Download - Bürger: Der Traum des Seglers bei Flaute/Lemmerich: Lise Meitner - Max von Laue Briefwechsel 1938-1948/Messing u. Huber: Die Doktorarbeit: Vom Start zum Ziel - Leitfaden für Promotionswillige/Quadbeck-Seeger:

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Der Traum des Seglers bei FlauteVon W. Bürger. Birkhäuser, Basel 1998.

224 S., 100 sw-Illustrationen, Gebunden,DM 49,80. ISBN 3-7643-5879-3

„Der Traum des Seglers bei Flaute“ heißtdas zweite Buch von Professor Bürger zumThema Überraschendes aus der Welt der All-tagsphysik. Es ist wie das erste Werk– „Derparadoxe Eierkocher“ – aus den Aufsätzen in„Prof. Bürgers Kabinett“ in der Zeitschrift„Bild der Wissenschaft“ hervorgegangen.

In 28 kurzen Kapiteln, die sich mit soAlltäglichem wie der Erzeugung von Seifen-

blasen, dem Schau-keln von Kindern,dem Abreißen vonToilettenpapier, oderder Entwicklungeines Staus im Auto-verkehr, aber auchmit eher Ungewöhn-lichem wie demchinesischen Süd-weiser, dem Gegen-stromboot, odereben mit der Frage

beschäftigen, ob ein Segler sein Boot beiFlaute mit Hilfe der eigenen Lunge nach vor-ne treiben kann, wird der Leser zu einfachenphysikalischen Lösungen für zum Teilschwierige Phänomene geführt.

Zur leichteren Verdaulichkeit dienen da-bei neben den unterhaltsamen, themabeglei-tenden Geschichten aus Technik, Kunst,Geschichte oder Biologie, auch die amüsan-ten Zeichnungen von Matthias Schwoerer, diedie Problemstellungen und Lösungen sehrschön grafisch aufbereiten.

An manchen Stellen des Buches liegt dieLatte für den mathematisch, naturwissen-schaftlich nicht so bewanderten Leser aller-dings trotzdem recht hoch. So testet derAutor die Belastbarkeit seiner Leser gleichim ersten Kapitel über den chinesischenSüdweiser mit einer Reihe von Formeln zudenen unter anderem Wahrscheinlichkeits-betrachtungen unter Verwendung von Bino-minialkoeffizienten gehören. Ich fürchte, daßfür einige Leser die „physikalische Spielerei“damit ein schnelles Ende findet.

Für den Leserkreis der PhysikalischenBlätter sollten solche Hürden allerdings keineAbschreckung darstellen, auch wenn sie viel-leicht verhindern, daß das Buch zur leichtenBettlektüre geeignet ist. Dieser Leserkreiswird sicher auch durch dieses Buch vonW. Bürger gut unterhalten, und selbst hart-gesottene Physiker werden an einigen Stellenzu überraschenden Einsichten gelangen.

Wilfried Wurth

Lise Meitner – Max von LaueBriefwechsel 1938 – 1948Von J. Lemmerich (Hrsg.). Berliner

Beiträge zur Geschichte der Naturwissen-schaften und der Technik, Bd. 22, ERS-Verlag,Berlin 1998. 560 S., 4 Abb. , DM 64,50. ISBN 3-928577-32-8

Lise Meitner (1878 – 1968) und Max vonLaue (1879 – 1960) waren gute Freunde, ob-

wohl ihre wissenschaftlichen Arbeitsgebietekaum Berührungspunkte aufwiesen: Meitnerwar Experimentalphysikerin, ihre Hauptar-beitsgebiete waren Radioaktivität, Kernphy-sik und Kernspaltung. Laue dagegen warTheoretiker, dessen Forschungen u. a. aufdem Gebiet der Optik, Röntgenbeugung(wofür er 1914 den Nobelpreis bekam) undSupraleitung lagen.

Im Dritten Reich trafen sich beide regel-mäßig zu langen Gesprächen in MeitnersLabor am KWI für Chemie in Dahlem; nachder Flucht Lise Meitners aus Deutschland imSommer 1938 war Laue der beständigste Kor-respondenzpartner Meitners und – wie siespäter einmal festgestellt hat – ihr treuesterFreund gewesen. Die vorliegende Publikationenthält den Briefwechsel aus den Jahren 1938bis 1948 – fast 400 Briefe und Karten. DerBriefwechsel ist ein intensiver Dialog zweierPersönlichkeiten von außergewöhnlicher In-tegrität, deren Freundschaft die geographi-sche und auch zeitweilige emotionale Distanzüberstand. Meitner berichtet relativ zurück-haltend über ihre Isolation im schwedischenExil. Laue schreibt häufiger und schildert dieVerfolgung der Juden und die ZerstörungDeutschlands. Sein Bericht über die letztenTage Arnold Berliners, des Gründers undHerausgebers der „Naturwissenschaften“, dersich der Deportation durch Selbtsmord ent-zog, und auch seine weitgehend verschlüssel-ten Anspielungen auf die Folterungen unddie Hinrichtung von Plancks Sohn Erwin(1944/45) gehen einem auch heute noch nah;nicht weniger beeindruckend die Berichteüber andere Zeitereignisse.

