkörperliche Sachen zu verstehen) auf dem Rechner des Anbieters
befindet und direkt bezogen werden kann (Bsp. Software, Informationen wie
Zeitungsartikel) oder wenn der Kunde direkt mit der Kreditkarte (o.ä.
Zahlungsmitteln) bezahlen muss und konkrete Liefertermine abgesprochen
sind.479 Die Fälle, in denen von einem konkreten Angebot im Internet
ausgegangen wird, können nicht eng umschrieben werden, sondern bedürfen
vielmehr einer Einzelfallbetrachtung.480
Stellt die online dargebotene Ware oder Dienstleistung eine Einladung zur
Offertenstellung dar, dann unterbreitet der Kunde mittels E-Mail oder
Webformular ein verbindliches Angebot und der Vertrag kommt dann
zustande, wenn der Anbieter der Ware oder der Dienstleistung das Angebot
unverändert annimmt.481
Sollte das Rechtsgeschäft Formvorschriften unterliegen, dann sind diese auch
im elektronischen Geschäftsverkehr zu beachten. Hierzu ist die Regelung in
Art. 14 Abs. 2bis OR zu erwähnen, die die qualifizierte elektronische
Unterschrift der eigenhändigen Unterschrift gleichstellt (vgl. nachfolgend
N 390 ff.).
477 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 663; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 373 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 28.10. 478 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 374, 377; WEBER,
E-Commerce, 341 f. 479 WEBER, E-Commerce, 342. 480 WEBER, E-Commerce, 342. 481 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 441; WEBER, E-
Commerce, 342.
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c) Bei Smart Contracts
Ein Angebot mittels Smart Contract kann sich sowohl in einer öffentlichen als
auch in einer privaten Blockchain an einen bestimmten oder unbestimmten
Personenkreis richten.
Onlineangebote von Waren oder Dienstleistungen werden nicht als Angebote
qualifiziert, sondern als eine invitatio ad offerendum (vgl. N 300). Smart
Contracts, die eine Ware oder Dienstleistung (an einen bestimmten oder
unbestimmten Personenkreis) anbieten, sind daher ebenfalls grundsätzlich
nicht als Angebot, sondern als Einladung zur Offertenstellung zu betrachten.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Smart Contract auf einer öffentlichen oder
auf einer privaten Blockchain-Plattform implementiert ist.
Wie bei jedem Onlineangebot, kann auch mit einem Smart Contract ein
verbindliches Angebot übermittelt werden; nämlich dann, wenn die Ware oder
Dienstleistung direkt bezogen werden kann (z.B. Benutzung einer Plattform,
Zugang zu Informationen etc.) oder wenn der Kunde direkt eine Gegenleistung
(z.B. Zahlung mit einer Kryptowährung) tätigen muss und konkrete
Liefertermine vorliegen (vgl. N 300).
Beschlägt das mit einem Smart Contract übermittelte Angebot ein
Rechtsgeschäft, das einer Formvorschrift unterliegt, dann ist auch der Antrag
und die Annahme von dieser Formvorschrift betroffen (zur Formvorschrift vgl.
nachfolgend N 364 ff.).
Richtet sich das in einem Smart Contract verankerte Angebot an Konsumenten,
dann ist jeweils eine Verschriftlichung der im Smart Contract hinterlegten
Regeln (z.B. in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, AGB482) von
Nöten, um aus konsumentenschützerischer Sicht eine Übervorteilung von
Verbrauchern zu verhindern. Es sind dabei die jeweils spezialgesetzlichen
482 AGB sind generell vorformulierte Vertragsbestimmungen, die auf eine
Vielzahl von Verträgen angewendet werden können; Zweck ist eine
Rationalisierung im Geschäftsverkehr im Sinne einer effizienten
Abwicklung von Verträgen: GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER,
OR AT, N 1117 f.; KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 2, 73.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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Regelungen (z.B. im Konsumkreditgesetz483 oder bei Haustürgeschäften) zu
beachten. Rechtssicherheit besteht in diesen Fällen erst dann, wenn eine
Übersetzung in eine natürliche Sprache vorliegt.484 Sind Smart Contracts als
AGB ausgestaltet, so ist eine Textform erforderlich; mündliche AGBs sind
nicht zulässig.485 Das Texterfordernis kann auch in elektronischer Form (bspw.
USB-Speicher, PDF, E-Mail, SMS) erfüllt werden; es braucht hierzu keinen
traditionellen Erklärungsträger. Erforderlich ist einzig, dass die elektronische
Datei einfach zu finden und gut lesbar ist.486 AGB müssen von den
Vertragsparteien angenommen werden, ansonsten sie nicht Teil des Vertrages
werden.487 Die Übernahme erfolgt dann, wenn die Vertragspartei deutlich
darauf hingewiesen wurde und die Möglichkeit besteht, sich in zumutbarer
Weise Kenntnis des Inhaltes zu verschaffen.488 Für elektronische Verträge gilt
ebenfalls die Pflicht eines deutlichen Hinweises auf die AGB; eine blosse
Veröffentlichung der AGB im Internet reicht hierfür nicht.489 Erforderlich ist
vielmehr ein ohne grossen Aufwand möglicher Direktzugriff auf die AGB vor
Vertragsschluss, resp. spätestens bei Abgabe der Willenserklärung.490 Nach
erfolgter Übernahme durch die Parteien können AGB einer richterlichen
483 Bundesgesetz über den Konsumkredit (KKG) vom 23. März 2001,
SR 221.214.1. 484 WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart
Contracts, N 9. 485 KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 75. 486 KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 75. 487 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1124; vgl. KRAMER/
PROBST/PERRIG, AGB, N 112 ff. 488 KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 161. 489 KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 163. 490 KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 120.
Vertragsabschluss und Smart Contracts
125
Kontrolle bezüglich Konsens,491 Auslegung492 und Inhalt493 unterzogen
werden.494
3. Zugang der Willenserklärung und Frist
Der Offerent ist grundsätzlich eine bestimmte Zeit an seinen Antrag gebunden.
Die Willenserklärungen müssen bei der jeweils anderen Partei zugehen,
ansonsten kein Vertrag gültig zustande kommen kann.
a) Allgemeine Regeln
Der Antrag wie auch die Annahme sind in der Regel empfangsbedürftig.495 Die
Erklärung muss hierzu beim Empfänger eingehen, d.h. sie wird erst wirksam,
wenn sie beim Empfänger zugegangen ist.496 Während bei unmittelbaren
Erklärungen (Antrag an Anwesende) der Zugang und die Kenntnisnahme durch
den Empfänger zusammenfallen, fällt dies bei mittelbaren Erklärungen (Antrag
an Abwesende) auseinander.497 Die Erklärung wird bei mittelbaren
Willenserklärungen dann wirksam, wenn sie beim Empfänger eintrifft
491 Ausführlich zur Konsenskontrolle KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB,
N 109 ff. 492 Ausführlich zur Auslegungskontrolle KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB,
N 235 ff. 493 Ausführlich zur Inhaltskontrolle KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB,
N 290 ff. 494 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1124 ff.; KRAMER/
PROBST/PERRIG, AGB, N 18 ff. 495 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 194; vgl.
SCHWENZER, OR AT, N 28.10. 496 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 196 f.; SCHWENZER,
OR AT, N 27.22. 497 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 684; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 196; SCHWENZER, OR AT, N 27.23.
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126
(Empfangstheorie).498 Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen entfalten
ihre Wirkung mit der Äusserung.499
Stellt der Antragsteller eine Frist, dann ist er bis zum Ablauf dieser Frist an sein
Angebot gebunden (Art. 3 OR). Bei einem Antrag an Abwesende ist der
Antragsteller so lange gebunden, wie eine Antwort des Antragempfängers bei
ordnungsgemässer und rechtzeitiger Absendung erwartet werden darf (Art. 5
Abs. 1 OR), d.h. es besteht eine Frist, die sich aus der Dauer der
Übermittlungen (Angebot und Annahme) sowie einer Bedenkfrist des
Offertenempfängers zusammensetzt.500
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr
Elektronische Willenserklärungen sind i.d.R. mittelbar,501 weshalb auch die
Empfangstheorie zur Anwendung kommt. Bei elektronischen
Willenserklärungen gilt die Mitteilung mit der Speicherung auf einem Rechner
des Empfängers oder mit der Speicherung auf einem fremden Rechner, sobald
er diese abrufen kann (z.B. elektronisches Postfach, Zugang durch Passwort),
als zugegangen.502
In den Fällen, in denen die Onlineanpreisung als direktes Angebot qualifiziert
werden kann, ist der Anbieter solange an sein Angebot gebunden, bis die
angemessene Übermittlungs- und Bedenkfrist des Empfängers abgelaufen ist
(vgl. N 310). Im elektronischen Geschäftsverkehr dürften insbesondere die
Übermittlungsfristen von Angebot und Akzept sehr kurz sein.503 Für die
498 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 242; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 196 f.. 499 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 682; SCHWENZER, OR AT, N 27.18. 500 ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 5 N 5. 501 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 186; WEBER/JÖHRI,
Vertragsschluss im Internet, 45. 502 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, 202; SCHWENZER, OR
AT, N 27.23; WEBER/JÖHRI, Vertragsschluss im Internet, 45; vgl. auch
Art. 11 E-Commerce RL. 503 Für die Kenntnisnahme kann gemäss WEBER der Absender aber davon
ausgehen, dass min. einmal pro Tag eine Mailbox geleert wird: WEBER,
E-Commerce, 344.
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Bemessung der angemessenen Bedenkfrist des Empfängers ist jeweils eine
Einzelfallbetrachtung notwendig (wobei objektive Kriterien, wie die Art des
Geschäftes oder die Usanz, sowie subjektive Kriterien, wie die Dauer der
Ermittlung notwendiger Informationen, Kenntnis der Interessenlage der
anderen Partei etc. zu berücksichtigen sind).504
c) Bei Smart Contracts
Auch bei einem Smart Contract gilt, dass der Antrag und die Annahme beim
Empfänger zugegangen sein müssen (vgl. N 309).
Für die Bemessung der Frist, in der der Antragssteller an seine Offerte
gebunden ist, muss ebenfalls eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden
(vgl. N 312).
Für die Verbindlichkeit einer Offerte ist die Ausgestaltung eines Smart
Contract von Bedeutung. Stellt ein Smart Contract initial das Grundgeschäft
dar und enthält er ein Angebot an einen bestimmten oder unbestimmten
Personenkreis, dann muss er entweder zeitlich terminiert oder so programmiert
sein, dass dieses Angebot entweder deaktiviert oder abgeändert werden kann.
Ansonsten ist das Angebot unveränderbar und für „immer“ (solange jedenfalls,
wie die entsprechende Blockchain-Plattform besteht) veröffentlicht. In den
Fällen, in denen das Angebot als Einladung zur Offertenstellung qualifiziert
würde, wäre das Problem insofern entschärft, als die darauf eingegangene
Offerte jeweils akzeptiert werden müsste und dies unterlassen werden kann.
Enthält das Angebot jedoch eine Leistung oder Ware, die direkt bezogen wird
oder werden gegen direkte Bezahlung (automatisch) konkrete Liefertermine
vereinbart, dann muss der Angebotsteller dafür besorgt sein, diesen Smart
Contract ggf. terminiert oder deaktivierbar auszugestalten, da er ansonsten
allenfalls schadenersatzpflichtig wird (vgl. nachfolgend N 412 ff.).
504 ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 5 N 5 ff.
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4. Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
Je nachdem, ob der Vertrag unter Anwesenden oder Abwesenden zustande
kommt, unterscheidet sich der Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages.
Beim elektronischen Geschäftsverkehr ist von einem Vertragsschluss unter
Abwesenden auszugehen.
a) Allgemeine Regeln
Der Vertrag kommt unter Anwesenden sofort zustande, falls keine Frist
vereinbart wurde (Art. 4 Abs. 1 OR).505 Unter Abwesenden kommt der Vertrag
mit Zugang der Annahmeerklärung beim Offerenten zustande, wobei der
Antragsteller bei einem Antrag ohne Frist zur Annahme so lange an seine
Offerte gebunden ist, bis der Eingang der Annahmeerklärung bei
ordnungsgemässer und rechtzeitiger Absendung durch den Akzeptanten
erwartet werden darf (Art. 5 Abs. 1 OR).506 Die Gestaltungswirkung dieses
Vertrages kann jedoch bereits zum Zeitpunkt der Absendung der
Annahmeerklärung zurückbezogen werden (Art. 10 Abs. 1 OR).507
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr
Auch beim elektronischen Geschäftsverkehr gilt, dass der Vertrag zu dem
Zeitpunkt entsteht, zu dem die Annahmeerklärung beim Offerenten eintrifft
(N 317). Durch die stark verkürzte, resp. kaum mehr vorhandene
Übermittlungsfrist beim elektronischen Geschäftsverkehr kann die Absendung
einer Annahmeerklärung mit dem Zugang der Annahme beim Empfänger
505 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 682; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 460; ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK
OR I, Art. 4 N 3 ff. 506 Vgl. ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 5 N 1 f.;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 410; SCHWENZER,
ORT AT, 28.20. 507 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 683; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 461 f.; ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER,
BSK OR I, Art. 10 N 3.
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zusammenfallen.508 Somit gilt aufgrund des faktischen Wegfalls der
Übermittlungsfrist der Zeitpunkt der Versendung als Zeitpunkt des
Vertragsschlusses.509
c) Bei Smart Contracts
Bei einem Vertragsschluss mit Smart Contracts stellt sich die Frage, mit
welcher Handlung die Annahme erklärt wird und zu welchem Zeitpunkt der
Vertrag zustande kommt. Wird das Grundgeschäft ausserhalb des Smart
Contract geschlossen, dann ist in diesem Verhältnis zu prüfen, wie die
Annahme erklärt und wann die Annahme versendet wurde. Kommt der Vertrag
direkt mit einem Smart Contract zustande, dann ist zu bestimmen, mit welchem
konkreten Vorgang die Annahme erklärt wird. In Frage kommen zwei
Zeitpunkte: Entweder geschieht dies durch die Signierung des Angebots durch
den Empfänger mit seinem Private Key (= Akzept) oder erst durch den
Validierungsmechanismus der Transaktion (gem. Konsensprotokoll, vgl. N 61
ff.) der entsprechenden Blockchain-Plattform, in der der Smart Contract
implementiert ist. Für Letzteres würde sprechen, dass eine Transaktion erst
dann in einer Blockchain als gültig gilt, wenn sie gemäss Konsensprotokoll
validiert ist.510 Jedoch haben die Parteien keinen Einfluss auf den
Validierungsmechanismus und die tatsächliche Willensäusserung des
Akzeptanten wird mit der Signierung mit dem Private Key kundgetan. Daher
erfolgt die Annahmeerklärung durch die Signierung mit dem Private Key. Dies
ist gleichzeitig auch der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die Signierung mit
dem Private Key unmittelbar die automatisierte Ausführung auslöst.
508 Vgl. WEBER, E-Commerce, 345. 509 Vgl. WEBER, E-Commerce, N 345. 510 Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Konsensprotokolle ist
die Validierung von Transaktionen bei jeder Blockchain-Plattform jeweils
separat zu betrachten. Bei der Bitcoin- und (derzeit noch) Ethereum-
Blockchain wird das PoW-Konzept verwendet (vgl. N 65 ff.). Hier gilt
eine Transaktion dann als sicher, wenn sie min. sechs weitere Blöcke vor
sich hat (vgl. N 69).
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130
Vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist der Beginn der Wirkung zu
unterscheiden, der bei bedingten Verträgen (N 294) im Zeitpunkt der Erfüllung
der Bedingung liegt (Art. 151 Abs. 1 OR), wobei die Parteien eine
anderslautende Vereinbarung treffen können (Art. 151 Abs. 2 OR). Eine solche
wird bei einer Suspensivbedingung insbesondere dann angenommen, wenn die
Sache schon vor Eintritt der Bedingung übergeben wird.511 Entsprechend fällt
die Wirkung ex tunc mit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zusammen.512
Bei einer Resolutivbedingung wird das Rechtsgeschäft zu dem Zeitpunkt
ungültig, zu dem die Bedingung eintritt (Art. 154 Abs. 1 OR). Eine
Rückwirkung (der Unwirksamkeit) auf den Abschlusszeitpunkt findet in der
Regel nicht statt (Art. 154 Abs. 2 OR).513
5. Zurechenbarkeit der Willenserklärung
Eine Willenserklärung muss jeweils einer Partei zurechenbar sein; diese Frage
ist besonders im elektronischen Geschäftsverkehr von Bedeutung.
a) Allgemeine Regeln
Die Frage der Zurechenbarkeit einer Willenserklärung spielt bei den
allgemeinen Prinzipien keine bedeutende Rolle, da die Regeln nicht in einer
anonymen und virtuellen Umgebung entwickelt wurden. Die Zurechenbarkeit
von Willenserklärungen spielen jedoch dort eine Rolle, wo eine andere Person
als die Vertragspartei selbst beim Vertragsschluss involviert ist, wie bspw.
beim Einsatz eines Boten oder eines Stellvertreters. Auf die allgemeinen
511 EHRAT/WIDMER, Art. 151 N 12; BERGER, Allgemeines Schuldrecht,
N 817. 512 Berger, Allgemeines Schuldrecht, N 817; Erhard/Widmer, Art. 151 N 12. 513 D.h. Leistungen, die vor Eintritt der Bedingung erbracht wurden, sind
nicht zurückzuerstatten; das Rechtsgeschäft wird durch den Nichteintritt
der Bedingung zu einem unbedingten (vgl. EHRHARD/WIDMER, Art. 154
N 7; BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 822 f.; vgl. GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 4007.
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Regeln zur Boten- und Stellvertreterfunktion wird an dieser Stelle aber nicht
näher eingegangen (vgl. jedoch nachfolgend N 415, 426 f).
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr
Bei elektronischen Willenserklärungen ist grundsätzlich zwischen denjenigen
Erklärungen zu unterscheiden, die von einem Menschen mittels Computer
abgegeben werden (z.B. durch einen Klick) und denjenigen, die automatisch
durch ein Computerprogramm generiert werden.514 Erstere können dem
Absender direkt zugerechnet werden.515 Die durch ein Computerprogramm
generierten Erklärungen sind im Voraus festgelegt; im Gegensatz zur ersten
Fallgruppe werden die Erklärungen jedoch nicht direkt durch menschliches
Handeln ausgelöst; eine Maschine nimmt die rechtlich relevante Handlung
vor.516 Diese Handlung wird jedoch dem Betreiber der entsprechenden
Datenverarbeitungsanlage zugerechnet.517 Computererklärungen gelten daher
grundsätzlich ebenfalls als Willenserklärungen.518
c) Bei Smart Contracts
Ein Smart Contract wird immer durch min. eine Partei initialisiert.519 Dabei
führt ein Smart Contract diejenigen Schritte aus, die vorprogrammiert wurden.
514 BALSCHEIT, Konsumvertragsrecht, 168; WEBER/JÖHRI, Vertragsschluss
im Internet, 48. 515 BALSCHEIT, Konsumvertragsrecht, 168; WEBER/JÖHRI, Vertragsschluss
im Internet, 48. 516 BALSCHEIT, Konsumvertragsrecht, 168; WEBER, E-Commerce, 340;
WEBER/JÖHRI, Vertragsschluss im Internet, 49. 517 BALSCHEIT, Konsumvertragsrecht, 168 f.; WEBER, E-Commerce, 340.
vgl. HOEREN, Internetrecht, N 737. 518 SCHMIDLIN, BK OR, Art. 27 N 22. 519 Dieser Grundsatz gilt auch für komplexe Smart-Contract-Gebilde. Wenn
ein Smart Contract dazu programmiert wurde, selbst weitere Smart
Contracts zu initiieren, dann ist diese „Handlung“ originär auf die
Programmierung des ersten Smart Contract zurückzuführen. Es ist
aufgrund der Transaktionshistorie eine Rückverfolgung zu der
initiierenden Person möglich. Vgl. zur privatrechtlichen Einordnung eines
323
324
Vertragsabschluss und Smart Contracts
132
Diese „Handlungen“ können also wie bei jeder anderen Computererklärung
denjenigen Parteien zugeordnet werden, denen die Initialisierung oder die
dazugehörige Datenverarbeitungsanlage zugerechnet werden kann (vgl.
N 323).520
Die Zurechenbarkeit eines Smart Contract zu einer Partei kann auch durch die
Überprüfung der Transaktionen erfolgen: Wird an die Adresse des Smart
Contract durch die Parteien bspw. ein Vermögenswert übertragen, ist diese
Transaktion in der Blockchain (öffentlich, wenn es sich um eine öffentliche
Blockchain handelt) registriert; mittels Signatur kann diese Transaktion einer
Partei zugeordnet werden (vgl. N 28 ff., 56 ff.).521
6. Auslegung der Willenserklärung
Besteht bezüglich einer Willenserklärung eine Unklarheit, resp. besteht die
Gefahr eines Dissenses, dann muss die Willenserklärung ausgelegt werden.
komplexen Smart-Contract Gebildes einer dezentralen autonomen
Organisation, „The DAO“, GYR, DAO, N 17 ff. 520 A.A. FURRER, der dem Smart Contract eine Art Stellvertreterfunktion
zukommen lässt, da bei den betroffenen Parteien bei Vertragsschluss noch
kein konkreter, sich auf einzelne Handlungen des Smart Contract
beziehender Wille bestehe; die Handlungen des Smart Contract würden
einzig nach dem vorprogrammierten Algorithmus bestimmt. Daher
komme dem Smart Contract auch keine Botenfunktion zu, da dieser einen
bereits bestehenden Willen transportiere: FURRER, Smart Contracts, 108.
Dieser Meinung ist insofern zu widersprechen, als es in der Natur eines
bedingten Vertrages liegt, dass die Parteien die Wirksamkeit des Vertrages
von einer ungewissen zukünftigen Tatsache abhängig machen (vgl.
Art. 151 Abs. 1 OR). Der Wille wird bereits bei Vertragsschluss
kundgetan und erstreckt sich auch auf das zukünftige, ungewisse Ereignis
(vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 815). 521 Vgl. FURRER, Smart Contracts, 104.
325
326
Vertragsabschluss und Smart Contracts
133
a) Allgemeine Regeln
Sollte der Empfänger den Erklärenden nicht richtig verstanden und dessen
Willen nicht erkannt haben, dann wird die Willenserklärung nach dem
Vertrauensprinzip ausgelegt.522 Dabei wird die Willenserklärung so ausgelegt,
wie sie vom Empfänger nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und
musste; ermittelt wird folglich der objektive Sinn der Erklärung.523 Bei der
Auslegung wird auf den Wortlaut, den Zusammenhang sowie auf die
Gesamtumstände abgestellt.524
b) Im elektronischen Geschäftsverkehr
Mangels spezieller Regelungen wird auch im elektronischen Verkehr ein
unbewiesener wirklicher Wille nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt (vgl.
N 327).
c) Bei Smart Contracts
Für Verträge mit Smart Contracts gilt ebenfalls, dass bei Bedarf die
Willenserklärungen nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt werden müssen
(vgl. N 327). Da ein Smart Contract als Software nur deterministische
Handlungen vornehmen kann, bedürfen diese grundsätzlich keiner
Auslegung.525
7. Fazit
Nutzen fachkundige Personen einen Smart Contract, dann kann dieser direkt
den Vertrag darstellen. Es wird vermutet, dass bei Einsatz eines Smart Contract
522 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 710; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 212; SCHWENZER, OR AT, N 29.02. 523 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 207, 211. BGE 138
III 659 E. 4.2.1 S. 666, 136 III 186 E. 3.2.1 S. 188, 135 III 259 E. 5.2
S. 302. 524 BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666. 525 Vgl. KAULARTZ, Gestaltung von Smart Contracts, 204.
327
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
134
sein Inhalt dem Willen der beiden fachkundigen Personen entspricht. Anders
verhält es sich bei unkundigen Personen. Hier ist nicht zu vermuten, dass sich
der Rechtsbindungswille auf den Smart Contract bezieht, da sich der Inhalt
eines Smart Contract durch diese nicht in zumutbarer Weise eruieren lässt. Eine
Berufung auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen bei wissentlicher Nutzung
einer nicht bekannten Technologie kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein.
Sind eine fachkundige und eine fachunkundige Partei involviert, so ist eine
Einzelfallbetrachtung von Nöten. Handelt es sich nicht um einen
Konsumentenvertrag und kann die fachunkundige Person in zumutbarer Weise
Kenntnis des Inhalts des Smart Contract nehmen, dann kann in diesen Fällen
der Smart Contract direkt den Vertrag darstellen.
Ein Smart Contract kann, je nach konkreter Ausgestaltung, ein konkretes
Angebot oder auch eine invitatio ad offerendum enthalten. Stellt der Smart
Contract ein Angebot unter Abwesenden dar, dann ist von praktischer
Bedeutung, dass der Smart Contract zeitlich terminiert ist oder deaktiviert
werden kann, sollte der Antragsteller nicht mehr gebunden sein wollen. Enthält
ein Smart Contract ein Angebot für Konsumenten, dann stellt er selbst nie den
Vertrag dar; es müssen diesbezüglich die Regelungen zu den einzelnen
Konsumentenverträgen eingehalten werden.
Der Vertrag mittels Smart Contract kommt zu dem Zeitpunkt zustande, zu dem
die akzeptierende Partei ihr Einverständnis mit der Signierung, resp. der
Übertragung eines Wertes an den Smart Contract zum Ausdruck bringt,
welcher durch die automatisierte Abwicklung unmittelbare Wirkung entfaltet.
Durch diese Signierung ist die Willenserklärung jeweils einer Partei
zurechenbar. Die Handlungen eines Smart Contract sind grundsätzlich der/den
initialisierenden Partei(en) zuzurechnen. Da Smart Contracts deterministisch
sind, bedarf es theoretisch keiner Auslegung der darin verankerten
Willenserklärungen.
331
332
Vertragsabschluss und Smart Contracts
135
IV. Übereinstimmende Willenserklärung
Die Willenserklärungen der Partien müssen übereinstimmen, das heisst es
muss Konsens bezüglich der wesentlichen Vertragsbestandteile bestehen.
1. Allgemeine Regeln
Ein Vertrag gilt dann als zustande gekommen, wenn sich die Parteien über die
wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) geeinigt haben (Art. 2
Abs. 1 OR).526 Der Konsens beschreibt den Zustand, der vorliegt, wenn die
übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien ausgetauscht wurden.527
a) Natürlicher und normativer Konsens
Im Regelfall ist davon auszugehen, dass sich die Parteien richtig verstanden
haben und die Erklärungen so gelten, wie die Parteien sie tatsächlich
(übereinstimmend) verstanden haben. In diesem Fall liegt ein natürlicher
Konsens vor.528 Davon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen
mindestens eine der Parteien die andere nicht richtig verstanden hat. In diesen
Fällen wird die Erklärung nach dem Vertrauensprinzip eruiert, d.h. die
Erklärung wird so, wie sie vom Empfänger nach Treu und Glauben verstanden
werden durfte, ausgelegt.529 Der durch das Vertrauensprinzip ermittelte
Konsens wird rechtlicher oder normativer Konsens genannt.530
526 SCHWENZER, OR AT, N 6.02; ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK
OR I, Art. 1 N20. 527 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 691; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 309; vgl. SCHWENZER, OR AT, N 6.02. 528 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 694; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 310 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 29.02. 529 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 710; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 316; SCHWENZER, OR AT, N 29.02. 530 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 697; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 317; SCHWENZER, OR AT, N 29.02.
333
334
335
Vertragsabschluss und Smart Contracts
136
b) Dissens
Dissens liegt vor, wenn sich die Parteien nicht über die wesentlichen
Vertragsbestandteile geeinigt haben – der Vertrag kommt in diesen Fällen nicht
zustande.531 Davon ist zu unterscheiden, wenn die Erklärungen der Parteien
nicht übereinstimmen, diese sich jedoch dieser Nichtübereinstimmung bewusst
sind, weil sie sich tatsächlich richtig verstanden haben (offener Dissens) oder
sie sich dieser Nichtübereinstimmung nicht bewusst sind (versteckter
Dissens).532 Bei einem versteckten Dissens fragt sich, ob mittels Auslegung
gemäss Vertrauensprinzip nicht ein normativer Konsens bestehen kann.533
c) Wesentliche Vertragsbestandteile
Der Konsens muss sich auf die wesentlichen Vertragsbestandteile beziehen.
Über die Merkmale der wesentlichen Vertragsbestandteile schweigt Art. 2
Abs. 1 OR. Es finden sich jedoch in den jeweiligen Bestimmungen der
gesetzlich geregelten Vertragstypen Hinweise zu den wesentlichen
Vertragsbestandteilen.534 Es können daher keine allgemeingültigen Aussagen
über den inhaltlich notwendigen Konsens gemacht werden, da diesbezüglich
eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist.535 Liegt ein Dissens vor und bezieht
sich dieser auf die wesentlichen Vertragsbestandteile, dann kommt der Vertrag
nicht zustande.536
Es ist zwischen objektiv und subjektiv wesentlichen Vertragspunkten zu
unterscheiden. Die objektiv wesentlichen Vertragsbestanteile umfassen den
„unentbehrlichen Geschäftskern“ (d.h. die vertragstypenbestimmenden
531 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 326; SCHWENZER,
OR AT, N 29.07. 532 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 721, 723; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/ EMMENEGGER, OR AT, N 327; SCHWENZER, OR AT, N 29.08. 533 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 726; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 328. 534 ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 1 N23. 535 Vgl. ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 1 N 23. 536 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 721; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 328; SCHWENZER, OR AT, N 29.09.
