Dr Matthias Hengelbrock (Altes Gymnasium Oldenburg)
Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht Zentralabitur 201617 Profil A Leitthema 6
Arbeitskreis im Rahmen des Landestages des Niedersaumlchsischen Altphilologenverbandes Wilhelm-Gymnasium Braunschweig 13 November 2015
Die Philippischen Reden gelten als Houmlhepunkt der politischen Rede in Rom Cicero versucht in der Buumlrgerkriegssituation der ausgehenden roumlmischen Republik den Senat zum Kampf gegen die Machtanspruumlche des Antonius zu mobilisieren Polarisierend teilt er die politischen Kraumlfte in raquoverbrecherische Aufruumlhrerlaquo und raquogute Buumlrgerlaquo auf die bereit sind die Ideale einer freien Republik zu verteidigen
Anhand dieser Reden gewinnen die Schuumllerinnen und Schuumller einen Einblick in die an-tike Rhetorik die Cicero hier meisterhaft zur Anwendung bringt und erkennen deren suggestive Kraft und manipulative Wirkung Sie reflektieren die Funktion der Rede als Mittel der politischen Auseinandersetzung sowohl in der Antike als auch in der Neuzeit
Leitthema 6 Die Rede als Mittel der Politik (Cic Phil)
Kulturkompetenz Die Schuumllerinnen und Schuumller hellip bull benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie
ndash Ziele der Redekunst ndash Genera und Teile (partēs) der Rede ndash Taumltigkeiten (officia) des Redners
bull beschreiben die politisch-gesellschaftliche Situation nach Caesars Ermordung in Grundzuumlgen insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr
bull erklaumlren die Folgen der Reden fuumlr die Entwicklung des Staates und fuumlr Cicero selbst
Textkompetenz Die Schuumllerinnen und Schuumller hellip bull arbeiten die Zielrichtung der Philippischen Reden Ciceros heraus Mobilisierung
des Senats zum Kampf gegen Antonius durch Diskreditierung des Gegners und Appell an den Gemeinsinn
bull arbeiten Ciceros Kampf fuumlr die lībera rēs pūblica heraus bull arbeiten die Invektive als Mittel der politischen Auseinandersetzung heraus bull identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen
Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung
2 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Didaktische Schwerpunkte und raquoLernstofflaquo
Kulturkompetenz I
Die Schuumllerinnen und Schuumller stellen exemplarische Inhalte aus den Gegenstandsbereichen SpracheLite-ratur GesellschaftKultur PolitikGeschichte und PhilosophieReligion dar und setzen sich mit diesen kritisch auseinander ndash hier Ciceros Philippische Reden (Reden gegen Antonius) bull verfasst zwischen 2 September 44 und 21 April 43 v Chr bull 14 Reden erhalten auszligerdem nicht aussagekraumlftige Fragmente einer 16 und einer 17
Rede bull 4 und 6 Rede vor dem Volk (wohl in einer spontan einberufenen cōntiō) 2 Rede
nur angeblich alle anderen tatsaumlchlich im Senat gehalten bull Datum und Art der Veroumlffentlichung unklar
ndash Wilfried Stroh hat plausibel gemacht dass Cicero die 3 bis 14 Philippika analog zu den zwoumllf Reden seines Konsulatsjahres (vgl Cic Att II 1 3) und mit Blick auf Demosthenesrsquo zwoumllf λόγοι Фιλιππικοί als Zyklus veroumlffentlichte rarr Exkurs I der classica-Ausgabe (= S 24 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Philipp kommt bei Cicero nicht vor Titel der Reden (vgl Cic ad Brut II 3 4 Schuumltz = 18 4 Tusculum Cic ad Brut II 4 2 Schuumltz = 3 2 Tusculum) von Cicero selbst ge-waumlhlt in Anspielung auf die Reden die Demosthenes 351ndash341 v Chr gegen Koumlnig Philipp II von Makedonien gehalten hat ndash Zaumlhlung der Demosthenes-Reden verwirrend spielt aber fuumlr unsere Zwecke keine
Rolle Stroh geht davon aus dass Cicero zwoumllf Demosthenes-Reden als Zyklus vor-liegen hatte wenn auch nicht genau die zwoumllf im Wikipedia-Artikel genannten
ndash Gruumlnde fuumlr Ciceros Wahl des Titels Er der sich als Philosoph mit Platon auf einer Stufe sah wollte sich nun auch
als Redner einem griechischen Vorbild ebenbuumlrtig zeigen Es gab Parallelen im Kampf beider Politiker gegen eine fundamentale Bedro-
hung deren Beseitigung die Buumlndelung und Eintracht (concordia) aller diver-gierenden innenpolitischen Kraumlfte notwendig machte
ndash Leitmotive bei Cicero und Demosthenes (von Schuumllern gut aus den Texten her-auszuarbeiten) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Der Feind (hostis) ist eine Bestie (bēlua) (rarr Diskreditierung) Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
bull Die Philippischen Reden werden im KC dem Gegenstandsbereich GesellschaftKul-tur zugeordnet passen aber genauso gut in die Bereiche SpracheLiteratur (rarr Rheto-rik) und PolitikGeschichte (rarr raquopolitisch-gesellschaftliche Situation nach Caesars Ermordunglaquo Untergang der roumlmischen Republik) ndash Der Bereich PhilosophieReligion kommt insofern auch zum Tragen als die Philo-
sophie dem Staatsmann Cicero raquoim Sinne des Akademiegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabelaquo (Stroh) wird Hierauf wird in
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der classica-Ausgabe einerseits mit Strohs Epilog (s u S 32 f) anderseits mit ei-nem Schlenker zur Haltung der Stoa gegenuumlber politischer Betaumltigung eingegangen
bull Moumlglichkeiten der kritischen Auseinandersetzung (erste Impulse fuumlr die Unterrichts-gestaltung) ndash historisch Hat Cicero die Zeichen der Zeit nicht erkannt Ist er gescheitert In
welcher Hinsicht ist ein Vergleich mit Stauffenberg zulaumlssig in welcher nicht ndash ethisch War Ciceros Vorgehen gegen Antonius war die Wahl seiner Mittel in der
damaligen Zeit gerechtfertigt Welche Maszligstaumlbe legen wir heute an eine politische oder uumlberhaupt an eine oumlffentliche Auseinandersetzung an
ndash aumlsthetisch Wie wirkt Ciceros Rhetorik auf uns (auch im Vergleich zu Rednern der Neuzeit und Gegenwart) In welcher Hinsicht kann die Qualitaumlt seiner Rhetorik (rarr virtūtēs dīcendī) uns zum Vorbild dienen
hellip beschreiben die politisch-gesellschaftliche Situation nach Caesars Ermordung in Grundzuumlgen insbeson-dere der Jahre 44 und 43 v Chr bull Caesarmoumlrder haben kein klares Konzept fuumlr die Zeit nach dem Attentat In das
Machtvakuum stoumlszligt zunaumlchst Antonius dann der junge Octavian vor ndash Cicero kaumlmpft vehement gegen Antoniusrsquo Dominanzstreben und glaubt nach an-
faumlnglichem Zoumlgern (vgl Cic Att XVI 8 Vulgata = 9 Tusculum XVI 14 Vulgata = 16 Tusculum) Octavian vor den Karren des Senats spannen zu koumlnnen
bull Caesar hatte eine groszlige Anhaumlngerschaft im Senat (von ihm auf 900 Personen aufge-stockt) im Heer (rarr Heeresklientel) und in der stadtroumlmischen plēbs (rarr raquoBrot und Spielelaquo auszligenpolitische Erfolge) Seine Diktatur wurde nicht (wie Sullas) als Terror-regime empfunden daher war innenpolitisch ein schneller Ausgleich zwischen den Caesarianern und den Caesarmoumlrdern notwendig (rarr Beschluumlsse der Senatssitzung vom 17 Maumlrz 44 Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder Bestaumltigung der ācta Caesaris) ndash Cicero bemuumlht sich um diesen Ausgleich und spielt z B Caesars Verantwortung
fuumlr den Ausbruch des Buumlrgerkriegs 49ndash46 herunter ndash Antonius und Octavian spitzen den Konflikt zu indem sie zunaumlchst jeder fuumlr sich
spaumlter als Triumvirn gemeinsam behaupten fuumlr Caesars Erbe zu kaumlmpfen bull Dramatis personae
ndash Cicero Konsular Vorkaumlmpfer der alten lībera rēs pūblica (im Sinne der Optimaten) ndash Marcus Antonius Caesars letzter Mitkonsul brachte dessen Erbe an sich und
strebt nun offenbar nach Alleinherrschaft ndash Octavian Caesars Groszligneffe geboren als Gaius Octavius
nennt sich nachdem er von Caesar testamentarisch adoptiert worden ist Gaius Iulius Caesar (das uumlbliche Adoptionssuffix -ānus hat er selbst nie benutzt aber Cicero nennt ihn in seinen Briefen Octavianus und zur Unterscheidung von seinem Groszligonkel bzw Adoptivvater nennt man ihn heute Octavian)
stellt als Achtzehnjaumlhriger auf eigene Faust eine Privatarmee aus Caesars Vete-ranen auf um sein Erbe gegen Antoniusrsquo Anspruumlche zu verteidigen
besiegt Antonius in den Schlachten von Forum Gallorum (14 oder 15 April 43) und von Mutina (21 April 43) schlieszligt dann uumlberraschenderweise mit ihm und Lepidus das Triumvirat entzweit sich spaumlter wieder mit ihm besiegt ihn erneut in der Seeschlacht bei Actium (2 September 31) begruumlndet 27 den
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Prinzipat (raquoMonarchie in republikanischem Gewandlaquo) erhaumllt vom Senat den Ehrentitel raquoAugustuslaquo
Octavian spielt in den Philippischen Reden keine so bedeutende Rolle wie man vor dem Hintergrund des weiteren Verlaufs der Geschichte vielleicht vermuten moumlchte Cicero sieht in Octavian und seiner Privatarmee die aktuell staumlrkste Kraft Antonius ein fuumlr allemal zu erledigen weswegen er sich fuumlr eine Billigung von Octavians illegalen Maszlignahmen ausspricht wichtiger sind fuumlr ihn aber die legalen (oder zumindest legitimen) hohen Magistrate weswegen er diesen in seinen Philippischen Reden mehr Aufmerksamkeit schenkt als Octavian
ndash Lepidus Caesarianer versucht zwischen Antonius und dem Senat zu vermitteln wird deswegen von
Cicero kritisiert bildet spaumlter mit Antonius und Octavian das Triumvirat in dem er allerdings
die schwaumlchste Figur ist In der classica-Ausgabe wird Lepidus mehrfach am Rande beruumlcksichtigt weil
die Schuumller ihn aus dem Geschichtsunterricht kennen muumlssten ndash Dolabella Suffektkonsul 44 schlaumlgt sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst auf die
Seite der Caesarmoumlrder paktiert dann aber mit Antonius Spielt in der classica-Ausgabe nur eine Nebenrolle Rhetorisch interessant ist
wie Cicero seine Antipathie gegen seinen ungeliebten ehemaligen Schwieger-sohn verschleiert (Cic Phil 1 29 = Text 3 der classica-Ausgabe)
ndash Decimus Brutus entfernter Verwandter des Caesarmoumlrders Marcus Brutus geht nach den Iden des Maumlrz als Statthalter wieder in seine Provinz Gallia
cisalpina und verweigert gegen Jahresende 44 deren Uumlbergabe an Antonius obwohl dieser Provinztausch von einer Volksversammlung beschlossen wurde
Obwohl Decimus Brutus gegen die Anweisung eines formal rechtmaumlszligig amtie-renden Konsuls und gegen den Beschluss einer Volksversammlung verstoumlszligt sieht Cicero in diesem Verhalten eine wahrhaft republikanische Gesinnung die es zu verteidigen gelte Er ruft deshalb den Senat auf Brutusrsquo Verhalten zu billi-gen und da dieser von Antonius in Mutina belagert wird ein Entsatzheer zu schicken Im Senat gibt es aber viele die lieber mit Antonius verhanden als ge-gen ihn militaumlrisch vorgehen wollen Das Ringen um eine diplomatische oder militaumlrische Auseinandersetzung steht im Zentrum der 5 bis 9 Philippischen Rede (Schwerpunkt in der classica-Ausgabe)
ndash Marcus Brutus Caesarmoumlrder zieht sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst nach Kampanien dann nach
Athen zuruumlck stellt 43 aus eigener Initiative ein Heer auf und kaumlmpft vom Senat als Prokon-
sul bestaumltigt im Osten gegen Caesarianer (u a gegen Dolabella) Marcus Brutus ist in der (Rezeptions-) Geschichte prominenter als Decimus
Brutus bei Cicero spielt er aber nur in der 10 Philippischen Rede eine nen-nenswerte Rolle (Schwerpunkt in der Klettschen libellus-Ausgabe in der classi-ca-Ausgabe ausgespart um nicht noch ein neues Fass aufzumachen)
Die historische Bedeutung des Marcus Brutus wird in der classica-Ausgabe numismatisch reflektiert
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ndash Cassius Longinus der andere namhafte Caesarmoumlrder spielt bei Cicero nur in der 11 Philippischen Rede eine nennenswerte Rolle (in
der classica-Ausgabe ebenfalls weitgehend ausgespart) ndash Hirtius und Pansa Konsuln 43
fallen beide in der Schlacht von Mutina weswegen sie in der roumlmischen Ge-schichtsschreibung immer wieder erwaumlhnt werden
Cicero setzt auf sie groszlige Hoffnungen weil sie als regulaumlre Magistrate ein voumlllig rechtmaumlszligiges imperium haben
bull In der classica-Ausgabe wird der historische Kontext sukzessive im Vorspann zu den Uumlbersetzungstexten sowie in Uumlberleitungstexten (raquoUumlberblick uumlber das weitere Ge-schehenlaquo) erlaumlutert ndash Einen guten zusammenhaumlngenden Uumlberblick ndash wohl nicht zum Durcharbeiten en
bloc gedacht ndash bietet die Klettsche libellus-Ausgabe S 70ndash75 ndash Alternativ dazu bietet die classica-Ausgabe die stark verkuumlrzte und nur mit Vor-
kenntnissen oder muumlndlichen Erlaumluterungen ergiebige aber in ihrer Dramatisie-rung deutlicher akzentuierte Uumlbersicht raquoEine Tragoumldie in fuumlnf Aktenlaquo (s u S 14 f) nach einer Idee von Wilfried Stroh
hellip erklaumlren die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des Staates und fuumlr Cicero selbst bull fuumlr den Staat Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero maszliggeblich dazu beigetra-
gen dass Octavians illegale Maszlignahmen vom Senat gebilligt wurden Dadurch erhielt Octavian ein imperium das er zum Ausbau seiner persoumlnlichen Macht und letztlich zur Liquidierung nicht nur seiner politischen und persoumlnlichen Gegner sondern auch der alten rēs pūblica nutzte
bull fuumlr Cicero selbst Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero sich Antonius zum Tod-feind gemacht Dieser forderte im Zuge der Proskiptionen die er als Triumvir durch-fuumlhren lieszlig von Octavian das Zugestaumlndnis Cicero ermorden zu lassen
Textkompetenz I
Die Schuumllerinnen und Schuumller analysieren Texte im Hinblick auf autoren- und gattungsspezifische Merkmale arbeiten die Invektive als Mittel der politischen Auseinandersetzung heraus bull Topoi der Invektive S 23 der classica-Ausgabe (= S 23 der vorliegenden Broschuumlre) bull Leitmotive Antonius ist ein Staatsfeind (hostis) und eine Bestie (bēlua) er hat keine
roumlmischen und keine menschlichen Zuumlge mehr (Verlust von virtūs und hūmānitās)
hellip arbeiten die Zielrichtung der philippischen Reden Ciceros heraus Mobilisierung des Senats zum Kampf gegen Antonius durch Diskreditierung des Gegners und Appell an den Gemeinsinn bull Diskreditierung des Gegners siehe vorige Textkompetenz (zu raquoInvektive als Mittel
der politischen Auseinandersetzunglaquo) bull Appell an den Gemeinsinn
ndash Leitmotiv der concordia ōrdinum (Eintracht von Ritterstand und Senatsaristokra-tie) erweitert zum cōnsēnsus omnium bonōrum (politische Uumlbereinstimmung aller raquoGutenlaquo also patriotisch Gesinnten egal ob Konsul oder Freigelassener) rarr S 45 der classica-Ausgabe
6 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
ndash Wenn der Senat nicht in Ciceros Sinne agiert versucht dieser ihn mit dem Hin-weis auf die vermeintliche Entschlossenheit der Konsuln des roumlmischen Volkes ganz Italiens der Heerfuumlhrer und des Heeres unter Druck zu setzen
ndash Weitere Leitmotive der Mobilisierung (s o S 5) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
hellip arbeiten Ciceros Kampf fuumlr die lībera rēs pūblica heraus bull Kernbegriff lībertās (S 31 der classica-Ausgabe)
ndash ab Ende des 6 Jhs v Chr Freiheit von der Koumlnigsherrschaft (rēgnum) ndash bis zum Ende der Staumlndekaumlmpfe (287 v Chr) alle gegen die Allmacht der Patrizier
angestrebten bzw errungenen politischen sozialen und persoumlnlichen Rechte der Plebejer
ndash in der spaumlten Republik (ab 133 v Chr) politischer Kampfbegriff der Popularen Gleichheit aller roumlmischen Buumlrger vor dem Gesetz Schutz vor
magistratischer Willkuumlr Forderung fairer Existenzbedingungen der Optimaten Wiederherstellung des traditionellen Ordnungsrahmens (freie
und gleichberechtigte Moumlglichkeit sich politisch zu entfalten fuumlr alle nōbilēs) Gegenbegriff zu dominātiō oder dominātus (der unrechtmaumlszligigen und unkon-trollierbaren Vormachtstellung eines Einzelnen)
bull Problematisierung ndash War die Republik laumlngst passeacute musste alles auf den Prinzipat des Augustus hinaus-
laufen (Vorsicht Keine teleologische Geschichtsauffassung wie z T im 19 Jh) ndash War Cicero unrealistisch waren seine Ideale uumlberholt (Vergleich mit Stauffen-
berg moumlglich Ideale durchaus richtig und der Zeit angemessen)
hellip arbeiten aus lateinischen Texten roumlmische Wertbegriffe [hellip] und die Stilisierung von Personen heraus und interpretieren diese bull Die classica-Ausgabe bietet kurze Sachtexte zu den Wert- bzw Kernbegriffen pietās
potestās imperium lībertās dignitās gravitās pāx und mōs māiōrum Aus dem Mit-telstufenunterricht sollten v a die Kernbegriffe virtūs auctōritās honōs glōria fidēs und grātia wiederaufgegriffen und ausdifferenziert werden
bull Stilisierung des Antonius s o S 5 zu raquoInvektive als Mittel der politischen Ausein-andersetzunglaquo und raquoDiskreditierung des Gegnerslaquo
bull Stilisierung Octavians Im Sinne der Polarisierung verharmlost Cicero die eklatanten Verfassungsbruumlche des jungen Octavian und fuumlhrt ihn in Phil 3 3 (= Text 8 der clas-sica-Ausgabe) als adulēscēns (paene potius puer) incrēdibilī ac dīvīnā quādam mente atque virtūte ein rarr fatale Fehleinschaumltzung der Skrupellosigkeit des Caesarerben rarr uumlberraschend optimistischer (oder riskanter) Versuch Octavian vor den Karren
des Senats zu spannen um ihn nach Erledigung seiner Aufgaben wieder in Reih und Glied treten zu lassen
bull Stilisierung Ciceros Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopfe-rungsvollen Bemuumlhungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen kann aus heutiger
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Sicht penetrant wirken (keine christliche Demut keine demokratische Eacutegaliteacute) ist aber zu verstehen wenn man das Konzept des Begriffs dignitās beruumlcksichtigt
Sprachkompetenz
Die Schuumllerinnen und Schuumller beherrschen einen Grundwortschatz von ca 1600 (eA) bzw 1400 (gA) Woumlrtern bzw Wendungen und nach Maszliggabe der gelesenen Originallektuumlre einen autoren- und themenspezifischen Aufbauwortschatz (rarr Basiskompetenz) bull Arbeit mit dem textchronologischen Lernwortschatz (824 Lemmata) bull Reflexion einiger Phaumlnomene der Wortbildungslehre (rarr Basiskompetenz) im An-
hang (s u S 37) sowie in der Vokabelspalte der classica-Ausgabe bull Erstellung von Wort- und Sachfeldern zum Leitthema
ndash aus dem Uumlbersetzungstext ndash Erweiterung z B durch Synonyme und Antonyme
hellip identifizieren lektuumlrebezogen Besonderheiten der Formenlehre bull Anhang der classica-Ausgabe (s u S 35)
ndash Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī ndash Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs ndash Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- ndash keine Assimilation (Orthographie der Handschriften und damit auch der wissen-
schaftlichen Textausgaben schwankt betraumlchtlich Gewoumlhnung der Schuumller an nicht assimilierte Formen empfohlen)
ndash gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris (kommt in den Philippischen Reden sehr selten vor gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen)
ndash (3 Pl Ind Perf Akt auf -ēre statt -ērunt und historischer Infinitiv fuumlr die Philippi-schen Reden irrelevant)
hellip analysieren erlaumlutern und uumlbersetzen langtypische syntaktische Phaumlnomene der Philippischen Redenrang bull komplexe Satzgefuumlge (u a Perioden rarr eher Text- als Sprachkompetenz)
ndash in der classica-Ausgabe z T kolometrisch oder durch groumlszligere Spatien vorstrukturiert ndash im Lehrerband Kopiervorlagen mit feiner aufbereiteter Kolometrie
bull raquoGrammatikalische Stolpersteinelaquo (s u S 36) und spezielle S-Texte der classica-Ausgabe ndash Relativsaumltze ohne Bezugswort ndash Verschraumlnkung eines Relativsatzes mit AcI ndash Genitivus possessivus bei unpersoumlnlich gebrauchtem est ndash Inversion von Konjunktionen (v a beim relativischen Satzanschluss)
bull Uumlbung an Einzelsaumltzen nicht verwerflich (vgl Etuumlden in der Musik Bewegungsablaumlufe beim Sport) ndash Heinz Papenhoff Hans Gappa Exercitationes Novae Uumlbungsbuch fuumlr den lateini-
schen Grammatikunterricht neben der Lektuumlre Goumlttingen 41975 ndash Reinhold Koller Friedrich Maier Subsidia Latina Autorenbezogene Begleitgram-
matik ndash Mittelstufe ndash Bamberg 1993 ndash Friedrich Maier Die Version aus dem Lateinischen Ein grammatisches Begleitbuch
fuumlr den Lektuumlreunterricht Bamberg 31990
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
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ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
5
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
2 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Didaktische Schwerpunkte und raquoLernstofflaquo
Kulturkompetenz I
Die Schuumllerinnen und Schuumller stellen exemplarische Inhalte aus den Gegenstandsbereichen SpracheLite-ratur GesellschaftKultur PolitikGeschichte und PhilosophieReligion dar und setzen sich mit diesen kritisch auseinander ndash hier Ciceros Philippische Reden (Reden gegen Antonius) bull verfasst zwischen 2 September 44 und 21 April 43 v Chr bull 14 Reden erhalten auszligerdem nicht aussagekraumlftige Fragmente einer 16 und einer 17
Rede bull 4 und 6 Rede vor dem Volk (wohl in einer spontan einberufenen cōntiō) 2 Rede
nur angeblich alle anderen tatsaumlchlich im Senat gehalten bull Datum und Art der Veroumlffentlichung unklar
ndash Wilfried Stroh hat plausibel gemacht dass Cicero die 3 bis 14 Philippika analog zu den zwoumllf Reden seines Konsulatsjahres (vgl Cic Att II 1 3) und mit Blick auf Demosthenesrsquo zwoumllf λόγοι Фιλιππικοί als Zyklus veroumlffentlichte rarr Exkurs I der classica-Ausgabe (= S 24 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Philipp kommt bei Cicero nicht vor Titel der Reden (vgl Cic ad Brut II 3 4 Schuumltz = 18 4 Tusculum Cic ad Brut II 4 2 Schuumltz = 3 2 Tusculum) von Cicero selbst ge-waumlhlt in Anspielung auf die Reden die Demosthenes 351ndash341 v Chr gegen Koumlnig Philipp II von Makedonien gehalten hat ndash Zaumlhlung der Demosthenes-Reden verwirrend spielt aber fuumlr unsere Zwecke keine