Allerdings wird die Lektüre der beein-druckenden Briefe durch Lemmerichs zuwei-len etwas nachlässige Editionsarbeit beein-trächtigt. Diese versorgt den Leser zwar mitzusätzlichen Anmerkungen, gelegentlich auchmit historischem Hintergrundwissen sowiemit den Kurzbiographien von Meitner undLaue, doch haben sich dabei eine Fülle vonFehlern eingeschlichen: falsche Namen (z. B.Hans statt Heinrich Welker (S. 190), Carl stattGudmund Borelius (S. 118), Ursberg stattUrfeld (S. 442)), zahlreiche historische Inkor-rektheiten und Fehldatierungen (z. B. warStefan Meyer sechs Jahre älter und nicht jün-ger als Lise Meitner (S. 15); auch übernahmdiese ihre eigene Abteilung am KWI bereits1917 und nicht erst 1924 (S. 15)) und nicht zu-letzt unzählige Schreib- und Druckfehler. Be-sonders ärgerlich ist, daß der wissenschaftli-che Kontext in einigen Fällen fehlerhaft odernur unzureichend dargestellt ist. Letzteresinsbesondere was Lise Meitner betrifft. Soführt Lemmerich zwar die jüngeren biogra-phischen Studien zu L. Meitner auf (auch istihm der Inhalt des Meitner-Nachlasses im Ar-chiv des Churchill-Colleges in Cambridge gutbekannt), doch behandelt er nur dürftig Meit-ners inzwischen gut dokumentierte Rolle beider Entdeckung der Uran-Kernspaltung sowieihre theoretischen Arbeiten dazu mit OttoRobert Frisch im Winter 1938/39. Die Tatsa-che, daß aus diesen Wochen keine BriefeMeitners vorliegen, wird von Lemmerich le-

diglich mit einem späteren Briefauszug Meit-ners an ihre Berliner Freundin E. Schiemannkommentiert, der ihre Heimatlosigkeit undIsoliertheit in Schweden dokumentiert. Eswird an dieser Stelle unverständlicherweisenicht darauf hingewiesen, daß sie in jenenTagen durch die Arbeiten zur Kernspaltungvoll absorbiert war und in einem intensivenBriefwechsel mit Otto Hahn und Frisch stand.Dies ist speziell im Falle Meitners nicht hin-zunehmen, da eine solche Mißachtung vorlie-gender Dokumente die übliche Nichtwürdi-gung von Lise Meitners Rolle bei der Ent-deckung der Kernspaltung perpetuiert.

Trotz solcher editorischer Mängel ist derBriefwechsel selbst ein reiche Sammlung, dienicht nur den Historiker, sondern jeden Leserinteressieren wird.

Ruth Lewin Sime

Die Doktorarbeit: Vom Start zum Ziel – Leitfaden für PromotionswilligeVon B. Messing u. K.-P. Huber. Springer,

Heidelberg 1998. X + 139 S., Broschiert, DM 34,—. ISBN 3-540-64945-X

Viele Doktoranden/innen ringen geradezu Beginn ihrer Promotion mit ganz typi-schen Problemen und Herausforderungen.Die beiden Autoren, Barbara Messing undKlaus-Peter Huber, geben hierzu in locker ge-schriebenem Ton grundlegende Denkanstöße.Dabei werden sowohl die eigentliche Motiva-tion für eine Promotion hinterfragt als auchhandfeste Tips zur Durchführung der Promo-tion gegeben. Zwölf Arbeitsbögen sollen hel-fen, die Ratschläge praktisch umzusetzen.

Zu Beginn steht die Frage nach dereigentlichen Motivation für eine Promotionund den damit verbundenen hohen persönli-chen Einsatz. Im Anschluß daran werden diegrundlegenden Möglichkeiten der Finanzie-rung einer Promotion angesprochen. Die Au-toren thematisieren die Beziehung zum Dok-torvater, zum Betreuer und zu finanzierendenInstitutionen und behandeln auch Problemewie Mobbing, Teamarbeit, Umgangston undAustauschmöglichkeiten. Etwas ausführlicherwerden im folgenden die Auswahl des The-mas und das Generieren von Ideen bespro-chen. Insbesondere finden sich hier Anregun-gen, wie man sich aus der Informationsflutein Thema auswählt, das sowohl wissen-schaftliche Relevanz als auch persönlicheFaszination besitzt. In diesem Zusammen-hang werden Kreativitätstechniken wieBrainstorming und Mindmapping angespro-chen. Das folgende Kapitel behandelt dasZeitmanagement. Es gibt wichtige praktischeAnregungen zur Zeitanalyse und zum Den-ken in operationalisierten Zielen. Eine kurzeDiskussion zum Umgang mit Frustrationschließt sich an. Den letzten Teil des Buchesbilden praktische Hinweise zum Halten vonVorträgen und Verfassen der Doktorarbeit.Zum Abschluß des Buches findet sich einkurzer Ausblick auf die Zeit nach der Promo-tion. Ein hilfreiches kommentiertes Literatur-verzeichnis rundet das Buch ab.

Es gelingt den beiden Autoren, praktischeHilfe für die Konzeption der Doktorarbeit zugeben. Das Buch ist durchweg in einemleicht zu lesenden, lockeren Stil geschriebenund empfiehlt sich für alle, die am Beginn ei-ner Promotion stehen, als einführender erster

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Priv.-Doz. Dr. Wilfried Wurth,Technische Univer-sität München,Garching

Prof. Ruth Lewin Sime, Department of Chemistry, Sacra-mento City College,Sacramento, USA

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Wegweiser. (Problem-) erfahrenere Doktoran-den finden hier allerdings wenig Neues.