336
337
338
Vertragsabschluss und Smart Contracts
137
Merkmale des Vertrages), die Parteien sowie die jeweilige Leistung und
Gegenleistung.537 Die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte sind zumindest
für eine Partei unabdingbare Voraussetzung (conditio sine qua non) für den
Vertragsschluss.538
2. Konsens im elektronischen Geschäftsverkehr
Im elektronischen Geschäftsverkehr gelten ebenfalls die allgemeinen Regeln
bezgl. Konsens und Dissens. Hier liegt in der Regel eine Verschriftlichung von
Angebot und Annahme vor, was bei der Eruierung des Konsenses hilfreich ist.
Sollte bei der Übermittlung der Willenserklärung ein Fehler (Bedienungs- oder
Eingabefehler, Übermittlungsfehler etc.) unterlaufen, dann liegt allenfalls ein
Dissens vor (zur Anfechtung mangelhafter Willenserklärungen siehe
nachfolgend N 412 ff.).
3. Konsens bei Smart Contracts
Auch bezüglich Smart Contracts muss ein übereinstimmender Konsens bzgl.
der wesentlichen Vertragsbestandteile vorliegen (vgl. N 337 f.)
537 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 639; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 333; SCHWENZER, OR AT, N 29.03. 538 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 641; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 341; SCHWENZER, OR AT, N 29.03.
339
340
Vertragsabschluss und Smart Contracts
138
V. Widerruf
Angebot und Annahme können unter gewissen Umständen widerrufen werden.
Die Geschwindigkeit der Übertragung von Willensäusserungen im
elektronischen Geschäftsverkehr erschwert die Widerrufsmöglichkeit
allerdings.
1. Allgemeine Regeln
Grundsätzlich sind Antrag und Annahme unwiderruflich.539 Ausgenommen
davon sind die Ausnahmentatbestände von Art. 9 OR, das Widerrufsrecht bei
Konsumentenverträgen (N 343) sowie ein Widerrufsvorbehalt. In letzterem
Fall kann der Antrag oder die Annahme gültig widerrufen werden, wenn der
Widerruf vor oder mit der (ersten) Erklärung beim Empfänger eintrifft oder
wenn er später als die Erklärung beim Empfänger eintrifft, er aber vor der
widerrufenen Erklärung dem Empfänger zur Kenntnis gebracht wird.540 Zu
beachten ist, dass gemäss neuerer Lehre ein verspäteter Widerruf trotzdem
seine Wirkung entfaltet, wenn der Empfänger des Widerrufs diesen zwar später
als die Ersterklärung zur Kenntnis nimmt, ihn aber unbeantwortet lässt
(Anwendung von Art. 5 Abs. 3 OR).541
Nach Art. 40b OR gilt ein Widerrufsrecht für Kunden, wenn ihnen ein Angebot
am Arbeitsplatz, in Wohnräumen oder deren unmittelbarer Umgebung (lit. a),
in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf öffentlichen Strassen und Plätzen
(lit. b), an Werbeveranstaltungen, die mit einer Ausflugsfahrt o.ä. verbunden
sind (lit. c) oder am Telefon oder über vergleichbare Mittel der gleichzeitigen
539 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 649; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 468; SCHWENZER, OR AT, N 28.15. 540 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 471 ff.;
ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 10 N 10 f.; vgl.
SCHWENZER, OR AT, N 28.27. 541 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 689; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 474; ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK
OR I, Art. 9 N 13.
341
342
343
Vertragsabschluss und Smart Contracts
139
mündlichen Telekommunikation (lit. d) unterbreitet wurden. Dabei muss es
sich um Verträge über bewegliche Sachen und Dienstleistungen handeln, die
für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Verbrauchers bestimmt sind
(= Konsumentenverträge, Art. 40a Abs. 1 OR).542 Darunter fallen
beispielsweise Verträge über Wertpapiere, Werkverträge, Heiratsvermittlung
oder Kreditvermittlungsverträge.543 Ausnahmen vom Grundsatz des
Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen sind einerseits
eine Leistung von unter CHF 100 des Konsumenten und andererseits
Versicherungsverträge, die gänzlich ausgeschlossen sind (Art. 40a Abs. 1 lit. b
und Abs. 2 OR).544 Das Widerrufsrecht entfällt auch, wenn der Kunde die
Vertragsverhandlungen ausdrücklich gewünscht hat oder er seine Erklärung an
einem Markt- oder Messestand abgegeben hat (Art. 40c OR).545 Nicht vom
Widerrufsrecht gedeckt sind überdies Verträge, die auf dem schriftlichen Weg
unterbreitet wurden, da in solchen Fällen das Überrumplungspotential bei
einem persönlichen Kontakt fehlt.546 Das Widerrufsrecht bei
Konsumentenverträgen ist für Internetgeschäfte nicht anwendbar (das
Parlament hat bei dem per 1. Januar 2016 angepassten Widerrufsrecht auf eine
Regelung von Internetgeschäften verzichtet).547
542 KOLLER-TUMLER, BSK OR I, Art. 40a N 2; SCHWENZER, OR AT,
N 28.65. 543 KOLLER-TUMLER, BSK OR I, Art. 40a N 2 mit weiteren Beispielen. 544 KOLLER-TUMLER, BSK OR I, Art. 40a N 5 f.; SCHWENZER, OR AT,
N 28.65 f.
Mit Inkrafttreten am 1. Januar 2020 des Bundesgesetzes über
Finanzdienstleistungen (Finanzdienstleistungs-gesetz, FIDLEG) vom
15. Juni 2018 (BBL 2018, 3615-3656) wird Art. 40a Abs. 2 OR
dahingehend ergänzt, dass auch Verträge über Finanzdienstleistungen
ausgenommen werden (vgl. FIDLEG, Anhang Änderung anderer Erlasse,
35). 545 KOLLER-TUMLER, BSK OR I, Art. 40c N 2 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 28.68 f. 546 KOLLER-TUMLER, BSK OR I, Art. 40b N 9; vgl. SCHWENZER, OR AT,
N 28.67. 547 KOLLER-TUMLER, BSK OR I, Art. 40b N 8; WEBER, E-Commerce, 32;
vgl. BOTSCHAFT ZertES, BBl 2014 921, 2999.
Vertragsabschluss und Smart Contracts
140
2. Widerruf im elektronischen Geschäftsverkehr
Da der Widerruf vor oder gleichzeitig mit der vorgehenden Erklärung beim
Empfänger eingehen muss (vgl. vorstehend N 342), stellt dieser beim
elektronischen Geschäftsverkehr eine besondere Herausforderung dar, weil
dies technisch kaum möglich ist.548 Es besteht jedoch immerhin die
Möglichkeit, dass der Widerruf vom Empfänger vor der (ersten) Erklärung
wahrgenommen wird und er so seine Wirkung entfaltet. Laut SCHWENZER
kommt es im elektronischen Geschäftsverkehr nicht auf den zeitlichen Eingang
von Widerruf und Erklärung an, sondern vielmehr auf die Gleichzeitigkeit der
Kenntnisnahme.549
3. Widerruf bei Smart Contracts
Der Smart Contract führt aus, was vorgängig programmiert wurde. Die
Möglichkeit des Widerrufs ist in der Konzeption eines Smart Contract nicht
vorgesehen. Ist ein Smart Contract auf einer öffentlichen Blockchain direkt
abgespeichert, dann ist er grundsätzlich unwiderruflich (vgl. N 250 ff.). Eine
Widerrufsmöglichkeit ist demgemäss nur bei einem Smart Contract umsetzbar,
der in einem virtuellen Container ausserhalb der Blockchain abgespeichert ist.
Ist eine Widerrufsmöglichkeit vorgesehen, müsste dies jedoch zur Anwendung
gelangen, bevor das Vorprogrammierte ausgeführt wird. Wurde eine solche
Funktion vorgesehen, dann kommen die allgemeinen Regeln sowie diejenigen
für den elektronischen Geschäftsverkehr zur Anwendung (vgl. hiervor N 342
f., 344).
Wird ein Smart Contract im Zusammenhang mit Konsumentenverträgen
eingesetzt, ist fraglich, ob auch hier das speziell geregelte Widerrufsrecht gem.
Art. 40a ff. OR gilt. Das Widerrufsrecht gilt nicht für Verträge, die auf
schriftlichem Weg geschlossen wurden und auch nicht für Internetverträge
(vgl. hiervor N 343). Elektronische Vertragsschlüsse sind in der Regel
schriftlich und fallen daher nicht unter das Widerrufsrecht von
548 BALSCHEIT, Konsumvertragsrecht, 175; WEBER, E-Commerce, 344. 549 SCHWENZER, OR AT, N 27.25.
344
345
346
Vertragsabschluss und Smart Contracts
141
Haustürgeschäften gem. Art. 40a ff. OR. Sofern ein Smart Contract einen
Konsumentenvertrag betrifft, muss eine Umschreibung in einer natürlichen
Sprache vorliegen; der Smart Contract kann in diesen Fällen nicht den Vertrag
darstellen (vgl. N 305 ff.).550
550 Ob die Begründung, dass nur bei mündlich vorgetragenen Angeboten ein
Überraschungsmoment vorhanden sei zutrifft, kann hier offengelassen
werden. Dies ist eine politische Frage, deren Beantwortung durch das
Schweizer Parlament vorgenommen werden muss. Zur rechtspolitischen
Ausgangslage in der Schweiz und der EU vgl. BALSCHEIT,
Konsumvertragsrecht, 36 ff.; KRAMER/PROBST/PERRIG, AGB, N 1 ff.,
25 ff.
Vertragsabschluss und Smart Contracts
142
VI. Inhalt des Vertrages
Grundsätzlich besteht im Schweizer Vertragsrecht das Prinzip der
Inhaltsfreiheit. Trotzdem bestehen gewisse Inhaltsschranken, deren
Nichtbeachtung die Nichtigkeit des Vertrages nach sich zieht.
1. Grundsatz der Inhaltsfreiheit
Ein zentraler Aspekt der Vertragsfreiheit551 ist die explizit in Art. 19 Abs. 1 OR
verankerte Inhaltsfreiheit.552 Eingeschränkt wird die Inhaltsfreiheit durch „die
Schranken des Gesetzes“ (Art. 19 Abs. 1 OR). Das Gesetz selbst nennt die für
die Inhaltskontrolle geltenden Kriterien; es sind einerseits die in Art. 19 Abs. 2
OR verankerten zwingenden Gesetzesvorschriften, die öffentliche Ordnung,
die guten Sitten und das Persönlichkeitsrecht und andererseits die in Art. 20
Abs. 1 OR aufgezählten Kriterien der Leistungsunmöglichkeit, der
Widerrechtlichkeit sowie der Sittenwidrigkeit.
2. Inhaltsschranken
Die gesetzlich vorgesehenen Inhaltsschranken des widerrechtlichen,
unmöglichen, oder sittenwidrigen Inhalts können sich teilweise überschneiden.
Sie können in drei Gruppen zusammengefasst werden: Sittenwidrigkeit
(schliesst Persönlichkeitsverletzung mit ein), Leistungsunmöglichkeit sowie
Widerrechtlichkeit (schliesst die Verletzung der öffentlichen Ordnung ein).553
551 Die Vertragsfreiheit umfasst mehrere Aspekte, darunter die Abschluss-
freiheit, Partnerwahlfreiheit, Aufhebungsfreiheit, Formfreiheit und die
Inhaltsfreiheit, vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 167 ff.;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 613 ff. 552 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 170; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 618; SCHWENZER, OR AT, N 32.01. 553 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 629; HUGUENIN/
MEISE, BSK OR I, Art.19/20 OR N 13; SCHWENZER, OR AT, N 32.04.
347
348
349
Vertragsabschluss und Smart Contracts
143
a) Sittenwidrigkeit
Die Sittenwidrigkeit stellt eine Generalklausel dar; sie widerspiegelt die
„herrschende Moral“.554 Die guten Sitten sind als Spiegel der
gesellschaftlichen Wertvorstellungen einem Wandel unterworfen, doch können
sie auch die Prinzipien der Rechtsordnung selbst (z.B. Grundrechte)
widerspiegeln.555 Dem Gericht kommt bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit
ein grosser Ermessenspielraum zu.556
b) Unmöglichkeit
Unmöglichkeit liegt dann vor, wenn die versprochene Leistung objektiv nicht
erbringbar ist.557
c) Widerrechtlichkeit
Ein Vertragsinhalt ist dann widerrechtlich, wenn er gegen eine objektive Norm
des Schweizer Rechts verstösst; die Widerrechtlichkeit kann den Inhalt oder
aber den Vertragsabschluss (mit entsprechendem Inhalt) selbst betreffen.558
Die Widerrechtlichkeit kann sich also direkt aus einer (zwingenden) Norm des
Privatrechts oder des öffentlichen Rechts ergeben.559
554 BGE 136 III 474 E.3, 132 III 458. 555 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 668. 556 Ausführlich und mit Beispielen GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 669 ff. 557 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 631; HUGUENIN/
MEISE, BSK OR I, Art. 19/20 N 46; SCHWENZER, OR AT, N 32.34, 63.02. 558 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 639 ff.; HUGUENIN/
MEISE, BSK OR I, Art. 19/20 N 17; SCHWENZER, OR AT, N 32.06. 559 Ausführlich und mit Beispielen GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 646 ff.
350
351
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
144
3. Inhaltsschranken im elektronischen
Geschäftsverkehr und bei Smart Contracts
Wie bei herkömmlichen Verträgen gelten auch im elektronischen
Geschäftsverkehr und für Smart Contracts die Inhaltsschranken gem. Art. 19
Abs. 1 OR.560
4. Rechtsfolgen
Die Rechtsfolge eines Vertrages mit unerlaubtem Inhalt ist die Nichtigkeit oder
Teilnichtigkeit des Vertrages.
a) Nichtigkeit
Verstösst ein Vertrag gegen die Inhaltsschranken des OR, d.h. hat er einen
unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt oder verstösst er gegen die guten
Sitten, ist er nichtig (Art. 20 Abs. 1 OR). Nichtigkeit ist im Gesetz nicht
definiert. Negativ umschrieben bedeutet Nichtigkeit, dass keine
Vertragswirkung eintritt.561 Nach herrschender Lehre ist der Vertrag ex tunc
unwirksam; allfällige Leistungen aus dem nichtigen Vertrag erfolgen daher
ohne gültigen Rechtsgrund.562 Die Nichtigkeit kann demgemäss von jedermann
geltend gemacht werden und das Gericht hat die Nichtigkeit von Amtes wegen
560 Wie auch bei konventionellen Verträgen sind die Schwierigkeiten bezgl.
Inhaltsschranken eher praktischer Natur: Sie müssen erst geltend gemacht
werden, resp. eine Partei muss einen Anspruch daraus ableiten und ein
Gericht muss über das Vorliegen eines solchen Vertragsinhalts befinden. 561 BGer Urteil 4C.163/2002 vom 9. Juli 2003 E. 1.3; BGE 134 III 438 E. 2.3
S. 442 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 681. 562 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1103; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 681; HUGUENIN/MEISE, BSK OR I, Art. 19/20
N 53; SCHWENZER, OR AT, N 32.35; BGE 134 III 438 E. 2.3 S. 442 f.
353
354
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
145
zu beachten, sofern sich aus dem Parteivortrag ein Nichtigkeitsgrund ergibt.563
Wurde bereits geleistet, dann besteht nach Massgabe der unter den gegebenen
Voraussetzungen anzuwendenden Bestimmungen die Möglichkeit einer
Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) oder es besteht ein Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR), wobei die Vindikation den
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verdrängt.564 In Betracht kommt
allenfalls auch eine Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB).565
Das Rückforderungsrecht bei Nichtigkeit ist gewissen Einschränkungen
unterworfen. Zu beachten ist Art. 66 OR, in dessen Rahmen bei unsittlichen
oder widerrechtlichen Verträgen eine Rückforderung aus Bereicherungsrecht
(unklar jedoch beim Vindikationsanspruch) ausgeschlossen ist.566
Verstösst ein Vertrag gegen eine Norm des öffentlichen Rechts, dann ist der
Vertrag nur dann nichtig, wenn dies in der entsprechenden Norm vorgesehen
ist.567 Nicht unumstritten ist, was bei Verträgen nach Art. 27 Abs. 2 ZGB
(Schutz der Persönlichkeit vor übermässiger Bindung) passiert. Das
Bundesgericht und ein Teil der Lehre gehen davon aus, dass die
Nichtigkeitsfolge von Art. 20 OR nicht anzuwenden sei, um den von Art. 27
ZGB Geschützten vor einer Berufung auf die Nichtigkeit durch die Gegenpartei
zu bewahren.568 Die h.L. subsumiert die Persönlichkeitsverletzung aus Art. 27
Abs. 2 ZGB jedoch ebenfalls unter Art. 20 OR mit der daraus resultierenden
Nichtigkeitsfolge.569
563 BUCHER, OR AT, 241 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR
AT, N 681; HUGUENIN/MEISE, BSK OR I, Art. 19/20 N 53; KRAMER, BK
OR, Art. 19-20 N 308 ff. 564 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1103, 1120; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 681. 565 Vgl. SCHMID, BSK ZGB II, Art. 975 N 1 ff. 566 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 683, 1553;
SCHULIN, BSK OR I, Art. 66 N 6 ff; SCHWENZER, OR AT, . 567 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 684. 568 BGE 129 III 209 E. 2.2 S. 213 f.; SCHWENZER, OR AT, N 32.21. 569 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 685; HUGUENIN/
MEISE, BSK OR I, Art. 19/20 N 43; vgl. KRAMER, BK OR, Art. 19
N 370 ff.
356
357
Vertragsabschluss und Smart Contracts
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In der Lehre wird teilweise von einem flexiblen Nichtigkeitsbegriff
gesprochen, als Alternative zu dem Modell des traditionellen
Nichtigkeitsbegriffes in Art. 20 OR und dessen Konsequenzen (abweichende
Formen der Nichtigkeit werden aus dem Anwendungsbereich von Art. 20 OR
ausgeklammert oder als Einschränkung des restriktiven Nichtigkeitsbegriffes
verstanden).570 Sinn des flexiblen Nichtigkeitsbegriffes sei es, nicht generell
festzulegen, wie die Nichtigkeit wirken soll oder wer sich auf sie berufen darf,
um dem Ziel von Art. 20 OR – der Beseitigung des dem Vertrag anhaftenden
Mangels und nicht generell der Sanktion des Dahinfallens des Vertrages – nicht
im Wege zu stehen.571
b) Teilnichtigkeit
Betrifft der unmögliche, widerrechtliche oder sittenwidrige Inhalt nur einzelne
Teile des Vertrages, dann gilt als Grundregel, dass nur die vom Mangel
betroffenen Teile nichtig sind, sofern der Vertrag nicht ohne diese Teile des
Vertrages geschlossen worden wäre (Art. 20 Abs. 2 OR).572 Dies setzt voraus,
dass der Vertrag teilbar ist, d.h. der nicht vom Mangel betroffene Rest als
eigenständiger Vertrag Bestand hat (d.h. obj. wesentliche Vertragspunkte sind
nicht betroffen).573 Bei der Beurteilung der subjektiven
Vertragsvoraussetzungen kommt es auf den hypothetischen Parteiwillen an,
d.h. es wird darauf abgestellt, was die Parteien als nach Treu und Glauben
handelnde Vertragspartner vereinbart hätten.574 Der Vertrag kann dann
entweder ohne die mangelhaften Teile weiterbestehen (schlichte
Teilnichtigkeit), mit einer neuen Regel ergänzt werden (modifizierte
570 HUGUENIN/MEISE, BSK OR I, Art. 19/20 N 55. 571 HUGUENIN/MEISE, BSK OR I, Art. 19/20 N 55. 572 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1107; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 693; vgl. HUGUENIN/MEISE, BSK OR I,
Art. 19/20 N 61. 573 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1108; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 694; SCHWENZER, OR AT, N 32.40. 574 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1108; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 700.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
147
Teilnichtigkeit) oder bei einer übermässigen Bindung auf das erlaubte Mass
reduziert werden (geltungserhaltende Reduktion).575
c) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit im elektronischen
Geschäftsverkehr
Die Rechtsfolgen eines inhaltswidrigen Vertrages sind beim elektronischen
Rechtsverkehr die gleichen wie im klassischen Vertragsrecht (N 355 ff.).
d) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit bei Smart Contracts
Die obenstehend ausgeführten allgemeinen Grundsätze (N 355 ff.) gelten auch
für allfällige Verträge mit rechtswidrigem Inhalt in Gestalt eines Smart
Contract.
Hier kommen jedoch erschwerende Elemente hinzu: Wenn der Smart Contract
direkt auf der Blockchain gespeichert ist, dann ist der Smart Contract selbst als
auch das Ergebnis (Transaktion) des Smart Contract grundsätzlich
unwiderruflich und unabänderlich abgespeichert (vgl. N 249 ff.). Die
Nichtigkeit eines Smart Contract oder einer Transaktion kann nicht
festgehalten werden. Allenfalls wenn der Smart Contract in einem virtuellen
Container ausserhalb der Blockchain gespeichert ist und das Ergebnis noch
nicht in der Blockchain abgelegt wurde, könnte die Nichtigkeit eines Smart
Contract erwirkt werden, indem der Smart Contract gelöscht wird – sofern er
noch nicht ausgeführt wurde. In einem geschlossenen System könnte zwar
theoretisch vorgesehen werden, dass eine Transaktion im Nachhinein als
ungültig markiert werden kann, dies würde jedoch eine hohe
Rechtsunsicherheit des gesamten Systems verursachen und die
Grundkonzeption der Blockchain-Technologie ad absurdum führen.
Faktisch kann also ein als nichtig deklarierter Vertrag in einer Blockchain nicht
entsprechend markiert werden, wenn er direkt auf der Blockchain
abgespeichert wurde oder das Ergebnis, die Transaktion, bereits in die
Blockchain aufgenommen wurde. In dieser Hinsicht hebelt die Technologie
575 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 703 ff.; HUGUENIN/
MEISE, BSK OR I, Art. 19/20 N 64 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 32.41 ff.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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das Recht aus. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Vertrag
nichtig ist.
VII. Formvorschriften
Es gilt der Grundsatz der Formfreiheit (Art. 11 OR), wobei jedoch für einzelne
Vertragsverhältnisse gesetzliche Formvorschriften vorgesehen sind. Zweck der
Formvorschriften ist der Schutz der Parteien vor Übereilung, die Sicherheit im
Rechtsverkehr sowie die Schaffung klarer Verhältnisse.576 Es bestehen im
Schweizer Recht folgende Arten von Formvorschriften: die einfache und
qualifizierte Schriftlichkeit sowie die öffentliche Beurkundung. Die Folge der
Nichteinhaltung der Formvorschriften ist die Nichtigkeit des Vertrages (Art. 11
Abs. 2 OR). Für den digitalen Rechtsverkehr ist insbesondere die einfache
Schriftlichkeit von Bedeutung, da seit Einführung der qualifizierten
elektronischen Unterschrift die einfache Schriftlichkeit auch digital
gewährleistet werden kann.
1. Grundsatz der Formfreiheit
Der Grundsatz der Formfreiheit ist in Art. 11 Abs. 1 OR verankert.577 Das
heisst, Verträge dürfen grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden und
entfalten Rechtswirkung.578 Formfreiheit bedeutet aber auch, dass eine
strengere Form vertraglich vereinbart werden kann (Art. 16 Abs. 1 OR).579 Für
576 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 746; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 497 ff.; SCHWENZER, BSK OR I, Art. 11 N 2;
SCHWENZER, OR AT, N 31.02. 577 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 743; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 490 ff.; HUGUENIN, OR, N 337; SCHWENZER,
OR AT, N 31.01. 578 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 743; SCHWENZER, BSK OR I,
Art. 11 N 1; ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER, BSK OR I, Art. 1 N 33. 579 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 778; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 490 ff.; SCHWENZER, BSK OR I, Art. 16 N 1.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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Rechtsgeschäfte von Todes wegen (z.B. letztwillige Verfügung) ist immer eine
besondere Form vorgesehen; der Grundsatz der Formfreiheit bezieht sich daher
ausschliesslich auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden.580 Ausgenommen vom
Grundsatz der Formfreiheit sind ebenfalls Verträge, für die ein Bundesgesetz
explizit eine Formvorschrift vorsieht; so ist bspw. der Kaufvertrag über ein
Grundstück nur gültig, wenn er öffentlich beurkundet ist (Art. 216 OR).
Die Formfreiheit gilt auch für den elektronischen Rechtsverkehr und folglich
auch für Vertragsschlüsse mit Smart Contracts.581
2. Einfache Schriftlichkeit
Die einfache Schriftlichkeit verlangt die Unterschrift sämtlicher
Vertragsparteien (Art. 13 OR). Der Begriff Schriftlichkeit ist im Gesetz selbst
nicht definiert. Nach Lehre und Rechtsprechung umfasst die Schriftlichkeit
einen Erklärungsinhalt in Schriftzeichen (Schriftform), der auf einem
Erklärungsträger aufgezeichnet und dauerhaft festgehalten wird.582 Einfache
Schriftlichkeit wird beispielsweise für den Abtretungsvertrag (Zession) gem.
Art. 165 Abs. 1 OR verlangt. Nachfolgend werden die einzelnen Elemente der
einfachen Schriftlichkeit erörtert, wobei insbesondere auf die digitale
Ausgestaltung der einzelnen Elemente eingegangen wird. Dabei wird auch die
neuere Lehre zu der in der Zivilprozessordnung und im Internationalen
Privatrechtsgesetz (IPRG)583 verankerten Textform miteinbezogen.
580 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 495. 581 Zu den übrigen Voraussetzungen zum gültigen Abschluss eines Vertrages
siehe vorangegangene Ausführungen, Kapitel E., N 266 ff. 582 BGE 120 V 74 E.3a S. 77; vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER,
OR AT, N 504; vgl. KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR, Allg. Erläuterungen
zu Art.12-15, N 3; SCHWENZER, OR AT, N 31.06. 583 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom
18. Dezember 1987, SR 291.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
150
a) Erklärungsinhalt in Schriftzeichen
In der Lehre wird das Schriftlichkeitserfordernis immer mit der
Unterschriftsfrage verbunden, was sich direkt aus dem Wortlaut von Art. 13
OR ergibt.584 Demnach genügten Brief und Telegramm dem
Schriftlichkeitserfordernis, wenn der Brief oder die Aufgabendepesche die
Unterschrift des Absenders trug.585 Dies alleine sagt jedoch noch nichts über
den Erklärungsinhalt in Schriftzeichen aus.
Einigkeit herrscht in der Lehre darüber, dass die Schrifttechnik und das
verwendete Schreibgerät unbeachtlich sind, sofern eine dauerhafte
Verkörperung gewährleistet ist.586 Der Erklärungsinhalt muss also auf dem
Erklärungsträger dauerhaft festgehalten werden können.587 Die Dauerhaftigkeit
bezieht sich jedoch auf den geeigneten Erklärungsträger (vgl. nachfolgend
N 376 ff.) und weniger auf den Erklärungsinhalt in Schriftzeichen.
Die für den Erklärungsinhalt verwendete Schrift und Sprache müssen laut
KRAMER/SCHMIDLIN mindestens für diejenigen Personen verständlich sein, die
durch die Formvorschrift geschützt werden sollen; sind Drittinteressen
betroffen, muss der Schrifttext allgemein zugänglich sein und Geheimsprachen
oder -schriften sind nicht ausreichend, um dem Schriftzeichenerfordernis zu
genügen.588 Als Schriftzeichen anerkannt sind auch die Blindenschrift,
Kurzschrift oder Maschinenschrift.589 Nach älterer Lehrmeinung genügte
bspw. ein Magnetband oder ein Lochstreifen dem Schriftlichkeitserfordernis
584 Art. 13 OR: “Ein Vertrag, für den die schriftliche Form gesetzlich
vorgeschrieben ist, muss die Unterschrift aller Personen tragen, die durch
ihn verpflichtet werden sollen.“ 585 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 507. 586 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 509; HUGUENIN,
OR, N 349; SCHWENZER, BSK OR I, Art. 13 N 4; vgl. KRAMER/
SCHMIDLIN, BK OR, Allg. Erläuterungen zu Art.12-15 N 5;
Gleiches gilt für das Schrifterfordernis im Urkundenstrafrecht: BOOG,
BSK StGB I, Art. 110 Abs. 4 N 10. 587 SCHWENZER, OR AT, N 31.06. 588 KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR, Allg. Erläuterungen zu Art.12-15 N 5. 589 BUCHER, OR AT, 164.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
151
nicht, da einerseits bei diesen Trägern keine Unterschrift gesetzt und
andererseits die Erklärung nur mit technischen Hilfsmitteln gelesen werden
könne.590
Die ZPO und das IPRG kennen im Gegensatz zum OR die sog. Textform.591
Diese ist weniger streng als die einfache Schriftlichkeit ausgestaltet, da keine
Unterschrift erforderlich ist.592 Voraussetzung für die Textform ist ein
schriftlicher Ausdruck, der einen dauerhaften Nachweis der Erklärung
ermöglicht.593 Der Text muss visuell wahrnehmbar und körperlich
reproduzierbar sein; auf einzelne Technologien kommt es nicht an.594 In diesem
Sinne genügen Voice-Mails oder Videokonferenzen dem Texterfordernis
nicht, da der Absender keinen Text versendet (dieser aber dem Empfänger dank
Spracherkennung als Text vorliegen kann).595 Dies ist in Übereinstimmung mit
der herrschenden Lehre, die Tonaufnahmen dem Schrifterfordernis nicht
genügen lässt.596
Ergänzt man die Textform mit einer Unterschrift, lässt sich kein Unterschied
zur einfachen Schriftlichkeit erkennen. Es bietet sich daher an, die Lehre zur
neueren Textform für die Auslegung der Erfordernisse des Erklärungsinhalts
in Schriftzeichen heranzuziehen. So ist das Erfordernis der visuellen
590 BUCHER, OR AT, 164; KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR, Allg. Erläuterungen
zu Art. 12-15 N 4.