Rolle Stroh geht davon aus dass Cicero zwoumllf Demosthenes-Reden als Zyklus vor-liegen hatte wenn auch nicht genau die zwoumllf im Wikipedia-Artikel genannten
ndash Gruumlnde fuumlr Ciceros Wahl des Titels Er der sich als Philosoph mit Platon auf einer Stufe sah wollte sich nun auch
als Redner einem griechischen Vorbild ebenbuumlrtig zeigen Es gab Parallelen im Kampf beider Politiker gegen eine fundamentale Bedro-
hung deren Beseitigung die Buumlndelung und Eintracht (concordia) aller diver-gierenden innenpolitischen Kraumlfte notwendig machte
ndash Leitmotive bei Cicero und Demosthenes (von Schuumllern gut aus den Texten her-auszuarbeiten) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Der Feind (hostis) ist eine Bestie (bēlua) (rarr Diskreditierung) Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
bull Die Philippischen Reden werden im KC dem Gegenstandsbereich GesellschaftKul-tur zugeordnet passen aber genauso gut in die Bereiche SpracheLiteratur (rarr Rheto-rik) und PolitikGeschichte (rarr raquopolitisch-gesellschaftliche Situation nach Caesars Ermordunglaquo Untergang der roumlmischen Republik) ndash Der Bereich PhilosophieReligion kommt insofern auch zum Tragen als die Philo-
sophie dem Staatsmann Cicero raquoim Sinne des Akademiegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabelaquo (Stroh) wird Hierauf wird in
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 3
der classica-Ausgabe einerseits mit Strohs Epilog (s u S 32 f) anderseits mit ei-nem Schlenker zur Haltung der Stoa gegenuumlber politischer Betaumltigung eingegangen
bull Moumlglichkeiten der kritischen Auseinandersetzung (erste Impulse fuumlr die Unterrichts-gestaltung) ndash historisch Hat Cicero die Zeichen der Zeit nicht erkannt Ist er gescheitert In
welcher Hinsicht ist ein Vergleich mit Stauffenberg zulaumlssig in welcher nicht ndash ethisch War Ciceros Vorgehen gegen Antonius war die Wahl seiner Mittel in der
damaligen Zeit gerechtfertigt Welche Maszligstaumlbe legen wir heute an eine politische oder uumlberhaupt an eine oumlffentliche Auseinandersetzung an
ndash aumlsthetisch Wie wirkt Ciceros Rhetorik auf uns (auch im Vergleich zu Rednern der Neuzeit und Gegenwart) In welcher Hinsicht kann die Qualitaumlt seiner Rhetorik (rarr virtūtēs dīcendī) uns zum Vorbild dienen
hellip beschreiben die politisch-gesellschaftliche Situation nach Caesars Ermordung in Grundzuumlgen insbeson-dere der Jahre 44 und 43 v Chr bull Caesarmoumlrder haben kein klares Konzept fuumlr die Zeit nach dem Attentat In das
Machtvakuum stoumlszligt zunaumlchst Antonius dann der junge Octavian vor ndash Cicero kaumlmpft vehement gegen Antoniusrsquo Dominanzstreben und glaubt nach an-
faumlnglichem Zoumlgern (vgl Cic Att XVI 8 Vulgata = 9 Tusculum XVI 14 Vulgata = 16 Tusculum) Octavian vor den Karren des Senats spannen zu koumlnnen
bull Caesar hatte eine groszlige Anhaumlngerschaft im Senat (von ihm auf 900 Personen aufge-stockt) im Heer (rarr Heeresklientel) und in der stadtroumlmischen plēbs (rarr raquoBrot und Spielelaquo auszligenpolitische Erfolge) Seine Diktatur wurde nicht (wie Sullas) als Terror-regime empfunden daher war innenpolitisch ein schneller Ausgleich zwischen den Caesarianern und den Caesarmoumlrdern notwendig (rarr Beschluumlsse der Senatssitzung vom 17 Maumlrz 44 Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder Bestaumltigung der ācta Caesaris) ndash Cicero bemuumlht sich um diesen Ausgleich und spielt z B Caesars Verantwortung
fuumlr den Ausbruch des Buumlrgerkriegs 49ndash46 herunter ndash Antonius und Octavian spitzen den Konflikt zu indem sie zunaumlchst jeder fuumlr sich
spaumlter als Triumvirn gemeinsam behaupten fuumlr Caesars Erbe zu kaumlmpfen bull Dramatis personae
ndash Cicero Konsular Vorkaumlmpfer der alten lībera rēs pūblica (im Sinne der Optimaten) ndash Marcus Antonius Caesars letzter Mitkonsul brachte dessen Erbe an sich und
strebt nun offenbar nach Alleinherrschaft ndash Octavian Caesars Groszligneffe geboren als Gaius Octavius
nennt sich nachdem er von Caesar testamentarisch adoptiert worden ist Gaius Iulius Caesar (das uumlbliche Adoptionssuffix -ānus hat er selbst nie benutzt aber Cicero nennt ihn in seinen Briefen Octavianus und zur Unterscheidung von seinem Groszligonkel bzw Adoptivvater nennt man ihn heute Octavian)
stellt als Achtzehnjaumlhriger auf eigene Faust eine Privatarmee aus Caesars Vete-ranen auf um sein Erbe gegen Antoniusrsquo Anspruumlche zu verteidigen
besiegt Antonius in den Schlachten von Forum Gallorum (14 oder 15 April 43) und von Mutina (21 April 43) schlieszligt dann uumlberraschenderweise mit ihm und Lepidus das Triumvirat entzweit sich spaumlter wieder mit ihm besiegt ihn erneut in der Seeschlacht bei Actium (2 September 31) begruumlndet 27 den
4 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Prinzipat (raquoMonarchie in republikanischem Gewandlaquo) erhaumllt vom Senat den Ehrentitel raquoAugustuslaquo
Octavian spielt in den Philippischen Reden keine so bedeutende Rolle wie man vor dem Hintergrund des weiteren Verlaufs der Geschichte vielleicht vermuten moumlchte Cicero sieht in Octavian und seiner Privatarmee die aktuell staumlrkste Kraft Antonius ein fuumlr allemal zu erledigen weswegen er sich fuumlr eine Billigung von Octavians illegalen Maszlignahmen ausspricht wichtiger sind fuumlr ihn aber die legalen (oder zumindest legitimen) hohen Magistrate weswegen er diesen in seinen Philippischen Reden mehr Aufmerksamkeit schenkt als Octavian
ndash Lepidus Caesarianer versucht zwischen Antonius und dem Senat zu vermitteln wird deswegen von
Cicero kritisiert bildet spaumlter mit Antonius und Octavian das Triumvirat in dem er allerdings
die schwaumlchste Figur ist In der classica-Ausgabe wird Lepidus mehrfach am Rande beruumlcksichtigt weil
die Schuumller ihn aus dem Geschichtsunterricht kennen muumlssten ndash Dolabella Suffektkonsul 44 schlaumlgt sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst auf die
Seite der Caesarmoumlrder paktiert dann aber mit Antonius Spielt in der classica-Ausgabe nur eine Nebenrolle Rhetorisch interessant ist
wie Cicero seine Antipathie gegen seinen ungeliebten ehemaligen Schwieger-sohn verschleiert (Cic Phil 1 29 = Text 3 der classica-Ausgabe)
ndash Decimus Brutus entfernter Verwandter des Caesarmoumlrders Marcus Brutus geht nach den Iden des Maumlrz als Statthalter wieder in seine Provinz Gallia
cisalpina und verweigert gegen Jahresende 44 deren Uumlbergabe an Antonius obwohl dieser Provinztausch von einer Volksversammlung beschlossen wurde
Obwohl Decimus Brutus gegen die Anweisung eines formal rechtmaumlszligig amtie-renden Konsuls und gegen den Beschluss einer Volksversammlung verstoumlszligt sieht Cicero in diesem Verhalten eine wahrhaft republikanische Gesinnung die es zu verteidigen gelte Er ruft deshalb den Senat auf Brutusrsquo Verhalten zu billi-gen und da dieser von Antonius in Mutina belagert wird ein Entsatzheer zu schicken Im Senat gibt es aber viele die lieber mit Antonius verhanden als ge-gen ihn militaumlrisch vorgehen wollen Das Ringen um eine diplomatische oder militaumlrische Auseinandersetzung steht im Zentrum der 5 bis 9 Philippischen Rede (Schwerpunkt in der classica-Ausgabe)
ndash Marcus Brutus Caesarmoumlrder zieht sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst nach Kampanien dann nach
Athen zuruumlck stellt 43 aus eigener Initiative ein Heer auf und kaumlmpft vom Senat als Prokon-
sul bestaumltigt im Osten gegen Caesarianer (u a gegen Dolabella) Marcus Brutus ist in der (Rezeptions-) Geschichte prominenter als Decimus
Brutus bei Cicero spielt er aber nur in der 10 Philippischen Rede eine nen-nenswerte Rolle (Schwerpunkt in der Klettschen libellus-Ausgabe in der classi-ca-Ausgabe ausgespart um nicht noch ein neues Fass aufzumachen)
Die historische Bedeutung des Marcus Brutus wird in der classica-Ausgabe numismatisch reflektiert
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 5
ndash Cassius Longinus der andere namhafte Caesarmoumlrder spielt bei Cicero nur in der 11 Philippischen Rede eine nennenswerte Rolle (in
der classica-Ausgabe ebenfalls weitgehend ausgespart) ndash Hirtius und Pansa Konsuln 43
fallen beide in der Schlacht von Mutina weswegen sie in der roumlmischen Ge-schichtsschreibung immer wieder erwaumlhnt werden
Cicero setzt auf sie groszlige Hoffnungen weil sie als regulaumlre Magistrate ein voumlllig rechtmaumlszligiges imperium haben
bull In der classica-Ausgabe wird der historische Kontext sukzessive im Vorspann zu den Uumlbersetzungstexten sowie in Uumlberleitungstexten (raquoUumlberblick uumlber das weitere Ge-schehenlaquo) erlaumlutert ndash Einen guten zusammenhaumlngenden Uumlberblick ndash wohl nicht zum Durcharbeiten en
bloc gedacht ndash bietet die Klettsche libellus-Ausgabe S 70ndash75 ndash Alternativ dazu bietet die classica-Ausgabe die stark verkuumlrzte und nur mit Vor-
kenntnissen oder muumlndlichen Erlaumluterungen ergiebige aber in ihrer Dramatisie-rung deutlicher akzentuierte Uumlbersicht raquoEine Tragoumldie in fuumlnf Aktenlaquo (s u S 14 f) nach einer Idee von Wilfried Stroh
hellip erklaumlren die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des Staates und fuumlr Cicero selbst bull fuumlr den Staat Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero maszliggeblich dazu beigetra-
gen dass Octavians illegale Maszlignahmen vom Senat gebilligt wurden Dadurch erhielt Octavian ein imperium das er zum Ausbau seiner persoumlnlichen Macht und letztlich zur Liquidierung nicht nur seiner politischen und persoumlnlichen Gegner sondern auch der alten rēs pūblica nutzte
bull fuumlr Cicero selbst Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero sich Antonius zum Tod-feind gemacht Dieser forderte im Zuge der Proskiptionen die er als Triumvir durch-fuumlhren lieszlig von Octavian das Zugestaumlndnis Cicero ermorden zu lassen
Textkompetenz I
Die Schuumllerinnen und Schuumller analysieren Texte im Hinblick auf autoren- und gattungsspezifische Merkmale arbeiten die Invektive als Mittel der politischen Auseinandersetzung heraus bull Topoi der Invektive S 23 der classica-Ausgabe (= S 23 der vorliegenden Broschuumlre) bull Leitmotive Antonius ist ein Staatsfeind (hostis) und eine Bestie (bēlua) er hat keine
roumlmischen und keine menschlichen Zuumlge mehr (Verlust von virtūs und hūmānitās)
hellip arbeiten die Zielrichtung der philippischen Reden Ciceros heraus Mobilisierung des Senats zum Kampf gegen Antonius durch Diskreditierung des Gegners und Appell an den Gemeinsinn bull Diskreditierung des Gegners siehe vorige Textkompetenz (zu raquoInvektive als Mittel
der politischen Auseinandersetzunglaquo) bull Appell an den Gemeinsinn
ndash Leitmotiv der concordia ōrdinum (Eintracht von Ritterstand und Senatsaristokra-tie) erweitert zum cōnsēnsus omnium bonōrum (politische Uumlbereinstimmung aller raquoGutenlaquo also patriotisch Gesinnten egal ob Konsul oder Freigelassener) rarr S 45 der classica-Ausgabe
6 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
ndash Wenn der Senat nicht in Ciceros Sinne agiert versucht dieser ihn mit dem Hin-weis auf die vermeintliche Entschlossenheit der Konsuln des roumlmischen Volkes ganz Italiens der Heerfuumlhrer und des Heeres unter Druck zu setzen
ndash Weitere Leitmotive der Mobilisierung (s o S 5) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
hellip arbeiten Ciceros Kampf fuumlr die lībera rēs pūblica heraus bull Kernbegriff lībertās (S 31 der classica-Ausgabe)
ndash ab Ende des 6 Jhs v Chr Freiheit von der Koumlnigsherrschaft (rēgnum) ndash bis zum Ende der Staumlndekaumlmpfe (287 v Chr) alle gegen die Allmacht der Patrizier
angestrebten bzw errungenen politischen sozialen und persoumlnlichen Rechte der Plebejer
ndash in der spaumlten Republik (ab 133 v Chr) politischer Kampfbegriff der Popularen Gleichheit aller roumlmischen Buumlrger vor dem Gesetz Schutz vor
magistratischer Willkuumlr Forderung fairer Existenzbedingungen der Optimaten Wiederherstellung des traditionellen Ordnungsrahmens (freie
und gleichberechtigte Moumlglichkeit sich politisch zu entfalten fuumlr alle nōbilēs) Gegenbegriff zu dominātiō oder dominātus (der unrechtmaumlszligigen und unkon-trollierbaren Vormachtstellung eines Einzelnen)
bull Problematisierung ndash War die Republik laumlngst passeacute musste alles auf den Prinzipat des Augustus hinaus-
laufen (Vorsicht Keine teleologische Geschichtsauffassung wie z T im 19 Jh) ndash War Cicero unrealistisch waren seine Ideale uumlberholt (Vergleich mit Stauffen-
berg moumlglich Ideale durchaus richtig und der Zeit angemessen)
hellip arbeiten aus lateinischen Texten roumlmische Wertbegriffe [hellip] und die Stilisierung von Personen heraus und interpretieren diese bull Die classica-Ausgabe bietet kurze Sachtexte zu den Wert- bzw Kernbegriffen pietās
potestās imperium lībertās dignitās gravitās pāx und mōs māiōrum Aus dem Mit-telstufenunterricht sollten v a die Kernbegriffe virtūs auctōritās honōs glōria fidēs und grātia wiederaufgegriffen und ausdifferenziert werden
bull Stilisierung des Antonius s o S 5 zu raquoInvektive als Mittel der politischen Ausein-andersetzunglaquo und raquoDiskreditierung des Gegnerslaquo
bull Stilisierung Octavians Im Sinne der Polarisierung verharmlost Cicero die eklatanten Verfassungsbruumlche des jungen Octavian und fuumlhrt ihn in Phil 3 3 (= Text 8 der clas-sica-Ausgabe) als adulēscēns (paene potius puer) incrēdibilī ac dīvīnā quādam mente atque virtūte ein rarr fatale Fehleinschaumltzung der Skrupellosigkeit des Caesarerben rarr uumlberraschend optimistischer (oder riskanter) Versuch Octavian vor den Karren
des Senats zu spannen um ihn nach Erledigung seiner Aufgaben wieder in Reih und Glied treten zu lassen
bull Stilisierung Ciceros Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopfe-rungsvollen Bemuumlhungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen kann aus heutiger
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Sicht penetrant wirken (keine christliche Demut keine demokratische Eacutegaliteacute) ist aber zu verstehen wenn man das Konzept des Begriffs dignitās beruumlcksichtigt
Sprachkompetenz
Die Schuumllerinnen und Schuumller beherrschen einen Grundwortschatz von ca 1600 (eA) bzw 1400 (gA) Woumlrtern bzw Wendungen und nach Maszliggabe der gelesenen Originallektuumlre einen autoren- und themenspezifischen Aufbauwortschatz (rarr Basiskompetenz) bull Arbeit mit dem textchronologischen Lernwortschatz (824 Lemmata) bull Reflexion einiger Phaumlnomene der Wortbildungslehre (rarr Basiskompetenz) im An-
hang (s u S 37) sowie in der Vokabelspalte der classica-Ausgabe bull Erstellung von Wort- und Sachfeldern zum Leitthema
ndash aus dem Uumlbersetzungstext ndash Erweiterung z B durch Synonyme und Antonyme
hellip identifizieren lektuumlrebezogen Besonderheiten der Formenlehre bull Anhang der classica-Ausgabe (s u S 35)
ndash Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī ndash Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs ndash Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- ndash keine Assimilation (Orthographie der Handschriften und damit auch der wissen-
schaftlichen Textausgaben schwankt betraumlchtlich Gewoumlhnung der Schuumller an nicht assimilierte Formen empfohlen)
ndash gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris (kommt in den Philippischen Reden sehr selten vor gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen)
ndash (3 Pl Ind Perf Akt auf -ēre statt -ērunt und historischer Infinitiv fuumlr die Philippi-schen Reden irrelevant)
hellip analysieren erlaumlutern und uumlbersetzen langtypische syntaktische Phaumlnomene der Philippischen Redenrang bull komplexe Satzgefuumlge (u a Perioden rarr eher Text- als Sprachkompetenz)
ndash in der classica-Ausgabe z T kolometrisch oder durch groumlszligere Spatien vorstrukturiert ndash im Lehrerband Kopiervorlagen mit feiner aufbereiteter Kolometrie
bull raquoGrammatikalische Stolpersteinelaquo (s u S 36) und spezielle S-Texte der classica-Ausgabe ndash Relativsaumltze ohne Bezugswort ndash Verschraumlnkung eines Relativsatzes mit AcI ndash Genitivus possessivus bei unpersoumlnlich gebrauchtem est ndash Inversion von Konjunktionen (v a beim relativischen Satzanschluss)
bull Uumlbung an Einzelsaumltzen nicht verwerflich (vgl Etuumlden in der Musik Bewegungsablaumlufe beim Sport) ndash Heinz Papenhoff Hans Gappa Exercitationes Novae Uumlbungsbuch fuumlr den lateini-
schen Grammatikunterricht neben der Lektuumlre Goumlttingen 41975 ndash Reinhold Koller Friedrich Maier Subsidia Latina Autorenbezogene Begleitgram-
matik ndash Mittelstufe ndash Bamberg 1993 ndash Friedrich Maier Die Version aus dem Lateinischen Ein grammatisches Begleitbuch
fuumlr den Lektuumlreunterricht Bamberg 31990
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
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ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
5
10
15
(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
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T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 3
der classica-Ausgabe einerseits mit Strohs Epilog (s u S 32 f) anderseits mit ei-nem Schlenker zur Haltung der Stoa gegenuumlber politischer Betaumltigung eingegangen
bull Moumlglichkeiten der kritischen Auseinandersetzung (erste Impulse fuumlr die Unterrichts-gestaltung) ndash historisch Hat Cicero die Zeichen der Zeit nicht erkannt Ist er gescheitert In
welcher Hinsicht ist ein Vergleich mit Stauffenberg zulaumlssig in welcher nicht ndash ethisch War Ciceros Vorgehen gegen Antonius war die Wahl seiner Mittel in der
damaligen Zeit gerechtfertigt Welche Maszligstaumlbe legen wir heute an eine politische oder uumlberhaupt an eine oumlffentliche Auseinandersetzung an
ndash aumlsthetisch Wie wirkt Ciceros Rhetorik auf uns (auch im Vergleich zu Rednern der Neuzeit und Gegenwart) In welcher Hinsicht kann die Qualitaumlt seiner Rhetorik (rarr virtūtēs dīcendī) uns zum Vorbild dienen
hellip beschreiben die politisch-gesellschaftliche Situation nach Caesars Ermordung in Grundzuumlgen insbeson-dere der Jahre 44 und 43 v Chr bull Caesarmoumlrder haben kein klares Konzept fuumlr die Zeit nach dem Attentat In das
Machtvakuum stoumlszligt zunaumlchst Antonius dann der junge Octavian vor ndash Cicero kaumlmpft vehement gegen Antoniusrsquo Dominanzstreben und glaubt nach an-
faumlnglichem Zoumlgern (vgl Cic Att XVI 8 Vulgata = 9 Tusculum XVI 14 Vulgata = 16 Tusculum) Octavian vor den Karren des Senats spannen zu koumlnnen
bull Caesar hatte eine groszlige Anhaumlngerschaft im Senat (von ihm auf 900 Personen aufge-stockt) im Heer (rarr Heeresklientel) und in der stadtroumlmischen plēbs (rarr raquoBrot und Spielelaquo auszligenpolitische Erfolge) Seine Diktatur wurde nicht (wie Sullas) als Terror-regime empfunden daher war innenpolitisch ein schneller Ausgleich zwischen den Caesarianern und den Caesarmoumlrdern notwendig (rarr Beschluumlsse der Senatssitzung vom 17 Maumlrz 44 Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder Bestaumltigung der ācta Caesaris) ndash Cicero bemuumlht sich um diesen Ausgleich und spielt z B Caesars Verantwortung
fuumlr den Ausbruch des Buumlrgerkriegs 49ndash46 herunter ndash Antonius und Octavian spitzen den Konflikt zu indem sie zunaumlchst jeder fuumlr sich
spaumlter als Triumvirn gemeinsam behaupten fuumlr Caesars Erbe zu kaumlmpfen bull Dramatis personae
ndash Cicero Konsular Vorkaumlmpfer der alten lībera rēs pūblica (im Sinne der Optimaten) ndash Marcus Antonius Caesars letzter Mitkonsul brachte dessen Erbe an sich und
strebt nun offenbar nach Alleinherrschaft ndash Octavian Caesars Groszligneffe geboren als Gaius Octavius
nennt sich nachdem er von Caesar testamentarisch adoptiert worden ist Gaius Iulius Caesar (das uumlbliche Adoptionssuffix -ānus hat er selbst nie benutzt aber Cicero nennt ihn in seinen Briefen Octavianus und zur Unterscheidung von seinem Groszligonkel bzw Adoptivvater nennt man ihn heute Octavian)
stellt als Achtzehnjaumlhriger auf eigene Faust eine Privatarmee aus Caesars Vete-ranen auf um sein Erbe gegen Antoniusrsquo Anspruumlche zu verteidigen
besiegt Antonius in den Schlachten von Forum Gallorum (14 oder 15 April 43) und von Mutina (21 April 43) schlieszligt dann uumlberraschenderweise mit ihm und Lepidus das Triumvirat entzweit sich spaumlter wieder mit ihm besiegt ihn erneut in der Seeschlacht bei Actium (2 September 31) begruumlndet 27 den
4 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Prinzipat (raquoMonarchie in republikanischem Gewandlaquo) erhaumllt vom Senat den Ehrentitel raquoAugustuslaquo
Octavian spielt in den Philippischen Reden keine so bedeutende Rolle wie man vor dem Hintergrund des weiteren Verlaufs der Geschichte vielleicht vermuten moumlchte Cicero sieht in Octavian und seiner Privatarmee die aktuell staumlrkste Kraft Antonius ein fuumlr allemal zu erledigen weswegen er sich fuumlr eine Billigung von Octavians illegalen Maszlignahmen ausspricht wichtiger sind fuumlr ihn aber die legalen (oder zumindest legitimen) hohen Magistrate weswegen er diesen in seinen Philippischen Reden mehr Aufmerksamkeit schenkt als Octavian
ndash Lepidus Caesarianer versucht zwischen Antonius und dem Senat zu vermitteln wird deswegen von
Cicero kritisiert bildet spaumlter mit Antonius und Octavian das Triumvirat in dem er allerdings