Christian Bloch

Faszination Innovation. Wichtigesund Wissenswertes von A bis ZVon H.-J. Quadbeck-Seeger. WILEY-VCH,

Weinheim 1998. XIII + 296 S., Broschur,DM 48,—. ISBN 3-527-29563-1

Den rührigen Markt der Innovationslite-ratur hat Quadbeck-Seeger durch eine inno-vative Neuerscheinung bereichert: Ein Lese-buch über Innovationsmanagement. Es istkein Lehrbuch (denn es verzichtet auf Detailsund Systematik), keine Sammlung von Fall-studien und verkündet auch keine „NeueLehre“. Am ehesten ähnelt es einer Enzy-klopädie, denn der Stoff ist nach 150 Schlag-worten in kurze Abschnitte gegliedert. DerAutor erreicht seine Absicht, dem Leser Mutzu Innovationen und gleichzeitig Vergnügenzu machen, indem er eine breite Palette vonSachinformationen auf lockere und amüsanteWeise darstellt.

Inhaltlich befaßt sich das Buch mit fastallen gängigen Problemen und Methoden desInnovationsmanagements (z. B. Benchmar-king, Re-engineering, Wertanalyse usw.).Außerdem wird dem Menschlichen breiterRaum gewidmet. Schlagwörter hierzu sindAnerkennung, Betriebsklima, Glück, Humor,Teamwork und viele andere. Über die Inno-vationsfaktoren im engeren Sinne hinausgelingt dem Autor eine wohltuende Farbig-keit der Darstellung durch Hinweise auf dieTradition grundlegender Ideen (Pythagoras,

Heraklit, Sokrates ...), die Wurzeln modernerDenkweisen (z. B. bei Francis Bacon, Kon-dratjeff, Schumpeter, Edison) und die Ver-knüpfung mit der Alltagswelt in Form vonStaat und Sport, Kunst und Küche.

Das bunte Panorama der Innovationsland-schaft wird auf leseappetitliche Weise ser-viert. Nirgends entsteht der Eindruck vonFaktenhuberei. Selbst schwierige Themenwerden stets durch (manchmal kuriose) Zita-te, Anekdoten und gelegentlich auch durcheinen flotten Spruch aufgelockert. Man spürt,daß der Autor in der Materie souveränzuhause ist, selbst viel Spaß am Innovierenhat und auch zu erfrischender Selbstironiefähig ist. Das Buch kann man (auch ohneZweckbindung) um seiner selbst willen lesen– eben ein Lesebuch.

Seiner Natur entsprechend wendet sichdas Buch nicht an einen bestimmten Leser-kreis. Bürgern und Politikern, die techni-schen Innovationen nicht besonders nahe-stehen, wird es ebenso nützlich sein wieinteressierten Studenten oder Fachleuten an-derer Disziplinen. Natürlich kann das Buchnur einen ersten Eindruck vermitteln, es sollAppetit auf mehr machen. Zum tiefergehen-den Studium lädt eine Literaturliste ein, diemit 145 Eintragungen die wichtigsten Werkeder neunziger Jahre umfaßt. Da der Autorauf Fußnoten und Zitate verzichtet hat, dürfteder Einstieg in die Originalliteratur etwasRecherchearbeit kosten. Für innovative Un-ternehmensgründer sind Adressen von über90 innovationsfördenden Institutionen bei-gefügt.

Das Buch ist sorgfältig gearbeitet undenthält nur wenige Druckfehler. Unglückli-cherweise hat sich im ersten Kasten auf Seite6 ein sinnentstellender Fehler eingeschlichen,es soll wohl heißen: „Invention ist nichtgleich Innovation“. Dies und andere Kleinig-keiten müßten in einer zweiten Auflage be-richtigt werden, die dem Buch sicherlich zuwünschen wäre.

Karl Joachim Schmidt-Tiedemann

String TheoryVon J. Polchinski. Cambridge University

Press, Cambridge 1998. Vol. I: XIX + 402 S./Vol. II: XIX + 531 S., hardback, £ 65.–. ISBN0-521-63312-5

Die Stringtheorie ist eine physikalischeTheorie zur Beschreibung der Natur bis hinzu sehr kleinen Längenskalen. Das Konzeptvon punktförmigen Elementarteilchen alsBausteine der Materie wird aufgegeben unddurch eindimensionale ausgedehnte Objekte– Strings – ersetzt. Als Eigenanregungen derStrings können die beobachteten Teilchenund ihre Wechselwirkungen widerspruchsfreibis zu sehr hohen Energien beschriebenwerden. Die Stringtheorie wird seit Ende der 60er Jahre entwickelt und ist heute einwichtiges Fachgebiet der theoretischen Hoch-energiephysik. Die ganz aktuellen Entwick-lungen (seit etwa 1995) erscheinen vomaugenblicklichen Kenntnisstand her alsaußerordentlich weitreichend und habenunser Verständnis der Physik bei sehrkleinen Längenskalen nachhaltig verändert.

Das zweibändige Buch von J. Polchinski

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ist eine umfassende, moderne und konzeptio-nell überzeugende Darstellung der String-theorie von den Grundlagen bis hin zu denaktuellen Entwicklungen. Joseph Polchinskiist weltweit einer der führenden Physiker inder theoretischen Hochenergiephysik, der we-sentliche Beiträge, nicht nur in der String-theorie, sondern auch auf verschiedenen Ge-bieten der Quantenfeldtheorie geleistet hat.In seiner Darstellung der Stringtheorie gehtauf fruchtbare Weise diese breite, auf einemtiefen Verständnis der Quantenfeldtheoriebasierende Sichtweise ein.