Weniger streng bezüglich technischen Hilfsmittel ist das Strafrecht für den
Urkundenbegriff in Art. 110 Abs. 4 StGB, siehe BOOG, BSK StGB I,
Art. 110 Abs. 4 N 10. 591 Art. 178 IPRG (Schiedsvereinbarung), Art. 17 ZPO
(Gerichtsstandsvereinbarung) und Art. 358 ZPO (Schiedsvereinbarung). 592 GIRSBERGER, BSK ZPO, Art. 358 N 10; GRÄNICHER, BSK IPRG, Art. 178
N 11. 593 HUGUENIN, OR, N 347. 594 GIRSBERGER, BSK ZPO, Art. 358 N 7; GRÄNICHER, BSK IPRG, Art. 178
N 11. 595 DASSER, KUKO ZPO, Art. 358 N 2; GRÄNICHER, BSK IPRG, Art. 178
N 13. 596 HUGUENIN, OR, N 349; KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR, Allg.
Erläuterungen zu Art. 12-15 N 4.
371
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
152
Wahrnehmbarkeit bei der Beurteilung des Erklärungsinhaltes in Schriftzeichen
ebenfalls miteinzubeziehen. Es ist einerseits ein technologieneutrales Merkmal
und andererseits entspricht es dem unbestrittenen Grundsatz, dass es auf die
Art der Sprache, Schrifttechnik und des Schreibgerätes nicht ankommt (vgl.
vorgehend N 369).
aa) Erklärungsinhalt in Schriftzeichen im elektronischen Geschäftsverkehr
E-Mails, Webformulare oder andere digitale Schriftstücke, wie sie im
elektronischen Geschäftsverkehr eingesetzt werden, sind in der Regel in einer
der Allgemeinheit zugänglichen Sprache und Schrift gefertigt; sie sind visuell
wahrnehmbar. Die visuelle Wahrnehmbarkeit wird durch technische
Hilfsmittel hergestellt, was zwar gemäss älterer Lehrmeinung dem
Schriftlichkeitserfordernis nicht zu genügen vermag (vgl. N 370). Diese
Meinung ist aufgrund der wirtschaftlichen Realität des elektronischen
Geschäftsverkehrs und der heute eingesetzten technologischen Hilfsmittel im
Alltag aber nicht mehr sachgerecht. Die Sichtbarmachung von Informationen
(Daten aller Art) durch technische Hilfsmittel ist heute im Geschäftsalltag wie
auch im Privatleben Standard. Die digitale Transformation betrifft die
Geschäftswelt sowie das Private gleichermassen. Daher vermag ein
Erklärungsinhalt, der zwar nur mit technischen Hilfsmitteln wahrnehmbar
gemacht werden kann aber visuell wahrnehmbar ist, dem Erfordernis des
Erklärungsinhalts in Schriftzeichen durchaus zu genügen.
bb) Erklärungsinhalt in Schriftzeichen bei Smart Contracts
Wenn davon ausgegangen wird, dass Smart Contracts direkt ein vertragliches
Verhältnis begründen können, dann muss auch bei Smart Contracts gelten, dass
der Erklärungsinhalt in Schriftzeichen ein visuell wahrnehmbarer Text sein
muss (N 372 f.), wobei es nicht darauf ankommt, dass zur visuellen
Wahrnehmbarkeit technische Hilfsmittel eingesetzt werden müssen (N 373)
Wird ein Vertrag direkt als Smart Contract aufgesetzt, dann ist die
Vertragssprache eine Programmiersprache.597 Es ist fraglich, ob eine
Programmiersprache dem Erfordernis des Erklärungsinhalts in Schriftzeichen
597 Zur Frage, ob eine Programmiersprache Vertragssprache sein kann vgl.
Kapitel E.I., N 269 ff.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
153
genügt. Eine Programmiersprache ist zwar visuell wahrnehmbar, jedoch nicht
eine der Allgemeinheit zugängliche, resp. verständliche Textform. Nach der
Lehre genügt es jedoch, wenn die Schrift und Sprache den sich erklärenden
Parteien zugänglich ist; nur wenn Drittinteressen betroffen sind, muss die
Sprache der Allgemeinheit zugänglich sein.598 Daraus schliesst sich, dass eine
direkt mittels Programmiersprache aufgesetzte Erklärung allenfalls dann dem
Kriterium der einfachen Schriftlichkeit genügen könnte, wenn der Text von den
betroffenen Parteien verstanden wird (sie also die entsprechende
Programmiersprache verstehen, d.h. fachkundige Personen sind), keine
Drittinteressen betroffen sind und ein gültiger Erklärungsträger (vgl.
nachfolgend N 376 ff.) sowie gültige Unterschriften (vgl. nachfolgend
N 390 ff.) vorliegen. Es ist im Einzelfall zu beurteilen, ob diese kumulierten
Erfordernisse erfüllt sind. So dürfte dies bspw. bei Forderungsabtretungen
gem. Art. 165 Abs. 1 OR nie der Fall sein, da hier immer Drittinteressen
betroffen sind.599
b) Erklärungsträger
Der Erklärungsträger ist gemäss klassischem Verständnis körperlich
vorhanden und wird als eine Urkunde klassifiziert; dabei wird von der Urkunde
in Papierform ausgegangen.600 Die Urkunde verkörpert eine
veränderungsresistente Speicherung des Erklärungsinhaltes. Modernen
Kommunikationsmitteln und elektronischen Datenträgern wurde dieses
Merkmal regelmässig abgesprochen; nicht zuletzt auch deshalb, weil unter den
598 KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR, Allg. Erläuterungen zu Art.12-15 N 5. 599 Eine Forderung kann ohne Einwilligung und Kenntnis der Schuldnerin
abgetreten werden, Art. 164 Abs. 1 OR, vgl. GIRSBERGER/HERRMANN,
BSK OR I, Art. 164 N 5 ff. 600 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 504 ff.;
SCHWENZER, BSK OR I, Art. 13 N 3; SCHWENZER, OR AT, N 31.06;
BUCHER, OR AT, 164; HUGUENIN, OR, N 349; KRAMER/SCHMIDLIN, BK
OR, Allg. Erläuterungen zu Art. 12-15 N 4.
376
Vertragsabschluss und Smart Contracts
154
Erklärungsinhalt keine Unterschrift gesetzt werden konnte, resp. die
elektronische Unterschrift der eigenhändigen noch nicht gleichgestellt war.601
Bei der in der ZPO und im IPRG verankerten Textform muss der
Erklärungsinhalt physisch reproduzierbar sein; hier besteht jedoch keine
Einschränkung auf eine Urkunde als Erklärungsträger.602 Elektronische
Speicherung und Übermittlung ist in Bezug auf die Textform erlaubt, sofern
der Empfänger die Möglichkeit zur Speicherung hat und der Text nicht alleine
beim Absender verbleibt (z.B. nur auf dem Server des Absenders oder einem
Drittserver, auf den nur der Absender Zugriff hat).603
Fasst man die Lehre zum Erklärungsträger i.S. von Art. 13 OR sowie die neuere
Lehre zur Textform zusammen, kann festgehalten werden, dass der
Erklärungsträger den Erklärungsinhalt veränderungsresistent und dauerhaft
speichern und die Möglichkeit bestehen muss, den Erklärungsinhalt jederzeit
physisch zu reproduzieren. Wird der neueren Lehre zur Textform gefolgt, dann
muss der Erklärungsinhalt nicht zwingend in Papierform verurkundet sein,
sondern kann auch auf einem elektronischen Datenträger gespeichert sein oder
mittels moderner Kommunikationsmittel übertragen werden, sofern die
Authentizität und Integrität des Inhalts garantiert werden kann; für letzteres
wird das zusätzliche Erfordernis der Unterschrift benötigt (vgl. nachfolgend
N 390 ff.).
aa) Erklärungsträger im elektronischen Geschäftsverkehr
Neuere Lehrmeinungen wollen elektronische Aufzeichnungen als
Erklärungsträger i.S. von Art. 13 OR genügen lassen, da zwischenzeitlich
technologisch sichergestellt werden kann, dass Daten nicht nachträglich
abgeändert werden können.604 Für diese Ansicht spricht auch, dass die
qualifizierte elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift
gleichgestellt ist (Art. 14 Abs. 2bis OR). Eine elektronische Signatur ergäbe
601 Vgl. Übersicht über die modernen Kommunikationsmittel und
Lehrmeinungen bei SCHWENZER, BSK OR I, Art. 13 N 14-14e. 602 Vgl. GRÄNICHER, BSK IPRG, Art. 178 N 11. 603 GRÄNICHER, BSK IPRG, Art. 178 N 13. 604 SCHWENZER, BSK OR I, Art. 13 N 14c; XOUDIS, CR CO I, Art. 13 N 6.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
155
keinen Sinn, wenn man die dazugehörige Erklärung und den Erklärungsträger
in digitaler Form nicht genügen liesse.605
Grundsätzlich ist bei der Frage des Erklärungsträgers zwischen dem
Erklärungsträger selbst und der Form der Übermittlung zu unterscheiden.
Dabei gibt es jeweils zwei Fallgruppen. Beim Erklärungsträger ist zu
differenzieren, ob der Text originär körperlich vorliegt und zusätzlich auf einen
elektronischen Träger abgespeichert wird oder unkörperlich, d.h. rein digital
vorliegt.606 Bei der Übermittlung ist zwischen der physischen Übermittlung des
Erklärungsträgers (z.B. Postversand von Papier, USB-Stick etc.) und der rein
virtuellen Übermittlung zu unterscheiden.
Liegt der Erklärungsinhalt körperlich vor, dann ist das Körperliche jeweils
auch der Erklärungsträger; hier ist von einer Urkunde im klassischen
Verständnis auszugehen (vgl. hiervor N 376). Wird diese Urkunde digitalisiert
und auf ein elektronisches Speichermedium abgelegt, dann ist die digitalisierte
Version lediglich als eine Kopie der Urkunde zu werten.
Ist der Erklärungsinhalt als Text unkörperlich abgespeichert, z.B. als PDF in
einer Cloud, auf einem USB-Stick oder als Text auf einem Mailserver, dann
muss sichergestellt werden, dass das entsprechende Speicherformat beständig
und dauerhaft (vgl. N 376), sowie der Text veränderungsresistent
abgespeichert (N 378) und körperlich reproduzierbar (N 378) ist. Das
Bundesgericht hat entschieden, dass ein elektronisch hinterlegtes PDF-
Dokument den Kriterien der Dauerhaftigkeit und Beständigkeit genügt.607 Bei
elektronischen Speichermedien ist das Erfordernis der körperlichen
Reproduzierbarkeit dann erfüllt, wenn das elektronische Speichermedium eine
Reproduktion des Verkörperten zulässt. Der Nachweis der Integrität des
605 Vgl. HUGUENIN, OR, N 349; XOUDIS, CR CO I, Art. 13 N 6. 606 Vgl. hierzu GISLER, der zwischen „elektronischen“ (= virtuelle, digitale)
und „digitalen“ (= digitalisierte, ursprünglich in Papierform vorliegende)
Dokumenten unterscheidend: GISLER, vertragliche Aspekte elektronischer
Märkte, 128 ff. 607 BGer Urteil 9C_597/2014 vom 10.12.2014 E. 4.5 (elektronisch
hinterlegtes PDF-Dokument genügt den Formerfordernissen gem.
Art. 61a Abs. 1 KVG).
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156
Dokumentes (d.h. dass es nachträglich nicht verändert wurde) wird durch die
elektronische Signatur (vgl. nachfolgend N 390) sichergestellt.
Bei der Übermittlung des Erklärungsinhaltes ist darauf abzustellen, ob sie so
erfolgen kann, dass die Integrität und Authentizität des Inhaltes sichergestellt
werden kann. Auch dies wird durch die elektronische Signatur (vgl.
nachfolgend N 390) sichergestellt werden müssen.
Daraus folgt, dass die Art des Erklärungsträgers grundsätzlich irrelevant ist,
sofern ein visuell wahrnehmbarer Text dauerhaft, körperlich reproduzierbar
sowie veränderungsresistent abgespeichert werden kann. Bei der
elektronischen Übertragung ist insbesondere das Kriterium der Textintegrität,
d.h. die Veränderungsresistenz, von zentraler Bedeutung.
Das Kriterium der körperlichen Reproduzierbarkeit ist aus heutiger Sicht
grundsätzlich zu hinterfragen. Der Körperlichkeit kommt zwar eine gewisse
Sicherheitsrelevanz zu, ihre Bedeutung ist aus heutiger Sicht jedoch überholt.
Auch rein digitale Daten können zwischenzeitlich so geschützt werden, dass
sie vor Manipulation sicher sind.
bb) Erklärungsträger bei Smart Contracts
Wie bereits ausgeführt, kann ein Vertrag entweder ausserhalb des Smart
Contract geschlossen werden und als Hash-Wert auf der Blockchain hinterlegt
werden oder aber direkt mittels Smart Contract aufgesetzt werden (vgl. hiervor
N 250 ff.). Wird der Vertrag ausserhalb des Smart Contract geschlossen, dann
beurteilt sich die Frage nach dem Erklärungsträger nach dem dort
Vereinbarten. Wird das ausserhalb des Smart Contract geschlossene
Grundgeschäft als Hash-Wert (vgl. Anhang N 5 ff.) auf der Blockchain
abgespeichert, dann dient die Blockchain immerhin dazu, die Integrität des
Dokumentes zu überprüfen.608
608 In Kombination mit einem auf der Blockchain abgelegten Hash-Wert
(Anhang, N 5 f.) kann die Integrität eines Dokumentes festgestellt werden,
ohne dass dem Erklärungsträger hierfür spezielle veränderungsresistente
Eigenschaften zukommen müssten. Es ist jedoch zu beachten, dass aus
einem Hash-Wert im Umkehrschluss kein Dokument produziert, sondern
nur aus einem Dokument ein Hash-Wert hergeleitet werden kann. Es kann
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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Ist der Smart Contract selbst der Vertrag (N 294), dann stellt er auch den
Erklärungsträger dar. In diesen Fällen ist aus einer technologischen Sicht
zumindest das Kriterium der Dauerhaftigkeit und Beständigkeit erfüllt, wenn
der Smart Contract selbst auf der Blockchain abgespeichert ist (N 251).
Trotzdem ist in diesem Zusammenhang ein Fragezeichen hinter das Kriterium
der Beständigkeit zu setzen, da der Fortbestand der Blockchain nur solange
gewährt ist, wie die P2P-Teilnehmer gewillt sind, dieses Netzwerk aufrecht zu
erhalten. Dies ist aus heutiger Sicht schwer einzuschätzen und muss aufgrund
der Neuheit der Technologie mit einer gewissen Skepsis beurteilt werden. Ist
der Smart Contract in einem virtuellen Container abgespeichert (N 252), dann
kann die Dauerhaftigkeit und Beständigkeit nicht bejaht werden.
Die körperliche Reproduzierbarkeit müsste ebenfalls (technisch) sichergestellt
werden, wenn ein Smart Contract als Erklärungsträger qualifiziert werden
müsste.
Ein Smart Contract kommt als tauglicher Erklärungsträger also nur dann in
Frage, wenn er erstens den Vertrag selbst darstellt, zweitens direkt auf einer
Blockchain abgespeichert ist, diese drittens eine gewisse Beständigkeit
aufweist und viertens die körperliche Reproduzierbarkeit des Erklärungsinhalts
(in casu die Programmierung) gewährleistet werden kann. Zusammenfassend
kann daher festgehalten werden, dass ein Smart Contract sich aus heutiger Sicht
grundsätzlich nicht als Erklärungsträger eignet.
c) Unterschrift
Zentrales Element der einfachen Schriftlichkeit ist die Unterschrift der sich
verpflichtenden Parteien (vgl. Art. 13 OR). Die Parteien anerkennen so den
festgehaltenen Vertragsinhalt und dokumentieren ihren Abschlusswillen.609
Die qualifizierte elektronische Signatur ist der eigenhändigen Unterschrift
gleichgestellt (Art. 14 Abs. 2bis OR, zur elektronischen Signatur vgl. Anhang
N 15 ff.). Die Unterschrift kann demnach entweder eigenhändig oder mit einer
qualifizierten elektronischen Signatur unter den Erklärungsinhalt gesetzt
also festgestellt werden, ob das Dokument abgeändert wurde, aber nicht
wie. 609 BGE 119 III 4 E. 3 S. 6.
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werden. Zweck der Unterschrift ist der Ausdruck der Anerkennung des Inhaltes
durch den Erklärenden sowie dessen Identifikation.610
aa) Unterschrift im elektronischen Geschäftsverkehr
Im elektronischen Geschäftsverkehr bietet sich die Verwendung der
qualifizierten elektronischen Signatur an. Diese ist bereits seit 2005 der
eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt, doch hat sie sich im
Geschäftsverkehr noch nicht durchgesetzt. Die Gründe mögen in der oft
genannten benutzerfeindlichen Anwendung oder am fehlenden Interesse des
breiten Publikums liegen.611 Geregelt ist die elektronische Signatur im
Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES).612 Die qualifizierte
elektronische Signatur kann die Identität des Unterzeichners der Nachricht, die
Authentizität eines Dokumentes wie auch die Integrität (das Dokument wurde
nicht abgeändert) nachweisen.613
bb) Unterschrift bei Smart Contracts
Auf allen Blockchain-Plattformen und Blockchain-Anwendungen werden
grundsätzlich elektronische Signaturen eingesetzt, um Transaktionen zu tätigen
(vgl. N 56 ff.). Auch die Vermögensverschiebungen der Parteien an den Smart
Contract geschehen durch eine signierte Transaktion (vgl. N 256). Auf
öffentlichen wie auch privaten Blockchains werden jedoch keine
Signaturschlüssel eingesetzt, die von einer eidgenössisch anerkannten
Zertifizierungsstelle zertifiziert worden sind (ungeachtet dessen, ob sie die
Anforderungen erfüllen würden oder nicht). Das heisst, die (derzeit) weltweit
verwendeten elektronischen Signaturen auf Blockchains genügen nicht, um die
Voraussetzungen der einfachen Schriftlichkeit zu erfüllen. Um das
Formerfordernis der einfachen Schriftlichkeit dennoch zu erfüllen, könnte ein
610 SCHWENZER, BSK OR I, Art. 13 N 6. 611 Vgl. WEBER, E-Commerce, 322. 612 Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen
Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz
über die elektronische Signatur, ZertES) vom 18. März 2016, SR 943.03;
vgl. Anhang, N 13 ff. 613 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 519b; WEBER, E-
Commerce, 325; BOTSCHAFT ZERTES, BBl 2014 1001, 1016.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
159
Anbieter einer Blockchain-Applikation ZertES-konforme qualifizierte
elektronische Signaturen einsetzen.
Ein Smart Contract, also das auf einem Konto installierte Programm, hat keinen
eigenen Private Key; ist der Smart Contract direkt auf der Blockchain
abgespeichert, dann führen alle Knotenpunkte die Transaktion durch (vgl.
N 251).
3. Qualifizierte Schriftlichkeit
Die qualifizierte Schriftlichkeit setzt neben der einfachen Schriftlichkeit noch
ein zusätzliches Erfordernis voraus; dieses kann entweder inhaltlicher oder
formeller Natur sein.614 Das Zusatzerfordernis zur einfachen Schriftlichkeit ist
der jeweiligen Gesetzesbestimmung zu entnehmen. So ist beispielsweise für
die letztwillige Verfügung Eigenhändigkeit (Art. 505 ZGB) oder für die
Kündigung von Miet- und Geschäftsräumen die Verwendung eines bestimmten
Formulars (Art. 266l OR) vorgesehen.
Soweit das Zusatzerfordernis für die qualifizierte Schriftlichkeit inhaltlicher
Natur ist, muss es auf dem Vertrag abgebildet werden. Handelt es sich um
formelle Vorschriften, muss geprüft werden, ob diese auch digital abbildbar
sind. So ist beispielsweise das Erfordernis der Eigenhändigkeit niemals mit
einem rein digitalen Text erfüllt. Bei kantonal vorgeschriebenen Formularen
im Mietrecht, bspw. bei Kündigung von Miet- und Geschäftsräumen, ist es
davon abhängig, ob das kantonale Recht digitale Formulare zulässt.615
Sollte das Zusatzerfordernis digital abbildbar und gesetzlich zugelassen sein,
dann könnte auch die qualifizierte Schriftlichkeit Eingang in den
elektronischen Geschäftsverkehr finden. Denkbar ist dies am ehesten bei
formellen Voraussetzungen wie bspw. einem Formularzwang, welcher auch in
die digitale Welt transferierbar wäre.
614 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 763; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 521; SCHWENZER, OR AT, N 31.16. 615 Dies ist – soweit ersichtlich – noch in keinem Kanton der Fall.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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4. Öffentliche Beurkundung
Bei der öffentlichen Beurkundung wird eine rechtserhebliche Tatsache oder
Erklärung von einer Notarin festgehalten.616 Die Ausgestaltung der
öffentlichen Beurkundung ist kantonal geregelt (Art. 55a SchlT ZGB). Seit der
Totalrevision der Verordnung über die Erstellung elektronischer öffentlicher
Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBV)617, die seit dem
1. Februar 2018 in Kraft ist, sind elektronische öffentliche Urkunden und
elektronische Beglaubigungen den entsprechenden Dokumenten in Papierform
gleichgestellt (Art. 3 EÖBV, Art. 55o SchlT ZGB).
Die gesetzlichen Grundlagen für die elektronische öffentliche Beurkundung
sind damit geschaffen. Ob dabei in absehbarer Zukunft die Blockchain-
Technologie eingesetzt wird, ist aufgrund der hohen Rechtssicherheit der
bestehenden Systeme in der Schweiz fraglich.
5. Formungültigkeit
Die Verletzung einer der vorgenannten Formvorschriften führt zur Nichtigkeit
des Vertrages. Unter Umständen kann der Vertrag jedoch in ein gültiges
Geschäft konvertiert oder rückabgewickelt werden. Die Formvorschriften und
die aus einer Verletzung derselben resultierenden Rechtsfolgen gelten für
sämtliche Rechtsgeschäfte, unabhängig davon, ob sie physisch oder virtuell
geschlossen werden.618
616 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 764; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 524; SCHWENZER, OR AT, N 31.16. 617 Verordnung über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und
elektronischer Beglaubigungen (EÖBV) vom 8. Dezember 2017, SR
211.435.1. 618 Vgl. SCHWENZER, BSK OR I, Art. 11 N 12.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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a) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit
aa) Allgemeine Regeln
Eine Formvorschrift ist eine Gültigkeitsvorschrift (Art. 11 OR).619 Gemäss
Bundesgericht führt die Verletzung einer Formvorschrift zur Nichtigkeit des
Vertrages; jeder könne sich darauf berufen und dieser Umstand sei von Amtes
wegen zu beachten.620 Die absolute Nichtigkeit relativiert das Bundesgericht
durch die Anwendung des Rechtsmissbrauchsverbots (Art. 2 ZGB).621 Ob ein
Rechtsmissbrauch vorliegt, ist unter Würdigung der konkreten Umstände zu
beurteilen. Das Bundesgericht hat rechtsmissbräuchliches Verhalten bspw.
bejaht bei der beidseitigen Erfüllung des formungültigen Vertrages, bei
arglistiger Herbeiführung des Formmangels oder bei bewusster Inkaufnahme
des Formmangels und der daraufhin geltend gemachten Formungültigkeit.622
Die herrschende Lehre spricht sich für einen differenzierten Lösungsansatz aus
und geht nicht von einer absoluten Nichtigkeit aus, sondern vielmehr von einer
relativen oder einer Nichtigkeit sui generis, die geheilt und nur von den
Parteien selbst geltend gemacht werden könne.623
Wird der Formmangel schuldhaft von einer Partei herbeigeführt und beruft sich
die andere Partei erfolgreich auf diesen Formmangel, so kann sie zusätzlich für
einen Schadenersatz gestützt auf c.i.c. haftbar sein.624
619 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 547. 620 BGE 112 II 330 E. 2b S. 334 f., 106 II 146 E. 3 S. 151; BERGER,
Allgemeines Schuldrecht, N 771; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 549; SCHWENZER, OR AT, N 31.27. 621 BGE 138 III 40 E. 2.3.1 S. 404; BERGER, Allgemeines Schuldrecht,
N 772. 622 Vgl. BGE 138 III 401 E. 2.3.2 f. S. 4.4; weitere Aufzählungen und
Hinweise bei GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 554;
SCHWENZER, OR AT, N 31.31 ff. 623 BUCHER, OR AT, 169; BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 773;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 561; ausführlich
und m.w.H. SCHWENZER, BSK OR I, Art. 11 N 23 ff. 624 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGEr, OR AT, N 583; SCHWENZER,
OR AT, N 31.42.
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162
bb) Nichtigkeit und Teilnichtigkeit bei Smart Contracts
Bezüglich der Nichtigkeit eines Vertrages und dessen Umsetzung auf einer
Blockchain, resp. bei einem Smart Contract kann auf das hiervor bei N 361 ff.
Gesagte verwiesen werden.
b) Rückabwicklung und Konversion
Wie einleitend ausgeführt, kann nach den allgemeinen Regeln des
Obligationenrechts ein formungültiges Geschäft je nach Umständen in ein
gültiges umgedeutet (Konversion) oder, falls dies nicht möglich ist und kein
Rechtsmissbrauch vorliegt, rückabgewickelt werden.625
Ein Smart Contract kann technisch grundsätzlich nicht rückabgewickelt
werden. Es kann jedoch eine neue Transaktion durchgeführt werden, welche
das Ergebnis des Smart Contract durch eine neue Transaktion faktisch
rückabwickelt. Eine Konversion scheint hingegen unproblematisch.
625 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 584b;
SCHWENZER, BSK OR I, Art. 11 N 25 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 31.39
ff.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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6. Fazit
Mit Smart Contracts können die Formvorschriften der einfachen oder
qualifizierten Schriftlichkeit und der öffentlichen Beurkundung nicht erfüllt
werden. Eine Ausnahme für die Erfüllung der Anforderungen der einfachen
Schriftlichkeit ist dort zu sehen, wo fachkundige Personen ZertES-konforme
Signaturen einsetzen würden und das Vereinbarte keine Drittinteressen betrifft.
Bezüglich des Erfordernisses der Körperlichkeit und der körperlichen
Reproduzierbarkeit von Erklärungsinhalten ist allerdings fraglich, ob daran
weiterhin festgehalten werden sollte, da zwischenzeitlich technologisch
sichergestellt werden kann, dass gewisse Sicherheitsaspekte
(Veränderungsresistenz und Dauerhaftigkeit) auch auf anderem Wege erreicht
werden können.
Die Verletzung von Formvorschriften führt je nach Lehrmeinung zu
Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Vertrages. Verletzt ein Smart Contract eine
Formvorschrift, dann kann der Umstand der Nichtigkeit des Vertrages auf einer
Blockchain-Plattform nicht umgesetzt werden, da nachträglich (nach der
Validierung durch das Netzwerk) keine Transaktionen abgeändert oder als
ungültig markiert werden können. Eine faktische Rückabwicklung in Form
einer neuen Transaktion oder eine Konversion ist allerdings möglich.
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Vertragsabschluss und Smart Contracts
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VIII. Fazit
Grundsätzlich können Verträge direkt als Smart Contracts in
Programmiersprache aufgesetzt werden, sofern dies dem Willen der
Vertragsparteien entspricht. Es bestehen jedoch Einschränkungen; so sind
Smart Contracts nicht als Verträge zu qualifizieren, wenn fachunkundige
Parteien involviert oder Formvorschriften zu beachten sind. Der Nachweis der
Rechts- und Geschäftsfähigkeit der involvierten Personen obliegt den Parteien.
Die Blockchain eignet sich als pseudoanonymes System nicht dazu,
Vertragspartner zu identifizieren (mit Ausnahme von geschlossenen
Systemen).
Der Smart Contract kann ein Angebot oder eine invitatio ad offerendum
enthalten und sich an bestimmte Personen oder einen unbestimmten
Adressatenkreis richten. Eine Widerrufsmöglichkeit (eines Angebots) besteht
bei Smart Contract grundsätzlich nicht, ausser in Anwendungen ausserhalb der
Blockchain. Der Vertrag kommt mit der Signierung durch die akzeptierende
Partei, die mit einer Transaktion bspw. einen Wert an die Adresse des Smart
Contract sendet, zustande. Willenserklärung und Konsens werden mittels
Vertrauensprinzip ausgelegt.
Bezüglich Inhalt bestehen auch für Smart Contracts die gesetzlichen
Inhaltsschranken der Sittenwidrigkeit, Unmöglichkeit und Widerrechtlichkeit.
Die Nichtigkeit eines Smart Contract kann auf einer Blockchain nicht
abgebildet werden; dies betrifft insbesondere die direkt auf einer Blockchain
gespeicherten Smart Contracts sowie die in einer Cloud gespeicherten Smart
Contracts, die das Ergebnis (Transaktion) jedoch schon in die Blockchain
überführt haben. Die fehlende Umsetzungsmöglichkeit, resp. die
Nichtfeststellung einer nichtigen Transaktion auf einer Blockchain, führt zu
Rechtsunsicherheit bezüglich blockchainbasierter Transaktionen. In
geschlossenen Systemen könnte zwar theoretisch vorgesehen werden, dass eine
Transaktion als ungültig markiert wird, dies würde jedoch ebenfalls zu
Rechtsunsicherheit und das Blockhain-System ad absurdum führen. Die im OR
vorgesehene Nichtigkeit widerspricht im Kern der Grundkonzeption der
Blockchain-Technologie als vertrauensloses System.