die schwaumlchste Figur ist In der classica-Ausgabe wird Lepidus mehrfach am Rande beruumlcksichtigt weil
die Schuumller ihn aus dem Geschichtsunterricht kennen muumlssten ndash Dolabella Suffektkonsul 44 schlaumlgt sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst auf die
Seite der Caesarmoumlrder paktiert dann aber mit Antonius Spielt in der classica-Ausgabe nur eine Nebenrolle Rhetorisch interessant ist
wie Cicero seine Antipathie gegen seinen ungeliebten ehemaligen Schwieger-sohn verschleiert (Cic Phil 1 29 = Text 3 der classica-Ausgabe)
ndash Decimus Brutus entfernter Verwandter des Caesarmoumlrders Marcus Brutus geht nach den Iden des Maumlrz als Statthalter wieder in seine Provinz Gallia
cisalpina und verweigert gegen Jahresende 44 deren Uumlbergabe an Antonius obwohl dieser Provinztausch von einer Volksversammlung beschlossen wurde
Obwohl Decimus Brutus gegen die Anweisung eines formal rechtmaumlszligig amtie-renden Konsuls und gegen den Beschluss einer Volksversammlung verstoumlszligt sieht Cicero in diesem Verhalten eine wahrhaft republikanische Gesinnung die es zu verteidigen gelte Er ruft deshalb den Senat auf Brutusrsquo Verhalten zu billi-gen und da dieser von Antonius in Mutina belagert wird ein Entsatzheer zu schicken Im Senat gibt es aber viele die lieber mit Antonius verhanden als ge-gen ihn militaumlrisch vorgehen wollen Das Ringen um eine diplomatische oder militaumlrische Auseinandersetzung steht im Zentrum der 5 bis 9 Philippischen Rede (Schwerpunkt in der classica-Ausgabe)
ndash Marcus Brutus Caesarmoumlrder zieht sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst nach Kampanien dann nach
Athen zuruumlck stellt 43 aus eigener Initiative ein Heer auf und kaumlmpft vom Senat als Prokon-
sul bestaumltigt im Osten gegen Caesarianer (u a gegen Dolabella) Marcus Brutus ist in der (Rezeptions-) Geschichte prominenter als Decimus
Brutus bei Cicero spielt er aber nur in der 10 Philippischen Rede eine nen-nenswerte Rolle (Schwerpunkt in der Klettschen libellus-Ausgabe in der classi-ca-Ausgabe ausgespart um nicht noch ein neues Fass aufzumachen)
Die historische Bedeutung des Marcus Brutus wird in der classica-Ausgabe numismatisch reflektiert
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 5
ndash Cassius Longinus der andere namhafte Caesarmoumlrder spielt bei Cicero nur in der 11 Philippischen Rede eine nennenswerte Rolle (in
der classica-Ausgabe ebenfalls weitgehend ausgespart) ndash Hirtius und Pansa Konsuln 43
fallen beide in der Schlacht von Mutina weswegen sie in der roumlmischen Ge-schichtsschreibung immer wieder erwaumlhnt werden
Cicero setzt auf sie groszlige Hoffnungen weil sie als regulaumlre Magistrate ein voumlllig rechtmaumlszligiges imperium haben
bull In der classica-Ausgabe wird der historische Kontext sukzessive im Vorspann zu den Uumlbersetzungstexten sowie in Uumlberleitungstexten (raquoUumlberblick uumlber das weitere Ge-schehenlaquo) erlaumlutert ndash Einen guten zusammenhaumlngenden Uumlberblick ndash wohl nicht zum Durcharbeiten en
bloc gedacht ndash bietet die Klettsche libellus-Ausgabe S 70ndash75 ndash Alternativ dazu bietet die classica-Ausgabe die stark verkuumlrzte und nur mit Vor-
kenntnissen oder muumlndlichen Erlaumluterungen ergiebige aber in ihrer Dramatisie-rung deutlicher akzentuierte Uumlbersicht raquoEine Tragoumldie in fuumlnf Aktenlaquo (s u S 14 f) nach einer Idee von Wilfried Stroh
hellip erklaumlren die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des Staates und fuumlr Cicero selbst bull fuumlr den Staat Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero maszliggeblich dazu beigetra-
gen dass Octavians illegale Maszlignahmen vom Senat gebilligt wurden Dadurch erhielt Octavian ein imperium das er zum Ausbau seiner persoumlnlichen Macht und letztlich zur Liquidierung nicht nur seiner politischen und persoumlnlichen Gegner sondern auch der alten rēs pūblica nutzte
bull fuumlr Cicero selbst Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero sich Antonius zum Tod-feind gemacht Dieser forderte im Zuge der Proskiptionen die er als Triumvir durch-fuumlhren lieszlig von Octavian das Zugestaumlndnis Cicero ermorden zu lassen
Textkompetenz I
Die Schuumllerinnen und Schuumller analysieren Texte im Hinblick auf autoren- und gattungsspezifische Merkmale arbeiten die Invektive als Mittel der politischen Auseinandersetzung heraus bull Topoi der Invektive S 23 der classica-Ausgabe (= S 23 der vorliegenden Broschuumlre) bull Leitmotive Antonius ist ein Staatsfeind (hostis) und eine Bestie (bēlua) er hat keine
roumlmischen und keine menschlichen Zuumlge mehr (Verlust von virtūs und hūmānitās)
hellip arbeiten die Zielrichtung der philippischen Reden Ciceros heraus Mobilisierung des Senats zum Kampf gegen Antonius durch Diskreditierung des Gegners und Appell an den Gemeinsinn bull Diskreditierung des Gegners siehe vorige Textkompetenz (zu raquoInvektive als Mittel
der politischen Auseinandersetzunglaquo) bull Appell an den Gemeinsinn
ndash Leitmotiv der concordia ōrdinum (Eintracht von Ritterstand und Senatsaristokra-tie) erweitert zum cōnsēnsus omnium bonōrum (politische Uumlbereinstimmung aller raquoGutenlaquo also patriotisch Gesinnten egal ob Konsul oder Freigelassener) rarr S 45 der classica-Ausgabe
6 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
ndash Wenn der Senat nicht in Ciceros Sinne agiert versucht dieser ihn mit dem Hin-weis auf die vermeintliche Entschlossenheit der Konsuln des roumlmischen Volkes ganz Italiens der Heerfuumlhrer und des Heeres unter Druck zu setzen
ndash Weitere Leitmotive der Mobilisierung (s o S 5) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
hellip arbeiten Ciceros Kampf fuumlr die lībera rēs pūblica heraus bull Kernbegriff lībertās (S 31 der classica-Ausgabe)
ndash ab Ende des 6 Jhs v Chr Freiheit von der Koumlnigsherrschaft (rēgnum) ndash bis zum Ende der Staumlndekaumlmpfe (287 v Chr) alle gegen die Allmacht der Patrizier
angestrebten bzw errungenen politischen sozialen und persoumlnlichen Rechte der Plebejer
ndash in der spaumlten Republik (ab 133 v Chr) politischer Kampfbegriff der Popularen Gleichheit aller roumlmischen Buumlrger vor dem Gesetz Schutz vor
magistratischer Willkuumlr Forderung fairer Existenzbedingungen der Optimaten Wiederherstellung des traditionellen Ordnungsrahmens (freie
und gleichberechtigte Moumlglichkeit sich politisch zu entfalten fuumlr alle nōbilēs) Gegenbegriff zu dominātiō oder dominātus (der unrechtmaumlszligigen und unkon-trollierbaren Vormachtstellung eines Einzelnen)
bull Problematisierung ndash War die Republik laumlngst passeacute musste alles auf den Prinzipat des Augustus hinaus-
laufen (Vorsicht Keine teleologische Geschichtsauffassung wie z T im 19 Jh) ndash War Cicero unrealistisch waren seine Ideale uumlberholt (Vergleich mit Stauffen-
berg moumlglich Ideale durchaus richtig und der Zeit angemessen)
hellip arbeiten aus lateinischen Texten roumlmische Wertbegriffe [hellip] und die Stilisierung von Personen heraus und interpretieren diese bull Die classica-Ausgabe bietet kurze Sachtexte zu den Wert- bzw Kernbegriffen pietās
potestās imperium lībertās dignitās gravitās pāx und mōs māiōrum Aus dem Mit-telstufenunterricht sollten v a die Kernbegriffe virtūs auctōritās honōs glōria fidēs und grātia wiederaufgegriffen und ausdifferenziert werden
bull Stilisierung des Antonius s o S 5 zu raquoInvektive als Mittel der politischen Ausein-andersetzunglaquo und raquoDiskreditierung des Gegnerslaquo
bull Stilisierung Octavians Im Sinne der Polarisierung verharmlost Cicero die eklatanten Verfassungsbruumlche des jungen Octavian und fuumlhrt ihn in Phil 3 3 (= Text 8 der clas-sica-Ausgabe) als adulēscēns (paene potius puer) incrēdibilī ac dīvīnā quādam mente atque virtūte ein rarr fatale Fehleinschaumltzung der Skrupellosigkeit des Caesarerben rarr uumlberraschend optimistischer (oder riskanter) Versuch Octavian vor den Karren
des Senats zu spannen um ihn nach Erledigung seiner Aufgaben wieder in Reih und Glied treten zu lassen
bull Stilisierung Ciceros Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopfe-rungsvollen Bemuumlhungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen kann aus heutiger
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Sicht penetrant wirken (keine christliche Demut keine demokratische Eacutegaliteacute) ist aber zu verstehen wenn man das Konzept des Begriffs dignitās beruumlcksichtigt
Sprachkompetenz
Die Schuumllerinnen und Schuumller beherrschen einen Grundwortschatz von ca 1600 (eA) bzw 1400 (gA) Woumlrtern bzw Wendungen und nach Maszliggabe der gelesenen Originallektuumlre einen autoren- und themenspezifischen Aufbauwortschatz (rarr Basiskompetenz) bull Arbeit mit dem textchronologischen Lernwortschatz (824 Lemmata) bull Reflexion einiger Phaumlnomene der Wortbildungslehre (rarr Basiskompetenz) im An-
hang (s u S 37) sowie in der Vokabelspalte der classica-Ausgabe bull Erstellung von Wort- und Sachfeldern zum Leitthema
ndash aus dem Uumlbersetzungstext ndash Erweiterung z B durch Synonyme und Antonyme
hellip identifizieren lektuumlrebezogen Besonderheiten der Formenlehre bull Anhang der classica-Ausgabe (s u S 35)
ndash Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī ndash Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs ndash Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- ndash keine Assimilation (Orthographie der Handschriften und damit auch der wissen-
schaftlichen Textausgaben schwankt betraumlchtlich Gewoumlhnung der Schuumller an nicht assimilierte Formen empfohlen)
ndash gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris (kommt in den Philippischen Reden sehr selten vor gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen)
ndash (3 Pl Ind Perf Akt auf -ēre statt -ērunt und historischer Infinitiv fuumlr die Philippi-schen Reden irrelevant)
hellip analysieren erlaumlutern und uumlbersetzen langtypische syntaktische Phaumlnomene der Philippischen Redenrang bull komplexe Satzgefuumlge (u a Perioden rarr eher Text- als Sprachkompetenz)
ndash in der classica-Ausgabe z T kolometrisch oder durch groumlszligere Spatien vorstrukturiert ndash im Lehrerband Kopiervorlagen mit feiner aufbereiteter Kolometrie
bull raquoGrammatikalische Stolpersteinelaquo (s u S 36) und spezielle S-Texte der classica-Ausgabe ndash Relativsaumltze ohne Bezugswort ndash Verschraumlnkung eines Relativsatzes mit AcI ndash Genitivus possessivus bei unpersoumlnlich gebrauchtem est ndash Inversion von Konjunktionen (v a beim relativischen Satzanschluss)
bull Uumlbung an Einzelsaumltzen nicht verwerflich (vgl Etuumlden in der Musik Bewegungsablaumlufe beim Sport) ndash Heinz Papenhoff Hans Gappa Exercitationes Novae Uumlbungsbuch fuumlr den lateini-
schen Grammatikunterricht neben der Lektuumlre Goumlttingen 41975 ndash Reinhold Koller Friedrich Maier Subsidia Latina Autorenbezogene Begleitgram-
matik ndash Mittelstufe ndash Bamberg 1993 ndash Friedrich Maier Die Version aus dem Lateinischen Ein grammatisches Begleitbuch
fuumlr den Lektuumlreunterricht Bamberg 31990
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 9
ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
5
10
15
20
Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
5
10
Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
4 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Prinzipat (raquoMonarchie in republikanischem Gewandlaquo) erhaumllt vom Senat den Ehrentitel raquoAugustuslaquo
Octavian spielt in den Philippischen Reden keine so bedeutende Rolle wie man vor dem Hintergrund des weiteren Verlaufs der Geschichte vielleicht vermuten moumlchte Cicero sieht in Octavian und seiner Privatarmee die aktuell staumlrkste Kraft Antonius ein fuumlr allemal zu erledigen weswegen er sich fuumlr eine Billigung von Octavians illegalen Maszlignahmen ausspricht wichtiger sind fuumlr ihn aber die legalen (oder zumindest legitimen) hohen Magistrate weswegen er diesen in seinen Philippischen Reden mehr Aufmerksamkeit schenkt als Octavian
ndash Lepidus Caesarianer versucht zwischen Antonius und dem Senat zu vermitteln wird deswegen von
Cicero kritisiert bildet spaumlter mit Antonius und Octavian das Triumvirat in dem er allerdings
die schwaumlchste Figur ist In der classica-Ausgabe wird Lepidus mehrfach am Rande beruumlcksichtigt weil
die Schuumller ihn aus dem Geschichtsunterricht kennen muumlssten ndash Dolabella Suffektkonsul 44 schlaumlgt sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst auf die
Seite der Caesarmoumlrder paktiert dann aber mit Antonius Spielt in der classica-Ausgabe nur eine Nebenrolle Rhetorisch interessant ist
wie Cicero seine Antipathie gegen seinen ungeliebten ehemaligen Schwieger-sohn verschleiert (Cic Phil 1 29 = Text 3 der classica-Ausgabe)
ndash Decimus Brutus entfernter Verwandter des Caesarmoumlrders Marcus Brutus geht nach den Iden des Maumlrz als Statthalter wieder in seine Provinz Gallia
cisalpina und verweigert gegen Jahresende 44 deren Uumlbergabe an Antonius obwohl dieser Provinztausch von einer Volksversammlung beschlossen wurde
Obwohl Decimus Brutus gegen die Anweisung eines formal rechtmaumlszligig amtie-renden Konsuls und gegen den Beschluss einer Volksversammlung verstoumlszligt sieht Cicero in diesem Verhalten eine wahrhaft republikanische Gesinnung die es zu verteidigen gelte Er ruft deshalb den Senat auf Brutusrsquo Verhalten zu billi-gen und da dieser von Antonius in Mutina belagert wird ein Entsatzheer zu schicken Im Senat gibt es aber viele die lieber mit Antonius verhanden als ge-gen ihn militaumlrisch vorgehen wollen Das Ringen um eine diplomatische oder militaumlrische Auseinandersetzung steht im Zentrum der 5 bis 9 Philippischen Rede (Schwerpunkt in der classica-Ausgabe)
ndash Marcus Brutus Caesarmoumlrder zieht sich nach den Iden des Maumlrz zunaumlchst nach Kampanien dann nach
Athen zuruumlck stellt 43 aus eigener Initiative ein Heer auf und kaumlmpft vom Senat als Prokon-
sul bestaumltigt im Osten gegen Caesarianer (u a gegen Dolabella) Marcus Brutus ist in der (Rezeptions-) Geschichte prominenter als Decimus
Brutus bei Cicero spielt er aber nur in der 10 Philippischen Rede eine nen-nenswerte Rolle (Schwerpunkt in der Klettschen libellus-Ausgabe in der classi-ca-Ausgabe ausgespart um nicht noch ein neues Fass aufzumachen)
Die historische Bedeutung des Marcus Brutus wird in der classica-Ausgabe numismatisch reflektiert
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 5
ndash Cassius Longinus der andere namhafte Caesarmoumlrder spielt bei Cicero nur in der 11 Philippischen Rede eine nennenswerte Rolle (in
der classica-Ausgabe ebenfalls weitgehend ausgespart) ndash Hirtius und Pansa Konsuln 43
fallen beide in der Schlacht von Mutina weswegen sie in der roumlmischen Ge-schichtsschreibung immer wieder erwaumlhnt werden
Cicero setzt auf sie groszlige Hoffnungen weil sie als regulaumlre Magistrate ein voumlllig rechtmaumlszligiges imperium haben
bull In der classica-Ausgabe wird der historische Kontext sukzessive im Vorspann zu den Uumlbersetzungstexten sowie in Uumlberleitungstexten (raquoUumlberblick uumlber das weitere Ge-schehenlaquo) erlaumlutert ndash Einen guten zusammenhaumlngenden Uumlberblick ndash wohl nicht zum Durcharbeiten en
bloc gedacht ndash bietet die Klettsche libellus-Ausgabe S 70ndash75 ndash Alternativ dazu bietet die classica-Ausgabe die stark verkuumlrzte und nur mit Vor-
kenntnissen oder muumlndlichen Erlaumluterungen ergiebige aber in ihrer Dramatisie-rung deutlicher akzentuierte Uumlbersicht raquoEine Tragoumldie in fuumlnf Aktenlaquo (s u S 14 f) nach einer Idee von Wilfried Stroh
hellip erklaumlren die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des Staates und fuumlr Cicero selbst bull fuumlr den Staat Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero maszliggeblich dazu beigetra-
gen dass Octavians illegale Maszlignahmen vom Senat gebilligt wurden Dadurch erhielt Octavian ein imperium das er zum Ausbau seiner persoumlnlichen Macht und letztlich zur Liquidierung nicht nur seiner politischen und persoumlnlichen Gegner sondern auch der alten rēs pūblica nutzte
bull fuumlr Cicero selbst Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero sich Antonius zum Tod-feind gemacht Dieser forderte im Zuge der Proskiptionen die er als Triumvir durch-fuumlhren lieszlig von Octavian das Zugestaumlndnis Cicero ermorden zu lassen
Textkompetenz I
Die Schuumllerinnen und Schuumller analysieren Texte im Hinblick auf autoren- und gattungsspezifische Merkmale arbeiten die Invektive als Mittel der politischen Auseinandersetzung heraus bull Topoi der Invektive S 23 der classica-Ausgabe (= S 23 der vorliegenden Broschuumlre) bull Leitmotive Antonius ist ein Staatsfeind (hostis) und eine Bestie (bēlua) er hat keine
roumlmischen und keine menschlichen Zuumlge mehr (Verlust von virtūs und hūmānitās)
hellip arbeiten die Zielrichtung der philippischen Reden Ciceros heraus Mobilisierung des Senats zum Kampf gegen Antonius durch Diskreditierung des Gegners und Appell an den Gemeinsinn bull Diskreditierung des Gegners siehe vorige Textkompetenz (zu raquoInvektive als Mittel
der politischen Auseinandersetzunglaquo) bull Appell an den Gemeinsinn
ndash Leitmotiv der concordia ōrdinum (Eintracht von Ritterstand und Senatsaristokra-tie) erweitert zum cōnsēnsus omnium bonōrum (politische Uumlbereinstimmung aller raquoGutenlaquo also patriotisch Gesinnten egal ob Konsul oder Freigelassener) rarr S 45 der classica-Ausgabe
6 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
ndash Wenn der Senat nicht in Ciceros Sinne agiert versucht dieser ihn mit dem Hin-weis auf die vermeintliche Entschlossenheit der Konsuln des roumlmischen Volkes ganz Italiens der Heerfuumlhrer und des Heeres unter Druck zu setzen
ndash Weitere Leitmotive der Mobilisierung (s o S 5) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
hellip arbeiten Ciceros Kampf fuumlr die lībera rēs pūblica heraus bull Kernbegriff lībertās (S 31 der classica-Ausgabe)
ndash ab Ende des 6 Jhs v Chr Freiheit von der Koumlnigsherrschaft (rēgnum) ndash bis zum Ende der Staumlndekaumlmpfe (287 v Chr) alle gegen die Allmacht der Patrizier
angestrebten bzw errungenen politischen sozialen und persoumlnlichen Rechte der Plebejer
ndash in der spaumlten Republik (ab 133 v Chr) politischer Kampfbegriff der Popularen Gleichheit aller roumlmischen Buumlrger vor dem Gesetz Schutz vor
magistratischer Willkuumlr Forderung fairer Existenzbedingungen der Optimaten Wiederherstellung des traditionellen Ordnungsrahmens (freie
und gleichberechtigte Moumlglichkeit sich politisch zu entfalten fuumlr alle nōbilēs) Gegenbegriff zu dominātiō oder dominātus (der unrechtmaumlszligigen und unkon-trollierbaren Vormachtstellung eines Einzelnen)
bull Problematisierung ndash War die Republik laumlngst passeacute musste alles auf den Prinzipat des Augustus hinaus-
laufen (Vorsicht Keine teleologische Geschichtsauffassung wie z T im 19 Jh) ndash War Cicero unrealistisch waren seine Ideale uumlberholt (Vergleich mit Stauffen-
berg moumlglich Ideale durchaus richtig und der Zeit angemessen)
hellip arbeiten aus lateinischen Texten roumlmische Wertbegriffe [hellip] und die Stilisierung von Personen heraus und interpretieren diese bull Die classica-Ausgabe bietet kurze Sachtexte zu den Wert- bzw Kernbegriffen pietās
potestās imperium lībertās dignitās gravitās pāx und mōs māiōrum Aus dem Mit-telstufenunterricht sollten v a die Kernbegriffe virtūs auctōritās honōs glōria fidēs und grātia wiederaufgegriffen und ausdifferenziert werden
bull Stilisierung des Antonius s o S 5 zu raquoInvektive als Mittel der politischen Ausein-andersetzunglaquo und raquoDiskreditierung des Gegnerslaquo
bull Stilisierung Octavians Im Sinne der Polarisierung verharmlost Cicero die eklatanten Verfassungsbruumlche des jungen Octavian und fuumlhrt ihn in Phil 3 3 (= Text 8 der clas-sica-Ausgabe) als adulēscēns (paene potius puer) incrēdibilī ac dīvīnā quādam mente atque virtūte ein rarr fatale Fehleinschaumltzung der Skrupellosigkeit des Caesarerben rarr uumlberraschend optimistischer (oder riskanter) Versuch Octavian vor den Karren
des Senats zu spannen um ihn nach Erledigung seiner Aufgaben wieder in Reih und Glied treten zu lassen
bull Stilisierung Ciceros Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopfe-rungsvollen Bemuumlhungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen kann aus heutiger
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 7
Sicht penetrant wirken (keine christliche Demut keine demokratische Eacutegaliteacute) ist aber zu verstehen wenn man das Konzept des Begriffs dignitās beruumlcksichtigt
Sprachkompetenz
Die Schuumllerinnen und Schuumller beherrschen einen Grundwortschatz von ca 1600 (eA) bzw 1400 (gA) Woumlrtern bzw Wendungen und nach Maszliggabe der gelesenen Originallektuumlre einen autoren- und themenspezifischen Aufbauwortschatz (rarr Basiskompetenz) bull Arbeit mit dem textchronologischen Lernwortschatz (824 Lemmata) bull Reflexion einiger Phaumlnomene der Wortbildungslehre (rarr Basiskompetenz) im An-
hang (s u S 37) sowie in der Vokabelspalte der classica-Ausgabe bull Erstellung von Wort- und Sachfeldern zum Leitthema
ndash aus dem Uumlbersetzungstext ndash Erweiterung z B durch Synonyme und Antonyme
hellip identifizieren lektuumlrebezogen Besonderheiten der Formenlehre bull Anhang der classica-Ausgabe (s u S 35)
ndash Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī ndash Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs ndash Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- ndash keine Assimilation (Orthographie der Handschriften und damit auch der wissen-