Der erste Band ist dem bosonischenString gewidmet; an ihm werden detailliertund pädagogisch die zentralen Elemente derStringtheorie dargestellt. Darüber hinauswerden die für die neueren Entwicklungenwichtigen Konzepte (D-Branes, T-Dualität)eingeführt. Besonders überzeugend finde ichdie ausgewogene Symbiose zwischen denmathematisch-technischen Details der durch-geführten Rechnungen und den physikalisch-intuitiven Einsichten. Der zweite Band wid-met sich der Superstringtheorie und den neu-en Entwicklungen wie D-Branes und starkgekoppelten Stringtheorien. Die letzten vierKapitel entwickeln den notwendigen For-malismus, um Stringtheorie in vier Raum-Zeit-Dimensionen zu konstruieren und dis-kutieren einige der phänomenologischenKonsequenzen. Auch hier zeichnet sich dieDarstellung durch große Sorgfalt undpädagogisches Geschick aus. Insbesonderewerden die Ergebnisse im Zusammenhangmit den Konzepten der Teilchenphysik und

Quantenfeldtheorie erläutert und diskutiert.Zwei Anhänge (über Pfadintegrale, Super-symmetrie und Spinoren) runden die gelun-gene Darstellung ab. Sehr hilfreich ist dasangefügte Glossar, in dem die zentralen Be-griffe und Definitionen des Textes knapp er-läutert werden. Dadurch ist auch die Lektüreeinzelner Kapitel möglich. Ich persönlichglaube, daß hier ein wirklich hervorragendesBuch gelungen ist, das einen mittlerweilebreiten und vielschichtigen Forschungszweigansprechend, kohärent und didaktisch ge-schickt vorträgt.

Jan Louis

Physik I: Mechanik und WärmeVon K. Dransfeld, P. Kienle und

G. M. Kalvius. 8., vollst. überarb. Aufl., Olden-bourg Verlag, München 1998. XIV + 407 S.,260 Abb. , 31 Tab., paperback, DM 49,80.ISBN 3-486-24052-8

Der erste Band der Reihe PHYSIK I – IVist in der 8. Auflage überarbeitet erschienen.Er trägt jetzt den Untertitel „Mechanik undWärme“. Große Teile der früheren Auflagenwurden unverändert übernommen, aber invielerlei Hinsicht ergänzt und auf den neue-sten Stand gebracht. So wurde z. B. ein neuesKapitel „Die feste Materie“ eingefügt und dasKapitel „Flüssigkeiten und ihre Bewegung“wesentlich erweitert. Vollkommen neu ist derTeil B: „Grundlagen der thermischen Physik“.Der Umfang des Buches entspricht jetzt eherden Kriterien eines Lehrbuches als früher.

Die Zielsetzung der Autoren, mit ihrerDarstellung des Stoffes u. a. „weitergehende

Neugierde“ und „schon früh Interesse für un-sere schöne Wissenschaft“ zu wecken, ist vonBeginn an bei der Lektüre zu spüren. Vieleausführliche Hinweise auf Querverbindungenzu aktuellen und modernen Themen der Phy-sik und ihrer Nachbardisziplinen halten denText lebendig und regen immer wieder zumWeiterlesen an. Bezüge zur Kern- und Ele-mentarteilchenphysik werden ebenso aufge-zeigt wie zu Problemen der Geophysik oderzur Astronomie. Selbst über den Nanomotorder Bakterien, über Fullerene und das Raster-kraftmikroskop wird der Leser informiert.Auch historische Bezüge sind immer wiederzu finden. Neben einer ausführlichen Über-sicht über andere gängige Physik-Lehrbücherwird zu allen Kapiteln eine große Auswahlweiterführender Literatur angegeben. Bei al-ledem kommen aber die eigentlich darzustel-lenden Grundlagen keineswegs zu kurz,mathematische Formulierungen bzw. Ablei-tungen erscheinen in der notwendigen Aus-führlichkeit und sind gut nachzuvollziehen.Hilfreich sind Kurzzusammenfassungen amRand und eine Reihe anregender Übungsfra-gen, für die man sich allerdings kurze Ant-worten am Ende des Buches wünschen wür-de. Schließlich lockern zahlreiche erläuterndeBeispiele zu verschiedenen Themenkreisenund Gesetzmäßigkeiten den Text auf.

Natürlich gilt auch für dieses Buch, daßeine gewisse Vorbildung vorhanden seinmuß. Dies gilt nicht nur für die Mathematik,bei der Kenntnisse in Differential- und Inte-gralrechnung sowie Vektorrechnung voraus-gesetzt werden, sondern auch für einige phy-

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Dipl.-Phys. ChristianBloch, Institut fürQuantenoptik, Uni-versität Hannover

Prof. Dr. KarlJoachim Schmidt-Tiedemann,Rellingen

Prof. Dr. Jan Louis,Fachbereich Physik,Universität Halle

sikalische Grundlagen. So wird u. a. derUmgang mit physikalischen Größen undGrößengleichungen vorausgesetzt. Masse undZentrifugalkraft werden z. B. schon lange vorihrer Einführung bzw. der Erläuterung ihrerEinheiten verwendet. Für interessierte Stu-denten ist dies sicher kein Nachteil. In eini-gen Passagen könnten Anfänger allerdingstrotz guter Vorbildung auch Schwierigkeitenbekommen: Die konsequente Verwendungdes Begriffes „Arbeit leisten“ bzw. „Arbeitslei-stung“ irritiert, zumal nicht immer klar ge-sagt wird, welchem System Arbeit zugeführtoder abgenommen wird oder welche Kraft indas Integral einzusetzen ist. Dies betrifftbesonders den Teil B über die thermischePhysik. Eine weitere Schwierigkeit in diesemTeil ist die Nichtverwendung der Größe„Stoffmenge“. Dies mag Absicht sein, da diePhysik ja auch ohne diese Größe formuliertwerden kann. Dann müßte aber konsequen-terweise die Einheit „Mol“ auch vermiedenwerden, die jedoch benutzt wird. Dadurchentstehen manchmal schwer verständlicheund z. T. auch falsche Formulierungen.Schließlich sind auch die Ausdrücke „proZeiteinheit“, „pro Volumeneinheit“ oder „Ein-heitsfläche“ nicht richtig, falls die angegebe-nen Formeln Größengleichungen sein sollen.