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Mangelhafte Willenserklärungen
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C. Mangelhafte Willenserklärungen
Ein Mangel im Vertragsschluss im Sinne einer mangelhaften Willenserklärung
kann nach dem Obligationenrecht bei Irrtum, Drohung oder Täuschung
entstehen. Tritt einer dieser Tatbestände ein und wird er von der betroffenen
Partei geltend gemacht, ist der Vertrag für diese Partei einseitig unverbindlich.
Der Vertragsmangel kann jedoch durch Genehmigung durch die Parteien
aufgehoben werden.
I. Irrtum
Der Irrtum im Vertragsschluss wird nur in engen Grenzen berücksichtigt, dies
gilt auch für ähnliche Rechtsinstitute der europäischen Nachbarländer.626 Für
den elektronischen Geschäftsverkehr wurden von der Lehre spezifische
Fallgruppen erarbeitet; diese betreffen insbesondere die fehlerhafte
Übermittlung einer Willenserklärung. Ähnliche Kategorien können für Smart
Contracts hergeleitet werden.
1. Allgemeine Regeln
Ein Irrtum ist die falsche Vorstellung über einen Sachverhalt: Vorstellung und
Wirklichkeit klaffen auseinander.627 Die fehlende Vorstellung wird rechtlich
wie die falsche Vorstellung behandelt.628 Grundsätzlich wird zwischen
wesentlichem und unwesentlichem Irrtum unterschieden, wobei ein
unwesentlicher Irrtum unbeachtlich ist (Art. 23 OR). Wesentlichkeit wird aus
objektiver und subjektiver Sicht beurteilt und besteht dann, wenn der Irrende
bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes keine oder eine andere Erklärung
626 SCHMIDLIN, BK OR, Vorbem. zu Art. 23-27 N 45. 627 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 761; SCHMIDLIN,
BK OR, Art. 23/24 N 4; SCHWENZER, OR AT, N 37.01. 628 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 761; SCHMIDLIN,
BK OR, Art. 23/24 N 10; SCHWENZER, OR AT, N 37.01.
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Mangelhafte Willenserklärungen
166
abgegeben hätte.629 Zudem muss die Wesentlichkeit erkennbar sein.630 Bei
einem wesentlichen Irrtum ist der Vertrag für den Irrenden einseitig
unverbindlich (Art. 23 OR).631
Zu unterscheiden ist zwischen Erklärungsirrtum, Motivirrtum und
Grundlagenirrtum. Bei einem (einfachen) Motivirrtum besteht der Irrtum aus
einem Beweggrund zum Vertragsschluss, welcher gem. Art. 24 Abs. 2 OR als
unwesentlich gilt.
Beim Erklärungsirrtum will dagegen der Irrende nicht, was er tatsächlich
geäussert hat;632 der Irrende hat einen Rechtsbindungswillen gebildet, diesen
jedoch fehlerhaft kundgetan.633 Ein Irrtum kann auch in der Übermittlung der
Willenserklärung durch einen Boten geschehen (Art. 27 OR). Diese unrichtige
Übermittlung durch einen Boten wird dem Erklärungsirrtum gleichgestellt.634
Der Bote ist eine unselbständig handelnde Mittelsperson, worunter bspw.
Dolmetscher, Mäkler, Agenten oder auch Hilfsmittel wie Telegramm, Telefax
oder E-Mail fallen.635 Die unrichtige Übermittlung besteht darin, dass die
ursprüngliche (richtige) Nachricht inhaltlich verändert wurde und nicht mehr
dem entspricht, was der Erklärende wollte oder dass die Erklärung an die
falsche Adresse übermittelt wurde.636
Bei einem Grundlagenirrtum (auch qualifizierter Motivirrtum) irrt der
Erklärende über einen Sachverhalt, der für ihn nach Treu und Glauben im
629 BERGER, Allgemeines Schuldrecht; SCHWENZER, OR AT, N 37.01. 630 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 778 ff.;
SCHWENZER, OR AT, N 37.25 ff. 631 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1006; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 766; SCHWENZER, OR AT, N 37.02. 632 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 978, 983; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 767; SCHMIDLIN, BK OR, Art. 23/24
N 39; SCHWENZER, OR AT, N 37.02. 633 SCHWENZER, OR AT, N 37.03. 634 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 986; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 817; SCHWENZER, OR AT, N 37.07. 635 SCHMIDLIN, BK OR, Art. 27 N 5 f; SCHWENZER, BSK OR I, Art. 27 N 2. 636 SCHMIDLIN, BK OR, Art. 27 N 11.
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Mangelhafte Willenserklärungen
167
Geschäftsverkehr eine notwendige Grundlage des Vertrags darstellt (Art. 24
Abs. 1 Ziff. 4 OR).637
1. Irrtum im elektronischen Geschäfts-verkehr
Im elektronischen Geschäftsverkehr werden bezüglich des Irrtums
verschiedene Fallgruppen unterschieden, welche insbesondere die
Übermittlung der Willenserklärung betreffen. Eingeteilt werden diese in die
Irrtumskategorien Eingabe- und Bedienungsfehler, Übermittlungsfehler sowie
fehlerhafte Computererklärungen.
a) Eingabe- und Bedienungsfehler
Liegt ein Fehler in der Eingabe oder Bedienung vor (bspw. durch „Vertippen“),
dann kann ein Erklärungsirrtum vorliegen. Die Schwierigkeit liegt hier jedoch
im Nachweis eines solchen Fehlers – insbesondere im Zusammenhang mit
Webformularen, die sofort versendet werden.638 In diesem Zusammenhang ist
jedoch zu beachten, ob der Absender der Willenserklärung die Möglichkeit
hatte, die Willenserklärung vor Übermittlung an den Empfänger zu
überprüfen.639 Unterliegt der Absender einem wesentlichen Irrtum, hatte aber
die Möglichkeit der Überprüfung vor der Absendung, dann kann der
Tatbestand des fahrlässigen Irrtums gem. Art. 26 Abs. 1 OR erfüllt sein.640
Wird die elektronische Willenserklärung nicht direkt versendet, sondern
befindet sie sich noch im Herrschaftsbereich des Erklärenden, dann ist dieser
637 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 989; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 776; SCHWENZER, OR AT, N 37.24. 638 Vgl. WEBER, E-Commerce, 346. 639 Vgl. Art. 11 E-Commerce RL, wonach bei Verbraucherverträgen im
Internet dem Konsumenten die Erkennung und Berichtigung von
Eingabefehlern vor der Absendung ermöglicht werden muss; für das
deutsche Recht vgl. HOEREN, Internetrecht, N 767. 640 Laut SCHWENZER kann bei einem Erklärungsirrtum die Fahrlässigkeit
meistens bejaht werden: SCHWENZER, BSK OR I, Art. 26 N 2.
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Mangelhafte Willenserklärungen
168
für allfällige falsche Erfassungen im System selbst verantwortlich (die
fehlerhafte Willenserklärung wurde gegen aussen nicht kundgetan).641
b) Übermittlungsfehler
Grundsätzlich muss sich der Erklärende den Fehler bei der Übermittlung
zuschreiben lassen, wenn die Nachricht bei der Übermittlung verändert wird.642
Lässt sich der Übermittlungsfehler auf eine fehlerhafte Übermittlung durch
einen Boten zurückführen, kann auf Art. 27 OR zurückgegriffen werden.643
Botenfunktion haben gemäss Lehre nebst den bekannten Kategorien wie bspw.
Agenten oder Dolmetscher (vgl. N 416) auch Provider-Anbieter (jedoch nicht
die EDV-Anlage des Erklärenden)644, d.h. technischen Hilfsmitteln zur
elektronischen Übertragung wie bspw. E-Mail kommt auch eine Botenfunktion
zu.645 Die unrichtige Übermittlung wird gem. h.L als Sonderfall des
Erklärungsirrtums behandelt (N 416), vereinzelt aber auch als unbeachtlicher
Motivirrtum.646
Führt eine Software eine den Vertragsabschluss herbeiführende
Willenserklärung selbständig aus, dann ist sie demjenigen zuzurechnen, der die
computergenerierte Willenserklärung initiiert hat, auch wenn diese fehlerhaft
ist (fehlerhafte Computererklärung).647 Eine Ausnahme kann dann sachgerecht
sein, wenn die Willenserklärung nach Treu und Glauben und unter den
641 SCHMIDLIN, BK OR, Art. 27 N 27. 642 WEBER, E-Commerce, 347; SCHMIDLIN, BK OR, Art. 27 N 27. 643 WEBER, E-Commerce, 347. 644 SCHMIDLIN, BK OR, Art. 27 N 22, 24; WEBER, E-Commerce, 347. 645 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 987; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 817; SCHWENZER, OR AT, N 37.08a. 646 Laut WEBER stellen Erklärungen, die aufgrund einer fehlerhaften
Software, Daten- oder Rechenfehlern unrichtig werden, einen
unbeachtlichen Motivirrtum dar, da der Wille aufgrund der mangelhaften
Software gar nicht richtig gebildet werden könne: WEBER, E-Commerce,
346. 647 SCHMIDLIN, BK OR, Art. 27 N 22; WEBER, E-Commerce, 347.
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169
gegebenen Umständen als nicht plausibel erscheint.648 Fehlerhafte
Computererklärungen gehören nach der hier vertretenen Meinung zur
Kategorie der Übermittlungsfehler; teilweise werden sie als separate Kategorie
behandelt.
2. Irrtum bei Smart Contracts
Wie beim elektronischen Geschäftsverkehr, steht bei Smart Contracts
insbesondere die fehlerhafte Übermittlung von Willenserklärungen im
Zentrum der Betrachtung; sie kann sich aber auch durch Eingabe- und
Bedienungsfehler im Zusammenhang mit einem Smart Contract ergeben.
a) Fehlerhafte Willenserklärung beim Abschluss des
Grundgeschäftes
Die fehlerhafte Willenserklärung kann sich bereits beim Abschluss des
Grundgeschäfts ausserhalb des Smart Contract oder – falls das
Vertragsverhältnis direkt als Smart Contract aufgesetzt ist – in diesem selbst
manifestieren. Ob es sich dabei um einen Grundlagenirrtum, Erklärungsirrtum
oder Motivirrtum handelt (vgl. N 414 ff.), ist im konkreten Einzelfall zu
entscheiden.
b) Eingabe- und Bedienungsfehler
Ungeachtet dessen, ob das Grundgeschäft ausserhalb oder direkt mittels Smart
Contract aufgesetzt wird, kann der ursprünglich fehlerlose Wille fehlerhaft in
Programmiersprache abgebildet und entsprechend falsch durch den Smart
Contract ausgeführt werden. Der Fehler liegt hier nicht in einem Fehler der
Software selbst, sondern in der fehlerhaften Eingabe bei der Programmierung.
Hierbei kann es sich um einen Fall des Erklärungsirrtumes handeln, analog der
fehlerhaften Bedienung oder Eingabe beim elektronischen Geschäftsverkehr
(vgl. N 419 f.).
648 WEBER, E-Commerce, 347 (Beispiel: Bestellung von 100 Kirschtorten
durch Privatperson).
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170
c) Übermittlungsfehler
Wird die ursprünglich fehlerlose Willenserklärung zwar im Smart Contract
richtig hinterlegt, durch die Software jedoch verfälscht und fehlerhaft
umgesetzt, dann kann ein Fall von Art. 27 OR vorliegen, wenn dem Smart
Contract eine Botenfunktion zukommt.
Ein Smart Contract kann, wie andere elektronische Übermittlungsdienste auch
(N 416, 421), grundsätzlich als Bote qualifiziert werden, da er keine eigenen
Willenserklärungen abgibt, sondern die Willenserklärungen der Parteien
umsetzt, resp. übermittelt.649
II. Täuschung und Furchterregung
Absichtliche Täuschung und Furchterregung können ebenfalls einen
mangelhaften Willen einer Vertragspartei hervorrufen und bei erfolgreicher
Geltendmachung den Vertrag für diese Partei einseitig unverbindlich werden
lassen.
1. Täuschung
Täuschung liegt vor, wenn ein Vertragsschliessender durch absichtliche
Täuschung des Vertragspartners zum Vertragsabschluss verleitet wurde
(Art. 28 Abs. 1 OR). Beim Getäuschten liegt ein Motivirrtum vor, der durch
649 A.A. FURRER, der davon ausgeht, dass der Wille der Parteien beim Einsatz
eines Smart Contract noch nicht gebildet ist und der Smart Contract daher
auch keinen bestehenden Willen transportieren kann. Dem Smart Contract
kommt nach dieser Meinung eine Art Stellvertreterfunktion zu und er wird
als eine Art „Wissens- und Willenserklärungsgenerierungsmaschine“
bezeichnet: FURRER, Smart Contracts, 108. Wie bereits in FN 516
ausgeführt, wird hier die Meinung vertreten, dass ein Smart Contract –
falls er direkt das Grundgeschäft abbildet – ein bedingtes Rechtsgeschäft
darstellt und in diesen Fällen mit Abschluss des Rechtsgeschäftes der
Wille sich auch auf die zukünftig ungewissen Tatsachen erstreckt.
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Mangelhafte Willenserklärungen
171
den Täuschenden hervorgerufen wurde.650 Diese Täuschungshandlung kann
durch positives Verhalten oder auch durch Schweigen erfolgen.651 Für die
Erfüllung des Tatbestandes ist zudem eine Absicht des Täuschers,
Widerrechtlichkeit sowie Kausalität erforderlich.652
2. Furchterregung
Wird ein Vertragsschliessender von einem Vertragspartner oder Dritten durch
Furchterregung (Drohung) zum Vertragsschluss gedrängt, dann ist der Vertrag
für den Bedrohten unverbindlich (Art. 29 Abs. 1 OR).653 Hier liegt beim
Bedrohten kein Irrtum vor, sondern der Mangel betrifft direkt den Willen, die
innere Freiheit.654 Die durch die Drohung ausgelöste Furcht muss gem. Art. 31
Abs. 1 OR eine gegründete sein, d.h. die Drohung muss eine gewisse Schwere
aufweisen und widerrechtlich sein.655
650 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1035; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 856; SCHWENZER, OR AT, N 38.01. 651 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1039 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 856 ff; SCHWENZER, BSK OR I, Art. 28 N 6 ff.;
SCHWENZER, OR AT, N 83.03 ff. 652 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1037 ff.; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 864 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 38.07 ff. 653 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1051; vgl. GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 883; SCHWENZER, OR AT, N 38.13. 654 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1051; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 874; SCHWENZER, OR AT, N 38.13. 655 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1053 f.; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 879 f.; SCHWENZER, OR AT, N 38.17,
38.20.
430
Mangelhafte Willenserklärungen
172
3. Täuschung und Furchterregung im
elektronischen Geschäftsverkehr und bei Smart
Contracts
Gemäss den allgemeinen Regeln müssen auch im elektronischen
Geschäftsverkehr und bei Smart Contracts Willensmängel aufgrund von
Täuschung oder Furchterregung (Drohung) geltend gemacht werden können.
Es ist derzeit nicht ersichtlich, wie das vom Gesetz definierte menschliche
Fehlverhalten der Parteien durch Computercodes verhindert werden könnte.
III. Rechtsfolgen
Sowohl bei einem wesentlichen Irrtum als auch bei einer Täuschung oder
Furchterregung ist die Rechtsfolge die einseitige Unverbindlichkeit für
diejenige Partei, die dem Irrtum unterlegen ist oder absichtlich getäuscht oder
bedroht wurde (Art. 23, Art. 28 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 OR).
1. Einseitige Unverbindlichkeit
Unterliegt eine Partei einem wesentlichen Irrtum, einer Täuschung oder
Drohung, ist der Vertrag nach erfolgreicher Geltendmachung für diese Partei
einseitig unverbindlich (Art. 23, Art. 28 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 OR). In der
Lehre herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob dabei gem. der
Ungültigkeitstheorie656 der Vertrag von Anfang an (ex tunc) ungültig ist und
dementsprechend keine Wirkung entfaltet oder ob gem. der
Anfechtungstheorie657 der Vertrag zunächst gültig ist, aber unter Berufung auf
656 Zur Ungültigkeitstheorie vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/ EMMENEGGER,
OR AT, N 890 ff.; BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1009. 657 Zur Anfechtungstheorie vgl. SCHMIDLIN, BK OR, Art. 23/24 N 379 ff.;
SCHWENZER, BSK OR I, Art. 23 N 10; SCHWENZER, OR AT, N 39.07.
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Mangelhafte Willenserklärungen
173
den Willensmangel aufgelöst wird.658 Welcher Theorie gefolgt wird, ist von
Bedeutung für den allfälligen Rückforderungsanspruch, wenn der Irrende,
Getäuschte oder Bedrohte den Vertrag anficht. Bei der Ungültigkeitstheorie
handelt es sich um eine Leistung wegen Nichtschuld (d.h. Rückforderung
wegen Nichtschuld), nach der Anfechtungstheorie jedoch um eine Leistung
wegen nachträglich weggefallenem Grund (d.h. Rückforderung aus
nachträglich weggefallenem Grund).659
Nach der Ungültigkeitstheorie ist der Vertrag ex tunc unverbindlich, d.h. er
entfaltet keine Wirkung, analog zu einem nichtigen Vertrag (vgl. N 355 ff.).660
Die Unverbindlichkeit muss von der geschützten Partei geltend gemacht und
kann nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden.661 Die geschützte Partei
kann die Leistung verweigern und bereits geleistete Leistungen je nach den
anzuwendenden Gesetzesbestimmungen aus Vindikation (Art. 641 Abs. 2
ZGB) oder ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) zurückverlangen
oder allenfalls eine Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZB) einleiten.662
Der Gegenpartei ist es verwehrt, sich auf die Ungültigkeit des Vertrages zu
berufen, da sie selbst keinem Willensmangel, keiner Drohung oder Täuschung
unterlegen ist.663 Macht die geschützte Partei die Ungültigkeit des Vertrages
geltend, dann kann die Gegenpartei ebenfalls die Vertragserfüllung verweigern
und bereits Geleistetes zurückverlangen (ebenfalls aus Vindikation,
ungerechtfertigter Bereicherung oder Grundbuchberichtigungsklage).664
658 Ausführlich zum Theorienstreit vgl. SCHMIDLIN, BK OR, Art. 23/24
N 364 ff. 659 SCHWENZER, BSK OR I, Art. 23 N 9. 660 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1009; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 890; SCHWENZER, OR AT, N 39.23. 661 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 891 f. 662 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 892; SCHWENZER,
OR AT, N 39.27. 663 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1006; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 893; SCHWENZER, OR AT, N 39.11. 664 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 893.
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Mangelhafte Willenserklärungen
174
Wird der Anfechtungstheorie gefolgt, ist der Vertrag für beide Parteien gültig,
wobei jedoch die geschützte Partei ein Anfechtungsrecht hat, bei dessen
Ausübung der Vertag mit Wirkung ex tunc aufgehoben wird.665
Zu beachten ist die Einschränkung in Art. 25 Abs. 1 OR, wonach die
Geltendmachung eines Irrtums unstatthaft ist, wenn sie Treu und Glauben
widerspricht. Dies wird dann angenommen, wenn eine unnütze
Rechtsausübung vorliegt oder ein krasses Missverhältnis zwischen den
Interessen besteht.666 Zudem muss ein Irrender bei einem wesentlichen
Erklärungsirrtum diesen gegen sich gelten lassen, wenn die Vertragspartei dies
dem Dahinfallen des Vertrages vorzieht (Art. 25 Abs. 2 OR).667
2. Schadenersatzpflicht
Bei fahrlässigem Irrtum wird der Irrende allenfalls schadenersatzpflichtig,
ausser, die andere Vertragspartei hat den Irrtum erkannt oder hätte ihn erkennen
sollen (Art. 26 OR); die Anspruchsgrundlage ist (eine gesetzliche) culpa in
contrahendo.668
Bei dem Tatbestand der Täuschung oder der Drohung ist der Täuschende dem
Getäuschten, resp. Bedrohten gegenüber ggf. schadenersatzpflichtig, sofern
sich eine Schadenersatzpflicht aus Art. 41 ff. OR oder aus culpa in contrahendo
herleiten lässt.669
665 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1008; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 896; SCHWENZER, OR AT, N 39.07. 666 BGE 132 III 737 E. 3.1. S. 743, 123 III 200 E. 2b S. 203; GAUCH/
SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 846. 667 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 848; SCHWENZER,
BSK OR I, Art. 25 N 8. 668 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1026; SCHWENZER, BSK OR I,
Art. 26 N 1. 669 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1062; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 870 f., 883 ff.
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Mangelhafte Willenserklärungen
175
Für die Geltendmachung des Schadenersatzes ist die Anfechtungsfrist von
Art. 31 OR (ein Jahr ab Entdeckung) sowie die Sonderbestimmung in Art. 31
Abs. 3 OR zu beachten, die auch eine Schadenersatzpflicht bei Genehmigung
des Vertrages trotz Täuschung oder Drohung nicht ausschliesst.670
3. Genehmigung
Der mangelhafte Vertrag kann durch die betroffene Partei durch ausdrückliche
Erklärung oder konkludentes Verhalten genehmigt werden.671 Wenn der
Mangel nicht innert Jahresfrist geltend gemacht wird, gilt der Vertrag als
genehmigt (Art. 31 Abs. 1 OR).672 Die Frist beginnt bei Irrtum und Täuschung
mit deren Entdeckung, bei der Drohung mit deren Wegfall (Art. 31 Abs. 2
OR).673
4. Rechtsfolgen im elektronischen Geschäftsverkehr
und bei Smart Contracts
Die Rechtsfolgen sind im elektronischen Geschäftsverkehr und bei Smart
Contracts bei Irrtum, Täuschung und Drohung dieselben wie im traditionellen
Vertragsrecht.
Bei automatisierten Vertragsabwicklungen und vordefinierten Parametern
stellt die Beurteilung, ob ein Irrtum, eine Täuschung oder eine Drohung
vorliegt, praktisch ein grosses Problem dar. Solche Verhaltensweisen können
nicht mit vordefinierten Regeln abgebildet werden, da einerseits eine
Einzelfallbetrachtung notwendig ist und andererseits fraglich ist, wie eine
670 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1016 ff.; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 906; SCHWENZER, OR AT, N 39.15. 671 SCHWENZER, BSK OR I, Art. 31 N 17. 672 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 901. 673 Verwirkungs-, nicht Verjährungsfrist: BGE 114 II 131 E.2b S. 141;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 902; SCHWENZER,
BSK OR I, Art. 31 N 11.
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Mangelhafte Willenserklärungen
176
Software menschliches Verhalten angemessen beurteilen kann. Daher scheint
es bei mangelhaften Willenserklärungen nach wie vor notwendig, dass auf eine
menschliche Instanz (ordentliche Gerichte) zurückgegriffen werden muss. Das
Gleiche gilt für die Berechnung von Schadenersatz oder die Beurteilung eines
Anspruchs aus c.i.c. Sodann ist die Abbildung eines unverbindlichen Vertrages
auf einer Blockchain nicht möglich, da aufgrund der nachträglichen
Unabänderbarkeit insbesondere von Smart Contracts, die direkt auf einer
Blockchain implementiert sind, nicht verändert werden können (vgl. N 361 ff.)
IV. Fazit
Für den elektronischen Geschäftsverkehr gibt es bereits an die besonderen
Gegebenheiten angepasste Fallgruppen, auf die sich die allgemeinen
Grundprinzipien des Irrtums anwenden lassen. Die gleichen Fallgruppen lassen
sich bei der Verwendung von Smart Contracts anwenden. Es steht insbesondere
die fehlerhafte Übermittlung im Zentrum, wobei dem Smart Contract (wie bei
elektronischen Übermittlungsdiensten) grundsätzlich die Eigenschaft als Bote
zukommt.
Auch Täuschung und Drohung können in der digitalen Welt nicht vermieden
werden, da menschliches (Fehl-) Verhalten nicht durch Algorithmen verhindert
werden kann. Da menschliche Verhaltensweisen nicht durch Prozesse
abgebildet und eindeutig bewertet werden können, muss nach wie vor für die
Beurteilung, ob ein Irrtum, eine Täuschung oder Drohung vorliegt, auf
menschliche Instanzen der realen Welt zugegangen werden.
Die Rechtsfolgen einer mangelhaften Willenserklärung (die einseitige
Unverbindlichkeit und allenfalls Anspruch auf Schadenersatz) gelten auch
generell für den elektronischen Rechtsverkehr und für Verträge auf der
Blockchain. Wird ein Vertrag, dem ein mangelhafter Wille zugrunde liegt,
erfolgreich angefochten, dann ist die Folge davon (einseitige Unverbindlich-
keit) nicht auf der Blockchain umsetzbar, da Transaktionen im Nachhinein
nicht als ungültig markiert werden können.
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Leistungsstörungen
177
D. Leistungsstörungen
Bei Vertragsverhältnissen kann es, sowohl im klassischen als auch im
elektronischen Geschäftsverkehr, zu Leistungsstörungen kommen.
Leistungsstörungen können unterteilt werden in Leistungsunmöglichkeit,
positive Vertragsverletzung sowie Spätleistung.
Nachfolgend wird untersucht, ob Leistungsstörungen auch bei der Anwendung
von Smart Contracts auftreten oder ob sie mit der Hilfe von Smart Contracts
allenfalls vermieden werden können.
I. Leistungsunmöglichkeit
Die Leistungsunmöglichkeit beinhaltet die endgültige Nichterfüllung des
Vertrages.674 Sie wird auch Nichtleistung, Nichterfüllung oder schlicht
Unmöglichkeit genannt.675 Es gibt verschiedene Arten der
Leistungsunmöglichkeit: Sie kann ursprünglich oder nachträglich, objektiv
oder subjektiv und von der Schuldnerin, Gläubigerin oder von beiden Seiten zu
verantworten oder nicht zu verantworten sein; in der Regel besteht sie aus einer
Kombination dieser Möglichkeiten.676
674 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2523. 675 SCHWENZER, OR AT, N 63.01. 676 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1505 ff.; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2523; SCHWENZER, OR AT,
N 63.01 ff.
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Leistungsstörungen
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1. Ursprüngliche und nachträgliche
Leistungsunmöglichkeit
Die ursprüngliche Unmöglichkeit bezeichnet einen Vertrag mit einem
unmöglichen Inhalt (Art. Art. 20 Abs. 1 OR); die Unmöglichkeit liegt schon
vor Vertragsschluss vor). Folge ist die Nichtigkeit (vgl. N 349 ff.).677
Bei der nachträglichen Unmöglichkeit tritt die Leistungsunmöglichkeit erst
nach Vertragsschluss ein; dieser Tatbestand wird von Art. 97 Abs. 1 OR
erfasst.678
2. Objektive und subjektive Leistungsunmöglichkeit
Liegt ein Fall der objektiven Unmöglichkeit vor, kann die Vertragspflicht der
Schuldnerin weder von der Schuldnerin, noch von einer anderen Partei erfüllt
werden.679 Die nachträgliche, objektive Unmöglichkeit fällt unstrittig in den
Anwendungsbereich von Art. 97 Abs. 1 OR.680
Bei der subjektiven Leistungsunmöglichkeit kann nur die eigentliche
Schuldnerin nicht leisten.681 Diese Leistungsunmöglichkeit unterliegt strengen
Voraussetzungen; das Bundesgericht verlangt, dass die Leistung für die
677 GUILLOD/STEFFEN, CR CO I, Art. 19,20 N 76; SCHWENZER, OR AT,
N 64.02. 678 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2525;
SCHWENZER, OR AT, N 63.10; WIEGAND, BSK OR I, Art. 97 N 7. 679 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1507; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2526; SCHWENZER, OR AT, N 63.08;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 97 N 10. 680 vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1505; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2526; SCHWENZER, OR AT, N 64.09;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 97 N 10. 681 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1508; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2567; SCHWENZER, OR AT, N 63.03;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 97 N 11.
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Leistungsstörungen
179
Schuldnerin geradezu unüberwindbar sei.682 Auch hier kann zwischen
anfänglicher und nachträglicher subjektiver Unmöglichkeit unterschieden
werden. Sie kann zudem dauerhafter oder lediglich vorübergehender Natur
sein.683 Ist sie lediglich vorübergehend, dann handelt es sich um eine
Leistungsverzögerung (sofern kein Fixgeschäft vorliegt).684
Das Bundesgericht und die h.L. subsumieren die anfängliche wie auch die
nachträgliche subjektive Unmöglichkeit – gleich wie die objektive
Unmöglichkeit – unter den Tatbestand von Art. 97 Abs. 1 OR, sofern die
Schuldnerin die Unmöglichkeit zu verantworten hat.685 Hat die Schuldnerin
hingegen die Unmöglichkeit nicht zu vertreten, kommt Art. 119 OR zur
Anwendung.686
Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass die subjektive Leistungsunmöglichkeit
generell nicht unter Art. 97 OR subsumierbar sei, da diesbezüglich ein Fall des
Schuldnerverzugs vorliege und die Regeln von Art. 102 ff. OR zur Anwendung
gelangten.687
682 BGE 115 III 212 E. 3.1 S. 218; BERGER, Allgemeines Schuldrecht,
N 1510; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2567. 683 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1519 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 63.08 ff. 684 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1521; WIEGAND, BSK OR I, Art. 97
N 16. 685 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1508 (nachträglich subj.), N 1512
(anfänglich subj.); SCHWENZER, OR AT, N 63.08 (anfänglich subj. ),
64.19 (nachträglich subj.); WIEGAND, BSK OR I, Art. 97 N 11 ff. 686 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1529; SCHWENZER, OR AT,
N 64.08 (anfänglich subj.), 64.09, 64.11 (nachträglich subj.); WIEGAND,
BSK OR I, Art. 97 N 13. 687 Ausführliche Begründung dieser Meinung bei GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2575 ff.; THÉVENOZ, CR CO I, Art. 97
N 11.