schaftlichen Textausgaben schwankt betraumlchtlich Gewoumlhnung der Schuumller an nicht assimilierte Formen empfohlen)
ndash gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris (kommt in den Philippischen Reden sehr selten vor gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen)
ndash (3 Pl Ind Perf Akt auf -ēre statt -ērunt und historischer Infinitiv fuumlr die Philippi-schen Reden irrelevant)
hellip analysieren erlaumlutern und uumlbersetzen langtypische syntaktische Phaumlnomene der Philippischen Redenrang bull komplexe Satzgefuumlge (u a Perioden rarr eher Text- als Sprachkompetenz)
ndash in der classica-Ausgabe z T kolometrisch oder durch groumlszligere Spatien vorstrukturiert ndash im Lehrerband Kopiervorlagen mit feiner aufbereiteter Kolometrie
bull raquoGrammatikalische Stolpersteinelaquo (s u S 36) und spezielle S-Texte der classica-Ausgabe ndash Relativsaumltze ohne Bezugswort ndash Verschraumlnkung eines Relativsatzes mit AcI ndash Genitivus possessivus bei unpersoumlnlich gebrauchtem est ndash Inversion von Konjunktionen (v a beim relativischen Satzanschluss)
bull Uumlbung an Einzelsaumltzen nicht verwerflich (vgl Etuumlden in der Musik Bewegungsablaumlufe beim Sport) ndash Heinz Papenhoff Hans Gappa Exercitationes Novae Uumlbungsbuch fuumlr den lateini-
schen Grammatikunterricht neben der Lektuumlre Goumlttingen 41975 ndash Reinhold Koller Friedrich Maier Subsidia Latina Autorenbezogene Begleitgram-
matik ndash Mittelstufe ndash Bamberg 1993 ndash Friedrich Maier Die Version aus dem Lateinischen Ein grammatisches Begleitbuch
fuumlr den Lektuumlreunterricht Bamberg 31990
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 9
ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
5
10
15
(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
S
K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
5
10
15
20
(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
5
10
15
(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
10
15
20
(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
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ndash Cassius Longinus der andere namhafte Caesarmoumlrder spielt bei Cicero nur in der 11 Philippischen Rede eine nennenswerte Rolle (in
der classica-Ausgabe ebenfalls weitgehend ausgespart) ndash Hirtius und Pansa Konsuln 43
fallen beide in der Schlacht von Mutina weswegen sie in der roumlmischen Ge-schichtsschreibung immer wieder erwaumlhnt werden
Cicero setzt auf sie groszlige Hoffnungen weil sie als regulaumlre Magistrate ein voumlllig rechtmaumlszligiges imperium haben
bull In der classica-Ausgabe wird der historische Kontext sukzessive im Vorspann zu den Uumlbersetzungstexten sowie in Uumlberleitungstexten (raquoUumlberblick uumlber das weitere Ge-schehenlaquo) erlaumlutert ndash Einen guten zusammenhaumlngenden Uumlberblick ndash wohl nicht zum Durcharbeiten en
bloc gedacht ndash bietet die Klettsche libellus-Ausgabe S 70ndash75 ndash Alternativ dazu bietet die classica-Ausgabe die stark verkuumlrzte und nur mit Vor-
kenntnissen oder muumlndlichen Erlaumluterungen ergiebige aber in ihrer Dramatisie-rung deutlicher akzentuierte Uumlbersicht raquoEine Tragoumldie in fuumlnf Aktenlaquo (s u S 14 f) nach einer Idee von Wilfried Stroh
hellip erklaumlren die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des Staates und fuumlr Cicero selbst bull fuumlr den Staat Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero maszliggeblich dazu beigetra-
gen dass Octavians illegale Maszlignahmen vom Senat gebilligt wurden Dadurch erhielt Octavian ein imperium das er zum Ausbau seiner persoumlnlichen Macht und letztlich zur Liquidierung nicht nur seiner politischen und persoumlnlichen Gegner sondern auch der alten rēs pūblica nutzte
bull fuumlr Cicero selbst Mit seinen Philippischen Reden hat Cicero sich Antonius zum Tod-feind gemacht Dieser forderte im Zuge der Proskiptionen die er als Triumvir durch-fuumlhren lieszlig von Octavian das Zugestaumlndnis Cicero ermorden zu lassen
Textkompetenz I
Die Schuumllerinnen und Schuumller analysieren Texte im Hinblick auf autoren- und gattungsspezifische Merkmale arbeiten die Invektive als Mittel der politischen Auseinandersetzung heraus bull Topoi der Invektive S 23 der classica-Ausgabe (= S 23 der vorliegenden Broschuumlre) bull Leitmotive Antonius ist ein Staatsfeind (hostis) und eine Bestie (bēlua) er hat keine
roumlmischen und keine menschlichen Zuumlge mehr (Verlust von virtūs und hūmānitās)
hellip arbeiten die Zielrichtung der philippischen Reden Ciceros heraus Mobilisierung des Senats zum Kampf gegen Antonius durch Diskreditierung des Gegners und Appell an den Gemeinsinn bull Diskreditierung des Gegners siehe vorige Textkompetenz (zu raquoInvektive als Mittel
der politischen Auseinandersetzunglaquo) bull Appell an den Gemeinsinn
ndash Leitmotiv der concordia ōrdinum (Eintracht von Ritterstand und Senatsaristokra-tie) erweitert zum cōnsēnsus omnium bonōrum (politische Uumlbereinstimmung aller raquoGutenlaquo also patriotisch Gesinnten egal ob Konsul oder Freigelassener) rarr S 45 der classica-Ausgabe
6 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
ndash Wenn der Senat nicht in Ciceros Sinne agiert versucht dieser ihn mit dem Hin-weis auf die vermeintliche Entschlossenheit der Konsuln des roumlmischen Volkes ganz Italiens der Heerfuumlhrer und des Heeres unter Druck zu setzen
ndash Weitere Leitmotive der Mobilisierung (s o S 5) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
hellip arbeiten Ciceros Kampf fuumlr die lībera rēs pūblica heraus bull Kernbegriff lībertās (S 31 der classica-Ausgabe)
ndash ab Ende des 6 Jhs v Chr Freiheit von der Koumlnigsherrschaft (rēgnum) ndash bis zum Ende der Staumlndekaumlmpfe (287 v Chr) alle gegen die Allmacht der Patrizier
angestrebten bzw errungenen politischen sozialen und persoumlnlichen Rechte der Plebejer
ndash in der spaumlten Republik (ab 133 v Chr) politischer Kampfbegriff der Popularen Gleichheit aller roumlmischen Buumlrger vor dem Gesetz Schutz vor
magistratischer Willkuumlr Forderung fairer Existenzbedingungen der Optimaten Wiederherstellung des traditionellen Ordnungsrahmens (freie
und gleichberechtigte Moumlglichkeit sich politisch zu entfalten fuumlr alle nōbilēs) Gegenbegriff zu dominātiō oder dominātus (der unrechtmaumlszligigen und unkon-trollierbaren Vormachtstellung eines Einzelnen)
bull Problematisierung ndash War die Republik laumlngst passeacute musste alles auf den Prinzipat des Augustus hinaus-
laufen (Vorsicht Keine teleologische Geschichtsauffassung wie z T im 19 Jh) ndash War Cicero unrealistisch waren seine Ideale uumlberholt (Vergleich mit Stauffen-
berg moumlglich Ideale durchaus richtig und der Zeit angemessen)
hellip arbeiten aus lateinischen Texten roumlmische Wertbegriffe [hellip] und die Stilisierung von Personen heraus und interpretieren diese bull Die classica-Ausgabe bietet kurze Sachtexte zu den Wert- bzw Kernbegriffen pietās
potestās imperium lībertās dignitās gravitās pāx und mōs māiōrum Aus dem Mit-telstufenunterricht sollten v a die Kernbegriffe virtūs auctōritās honōs glōria fidēs und grātia wiederaufgegriffen und ausdifferenziert werden
bull Stilisierung des Antonius s o S 5 zu raquoInvektive als Mittel der politischen Ausein-andersetzunglaquo und raquoDiskreditierung des Gegnerslaquo
bull Stilisierung Octavians Im Sinne der Polarisierung verharmlost Cicero die eklatanten Verfassungsbruumlche des jungen Octavian und fuumlhrt ihn in Phil 3 3 (= Text 8 der clas-sica-Ausgabe) als adulēscēns (paene potius puer) incrēdibilī ac dīvīnā quādam mente atque virtūte ein rarr fatale Fehleinschaumltzung der Skrupellosigkeit des Caesarerben rarr uumlberraschend optimistischer (oder riskanter) Versuch Octavian vor den Karren
des Senats zu spannen um ihn nach Erledigung seiner Aufgaben wieder in Reih und Glied treten zu lassen
bull Stilisierung Ciceros Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopfe-rungsvollen Bemuumlhungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen kann aus heutiger
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Sicht penetrant wirken (keine christliche Demut keine demokratische Eacutegaliteacute) ist aber zu verstehen wenn man das Konzept des Begriffs dignitās beruumlcksichtigt
Sprachkompetenz
Die Schuumllerinnen und Schuumller beherrschen einen Grundwortschatz von ca 1600 (eA) bzw 1400 (gA) Woumlrtern bzw Wendungen und nach Maszliggabe der gelesenen Originallektuumlre einen autoren- und themenspezifischen Aufbauwortschatz (rarr Basiskompetenz) bull Arbeit mit dem textchronologischen Lernwortschatz (824 Lemmata) bull Reflexion einiger Phaumlnomene der Wortbildungslehre (rarr Basiskompetenz) im An-
hang (s u S 37) sowie in der Vokabelspalte der classica-Ausgabe bull Erstellung von Wort- und Sachfeldern zum Leitthema
ndash aus dem Uumlbersetzungstext ndash Erweiterung z B durch Synonyme und Antonyme
hellip identifizieren lektuumlrebezogen Besonderheiten der Formenlehre bull Anhang der classica-Ausgabe (s u S 35)
ndash Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī ndash Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs ndash Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- ndash keine Assimilation (Orthographie der Handschriften und damit auch der wissen-
schaftlichen Textausgaben schwankt betraumlchtlich Gewoumlhnung der Schuumller an nicht assimilierte Formen empfohlen)
ndash gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris (kommt in den Philippischen Reden sehr selten vor gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen)
ndash (3 Pl Ind Perf Akt auf -ēre statt -ērunt und historischer Infinitiv fuumlr die Philippi-schen Reden irrelevant)
hellip analysieren erlaumlutern und uumlbersetzen langtypische syntaktische Phaumlnomene der Philippischen Redenrang bull komplexe Satzgefuumlge (u a Perioden rarr eher Text- als Sprachkompetenz)
ndash in der classica-Ausgabe z T kolometrisch oder durch groumlszligere Spatien vorstrukturiert ndash im Lehrerband Kopiervorlagen mit feiner aufbereiteter Kolometrie
bull raquoGrammatikalische Stolpersteinelaquo (s u S 36) und spezielle S-Texte der classica-Ausgabe ndash Relativsaumltze ohne Bezugswort ndash Verschraumlnkung eines Relativsatzes mit AcI ndash Genitivus possessivus bei unpersoumlnlich gebrauchtem est ndash Inversion von Konjunktionen (v a beim relativischen Satzanschluss)
bull Uumlbung an Einzelsaumltzen nicht verwerflich (vgl Etuumlden in der Musik Bewegungsablaumlufe beim Sport) ndash Heinz Papenhoff Hans Gappa Exercitationes Novae Uumlbungsbuch fuumlr den lateini-
schen Grammatikunterricht neben der Lektuumlre Goumlttingen 41975 ndash Reinhold Koller Friedrich Maier Subsidia Latina Autorenbezogene Begleitgram-
matik ndash Mittelstufe ndash Bamberg 1993 ndash Friedrich Maier Die Version aus dem Lateinischen Ein grammatisches Begleitbuch
fuumlr den Lektuumlreunterricht Bamberg 31990
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
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ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
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(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
6 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
ndash Wenn der Senat nicht in Ciceros Sinne agiert versucht dieser ihn mit dem Hin-weis auf die vermeintliche Entschlossenheit der Konsuln des roumlmischen Volkes ganz Italiens der Heerfuumlhrer und des Heeres unter Druck zu setzen
ndash Weitere Leitmotive der Mobilisierung (s o S 5) Es herrscht zwar nicht formal aber faktisch Krieg Es geht um die Alternative Freiheit oder Tyrannei (rarr Polarisierung) Die Lage ist guumlnstig der richtige Moment (καιρός) zum Handeln ist da Gefahr im Verzug ndash jetzt oder nie (rarr Polarisierung)
hellip arbeiten Ciceros Kampf fuumlr die lībera rēs pūblica heraus bull Kernbegriff lībertās (S 31 der classica-Ausgabe)
ndash ab Ende des 6 Jhs v Chr Freiheit von der Koumlnigsherrschaft (rēgnum) ndash bis zum Ende der Staumlndekaumlmpfe (287 v Chr) alle gegen die Allmacht der Patrizier
angestrebten bzw errungenen politischen sozialen und persoumlnlichen Rechte der Plebejer
ndash in der spaumlten Republik (ab 133 v Chr) politischer Kampfbegriff der Popularen Gleichheit aller roumlmischen Buumlrger vor dem Gesetz Schutz vor
magistratischer Willkuumlr Forderung fairer Existenzbedingungen der Optimaten Wiederherstellung des traditionellen Ordnungsrahmens (freie
und gleichberechtigte Moumlglichkeit sich politisch zu entfalten fuumlr alle nōbilēs) Gegenbegriff zu dominātiō oder dominātus (der unrechtmaumlszligigen und unkon-trollierbaren Vormachtstellung eines Einzelnen)
bull Problematisierung ndash War die Republik laumlngst passeacute musste alles auf den Prinzipat des Augustus hinaus-
laufen (Vorsicht Keine teleologische Geschichtsauffassung wie z T im 19 Jh) ndash War Cicero unrealistisch waren seine Ideale uumlberholt (Vergleich mit Stauffen-
berg moumlglich Ideale durchaus richtig und der Zeit angemessen)
hellip arbeiten aus lateinischen Texten roumlmische Wertbegriffe [hellip] und die Stilisierung von Personen heraus und interpretieren diese bull Die classica-Ausgabe bietet kurze Sachtexte zu den Wert- bzw Kernbegriffen pietās
potestās imperium lībertās dignitās gravitās pāx und mōs māiōrum Aus dem Mit-telstufenunterricht sollten v a die Kernbegriffe virtūs auctōritās honōs glōria fidēs und grātia wiederaufgegriffen und ausdifferenziert werden
bull Stilisierung des Antonius s o S 5 zu raquoInvektive als Mittel der politischen Ausein-andersetzunglaquo und raquoDiskreditierung des Gegnerslaquo
bull Stilisierung Octavians Im Sinne der Polarisierung verharmlost Cicero die eklatanten Verfassungsbruumlche des jungen Octavian und fuumlhrt ihn in Phil 3 3 (= Text 8 der clas-sica-Ausgabe) als adulēscēns (paene potius puer) incrēdibilī ac dīvīnā quādam mente atque virtūte ein rarr fatale Fehleinschaumltzung der Skrupellosigkeit des Caesarerben rarr uumlberraschend optimistischer (oder riskanter) Versuch Octavian vor den Karren
des Senats zu spannen um ihn nach Erledigung seiner Aufgaben wieder in Reih und Glied treten zu lassen
bull Stilisierung Ciceros Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopfe-rungsvollen Bemuumlhungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen kann aus heutiger
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 7
Sicht penetrant wirken (keine christliche Demut keine demokratische Eacutegaliteacute) ist aber zu verstehen wenn man das Konzept des Begriffs dignitās beruumlcksichtigt
Sprachkompetenz
Die Schuumllerinnen und Schuumller beherrschen einen Grundwortschatz von ca 1600 (eA) bzw 1400 (gA) Woumlrtern bzw Wendungen und nach Maszliggabe der gelesenen Originallektuumlre einen autoren- und themenspezifischen Aufbauwortschatz (rarr Basiskompetenz) bull Arbeit mit dem textchronologischen Lernwortschatz (824 Lemmata) bull Reflexion einiger Phaumlnomene der Wortbildungslehre (rarr Basiskompetenz) im An-
hang (s u S 37) sowie in der Vokabelspalte der classica-Ausgabe bull Erstellung von Wort- und Sachfeldern zum Leitthema
ndash aus dem Uumlbersetzungstext ndash Erweiterung z B durch Synonyme und Antonyme
hellip identifizieren lektuumlrebezogen Besonderheiten der Formenlehre bull Anhang der classica-Ausgabe (s u S 35)
ndash Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī ndash Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs ndash Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- ndash keine Assimilation (Orthographie der Handschriften und damit auch der wissen-
schaftlichen Textausgaben schwankt betraumlchtlich Gewoumlhnung der Schuumller an nicht assimilierte Formen empfohlen)
ndash gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris (kommt in den Philippischen Reden sehr selten vor gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen)
ndash (3 Pl Ind Perf Akt auf -ēre statt -ērunt und historischer Infinitiv fuumlr die Philippi-schen Reden irrelevant)
hellip analysieren erlaumlutern und uumlbersetzen langtypische syntaktische Phaumlnomene der Philippischen Redenrang bull komplexe Satzgefuumlge (u a Perioden rarr eher Text- als Sprachkompetenz)
ndash in der classica-Ausgabe z T kolometrisch oder durch groumlszligere Spatien vorstrukturiert ndash im Lehrerband Kopiervorlagen mit feiner aufbereiteter Kolometrie
bull raquoGrammatikalische Stolpersteinelaquo (s u S 36) und spezielle S-Texte der classica-Ausgabe ndash Relativsaumltze ohne Bezugswort ndash Verschraumlnkung eines Relativsatzes mit AcI ndash Genitivus possessivus bei unpersoumlnlich gebrauchtem est ndash Inversion von Konjunktionen (v a beim relativischen Satzanschluss)
bull Uumlbung an Einzelsaumltzen nicht verwerflich (vgl Etuumlden in der Musik Bewegungsablaumlufe beim Sport) ndash Heinz Papenhoff Hans Gappa Exercitationes Novae Uumlbungsbuch fuumlr den lateini-
schen Grammatikunterricht neben der Lektuumlre Goumlttingen 41975 ndash Reinhold Koller Friedrich Maier Subsidia Latina Autorenbezogene Begleitgram-
matik ndash Mittelstufe ndash Bamberg 1993 ndash Friedrich Maier Die Version aus dem Lateinischen Ein grammatisches Begleitbuch
fuumlr den Lektuumlreunterricht Bamberg 31990
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 9
ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
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(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
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30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 7
Sicht penetrant wirken (keine christliche Demut keine demokratische Eacutegaliteacute) ist aber zu verstehen wenn man das Konzept des Begriffs dignitās beruumlcksichtigt
Sprachkompetenz
Die Schuumllerinnen und Schuumller beherrschen einen Grundwortschatz von ca 1600 (eA) bzw 1400 (gA) Woumlrtern bzw Wendungen und nach Maszliggabe der gelesenen Originallektuumlre einen autoren- und themenspezifischen Aufbauwortschatz (rarr Basiskompetenz) bull Arbeit mit dem textchronologischen Lernwortschatz (824 Lemmata) bull Reflexion einiger Phaumlnomene der Wortbildungslehre (rarr Basiskompetenz) im An-
hang (s u S 37) sowie in der Vokabelspalte der classica-Ausgabe bull Erstellung von Wort- und Sachfeldern zum Leitthema
ndash aus dem Uumlbersetzungstext ndash Erweiterung z B durch Synonyme und Antonyme
hellip identifizieren lektuumlrebezogen Besonderheiten der Formenlehre bull Anhang der classica-Ausgabe (s u S 35)
ndash Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī ndash Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs ndash Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- ndash keine Assimilation (Orthographie der Handschriften und damit auch der wissen-
schaftlichen Textausgaben schwankt betraumlchtlich Gewoumlhnung der Schuumller an nicht assimilierte Formen empfohlen)
ndash gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris (kommt in den Philippischen Reden sehr selten vor gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen)
ndash (3 Pl Ind Perf Akt auf -ēre statt -ērunt und historischer Infinitiv fuumlr die Philippi-schen Reden irrelevant)
hellip analysieren erlaumlutern und uumlbersetzen langtypische syntaktische Phaumlnomene der Philippischen Redenrang bull komplexe Satzgefuumlge (u a Perioden rarr eher Text- als Sprachkompetenz)
ndash in der classica-Ausgabe z T kolometrisch oder durch groumlszligere Spatien vorstrukturiert ndash im Lehrerband Kopiervorlagen mit feiner aufbereiteter Kolometrie
bull raquoGrammatikalische Stolpersteinelaquo (s u S 36) und spezielle S-Texte der classica-Ausgabe ndash Relativsaumltze ohne Bezugswort ndash Verschraumlnkung eines Relativsatzes mit AcI ndash Genitivus possessivus bei unpersoumlnlich gebrauchtem est ndash Inversion von Konjunktionen (v a beim relativischen Satzanschluss)
bull Uumlbung an Einzelsaumltzen nicht verwerflich (vgl Etuumlden in der Musik Bewegungsablaumlufe beim Sport) ndash Heinz Papenhoff Hans Gappa Exercitationes Novae Uumlbungsbuch fuumlr den lateini-
schen Grammatikunterricht neben der Lektuumlre Goumlttingen 41975 ndash Reinhold Koller Friedrich Maier Subsidia Latina Autorenbezogene Begleitgram-
matik ndash Mittelstufe ndash Bamberg 1993 ndash Friedrich Maier Die Version aus dem Lateinischen Ein grammatisches Begleitbuch
fuumlr den Lektuumlreunterricht Bamberg 31990
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 9
ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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______ ________
______ ____ ________
Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
8 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
Kulturkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller benennen zentrale Elemente der rhetorischen Theorie Ziele der Redekunst Genera und Teile (partēs) der Rede Taumltigkeiten (officia) des Redners bull Zu raquoZiele der Redekunstlaquo gibt es bei Cicero keine praumlzise Definition In einem aumllteren
thematischen Schwerpunkt (ZA 200607) gab es aber unter raquoZiele der Redekunstlaquo den Lektuumlrevorschlag Cic de orat I 30ndash34 Was in diesen Paragraphen steht ist eine Umschreibung der Aufgaben docēre dēlectāre und movēre und wird in Cic de orat II 114 als omnis ratiō dīcendī bezeichnet Mit etwas Bauchschmerzen wird in Abschnitt A der classica-Ausgabe (= S 26 der vorliegenden Broschuumlre) der Begriff raquoZielelaquo auf die Ebene von ratiōnēs (raquoPrinzipienlaquo) gequetscht damit die Schuumller an dieser Stelle das wiederfinden was im KC steht auch wenn es keine Uumlbersetzung ist