Alles in allem handelt es sich um einempfehlenswertes Buch, für Physikstudentenebenso wie für andere physikalisch Interes-sierte.

Klaus Lüders

Conceptual Developments of 20th Century Field TheoriesVon Tian Yu Cao. Cambridge University

Press, Cambridge 1998. XX + 434 S.,paperback, £ 22.95. ISBN 0-521-63420-2

Der Autor, ein Philosoph an der BostonUniversity, stellt sich eine sehr ehrgeizigeAufgabe: die Entwicklung der Feldtheorienvon Maxwells klassischer Elektrodynamik biszu den quantisierten Eichtheorien des Stan-dardmodells der Elementarteilchen philoso-phisch aufzuarbeiten und daraus wissen-schaftstheoretische Lehren zu ziehen. DerStandpunkt des Autors hebt sich wohltuendvon dem in den sogenannten science studiesgrassierenden Relativismus ab, der letztend-lich jeden Fortschritt der Naturerkenntnisleugnet. Man muß den Fleiß bewundern, mitdem der Autor tief in technisch-mathemati-sche Details einsteigt. Die Frage ist nur, werdas lesen kann und soll. Für das allgemeinePublikum ist das Buch kaum verständlich, daes den Leser mit Begriffen und Formeln ausder theoretischen Physik konfrontiert, ohnesie hinreichend zu erklären. Man muß imGrunde ein theoretischer Physiker sein, umdem Buch folgen zu können.

Ein Physiker wird aber beim Lesen auftechnische Details achten und stößt dann aufAussagen wie die, ein Operator mit reellenEigenwerten sei hermitesch, oder bei dimen-sionaler Renormierung sei die Impulsintegrati-on nach dem Grenzwert d → 4 durchzuführen.Oder es heißt „renormalization blurs anypoint-like character“. Auch begriffliche Un-schärfen wie die Vermengung von Nambu-Goldstone- und Higgs-Mechanismus oderEichtransformationen 1. und 2. Art stören.Generell scheint der Autor fälschlich Quanti-sierung mit Diskretheit zu identifizieren; die

wirklichen begrifflichen Schwierigkeiten„quantisierter Geometrie“ scheinen ihm nichtbewußt zu sein. Bedauerlich ist auch, daßwichtige Dinge überhaupt nicht angesprochenwerden. In einem so philosophisch orientier-ten Buch sollte z. B. eine Diskussion des Reeh-Schlieder-Theorems nicht fehlen, das zeigt, wieproblematisch und mysteriös die Lokalisie-rung relativistischer Quantenfelder ist. DieDiskussion der Renormierung beschränkt sichleider fast ausschließlich auf die Störungs-theorie; nichtperturbative Zugänge wie dieGitterfeldtheorie oder die konstruktive Quan-tenfeldtheorie, die zumindest konzeptionellsehr viel klarer sind, werden nicht behandelt.

Trotz dieser Einschränkungen kann einFeldtheoretiker dieses Buch mit Gewinn le-sen. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenkenan, wie der erstaunliche empirische Erfolgder Quantenfeldtheorie angesichts ihrer kon-zeptionell so verschlungenen und wider-sprüchlichen Geschichte zu erklären ist.

Erhard Seiler

Scanning Probe Microscopy. Analytical MethodsVon R. Wiesendanger (Hrsg.). Springer,

Heidelberg 1998. XII + 216 S., 139 Abb. ,Hardcover, DM 118,—. ISBN 3-540-63815-6

Sehr zeitgerecht hat Herr Wiesendanger,der mit seiner Arbeitsgruppe in Hamburgselbst intensiv verschiedenste Aspekte derRastertunnelmikroskopie bearbeitet, derAutor eines wertvollen Lehrbuchs und Mit-herausgeber verschiedener Übersichtsbändeist, einen weiteren äußerst interessantenSammelband über den Einsatz von Rasterver-fahren zu analytischen Zwecken herausge-bracht. Der zentrale Themenkreis betrifft dieErzielung von chemischem Kontrast aufNanometer- und letztendlich auch auf atoma-rer Skala. Dabei spielen als experimentelleParameter bei Rastertunnelmikroskopie

(RTM) neben Pola-rität, chemischer Zu-sammensetzung derSpitze, lokaler Tun-nelbarriere und Aus-trittsarbeit auch ela-stische und inelasti-sche Tunnelspektro-skopie, bei Atom-kraftmikroskopieOberflächenelasti-zität, vertikale undlaterale Kraftunter-

schiede wichtige Rollen. Die Autoren sindallesamt Experten, zum Großteil auch Pionie-re der von ihnen beschriebenen Methoden.