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Leistungsstörungen
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3. Unverschuldete Leistungsunmöglichkeit
Ist die Nichterfüllung, resp. die Leistungsunmöglichkeit durch keine
Vertragspartei zu verantworten, bestimmt sich die Rechtsfolge gem. h.L. nach
Art. 119 OR.688 Folge von Art. 119 OR ist einerseits der Untergang der
Forderung gegenüber der Schuldnerin und andererseits auch der Untergang der
Gegenforderung bei synallagmatischen Verträgen.689 Bereits empfangene
Gegenleistungen sind zurückzuerstatten (Abs. 2). Ausgenommen von diesen
Regelungen sind besondere Bestimmungen, nach denen die Gefahr690 gem.
Gesetzesvorschrift oder gem. Inhalt des Vertrages vor Erfüllung auf die
Gläubigerin übergeht (Abs. 3).691
Bezieht die Schuldnerin einen Ersatz oder Ersatzanspruch infolge der
nachträglichen Leistungsunmöglichkeit von einem Dritten, so muss dieser
anstelle der unmöglich gewordenen Leistung der Gläubigerin auf dessen
Verlangen herausgegeben werden (sog. stellvertretendes Commodum).692
688 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1591; vgl. GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2531 ff., 2591 ff., ; SCHWENZER, OR
AT, N 64.09. 689 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1596; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2536, 2541; WIEGAND, BSK OR I, Art. 119
N 11 ff. 690 Im Sinne einer Preisgefahr, BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1600;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 119 N 10. 691 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1601 ff.; WIEGAND, BSK OR I,
Art. 119 N 9 f. 692 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1607 ff.; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/ EMMENEGGER, OR AT, N 2595; SCHWENZER, OR AT, N 61.14;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 119 N 15.
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Leistungsstörungen
181
4. Verschuldete Leistungsunmöglichkeit
Ist die Leistungsunmöglichkeit durch die Schuldnerin zu vertreten, kommen
generell die Rechtsfolgen von Art. 97 Abs. 1 OR zum Zuge.693 Da die
ursprüngliche Leistung aufgrund der Unmöglichkeit nicht mehr erbracht
werden kann, entsteht ein Sekundäranspruch in Form eines Schadenersatzes.694
Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch aus Art. 97 Abs. 1 OR sind
ein Schaden, eine Pflichtverletzung, ein Kausalzusammenhang sowie ein
Verschulden.695
Die Leistungsunmöglichkeit der Schuldnerin, verursacht durch das
Verschulden der Gläubigerin, wird im Allgemeinen Teil des
Obligationenrechts nicht gesondert geregelt; vereinzelt finden sich
Bestimmungen zu den einzelnen Vertragsverhältnissen im Besonderen Teil
(z.B. Art. 176 Abs. 3, 324 und 378 OR).696 Die herrschende Lehre und das
Bundesgericht gehen davon aus, dass die Schuldnerin in Anwendung von
Art. 119 Abs. 1 OR von ihrer Leitungspflicht befreit wird und grundsätzlich
einen Anspruch gegen die Gläubigerin behält.697
Haben beide Parteien die Leistungsunmöglichkeit zu verantworten, dann wird
gemäss Bundesgericht mangels gesetzlicher Regelung der
Schadenersatzanspruch der Gläubigerin, der Anspruch der Schuldnerin auf
Gegenleistung oder beide Ansprüche verrechnungsweise gekürzt.698
693 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1525; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2524; SCHWENZER, OR AT, N 64.19. 694 SCHWENZER, OR AT, N 64.20. 695 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1526; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2586a. 696 BERGER, Allgemeines Schuldrecht; SCHWENZER, OR AT, N 64.29. 697 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1614; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2591 ff.; SCHWENZER, OR AT, N 64.29;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 119 N 14; BGE 122 III 66 E. 3b S. 70. 698 BGE 122 III 66 E. 3b S. 70, 114 II 274 E. 4 S. 276; BERGER, Allgemeines
Schuldrecht, N 1617 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR
AT, N 2593.
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Leistungsstörungen
182
5. Leistungsunmöglichkeit bei Smart Contracts
Zur Erinnerung: Ein Smart Contract führt die Vertragsbestandteile
automatisiert aus und referenziert dabei auf prüfbare Ereignisse (vgl.
N 251 ff.).699
a) Ursprüngliche Unmöglichkeit
Ob bei einem Smart Contract eine Leistungsstörung in Form eines
unmöglichen Vertragsinhalts verhindert werden kann, bedarf einer
differenzierten Betrachtung: Aus einer rein blockchaininternen Sicht und
aufgrund der Grundannahme, dass jeder Eintrag auf einer Blockchain gemäss
den systemimmanenten Regeln gültig ist (vgl. N 23 ff.), ist die Ausführung
eines anfänglich unmöglichen Vertragsinhaltes mit einem Smart Contract
grundsätzlich nicht möglich.700 Der Smart Contract muss zur Abwicklung auf
einen gültigen Wert oder eine gültige Eingabe referenzieren.701 Gibt es diesen
Wert nicht, dann kann der Smart Contract auch nichts automatisch abwickeln.
Diese Ansicht unterliegt jedoch einer Einschränkung: Wird bspw. ein Token
eingesetzt, der einen Wert repräsentiert, den es tatsächlich nicht gibt, dieser
Token aber gültig in der Blockchain transferierbar ist, dann ist die Ausführung
eines Smart Contract mit einem unmöglichen Vertragsinhalt möglich.702
Die Folge eines unmöglichen Vertragsinhalts ist auch bei Smart Contracts die
Nichtigkeit des Vertrages gem. Art. 20 OR. In diesem Zusammenhang ist die
Nichtigkeit des Smart Contract aus einer praktischen Sicht in den Fällen nicht
problematisch, wo keine Transaktion stattgefunden hat (vgl. N 355 ff.).
699 Vgl. WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart
Contracts, N 19. 700 Siehe auch MEYER/SCHUPPLI, Smart Contracts, 221. 701 WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart
Contracts, N 18. 702 Vgl. WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart
Contracts, N 19.
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Leistungsstörungen
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b) Nachträgliche Unmöglichkeit
Bei der nachträglichen Unmöglichkeit verhält es sich ähnlich wie bei der
ursprünglichen Unmöglichkeit. Sie ist je nach Konstellation mit Hilfe von
Smart Contracts vermeidbar. Der Smart Contract kann den Vertrag nicht
automatisch abwickeln, wenn die referenzierten Daten oder Werte nicht mehr
gültig sind oder nicht (mehr) existieren. Die Daten können nur dann nicht mehr
gültig sein oder nicht mehr existieren, wenn sie sich nicht auf der Blockchain
befinden oder aber auf der Blockchain gespeichert sind, tatsächlich jedoch
nicht das repräsentieren, was sie vorzugeben scheinen. Dabei ist es
unbeachtlich, ob es sich um eine nachträgliche objektive oder subjektive
Unmöglichkeit handelt, da der Smart Contract diesbezüglich keinen
Unterschied machen kann.
c) Objektive und subjektive Leistungsunmöglichkeit
Für die Vertragsabwicklung mit einen Smart Contract ergibt es keinen
Unterschied, ob eine objektive oder subjektive Leistungsunmöglichkeit
vorliegt. Entweder kann der Vertrag automatisch abgewickelt werden – oder
eben nicht. Ist der Wert zum vorgegebenen Zeitpunkt vorhanden, dann wird
die Transaktion durch den Smart Contract automatisch gemäss den
vorgegebenen Regeln ausgeführt. Ist der Wert eine auf einer Blockchain
abgespeicherte Referenz, kann diese (theoretisch) nicht ungültig werden, da
einmal in die Blockchain aufgenommene Transaktionen nicht mehr abänderbar
sind (vgl. N 27).
d) Unverschuldete und verschuldete Leistungsunmöglichkeit
Die Frage, wer über die Schuldhaftigkeit bei einer Unmöglichkeit zu befinden
hat und die Berechnung der daraus resultierenden Schadenersatzfolgen
vornimmt, kann mit einem Smart Contract nicht beantwortet werden. Eine
Ausnahme stellt höchstens der Fall dar, dass im Rahmen der
Vertragsautonomie sämtliche Haftungs- und Schadenersatzansprüche
vertraglich wegbedungen oder Alternativleistungen vorgesehen wurden.703 In
703 Vgl. AEPPLI, ZK OR I, Art. 119 N 89; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2539; WIEGAND, BSK OR I, Art. 119 N 10.
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Leistungsstörungen
184
der Lehre wird verschiedentlich vorgeschlagen, dass hierfür programmierte
Schiedsstellen eingerichtet werden, die korrigierend eingreifen können.704
II. Positive Vertragsverletzung
Der Tatbestand von Art. 97 Abs. 1 OR erfasst nach dem Wortlaut nur die
nachträgliche Leistungsunmöglichkeit (die Schuldnerin erfüllt ihre
Leistungspflicht nicht oder nicht gehörig), der Anwendungsbereich wurde
jedoch von Lehre und Rechtsprechung erweitert und unter dem Begriff der
positiven Vertragsverletzung zusammengefasst.705 Der Begriff der positiven
Vertragsverletzung umfasst auch die Schlechtleistung, Verletzung von
Nebenpflichten, den antizipierten Vertragsbruch sowie die Verletzung einer
Unterlassungspflicht.706
1. Allgemeine Regeln
Eine Schlechtleistung liegt vor, wenn die Schuldnerin den Vertrag erfüllt, diese
Erfüllung jedoch nicht vertragskonform ist.707 Die Schlechtleistung ist eine
Verletzung der vertraglichen Hauptpflicht.708 Das Verhältnis von Art. 97
Abs. 1 OR zu den Regeln im Besonderen Teil wird vom Bundesgericht
704 KAULARTZ/HECKMANN, Smart Contract, N 624; ROON, Schlichtung und
Blockchain, 363; WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen
bei Smart Contracts, N 28. 705 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1741; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2616; SCHWENZER, OR AT, N 67.01. 706 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2483;
SCHWENZER, OR AT, N 67.01. 707 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2627; SCHWENZER,
OR AT, N 67.03. 708 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2627; SCHWENZER,
OR AT, N 67.04 f.
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Leistungsstörungen
185
unterschiedlich beantwortet; je nachdem besteht zwischen den Regelungen
eine Alternativität.709
Ebenfalls zur positiven Vertragsverletzung gehört die Verletzung einer
Nebenpflicht. Nebenpflichten eines Vertrages sind nicht eigenständig
einklagbar (ausser es handelt sich um eine Nebenleistungspflicht).710 Eine
Verletzung derselben kann jedoch unter Art. 97 Abs. 1 OR geltend gemacht
werden;711 ihre Verletzung ist nicht isoliert zu betrachten, sondern kann
Einfluss auf die gehörige Erbringung der Hauptleistung haben.712 Die
Nebenpflichten können vertraglich vereinbart, direkt aus dem Gesetz abgeleitet
oder aber durch die Lehre und Rechtsprechung entwickelt werden (bspw.
Verhaltenspflichten: Obhuts- und Schutzpflichten, Informations- und
Aufklärungspflichten, Verschaffungs- und Mitwirkungspflichten).713
Der antizipierte Vertragsbruch (Verletzung der Pflicht der Parteien, alle
Handlungen zu unterlassen, welche geeignet sind, den Vertragszweck zu
gefährden oder zu vereiteln) wird den positiven Vertragsverletzungen
zugeordnet.714 Dabei werden jedoch die Verzugsregeln von Art. 107 ff. OR
analog oder direkt angewendet.715
709 Zu den einzelnen Vertragsverhältnissen vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2629 ff. 710 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2638 f.;
SCHWENZER, OR AT, N 68.05 (Erfüllung von leistungsbezogenen
Nebenpflichten u.U. selbständig erzwingbar); WIEGAND, BSK OR I,
Art. 97 N 32 (erzwingbar, wenn es sich um eine Nebenleistungspflicht
handelt). 711 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2638; SCHWENZER,
OR AT, N 68.05. 712 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1756. 713 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2643 ff.; vgl.
BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1756 f. 714 SCHWENZER, OR AT, N 97.09; WEBER, BK OR, Art. 97 N 59;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2651. 715 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1662, 1692; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2651.
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Leistungsstörungen
186
Die Verletzung einer Unterlassungspflicht (Art. 98 Abs. 2 OR), welche auch
zu den positiven Vertragsverletzungen zählt, kann aus einer ausdrücklichen
Vereinbarung oder auch stillschweigend entstehen.716 Sie kann sich mit der
Schlechtleistung überschneiden und führt nicht immer zu einer
Leistungsunmöglichkeit, weshalb sie zu den positiven Vertragsverletzungen
hinzugerechnet wird.717
2. Positive Vertragsverletzung bei Smart Contracts
Ist die zu erbringende Leistung der Schuldnerin mit vordefinierbaren
Parametern im Code hinterlegt, überprüft der Smart Contract die Einhaltung
dieser Parameter vor der Vertragsabwicklung. Somit sollte eine
Schlechtleistung rechtzeitig erkannt und der Vertrag nicht abgewickelt werden.
Ist z.B. eine gewisse Menge oder eine gewisse Qualität vereinbart und meldet
das Orakel nicht die Bestätigung der Menge oder Qualität, dann wird der Smart
Contract nicht ausgeführt. Die Schuldnerin kann durch diese Nichtausführung
des Vertrages aber in Verzug geraten (vgl. nachfolgend N 476 ff.).
Die Verletzung einer Nebenpflicht, ein antizipierter Vertragsbruch oder die
Verletzung einer Unterlassungspflicht kann mit der Hilfe eines Smart Contract
nicht grundsätzlich verhindert werden, da menschliches Verhalten nicht
abschliessend voraussehbar und somit auch nicht mit Hilfe von Programmlogik
abbildbar ist. Um die automatische Abwicklung eines Smart Contract zu
behindern, muss das menschliche Verhalten jedoch dort einen Einfluss auf die
Vertragsabwicklung haben, wo die Computerlogik eine Abweichung vom
ursprünglich Vereinbarten nicht verifizieren, resp. nicht bemerken kann.
716 WIEGAND, BSK OR I, Art. 98 N 9. 717 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1644; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2652.
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Leistungsstörungen
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Eine positive Vertragsverletzung kann demnach auch bei Smart Contracts nicht
gänzlich ausgeschlossen werden, doch sollte sie zumindest im Regelfall nicht
eintreffen.718
III. Spätleistung
Eine Spätleistung kann aus einem Schuldnerverzug oder aus einem
Gläubigerverzug resultieren. Beim Einsatz von Smart Contracts sind
Leistungsverzögerungen aufgrund der Abhängigkeit der Rechenleistung vom
gesamten Netzwerk zu bedenken, da die Transaktionsgeschwindigkeit je nach
verwendetem Netzwerk sehr unterschiedlich ist.719
1. Allgemeine Regeln
Schuldnerverzug liegt im Gegensatz zur Unmöglichkeit dann vor, wenn trotz
der Möglichkeit der Leistung nicht geleistet wird.720 Voraussetzungen des
Schuldnerverzugs sind gem. Art. 102 OR Fälligkeit und Mahnung (oder ein
bestimmter Verfalltag).721 Fälligkeit bedeutet, dass die Schuldnerin die
718 Vgl. WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart
Contracts, N 20. 719 Bei der Ethereum-Blockchain bspw. beträgt die
Transaktionsgeschwindigkeit 10-20 Transaktionen pro Sekunde; bei der
Bitcoin-Blockchain beträgt sie drei pro Sekunde. Zum Vergleich: VISA
kann ca. 47'000 Transaktionen pro Sekunde abwickeln (PLOOM,
Blockchains, 123 f.). Von der Transaktionsgeschwindigkeit ist die
Blockbildung durch die Miner zu unterscheiden. Bei der Ethereum-
Blockchain wird ca. alle 12 Sekunden ein neuer Block gebildet, bei der
Bitcoin-Blockchain dauert dies zehn Minuten (PLOOM, Blockchains, 146). 720 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2658; SCHWENZER,
OR AT, N 65.02. 721 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1650; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2659 f; WEBER, BK OR, Art. 102 N 50, 53;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 102 N 3.
475
476
Leistungsstörungen
188
Leistung erbringen muss; der Zeitpunkt ergibt sich aus dem Vertrag, den
Umständen oder aus dem Gesetz.722 Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs sind
in Art. 103-109 OR geregelt. Überdies besteht ab Eintritt der Fälligkeit
grundsätzlich die Klagemöglichkeit der Gläubigerin auf Erfüllung des
Vertrages.723 Die Schuldnerin schuldet im Falle eines Schuldnerverzuges
Ersatz des Verspätungsschadens (Art. 103 Abs. 1 OR, Art. 106 Abs. 1 OR),
Haftung für Zufall (Art. 103 Abs. 1 OR) sowie Verzugszinsen bei
Geldschulden (Art. 104 Abs. 1 OR).724 Bei synallagmatischen Verträgen725
steht nach Art. 107 Abs. 2 OR der Gläubigerin ein Wahlrecht zu; sie kann auf
die Erfüllung beharren und zusätzlich Verzugsschaden geltend machen,
Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrag
zurücktreten.726
Ein Gläubigerverzug ist keine Vertragsverletzung, sondern eine Verletzung
einer Obliegenheit, weshalb ein Verschulden der Gläubigerin auch nicht
vorausgesetzt ist.727 Liegt ein Gläubigerverzug vor, dann schliesst das einen
Schuldnerverzug aus.728 Eine Gläubigerin kommt gem. Art. 91 OR dann in
722 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1653 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 65.02 f; vgl. WEBER, BK OR, Art. 102 N 54. 723 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1665; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2667. 724 Vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1665; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2667 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 66.02 ff. 725 Nach h.L. auch dann, wenn die Schuldnerin mit einer wesentlichen
Vertragspflicht in Verzug kommt, vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht,
N 1683. 726 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1684; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
EMMENEGGER, OR AT, N 2702; SCHWENZER, OR AT, N 66.23 ff.;
THÉVENOZ, CR CO I, Art. 107 N 26 ff.; WIEGAND, BSK OR I, Art. 107
N 3, 13 ff. 727 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1283, 1288; BERNET, BSK OR I,
Art. 91 N 13; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2430;
SCHWENZER, OR AT, N 69.10. 728 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2664; SCHWENZER,
OR AT, N 65.03.
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Leistungsstörungen
189
Verzug, wenn sie die gehörig angebotene Leistung der Schuldnerin in
ungerechtfertigter Weise verweigert.729 Bei einem Gläubigerverzug haftet die
Gläubigerin für den Zufall, schuldet der Schuldnerin Ersatz für allfällige
Mehraufwendungen bei Hinterlegung (vgl. Art. 92 OR) und kann die Einrede
des nicht erfüllten Vertrages gem. Art. 82 OR der Schuldnerin nicht
entgegenhalten.730 Der Schuldnerin steht es überdies zu, den Leistungs-
gegenstand zu verwerten (Art. 93 OR) oder vom Vertrag zurückzutreten
(Art. 95).731
2. Spätleistung bei Smart Contracts
Spätleistungen sollten beim Einsatz von Smart Contracts grundsätzlich nicht
auftreten, da insbesondere bei synallagmatischen Verträgen Leistung und
Gegenleistung in Abhängigkeit voneinander ausgetauscht, resp. durch den
Smart Contract zeitgleich ausgeführt werden.732
Wenn jedoch ein Fall der Schlechtleistung vorliegt (z.B. fehlende Qualität einer
Ware, die mittels Sensoren überprüfbar ist und direkt dem Smart Contract
gemeldet wird (vgl. hiervor N 472), und der Smart Contract aufgrund dessen
die Vertragsabwicklung nicht durchführt (resp. nicht durchführen kann), dann
könnte dennoch ein Fall der Spätleistung vorliegen.
729 Die Schuldnerin muss die Leistung in sachlicher, persönlicher, örtlicher
und zeitlicher Hinsicht korrekt und frei von Bedingungen anbieten sowie
die Gläubigerin zur Annahme auffordern, vgl. BERGER, Allgemeines
Schuldrecht, N 1289 ff.; BERNET, BSK OR I, Art. 91 N 3 ff. 730 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1301 ff.; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2434 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 70.03 ff. 731 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1308 ff.; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 2451 ff.; SCHWENZER, OR AT,
N 70.09 ff. 732 WEBER, Leistungsstörungen und Rechtsdurchsetzungen bei Smart
Contracts, N 20.
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Leistungsstörungen
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IV. Fazit
Leistungsstörungen sind ein äusserst komplexes Thema. Mit dem Einsatz von
Smart Contracts könnten Leistungsstörungen, insbesondere wo virtuelle Güter
ausgetauscht werden, teilweise vermieden werden.
Prinzipiell ist zu unterscheiden, ob der Smart Contract auf Daten referenziert,
die in der Blockchain gespeichert sind und so grundsätzlich vorhanden und
nach der internen Logik der Blockchain gültig sind oder ob auf externe Daten
zugegriffen wird. Sofern sich die vertraglichen Abmachungen allesamt auf
Daten beziehen, die auf einer Blockchain abrufbar sind, können
Leistungsstörungen grundsätzlich vermieden werden.
Sobald aber das Gefüge der Blockchain verlassen und auf Daten ausserhalb
(virtuell oder reell) verwiesen wird, besteht die Gefahr, dass eine
Leistungsstörung trotz automatisierter Vertragsabwicklung eintreten kann.
Dies betrifft insbesondere die Unmöglichkeit einer Leistung, die durch einen
an sich gültig transferierbaren Token ausgelöst wird, der einen nicht
vorhandenen oder nicht gültigen Wert repräsentiert. Schlechtleistungen können
vermieden werden, wenn die vertragliche Leistung mit messbaren Parametern
durch den Smart Contract überprüfbar ist. Führt ein Smart Contract aufgrund
der Nichterfüllung der erforderlichen Parameter einen Vertrag nicht aus, dann
kann dies einen Schuldnerverzug auslösen. Möglich ist eine Leistungsstörung
auch aufgrund der Verletzung einer Verhaltenspflicht, da menschliches
Verhalten von Programmlogik nicht erfassbar ist.
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481
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Gewährleistung und Haftung
191
E. Gewährleistung und Haftung
Es sind verschiedene Konstellationen denkbar, in denen Gewährleistung und
Haftung im Zusammenhang mit Smart Contracts eine Rolle spielen können.
Erstens können sich Gewährleistungs- und Haftungsfragen direkt aus dem
Grundverhältnis der Vertragsparteien ergeben. Hierauf wird nachfolgend nicht
näher eingegangen, da die Fragen jeweils anhand des konkreten
Vertragsverhältnisses beurteilt werden müssen.
Zweitens stellen sich Gewährleistungs- und oder Haftungsfragen, wenn ein
Smart Contract fehlerhaft programmiert ist (einen sog. Bug733 enthält) und
dadurch allenfalls ein Schaden entsteht. Es ist zu prüfen, ob der
Softwareentwickler dafür einzustehen hat.
Drittens besteht die Möglichkeit, dass ein Schaden durch eine falsche
Anwendung des Smart Contract durch eine der Parteien entsteht. Dies wäre
beispielsweise dann der Fall, wenn die fehlerlose, vorprogrammierte Software
durch die Parteien mit falschen Informationen bestückt wird und dadurch ein
Schaden entsteht. Der Schaden kann dabei direkt bei einer Vertragspartei oder
auch bei einem Dritten eintreten.
I. Fehler in der Software (Bug)
In der Praxis sehr häufig sind Fehler im Code eines Smart Contract, die in der
Folge teilweise Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe verursachen.
Wird durch einen Fehler im Quellcode eines Smart Contract ein Schaden
verursacht, dann stellt sich die Frage, wer diesen zu verantworten hat. Smart
Contracts stehen in aller Regel unter einer OSS-Lizenz (vgl. N 108 ff.). Es
besteht auch die Möglichkeit, dass ein Smart Contract proprietär für eine Partei
733 Im Zusammenhang mit Software und Computern wird der Begriff Bug zur
Bezeichnung von Fehlern verwendet. Diese Begrifflichkeit stammt
angeblich aus den Zeiten, als noch Röhrenrechner im Einsatz waren und
Wanzen (oder Motten) in den Schaltkreisen für Rechenausfälle sorgten
(vgl. HEROLD/LURZ/WOHLRAB/HOPF, Grundlagen der Informatik, 142.
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Gewährleistung und Haftung
192
entwickelt worden ist (vgl. N 121). In der Folge wird untersucht, wem
gegenüber im Fall von fehlerhaft programmierter Software Haftungsansprüche
geltend gemacht werden können.
1. Vertragliche Gewährleistung und Haftung
Es ist zu unterscheiden, ob der Smart Contract unter einer OSS-Lizenz
vertrieben oder aufgrund eines Softwarevertrages proprietär entwickelt wurde.
a) OSS-Lizenz
OSS-Lizenzen enthalten in der Regel umfassende Haftungs- und
Gewährleistungsausschlüsse. Es sind jeweils die entsprechenden
Lizenzbestimmungen zu prüfen. Der Smart Contract von Ethereum ist unter
der GNU-GPL-3.0 veröffentlicht, der Chaincode von Hyperledger unter
Apache-Lizenz 2.0. Es ist hierbei zu beachten, dass Smart Contracts laufend
weiterentwickelt werden und bei jedem einzelnen initiierten Smart Contract zu
prüfen ist, ob und falls ja, unter welcher OSS-Lizenz er vertrieben wurde.
Grundsätzlich enthalten die GNU-GPL-3.0 und die Apache-Lizenz 2.0
umfassende Haftungs- und Gewährleistungsausschlüsse.734 Zudem enthält die
GNU-GPL-3.0 eine Klausel, nach der das am weitest gehende Haftungs- und
Gewährleistungsausschlussrecht zur Anwendung gelangt, sollten unter dem
anwendbaren Recht die Gewährleistungs- und Haftungsausschlussklauseln
nicht gültig sein. Ob Gewähr- und Haftungsfreizeichnungsklauseln nach
Schweizer Recht erlaubt sind, ist je nach Vertragsverhältnis zu entscheiden.
Wird den allgemeinen Regeln des Obligationenrechts gefolgt, dann sind
Haftungsfreizeichnungsklauseln grundsätzlich zulässig, mit Ausnahme des
Ausschlusses von Absicht und grober Fahrlässigkeit (Art. 100 Abs. 1 OR),735
sowie dem Ausschluss bestimmter Vertragsverhältnisse (Art. 100 Abs. 2
734 Vgl. Ziff. 15 und 15 GNU-GPL-3.0 sowie Ziff. 8 und 9 Apache-Lizenz
2.0; vgl. Kapitel C. II., N 108 ff. 735 THÉVENOZ, CR CO I, Art. 100 N 15, 21; WIEGAND, BSK OR I, Art. 100
N 4.
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489
490
Gewährleistung und Haftung
193
und 3).736 Ob eine umfassende Freizeichnungsklausel auf das erlaubte Mass
reduziert wird oder gänzlich ungültig ist, ist in der Lehre umstritten, wobei
mehrheitlich die Reduktion der Haftungsbeschränkung auf das erlaubte Mass
befürwortet wird.737
Wie im ersten Teil der Arbeit ausgeführt, wird vorliegend davon ausgegangen,
dass es sich bei einer OSS-Lizenz um einen unentgeltlichen
Softwarelizenzvertrag handelt, bei dem die Grundsätze für den
Softwarelizenzvertrag sowie die allgemeinen Grundsätze des
Obligationenrechts anzuwenden sind (N 149).
Die Haftungsfreizeichnungsklauseln in den vorerwähnten OSS-Lizenzen
würden demgemäss nach den Regeln des OR AT beurteilt. Die
Freizeichnungsklauseln wären grundsätzlich gültig, aber nach h.L. bliebe die
Haftung gem. Art. 100 Abs. 1 OR für Absicht oder grobe Fahrlässigkeit
bestehen.738 Das gleiche Ergebnis ergibt sich auch dann, wenn der
Lehrmeinung gefolgt wird, die bei OSS-Lizenzverträgen für die Anwendung
von Schenkungsrecht (Art. 248 Abs. 1 OR) plädiert (N 138).
Auch ein Gewährleistungsausschluss ist grundsätzlich möglich; es sind jedoch
auch hier je nach Qualifikation des Vertrages die entsprechenden
Sondervorschriften zu beachten. So ist bspw. ein Gewährleistungsausschluss
bei Kaufverträgen möglich, jedoch nicht im Fall von arglistigem Verschweigen
von Mängeln (vgl. Art. 199 OR).739 Vorliegend kommt allerdings kein
Kaufvertragsrecht zur Anwendung. Wird der Lehre zur Anwendung von
736 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3090 ff.;
SCHWENZER, OR AT, N 24.10 ff.; THÉVENOZ, CR CO I, Art. 100 N 25 ff.;
WIEGAND, BSK OR I, Art. 100 N 8 ff. 737 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3082 (geltungs-
erhaltende Reduktion); SCHWENZER, OR AT, N 24.08 (Ungültigkeit der
Klausel, umfassende Haftung, auch für leichte Fahrlässigkeit);
THÉVENOZ, CR CO I, Art. 100 N 21 (geltungserhaltende Reduktion);
WIEGAND, BSK OR I, Art. 100 N 4 (geltungserhaltende Reduktion). 738 Siehe FN 737. 739 Vgl. HONSELL, BSK OR I, Art. 199 N 7 f.; zum Verhältnis von Art. 100
zu 199 OR siehe GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT,
N 3086; THÉVENOZ, CR CO I, Art. 100 N 32.