bull Der Begriff genera ist doppeldeutig Damit werden die Redegattungen (in DNP LAW und KlP genera causārum genannt) und die Stilarten (in DNP LAW und KlP genera dīcendī genannt) bezeichnet Abschnitt B der classica-Ausgabe fuumlhrt als raquoGenera der Redelaquo im Sinne des KC die drei Redegattungen genus iūdiciāle genus dēlīberātīvum und genus dēmōnstrātīvum auf
bull Auch der Begriff officia ōrātōris ist doppeldeutig Damit werden die fuumlnf Arbeitsgaumln-ge (inventiō dispositiō hellip) und die o g Aufgaben (docēre dēlectāre und movēre) be-zeichnet Der Wikipedia-Artikel auf den viele Schuumller sicherlich zuruumlckgreifen wer-den legt den Schwerpunkt leider auf den zweiten Aspekt Abschnitt D der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre) fuumlhrt jedoch als raquoTaumltigkeiten (officia) des Rednerslaquo im Sinne des KC die fuumlnf Arbeitsgaumlnge-stadien (opera) des Redners auf
bull Der Begriff raquoTeile (partēs) der Redelaquo ist klar rarr Abschnitt C der classica-Ausgabe (= S 27 der vorliegenden Broschuumlre)
bull Die Praumlzisierungen der Abschnitt A B und D sind von allen vier niedersaumlchsischen Fachberatern abgesegnet worden Sicherheitshalber werden in Abschnitt F der classi-ca-Ausgabe noch die genera dīcendī als drei Stilhoumlhen aufgelistet auszligerdem in Ab-schnitt E die fuumlnf Stilqualitaumlten (virtūtēs dīcendī) die fuumlr eine Beurteilung von Cice-ros rhetorischer Leistung und der rhetorischen Leistung heutiger Redner wichtig sind
Textkompetenz II
Die Schuumllerinnen und Schuumller erschlieszligen einen lateinischen Originaltext sprachlich und inhaltlich und verfassen eine angemessene Uumlbersetzung bull Fuumlr eine transphrastische Vorerschlieszligung nach Willibald Heilmann eignen sich die
Philippischen Reden besonders gut weil bestimmte Leitmotive immer wieder auftau-chen und Ciceros generelle Intention den Schuumllern von vornherein klar ist ndash Willibald Heilmann raquoTextverstaumlndnis aus der Textstruktur bei der Lektuumlre latei-
nischer Prosalaquo in Der Altsprachliche Unterricht 182 (1975) 5ndash22 ndash Der Altsprachliche Unterricht 566 (2013) Themenheft raquoTexterschlieszligunglaquo
bull Ebenso eignen sich die Philippischen Reden besonders fuumlr das Thema-Rhema-Verfahren weil Ciceros Gedankenfuumlhrung i d R sehr raquologischlaquo und stringent ist (vgl SB 6 der classica-Ausgabe = S 35 der vorliegenden Broschuumlre)
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 9
ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
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14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
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(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
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30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Arbeitskreis im Rahmen des NAV-Landestages Braunschweig 13 November 2015 9
ndash Der Altsprachliche Unterricht 316 (1988) Themenheft raquoGrammatik ndash Semantik ndash Textverstehenlaquo darin v a Klaus Weddigen raquoThema und Rhema Uumlberlegungen zu einer Methode der Texterfahrunglaquo (7ndash28)
bull Hilfen zur Satzerschlieszligung ndash Kolometrie ndash Konstruieren (Nachvollzug des grammatikalischen Aufbaus eines Satzes) ndash Analyse (Fragen nach dem Inhalt und den gedanklichen Zusammenhaumlngen)
bull Uumlbersetzung nach der Dreischrittmethode funktioniert bei Ciceros Perioden beson-ders gut ndash Vorteil klare Abbildung des originalen Gedankengangs ndash Nachteil oft verschachtelter fuumlr das Deutsche nicht idiomatischer Satzbau
hellip benennen stilistische Gestaltungsmittel und erlaumlutern ihre Funktion im Kontext identifizieren und deuten spezifische sprachlich-stilistische Mittel der politischen Rede z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung bull Liste der sprachlich-stilistischen Mittel (vgl S 34 der vorliegenden Broschuumlre) geteilt
in Fundamentum (= Anhang 3 des KC = NAV-Liste) und Additum bull exemplarische Interpretationsskizzen s u S 34
hellip vergleichen und bewerten Parallel- oder Kontrasttexte bull Beispiel fuumlr rhetorische Wucht rsquomal nicht Hitler oder Goebbels sondern Adenauer
(raquoWir waumlhlen die Freiheitlaquo s u S 25 einigen Schuumllern vielleicht aus dem Trailer der Serie 100 Jahre ndash Der Countdown bekannt)
bull zu Ciceros Tod Internet-Blog von Uwe Walter (s u S 30) bull zu Ciceros politischer und literarischer Leistung Epilog aus Wilfried Strohs Beck-
Taschenbuch (s u S 32)
hellip vergleichen lateinische Originaltexte mit [selbststaumlndig recherchierten] Rezeptionsdokumenten und arbeiten die spezifischen Darstellungsmittel heraus bull Historienmalerei von Carl Theodor von Piloty (Die Ermordung Caesars s u S 21)
und Louis Jean Franccedilois Lagreneacutee (Le Consul Popilius Lena entourant drsquoun cercle le roi Antiochus) mit Auftraumlgen zu methodischer Reflexion ndash Schuumller koumlnnen eher zu Ovids Metamorphosen als zu Cicero Reden Rezeptions-
dokumente selbststaumlndig recherchieren
Kulturkompetenz III
Die Schuumllerinnen und Schuumller beschreiben Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen bull tabellarische Uumlbersicht mit Erlaumluterungen in der classica-Ausgabe (s u S 13)
ndash Akzentuierung der beiden Phasen politischer Bedeutungslosigkeit (rarr Ausweichen auf theoretische Werke) wichtig
hellip beschreiben exemplarisch Nachwirkungen der roumlmischen Kultur und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander bull Das von den Griechen entwickelte und von den Roumlmern tradierte System der Rheto-
rik gehoumlrt neben der Philosophie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
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(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
10 Matthias Hengelbrock Ciceros Philippische Reden im Lateinunterricht
bull Die deutsche Redewendung raquoeine Philippika haltenlaquo bezieht sich in erster Linie nicht auf Demosthenes sondern auf Ciceros 2 Philippische Rede
hellip vergleichen bei der Auseinandersetzung mit der roumlmischen Kultur fremde und eigene Wertvorstellun-gen uumlberpruumlfen sie kritisch und modifizieren sie zukunftsfaumlhig bull s o zu den Punkten
ndash ethische Auseinandersetzung mit der Invektive als Mittel der Politik (S 3) ndash Ciceros staumlndiger Verweis auf seine edlen Absichten aufopferungsvollen Bemuuml-
hungen und geschichtstraumlchtigen Leistungen (S 6 f)
Weitere Anmerkungen zur classica-Ausgabe
bull Die Textausgabe ist so angelegt dass man in der ersten Stunde ohne Vorgeplaumlnkel sofort mit Text 1 (s u S 16) beginnen und die Abschnitte des Einleitungsteils didak-tisch sehr variabel nachschieben kann
bull 20 der 24 Uumlbersetzungstexte sind am Alten Gymnasium Oldenburg bereits zweimal im Lateinunterricht der Jahrgangsstufe 10 durchgelaufen die entsprechenden Voka-bel- und Grammatikhilfen sollten also praxiserprobt und entsprechend optimiert sein
bull Die Uumlbersetzungstexte umfassen zusammen 3306 lateinische Woumlrter also etwas mehr als man in einem Schulhalbjahr durchschnittlich schafft (Berechnungsgrund-lage 15 Wochen agrave 2 Doppelstunden agrave 100 Woumlrter = 3000 Woumlrter) ndash Kuumlrzungsmoumlglichkeiten Text 3 (76 W) Text 7 (212 W) Text 11 (115 W) Text 20
(143 W) Text 21 (165 W) Text 24 (32 W) ndash Zum Verstaumlndnis des weiteren Kontextes sollten aber die jeweiligen deutschen
Ein- und Uumlberleitungstexte gelesen werden Ebenso ist eine Paraphrase der uumlber-sprungenen Texte zu empfehlen wenngleich nicht zwingend notwendig
bull Die Abbildung von Muumlnzen dient nicht bloszlig der Dekoration vielmehr werden die Schuumller schrittweise angeleitet Muumlnzen zu dechiffrieren und (in bescheidenem Um-fang) zu interpretieren (s u S 19 und 29)
Hinweise zum Urheberrecht middot Impressum
Es ist zulaumlssig aus der vorliegenden Broschuumlre zu Unterrichtszwecken analoge Kopien (d h Kopien in Papierform) der Seiten 1ndash10 herzustellen und kostenlos bzw zum Selbstkostenpreis an Schuumller weiterzugeben dabei darf die Fuszligzeile nicht getilgt werden Alle weiteren Seiten duumlrfen nicht kopiert werden Die Herstellung und Verbreitung digitaler Kopien (z B durch Rundmails an Schuumller oder durch Einstellung in ein Intra-net) ist ebenfalls nicht zulaumlssig
Autor Satz und Layout Dr Matthias Hengelbrock arsingeniumgmailcom
Druck und Herstellung Expressdruck Oldenburg wwwexpressdruck-olde
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
5
10
15
(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
S
K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
5
10
15
20
(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
5
10
15
(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
10
15
20
(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Inhalt 11
Inhalt
I Einleitung
Zu dieser Ausgabe 6 Standards und Kompetenzen 7 Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 8 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 10
II Texte
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1) 12 2 Antoniusrsquo Verhalten im Maumlrz 44 (1 2ndash4) 14 3 Ein wohlwollend-kritischer Blick (1 29) 16 4 Hoffnungen nach Caesars Tod (1 31 f) 18 5 Ein letzter Appell an Antonius (1 33 f) 20 6 Antoniusrsquo Jugend (2 44ndash47) 22 7 Antoniusrsquo erstes Auftreten als Staatsfeind (2 51ndash53) 24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus 26 8 Octavian als Retter in der Not (3 3ndash5) 28 9 Freiheit oder Tyrannei (3 28 f) 30 10 Nutzt die Gunst der Stunde (3 34 f) 32 11 Freiheit als houmlchstes Gut (3 36) 34 12 Aufruf zum gemeinsamen Kampf (4 11ndash13) 36 13 Krieg oder Frieden (5 1ndash3) 38 14 Ein Plaumldoyer fuumlr das SCU (5 33 f) 40 15 Umdeutung einer Niederlage (6 3ndash5) 42 16 Cicero und der Konsens aller Gutgesinnten (6 17 f) 44 17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (6 19) 46 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 48 18 Zwei Argumente gegen einen Frieden mit Antonius (7 9 19) 50 19 Ein drittes Argument (7 21 25) 52 20 Das Exemplum des Gaius Popilius (8 20ndash23) 54 21 Die Stimme der Weisheit (13 5 f) 56 22 Die Lage ist guumlnstig (13 15 f 49) 58 23 Ciceros Tod (Liv CXX frg 61) 60 24 Eine letzte Pointe (Auf Bass frg 2) 62 25 Ein antiker Nachruf (Liv CXX frg 62) 64
III Anhang
Sprachlich-stilistische Mittel 66 Sprachliche Besonderheiten (SB) 70 Grammatikalische Stolpersteine (GS) 71 Hilfen zur Worterschlieszligung (HW) 72 Lernwortschatz 73 Literaturhinweise 96
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
5
10
15
20
Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
5
10
Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
12 Standards und Kompetenzen
Standards und Kompetenzen
Sprache Ich kannhellip
ndash die Grundbedeutungen von mindestens 824 lateinischen Woumlrtern und Wendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes angeben und im Kontext differenzieren
ndash Wort- und Sachfelder zu dem Thema eines Textabschnitts erstellen ndash Kenntnisse der Wortbildungslehre zur Worterschlieszligung anwenden ndash morphologische und syntaktische Besonderheiten der ciceronianischen Rede identi-
fizieren und angemessen uumlbersetzen ndash Phaumlnomene der Standardgrammatik uumlber die man bisweilen zu stolpern droht (z B
relativische Verschraumlnkung) identifizieren analysieren und angemessen uumlbersetzen
Text Ich kannhellip
ndash den ciceronianischen Periodenbau analysieren ndash elementare stilistische Gestaltungsmittel sowie spezifische sprachlich-stilistische Mit-
tel der Rede (z B Appell Interjektion rhetorische Frage Polarisierung) identifizie-ren und ihre Funktion im Kontext erklaumlren
ndash aus einem Textabschnitt roumlmische Wertbegriffe bzw -vorstellungen sowie die Stili-sierung von Personen herausarbeiten und interpretieren
ndash einen Abschnitt der Philippischen Reden im Hinblick auf autoren- und gattungsspe-zifische Merkmale analysieren und dabei insbesondere typische Merkmale der Invek-tive als Mittel der politischen Auseinandersetzung herausarbeiten
ndash Themen Aufbau und Gedankenfuumlhrung eines Textabschnitts unter Nennung sinn-tragender lateinischer Begriffe beschreiben und dabei insbesondere die Intention der Philippischen Reden herausarbeiten
ndash aus einem Textabschnitt herausarbeiten wie Cicero fuumlr die lībera rēs pūblica kaumlmpft
Kultur Ich kannhellip
ndash zentrale Elemente der rhetorischen Theorie benennen ndash das Konzept roumlmischer Kernbegriffe die in den Philippischen Reden vorkommen
erlaumlutern ndash Ciceros Leben und Werk in Grundzuumlgen beschreiben ndash die politisch-gesellschaftliche Situation und die historischen Ereignisse nach Caesars
Ermordung (insbesondere der Jahre 44 und 43 v Chr) in Grundzuumlgen beschreiben ndash die Folgen der Philippischen Reden fuumlr die Entwicklung des roumlmischen Staates und
fuumlr Cicero selbst erklaumlren
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
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(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit 13
Marcus Tullius Cicero und seine Zeit
Jahr Ereignis Erlaumluterung
133 erster Reformversuch des Tiberius Gracchus
Beginn des Jahrhunderts der Buumlrgerkriege offene Spaltung der Nobilitaumlt in Optimaten und Populare
106 Cicero am 3 Januar in Arpi-num (ca 100 km ostsuumldoumlstlich von Rom) geboren
Vater beguumlterter roumlmischer Ritter (eques) gute Beziehungen zur stadtroumlmischen No-bilitaumlt jedoch keiner der Vorfahren selbst zu houmlheren Staatsaumlmtern gelangt Cicero also homō novus
ab 91 88
Elementarunterricht Sprach- und Lektuumlreunterricht (Einzel-heiten nicht bekannt) weitere Ausbildung im Gefolge der Redner Crassus und Anto-nius sowie des Augurs Scaevola und des Pontifex Scaevola Philon von Larissa in Rom
Bildung erfolgte grundsaumltzlich zweispra-chig Rhetorik wurde nur auf Griechisch Recht auf Latein unterrichtet man lernte v a durch praktische Uumlbungen und da-durch dass man beruumlhmte Maumlnner staumlndig begleitete der griechischen Philosophie be-gegnete man in Rom seit der Ausweisung der Philosophengesandtschaft (155) eher skeptisch
91 88ndash86 82ndash79 8180
Beginn des Aufstands der roumlm Bundesgenossen (bis 8987) Buumlrgerkrieg zwischen Marius und Sulla Sullas Diktatur erstes Auftreten als Gerichts-redner
Die politische Turbulenz seiner Jugendjah-re mahnte Cicero zu Vorsicht und Zuruumlck-haltung schon hier ein erstes Ausweichen auf theoretische Werke (Dē inventiōne) den Hintergrund der ersten Prozessrede bildeten Sullas Proskriptionen (fuumlr Cicero ebenso heikel wie chancenreich)
79ndash77 Studienaufenthalt in Athen und Kleinasien
Aneignung einer neuen effektiveren Rede-technik
75 69 66 63
Quaumlstur in Lilybaeum (Sizilien) Aumldilitaumlt Praumltur Konsulat
Cicero war immer besonders stolz darauf jedes Amt suō annō also im vorgeschriebe-nen Mindestalter bekleidet zu haben die Gewissenhaftigkeit seiner Quaumlstur empfahl ihn als Anwalt im Repetundenprozess ge-gen Verres
70 Repetundenprozess gegen Gaius Verres
sensationeller Sieg uumlber Hortensius der bis dahin als bester Anwalt Roms galt Cicero jetzt Nr 1 auf dem Forum
[hellip]
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
5
10
15
(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
S
K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
5
10
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20
(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
5
10
15
(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
10
15
20
(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
14 Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten
Personarum conspectus
Marcus Tullius Cicero Republikaner Konsul 63 S 8 Marcus Antonius Caesarianer Konsul 44 Prokonsul 43 S 15 Marcus Iunius Brutus Caepio Caesarmoumlrder Praumltor 44 Propraumltor 43 S 19 Decimus Iunius Brutus Albinus Caesarmoumlrder Praumltor 45 Propraumltor 44 S 33 Gaius Cassius Longinus Caesarmoumlrder Praumltor 44 S 55 Gaius Iulius Caesar (Octavianus) Caesars Groszligneffe und Adoptivsohn S 29 Marcus Aemilius Lepidus Caesarianer Prokonsul 44 Konsul 46 und 42 S 59
Publius Cornelius Dolabella Caesarianer Suffektkonsul 44 paktiert opportunistisch S 17 Aulus Hirtius zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Gaius Vibius Pansa zunaumlchst Caesarianer spaumlter senatstreu Konsul 43 S 34 Quintus Fufius Calenus Caesarianer Konsul 47 S 38 Lucius Munatius Plancus Caesarianer Konsul 42 paktiert opportunistisch S 58 Servius Sulpicius Rufus Caesarianer Konsul 51 Prokonsul 46 S 42
Argumentum
Erster Akt Der Konflikt bahnt sich an
15 Maumlrz 44 Caesar ermordet M Brutus ruft raquoCicerolaquo 17 Maumlrz Senatssitzung auf dem Kapitol Kompromiss Caesars ācta guumlltig
Amnestie fuumlr die Moumlrder 21 April Octavian macht Cicero seine erste Aufwartung 2 Juni Antonius laumlsst sich Gallia cisalpina (bisher in der Hand von
D Brutus) als prokonsularische Provinz zuweisen 1 Juli Cicero bricht nach Griechenland auf (ist am 6 August aber noch
in Rhegium) 20ndash30 Juli Octavian erwirbt sich mit den lūdī victōriae Caesaris groszlige Sym-
pathien beim stadtroumlmischen Volk 1 August Caesars Schwiegervater Lucius Calpurnius Piso kritisiert Anto-
nius im Senat 31 August Cicero wieder in Rom Zweiter Akt Der Konflikt spitzt sich zu
1 September Senatssitzung der Cicero aus Sicherheitsgruumlnden fernbleibt 2 September Cicero haumllt im Senat seine 1 Philippica (urspruumlnglicher Titel
wohl In Antōnium) 19 September Rede des Antonius gegen Cicero offener Bruch der Freund-
schaft Cicero schreibt dagegen die 2 Philippica (vorlaumlufig un-veroumlffentlicht)
Oktober Octavian wirbt Truppen aus Caesars Veteranen an ab 1 November Octavian sucht Ciceros Unterstuumltzung gegen Antonius 28 November Antonius bricht nach Gallia cisalpina auf
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
S
K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
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T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
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30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Eine Tragoumldie in fuumlnf Akten 15
Dritter Akt Mit Demosthenes gegen den Staatsfeind
20 Dezember Edikt des D Brutus trifft in Rom ein Er werde seine Provinz gegen Antoniusrsquo Anspruumlche behaupten damit Eroumlffnung des Mutinensischen Kriegs (bellum Mutinēnse)
Senatssitzung mit Ciceros 3 Philippica Verhalten des D Brutus und Octavians gebilligt Provinzzuweisung an Antonius annul-liert anschlieszligend 4 Philippica vor dem Volk
1 Januar 43 Hirtius und Pansa Konsuln 5 Philippica Octavian Propraumltor 4 Januar bis
Anfang Februar Auseinandersetzungen um eine Gesandtschaft an Antonius Ciceros 6 bis 9 Philippica
Mitte bis Ende Februar
10 und 11 Philippica Einsatz fuumlr auszligerordentliche Kommanden von M Brutus und Cassius
Maumlrz 12 und 13 Philippica 14 April Sieg uumlber Antonius bei Forum Gallorum 21 April 14 Philippica Ehrung fuumlr die Gefallenen von Forum Gallorum
beantragt Sieg uumlber Antonius bei Mutina die Konsuln Hirtius und Pansa fallen
Vierter Akt Die Peripetie
29 Mai Marcus Aemilius Lepidus Prokonsul von Gallia Narbonensis vereinigt Truppen mit Antonius
seit Juni Octavian fordert Konsulat fuumlr sich Senat lehnt ab Ende Juli 400 Zenturionen Octavians im Senat Octavian marschiert gegen
Rom Fuumlnfter Akt Der Rest ist Schweigen
19 August Octavian zum Konsul gewaumlhlt Verfolgung der Caesarmoumlrder eingeleitet
Ende Oktober Octavian Antonius und Lepidus beschlieszligen Triumvirat Pro-skriptionen
7 Dezember Der proskribierte Cicero wird in der Naumlhe seines Formianum umgebracht
Nach einer Idee von Wilfried Stroh (Vortrag im Alten Gymnasium Oldenburg am 27 Februar 2009)
Lesetipp
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 S) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben mit einem eigenen Kapitel uumlber Ciceros Philippische Reden und seinen Kampf gegen Antonius
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
5
10
15
(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
S
K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
5
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20
(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
5
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
16 Gerundivum im AcI Dat auct rel Verschraumlnkung rel Satzanschluss Optativ
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (AB)
Nach Caesars Ermordung an den Iden des Maumlrz 44 v Chr entsteht ein Machtvakuum weil es sowohl bei den Caesarianern als auch bei den Republikanern an Persoumlnlichkeiten mit Durchsetzungsvermoumlgen und integrierender Kraft fehlt In dieses Vakuum stoumlszligt Mar-cus Antonius Caesars letzter Mitkonsul vor der sich zum Schein auf den Boden der Re-publik stellt in Wahrheit aber die Alleinherrschaft anstrebt Als dieses Ansinnen immer deutlicher wird verlaumlsst Cicero Rom um auf bessere Zeiten nach dem Amtsantritt der beiden neuen Konsuln am 1 Januar 43 zu warten ndash Nach dem Besuch mehrerer Freunde auf dem Land erhaumllt er unterwegs die Nachricht Antonius lenke ein und wolle sich mit dem Senat verstaumlndigen Daraufhin kehrt Cicero um Als er am 31 August wieder in Rom eintrifft stoumlszligt er jedoch anders als erwartet auf eine weiterhin unnachgiebige Haltung des Antonius Am 2 September haumllt er im Senat der sich im Tempel der Concordia ver-sammelt hat seine 1 Philippische Rede
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(1) Antequam de re publica patres conscripti dicam1 ea
quae dicenda2 hoc tempore arbitror
exponam3 vobis breviter consilium et profectionis4 et re-
versionis5 meae
Ego cum sperarem
aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem
publicam esse revocatam6
manendum7 mihi statuebam quasi in vigilia quadam
consulari ac senatoria8
Nec vero usquam9 discedebam