Nach einer kurzen Einleitung des Heraus-gebers widmet sich Kap. 2 von T. A. Jung, F. J.Himpsel, R. R. Schlittler und J. K. Gimzewskiden Möglichkeiten, mit Rasterproben-Mikro-skopie und -Spektroskopie zu chemischer In-formation über die abgetasteten Oberflächenzu gelangen. In Kap. 3 diskutiert R. Möller,für welche Probleme Thermospannungsmes-sungen von Vorteil sein können. In Kap. 4 be-schäftigt sich R. Wiesendanger mit der faszi-nierenden Frage, inwieweit die Unterschei-dung verschiedener magnetischer Ionen mitspin-polarisierter RTM möglich ist und wel-che Informationen über den magnetischenZustand der Proben man erhält. Ebenfallssehr spannend zu lesen ist Kap. 5 von R.

Berndt über Lichtemission aufgrund von in-elastischen Tunnelprozessen bei RTM. In Kap.6 diskutiert M. Völcker die aktuelle Frage, in-wieweit das Einkoppeln von Laserlicht in einRTM einen interessanten variablen externenParameter für chemische Sensitivität ergibt.Das abschließende Kap. 7 von U. C. Fischerbringt einen Überblick über entsprechendeEntwicklungen der optischen Rasternahfeld-Mikroskopie.

Alle Beiträge zeichnen sich durch guteVerständlichkeit aus und geben einen zuver-lässigen Überblick über die technischen Er-fordernisse für die verschiedenen Varianten,über die bisher erzielten wissenschaftlichenResultate und schließen mit einer kritischenEinschätzung zukünftiger Möglichkeiten. Ins-gesamt zeichnet der Band ein ausgezeichne-tes, lehrreiches Bild sehr wichtiger neuer Ent-wicklungen der Rastersondenmethoden, unddas Buch wird deshalb nicht nur in den mei-sten Bibliotheken zu finden sein, sondern vorallem auf manchem Arbeitstisch im aktuellenGebrauch.

Karl-Heinz Rieder

Foundations of Complex-systemTheories in Economics, Evolutio-nary Biology and Statistical PhysicsVon S. Y. Auyang. Cambridge University

Press, Cambridge 1998. XII + 404 S.,Hardcover, £ 50.–. ISBN 0.521-62167-4

Die Physikerin Sunny Auyang vomNational Magnet Laboratory am M.I.T. wähltein Einstein-Zitat als Motto ihres fachüber-greifenden Buches über komplexe Systeme inÖkonomie, Evolutionsbiologie und statisti-scher Physik: Danach ist Denken ohne allge-meine Kategorien so unmöglich wie Atmenim Vakuum. Das Buch beabsichtigt daher ei-ne nichttechnische Einführung in die Grund-lagen komplexer Systeme.

Komplex sind sich selbst organisierendeSysteme mit vielen Komponenten (z. B. Ferro-magnete mit atomaren Dipolen, zelluläre Or-ganismen, Populationen, die Agenten einerMarktwirtschaft), die unter geeigneten Bedin-gungen durch Wechselwirkung ihrer Elementeauf der Mikroebene kollektive Ordnungsstruk-turen auf der Makroebene ausbilden – von derAusrichtung aller Dipole im Magnetisierungs-zustand eines Ferromagneten am Curie-Punktüber kollektive Wolkenbildung bis zur Aus-richtung von Angebot und Nachfrage im öko-nomischen Gleichgewicht. Zur mathemati-schen Präzisierung reicht allerdings die infor-mationstheoretische Komplexität nicht aus,die hohen Regularitäten geringe und Zufalls-sequenzen maximale Komplexität zuspricht.

Im ersten Hauptteil (Equilibrium) werdenzunächst die Wechselwirkungskräfte be-schrieben, die zu physikalischen, biologi-schen und ökonomischen Gleichgewichtenführen. Grundlegend sind die unterschiedli-chen physikalischen, biologischen und öko-nomischen Zustandsräume. Im Anschluß anLandau wird die Selbstorganisation komple-xer Systeme durch Phasenübergänge von Ma-krozuständen (Ordnungsparameter) erklärt.Spontane Symmetriebrechungen lassen sichauch in biologischen und ökonomischen Systemen nachweisen. Auyang erwähnt aller-dings mit keinem Wort die modernen Weiter-entwicklungen von Landaus Theorie bei H. Haken u. a.

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Prof. Dr. KlausLüders, Institut fürExperimentalphysik,Freie UniversitätBerlin

Dr. Erhard Seiler,MPI für Physik,München

Prof. Dr. Karl-HeinzRieder, Institut fürExperimentalphysik– WE 1, Freie Uni-versität Berlin

Prof. Dr. KlausMainzer, Lehrstuhlfür Philosophie undWissenschaftsge-schichte, UniversitätAugsburg

Dr. Jürgen Schnack,Fachbereich Physik,Universität Osna-brück

Im 2. Hauptteil (Dynamics) werdenzunächst Grundbegriffe dynamischer Systeme(Nichtlinearität, Phasenporträt, Attraktor,Bifurkation, Chaos, Stabilität, Ergodizitätu. a.) eingeführt und durch Anwendungenkonservativer und dissipativer Systeme inPhysik, Evolutionsbiologie und Ökonomie er-läutert. Ausführlich beschreibt Auyang dieGrundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorieund stochastischen Dynamik. Am Ende desBuches geht es um die kosmische Evolutionals Ergebnis einer irreversiblen Nichtgleich-gewichtsdynamik. Die blinden Flecken desZufalls und der Ungewißheit sind, so die Au-torin, die Grenzen unserer Denkkategorien.