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Gewährleistung und Haftung
194
Schenkungsrecht bei OSS-Lizenzverträgen gefolgt, gilt die Gewähr nur dann,
wenn sie versprochen wurde (vgl. Art. 248 OR).740
Kann keine OSS-Lizenz eruiert werden und besteht zwischen dem Entwickler
und dem Nutzer der fehlerhaften Software kein vertragliches Verhältnis, bleibt
zu klären, ob der Softwareentwickler aufgrund des Deliktsrechts haftbar sein
könnte (vgl. nachfolgend N 496 ff.). Das Vorliegen eines OSS-
Lizenzvertragsverhältnisses wird wohl in der Regel nicht anzunehmen sein, da
dieses erst dann zustande kommen kann, wenn die Nutzung über den
bestimmungsgemässen Gebrauch hinaus geht (N 129).
b) Übrige Softwareverträge
Wurde der Smart Contract für eine Partei entwickelt und ein Softwarevertrag
abgeschlossen, dann richten sich die Gewähr- und Haftungsfragen nach diesem
Vertrag. Grundsätzlich gilt auch hier, dass als Voraussetzung für die
vertragliche Haftung seitens des Softwareentwicklers ein Schaden, ein
Verschulden sowie ein Kausalzusammenhang vorliegen muss.741
740 VOGT/VOGT, BSK OR I, Art. 248 N 3; WEBER, Open Source Software,
89. 741 Ausführlich zur Haftung bei Softwareverträgen FISS, Haftung für
fehlerhafte Software, 34 ff.; FRÖHLICH-BLEULER, Softwareverträge,
N 1205 ff.
494
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Gewährleistung und Haftung
195
2. Deliktische Haftung
Die bereits mehrfach erwähnten OSS-Lizenzen enthalten meist
Haftungsfreizeichnungsklauseln, welche sich explizit auch auf die
ausservertragliche Haftung beziehen (bspw. Ziff. 16 GNU-GPL-3.0 sowie Ziff.
8 Apache-Lizenz 2.0).
Eine deliktische Haftung kann sich aus einem Verschulden (Art. 41 Abs. 1 OR)
oder aus einer Kausalhaftung (z.B. Geschäftsherrenhaftung oder
Produktehaftpflichtgesetz742) ergeben.743
a) Verschuldenshaftung nach Art. 41 ff. OR
Die ausservertragliche Haftung nach Art. 41 OR ist eine Verschuldenshaftung;
sie greift also nur, wenn der Schädiger vorsätzlich oder fahrlässig handelt.744
Gegenüber spezialgesetzlichen Regelungen tritt die Haftung nach Art. 41 OR
zurück.745 Voraussetzung für die Haftung nach Art. 41 OR ist ein Schaden,
Widerrechtlichkeit, ein Verschulden sowie ein Kausalzusammenhang.746 Reine
Vermögensschäden werden durch die Haftung aus Art. 41 Abs. 1 OR nicht
geschützt, ausser es wird gegen eine entsprechende Schutznorm verstossen.747
Die h.L. wie auch das Bundesgericht gehen davon aus, dass sich eine
vertragliche Freizeichnungsklausel auch auf die deliktische Haftung
auswirkt.748 Steht ein Smart Contract mit einer fehlerhaften Programmierung
also unter einer OSS-Lizenz, die eine Haftungsfreizeichnungsklausel enthält,
dann kann sich diese Freizeichnung auch für die deliktische Haftung
742 Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz,
PrHG) vom 18. Juni 1993, SR 221.112.944. 743 BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N1840, 1887. 744 KESSLER, BSK OR I, Art. 41 N 1; SCHWENZER, OR AT, N 49.07. 745 KESSLER, BSK OR I, Art. 41 N 1a. 746 KESSLER, BSK OR I, Art. 41 N 2c; SCHWENZER, OR AT, N 50.01;
BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1840. 747 Vgl. BERGER, Allgemeines Schutzrecht, N 1843, KESSLER, BSK OR I,
Art. 41 N 13. 748 BGE 120 II 58 E. 3 S. 61; KESSLER, BSK OR I, Art. 41 N 2; SCHWENZER,
OR AT, N 5.05; WERRO, CR CO I, Intro. Art.41-61, N 10.
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Gewährleistung und Haftung
196
auswirken. Die praktischen Auswirkungen der vertraglichen
Freizeichnungsklauseln auf eine allfällige deliktische Haftung sind jedoch
fraglich. Es ist anhand des Einzelfalls zu entscheiden, ob der Fehler in der
Software absichtlich oder fahrlässig passiert ist und so allenfalls eine
deliktische Haftung begründet werden kann. Daneben muss aber auch der
Schaden, die Widerrechtlichkeit, sowie die Kausalität nachgewiesen werden
(N 498). Bei allfälligen Schäden aus einem fehlerhaft programmierten Smart
Contract dürften reine Vermögensschäden die Regel sein; hierzu müsste durch
den Softwareentwickler eine entsprechende Schutznorm verletzt worden sein
(vgl. N 498).
Wird der Lehrmeinung gefolgt, die bei einer OSS-Lizenz Schenkungsrecht
analog anwendet (vgl. N 138), ist fraglich, ob die Freizeichnungsklausel, resp.
die Haftungsmilderung in Art. 248 Abs. 1 OR auch auf das Deliktsrecht
anwendbar ist. WEBER schlägt diesbezüglich eine differenzierte
Vorgehensweise vor: Eine gänzliche Freizeichnung des Schenkers von der
deliktischen Haftung könne nicht angenommen werden, jedoch sei eine
Haftungsreduktion gem. Art. 99 Abs. 2 bzw. Art. 43/33 OR aufgrund der
Freigiebigkeit des Schenkers angezeigt.749
b) Geschäftsherrenhaftung
Im Gegensatz zu Hilfspersonenhaftung (vgl. N 188) bezieht sich die
Geschäftsherrenhaftung auf Handlungen der Hilfsperson, die sich im
ausservertraglichen Bereich abspielen; es handelt sich um eine Haftung für
unerlaubte Handlungen der Hilfsperson.750 Verlangt wird für die Haftung nach
Art. 55 OR nebst Schaden und Kausalität auch der Nachweis der
Widerrechtlichkeit.751 Beim Exzeptionsbeweis muss der Geschäftsherr
749 WEBER, Open Source Software, 90. 750 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 3072; KESSLER,
BSK OR I, Art. 55 N 1; SCHWENZER, OR AT, N 23.12. 751 SCHWENZER, OR AT, N 23.14, vgl. BERGER, Allgemeines Schuldrecht,
N 1892.
500
501
Gewährleistung und Haftung
197
nachweisen, dass er die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet
hat, um den tatsächlichen Schaden zu verhüten.752
Die Hilfsperson ist eine dem Geschäftsherrn hierarchisch untergeordnete
Person.753 Dabei wird von natürlichen Personen ausgegangen. Ein durch einen
Smart Contract ausservertraglich verursachter Schaden kann folglich nicht als
Hilfsperson des Geschäftsherrn subsumiert werden, da dem Smart Contract als
Software keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt (vgl. N 239).
c) Produktehaftung
Das Produktehaftpflichtgesetz (PrHG) regelt die Ansprüche für Schäden durch
ein fehlerhaftes Produkt. Darunter fallen Personenschäden oder Sachschäden
an Gegenständen zum privaten Gebrauch (Art. 1 PrHG). Reine
Vermögensschäden werden durch das PrHG jedoch nicht gedeckt.754 Zwischen
Ansprüchen aus dem Produktehaftpflichtgesetz und Art. 55 OR besteht
Anspruchskonkurrenz; Art. 55 OR kommt grundsätzlich dann zur Anwendung,
wenn das PrHG Schutzlücken aufweist (bspw. bei Schäden am Produkt
selbst).755
Ein Produkt nach Art. 3 PrHG ist grundsätzlich eine bewegliche, körperliche
Sache. Vorab ist dabei an bewegliche Sachen (Konsumgüter jeder Art) zu
denken, die von Menschen hergestellt und in Verkehr gesetzt wurden.756 Keine
Produkte im Sinne des PrHG sind Dienstleistungen.757 Es herrscht keine
abschliessende Einigkeit darüber, ob geistige Leistungen eine gewisse
Körperlichkeit erlangen müssen, um als Produkte qualifiziert zu werden. Und
auch bei der Erlangung einer gewissen Körperlichkeit besteht überdies keine
Einigung darüber, ob ein allfälliger Schaden sich aus der Verkörperung der
geistigen Leistung ergeben muss oder ob die Verkörperung und dessen Inhalt
752 KESSLER, BSK OR I, Art. 55 N 16; SCHWENZER, OR AT, N 23.22;
BERGER, Allgemeines Schuldrecht, N 1894. 753 KESSLER, BSK OR I, Art. 55 N 7; BERGER, Allgemeines Schuldrecht,
N 1891. 754 FELLMANN, BSK OR I, Art. 1 PrHG N 2; SCHWENZER, OR AT, N 53.40. 755 KESSLER, BSK OR I, Art. 55 N 3a. 756 FELLMANN, BSK OR I, Art. 3 PrHG N 3; HESS, SHK PrHG, Art. 3 N 757 HESS, SHK PrHG, Art. 3 N 24.
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Gewährleistung und Haftung
198
sich nicht trennen lassen.758 Diese Diskussion lässt sich auch auf die
Qualifizierung von Software als Produkt übertragen. Hier herrscht ebenfalls
keine Einigkeit darüber, ob Software ohne die Einbettung in ein Gerät für sich
selbst ein Produkt gem. PrHG darstellt.759 FELLMANN differenziert danach, ob
es sich um eine Standard-Software oder um eine Individual-Software handelt.
Bei letzterer überwiege der Dienstleistungscharakter und daher sei zumindest
Individual-Software nicht als Produkt zu qualifizieren.760 Eine Standard-
Software, die auf einer „Diskette“ erworben werde, stelle ein Produkt im Sinne
von Art. 3 Abs. 1 lit. a PrHG dar.761
Um unter das PrHG zu fallen, müssten Smart Contracts in einem ersten Schritt
als Produkt qualifiziert werden. Da Smart Contracts, wie vorhergehend
ausgeführt, nicht als körperliche Sache, sondern als Software zu klassifizieren
sind (N 239) und nicht auf Datenträgern verkörpert oder fest in Geräte
(Hardware) eingebettet sind, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich des
Produktehaftpflichtgesetzes.762
758 FELLMANN, BSK OR I, Art. 3 PRHG N 9. 759 FELLMANN, BSK OR I, Art. 3 PrHG N 10; HESS, SHK PrHG, Art. 3 N 31. 760 FELLMANN, BSK OR I, Art. 3 PrHG N 10. 761 FELLMANN, BSK OR I, Art. 3 PrHG N 10; a.A. HESS, SHK PrHG, Art. 3
N 34. 762 Sollte sich in der aktuellen Diskussion um die rechtliche Einordnung von
Daten, insbesondere auch im Zusammenhang mit Daten auf der
Blockchain (bspw. Token) die Meinung durchsetzen, dass Daten wie
Sachen zu behandeln seien, dann wäre zu prüfen, ob Software, die nicht
fest mit Geräten verbunden ist, ebenfalls als Sache zu behandeln wäre und
eine analoge Anwendung des PrHG angebracht sein könnte (ablehnend zu
Open Source Software unter PrHG LAUX/WIDMER, Produkthaftung, 499
ff.; zu Daten als Sache siehe ECKERT, Besitz und Eigentum an digitalen
Daten, 246 ff.; ECKERT, digitale Daten als Sache, 265 ff.; GRAHAM-
SIEGENTHALER/FURRER, Blockchain Technology and Bitcoin, N 45 ff.).
505
Gewährleistung und Haftung
199
II. Fehlerhafte Anwendung des Smart
Contract
Kommt ein Schaden nicht durch einen Fehler in der Software selbst, sondern
durch eine fehlerhafte Anwendung derselben zustanden, ist zu prüfen, ob die
fehlhafte Anwendung einer Partei direkt zugerechnet werden kann. Eine
fehlerhafte Anwendung eines Smart Contract kann sich – soweit ersichtlich –
nur in einem Fall manifestieren: Eine der Vertragsparteien passt einen
standardisierten Smart Contract den vertragsgemässen Vereinbarungen an (d.h.
individualisiert den Smart Contract) und dabei passiert ein (Eingabe- oder
Bedienungs-) Fehler. Resultiert aus diesem Fehler ein Schaden bei einer der
Vertragsparteien, dann ist zu prüfen, ob es sich bei der Individualisierung des
Smart Contract um eine vertragliche Pflicht gehandelt hat und welche
Ansprüche aus dem Vertrag abgeleitet werden können. Resultiert ein Schaden
bei einem Dritten, dann steht dem Dritten allenfalls ein Anspruch aus
Deliktshaftung zu.
1. Vertragliche Haftung
Das Aufsetzen oder Anpassen eines Smart Contract kann sich aus einer
vertraglichen Verpflichtung ergeben; die Folge der fehlerhaften Anwendung
könnte sich in einer Leistungsstörung, resp. einem Schaden für eine der
Vertragsparteien manifestieren. Auf eine Prüfung, ob einem Smart Contract
eine Hilfspersonenstellung zukommt, kann aufgrund der fehlenden
Rechtspersönlichkeit eines Smart Contract verzichtet werden. Dies entspricht
auch der h.L, nach der auch Maschinen, Apparaten und Tieren (sowie
intelligenten Robotern763) eine Hilfspersonenstellung abgesprochen wird.764
763 Intelligente Roboter sind nichts anderes als Software, die je nach
gewünschter Funktionalität in einem Gehäuse verbaut oder mit einem
solchen verbunden ist: vgl. LOHMANN, Roboter, 154 f., 159 ff. 764 WIEGAND, BSK OR I, Art. 101 N 9.
506
507
Gewährleistung und Haftung
200
Wird vertraglich vereinbart, dass eine der beteiligten Parteien den Smart
Contract für die Vertragsabwicklung aufsetzt, dann ist im Einzelfall zu prüfen,
ob dies ein wesentlicher Vertragsbestandteil oder eine Nebenpflicht des
Vertrages war. Wird das Grundgeschäft direkt als Smart Contract aufgesetzt,
dann kann die Annahme getroffen werden, dass die Programmierung oder die
Individualisierung eines (Standard-) Smart Contract einen wesentlichen
Vertragspunkt darstellt. Die Folge der Verletzung eines wesentlichen Vertrags-
bestandteils richtet sich nach der daraus resultierenden Leistungsstörung (vgl.
vorhergehend N 446 ff.).
Aber auch wenn das fehlerhafte Aufsetzen des Smart Contract durch eine der
Vertragsparteien lediglich die Verletzung einer Nebenpflicht darstellt, stellt
dies eine positive Vertragsverletzung dar und kann Schadenersatzansprüche
auslösen (vgl. N 467 ff.).
Hat der Fehler einen Einfluss auf die geschuldete Leistung i.S. einer
Schlechtleistung, dann entscheiden sich die allfälligen Gewährleistungsrechte
nach dem Grundgeschäft zwischen den Parteien. Hier ist jedoch zu prüfen, ob
der Fehler einen Einfluss auf die Schlechtleistung derjenigen Partei hat, die den
Smart Contract fehlerhaft angewendet hat oder auf die Leistung der anderen
Partei, da im letzten Fall ein Verschulden der Partei entfällt. Gleiches gilt für
einen allfälligen Schaden, der aus der fehlerhaften Anwendung bei der anderen
Partei eintritt.
2. Deliktische Haftung
Ob ein Dritter, für den ein Schaden aufgrund einer fehlerhaften Anwendung
eines Smart Contract resultiert, einen Anspruch aus Art. 41 Abs. 1 OR geltend
machen kann, ist im Einzelfall unter Prüfung der einzelnen
Tatbestandsmerkmale (Schaden, Widerrechtlichkeit, Verschulden, Kausalität,
vgl. N 498) abzuklären. Im Gegensatz zu einem Schaden, der aus einer
fehlerhaften Software (vgl. N 486 ff.) resultiert und bei dem aufgrund der
Freizeichnungsklauseln in den OSS-Lizenzen nur bei Absicht oder grober
Fahrlässigkeit auf die Softwareentwickler Rückgriff genommen werden kann
(N 499 f.), besteht bei einem Schaden aufgrund einer Fehlanwendung keine
Haftungseinschränkung durch eine OSS-Lizenz. Im Ergebnis ist jedoch bei
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Gewährleistung und Haftung
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beiden Konstellationen gem. Art. 41 Abs. 1 OR ein Vorsatz oder eine
Fahrlässigkeit nachzuweisen. Handelt es sich bei dem Schaden um einen reinen
Vermögensschaden, was im Zusammenhang mit Smart Contracts wohl die
Regel darstellen wird, dann ist zu prüfen, ob die Parteien durch die fehlerhafte
Anwendung des Smart Contract gegen eine das Vermögen schützende Norm
verstossen haben (vgl. N 498).
Zur Geschäftsherrenhaftung gem. Art. 55 OR kann auf die Ausführungen im
vorangehenden Kapitel I. Fehler in der Software (Bug), 2. Deliktische Haftung
(N 496 ff.) verwiesen werden.
III. Fazit
Verursacht ein Smart Contract aufgrund einer fehlerhaften Programmierung
einen Schaden und wurde dieser Smart Contract unter einer Open-Source
Software-Lizenz erworben, dann könnten die oftmals umfassenden
Freizeichnungsklauseln bezüglich Haftung und Gewähr nicht nur auf die
vertraglichen, sondern auch auf die deliktischen Ansprüche durchgreifen. Die
Freizeichnung würde jedoch auf das erlaubte Mass reduziert, d.h. es bliebe eine
Haftung für Absicht und grobe Fahrlässigkeit in den vertraglichen wie auch
ausservertraglichen Verhältnissen bestehen.
Eine Hilfspersonen- als auch Geschäftsherrenhaftung kann ausgeschlossen
werden, da einem Smart Contract aufgrund der fehlenden Rechtspersönlichkeit
keine Eigenschaft als Hilfsperson zukommt.
Wird ein Smart Contract fehlerhaft angewendet und resultiert daraus ein
Schaden, kann dies als Leistungsstörung zwischen den Vertragsparteien
eingeordnet werden. Gegenüber Dritten besteht allenfalls eine deliktische
Haftung gem. Art. 41 ff. OR, wenn die Voraussetzungen des Schadens, der
Widerrechtlichkeit, des Kausalzusammenhanges sowie des Verschuldens
erfüllt werden. Da im Zusammenhang mit Smart Contracts reine
Vermögensschäden im Vordergrund stehen, ist die Verletzung einer
entsprechenden Schutznorm zu eruieren.
Eine Haftung gemäss Produktehaftpflichtgesetz ist für Smart Contracts
aufgrund der fehlenden Produkteigenschaft ausgeschlossen.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
202
F. Smart Contracts als Halter von
Vermögenswerten
Ein Smart Contract eignet sich grundsätzlich dazu, für eine selbständige
Vertragsabwicklung Vermögenswerte entgegen zu nehmen sowie diese nach
Eintritt der vordefinierten Bedingungen an die vorbestimmte Partei (resp. deren
Adresse) weiterzuleiten (vgl. N 250 ff.). So kann bspw. bei zweiseitigen
Verträgen die vertraglich geschuldete Summe (in Kryptowährung) beim Smart
Contract hinterlegt werden. Der Smart Contract überträgt sodann die
vereinbarte Summe der Gegenpartei, wenn diese ihrerseits ihre vertraglich
vereinbarte Leistung erbracht hat. So müssen sich einerseits die Parteien
gegenseitig nicht vertrauen und andererseits kann grundsätzlich auf einen
vertrauenswürdigen Intermediär wie bspw. eine Treuhänderin oder eine Bank,
verzichtet werden. Nachfolgend wird nun untersucht, welche Vermögenswerte
an einen Smart Contract übertragen werden können und ob das Halten dieser
Vermögenswerte einem bekannten vertraglichen Konzept wie dem
Treuhandverhältnis, dem Hinterlegungsvertrag, dem Escrow-Agreement oder
der Sicherungszession zugeordnet werden kann.
I. Übertragung von Vermögenswerten
Smart Contracts eigenen sich insbesondere für das temporäre Halten und zur
Übertragung von digitalen Vermögenswerten, die sich innerhalb der
Blockchain befinden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, auch andere digitale
Vermögenswerte sowie Vermögenswerte ausserhalb der digitalen Welt oder
gar körperliche Sachen zu übertragen. Diese Werte werden durch einen Token
(vgl. Anhang, N 30 ff.) repräsentiert.
1. Arten von Vermögenswerten
Grundsätzlich ist es den Parteien unbenommen, jegliche Vermögenswerte auf
einen Smart Contract zu übertragen (an dessen Adresse zu senden). Mit Hilfe
von Token, die einen Wert, ein Recht oder eine Sache (auch ausserhalb der
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
203
Blockchain) repräsentieren können (vgl. Anhang, N 30 ff.), scheinen die
Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Hierbei müssen jedoch zwei wesentliche
Punkte beachtet werden: Erstens stellt sich die Frage, wie ein digitales oder
reales Gut, eine Forderung oder ein Vermögenswert durch einen Token
repräsentiert und die tatsächliche Verfügungsmacht darüber hergestellt werden
kann. Zweitens ist abzuklären, welche Art von Recht, Vermögenswert oder
Sache der Token repräsentiert. Handelt es sich dabei um eine dem Schweizer
Recht bekannte Form einer Sache (Fahrnis oder Grundstück) oder um ein
obligatorisches Recht (Forderung), ein Wertpapier, eine Bucheffekte oder
einen sonstigen Vermögenswert, dann müssen die einschlägigen Regeln zur
gültigen Übertragung beachtet werden, ansonsten der Übertragung auf der
Blockchain-Plattform keine Rechtsgültigkeit zukommt.765
Der einfacheren Lesbarkeit halber werden nachfolgend Sachen, Forderungen,
Wertpapiere, Bucheffekten und sonstige Vermögenswerte zusammenfassend
unter dem Begriff Vermögenswerte genannt.
2. Übertragung an Smart Contract
Wird ein Vermögenswert an einen Smart Contract übertragen, ist dies aus
rechtlicher Sicht nicht unproblematisch: Die Parteien überweisen den
Vermögenswert an die Adresse des Smart Contract und nicht jeweils an die
andere Vertragspartei.766 Obwohl also faktisch der Vermögenswert an den
Smart Contract überwiesen wird und so ggf. die Verfügungsmacht über den
Vermögenswert (für eine bestimmte Zeit) den Parteien entzogen wird, hat diese
Übertragung keine rechtlichen Konsequenzen, da der Smart Contract aufgrund
765 So bedarf es bspw. für die gültige Übertragung von Fahrniseigentum nebst
einem gültigen Verpflichtungsgeschäft auch eines Besitzübergangs (Art.
714 ZGB), entweder durch Tradition oder Traditionssurrogate (z.B.
Besitzesanweisung). 766 An die andere Partei wird der geschuldete Vermögenswert erst dann
überwiesen, wenn die vordefinierten Bedingungen eintreten. Es besteht
auch die Möglichkeit, dass der Wert an die Partei, die den Wert beim
Smart Contract hinterlegt hat, zurückfällt.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
204
seiner fehlenden Rechtspersönlichkeit keine Vertragspartei sein kann, wie
bspw. ein Treuhänder oder Aufbewahrer. Erfüllen wird eine Vertragspartei ihre
vertragliche Pflicht in der Regel also erst dann, wenn der Vermögenswert an
die andere Partei übertragen wird und nicht dann, wenn der Vermögenswert bei
einem Smart Contract hinterlegt wird. Vorbehalten sind natürlich
anderslautende Parteiabreden.
Aus praktischer Sicht kann zudem problematisch sein, wenn die
Vertragsparteien es unterlassen haben, entweder eine zeitliche Beschränkung
des Smart Contract zu definieren oder nicht die Möglichkeit vorsehen, im
gegenseitigen Einverständnis die Vermögenswerte wieder aus dem Smart
Contract herauszulösen (z.B. mittels Multisignaturen767). In diesen Fällen
können unter Umständen die Vermögenswerte aufgrund des Grundsatzes der
Unabänderbarkeit des Smart Contract für immer blockiert sein – zumindest in
Smart Contract, die direkt auf einer öffentlichen Blockchain implementiert
sind.768
767 Multisignatur (auch Multisig) bedeutet, dass für die Ausführung einer
Handlung (z.B. Auslösen einer Transaktion) M von N Signaturen (d.h.
eine bestimmte Anzahl von hinterlegten Signaturen) notwendig sind. Dies
kann einer höheren Sicherheit der Vermögensübertragung und
Verhinderung von Missbrauch dienen, aber auch zur allfälligen
Anpassung oder Beendigung eines Smart Contract führen. Ausführlich zu
Multisig ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 149 f.; BERENTSEN/SCHÄR,
Kryptoassets, 184 f. 768 Ist ein Vermögenswert tatsächlich blockiert, sodass weder die eine noch
die andere Partei darüber verfügen kann, dann ist zu prüfen, ob die richtige
(im Sinne von sorgfältige) Programmierung des Smart Contract eine
vertragliche Pflicht einer der Parteien darstellt und gestützt darauf
allenfalls eine Vertragsverletzung geltend gemacht werden kann. Ist der
Wert wegen eines Fehlers in der Software blockiert, bleibt ggf. ein
Rückgriff auf den Entwickler (vgl. dazu N 489 ff.).
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
205
3. Involvierte Parteien
Grundsätzlich kann ein Smart Contract, je nach Zweck und Einsatzmöglichkeit
des verwendeten Smart Contract, von einer oder mehreren Parteien eingesetzt
werden. Praktisch kommen die Vorteile eines Smart Contract insbesondere
dort zur Geltung, wo er von mehreren Parteien zur automatisierten
Vertragsabwicklung eingesetzt wird.769
II. Funktion des Smart Contract
Wie bereits ausgeführt, kann ein Smart Contract dazu eingesetzt werden,
Vermögenswerte (kurzzeitig) zu halten und nach den vordefinierten Regeln zu
transferieren. Normalerweise wird diese Funktion von Intermediären
wahrgenommen, wie bspw. Escrow-Agenten oder Treuhändern. Es ist nun
fraglich, ob die geltenden Regelungen auch auf Smart Contracts angewendet
werden können. Nachfolgend wird als Auswahl das Treuhandverhältnis, die
Hinterlegung, das Escrow-Agreement sowie die Sicherungszession einer
näheren Betrachtung unterzogen.
1. Smart Contract als Fiduziar
Das Schweizer Recht kennt das Treuhandverhältnis als vertragliches
Verhältnis, obwohl es nicht kodifiziert ist.770
a) Treuhandvertrag
Das Treuhandverhältnis ist ein zweiseitiger Vertrag zwischen dem Fiduziant
(Treugeber) und Fiduziar (Treuhänder).771 Der dem Treuhandverhältnis
zugrundeliegende Vertrag wird auch das Grundgeschäft zwischen Fiduziant
769 Zur Definition, Funktionsweise und Anwendungsbeispiele vgl. Kapitel D.
Einführung Smart Contracts, N 214 ff. 770 EICHNER, Rechtsstellung von Treugebern, N 175. 771 Vgl. EICHNER, Rechtsstellung von Treugebern, N 176.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
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und Fiduziar genannt, in dem eine Übertragung eines Rechts sowie eine
fiduziarische Abrede vereinbart wird.772 Der Treugeber beauftragt den
Treuhänder, im eigenen Namen, aber im Interesse und auf Rechnung des
Treugebers tätig zu sein; dies wird gem. h.L. als Auftrag im Sinne von Art. 394
OR qualifiziert.773 Gestützt auf dieses obligatorische Grundgeschäft wird
zusätzlich eine dinglich wirkende Übertragung eines Rechts auf den Fiduziar
vorgenommen.774
Das Treugut kann aus Wertschriften, Beteiligungen, Forderungen,
Liegenschaften, Handelsgeschäften, Geld oder immateriellen Gütern
bestehen.775
b) Smart Contract als Fiduziar
Ein Vertrag kann grundsätzlich nur zwischen rechts- und geschäftsfähigen
Personen geschlossen werden (vgl. N 277 ff.).776 Wie bereits mehrfach
ausgeführt, ist ein Smart Contract eine Software verfügt nicht über eine eigene
Rechtspersönlichkeit (vgl. N 239). Mit einem Smart Contract kann daher kein
Treuhandvertrag geschlossen werden. Es ist jedoch denkbar, dass im Rahmen
eines Treuhandverhältnisses ein Smart Contract eingesetzt wird, wobei in
dieser Konstellation die Vorteile eines Smart Contract (u.a. automatisierte
Durchsetzung, Wegfall von Intermediär), nicht genutzt werden können.