nec a re publica deiciebam10 oculos ex eo die
quo in aedem Telluris11 convocati sumus
In quo templo quantum in me fuit ieci fundamenta
pacis
Atheniensiumque12 renovavi vetus exemplum
Graecum13 etiam verbum13 usurpavi14
quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa
atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempi-
terna15 delendam16 censui
1 dīcam i Dt Ind
2 quae dicenda langesserang hellip arbi-
tror rel Verschraumlnkung 3 expōnam Optativ 4 profectiō rarr HW 2
5 reversiō Umkehr 6 revocāre hier zuruumlckfuumlhren
7 manendum langesserang rarr GS 1
8 senātōrius a um senato-risch eines Senators
9 usquam hier irgendwohin
10 dēicere -iciō hier abwenden 11 Tellūs Tellūris f Tellus (Goumlttin der Erde)
12 Athēniēnsis -is m Athener
13 Graecum verbum naumlmlich ἀμνηστία (Amnestie) ndash 14 ūsur-
pāre gebrauchen in Anspruch nehmen
15 sempiternus ewig immer-waumlhrend ndash 16 dēlendam rarr GS 1
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
S
K
K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
10
15
20
(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Hendiadyoin Hyperbel Inversion Polysyndeton 17
1 Klaumlren Sie mit Hilfe eines Woumlrterbuchs das Bedeutungsspektrum von cōnsilium und auctōritās
(vgl Z 6) erstellen Sie hierzu ggf eine Mindmap oder ein Rondogramm
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus worauf Cicero bei seiner Selbstdarstellung besonderen Wert legt
3 Generelle Aufgabe fuumlr alle Uumlbersetzungstexte dieser Ausgabe Belegen Sie die in der rechten Fuszlig-
zeile genannten (und ggf noch weitere) sprachlich-stilistische Mittel am Text und erklaumlren Sie de-
ren Funktion im Textzusammenhang
S Relativische Verschraumlnkung
a) Cicerō quī ōrātor praeclārus fuit ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit b) Cicerō ndash eum ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ndash ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit c) Cicerō quem ōrātōrem praeclārum fuisse sciō ōrātiōnēs XIV in Antōnium habuit
In (c) ist der Relativsatz von (a) mit dem AcI von (b) verschraumlnkt Uumlbersetzungsmoumlg-lichkeiten
1 raquoCicero von dem ich weiszlig dass er ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit raquovonlaquo wobei das Relativpronomen zweimal uumlbersetzt werden muss geht immer ist sprachlich aber etwas umstaumlndlich)
2 raquoCicero der ndash wie ich weiszlig ndash ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Parenthese des AcI-Ausloumlsers)
3 raquoCicero der meines Wissens ein sehr beruumlhmter Redner war hielt 14 Reden gegen Antoniuslaquo (Uumlbersetzung mit Relativsatz sowie Substantivierung des AcI-Ausloumlsers geht nicht immer ist aber besonders elegant)
K Tagungsorte des Senats
Wenn der Senat tagen und guumlltige Beschluumlsse fassen wollte konnte er nur an raquoinaugu-riertenlaquo d h von Priestern geweihten Orten innerhalb des Stadtgebiets von Rom zu-sammenkommen Eine zentrale Staumltte dieser Art war die Curia Hostilia auf dem Forum Daneben dienten aber auch regelmaumlszligig diverse Tempel als Tagungsort in denen der Senat sich unter den besonderen Schutz der jeweiligen Gottheit stellen wollte ndash Am 17 Maumlrz 44 hatte Antonius den Senat in den Tempel der Tellus einberufen Dort wurde durch einen Senatsbeschluss (senātūs cōnsultum) auf Ciceros Antrag hin eine Amnestie fuumlr die Caesarmoumlrder beschlossen zugleich wurden aber auch Caesars Anordnungen (die ācta Caesaris) als rechtmaumlszligig anerkannt
K Amnestie
Nach dem Sturz der 30 Tyrannen hatten die Athener im Jahr 403 v Chr eine allgemeine Amnestie (ἀμνηστία raquoVergessenlaquo) beschlossen um einen Ausgleich zwischen den An-haumlngern der Oligarchie (mehr oder minder gesetzlose Herrschaft von Wenigen) und denen der Demokratie zu erreichen
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K
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
5
10
15
(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
10
15
20
(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
18 Attributives Part PC des Dep dopp Akk Abl abs NcI Gen expl explikatives quod
4 Hoffnungen nach Caesars Tod (B)
Cicero erinnert daran welcher Anerkennung Dolabella sich wegen seines Verhaltens un-mittelbar nach Caesars Tod erfreuen konnte und bedauert dass der Konsul diese dignitās in der Folgezeit verspielt habe ohne mit der Wimper zu zucken Dann kommt er noch einmal auf die Senatssitzung vom 17 Maumlrz zu sprechen und wendet sich Antonius zu
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(31) Tu autem M Antoni ndash absentem1 enim appello ndash
unum illum diem
quo in aede Telluris senatus fuit
non omnibus his mensibus
quibus te quidam multum a me dissentientes beatum
putant2
anteponis
Quae3 fuit oratio de concordia Quanto metu senatus
quanta sollicitudine civitas tum a te liberata est
cum collegam tuum
depositis inimicitiis
oblitus auspiciorum a te ipso augure populi Romani
nuntiatorum4
illo primum die collegam tibi esse5 voluisti Tuus parvus
filius in Capitolium a te missus pacis obses fuit
(32) Quo senatus die laetior quo populus Romanus Qui
quidem6 nulla in contione umquam frequentior fuit
Tum denique liberati per viros fortissimos videbamur
quia ut illi voluerant libertatem pax7 consequebatur
Proximo altero tertio denique reliquis consecutis
diebus non intermittebas8 quasi donum aliquod cotidie
adferre rei publicae ndash maximum9 autem illud10 quod11
dictaturae nomen sustulisti
1 absentem Antonius hatte die Senatssitzung des Vortages ge-leitet der Cicero ferngeblieben war Die Sitzung des 2 Septem-ber leitete Dolabella in Antoniusrsquo Abwesenheit 2 quibus hellip putant in denen du nach Auffassung mancher die voumlllig anderer Meinung sind als ich gluumlcklich bist gemeint ist die Zeit nach dem 17 Maumlrz in der Antonius sich immer mehr Macht aneignete 3 quae hier asymp quālis
4 oblītus auspiciōrum hellip nūn-
tiātōrum Antonius hatte ur-spruumlnglich als Augur gegen die Wahl Dolabellas zum Suffekt-konsul Einspruch erhoben 5 collēgam tibī esse velle als deinen Amtskollegen anerken-nen 6 quidem hier nicht einschraumln-kend sondern bekraumlftigend
7 pāx hier innenpolitisch ge-meint (rarr S 51) ndash 8 intermittere
m Inf damit aufhoumlren etw zu tun Cicero spricht den abwesen-den Antonius an (Apostrophe)
9 maximum praumldikativ rarr GS 9 10 illud langdonumrang 11 quod expl
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
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20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
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(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
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22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
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(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Anapher Apostrophe Archaismus Enumeratio Hyperbel Polyptoton rhet Frage 19
1 Fassen Sie zusammen wie Cicero die Senatssitzung vom 17 Maumlrz ruumlckblickend charakterisiert
2 Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero versucht Antonius auf seine Seite zu ziehen
3 Erklaumlren Sie auf der Grundlage des K-Textes wesentliche Aspekte einer Muumlnzinterpretation halten
Sie ihre diesbezuumlglichen Ergebnisse fuumlr die weitere Arbeit mit dieser Textausgabe strukturiert fest
4 a) Suchen Sie im Internet nach Varianten der hier abgebildeten Muumlnze und benennen Sie auffaumlllige
Unterschiede ndash b) Eroumlrtern Sie ob man von einer raquoMuumlnzpropagandalaquo des Brutus sprechen kann
S Explikatives quod und ut
Indikativische quod-Saumltze und konjunktivische ut-Saumltze koumlnnen ein Substantiv ein Pro-nomen oder einen ganzen Satz naumlher erklaumlren Wenn man diese explikative Funktion in der Uumlbersetzung hervorheben will kann man vor dem raquodasslaquo ein raquonaumlmlichlaquo ergaumlnzen
K Muumlnzen als Medium der Politik
Cassius Dio Roumlmische Geschichte XLVII 25 1 raquo(Nach Caesars Ermordung) lieszlig (Marcus Iunius) Brutus Muumlnzen schlagen und darauf sein Bild sowie eine Muumltze mit zwei Dol-chen praumlgen Dadurch und durch die beigefuumlgte Inschrift wollte er sich und Cassius als Befreier des Vaterlands darstellenlaquo
Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons)
Auf dem Avers (Vorderseite) ist oben ein Rest des Namens BRVT(us) zu erkennen rechts der Titel IMP(erator) den Brutus nach einem Sieg im Fruumlhjahr 42 v Chr vom Heer verliehen bekam links der Name des Muumlnzmeisters L(ucius)∙PLAET(orius)∙ CEST(ianus) Aus Trauer um die Republik hat Brutus sich einen Bart stehen lassen
Auf dem Revers (der Ruumlckseite) verweisen die Dolche und die Legende EID(ibus)∙ MAR(tiis) auf die Ermordung Caesars an den Iden des Maumlrz 44 Der pīleus in der Mitte ist die Filzkappe die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt Damit wird Cae-sars Ermordung als Befreiung von einer der Sklaverei aumlhnlichen Unterdruumlckung darge-stellt raquoCaesar als Tyrann seine Moumlrder als Tyrannenmoumlrder ndash genau dies war die Ideo-logie der Verschwoumlrer die ihre Tat damit vor der Oumlffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wolltenlaquo (Hans-Joachim Gehrke)
S
K
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
5
10
15
(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
20 PC Inf Praumls Pass rel Satzanschluss Deliberativ RS als Subj Inf als Subj ndash mālle quisquam
5 Ein letzter Appell an Antonius (B)
Im weiteren Verlauf seiner Rede kommt Cicero darauf zu sprechen dass Antonius nach der Abschaffung der Diktatur nun doch offenkundig nach Alleinherrschaft strebe
5
10
15
(33) Unde igitur subito tanta ista mutatio Non possum
adduci ut suspicer te pecunia captum [hellip]
Vereor ne ignorans verum iter gloriae gloriosum1 putes
plus te unum2 posse quam omnīs
et metui a civibus tuis quam diligi mālīs3 Quod si ita
putas totam ignoras viam gloriae Carum esse civem
bene de re publica mereri laudari coli diligi gloriosum
est metui vero et in odio esse invidiosum4 detestabile5
imbecillum caducum6 [hellip]
(35) Sed quid oratione te flectam7 Si enim exitus C Cae-
saris efficere non potest ut carus mālīs esse quam metui
nihil cuiusquam8 proficiet nec valebit oratio Quem9 qui
beatum fuisse putant10 miseri ipsi sunt Beatus est nemo
qui ea lege11 vivit ut non modo impune12 sed etiam cum13
summa interfectoris14 gloria13 interfici possit Quare flecte
te quaeso et maiores tuos respice atque ita guberna rem
publicam ut natum esse te cives tui gaudeant Sine quo15
nec beatus nec carus nec tutus quisquam16 esse omnino
potest
1 glōriōsum putāre m AcI es fuumlr ruhmreich halten dass 2 ūnum praumldikativ rarr GS 9
3 mālīs ne malīs ()
4 invidiōsus hier widerwaumlrtig 5 dētestābilis abscheulich 6 cadūcus hinfaumlllig unsicher
7 flectam deliberativ
8 cuiusquam Gen-Attr zu ōrātiō ndash 9 quem rel Satzan-schluss gemeint ist Caesar 10 quī hellip putant RS als Subj rarr GS 4a ndash 11 lēx hier Art und Weise ndash 12 impūne Adv unge-straft ndash 13 cum glōriā zum Ruhm ndash 14 interfector rarr HW 1
15 sine quō (rel Satzanschluss) frei denn ohne eine solche Einstellung ndash 16 nec hellip nec hellip
quisquam rarr GS 8
1 Arbeiten Sie aus dem Text heraus welches Herrschaftskonzept Cicero Antonius unterstellt und
welches er dem entgegensetzt
2 a) Erlaumlutern Sie die rhetorische Strategie mit der Cicero Antonius auf den seines Erachtens rechten
Weg zuruumlckbringen will ndash b) Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Vorhabens
3 Informieren Sie sich (z B in Ihrem Geschichtsbuch der Sek I) uumlber Gattungsspezifika der Historien-
malerei (speziell des 19 Jahrhunderts) und interpretieren Sie auf dieser Grundlage Pilotys Gemaumllde
Die Ermordung Caesars (S 21)
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
10
15
20
(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
K
T
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
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30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
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Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Antithese Apostrophe Appell Archaismus Enumeratio Inversion Klimax Polyptoton rhet Frage 21
K Tyrannenmord
514 v Chr veruumlbten die Athener Harmodios und Aristogeiton ein Attentat auf die Bruuml-der Hippias und Hipparchos die seit dem Tod ihres Vaters die Tyrannenherrschaft in Athen fortgesetzt hatten Hipparchos fiel dem Anschlag zum Opfer Hippias entkam ihm und lieszlig die Moumlrder seines Bruders sofort toumlten Dieses Ereignis wurde schnell zur Geburtsstunde der Demokratie hochstilisiert Unmittelbar nach der Vertreibung des Hippias 510 v Chr stellte man Statuen der Attentaumlter auf der Agora auf die 47776 durch eine neue heute noch in roumlmischen Kopien erhaltene Statuengruppe ersetzt wur-den Seitdem befassten sich die bedeutendsten Philosophen mit dem Problem des Ty-rannenmordes Platon sah ihn durch die Ungerechtigkeit Gesetzlosigkeit und Gewalt eines Herrschers gerechtfertigt Aristoteles erhob die Ehrung der Moumlrder sogar zur Norm einer Polis Spaumlter urteilte Cicero in seiner Schrift Dē officiīs (III 32) raquoMit Tyran-nen haben wir nichts gemein vielmehr trennt uns alles scharf von ihnen und es ist nicht wider die Natur denjenigen ndash falls moumlglich ndash seines Lebens zu berauben den zu toumlten sittlich gut (honestum) istlaquo
Der kaiserzeitliche Biograph Sueton legt ausfuumlhrlich die Gruumlnde fuumlr den Mord an Caesar dar (Dīvus Iūlius 76ndash82) Anmaszligung uumlbertriebener Ehrungen Verstoszlig gegen die traditionelle republikanische Ordnung durch Machtkumulation Missachtung und De-muumltigung des Senats Willkuumlr bei der Vergabe von Aumlmtern und Posten Verletzung politisch-religioumlser Kulte Liebaumlugeln mit der Koumlnigswuumlrde Das Attentat stieszlig nicht nur in Rom auf breite Zustimmung auch in Athen war man laut Cassius Dio (XLVII 20 4) davon so begeistert dass man beschloss neben den Standbildern des Harmodios und Aristogeiton zwei weitere fuumlr die Caesarmoumlrder M Brutus und Cassius zu errichten
Carl Theodor von Piloty (1826ndash1886) Die Ermordung Caesars (1865) Oumll auf Leinwand 149 times 238 cm Nie-dersaumlchsisches Landesmuseum Hannover (Foto copy Wikimedia Commons)
K
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
5
10
15
20
(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
22 Praumldikativum Adv Gen der Zugehoumlrigkeit Abl abs Abl sep Hortativ ndash velle
6 Antoniusrsquo Jugend (A)
Antonius ist uumlber Ciceros 1 Philippische Rede empoumlrt und attackiert ihn am 19 Septem-ber in einer Senatssitzung an der Cicero nicht teilnimmt Dieser formuliert seine Replik als fingierte Stegreifrede die unmittelbar nach Antoniusrsquo Angriff im Senat gehalten sei In Wirklichkeit ist die 2 Philippische Rede eine erst nachtraumlglich ausgearbeitete Flugschrift von der uumlberdies unklar ist ob sie zu Ciceros Lebzeiten tatsaumlchlich veroumlffentlicht wurde Nachdem er im ersten Hauptteil dieser Rede Antoniusrsquo Vorwuumlrfe widerlegt hat geht Cice-ro zum Gegenangriff uumlber indem er Antoniusrsquo Werdegang kritisch ndash wohl uumlbertrieben kritisch und bewusst diffamierend ndash unter die Lupe nimmt
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(44) Visne1 igitur te inspiciamus a puero Sic opinor2 a
principio ordiamur3 Tenesne memoriā praetextatum4 te
decoxisse5 raquoPatrislaquo inquies raquoista culpa estlaquo Concedo6
etenim est pietatis plena defensio Illud7 tamen audaciae
tuae langestrang quod7 sedisti in quattuordecim ordinibus8
cum esset lege Roscia9 decoctoribus10 certus locus
constitutus quamvis quis11 fortunae vitio non suo
decoxisset5 Sumpsisti12 virilem13 quam statim mulie-
brem togam reddidisti Primo vulgare14 scortum15 langfuistirang
certa langeratrang flagitī merces16 ndash nec ea parva langeratrang Sed cito
Cŭrio17 intervenit qui te a meretricio quaestu18 abduxit
et tamquam stolam19 dedisset in matrimonio stabili et
certo conlocavit (45) Nemo umquam puer emptus
libidinis causā tam fuit in domini potestate quam tu in
Cŭrionis Quotiens te pater eius domu20 sua eiecit
quotiens custodes posuit ne limen intrares ndash cum21 tu
tamen nocte socia22 (hortante libidine cogente mercede)
per tegulas23 demitterere24 [hellip]
(47) Sed iam stupra25 et flagitia omittamus Sunt quae-
dam quae honeste non possum dicere Tu autem eo libe-
rior26 langesrang quod ea in te admisisti quae a verecundo27 in-
imico audire non posses
1 velle m Konj wollen dass (ugs) ndash 2 sīc opīnor meinetwe-gen von mir aus ndash 3 ōrdīrī an-fangen ndash 4 praetextātus mit der Knabentoga bekleidet als Kna-be ndash 5 dēcoquere Pleite machen 6 concēdere hier zugeben 7 illud hellip quod Folgendes hellip naumlmlich dass ndash 8 quattuordecim
ōrdinēs die ersten vierzehn Rei-hen die im Theater den Rittern reserviert waren ndash 9 lēx Rōscia das Roscische Gesetz d J 67 10 dēcoctor Bankrotteur 11 quamvīs quis selbst wenn jemand ndash 12 togam sūmere die Toga anlegen 13 virīlem langtogamrang ndash 14 vulgā-
ris gewoumlhnlich ndash 15 scortum Hure Stricher ndash 16 mercēs hier Preis Tarif ndash 17 Gāius Scrībō-
nius Curiō Sohn des Konsuls d J 76 ndash 18 meretrīcius quaestus Dirnengewerbe Prostitution 19 stola Stola (Frauengewand) 20 domū Abl sep (archaisch) 21 cum hier wobei (adversativ) 22 nocte sociā raquoin verbuumlndeter Nachtlaquo im Schutze der Nacht 23 tēgula Dachziegel ndash 24 dē-
mitterēre rarr SB 4 (dēmittī sich hinablassen)
25 stuprum Unzuumlchtiges
26 eō līberior quod deswegen ziemlich unangreifbar weil 27 verēcundus sittsam mit Schamgefuumlhl
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
S
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Anapher Archaismus Ellipse Ironie Metapher Praeteritio Hyperbel Vergleich 23
1 Arbeiten Sie aus dem Text typische Merkmale einer antiken Invektive heraus
2 a) Erlaumlutern Sie gegen welche roumlmischen Wertvorstellungen Antonius laut Cicero verstoszligen hat
b) Vergleichen Sie dies mit den Erwartungen die man heute in der Oumlffentlichkeit an den Lebens-
wandel und die Biographie eines Politikers stellt
3 Lesen Sie vor dem Hintergrund dieses Textes noch einmal die Texte 1ndash5 und eroumlrtern Sie ob der
hier (in Text 6) offenkundig vollzogene Bruch sich dort schon abgezeichnet hat
S Genitiv der Zugehoumlrigkeit (Genitivus possessivus)
Damnātiō est iūdicum poena lēgis ndash raquoDie Verurteilung ist Sache der Richter die Strafe die des Gesetzeslaquo
In Verbindung mit einem unpersoumlnlich gebrauchten est bezeichnet der Genitiv als Prauml-dikatsnomen einen Taumltigkeitsbereich oder einen Wesenszug Fuumlr die Uumlbersetzung bie-ten sich Wendungen wie raquoes liegt im Bereich (der Vernunft)laquo raquoes ist Aufgabe (des Se-nats)laquo raquoes ist ein Zeichen von (Klugheit)laquo oder raquoes ist charakteristisch fuumlr (einen Rouml-mer)laquo an
K Kernbegriff pietās
Die Woumlrter pius und pietās bezeichnen urspruumlnglich nur ein Verhalten durch welches der Mensch seiner Pflicht und Schuldigkeit gegenuumlber aumllteren Familienmitgliedern in vollem Umfang gerecht wird Cicero erweitert diese pietās ergā parentēs dann bezeich-nenderweise zur pietās ergā patriam (inv II 66 und rep VI 16) In seinem Spaumltwerk ist auch von pietās als iūstitia adversus deōs die Rede (nat deor I 116) was aber fuumlr die Philippischen Reden keine Rolle spielt (Ohnehin bevorzugten die Roumlmer hierfuumlr den Begriff religiō) Mit pietās wird sowohl eine Verhaltensweise als auch eine Haltung be-zeichnet Im Familiaumlren kann der Begriff ndash wie fidēs und grātia ndash reziprok sein d h es gibt auch eine pietās der Eltern ergā līberōs Im Politischen steht er bei Cicero oft in Verbindung mit anderen Wertbegriffen wie concordia cōnstantia fidēs oder virtūs
K Invektive
Eine Invektive (invectīva ōrātiō rarr invehī raquoanfahrenlaquo) ist eine Schmaumlhrede oder -schrift raquoderen Ziel es ist mit allen geeigneten Mitteln eine namentlich genannte Person oumlffent-lich vor dem Hintergrund der jeweils geltenden Werte und Normen als Persoumlnlichkeit herabzusetzenlaquo (Severin Koster) In der antiken Rhetorik haben sich zehn Topoi heraus-gebildet (grch toacutepos raquoPlatzlaquo im Sinne von raquoVersatzstuumlcklaquo oder raquoArgumentationsmus-terlaquo Pl toacutepoi) 1 unfreieuneheliche Abstammung 2 nichtgriechischenichtroumlmische Herkunft 3 entehrendes Gewerbe 4 kriminelle Veranlagung 5 sexuelle Perversion 6 Hass auf Freunde oder die Vaterstadt 7 uumlberhaupt finsteres Wesen 8 aumluszligerliche Auffaumllligkeiten 9 Feigheit 10 finanzieller Ruin
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24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
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Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
24 Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
Exkurs I Die Philippischen Reden als Zyklus
[hellip]
Manfred Fuhrmann (1993) Wilfried Stroh (2008)
Drama in 14 Aufzuumlgen 2 Reden In Antōnium
1 Akt (Exposition) Bruch zwischen Cicero und Antonius
I (2 Sept 44) gemaumlszligigter Ton II (angeblich 19 Sept 44) Empoumlrung und Hass
I Kritik (unter Wahrung der raquoFreundschaftlaquo) II Abrechnung mit dem Gegner
12 Philippische Reden (Ōrātiōnēs Philippicae)
2 Akt Darlegung des grundsaumltzlichen Konzepts (Krieg zur Vernichtung des Staatsfeindes Antonius und zur Wiederherstellung der alten Staatsord-nung dazu Buumlndnis mit Octavian notwendig) III (20 Dez 44) vor dem Senat IV (20 Dez 44) vor dem Volk
Zementierung der Grundlagen fuumlr den Staat Aufruf zum raschen Handeln III vor dem Senat IV vor dem Volk Ergebnis widernatuumlrliche Koalition aus Senat Caesarmoumlrdern und Octavian
3 Akt Gesandtschaftsprojekt des Senats (retardie-rendes Element) V (1 Jan 43) vehementer Widerstand gegen