Zusammengefaßt: Eine kenntnis- und fa-cettenreiche Einführung mit vielen Bezügenzur kontinentalen und angloamerikanischenPhilosophiegeschichte, die allerdings in deraktuellen Diskussion komplexer Systemenicht immer auf dem neuesten Stand ist.

Klaus Mainzer

Quantum MechanicsVon E. Merzbacher. 3. Aufl., Wiley, New

York 1998. XVI + 656 S., geb., DM 95,–. ISBN 0-471-88702-1

Das Buch ist in einer dritten, völlig über-arbeiteten Auflage erschienen. Es ist als Be-gleitung eines wenigstens einjährigen Kursesgedacht und wendet sich an Studenten, dieVordiplomskenntnisse in Mechanik, Elektro-

dynamik sowieAtomphysik besit-zen. Die Quantenme-chanik wird in ihrerganzen Breite behan-delt. Das Buch be-ginnt mit der Wel-lenmechanik, derviel Platz eingeräumtund auf die immerwieder zurückgegrif-fen wird. Freie Bewe-

gung, harmonischer Oszillator, stückweisekonstante Potentiale werden ausführlich be-handelt. Ebenso detailreich diskutiert der Au-tor Näherungsverfahren wie WKB und Varia-tionsrechnung. Mathematische Grundlagenüber Vektorräume, Operatoren und deren Ei-genschaften schließen sich an. Der Drehim-puls wird im Zusammenhang mit sphärischsymmetrischen Potentialen und Streutheorieeingeführt. Spin, Zweiniveausysteme, Symme-trien und Störungstheorie werden ebenfallsgründlich besprochen. In höheren Kapitelnbehandelt das Buch einführend komplexereund moderne Themen der Quantenmechanikwie Vielteilchensysteme, Quantenoptik, relati-vistische Quantenmechanik und Quantensta-tistik/Informationstheorie.

Der Stoff wird detailreich besprochen,viele Beispiele werden durchgerechnet. Be-handelter Stoff wird immer wieder aufgegrif-fen und so vertieft. Die Aufgaben sind in denText eingeflochten, um durch sofortigesLösen ein tieferes Verständnis zu ermögli-chen. Musterlösungen werden allerdingsnicht angegeben. Der Autor behandelt auchThemen, die in anderen Quantenmechanik-büchern eher zu kurz kommen, so diekohärenten Zustände, den getriebenen har-monischen Oszillator und nichtorthogonaleBasen.

Konzeptionell ist das Buch in den Ein-gangskapiteln z. B. mit den Standardwerkenvon W. Greiner oder C. Cohen-Tannoudji ver-gleichbar, da es die Grundzüge der Quanten-mechanik am Beispiel der Wellenmechanikerklärt. Für meinen Geschmack bleibt demlernenden Leser dadurch zu lange verborgen,was ein Zustand und seine Darstellung sind,obwohl die Fourier-Transformierte der Wel-lenfunktion schon verwendet wird. Ebensoverhält es sich mit der Verwendung der Bra-Ket-Schreibweise, die zur Angabe von Ampli-tuden und Matrixelementen herangezogen,aber erst viel später erklärt wird.

Von diesen Einwänden abgesehen, ist dasBuch aufgrund seines Ausführlichkeit alsLehrbuch für Studenten gut geeignet, insbe-sondere wenn auch die besuchte Vorlesungkonzeptionell ähnlich vorgeht.

Jürgen Schnack

Maple, Mathematica, Mathcad und das InternetVertrieb des MapleExplorer: Scientific

Computers, Tel.: (0241) 470-750, Fax: 449-83, e-mail: [email protected], WWW:www.scientific.de. Listenpreis: 150 DM.

Mit dem Erscheinen des neuen Release5.1 von Maple V hat Waterloo gleich nochden „MapleExplorer“ dazu gegeben, mit demes möglich sein soll, Maple-Dokumente miteinem Browser (Internet Explorer, Navigator)im Internet interaktiv zu erleben. Aus diesemAnlaß sollen hier der „MapleExplorer“ zu-sammen mit der Internet-Integration der drei großen Mathematikprogramme Maple,Mathematica und Mathcad dargestellt wer-den. Wofür das Internet bezüglich der Mathe-matikprogramme steht, ist dabei eine grund-sätzliche Frage, die gestellt werden muß. AlsWissenschaftler steht sicherlich die Möglich-keit im Vordergrund, eigene Ergebnisse imInternet zu präsentieren. Für andere Nutzer,z. B. Lehrer, kann das aber vielleicht nicht ge-nug sein. Denn, wenn man so etwas wie eininteraktives Lehrbuch im Internet/Intranet(Schule) veröffentlichen wollte, dann darf dieInteraktivität der gestalteten Internet-Seitennicht fehlen. Sonst würde das Erlebnis vonMathematik oder Physik für Schüler über dasneue Medium Internet schnell langweiligwerden.

Grundsätzlich sollte das mit dem Mathe-matikprogramm erstellte Dokument in dasfür das Internet nötige Format übersetzt wer-den, damit es sich mit einem Browser dar-stellen läßt. Üblicherweise denkt jetzt jederan das HTML-Format. Da aber HTML keinFormelzeichensatz einschließt, wurden bis-lang die Formeln in den übersetzten Doku-menten mit Gif-Bildern dargestellt. Diese Artund Weise hat nun den entscheidenden Nach-teil, daß eine mit vielen Formeln und damitvielen Gif-Bildern besetzte Internet-Seite einlanges Laden bedeutet, welches im Internetgeradezu verschrieen ist. Dies kann nichtzufriedenstellen und wird deswegen in allendrei Programmen mit verschiedenen Ansät-zen gelöst.