Es ist auch möglich, dass anstelle eines Treuhandverhältnisses ein Smart
Contract aufgesetzt wird und dort die Regeln hinterlegt werden, wie die
Software die Vermögenswerte verwalten und ggf. im Namen des „Treugebers“
tätig werden soll. In diesem Fall ist jedoch nicht mehr von einem vertraglichen
772 Vgl. EICHNER, Rechtsstellung von Treugebern, N 202; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1024 ff.; KRAMER/SCHMIDLIN, BK
OR, Art. 18 N 123 f.; WEBER, BSK OR I, Art. 394 N 11 ff. 773 EICHNER, Rechtsstellung von Treugebern, N 201; GAUCH/SCHLUEP/
SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1025; KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR,
Art. 18 N 125 f.; WEBER, BSK OR I, Art. 394 N 11. 774 KRAMER/SCHMIDLIN, BK OR, Art. 18 N 124. 775 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, OR AT, N 1026. 776 Vgl. HUGUENIN/REITZE, BSK ZGB I, Art. 54 N 2; FANKHAUSER, BSK
ZGB I, Art. 12 N 4.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
207
Verhältnis auszugehen, sondern vom Einsatz einer Software zur
automatisierten Durchsetzung eigener Interessen.
c) Sicherungszession
Die Sicherungszession ist im Gesetz nicht definiert;777 sie stellt aber eine
Unterart des fiduziarischen Rechtsgeschäfts dar und zeichnet sich dadurch aus,
dass die Schuldnerin zur Sicherung der Hauptschuld der Gläubigerin zu
Sicherungszwecken eine Forderung abtritt.778 Im Regelfall handelt es sich beim
Sicherungszedenten und dem Schuldner der Hauptforderung um die gleiche
Person, der Sicherungszedent kann jedoch auch ein Dritter sein.779 Die
Sicherungszession enthält eine Zession im Sinne von Art. 165 OR, ist jedoch
durch ein fiduziarisches Grundgeschäft ergänzt (vgl. N 526); die
Sicherungsforderung wird bei einem Dritten, dem Fiduziar, hinterlegt.780
aa) Sicherungszession mit Smart Contracts
Wie bereits mehrfach dargelegt, kann ein Smart Contract aufgrund fehlender
Rechtspersönlichkeit nicht Vertragspartei sein. Dennoch stellt die
Sicherungszession einen Hauptanwendungsfall für den Einsatz von Smart
Contracts dar: Der Smart Contract kann als sichere Verwahrstelle für eine
Zession dienen und macht so den Einsatz eines Intermediärs überflüssig. Dank
dem Smart Contract benötigen die beiden Parteien keine vertrauenswürdige
Instanz, bei der sie die Sicherungszession hinterlegen. Sie können, wie bereits
mehrfach dargelegt, den Smart Contract so ausgestalten, dass bei Eintreten des
Ereignis X (Erfüllung oder Nichterfüllung der Hauptverpflichtung der
Schuldnerin) die Forderung entweder automatisch an die Schuldnerin
zurückfällt oder vereinbarungsgemäss an die Gläubigerin übergeht.
777 REETZ, aktuelle Rechtsfragen Sicherungszession, 178. 778 Vgl. REETZ, Sicherungszession, N 41 f.; REETZ, aktuelle Rechtsfragen
Sicherungszession, 178. 779 REETZ, Sicherungszession, N 28. 780 REETZ, Sicherungszession, N 48; REETZ, aktuelle Rechtsfragen
Sicherungszession, 181.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
208
bb) Forderungsübertragung mit Smart Contracts
Um eine Sicherungsforderung rechtsgültig bei einem Smart Contract zu
hinterlegen, müsste diese Forderung einerseits durch einen Token repräsentiert
werden – was grundsätzlich möglich ist (vgl. Anhang, N 30 ff.) – und
andererseits müsste die Übertragung dieses Token dem Schrifterfordernis gem.
Art. 165 Abs. 1 OR genügen.781 Zum Einsatz kann dabei die qualifizierte
elektronische Unterschrift gem. Art. 14 Abs. 2bis OR kommen.
Um die für die Forderungsübertragung notwendige Unterschrift
sicherzustellen, müsste der entsprechende Smart Contract (oder die
Blockchain-Plattform) eine ZertES-konforme qualifizierte elektronische
Unterschrift einsetzen.782 Die derzeit genutzten Signaturen in den öffentlichen
(und soweit ersichtlich auch in den privaten) Blockchains sind jedoch nicht
ZertES-konform. Dementsprechend kann das Schrifterfordernis von Art. 165
Abs. 1 OR für die gültige Übertragung einer Forderung nicht erfüllt werden.
Sollten ZertES-konforme Unterschriften (z.B. durch eine spezialisierte
Applikation) zum Einsatz gelangen, dann müsste überdies sichergestellt
werden, dass die automatisierte Übertragung von einem Smart Contract auf
einen Vertragspartner die ZertES-konforme Unterschrift des ursprünglichen
Forderungsinhabers trägt, da ein Smart Contract in der Regel über keine eigene
Signatur verfügt. Diese würde für eine gültige Übertragung der Forderung
ohnehin nicht ausreichen, da der Smart Contract aufgrund seiner fehlenden
Rechtspersönlichkeit rechtsgültig keine Forderungen übertragen kann.
Einer gültigen Forderungsübertragung mittels Smart Contract steht nebst einer
gültigen Unterschrift auch der Aspekt im Wege, dass der (unterzeichnete)
Erklärungsinhalt in Schrift und Sprache den sich erklärenden Parteien
zugänglich sein muss; wenn Drittinteressen betroffen sind, muss die Sprache
der Allgemeinheit zugänglich sein (N 375). Der Erklärungsinhalt ist bei Smart
Contracts in Programmiersprache verfasst. Ein Erklärungsinhalt in
Programmiersprache ist nur in den (seltenen) Fällen unproblematisch, in denen
die Parteien den Inhalt erfassen können und keine Drittparteien betroffen sind
781 GIRSBERGER/HERRMANN, BSK OR I, Art. 165 N 2. 782 Vgl. Ausführungen zur einfachen Schriftlichkeit bei Kapitel E.VII.2.,
N 367 ff.; zur ZertES-konformen Unterschrift vgl. Anhang, N 15 ff.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
209
(N 375). Bei einer Sicherungszession könnte diese Voraussetzung nur dann
erfüllt werden, wenn der Sicherungszedent und der Schuldner ein und dieselbe
Person ist und beide Vertragsparteien fachkundige Personen sind
(Beherrschung der Programmiersprache).
2. Smart Contract als Aufbewahrer
In der Praxis spielen Hinterlegungsverträge insbesondere im Bankengeschäft
eine grosse Rolle (Depotverträge).783
a) Hinterlegungsvertrag
Der Hinterlegungsvertrag regelt die Aufbewahrung einer beweglichen Sache
bei einem Hinterleger, der diese Sache übernimmt und an einem sicheren Ort
aufbewahrt (Art. 472 Abs. 2 OR). Wesensmarkmal dieses Vertrages ist das
Anvertrauen einer beweglichen Sache durch den Hinterleger an den
Aufbewahrer, das Recht des Hinterlegers, die Rückgabe der Sache zu
verlangen sowie die Aufbewahrung im Interesse des Hinterlegers.784
b) Smart Contract als Aufbewahrer
Auch hier gilt, dass der Smart Contract nicht als Vertragspartner
(Aufbewahrer) auftreten kann, sondern vielmehr von einer Partei dazu
verwendet werden kann, eine Sache aufzubewahren. Der Hinterlegungsvertrag
regelt die Aufbewahrung von beweglichen Sachen.785 Ein Smart Contract ist in
erster Linie nicht dazu geeignet, bewegliche Sachen zu verwahren.
Nichtsdestotrotz ist es möglich, einen Gegenstand so zu sichern, dass die
tatsächliche Verfügungsgewalt nur beim Smart Contract oder subsidiär bei
beiden Vertragsparteien gleichermassen liegt. So kann zum Beispiel eine
Sache, z.B. ein Auto, in einer Garage zwischengelagert sein. Das Autoschloss
(und allenfalls auch das Garagenschloss) ist mit einem Sensor (IoT) verbunden.
Sobald der Smart Contract die Information erhält, dass das Auto freigegeben
783 KOLLER, BSK OR I, Vorbem. zu Art.472-491 N 3. 784 KOLLER, BSK OR I, Art. 472 N 1 ff. 785 KOLLER, BSK OR I, Art. 472 N 4.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
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werden darf (z.B. durch Eingang einer Zahlung oder durch das Einverständnis
beider Vertragsparteien), sendet er dem (neuerdings) Verfügungsberechtigten
einen Token, mit Hilfe dessen er das Autoschloss (und falls nötig auch das
Garagenschloss) öffnen kann.
3. Smart Contract als Escrow-Agent
Das ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Recht stammende Escrow-
Agreement ist im Schweizer Recht nicht geregelt, kann jedoch
zwischenzeitlich als konstituiert angesehen werden.786
a) Escrow-Agreement
Umschrieben wird das Escrow-Verhältnis als ein Dreiparteienverhältnis, bei
dem eine beliebige Sache im Interesse zweier Parteien bei einem neutralen
Dritten (dem Escrow-Agenten) zu Sicherungszwecken hinterlegt wird.787 Das
Escrow-Agreement besteht demgemäss aus einem Hauptgeschäft zwischen
zwei Parteien, das es zu sichern gilt, einem Sicherungsobjekt sowie einem
Vertrag zwischen den Parteien und dem Escrow-Agenten.788 Das
Sicherungsobjekt ist eine bewegliche Sache.789
b) Smart Contract als Escrow-Agent
Da bei einem Escrow-Agreement mit einem Escrow-Agenten ein vertragliches
Verhältnis eingegangen wird, kann ein Smart Contract aufgrund seiner
fehlenden Rechtspersönlichkeit nie die Rolle eines Escrow-Agenten
einnehmen.790
786 Vgl. EISENHUT, Escrow-Verhältnisse, 7 f.; GLARNER/MEYER, Smart
Contracts in Escrow-Verhältnissen, N 7. 787 Vgl. EISENHUT, Escrow-Verhältnisse, 13; GLARNER/MEYER, Smart
Contracts in Escrow-Verhältnissen, N 7. 788 EISENHUT, Escrow-Verhältnisse, 13 ff. 789 EISENHUT, Escrow-Verhältnisse, 87; GLARNER/MEYER, Smart Contracts
in Escrow-Verhältnissen, N 9. 790 GLARNER/MEYER, Smart Contracts in Escrow-Verhältnissen, N 28.
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Smart Contracts als Halter von Vermögenswerten
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Das Sicherungsobjekt bei einem Escrow-Agreement ist eine bewegliche Sache.
Ein Smart Contract eignet sich in erster Linie dazu, digitale Werte und weniger,
bewegliche Sachen in der realen Welt zu verwahren. Trotzdem ist es möglich,
eine bewegliche Sache durch einen Smart Contract zu sichern (vgl.
vorhergehend N 537). Wird diese Möglichkeit genutzt, dann ist der Einsatz
eines Escrow-Agenten hinfällig.
III. Fazit
Ein Smart Contract kann dazu verwendet werden, Vermögenswerte temporär
aufzubewahren, resp. zu halten und diese im Anschluss gemäss den
hinterlegten Regeln einer Partei zu übertragen.
Der Einsatz eines Smart Contract kann gegebenenfalls die Funktion eines
Treuhänders, eines Aufbewahrers oder eines Escrow-Agenten übernehmen.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich ein Smart Contract in erster Linie zur
Aufbewahrung und Halten von digitalen Werten eignet und reelle Gegenstände
den Einsatz von zusätzlichen Mechanismen (IoT u.a.) erforderlich machen.
Bezüglich der Übertragung von Sicherungszessionen auf einen Smart Contract
ist zu bedenken, dass Forderungen nur mit einer gültigen Unterschrift
übertragen werden können. Dieses Erfordernis stellt beim Einsatz von Smart
Contracts ein dreifaches Problem dar: Erstens werden (derzeit) keine ZertES-
konformen Signaturen in Blockchain-Plattformen verwendet, die das
Unterschrifterfordernis für die gültige Übertragung erfüllen können. Zweitens
müsste die Übertragung, die von dem Smart Contract vorgenommen wird, die
(ZertES-konforme) Signatur der ursprünglich verfügungsberechtigten Partei
enthalten, damit der Übertrag gültig ist. Ein Smart Contract hat keine eigene
Signatur und diese würde aufgrund der fehlenden Rechtspersönlichkeit des
Smart Contract keine gesetzeskonforme Wirkung entfalten. Drittens muss der
unterzeichnete Erklärungsinhalt den Parteien in Schrift und Sprache und, falls
Dritte betroffen sind, der Allgemeinheit zugänglich sein. Dies ist bei einer
Forderungsübertragung in Form eines Token grundsätzlich zu verneinen und
kann nur in Ausnahmefällen bejaht werden.
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3. Teil: Zusammenfassung
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3. Teil: Zusammenfassung
In diesem dritten und letzten Teil der Arbeit werden die wichtigsten
Erkenntnisse des ersten und zweiten Teils zusammengefasst. Zum Abschluss
folgt eine Würdigung der wichtigsten Erkenntnisse.
I. Erkenntnisse
Begriff und Funktionalitäten der Blockchain
Der Begriff Blockchain wird als Sammelbegriff verwendet und kann stark
vereinfacht als gigantisches Transaktionsregister bezeichnet werden, das
basierend auf einem dezentralen und verteilten P2P-Netzwerk Daten so
abspeichert, dass sie transparent nachvollziehbar und unabänderlich sind
(N 22 f.).
Die Blockchain kann nach den Funktionalitäten eingeteilt werden, die ein
solches Netzwerk einnehmen kann. Dabei kann grundsätzlich zwischen der
Blockchain generell-abstrakt als technisches Konzept, der zugrundeliegenden
Software und der durch die Software geschaffenen Infrastruktur – der Plattform
– unterschieden werden (N 21).
Vertragsrechtliche Erfassung der Blockchain
Wird die der Blockchain-Infrastruktur zugrundeliegende Software betrachtet,
kann festgestellt werden, dass es sich dabei um eine Open-Source-Software
handelt. Open-Source-Software wird unter OSS-Lizenzen vertrieben, die nach
der hier vertretenen Meinung als unentgeltliche Softwarelizenzverträge
einzuordnen sind und zu deren Auslegung die Regeln zum Softwarelizenz-
vertrag sowie zum allgemeinen Teil des Obligationenrechts heranzuziehen sind
(N 148 f.). Zwischen einem Knotenbetreiber und dem Urheber der Software
kann dann ein Lizenzverhältnis begründet werden, wenn die Blockchain-
Software über das normale Gebrauchsrecht hinaus benutzt wird (N 207).
Die mit Hilfe der Blockchain-Software geschaffene Infrastruktur, die
Plattform, wird durch ein P2P-Netzwerk betrieben. Dieses Netzwerk ist eine
Gemeinschaft mit gewissen Elementen einer einfachen Gesellschaft, kann aber
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3. Teil: Zusammenfassung
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keiner gesellschaftsrechtlichen Form des Schweizer Rechts zugeordnet
werden. Es ist vielmehr von einem losen Zusammenschluss von Personen, der
zwar ein gemeinsames Ziel mit gemeinsamen Mitteln verfolgt, jedoch keinerlei
Rechte und Pflichten begründet, auszugehen (N 208). Innerhalb des Netz-
werkes können keine Vertragsverhältnisse ausgemacht werden; einzig bei der
Beziehung zwischen einem Nutzer (i.S. eines Knotenbetreibers) und einem
Miner kann von einem einseitigen Rechtsgeschäft, einer Auslobung i.S.v.
Art. 8 OR, ausgegangen werden (N 209).
Der Zugang zum P2P-Blockchain-Netzwerk wird in der Regel durch Wallet-
Anbieter gewährt. Wallet-Anbieter können funktionell einem Access Provider
gleichgestellt werden, weshalb eine für Access Provider ausgestaltete Provider-
haftung auch auf Wallet-Anbieter angewendet werden könnte (N 210).
Begriff und Funktionsweise von Smart Contracts
In der vorliegenden Arbeit wird ein Smart Contract als ein auf der Blockchain-
Technologie basierendes, individualisierbares Computerprogramm definiert
(N 239). Eigenschaften von Smart Contracts sind eine gewisse Autonomie, die
Unveränderbarkeit und die fehlende Interpretationsmöglichkeit (N 240).
Smart Contract als Vertrag
Aufgrund der Formfreiheit des Schweizer Vertragsrechts ist es grundsätzlich
möglich, einen Vertrag in Programmiersprache aufzusetzen (N 276).
Wird ein Smart Contract von fachkundigen Personen benutzt, die seinen Inhalt
nachvollziehen können, kann er selbst den Vertrag – in Form eines bedingten
Vertrages – darstellen. Wird er hingegen von fachunkundigen Personen
eingesetzt, so ist von der Annahme auszugehen, dass die Personen sich nicht
über die Konsequenzen des Vereinbarten bewusst sind, d.h. sich ihr
Rechtsbindungswille nicht auf die möglichen Folgen des Einsatzes eines Smart
Contract richtet. In diesen Fällen ist jedoch bei bewusster Unkenntnis des
Vereinbarten eine Berufung auf den fehlenden Rechtsbindungswillen allenfalls
rechtsmissbräuchlich. Wird ein Smart Contract zwischen einer fachkundigen
und einer fachunkundigen Person eingesetzt, dann ist eine
Einzelfallbetrachtung notwendig. Grundsätzlich kann jedoch festgehalten
werden, dass in den Fällen, wo der Inhalt des Smart Contract mit zumutbarem
Aufwand erschlossen werden kann und die fachunkundige Person kein
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3. Teil: Zusammenfassung
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Konsument ist, der Smart Contract ebenfalls direkt das Grundgeschäft
darstellen kann (N 330).
Ein in einem Smart Contract hinterlegtes Angebot muss terminiert werden,
ansonsten der Offerent aufgrund der Unabänderbarkeit des Smart Contract auf
unbestimmte Zeit gebunden ist. Dies gilt zumindest für Smart Contracts, die
direkt auf einer (öffentlichen) Blockchain installiert sind (N 331). Der Vertrag
kommt mit der Signierung der akzeptierenden Partei mit dem Private Key
(Vornahme einer Transaktion) zustande (N 332).
Wie bei einer Computererklärung können die ausgeführten „Handlungen“
eines Smart Contract immer mindestens einer Partei zugeordnet werden, da
einerseits ein Vermögenswert (oder sonst ein Token) an den Smart Contract
transferiert und von diesem wiederum an eine weitere (oder zurück an dieselbe)
Partei überwiesen wird. Durch diese Transaktion(en) sind die beteiligten
Personen an einem Smart Contract eruierbar und somit sämtliche Handlungen
des Smart Contract diesen Parteien zuzuordnen (N 332).
Smart Contracts bedürfen aufgrund ihrer deterministischen Ausgestaltung
keiner Auslegung (N 332).
Ist ein Smart Contract auf einer öffentlichen Blockchain implementiert, kann
dieser grundsätzlich nicht widerrufen werden. Ein Smart Contract sollte daher
immer eine zeitliche Terminierung vorsehen, insbesondere dann, wenn mit
Hilfe eines Smart Contract ein Angebot gesetzt wird (N 345 f.).
Beinhaltet ein Smart Contract einen gesetzeswidrigen Vertragsinhalt und ist
der Vertrag dementsprechend nichtig, kann diese Nichtigkeit auf der
Blockchain nicht umgesetzt werden. Ein Smart Contract kann, wenn er direkt
auf einer öffentlichen Blockchain platziert ist, nicht gelöscht, widerrufen oder
abgeändert werden. Eine Transaktion, die aufgrund eines nichtigen
Grundgeschäftes auf der Blockchain getätigt wurde, kann nicht entsprechend
markiert werden. Dies führt zu einer gewissen Rechtsunsicherheit bezüglich
der Gültigkeit von blockchainbasierten Transaktionen und widerspricht dem
Grundsatz der Blockchain-Logik, nach der die in der Blockchain gespeicherten
Transaktionen gemäss dem vereinbarten Konsens als gültig zu betrachten sind.
Selbes gilt für Smart Contracts, die ausserhalb einer Blockchain gespeichert
sind und deren Ergebnis (die Transaktion) bereits in die Blockchain
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3. Teil: Zusammenfassung
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aufgenommen wurde, bevor das Grundgeschäft als nichtig deklariert wurde
(N 411 ff.).
Die Formvorschriften der einfachen sowie qualifizierten Schriftlichkeit und der
öffentlichen Beurkundung können mit Smart Contracts nicht erfüllt werden. Zu
erfüllen wären die Voraussetzungen der einfachen Schriftlichkeit unter den
folgenden Gesichtspunkten: Die Unterschrift wird mit ZertES-konformen
Signaturen gesetzt. Solche werden jedoch, soweit ersichtlich, in keiner
Blockchain eingesetzt. Selbst wenn solche Signaturen bei Smart Contracts
eingesetzt würden, wäre zu beachten, dass die entsprechende Transaktion
jeweils die Signatur der zur Unterschrift verpflichteten Person tragen würde –
Smart Contracts haben keine eigene Signatur und eine solche würde aufgrund
der fehlenden Rechtspersönlichkeit dem Schrifterfordernis auch nicht gerecht.
Zusätzlich müsste der unterzeichnete Erklärungsinhalt den Parteien in Schrift
und Sprache, und ist ein Dritter (z.B. bei einer Forderungsübertragung)
betroffen, der Allgemeinheit zugänglich sein. Programmiersprache ist nur
fachkundigen Personen und nicht der Allgemeinheit zugänglich; die
Vereinbarung dürfte also nur zwischen fachkundigen Personen wirken (N 375,
392 f).
Mangelhafte Willenserklärungen bei Smart Contracts
Mangelhafte Willenserklärungen, insbesondere Fälle des Irrtums, können auch
bei Verwendung von Smart Contracts vorkommen. Dabei steht insbesondere
der Erklärungsirrtum als Folge eines Übermittlungsfehlers im Vordergrund.
Die Beurteilung, ob eine mangelhafte Willenserklärung vorliegt, kann nicht
durch vordefinierte Parameter eines Smart Contract eruiert werden. Die
Rechtsfolge, die einseitige Unverbindlichkeit, lässt sich mit einem Smart
Contract grundsätzlich nicht abbilden, da er nachträglich nicht geändert (oder
als ungültig markiert) werden kann (N 443 ff.).
Leistungsstörungen bei Smart Contracts
Mit Hilfe von Smart Contracts können Leistungsstörungen zu einem grossen
Teil vermieden werden. Eine Leistungsunmöglichkeit ist nur noch in den
Fällen denkbar, in denen ein Token auf der Blockchain transferiert wird, der
tatsächlich jedoch nicht das repräsentiert, was er vorzugeben scheint.
Schlechtleistungen sollten dank Smart Contracts nicht vorkommen, jedenfalls
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3. Teil: Zusammenfassung
216
dann nicht, wenn die geschuldete Leistung mit klaren Parametern überprüfbar
ist. Der Smart Contract führt bei Nichterfüllung dieser Parameter den Vertrag
nicht aus. Aus dieser Nichtausführung kann jedoch eine Spätleistung
resultieren (N 480 ff.).
Gewährleistung und Haftung bei Smart Contracts
Smart Contracts werden unter OSS-Lizenzen veröffentlicht. Diese Lizenzen
enthalten Freizeichnungsklauseln für Gewähr und Haftung. Nach der hier
vertretenen Ansicht werden bei OSS-Lizenzen die Regeln des Software-
lizenzvertrages sowie die allgemeinen Regeln des Obligationenrechts
herangezogen. Nach Art. 100 OR ist eine Freizeichnung erlaubt, jedoch unter
Ausschluss von Absicht und grober Fahrlässigkeit. Ein aus einem fehlerhaft
programmierten Smart Contract resultierender Schaden kann bei Nachweis von
Absicht oder grober Fahrlässigkeit gegenüber dem Softwareentwickler geltend
gemacht werden. Eine deliktische Haftung gegenüber Dritten kann bei
Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen begründet werden (N 513 f.).
Wird ein Smart Contract fehlerhaft angewendet, d.h. der Fehler liegt nicht im
Softwarecode selbst, dann kann ein Anspruch direkt aus dem Vertrag zwischen
den Parteien abgeleitet werden, wenn die Individualisierung eine vertragliche
Haupt- oder Nebenpflicht darstellt. Resultiert aus der fehlerhaften Anwendung
ein Schaden bei einem Dritten, dann kann bei Vorliegen der
Tatbestandsvoraussetzungen allenfalls ein Anspruch aus Delikt geltend
gemacht werden (N 515 f.).
Smart Contract als Halter von Vermögenswerten
Ein Smart Contract kann eine Art Treuhänderfunktion einnehmen, wobei hier
kein vertragliches Verhältnis eingegangen wird, sondern Eigeninteressen mit
Hilfe von Technologie verfolgt und die Vermögenswerte keiner
(spezialisierten) Partei mehr übergeben werden (N 528 f.). Der Smart Contract
kann faktisch auch dazu dienen, Sicherungszessionen zu hinterlegen. Rechtlich
ist ein solches Rechtsgeschäft nicht verbindlich, da das
Schriftlichkeitserfordernis für die gültige Übertragung der Sicherungszession
nicht erfüllt werden kann. Die Übertragung kann einerseits nicht rechtsgültig
vorgenommen werden, wenn keine ZertES-konformen elektronischen
Signaturen eingesetzt werden. Selbst wenn eine solche zum Einsatz käme, wäre
562
563
564
3. Teil: Zusammenfassung
217
sicherzustellen, dass die Übertragung der Sicherungszession, wenn sie vom
Smart Contract an die vertraglich vereinbarte Partei transferiert wird, die
(ZertES-konforme) Signatur der verfügungsberechtigten Partei trägt (ein Smart
Contract hat selbst keine Signatur). Andererseits ist der unterzeichnete
Erklärungsinhalt in Programmiersprache verfasst und so der Allgemeinheit
nicht zugänglich, was ebenfalls der Erfüllung der Voraussetzungen der
einfachen Schriftlichkeit widerspricht (N 531 ff.).
Ein Smart Contract eignet sich in erster Linie nicht als Aufbewahrer oder als
Escrow-Agent, da in diesen Fällen bewegliche Sachen aufbewahrt werden. Es
ist jedoch unter Einbezug von IoT und Hilfsmitteln möglich, einem Smart
Contract die Aufbewahrung (resp. die tatsächliche Verfügungsmacht) einer
beweglichen Sache zu übertragen (N 537, 541).
565
3. Teil: Zusammenfassung
218
II. Würdigung
Wie in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt, birgt die Blockchain-Technologie,
und insbesondere der Smart Contract, ein grosses Potential zur Digitalisierung
und Automatisierung von Vertragsbestandteilen. Eine rechtliche Einordnung
dieser Technologie bedarf zwar eines hohen Abstraktionsvermögens, ist aber
de lege lata und unter Einbezug der Dogmatik durchaus möglich; auch wenn
dafür bisweilen eine flexible Auslegung nötig ist.
Smart Contracts eignen sich grundsätzlich nicht dazu, Verträge direkt
abzubilden. Sie dienen aber unbestrittenermassen einer vereinfachten und
automatisierten Ausführung und Durchsetzung von gewissen Vertragsbestand-
teilen.
Auffällig ist eine Diskrepanz zwischen der in einer Blockchain-Plattform
herrschenden apodiktischen Konsensregelung zur Gültigkeit von
Transaktionen und der differenzierten Beurteilung eines gültigen Rechts-
geschäftes in der realen Welt: In der Blockchain gilt die unwiderlegbare
Vermutung der Gültigkeit einer Transaktion, ist sie erst einmal in der
Blockchain abgespeichert. Diese Regel lässt keinen Raum für menschliche
Verhaltensweisen, wie bspw. jene des sich Irrens. Werden in der realen Welt
Verträge, die auf einer blockchainbasierten Transaktion beruhen, als ungültig
beurteilt, dann kann diese Ungültigkeit in der Blockchain nicht abgebildet
werden. Dies führt de facto zu einer Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit
blockchainbasierten Transaktionen.
Abschliessend kann festgehalten werden, dass eine Blockchain und
insbesondere ein Smart Contract aufgrund der inhärenten Computerlogik im
Gegensatz zum bestehenden Vertragsrecht nicht in der Lage ist, die komplexe
Realität aufzufangen.
566
567
568
569
Erklärung
i
Anhang: Begriffe und Erläuterungen
1. Software, Computerprogramm, Algorithmus
In der IT werden die Termini Algorithmus, Software und Computerprogramm
auseinandergehalten und nicht synonym verwendet. Software umfasst als
Oberbegriff und umfasst (Computer-)Programme, Dokumentationen
(Anwender- und Entwicklungsdokumentation) und dazugehörige Daten.791
Teilweise wird Software als Gegenbegriff zu Hardware (die technische,
physikalische Form des Computers) beschrieben.792
Computerprogramme sind in Programmiersprache verfasst und befähigen
einen Computer, Steuerungs- und Berechnungsfunktionen auszuführen.793
Programmiersprachen können durch Computer nicht direkt gelesen werden,
sondern müssen erst in Maschinensprache übersetzt werden.794
Ein Computerprogramm umfasst Algorithmen795 und die dazugehörigen
Datenstrukturen. Der Algorithmus ist durch für den Computer durch das
Computerprogramm ausführbar.796
791 SCHWARZ/KRUSPIG, Computerimplementierte Erfindungen, N 73;
WIDMER, Softwarepflegevertrag, 5; vgl. ADLER, Rechtsfragen der Soft-
wareüberlassung, 7. 792 BAUSEN, Softwarepatente, 4; WEBER, E-Commerce, XCI. 793 SCHWARZ/KRUSPIG, Computerimplementierte Erfindungen, N 55 und
Glossar S. 418. 794 HEROLD/LURZ/WOHLRAB/HOPF, Grundlagen der Informatik, 137 f. 795 Der Begriff Algorithmus wird in der Informatik und in der Mathematik
uneinheitlich verwendet (vgl. SCHWARZ/KRUSPIG, Computer-
implementierte Erfindungen, N 63). In der Informatik ist ein Algorithmus
„eine detaillierte und explizite Vorschrift zur schrittweisen Lösung eines
Problems, d.h. eine Vorschrift zur Lösung einer Aufgabe, die präzise
formuliert, in endlicher Form dargestellt und effektiv ausführbar ist“:
HEROLD/LURZ/WOHLRAB/HOPF, Grundlagen der Informatik, 152. 796 SCHWARZ/KRUSPIG, Computerimplementierte Erfindungen, N 54 f.