dieses Projekt direkter Angriff VI (4 Jan 43) Beeinflussung der oumlffentlichen
Meinung indirekter Angriff VII (Mitte Jan 43) Kritik am Gesandtschafts-
beschluss auszligerhalb der Tagesordnung VIII (3 Febr 43) Polemik gegen jede weitere
Verstaumlndigungsbereitschaft nach dem Schei-tern der Gesandtschaft
IX (4 Febr 43) Intermezzo Ehrung eines ver-storbenen Gesandtschaftsmitglieds
1 Binnenzyklus Diskussion um die Gesandtschaft V VI VII Grundsatzerklaumlrung VIII IX Totenehrung (Wuumlrdigung des auf der Ge-
sandtschaftsreise verstorbenen Sulpicius Rufus)
Ergebnis Cicero scheitert mit seinem Widerstand gegen die Gesandtschaft hat aber mit seinem Antrag auf ein imperium fuumlr Octavian Erfolg
4 Akt Reaktion auf Nachrichten aus den oumlstlichen Provinzen (beschleunigendes Element) X (Mitte Febr 43) Legalisierung der Maszlignah-
men des M Brutus (angenommen) XI (Ende Febr 43) Bevollmaumlchtigung des Cassius
gegen Dolabella (abgelehnt)
2 Binnenzyklus Militaumlrische Fragen
Blick nach Osten Einbindung der Caesarmoumlrder X Schutz der Provinzen Makedonien und Illyri-
cum durch M Brutus (angenommen) XI Oberbefehl fuumlr Cassius im Kampf gegen
Dolabella (abgelehnt)
Blick nach Italien XII Ablehnung einer zweiten Gesandtschaft
(Grundsatzerklaumlrung) XIII Auseinandersetzung mit Antoniusrsquo Brief an
Hirtius und Octavian XIV Totenehrung (Wuumlrdigung der Gefallenen von
Forum Gallorum) und Warnung vor vorzeiti-ger Beendigung des Kriegs
5 Akt Beseitigung abermaliger Widerstaumlnde gegen Ciceros Kriegspolitik (westliche Sphaumlre) XII (Anf Maumlrz 43) Abwehr des Versuchs die
Taktik des Verhandelns zu erneuern XIII (20 Maumlrz 43) Kritik an Lepidusrsquo und Plancusrsquo
Friedensverhandlungen XIV (21 April 43) Warnung vor allzu rascher
Friedensbereitschaft
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
5
10
(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
K
5
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
5
10
15
20
Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Brevitas Hyperbaton Inversion Metonymie Polarisierung Sentenz 25
17 Das Proprium des roumlmischen Volkes (B)
Seine 6 Philippische Rede schlieszligt Cicero mit folgenden Worten
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(19) Vēnit tempus Quirites serius omnino1 quam
dignum populo Romano fuit2 sed tamen ita maturum ut
differri iam hora3 non4 possit Fuit aliquis fatalis casus5 ndash
ut ita dicam ndash quem tulimus quoquo modo6 ferendus
fuit nunc si quis7 erit erit voluntarius8 Populum
Romanum servire fas non est quem di immortales
omnibus gentibus imperare voluerunt Res in extremum
est adducta discrimen De libertate decernitur Aut
vincatis oportet9 Quirites (quod profecto et pietate vestra
et tanta concordia consequemini) aut quidvis potius
quam serviatis10 Aliae nationes servitutem pati possunt ndash
populi Romani est propria libertas
1 omnīnō hier gewiss 2 fuit i Dt irr 3 hōra hier die Stunde der Entscheidung die Entscheidung 4 iam nōn asymp nōn iam 5 cāsus hier Ungluumlck gemeint ist Caesars Diktatur ndash 6 quōquō
modō auf welche Weise auch immer ndash 7 sī quis langcāsusrang 8 voluntārius hier von uns selbst zu verantworten
9 oportet vincātis ihr muumlsst siegen bloszliger Konj ohne Kon-junktion statt AcI (ugs) 10 (oportet) quidvīs potius
langsitrang quam serviātis es muss irgendetwas anderes lieber geben als dass ihr Knechte seid frei ihr muumlsst lieber tot als Knechte sein wollen
1 Interpretieren Sie dieses Schlusswort vor dem Hintergrund Ihrer gesamten bisherigen Lektuumlre der
Philippischen Reden
K Rhetorik im 20 Jahrhundert
In der hitzigen Debatte um die Ratifizierung des houmlchst umstrittenen Deutschlandvertrags vom 26 Mai 1952 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) am 3 De-zember 1952 im Deutschen Bundestag zum Schluss seiner Regierungserklaumlrung
Ich bitte Sie meine Damen und Herren von der Opposition ich bitte Sie herzlichst und dringend Pruumlfen Sie ndash pruumlfen Sie meinetwegen mit aller Schaumlrfe ndash aber ich bitte Sie Denken Sie daran worum es geht Und das ganze deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs muss wissen worum es sich handelt Es handelt sich bei diesen Vertraumlgen um seine Freiheit sein Leben die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder Das ganze deutsche Volk rufe ich auf sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst zu sein und bewusst zu bleiben Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit Wir waumlhlen die Freiheit
Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags 1 Wahlperiode 11144 Faksimile auf dip21bundestagdedip21btp0101240pdf
Videodokument auf wwwfilmothekbundesarchivdevideo586046 (ab 0045)
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26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
26 Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik
Als Rhetorik bezeichnet man einerseits die Kunst der Beredsamkeit (ars dīcendī) ande-rerseits die diesbezuumlgliche Wissenschaft (scientia dīcendī) Sie gehoumlrt neben der Philoso-phie zum Bedeutendsten dessen was uns die griechisch-roumlmische Kultur hinterlassen hat Ihren Ursprung hat die Rhetorik im griechischsprachigen Sizilien zu einer Zeit als die politischen und sozialen Verhaumlltnisse ein oumlffentliches Reden notwendig machten das seine Uumlberzeugungskraft nicht bloszlig aus individueller Erfahrung sondern auch aus einer nachvollziehbaren und vermittelbaren Systematik schoumlpfte Eine differenzierte Lehre der Rhetorik wurde dann im 5 Jh v Chr im griechischen Mutterland entwickelt vor allem in Athen wo die junge Demokratie auf wirksame Mittel der politischen Mei-nungsbildung angewiesen war
Auch in Rom spielte die oumlffentliche Rede eine wichtige Rolle wobei die Senatsaristo-kratie ihr tradiertes Erfahrungswissen lange Zeit houmlher schaumltzte als die griechische Rhe-torik Diese hatte naumlmlich das Potential einzelnen Talenten zu groszligen rednerischen und damit auch politischen Erfolgen zu verhelfen was eine Elite die sich lange Zeit vor allem uumlber ihren Sozialstatus definierte arg in Bedraumlngnis brachte So ist der Wider-stand zu erklaumlren den konservative Kraumlfte dem Einzug griechischer Bildung in Rom ab dem 2 Jh v Chr entgegenbrachten aber auch die steile Karriere die Cicero nach sei-nem spektakulaumlren Sieg in einem politisch aufgeladenen Strafprozess gelang (rarr S 45)
Im Folgenden werden einige zentrale Elemente antiker Rhetorik skizziert deren Kenntnis fuumlr ein umfassenderes Verstaumlndnis der Philippischen Reden hilfreich sein und daruumlber hinaus einen Einblick in Ciceros Arbeitstechnik geben kann A ratiōnēs dīcendī Prinzipien (und Ziele) der Redekunst 1 docēre probāre Information schluumlssige Argumentation 2 dēlectāre conciliāre Unterhaltung Erzeugung von Wohlwollen 3 movēre concitāre Beeindruckung Erregung starker Gefuumlhle
Das Hauptziel der Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit besteht darin die Zuhoumlrer von einer bestimmten Meinung zu uumlberzeugen Dazu muss der Redner ihnen auf rationaler Ebene Sachverhalte mitteilen (docēre) und Beweise darlegen (probāre) auf emotionaler Ebene muss er sie einerseits bei Laune halten (dēlectāre) damit sie ihm gern zuhoumlren andererseits muss er in ihnen starke Gefuumlhle wie Begeisterung oder Hass wecken (conci-tāre) weil dies fuumlr die meisten Menschen die eigentliche Entscheidungsgrundlage ist Das Ziel der Rhetorik als Wissenschaft besteht darin die Mittel mit denen der Redner diese drei Aufgaben (officia ōrātōris) bewaumlltigen kann systematisch zu erfassen B genera causārum Redegattungen (Arten der Reden) 1 genus iūdiciāle Gerichtsrede 2 genus dēlīberātīvum Beratungsrede politische Rede 3 genus dēmōnstrātīvum Lob- und Festrede
In der Gerichtsrede wird uumlber Vergangenes geurteilt in der politischen Rede geht es um eine Frage die fuumlr die Gegenwart oder Zukunft Bedeutung hat Waumlhrend das Publikum
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
5
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
15
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45
34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
_ _ _
____ ____ ____
____
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______ ________
______ ____ ________
Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Exkurs II Zentrale Elemente antiker Rhetorik 27
in diesen beiden Faumlllen am Ende der Rede eine konkrete Entscheidung in Form einer Abstimmung treffen muss soll es bei einer Lob- und Festrede dem Redner nur gedank-lich zustimmen (Die genera causārum werden auch genera dīcendī genannt) C partēs ōrātiōnis Teile der Rede 1 exordium prooemium Einleitung 2 nārrātiō Schilderung des Sachverhalts 3 dīvīsiōpartītiō Uumlberblick uumlber Fragestellung und Beweise 4 argūmentātiō Beweisfuumlhrung a) cōnfirmātiō Staumlrkung der eigenen Position b) refūtātiō Widerlegung des Gegners 5 conclūsiōperōrātiō Schluss
Dieses Schema findet in Reinform vor allem im genus iūdiciāle Anwendung wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Redeteilen entweder deutlich markiert oder bewusst verschliffen werden In den uumlbrigen genera koumlnnen einzelne Teile weggelassen umge-stellt oder miteinander verschraumlnkt werden D officia (vel opera) ōrātōris Arbeitsgaumlnge (Taumltigkeiten) des Redners 1 inventiō Auffindung der Hauptgesichtspunkte 2 dispositiō Gliederung des Materials 3 ēlocūtiō Ausformulierung und Stilisierung 4 memoria Auswendiglernen 5 prōnūntiātiō āctiō inszenierter Vortrag
Reden wurden in der Antike grundsaumltzlich frei also ohne Manuskript gehalten Fuumlr die inventiō aus der sich alles Weitere ergibt bieten antike Handbuumlcher zahlreiche Hilfs-mittel in Form von Topoi (rarr S 23) E virtūtēs dīcendī Stilqualitaumlten 1 Latīnitās Sprachrichtigkeit 2 perspicuitās Klarheit 3 aptum decōrum Angemessenheit 4 ōrnātus Schmuck 5 brevitās Kuumlrze
Der Anspruch auf brevitās ist relativ zu verstehen Eine Rede darf durchaus lang sein soll aber Redundanzen vermeiden F genera dīcendī Stilebenen 1 genus subtīle humile schlichter Stil 2 genus mediummixtum mittlerer Stil 3 genus grande sublīme pathetisch-erhabener Stil
Im genus subtīle verzichtet der Redner auf eine anspruchsvolle Wortwahl einen kunst-vollen Satzbau und auffaumlllige Stilmittel waumlhrend er im genus grande gerade dies sucht Das genus medium liegt wie der Name schon sagt zwischen diesen beiden Stilebenen
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
5
10
(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
15
20
(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
5
Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
5
10
15
20
Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
K
5
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
28 Gerundium Superl unpers Pass Deliberativ ndash mālle
22 Die Lage ist guumlnstig (BC)
Cicero lobt den abwesenden Lepidus fuumlr die Verdienste die dieser sich im vorigen Buumlrger-krieg nach der Entscheidungsschlacht bei Munda (20 April 45 v Chr) um den Friedens-schluss und die Integration der Verlierer in den Staat erworben habe Indes sei die dama-lige Situation mit der gegenwaumlrtigen nicht vergleichbar Waumlhrend Sextus Pompeius (der Sohn des Caesar unterlegenen Gnaeus Pompeius) damals durchweg von Ehrgefuumlhl (pu-dor) Wuumlrde (gravitās) Selbstbeherrschung (moderātiō) und Lauterkeit (integritās) ge-kennzeichnet gewesen sei sehe man heute bei Antonius und seinen Leuten nichts als Aus-schweifungen (libīdinēs) Verbrechen (scelera) und eine ungeheuerliche Skrupellosigkeit die zu jeder Schandtat bereit sei (ad omne facinus immānis audācia) Auszligerdem muumlsse man die Gunst der Stunde nutzen
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(15) Incensi1 omnes rapimur ad libertatem recuperan-
dam Non potest ullius2 auctoritate tantus senatūs popu-
lique Romani ardor3 extingui4 Odimus irati pugnamus
extorqueri5 e manibus arma non possunt receptui signum
aut revocationem a bello audire non possumus speramus
optima pati vel6 difficillima malumus quam servire
(16) Caesar confecit invictum exercitum duo fortissimi
consules7 adsunt cum copiis L Planci8 consulis designa-
ti varia et magna auxilia non desunt in D Bruti8 salute
certatur9 unus furiosus10 gladiator cum taeterrimorum11
latronum manu contra patriam contra deos penates
contra aras et focos contra quattuor12 consules gerit bel-
lum Huic cedamus huius condiciones audiamus cum
hoc pacem fieri posse credamus
1 incēnsus a um hier voller Leidenschaft 2 ūllus hier irgendein Mensch 3 ārdor Glut gluumlhender Eifer 4 extinguī = exstinguī
5 extorquēre ē m Abl jdm entreiszligen
6 vel hier sogar
7 cōnsulēs naumlmlich Hirtius und Pansa ndash 8 Lūcius Mūnātius
Plancus Propraumltor im jenseiti-gen Gallien zusammen mit De-
cimus Brūtus noch von Caesar fuumlr das Jahr 42 als Konsul desig-niert ndash 9 certāre in m Abl um etw kaumlmpfen ndash 10 furiōsus rarr HW 4 ndash 11 taeter abscheulich 12 quattuor naumlmlich die beiden amtierenden und die beiden de-signierten
Cicero ruft die beruumlchtigte Szene vom Luperkalienfest im Februar 44 in Erinnerung bei dem Antonius Caesar das Koumlnigsdiadem aufzusetzen versuchte und damit seinen schlech-ten Charakter offenbart habe Auch in der Folgezeit habe der Tyrann sich immer wieder als Inbegriff des Barbarischen und Boumlsen erwiesen ndash Im zweiten Hauptteil dieser Rede (sectsect 22ndash48) zitiert Cicero einen Brief des Antonius an Hirtius und Octavian woumlrtlich und kommentiert ihn Satz fuumlr Satz mit wuumlsten Beschimpfungen und bissiger Ironie Hier wird noch einmal deutlich wie unbeirrbar er an den Fortbestand der alten lībera rēs pūblica glaubt waumlhrend Antonius als Real- und Machtpolitiker (wie viele andere auch) davon ausgeht dass es nur noch darum gehen kann wer Caesars politisches Erbe antritt
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Anapher Antithese Asyndeton Brevitas Ellipse Inversion Litotes Polyptoton Trikolon 29
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(49) Moveri sedibus huic urbi melius est13 atque in alias
si fieri possit terras demigrare unde14 Antoniorum15
raquonec facta nec nomen audiat16laquo quam illos Caesaris vir-
tute eiectos17 Bruti retentos17 intra haec moenia videre
Optatissimum18 est vincere secundum est nullum casum
pro dignitate et libertate patriae non ferendum19 putare
quod reliquum est non est tertium sed postremum om-
nium maximam turpitudinem20 suscipere vitae cupiditate
13 melius est es waumlre besser
14 unde hier wo ndash 15 Antōniī Antōniōrum Pl m die Anto-nier (Marcus Antonius und seine Bruumlder Gaius und Lucius) 16 audiat hier man houmlrt (Zitat aus einer unbekannten Tragouml-die) ndash 17 ēiectusretentus rarr GS 3 ndash 18 optātum hier wuumln-schenswert ndash 19 nōn ferendus unertraumlglich
20 turpitūdō rarr HW 3
1 a) Arbeiten Sie aus dem Text heraus wie Cicero den Senat zu einer sofortigen Entscheidung gegen
Antonius draumlngt ndash b) Erlaumlutern Sie die Ihnen bereits gelaumlufige Argumentation
2 Entziffern und entschluumlsseln Sie die Averslegende der unten abgebildeten Muumlnze unter Beruumlcksich-
tigung des K-Textes von S 61 und der beiden Ligaturen (Eine Ligatur ist die Verschmelzung zweier
Buchstaben zu einem Schriftzeichen z B AElig = A + E)
K Uumlberblick uumlber das weitere Geschehen
Hirtius und Pansa gelingt es mit Hilfe Octavians und seiner Truppen Antonius am 14 April 43 v Chr bei Forum Gallorum (suumldoumlstlich von Mutina) und am 21 April bei Mutina zu schlagen Cicero beantragt am 21 April (noch in Unkenntnis des letzten Sieges) in seiner 14 Philippischen Rede ein Dankfest seiner Forderung Antonius zum Staatsfeind zu erklaumlren kommt der Senat am 26 April nach ndash Fuumlr Ende Oktober 43 arrangiert Lepidus der sich bereits im Mai Antonius angeschlossen hat ein Treffen mit Antonius und Octavian Das Ergebnis ist das sog zweite Triumvirat (raquoDreimaumlnnerherr-schaft zur Ordnung des Staateslaquo) welches nicht nur das Ende der Republik besiegelt sondern auch das ihres vehementesten Verteidigers
Bildnis des Lepidus und des Octavian auf einem Denar 42 v Chr (Foto copy Wikimedia Commons) Revers-legende (rechts) CAESAR∙IMP∙PONT∙III∙VIR(= tresvir)∙R(ei)∙P(ublicae)∙C(onstituendae)
K
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
K
Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
30 Abl abs substantiviertes PPA Irrealis
24 Eine letzte Pointe (C)
Unmittelbar nach dem Livius-Text (s o S 60 f) zitiert Seneca d Auml einen gewissen Aufi-dius Bassus (1 Haumllfte des 1 Jhs n Chr) uumlber den ansonsten sehr wenig bekannt ist und dessen Historiae fast vollstaumlndig verloren sind Als Situation der folgenden Anekdote (Fragment 2) hat man sich wohl dies vorzustellen Antoniusrsquo Haumlscher haben Cicero un-terwegs eingeholt und auf dessen Befehl setzen seine Sklaven die Saumlnfte ab
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Cicero paulum remoto velo1 postquam armatos2 vidit
raquoEgo vero consistolaquo ait raquoAccede veterane et si hoc
saltim3 potes recte facere incīde cervicem4laquo Trementi5
deinde dubitantique5 raquoQuid si ad melaquo inquit raquoprimum6
venissetislaquo
1 vēlum Vorhang ndash 2 armātus rarr GS 3 ndash 3 saltim Adv wenigs-tens ndash 4 cervīcem incīdere den Nacken durchtrennen Cicero bittet also um einen sauberen Schwerthieb ndash 5 tremēnsdubi-
tāns rarr GS 3 (tremere zittern) 6 prīmum praumldikativ zu mē
1 Ciceros Moumlrder war im Abschlachten eigentlich sehr erfahren Erklaumlren Sie vor diesem Hintergrund
einerseits sein Verhalten in Ciceros Angesicht andererseits dessen Reaktion darauf
K Aus dem Internet-Blog eines Geschichtsprofessors
In der HBO-Serie Rome wird Ciceros Tod bebildert (sechste Folge der zweiten insge-samt schwaumlcheren Staffel) Von manchen Albernheiten abgesehen haben die Macher gut daran getan die Uumlberlieferung weitgehend zu ignorieren In Rome wird die Szene in der Manier eines Gangsterfilms erzaumlhlt mit einer der beiden Hauptpersonen der Serie als Killer Titus Pullo der schlichte und durchaus sympathische ehemalige Zenturio in Caesars Heer (vgl den Zenturionenwettstreit Bellum Gallicum V 44) macht mit seiner Familie ein Picknick und entschuldigt sich er habe noch etwas in der Naumlhe zu erledigen Dann reitet er zu Ciceros Landhaus und findet den alten Mann (zu nervig und sehnig David Bamber) im Garten Dieser weiszlig zu welchem Zweck der Besucher gekommen ist Das Ende ist unabweisbar man macht Konversation es faumlllt kein boumlses Wort Ein Beste-chungsversuch scheitert (raquoDu bist zu prominent das koumlnnte ich in Rom schlecht erklauml-
ren musst du verstehenlaquo) Cicero versteht und kuumlndigt dem Killer an dessen Name werde mit dem seinigen unsterblich wer-den Ach nur der Name Pullo bemerkt die reifen Pfirsiche an einem Baum und bittet Cicero sich einige davon pfluumlcken zu koumln-nen fuumlr die Familie Cicero ist einen Mo-ment lang uumlberrascht Dann hat er sich gesammelt Pullo zieht sein Schwert Er solle sich hinknieen dann sei es leichter
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Szenenbild aus der Folge raquoPhilippilaquo der Serie Rome
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Pointe 31
Cicero gehorcht Pullo setzt das Schwert an wie es von Gladiatoren am Unterlegenen geuumlbt wurde von oben zwischen Hals und Schluumlsselbein Ein kurzer Stoszlig das Blut spritzt Cicero faumlllt Pullo kehrt zur Familie zuruumlck gleichmuumltig wie immer Man freut sich uumlber die Pfirsiche In einer etwas spaumlteren Szene sieht man kurz wie er naumlchtens die Haumlnde Ciceros an eine Tuumlr (des Senatsgebaumludes) nagelt
Warum die weitgehend freie Erfindung wo doch dieses Ereignis so gut uumlberliefert ist und wir wahrscheinlich sogar die Namen der Moumlrder kennen (Gaius Popilius Laenas und ein Zenturio namens Herennius) Das entscheidende Argument lautet Weil die Szene funktioniert
Uwe Walter raquoDen Kopf zu weit vorgestreckt ndash Ciceros Todlaquo FAZ-Blog Antike und Abendland vom 5 Dezember 2009 (httpblogsfaznetantike20091205den-kopf-zu-weit-vorgestreckt-ciceros-tod)
2 a) Erklaumlren Sie worin sich die Inszenierung von Ciceros Tod in der Serie Rome von Liviusrsquo Bericht
(Text 23) unterscheidet ndash b) Erlaumlutern Sie Uwe Walters Begruumlndung dieser Inszenierung ndash c) Erklauml-
ren Sie vor dem Hintergrund von Text 10 die Entscheidung des Regisseurs bzw Drehbuchautors
3 a) Beschreiben und erlaumlutern Sie wie William Warren Porter Ciceros Tod darstellt ndash b) Nehmen Sie
zu dieser Art der Darstellung und zu der Inszenierung in der Serie Rome Stellung beruumlcksichtigen
Sie dabei auch Walters Kritik an der historischen Uumlberlieferung die er in seinem Text andeutet
William Warren Porter (1776ndash1804) The Death of Cicero Mezzotinto (Schabdruck) von Samuel William Rey-nolds (1773ndash1835) ca 33 times 46 cm
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
32 Ein antiker Nachruf (Livius)
25 Ein antiker Nachruf
Livius Fragment 62 aus Buch CXX (zitiert bei Sen suas 6 22)
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Vixit tres et sexaginta annos ut si vis afuisset ne immatura quidem mors videri possit Ingenium et operibus et praemiis operum felix ipse fortunae diu prosperae sed in longo tenore felicitatis magnis interim ictus vulneribus exilio ruina partium pro quibus steterat filiae exitu tam tristi atque acerbo Omnium adversorum nihil ut viro dignum erat tulit praeter mortem quae vere aestimanti minus indigna videri potuit quod a victore inimico nil crudelius passus erat quam quod eiusdem fortunae compos victo fecisset Si quis tamen virtutibus vitia pen-sarit vir magnus ac memorabilis fuit et in cuius laudes exsequen-das Cicerone laudatore opus fu-erit
