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Diese Sippe besiedelt vor allem die Tro-pen Afrikas und Asiens, mit Diver-sitätszentren in den Gebirgen Afrikas,in Madagaskar, Indien einschließlichHimalaya und China.Es sind einjährigeoder ausdauernde Kräuter mit sehrwasserhaltigen, durchscheinendenAchsen. Die wechsel- oder gegenstän-dig am Spross angeordneten Blättersind ungeteilt, oval bis lanzettlich, ge-zähnt und gestielt. Die zwittrigen Blü-ten des mittleren Evolutionsniveaussind stark zygomorph. Von den fünfKelchblättern ist zumindest das oberemediane blumenblattartig gefärbt undmit einem Nektar sezernierendenSporn versehen, der nur bei einer inMadagaskar vorkommenden Gruppefehlt.Vier der fünf Kronblätter könnenpaarweise verwachsen sein, die fünfStaubgefäße bilden durch Verklebungihrer Staubbeutel eine über die nochunreife Narbe des Fruchtknotens ge-stülpte Kappe, die eine Selbstbestäu-bung der vormännlichen Blütenverhindert.

Bestäubungsbiologisch interessantist die Tatsache, dass die einzige in Eu-ropa einheimische Springkraut-Art,dasRühr-mich-nicht-an (Impatiens noli-tangere,s.Abb.1), in Abhängigkeit vomLicht- und Nährstoffangebot ihrerWuchsorte zwei verschiedene Blüten-typen hervorbringt: Pflanzen, die anWaldwegen, Lichtungen und Säumenwachsen,besitzen neben den sich nor-mal öffnenden Blüten sehr kleine,sichniemals öffnende, so genannte klei-stogame Blüten, die die Selbstbestäu-bung bereits in der Knospe vollziehen.Pflanzen des schattigen Waldinnerendagegen haben ausschließlich kleisto-game Blüten.Die fremdbestäubten Blü-ten müssen dabei erheblich mehr Pol-len produzieren, da die Verluste durch

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Von den vier Vertretern der Springkrautgewächse (Balsaminaceae) sinddrei monotypisch, d.h. sie bestehen nur aus einer einzigen Art, so dass die etwa 600 Arten der Familie fast vollständig auf das Springkrautselbst (Gattung Impatiens) entfallen.

pollenfressende und -sammelndeHummeln und Wildbienen sowie de-ren Putzverhalten groß sind, wobeinetzartig angeordnete Zellulosefädenin der sich nach unten öffnenden An-therenkappe einen Totalverlust nacheinmaligem Blütenbesuch verhindernund somit für eine gewisse Pollenporti-onierung sorgen.

Auch wenn die giftigen Impatiens-Arten im Kanon der Heilpflanzen kei-ne Rolle spielen, kommt deren Kulturals Gewächshaus-, Topf- oder Garten-zierpflanzen wirtschaftliche Bedeu-tung zu. Neben der ostindischen Gar-ten-Balsamine (Impatiens balsamina)ist vor allem die als „Fleißiges Lies-chen“ bekannte Impatiens walleria-na eine beliebte Zierpflanze aus demtropischen Afrika, die als Hybrid ausden beiden Arten I. holstii und I. sul-tanii hervorgegangen ist.

Aus der Kultivierung fremdländi-scher Arten können aber auch Proble-me für die einheimische Flora er-wachsen, wie das Beispiel Impatiensexemplarisch belegt: Das aus Mittel-asien stammende Kleinblütige Spring-kraut (Impatiens parviflora) wurdeum 1830 in verschiedenen Botani-schen Gärten in Mitteleuropa ange-pflanzt, aus denen es in der Folgezeitin Ruderalgesellschaften der Umge-bung verwilderte, bis es nach rund 50Jahren auch in naturnahe Waldstand-orte eindringen konnte. Für die groß-flächige Ausbreitung des pflanzlichenNeubürgers in erster Linie verant-wortlich waren die Störung der natür-lichen Vegetation und die gleichzeitigeVerschleppung von Samen aufgrundveränderter Bewirtschaftungsformen,des zunehmenden Waldwegebaus, desEinsatzes großer Maschinen sowie ei-ner Zunahme der Erholungssuchen-

den, so dass die heute fast überall inMitteleuropa eingebürgerte Art dereinzige in natürlichen Waldgesell-schaften etablierte Neophyt ist.Weiter-hin hat sich in Überschwemmungs-bereichen von Flüssenund Bächen das aus demHimalaya stammende In-dische Springkraut (Im-patiens glandulifera, s.Abb. 2) eingebürgert,dessen Samen durchHochwässer eine Fern-ausbreitung erfahrenbzw. durch ausgebagger-ten Flusskies ver-schleppt werden kön-nen, wodurch die resul-tierenden Dominanzbe-stände lokal durchauseinheimische Pflanzenverdrängen können,sichgrößtenteils aber ledig-lich in artenarme Gesell-schaften eingliedern.

Abgesehen von derenormen Arealerweite-rung der eingeführtenImpatiens-Arten durchdie Tätigkeit des Menschen, verfügendiese aber auch über einen Selbst-ausbreitungsmechanismus.Sowohl derdeutsche wie auch derwissenschaftliche Nameder Gattung (Impatiensvon lat. Patientia = Ge-duld) sowie der Namevon Arten wie dem Rühr-mich-nicht-an (Im-patiens noli-tangere,von lat. tangere = berüh-ren) beziehen sich aufdie sich mit hörbaremKnall explosionsartigaufspringenden Saftkap-seln, die aufgrund vonosmotisch bedingtenTurgorspannungen inden Zellen der Frucht-wand die schwarzen Sa-men bis zu sieben Meterweit herausschleudernkönnen.

Thomas Junghans,Bammental

A B B . 1 Das Rühr-mich-nicht-an (Impatiens noli-tangere) findet sich in verschiedenenAuwaldgesellschaften, wo esvor allem an nährstoffreichenStellen in Säumen und Wald-rändern wächst.

A B B . 2 1839 kam das IndischeSpringkraut (Impatiens glandu-lifera) nach England. Durch intensive Kultivierung diesesexotischen Neophyten in vieleneuropäischen Gärten, konntedie Pflanze verwildern und sich in weiten Teilen Europaseinbürgern.

Nr. 6 | 33. Jahrgang 2004 | Pharm. Unserer Zeit | 515