Maple kann und konnte schon früherMaple-Dokumente in das TeX-Format über-setzen. Mit dem neuen MapleExplorer, derein mit IBM-Technologie (Tech-Explorer) ar-beitendes „plug-in“ für Browser (Navigator/Internet Explorer) ist, lassen sich diese ins

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TeX-Format übersetzten Maple-Dokumentemit dem Browser laden. Außerdem sind dieins TeX-Format übersetzten Maple-Dokumen-te mit dem MapleExplorer interaktiv, d. h. der farbig unterlegte Maple-Code wird ausge-führt, wenn man draufklickt. Dabei wirdMaple gestartet und der Maple-Code an-schließend in Maple ausgeführt. Die mitMaple ins TeX-Format übersetzten Maple-Dokumente sind sowohl mit einem Browserdarstellbar als auch interaktiv. Problematischist der Ansatz des MapleExplorer, weil ersehr proprietär ist, denn das von Maple er-zeugte Format (TeX+Maple-Code) kann einBrowser nur mit dem „MapleExplorer“ plug-in verstehen. Außerdem geht die Interakti-vität verloren, wenn man kein Maple besitzt,welches zum Beispiel für viele Schüler zutref-fen könnte. Andererseits kann dieser Ansatzauch positiv gesehen werden, weil die vonWissenschaftlern meist in TeX verfaßtenArbeiten auf einem Schlag internetfähigwerden.

Mathcad geht einen komplett anderenWeg und bleibt mit diesem sogar noch stär-ker auf das eigene Produkt beschränkt alsMaple mit dem MapleExplorer. Mathsoft hat den Internet Explorer von Microsoft indem Programm Mathcad integriert. Hier ar-beitet kein Übersetzungsprogramm, das dieMathcad-Dokumente nach HTML oder TeXübersetzt. Mathcad hat vielmehr Browser-Fähigkeiten, wie HTTP und HTML, in demsogenannten „ResourceCenter“ integriert, dasneben HTML auch Mathcad-Dokumente dar-stellen kann. Wenn ein Mathcad-Dokument

mit dem ResourceCenter über das Internetgeöffnet wird, kann dieses ausgeführt, geän-dert und in eigene Dokumente kopiert wer-den. Also so wie die Umsetzung der Internet-Integration sein sollte. Ein anderer Browser(Navigator/Internet Explorer) kann dasMathcad-Dokument dagegen nicht öffnen.Um sein Mathcad-Dokument nicht nur derMathcad-Gemeinde zugänglich zu machen,ist der alte Weg zu gehen, bei dem die For-meln als Gif-Bilder dargestellt werden. Trotz-dem muß man dem Ansatz von Mathsoft mitihrem ResourceCenter bescheinigen, daß hierdas Internet wirklich integriert wurde. Wenndie ganze Welt Mathcad hätte, wäre dieseLösung die „schönste“ bezüglich der Ausnut-zung des Internets.

Mathematica ist der dritte im Bunde.Wolfram Research geht mit Mathematicainsofern in die Richtung von Maple, als auchbei Mathematica ein ÜbersetzungsprogrammMathematica-Dokumente in ein Browser-fähiges Format übersetzt. Damit hört dieÜbereinstimmung aber auch schon auf, dennanders als Maple übersetzt Mathematica dieFormeln in das MathML-Format, eine von derInternet-Gemeinde (W3C) allgemein aner-kannte Erweiterung (XML) zu HTML. Derentscheidende Vorteil ist hierbei, daß dieseDokumente bald für jeden, der einen Navi-gator/Internet Explorer hat, lesbar sein wer-den – vorausgesetzt, daß die nächste Genera-tion von Browsern die Erweiterungsstandards(XML) und somit auch MathML unterstützen.Mit dem IBM-TechExplorer plug-in für denNavigator/Internet Explorer oder mit dem

vom W3C-Konsortium entwickelten Browser„AMAYA“ ist dies schon heute möglich.

Mathematica versteht aber auch MathML,so daß in MathML im Internet publizierteMathematica-Programme auf einfache Weiseper copy/paste kopiert und danach ausgeführtwerden können. Dieser Ansatz ist vom Ge-danken her nicht so sehr auf das eigene Pro-dukt beschränkt, denn MathML ist einallgemein anerkannter Standard. Diese„rühmliche“ Tatsache wird allerdings in derersten Stufe der Internet-Integration mit einerfehlenden Interaktivität des von Mathematicaerzeugten MathML-Dokuments bezahlt.

Die Frage, welcher Ansatz der beste oderrichtige ist, ist eigentlich nicht zu beantwor-ten. Maples Ansatz ist praktikabel, weil dieerstellten Dokumente (TeX) auch für Veröf-fentlichungen verwendbar sind. Die Doku-mente sind über das Internet allerdings nurfür Besitzer des MapleExplorers zugänglich.Mathcad hat das Internet voll integriert undist einfach „nett“. Es macht Spaß, damit inDokumenten zu „surfen“. Allerdings ist dasnur mit dem Program Mathcad zu genießen.Mathematicas Ansatz wird sich meiner Mei-nung nach als der richtige Ansatz herauskri-stallisieren. Denn weder TeX noch das For-mat von Mathcad sind allgemeiner Standardim Internet, sondern MathML. Hier liegt dieZukunft des Internets bzgl. mathematischorientierter Internet-Dokumente.

Filip Floegel

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 7/8110

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Dipl.-Phys. FilipFloegel, Institut fürTheoretische Physik,Universität Hanno-ver