Er wurde 63 Jahre alt sodass sein Tod waumlre da nicht die Gewalt gewesen nicht einmal als verfruumlht angesehen werden kann Ein in seinen Leistungen und der Anerkennung seiner Leistun-gen begnadetes Talent Er war lange vom Schick-sal beguumlnstigt doch bei der Dauer seines Gluumlcks wurde er bisweilen von Schlaumlgen getroffen der Verbannung dem Zusammenbruch der Partei zu der er gehalten hatte und dem so traurigen und schmerzlichen Tod seiner Tochter Von allem Ungluumlck trug er nichts wie es einem Manne ansteht ndash bis auf seinen Tod und der koumlnnte einem wenn man die Dinge im rechten Licht betrachtet weniger empoumlrend vorkommen weil er von seinem siegreichen Gegner nichts Grausameres erlitt als was er in der gleichen Lage dem Besiegten angetan haumltte Wenn man jedoch seine Vorzuumlge und Schwaumlchen gegeneinander abwaumlgt so war er ein groszliger und bemerkenswerter Mann und ein Mensch dessen Lob zu kuumlnden ein Cicero als Lobredner noumltig waumlre
Uumlbers Hans Juumlrgen Hillen (copy Walter de Gruyter GmbH)
K Epilog eines Lateinprofessors
Mit dieser Pointe [d h dem letzten Satz von Liviusrsquo Nachruf] wird sich ein heutiger Betrachter nicht zufrieden geben Und was ist mit Ciceros politischer Leistung Ist er nicht mit all seinem Einsatz immer wieder und besonders am Ende klaumlglich gescheitert Und war das nicht auch gut so Hatte sich nicht die von ihm verteidigte alte Senatsre-publik uumlberlebt die auf einen Stadtstaat nicht auf ein Weltreich zugeschnitten war [hellip]
Wenn wir Erfolg nicht am Maszligstab der Macht sondern nach Ciceros Kategorien an der Leistung fuumlr die rēs pūblica messen sieht seine Bilanz auch ganz aumluszligerlich gese-hen beachtlich aus Als Quaumlstor und als Prokonsul in Kilikien hat er segensreich zum Wohl roumlmischer Provinzen gewirkt als Konsul hat er besonders durch seine geschickte Behandlung des Volks einen vorbildlichen inneren Frieden erreicht Zu bedauern ist vor allem dass seine Bemuumlhungen um den Frieden im Jahr 49 und sein Appell an den Diktator Caesar im Jahr 46 erfolglos waren und geradezu verhaumlngnisvoll war dass die erfolgreichste Leistung seiner Redekunst ausgerechnet Octavian dem Totengraumlber der freien Republik zugute kam
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Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Epilog eines Lateinprofessors (Stroh) 33
Bedenklicher als dieser aumluszligerlich fatale Misserfolg ist aber wohl dass Cicero in die-ser letzten groumlszligten Zeit die philosophisch fundierte Lehre vom Naturrecht so strapa-zierte dass ihm unter Missachtung aller Legalitaumlt raquoalles was fuumlr den Staat heilsam ist auch gesetzlich und gerechtlaquo schien [Phil 11 28] Seine Philosophie hat zwar Cicero keineswegs blind gemacht fuumlr die Realitaumlt doch hier hat sie es ihm erleichtert in ver-haumlngnisvoller Weise vom Recht abzuweichen
Die Philosophie die als Grundbass seines Lebens toumlnt gewinnt fuumlr Cicero im Laufe der Zeit eine vierfache Bedeutung Zunaumlchst ist sie ihm im Sinne der raquoNeuen Akade-mielaquo eine unentbehrliche Schulung des Geistes die ihn vor allem davor bewahren soll Falsches unbedacht fuumlr richtig zu halten Sie wird ihm dann im Sinne des Akade-miegruumlnders Platon zu einer in der Politik zu verwirklichenden Lebensaufgabe (so noch im Prooemium von Dē rē pūblicā) Dann wird ihm aus der eigenen rednerischen Praxis bewusst wie wertvoll philosophische Gedanken sind um auch eine weniger gebildete Houmlrerschaft zu beeindrucken (so in Dē ōrātōre) Schlieszliglich entdeckt er aber erst in den Jahren der Diktatur Caesars welche Kraft auch der individuellen Lebensbewaumlltigung in der Philosophie steckt [hellip]
Auch wenn Cicero selbst wie wir erfahren die Rhetorik nur als Werkzeug die Phi-losophie aber als seine eigentliche Aufgabe angesehen hat so hat er doch wie kein ande-rer gezeigt welche uumlberragende Wichtigkeit die ēloquentia die Kunst der Sprache fuumlr den Politiker der Menschen gewinnen wie fuumlr den Philosophen der sie belehren will besitzt An sie vor allem denkt er wenn er von den Disziplinen spricht die den Men-schen zu der hūmānitās formen die in sich Menschlichkeit und Geistesbildung vereint (Prō Archiā) sie ist ihm unentbehrlich um Menschen verantwortlich zu leiten (Dē in-ventiōne) und durch die Faumlhigkeit das Gedachte allen verstaumlndlich zu machen raquokroumlnt sie sogar die Kuumlnste der Philosophenlaquo (Dē ōrātōre) Durch seine ēloquentia hat Cicero es erreicht dass die Sprache des kleinen Latium der Literatur- und Weltsprache Griechisch ebenbuumlrtig und in spaumlteren Jahrhunderten zur gemeinsamen Sprache Europas wurde Und so hat sein prominentester Gegner und Bewunderer Caesar nicht ohne Grund von ihm gesagt Cicero habe um so viel mehr fuumlr Rom geleistet als alle Feldherren mit ihren Triumphen raquoals es mehr ist die Grenzen des roumlmischen Geistes erweitert zu haben als die des roumlmischen Reicheslaquo
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) 119ndash122
1 a) Arbeiten Sie aus dem zweisprachigen Text heraus worauf Livius in seinem Nachruf besonderes
Gewicht legt ndash b) Erlaumlutern Sie unter Beruumlcksichtigung der dargelegten Kriterien wie Wilfried Stroh
Ciceros Lebenswerk beurteilt
2 a) Stellen Sie moumlglichst differenziert aber noch ohne Bewertung dar welches Bild von Cicero Sie im
Laufe dieser Lektuumlre gewonnen haben ndash b) Bewerten Sie Ihre Eindruumlcke unter Darlegung Ihrer Kri-
terien ndash c) Entwerfen Sie aus Ciceros (oder aus Strohs) Sicht eine refutātiō derjenigen Punkte die
Sie selbst negativ beurteilen
3 Erklaumlren Sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen die Sie beim Uumlbersetzen der Philippischen
Reden gemacht haben warum Ciceros Latein bis heute der Maszligstab fuumlr sehr gutes Latein ist
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34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
34 Sprachlich-stilistische Mittel
Sprachlich-stilistische Mittel
Fundamentum
1 Alliteration (die) Gleicher Anlaut in aufeinanderfolgenden Woumlrtern paene potius puer (3 3) ndash Vorsicht Wenn man eine Alliteration entdeckt sollte man kritisch pruuml-fen ob es sich wirklich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel oder um eine Formu-lierung handelt die sich aus der sachlich naheliegenden Wortwahl ergibt [hellip]
25 Vergleich (der) Verbindung zweier Ausdruumlcke oder Gedanken durch raquowielaquo Ita enim est dēcretum ut sī lēgātī ad Hannibalem mitterentur (6 4)
Additum
26 Anakoluth (der) Abbruch oder gravierende Veraumlnderung einer einmal begonnenen Satzkonstruktion Hanc vērō taeterrimam bēluam quis ferre potest aut quō modō (3 28) [hellip]
45 Prosopopoiie (die) Einfuumlhrung eines leblosen Wesens oder eines abstrakten Be-griffs als Sprecher (= durch woumlrtliche Rede verstaumlrkte Personifikation) Sīn langsapien-tiarang responderit raquoTū vērō ita vītam corpusque servātō helliplaquo (13 6)
Bei der sprachlich-stilistischen Untersuchung eines Textes ist nicht nur die Verwendung bestimmter Mittel nachzuweisen sondern auch deren konkrete Funktion im betreffen-den Zusammenhang zu erklaumlren Es muss also deutlich gemacht werden was inhaltlich hervorgehoben bzw welcher Eindruck beim Leser geweckt wird Interpretationsskizzen
1 Die Alliteration raquopaene potius puerlaquo (Z 1) lenkt die Aufmerksamkeit darauf wie jung Octavian ist was seine Leistung (vgl Z 6ndash8) noch bewundernswerter macht
2 Durch die Anapher raquonihil appāret in eō ingenuum nihil moderātum nihil pudēns nihil pudīcumlaquo (Z 9ndash11) soll der Eindruck erweckt werden dass Antonius wirklich keine einzige gute Eigenschaft besitzt
10 Mit dem Hyperbaton raquovirtūs est ūna altissimīs dēfīxa rādīcibuslaquo (Z 23 f) veran-schaulicht Cicero in abbildender Wortstellung (Verschraumlnkung von raquoest dēfīxalaquo und raquoaltissimīs rādīcibuslaquo) wie unerschuumltterlich die fest verwurzelte Virtus seiner Mei-nung nach ist
12 Die Inversion raquoferēmus taeterrimum crūdēlissimumque dominātumlaquo (Z 23 f) laumlsst das wovor der Redner den Senat warnen will naumlmlich Antoniusrsquo Alleinherrschaft (raquodominātuslaquo) in exponierter Endstellung besonders deutlich hervortreten
24 Mit dem asyndetischen Trikolon raquoArma dēpōnat roget dēprecēturlaquo (Z 17 f) nennt Cicero kurz und einpraumlgsam alle zentralen Bedingungen die Antonius erfuumlllen muss um einer Kriegserklaumlrung zu entgehen
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Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Sprachliche Besonderheiten 35
Sprachliche Besonderheiten (SB)
1 Gen Sg der o-Dekl auf -ī statt -iī z B Antōnī (1 2) beneficī (1 3) flāgitī (2 44) supplicī (2 51) cōnsilī (2 53 3 34 7 19) imperī (4 13) Dies sind sog Allegro-For-men (Stilmittel Brevitas) ndash Vorsicht Antōnī kann auch Vok Sg sein (1 31)
2 Akk Pl der 3 Dekl auf -īs statt -ēs z B vōs nōbilīs hominēs magna quaedam spectantīs (1 29) tē plūs quam omnīs (1 33) per deōs immortālīs (3 29 3 34 7 25) multōs mēnsīs (3 36) bellicōsissimās gentīs (4 13) Dies sind die urspruumlnglichen For-men der i-Staumlmme ihre Verwendung ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archa-ismus)
3 Kurzformen im Perfekt durch Ausfall von -v- -vi- bzw -ve- z B indormierīmus statt indormīverīmus (3 34) nōstis statt nōvistis (3 35) arcessierit statt arcessīverit (6 3) iūdicārītis statt iūdicāverītis (7 9) nūntiāsset statt nūntiāvisset (8 23) Beispiele aus anderen Texten servāsse (2 83) audīsse (6 11) iūdicārō (12 30) laudāstī (2 18) audīstī (1 34) negārit (2 9) adoptārunt (6 12) cōnservārint (14 37) Dies sind sog Allegro-Formen (Stilmittel Brevitas)
4 Gelegentlich 2 Sg PassDep auf -re statt -ris z B dēmitterēre (2 44) ndash Kommt bei Cicero seltener vor als bei Dichtern gehoumlrt aber zu den Basiskompetenzen Beispiele aus anderen Texten querēbāre (2 18) cōnfiteāre (2 19) viderēre (2 76)
5 Keine Assimilation adferre (1 32 8 22) conlocāvit (2 46 3 3) inlūxit (5 2) inpositīs (6 2) Beispiele aus anderen Texten adlātus (3 24) conlegium (2 4) inmortālis (12 7) Die Verwendung etymologischer also nicht assimilierter Schreibweisen ist ein Zeichen von Bildung (Stilmittel Archaismus) ndash Die Orthographie der mittel-alterlichen Handschriften (und damit auch der modernen Textausgaben) schwankt hier betraumlchtlich Es handelt sich um eine rein orthographische Angelegenheit (vgl dt raquoGraphikGrafiklaquo) denn schon zu Ciceros Zeit wurde fast immer assimiliert ge-sprochen In der vorliegenden Textausgabe werden die Hilfen am Rand grundsaumltz-lich in der assimilierten Form gegeben in der man sie auch in Woumlrterbuumlchern fin-det hingegen werden im Uumlbersetzungstext die nicht assimilierten Formen der mo-dernen wissenschaftlichen Ausgaben uumlbernommen mit denen man auch in Klausu-ren des Zentralabiturs zu rechnen hat
6 Streng sachlogischer Aufbau der Perioden z B Quodsī iam fātum extrēmum reī pūblicae vēnit (gegenwaumlrtige Situation) quod gladiātōrēs nōbilēs faciunt (Vorbild der angestrebten Handlung) ut honestē dēcumbant (Erlaumluterung des Vorbilds) faciāmus nōs prīncīpēs orbis terrārum gentiumque omnium (angestrebte Handlung) ut cum dignitāte potius cadāmus quam cum īgnōminiā serviāmus (Erlaumluterung der ange-strebten Handlung) (3 35) ndash Das Verhalten der Gladiatoren ist Ciceros Adressaten bekannt Es bildet die gedankliche Voraussetzung fuumlr seinen Appell und muss daher vor diesem erwaumlhnt werden (raquowas Gladiatoren tun hellip lasst uns tunlaquo) Das Deutsche bevorzugt die Voranstellung des Haupt- bzw Aufforderungssatzes (raquolasst uns tun was Gladiatoren tun helliplaquo)
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
36 Grammatikalische Stolpersteine
Grammatikalische Stolpersteine (GS)
1 (Scheinbare) Ellipse von esse z B omnem memoriam discordiārum oblīviōne sempi-ternā dēlendam langesserang cēnsuī (1 1) ndash Manchmal handelt es sich dabei nur aus deut-scher Perspektive um eine Ellipse der Roumlmer hat solche Konstruktionen wohl eher rein praumldikativ verstanden raquoIch hielt die gesamte Erinnerung hellip fuumlr tilgenswertlaquo
2 Pronomina oder Adjektive im Plural neutrum ohne Bezugswort z B haec (2 52 raquodiese Dingelaquo rarr raquodieslaquo) ea quae (3 5 raquodie Dinge dielaquo rarr raquodas waslaquo) reliqua (1 2 raquodie uumlbrigen Dingelaquo rarr raquodas Uumlbrigelaquo) optima (13 15 raquodie besten Dingelaquo rarr raquodas Bestelaquo)
3 Substantiviertes Partizip z B illīus furentis impetūs (3 5) bellum gerentī (5 3) ro-gantī (5 3) ndash Das Partizip kann in diesen Faumlllen mit einem Substantiv (raquoeinem Bitt-stellerlaquo) oder mit einem vorbereiteten Relativssatz (raquoeinem der bittetlaquo) uumlbersetzt werden
4 Relativsatz ohne Bezugswort a) als Subjekt z B quī langCaesaremrang beātum fuisse putant miserī ipsī sunt (1 35) ndash
Im Singular masculinum Uumlbersetzung mit raquowerlaquo im Plural masculinum mit raquodiejenigen dielaquo im Singular und Plural neutrum mit raquowaslaquo (vgl GS 2)
b) als Objekt z B nōlīte igitur velle quod fierī nōn potest (7 25) ndash Im Singular und Plural neutrum Uumlbersetzung mit raquowaslaquo (vgl GS 2) im Singular oder Plural mas-culinum seltener Uumlbersetzung dann mit raquodenjenigen derlaquo bzw raquodiejenigen dielaquo
5 Relativische Verschraumlnkung z B ea quae dīcenda hōc tempore arbitror (1 1) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 13 S-Text
6 Genitiv mit unpersoumlnlich gebrauchtem est (Genitiv der Zugehoumlrigkeit) z B Illud
tamen audāciae tuae langestrang quod sēdistī in quattuordecim ōrdinibus (2 44) ndash Zu den Uumlbersetzungsmoumlglichkeiten siehe S 23 S-Text
7 Inversion von Konjunktionen z B egō cum spērārem (1 1) quī nisī in hāc rē publicā nātus esset (3 5)
8 Bei der Uumlbersetzung notwendige Negationenverschiebung z B nec beātus nec cārus nec tūtus quisquam (1 35 raquoirgendeiner weder gluumlcklich noch angesehen noch si-cherlaquo rarr raquoniemand gluumlcklich oder angesehen oder sicherlaquo) nūlla causa iūsta cui-quam (2 53 raquokeine Entschuldigung fuumlr irgendeinenlaquo rarr raquofuumlr niemanden eine Ent-schuldigunglaquo)
9 Praumldikativum z B tē ūnum (1 33) tū prīnceps (2 53) rem pūblicam ā nōbīs com-mendātam (3 5) ndash Eine zumindest vorlaumlufige Uumlbersetzung ist immer mit raquoalslaquo moumlg-lich (raquoden Staat als von uns anvertrautenlaquo) Praumldikativ werden v a gebraucht ndash Substantive die ein Lebensalter oder ein Amt bezeichnen ndash Adjektive die einen koumlrperlichen oder seelischen Zustand bezeichnen ndash Adjektive die einen Zahl- Orts- oder Zeitbegriff enthalten ndash Partizipien und Gerundiva
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Hilfen zur Worterschlieszligung 37
Hilfen zur Worterschlieszligung (HW)
1 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer handelnden Person Suffix -or dēfendere dēfendō dēfendī dēfēnsum rarr dēfēnsor cōnservāre cōnservō cōnservāvī cōnservātum rarr cōnservātor
2 Von Verbalstaumlmmen (3 Stammform) abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Handlung oder eines Ergebnisses Suffix -iō revocāre revocō revocāvī revocātum rarr revocātiō proficīscī proficīscor profectus sum rarr profectiō possidēre possideō possēdī possessum rarr possessiō
3 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Substantive zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder einer Zusammenfassung Suffixe -ia -tās -tūdō cōnstāns cōnstantis rarr cōnstantia cīvis rarr cīvitās turpis rarr turpitūdō
4 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Fuumllle oder inten-siven Eigenschaft Suffix -ōsus furor rarr furiōsus perniciēs rarr perniciōsus bellicus rarr bellicōsus glōria rarr glōriōsus
5 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Adjektive zur Bezeichnung einer Zugehoumlrigkeit oder Beschaffenheit Suffixe -ius -ālis -āris rēx rarr rēgius fātum rarr fātālis cōnsul rarr cōnsulāris
6 Bildung eines Kompositums zur Bezeichnung einer Verneinung oder eines Nicht-vorhandenseins Praumlfixe in- (u U mit Assimilation oder Vokalschwaumlchung) neg- dē- dis- iūs iūris rarr iniūria probus rarr improbus amīcitia rarr inimīcitia legere rarr neglegere decus rarr dēdecus similis rarr dissimilis
7 Von Nominalstaumlmmen abgeleitete Verben zur Bezeichnung einer Handlung Suffixe -āre -īre līber rarr līberāre servus rarr servīre
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
5 dīcere dīcō dīxī dictum sagen sprechen reden nennen
ea quae Pl n das was (Sg)
hic haec hoc Gen huius vor einem Doppelpunkt
dieser (hier) folgender
tempus temporis n Zeit Zeitpunkt Zeitumstand
arbitrārī arbitror arbitrātus sum meinen glauben
10 expōnere expōnō exposuī expositum aussetzen darlegen
vōbīs Dat Pl euch (Dat) fuumlr euch brevis -is -e kurz
cōnsilium cōnsiliī n Rat Plan Beratung Beschluss
et hellip et sowohl hellip als auch 15 profectiō profectiōnis f Aufbruch Abreise
meus -a -um mein
egōego ich cum m Konj da als weil obwohl waumlhrend wobei
spērāre hoffen erwarten
20 aliquandō Adv einst irgendwann endlich einmal
ad m Akk zu nach bei an
vester vestra vestrum euer
auctōritās auctōritātis f Ansehen Einfluss Entscheidungs-gewalt
revocāre zuruumlckrufen herholen
25 manēre maneō mānsī mānsum bleiben erwarten bevorstehen
mihīmihi Dat Sg mir fuumlr mich statuere statuō statuī statūtum aufstellen festsetzen beschlieszligen
quasi als ob gleichsam sozusagen
in m Abl in etw (wo) an auf bei 30 vigilia -ae f Nachtwache Wachposten Wachsein
quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
cōnsulāris -is -e konsularisch nequenec
neque vērō und nicht aber nicht auch nicht aber nicht
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
38 Lernwortschatz
Lernwortschatz
1 Ciceros Verhalten im Maumlrz 44 (1 1)
antequam bevor fruumlher hellip als eher hellip als
dē m Abl von etw herab von etw weg uumlber etw rēs pūblica reī pūblicae f Staat Gemeinwesen Politik
patrēs cōnscrīptī patrum cōnscrīptōrum meine Herren Senatoren
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quīdam quaedam quoddam jemand ein gewisser eine Art von ein
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Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
Literaturhinweise 39
Literaturhinweise
Wilfried Stroh Cicero Redner Staatsmann Philosoph Muumlnchen 22010 (12008) ndash Preis-guumlnstiges Taschenbuch (128 Seiten) fluumlssig und mitreiszligend geschrieben
Emanuele Narducci Cicero aus dem Italienischen uumlbersetzt von Achim Wurm Stutt-gart 2012 (ital Originalausgabe Introduzione a Cicerone Rom 22005 11992) ndash Ebenfalls preisguumlnstiges aber erheblich umfangreicheres Taschenbuch (348 Seiten) Narducci gilt als einer der bedeutendsten modernen Interpreten Ciceros Dessen Kampf gegen Anto-nius widmet er ein eigenes Kapitel (282ndash294)
Wilfried Stroh raquoCiceros Philippische Reden Politischer Kampf und literarische Imitati-onlaquo in Martin Hose (Hg) Meisterwerke der antiken Literatur Von Homer bis Boethius Muumlnchen 22010 (12000) 76ndash102 ndash Hilfreiche Gesamtinterpretation in einem angenehm weiten geistesgeschichtlichen Kontext
Karl-Joachim Houmllkeskamp Elke Stein-Houmllkeskamp (Hgg) Von Romulus zu Augustus Groszlige Gestalten der Antike Muumlnchen 22010 (12000) ndash Darin die kurzweiligen Essays
ndash Martin Jehne raquoMarcus Tullius Cicero ndash der Neuling der zu spaumlt kamlaquo (250ndash267)
ndash Ulrich Gotter raquoMarcus Iunius Brutus ndash oder die Nemesis des Namenslaquo (328ndash339)
ndash Manfred Clauss raquoMarcus Antonius ndash der andere Erbe Caesarslaquo (340ndash351) und
ndash Hartwin Brandt raquoOctavianAugustus ndash Totengraumlber und Friedensfuumlrstlaquo (365ndash376)
Manfred Fuhrmann raquoEinleitung und Literatur zu den Philippischen Reden insgesamtlaquo in Marcus Tullius Cicero Die politischen Reden lateinisch-deutsch herausgegeben uumlbersetzt und erlaumlutert von Manfred Fuhrmann Muumlnchen 1993 Bd 3 587ndash616 ndash Sehr guter Uumlberblick uumlber den historischen Kontext In der Neuausgabe dieser Tusculum-Uumlbersetzung (Berlin 2013) ist Fuhrmanns Einleitung durch eine Einleitung von Rainer Nickel ersetzt worden (555ndash590) die den Blick weniger auf den historischen Zusam-menhang als auf den philosophischen Hintergrund von Ciceros Argumentation lenkt
Wolfgang Schuller Cicero ndash oder Der letzte Kampf um die Republik Muumlnchen 2013 ndash Umfassende Biographie (254 Seiten) aus der Sicht eines Althistorikers (die meisten Werke uumlber Cicero sind nicht von Historikern sondern von Altphilologen verfasst)
Helmut Halfmann Marcus Antonius Darmstadt 2011 ndash Umfassende Biographie (256 Seiten) auf aktuellem Forschungsstand die Antonius erwartungsgemaumlszlig voumlllig anders beleuchtet als Cicero es tut ohne seine Grausamkeiten zu verschweigen
Werner Dahlheim Augustus Aufruumlhrer ndash Herrscher ndash Heiland Muumlnchen 2010 (Ta-schenbuchausgabe 2013) ndash Sehr umfangreiche Biographie (448 Seiten) mit recht origi-nellen Akzenten in der Interpretation sprachlich auf jeder Seite ein Hochgenuss
Marcus Junkelmann Die 101 wichtigsten Fragen ndash Augustus und seine Zeit Muumlnchen 2014 ndash Kurioses und Kurzweiliges aus der Alltagsgeschichte in 101 Glossen
bull Unschaumltzbar hilfreiche und hilfsbereite Berater ndash StDrsquo Martina Laue (Osnabruumlck) ndash Prof Dr Peter Kuhlmann (Goumlttingen) ndash Prof Dr Wilfried Stroh (Muumlnchen) ndash Prof Dr Michael Sommer (Oldenburg)
bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
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bull Erscheinungstermine ndash Textband (ISBN 978-3-525-71106-4) 18 November 2015 ndash Lehrerband (als E-Book ISBN 978-3-647-90044-5) 18 Januar 2016
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