1
2
3
Erklärung
ii
In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Software und
Computerprogramm synonym verwendet.
2. Hash
Hash, auch Hash-Wert genannt, ist eine sogenannte Streuwertfunktion. Dieser
Begriff stammt aus der Mathematik und bezeichnet eine kurze Zeichenfolge
mit fester Länge und stellt die Abkürzung einer beliebig langen Zeichenfolge
(Prüfsumme) dar. Aus einem Datensatz wird eine Prüfsumme gebildet: der sog.
Hash-Wert. Ein kryptografischer Hash-Wert wird in der Blockchain-
Technologie als Sicherungsmechanismus benutzt.797 Ändert sich ein Zeichen
am Ursprungswert (d.h. am ursprünglichen Inhalt des Datensatzes), so ändert
sich auch der entsprechende Hash-Wert. Der Hash-Wert dient also dazu, zwei
Zeichenfolgen (Prüfsummen) miteinander zu vergleichen und so festzustellen,
ob sie identisch sind.798 Auf der Blockchain wird derjenige Datensatz, der
gespeichert werden soll, in einen Hash-Wert umgewandelt und dieser im Block
gespeichert.799 Grundsätzlich ist alles in einen Hash-Wert umwandelbar, es
kommt dabei nicht auf die Art des Datensatzes an.
Beispiel:800
Der Hash-Wert von der Wortkombination Blockchain und Smart Contracts
lautet:
797 Eine kryptografische Hash-Funktion stellt sicher, dass ein potentieller
Angreifer bspw. nicht einen identischen Hash-Wert aufgrund eines
anderen Datensatzes herstellen kann. Es gibt auch nicht kryptografische
Hashfunktionen. Ausführlich zum Thema Hash und kryptografische
Hash-Funktionen siehe PAAR/PELZL, Kryptografie verständlich, 335 ff.;
SCHMEH, Kryptografie, 241 ff. 798 KAULARTZ, Blockchain Technologie, 475; BERENTSEN/SCHÄR, Krypto-
assets, 141. 799 SWAN, Blockchain, 39. 800 Es ist ein Beispiel für einen Hash-Verfahren nach SHA 256 (zu SHA 256
siehe SCHMEH, Kryptografie, 256).
4
5
6
Erklärung
iii
b6d51e0c1d1b56745e43f877d54b8152f2d955ba7c5023366c46c57992dc9b52
Wird das s bei Smart Contracts weggelassen, ergibt Blockchain und Smart
Contract folgenden Hash-Wert:
49337a83ed782b61f0ecf33beff1f6d481f6e93c37afce9f4e2d57fcf9158643
3. Hash-Bäume
Werden grosse Datenmengen, resp. grosse Datenbanken in Hash-Werte
umgewandelt und signiert, kann dies eine enorm aufwändige
Verifizierungsarbeit nach sich ziehen. Um dies zu umgehen, erlaubt eine
mathematische Lösung, um eine vereinfachte Datenstruktur zu schaffen. Durch
diese vereinfachte Datenstruktur, auch Hash-Baum (oder Merkle-Tree
genannt), wird die Authentifizierung stark vereinfacht.801
4. Kryptografische Verschlüsselungsverfahren
Es existieren unzählige kryptografische Verschlüsselungsverfahren.
Grundsätzlich kann zwischen symmetrischen und asymmetrischen Verfahren
unterschieden werden. Bei beiden Verfahren ist das gemeinsame Ziel, die
Nachricht, die versendet wird, so zu sichern, dass keine unbefugte Drittperson
die Nachricht lesen, resp. verfälschen kann.802 Prinzipiell gilt: je wichtiger die
Information für den „Datenbesitzer“ ist, desto komplizierter sollte seine
Verschlüsselung sein.803 Quantencomputer804 könnten in dieser Hinsicht eine
801 PAAR/PELZL, Kryptografie verständlich, 346 ff.; SCHMEH, Kryptografie,
285 ff. 802 PAAR/PELZL, Kryptografie verständlich, 4 f.; SCHMEH, Kryptografie, 12
ff. 803 Laut GERHARDS gibt es eine absolute, physikalische Obergrenze bis zu
welcher Schlüssellänge entschlüsselt werden können, GERHARDS,
Verschlüsselung, 36. 804 Ein Quantencomputer könnte bestimmte Problemstellungen, wie z.B. die
asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren, deutlich effektiver lösen als
7
8
Erklärung
iv
Gefahr für die Verschlüsselungstechnik darstellen, wobei diese (vorerst) nur in
der Theorie existieren. Andererseits ist zu erwarten, dass die
Weiterentwicklung der Verschlüsselungstechniken mit der Entwicklung der
Quantencomputer Schritt zu halten vermag.805
a) Symmetrische Verschlüsselung
Die symmetrische Verschlüsselung ist das klassische Verfahren und hat zum
Ziel, die Versendung einer Nachricht über einen unsicheren
Kommunikationskanal (heute z.B. das Internet) so zu schützen, dass keine
unbefugte Partei diese mitlesen (oder mithören) kann.806 Beim symmetrischen
Verfahren wird sowohl zum Ver- als auch Entschlüsseln derselbe Schlüssel
benutzt.807 Der Schlüssel kann aus einer geheimen Nummer, einem Passwort
oder einer Folge von Bits bestehen.808 Symmetrische
Verschlüsselungsverfahren gelten für heutige Standards meist nicht mehr als
genügend sicher.809
b) Asymmetrische Verschlüsselung
Beim asymmetrischen Verfahren wird im Gegensatz zur symmetrischen
Verschlüsselung ein Schlüsselpaar benötigt. Es wird zwischen zwei Schlüsseln
unterschieden: dem öffentlichen (Public Key) und dem privaten (Private oder
Secure Key). Der öffentliche Schlüssel wird veröffentlicht und ist prinzipiell
für jedermann zugänglich. Der zweite Schlüssel ist der geheime, private
Schlüssel. Das Prinzip funktioniert so: Absender A will Empfänger B eine
verschlüsselte Nachricht senden. A verschlüsselt die Nachricht an B mit dessen
ein herkömmlicher Rechner; die Bauteile des Quantencomputers arbeiten
nach den Gesetzen der Quantenmechanik. Siehe ausführlich dazu
SCHMEH, Kryptografie, 311 ff. 805 Ausführlich dazu SCHMEH, Kryptografie, 313 ff.; GERHARDS,
Verschlüsselung, 36. 806 PAAR/PELZL, Kryptografie verständlich, 4 f; vgl.SCHMEH, Kryptografie,
39 ff. 807 GERHARDS, Verschlüsselung, 33; SCHMEH, Kryptografie, 41. 808 SCHMEH, Kryptografie, 39. 809 SCHMEH, Kryptografie, 39.
9
10
Erklärung
v
öffentlichem Schlüssel. Zur Entschlüsselung dieser Nachricht benützt B seinen
privaten Schlüssel. Diese Verschlüsselungsmethode nennt man auch Public-
Key-Verfahren.810
Ein bekanntes Public-Key-Verfahren ist das RSA-Verfahren.811 Dem RSA-
Verfahren (wie auch anderen Public-Key-Verfahren) liegen Modulo-
Rechnungen zugrunde. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass einfache
Rechenaufgaben benützt werden, um die Verschlüsselung durchzuführen.812
Diese Rechnungen sind zwar einfach zu berechnen, jedoch nur sehr schwer
(resp. mit sehr grossem Rechenaufwand) umzukehren.813 Dies ist als die
sogenannte Einwegfunktion bekannt. Falls eine Zusatzinformation hinzugefügt
wird, mit der die komplizierte Umkehrrechnung vereinfacht werden kann,
nennt man dies Falltürfunktion genannt.814
Geknackt werden kann die Formel auch mittels Brute-Force-Methode, d.h.
dem Suchen der Lösung mittels wiederholtem Ausprobieren, bis sie gefunden
ist. Dies kann durch die Benutzung einer Formel verhindert werden, bei der
eine zufällige Lösungsfindung durch „Ausprobieren“ eher unwahrscheinlich
ist.815 Hinzu kommt ein zeitlicher Aspekt: Sind die Einwegfunktionen nicht
innert nützlicher Zeit umkehrbar, ist der Nutzen für den Angreifer fraglich. Je
wichtiger die zu entschlüsselnde Information für den Angreifer ist, desto mehr
Zeit wird er für die Entschlüsselung in Kauf nehmen.
810 GERHARDS, Verschlüsselung, 33. 811 RSA steht für die Abkürzung der Nachnamen der Erfinder dieser
Methode: RON RIVEST, ADI SHAMIR und LEONARD ADLEMAN. 812 Ausführlich dazu SCHMEH, Kryptografie, 192 ff. 813 Deren Problemstellung ist bekannt, aber deren effiziente Lösung (i.S.v.
zeitsparender Rechenformel) für den Umkehrschluss jedoch nicht.
Theoretisch ist es also möglich, dass jemand einen effizienten Weg für die
Berechnung des Umkehrschlusses findet. Werden allerdings bekannte
mathematische Probleme benutzt, die schon seit geraumer Zeit bekannt
sind und für die noch keine effiziente Lösung gefunden wurde, ist die
Wahrscheinlichkeit klein. 814 SCHMEH, Kryptografie, 198. 815 GERHARDS, Verschlüsselung, 35 f.
11
12
Erklärung
vi
5. Digitale Signatur
a) Allgemeines
Die digitale Signatur ist eine Anwendung der asymmetrischen Kryptografie.
Die digitale (elektronische) Signatur dient hauptsächlich der Authentifizierung
und Identifizierung des Absenders aber auch der Sicherstellung der Integrität
der Daten.816 Es soll sichergestellt werden, dass eine bestimmte Nachricht oder
ein Schriftstück von einer bestimmten Person stammt – vergleichbar mit der
handschriftlichen Unterschrift in der analogen Welt.817 Für die digitale
Signatur wird ebenfalls kryptografische Verschlüsselungstechnik benutzt,
gleich wie bei der Verschlüsselung der Daten selbst.818 Die Funktionsweise der
digitalen Signatur mittels einem Public-Key-Verfahren (N 10) wie bspw. beim
RSA-Verfahren (N 11) funktioniert genau umgekehrt zu der Verschlüsselung
der Daten: Absender A sendet Empfänger B eine Nachricht. Die Signatur setzt
A mit seinem privaten Schlüssel. B überprüft die Authentizität der Signatur
von A mit dem öffentlichen Schüssel von A.819 Auch bei der digitalen Signatur
können Hash-Werte (N 5 ff.) eingesetzt werden. So können bspw. sämtliche zu
signierende Daten zu einem Hash umgewandelt werden und nur dieser Wert
wird mit der digitalen Signatur versehen.820 Dieses Vorgehen eignet sich bei
einer grossen Datenmenge, damit nicht einzelne Datensätze signiert werden
müssen. Bezüglich der Sicherheit von digitalen Signaturen kann auf die
Feststellungen zur Verschlüsselungstechnik allgemein (N 12) verwiesen
werden.821
Um sicherzustellen, dass nicht gefälschte öffentliche Schlüssel von Personen
kursieren, werden Zertifikate verwendet, die eine Identität (bspw. E-Mail-
816 GERHARDS, Verschlüsselung, 39 f.; PAAR/PELZL, Kryptografie
verständlich, 299 f. 817 PAAR/PELZL, Kryptografie verständlich, 299 f. 818 Vgl. SCHMEH, Kryptografie, 216. 819 GERHARDS, Verschlüsselung, 40 f; SCHMEH, Kryptografie, 217. 820 GERHARDS, Verschlüsselung, 41. 821 Zur Sicherheit von RSA-Signaturen vgl. PAAR/PELZL, Kryptografie
verständlich, 306 f.; SCHMEH, Kryptografie, 217 f.
13
14
Erklärung
vii
Adresse) an einen öffentlichen Schlüssel binden.822 Damit eine digitale
Signatur als Ersatz für die handschriftliche Unterschrift rechtsgültig verwendet
werden kann (vgl. Art. 14 Abs. 2 OR), müssen in der Schweiz die
Anforderungen des ZertES und in der EU die der Verordnung über
elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische
Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS-Verordnung)823 erfüllt sein. Die
Anforderungen und Ausgestaltungen der elektronischen Signaturen gem.
ZertES entsprechen den europäischen Pendants gem. eIDAS-Verordnung.824
b) Elektronische Signatur gemäss ZertES
Laut Obligationenrecht ist die qualifizierte elektronische Unterschrift der
eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt (Art. 14 Abs. 2bis OR). ZertES
regelt nebst der qualifizierten elektronischen Unterschrift, die für den
Rechtsverkehr benötigt wird, auch weitere Signaturen, Siegel und Zertifikate,
abgestuft nach deren Verwendungszweck und den Anforderungen (Art. 2
ZertES):
Elektronische Signatur (lit. a): Daten in elektronischer Form, die anderen
elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und zu
deren Authentifizierung dienen.
Fortgeschrittene elektronische Signatur (lit. b): Eine elektronische Signatur,
die folgende Anforderungen erfüllt: 1. sie ist ausschliesslich der Inhaberin oder
dem Inhaber zugeordnet, 2. sie ermöglicht die Identifizierung der Inhaberin
oder des Inhabers, 3. sie wird mit Mitteln erzeugt, welche die Inhaberin oder
der Inhaber unter ihrer/seiner alleinigen Kontrolle halten kann, 4. sie ist mit
den Daten, auf die sie sich bezieht, so verknüpft, dass eine nachträgliche
Veränderung der Daten erkannt werden kann.
822 PAAR/PELZL, Kryptografie verständlich, 327. 823 Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des europäischen Parlaments und des
Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und
Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und
zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (in Kraft seit 1. Juli 2016). 824 Botschaft ZertES, 1019 f.
15
16
17
Erklärung
viii
Geregelte elektronische Signatur (lit. c): Eine fortgeschrittene elektronische
Signatur, die unter Verwendung einer sicheren Signaturerstellungseinheit
generiert wurde und auf einem geregelten, auf eine natürliche Person
ausgestellten und zum Zeitpunkt der Erzeugung der elektronischen Signatur
gültigen Zertifikat beruht.
Geregeltes elektronisches Siegel (lit. d): Eine fortgeschrittene elektronische
Signatur, die unter Verwendung einer sicheren Siegelherstellungseinheit auf
einem geregelten, auf eine UID-Einheit825 gem. UIDG ausgestellten und zum
Zeitpunkt der Erzeugung des elektronischen Siegels gültigen Zertifikat beruht.
Qualifizierte elektronische Signatur (lit. e): Eine geregelte elektronische
Signatur, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruht.
Digitales Zertifikat (lit. f): Eine digitale Bescheinigung, die den öffentlichen
Schlüssel eines asymmetrischen kryptografischen Schlüsselpaars seinem
Inhaber oder seiner Inhaberin zuordnet.
Geregeltes Zertifikat (lit. g): Ein digitales Zertifikat, das die Anforderungen
nach Art. 7826 erfüllt und von einer nach ZertES anerkannten Anbieterin von
Zertifizierungsdiensten ausgestellt wurde.
825 Unternehmensidentifikationsnummer gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c
Bundesgesetz über die Unternehmens-Identifikationsnummer vom
18. Juni 2010 (UIDG), SR. 431.03. 826 Ein geregeltes Zertifikat kann gem. Art. 7 ZertES auf natürliche oder UID-
Einheiten ausgestellt werden; folgende Angaben sind zwingend (Abs. 2):
a) Seriennummer; b) Hinweis, dass es sich um ein geregeltes Zertifikat
handelt; c) Namen oder Bezeichnung der Inhaberin oder des Inhabers des
zugehörigen privaten kryptografischen Schlüssels; besteht eine
Verwechslungsmöglichkeit, so ist der Name oder die Bezeichnung mit
einem unterscheidenden Zusatz zu versehen; d) bei natürlichen Personen
gegebenenfalls das als solches gekennzeichnetes Pseudonym anstelle des
Namens; e) bei UID-Einheiten die Unternehmens-Identifikationsnummer
nach UIDG; f) der öffentliche kryptografische Schlüssel; g) die
Gültigkeitsdauer; de Name, der Niederlassungsstaat und das geregelte
18
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21
22
Erklärung
ix
Qualifiziertes Zertifikat (lit. h): Ein geregeltes Zertifikat, das die
Anforderungen nach Art. 8827 erfüllt.
Elektronischer Zeitstempel (lit. i): Bestätigung, wonach bestimmte digitale
Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegen.
Qualifizierter elektronischer Zeitstempel (lit. j): Elektronischer Zeitstempel,
der von einer nach ZertES anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten
ausgestellt und mit einem geregelten elektronischen Siegel versehen wurde.
Anbieter von Zertifizierungsdiensten (lit. k): Stelle, die im Rahmen einer
elektronischen Umgebung Daten bestätigt und zu diesem Zweck digitale
Zertifikate ausstellt.
Anerkennungsstelle (lit. l): Stelle, die nach dem THG828 für die Anerkennung
und die Überwachung der Anbieterinnen von Zertifizierungsdiensten
akkreditiert ist.
6. Virtuelle Währung / Kryptowährung
Virtuelle Währungen sind digitale Codes, die einen Wert digital darstellen und
diesen in der virtuellen Welt handelbar machen.829 Emittiert werden virtuelle
Währungen grundsätzlich von dezentralen P2P-Netzwerken (z.B. Bitcoin),
kann aber auch von Instituten ausgegeben werden.830 Virtuelle Währungen sind
elektronische Siegel der Anbieterin von Zertifizierungsdiensten, die das
Zertifikat ausstellt. Dem Zertifikat können noch mehr Elemente
hinzugefügt werden (Abs. 3). 827 Ein qualifiziertes Zertifikat kann nur auf eine natürliche Person ausgestellt
werden (Abs. 1); es enthält einen Eintrag, wonach es nur für die
elektronische Signatur bestimmt ist (Abs. 2) und einen Hinweis, dass es
sich um ein qualifiziertes Zertifikat handelt (Abs. 3). 828 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen
Handelshemmnisse (THG), SR 946.51. 829 Vgl. BUNDESRAT, virtuelle Währungen, 7 f. 830 SANSONNETTI, Bitcoin, 46; KÜTÜK-MARKENDORF, Internetwährungen,
48.
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27
28
Erklärung
x
nicht durch ein gesetzliches Zahlungsmittel unterlegt und unterscheiden sich
dadurch von E-Geld831.832 Virtuelle Währungen qualifizieren in der Schweiz
als Vermögenswerte aber nicht als Währung oder gesetzliches
Zahlungsmittel.833
Eine Unterart der virtuellen Währungen stellen Kryptowährungen dar. Die
bekannteste Kryptowährung ist Bitcoin. Daneben gibt es unzählige weitere
Kryptowährungen, wie bspw. Ether, EtherClassic, Ripple, Litecoin oder
Dash.834 Seit geraumer Zeit ist eine gewisse Begeisterung für
Kryptowährungen in der (Risiko-) Investorenwelt auszumachen, die
zwischenzeitlich auch die breitere Masse erreicht hat.835 Bei Kryptowährungen
gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass es sich dabei um eine Historie von
Transaktionen eines Wertes handelt, der aus dem Nichts geschaffen wurde und
lediglich aus einer Abfolge von Transaktionsdaten besteht.836 Ein
Kryptowährungstoken repräsentiert nie einen individualisierbaren
831 Anders als in der EU ist E-Geld ist in der Schweiz nicht reguliert und stellt
kein gesetzliches Zahlungsmittel dar (vgl. für die EU-Richtlinie
2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung
der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien
2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie
2000/46/EG); vgl. HESS/WEISS VOIGT, E-Geld, 8 f. 832 BUNDESRAT, virtuelle Währungen, 7 f. 833 BUNDESRAT, virtuelle Währungen, 7 f.; ausführlich zum
monetärrechtlichen Hintergrund BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 7 ff.;
ZELLWEGER-GUTKNECHT, Digitale Landeswährung, 4 ff. 834 Eine Übersicht über die sich in Umlauf befindlichen Kryptowährungen
und deren Marktkapitalisierung findet sich unter
https://coinmarketcap.com/currencies/. 835 Vgl. die auch in Massenmedien regelmässig erscheinenden Berichte über
Kryptowährungen und die zunehmende Marktkapitalisierung der
einzelnen Kryptowährungen, zu verfolgen z.B. auf Coinmarketcap
(FN 89). 836 Vgl. SWANSON, Great Chain, 17; allgemein zu Kryptowährungen
MEISSER, Kryptowährungen, 23 ff.
29
Erklärung
xi
Vermögenswert, einzig die zugrundeliegende Transaktion kann in der
Blockchain identifiziert werden.837
7. Token
Es besteht keine einheitliche Definition des Begriffs Token.838 Damit ein
Datensatz (z.B. Wert oder Gegenstand in der realen Welt) Gegenstand von
Transaktionen in einer Blockchain sein kann, muss er einen eindeutigen
Vertreter (Platzhalter) in der Blockchain haben. Dies geschieht mit einem
Token. Die Schaffung eines Token nennt man Tokenizing.839 Verkörpert ein
Token einen Anspruch auf einer Blockchain, ist es ein sog. Native Token.
Native Token verkörpern weder relative noch absolute Rechte.840 Im Gegensatz
dazu werden Token, die für ausserhalb der Blockchain durchsetzbaren Rechte
stehen, sog. Non-Native Token genannt.841 Ein Non-Native Token kann relative
wie auch absolute Rechte repräsentieren.842
Die FINMA qualifiziert Token aus einer finanzmarktrechtlichen Perspektive in
die Kategorien Zahlungs-Token, Nutzungs-Token und Anlage-Token. 843
Dabei sind jedoch Mischformen (hybride Token) nicht auszuschliessen.844
Ein Zahlungs-Token (Currency Token) ist laut FINMA mit Kryptowährungen
gleichzusetzen.845 Es sind diejenigen Token, die tatsächlich oder mit Absicht
des Organisators als Zahlungsmittel für den Erwerb von Waren oder
Dienstleistungen akzeptiert werden oder zur Währungs- und Wertübertragung
dienen. Kryptowährungen – und damit auch Zahlungs-Token – begründen
837 EGGEN, Was ist ein Token?, 228 f. 838 Vgl. EGGEN, Was ist ein Token?, 558, 560; SCHMEH, Kryptografie, 461 f. 839 Vgl. SWAN, Blockchain, 72 f. 840 Ausführliche Begründung bei EGGEN, Was ist ein Token?, 561 ff. 841 EGGEN, Was ist ein Token?, 559. 842 EGGEN, Was ist ein Token?, 563. 843 FINMA, Wegleitung ICOs, 3. 844 FINMA, Wegleitung ICOs, 3; EGGEN, Was ist ein Token?, 561. 845 FINMA, Wegleitung ICOs, 3; EGGEN, Was ist ein Token?, 560.
30
31
32
Erklärung
xii
keine Ansprüche gegenüber dem Emittenten. 846 Die FINMA klassifiziert die
Zahlungs-Token nicht als Effekten, da sie in erster Linie als Zahlungsmittel
konzipiert sind und nicht unter den Effektenbegriff von Art. 2 lit. b
Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG)847 subsumiert werden können.848
Unter Nutzungs-Token (Utility Token) versteht die FINMA die Token, die eine
digitale Nutzung ermöglichen oder Dienstleistung vermitteln, wobei die
Nutzung oder die Dienstleistung auf oder unter Nutzung einer Blockchain-
Infrastruktur erbracht wird.849 Sie werden dann nicht als Effekten qualifiziert,
wenn der Bezug zum Kapitalmarkt fehlt und die Realerfüllung des Anspruchs
im Vordergrund steht.850 Nutzungs-Token können wiederum in Usage Token
und Work Token unterteilt werden, wobei erstere Zugang zu digitalen
Dienstleistungen oder Produkten gewähren, während letztere ein Recht zur
Erbringung einer Leistung sicherstellen.851
Unter Anlage-Token (Real Asset Token) subsumiert die FINMA sämtliche
Token, die Vermögenswerte repräsentieren. Diese Token können
schuldrechtliche Forderungen gegenüber dem Emittenten oder aber ein
Mitgliedschaftsrecht im gesellschaftlichen Sinne darstellen.852 Versprochen
werden beispielsweise Anteile an künftigen Unternehmenserträgen oder
Kapitalflüssen. Je nach wirtschaftlicher Funktion repräsentiert ein solcher
Token eine Aktie, Obligation oder ein Derivat. Ebenfalls in diese Kategorie
fallen diejenigen Token, die physische Wertgegenstände auf der Blockchain
handelbar machen.853 Diese Art von Token werden als Effekten gem. Art. 2
lit. b FinfraG qualifiziert, wenn sie ein Wertrecht repräsentieren und die Token
846 FINMA, Wegleitung ICOs, 3. 847 Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das
Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarkt-
infrastrukturgesetz, FinfraG) vom 19. Juni 2015, SR 958.1. 848 FINMA, Wegleitung ICOs, 4. 849 FINMA, Wegleitung ICOs, 3. 850 FINMA, Wegleitung ICOs, 4. 851 EGGEN, Was ist ein Token?, 559 f. 852 FINMA, Wegleitung ICOs, 3; EGGEN, Was ist ein Token?, 560. 853 FINMA, Wegleitung ICOs, 3.
33
34
Erklärung
xiii
vereinheitlicht und zum massenweisen Handel geeignet sind. Das Gleiche gilt,
wenn der Token ein Derivat repräsentiert.854
8. ICO / TGE
Ein Initial Coin Offering (ICO) (auch Token Generating Event (TGE) oder
Initial Token Sale) ist eine Form der Kapitalbeschaffung.855 Gemäss FINMA
überweisen Anleger den ICO-Organisatoren finanzielle Mittel in Form von
Kryptowährung und erhalten im Gegenzug blockchainbasierte Coins bzw.
Token. Diese Token werden auf einer neu entwickelten Blockchain oder
mittels Smart Contract auf einer bereits bestehenden Blockchain geschaffen
und dezentral gespeichert.856
9. Hard Fork / Soft Fork
Hard Fork und Soft Fork stellen einen Eingriff in die Blockchain dar. Bildlich
gesprochen handelt es sich dabei um eine „Gabelung“ der Blockchain, faktisch
handelt es sich dabei um eine Spaltung. Eine Gabelung, resp. eine Verästelung
widerspricht eigentlich dem Grundwesen der Blockchain; Prinzip ist die
einheitliche, komplett synchronisierte Datensammlung aller Transaktionen
gleichzeitig auf allen angeschlossenen Knotenpunkten. Zu einer Gabelung
kann es in den Fällen kommen, in denen es bspw. neue Konsens-Regeln gibt
und noch nicht aktualisierte Kotenpunkte die neuen Blöcke deswegen nicht
bilden können.857 Bei einem Hard Fork entstehen aus der Gabelung zwei
Blockchains, die separat und autonom voneinander weiterlaufen oder eine
Kette läuft ins Leere und nur eine Gabelung stellt die valide Blockchain dar.
Eine Soft Fork stellt nur eine temporäre Gabelung dar; die Blockchain wird
854 FINMA, Wegleitung ICOs, 4 f. 855 Vgl. ESSEBIER/BOURGEOIS, Regulierung von ICOs, 568; BAFIN,
Hinweisschreiben ICO, Ziff. 5; zur Regluglierung von ICOs in der
Schweiz siehe ESSEBIER/BOURGEOIS, Regulierung von ICOs, 580 ff. 856 FINMA, Wegleitung ICOs, 1. 857 Vgl. BERENTSEN/SCHÄR, Kryptoassets, 73.
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Erklärung
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danach nicht dauerhaft gespalten, sondern wieder vereint weitergeführt.858 Eine
Hard oder Soft Fork kann –falls vorhanden – auch durch die Kontrollinstanz
oder den Systembetreiber im Betrugsfall angewendet werden.
10. DAOs / DAPs / DACs etc.
DAO steht für Dezentrale Autonome Organisation (decentralized autonomous
organization).859 Die DAO ist eine blockchainbasierte Applikation,860 die
individuell programmiert werden kann. Ihre bekannteste Anwendung dürfte
wohl „The DAO“ sein, die aufgrund eines Hackerangriffs einen Verlust von
damals ca. USD Mio. 50 erlitt und zu einer Spaltung der Ethereum-Blockchain
geführte.861
DAP steht für Dezentrale Autonome Applikation, während DAC für Dezentrale
Autonome Company steht.862 Gemeinsam haben alle diese Systeme, dass sie
für dezentrale und autonome Anwendungen auf einer Blockchain-Plattform
stehen. Sie können unterschiedlich ausgestaltet sein und es entstehen auch
fortwährend neue Formen. Meist bestehen sie aus einer dezentralen
Applikation, die verschiedene Smart Contracts enthält.
858 Vgl. ANTONOPOULOS, Mastering Bitcoin, 213 ff. 859 Vgl. www.ethereum.org/dao. 860 BURGWINKEL, Blockchain Technology, 47; MOUGAYAR, Business
Blockchain, 70 ff.; SWAN, Blockchain, 24. 861 Ausführlich GYR, DAO, N 7 ff.; TOSOVIC, DAO-Hack, 159 ff. 862 Vgl. https://blog.ethereum.org/2014/05/06/daos-dacs-das-and-more-an-
incomplete-terminology-guide/.
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