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Der Fiqh des -Zohri: die Quellenproblematik

Von Harald Motzki (Nijmegen)

Was wissen wir über die Rechtsgelehrsamkeit des Ihn Sihäb az-Zuhri(st. 124/742), der als einer der fuhrenden fuqahä* Medinas im ersten Vier-tel des 2. Jahrhunderts H. gilt?1) Joseph Schacht schrieb darüber in seinemepochemachenden Werk The Origins of Muhammadan Jurisprudence:

„Those cases in which Malik states explicitly that he asked Zuhrior heard Zuhri say something, can unhesitatingly be regarded asgenuine."2) Schacht stützt sich fur diese Schlußfolgerung auf MäliksMuwatta\ „There are other opinions ascribed to Zuhri which areobviously authentic."3) Als Quelle, in der solche Meinungen Zuhris zufinden seien, zitiert Schacht ebenfalls den Muwatta* und die Mudauwanades Sahnün. „But towards the end of the second century A. H., -Zuhri hasalready been credited with many spurious and often contradictory opi-nions, and his name inserted in isnäds of traditions which did not yet existin his time and from which fictitious statements on his supposeddoctrine were abstracted."4). Solche fiktiven Überlieferungen von Zuhrifinden sich nach Schacht z. B. in -Saibänis Mmiyaito'-Rezension, in -Säfi'isTraktaten und in der Mudauwana.

Nach dieser Darstellung könnte man annehmen, daß Schacht dieJWwwaito'-Rezension des Yahyä von dem Verdikt, gefälschte Zuhri-Tradi-tionen zu enthalten, ausnehme. Dies ist aber nicht der Fall, wie an anderenStellen in seinen Origins deutlich wird.5) Er scheint mit „towards the end ofthe second century" die ganze zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts unddie in diesem Zeitraum entstandenen Quellen zu meinen. Ältere standen

1) Zu -Zuhris Biographie vgl. J. Horovitz, „al-Zvhri", in: Enzyklopädie desIslam, 1. Aufl., Leiden/Leipzig 1913-34, Bd. IV, S. 1342-1343.

2) J. Schacht, The Origins of Muhammadan Jurisprudence, London 1950, S. 246(Hervorhebungen vom Verf.).

3) Ebd. (Hervorhebungen vom Verf.)4) Ebd. (Hervorhebungen vom Verf.)5) Vgl. op. cit. S. 163, 175.

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ihm nicht zur Verfugung. Damit unterstellt er, daß nur ein Teil von dem,was Mälik in seinem Muwatta* von -Zuhri zu haben angibt, wirklich vonihm stammt. Als einziges formales Echtheitskriterium akzeptiert SchachtMäliks eigene Aussage, er habe die entsprechende Meinung -Zuhris erfragtoder gehört. Solche Texte sind aber in Mäliks Zuhri-Überlieferung eher sel-ten. Der überwiegende Teil besteht aus einfachen dicta und Texten, indenen -Zuhri nur als Überlieferer erscheint. In solchen Fällen entschiedSchacht die Frage, ob -Zuhri wirklich der Gewährsmann Mäliks für denText war oder es hätte sein können, indem er den Inhalt in den allgemeinenKontext der Entwicklung der Rechtslehre, wie er sie rekonstruiert hatte,einordnete.

Schachts Vorstellungen von der Entwicklung der islamischen Jurispru-denz waren maßgeblich durch sein Quellenverständnis geprägt. Er ver-focht die Theorie, daß generell die Überlieferungen, die sich auf die täbi'ün-Generation beziehen, das älteste Stadium der Rückprojektion der Rechts-entwicklung des 2. Jahrhunderts in das 1. Jahrhundert repräsentieren, daßdie §oAö6a-Texte ein jüngeres Stratum und die Prophetentraditionen dasjüngste Glied in der Kette seien. Demzufolge schieden die rechtsrelevantenÜberlieferungen -Zuhris, in denen er nur als Gewährsmann Mäliks fungiert,als echte Bestandteile seiner Rechtslehren aus. „He appears as the com-mon link in the isnäds of a number of traditions from the Prophet, fromCompanions and from Successors; Zuhri himself was hardly responsible forthe greater part of these traditions."6) Selbst die Zuhri- Texte, die sich auftäbi'ün beziehen, hielt Schacht also für selten authentisch, d. h. wirklichvon ihm stammend, den Rückbezug auf die Person der täbi'ün- Generationerklärte er für in jedem Fall fingiert: „This makes it impossible to regardinformation on the Medinese lawyers in the time of the Successors asgenuine unless it is positively shown to be authentic. It would be rash toexclude this possibility a priori, but as far as I have been able to investigatethe development of the Medinese doctrine, I have not found any opin-ion ascribed to one of these ancient lawyers which is likelyto be authentic."7)

Schachts Werk über die Ursprünge der islamischen Jurisprudenz hatdie Forschungen zur islamischen Rechtsgeschichte — vor allem die „west-

e) Op. cit. S. 246.7) Op. cit., S. 245 (Hervorhebungen vom Verf.). Ein ähnliches Urteil über die

Zuhri-Überlieferungen fällte auch G. H. A. Juynboll in seinem Buch Muslim Tradi-tion. Studies in chronology, provenance and authorship of early hadith, Cambridge1983, S. 158: „it is no longer possible to sift the genuine Zuhri traditions from thefabricated ones, or as is my contention, even the genuin Ibn Shihäb az-Zuhri tradi-tions from the possible hundreds of pseudo-Zuhri ones."

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liehen", vereinzelt aber auch die muslimischen — bis in die jüngste Zeitgeprägt. Doch Schachts Annahmen sind nicht so plausibel, wie sie auf denersten Blick scheinen. Erstens kann man fragen: Woher nimmt er dieSicherheit, daß zwar die Rechtsmeinungen -Zuhris, die Mälik als erfragtoder gehört (z.B. mit der Formel „'an Ihn Süiäb annahü samVtuhü yc^ulf)ausgibt, echt sind, andererseits raty, den Mälik z.B. mit „'an Ihn Sihäbannahü qäla: sami'tuAbä Eakr b. 'Abdarrafymän yaqül"9) einfuhrt, nicht vonIbn Sihäb und schon gar nicht von dessen Gewährsmann stammen? Läßtsich nicht eine Rechtslösung ebensogut in Form von Frage und Antwortoder als gehört fingieren wie als einfaches dictuml Zweitens ist das Verfah-ren, sich bei der Einordnung eines Textes in die historische Entwicklungder Rechtsdoktrin in erster Linie vom main leiten zu lassen und danach denisnäd zu beurteilen, von bestimmten Prämissen und subjektiven Einschät-zungen abhängig, die man nicht immer teilen muß, und die daraus erwach-senden Ergebnisse sind nicht immer haltbar, wie ich schon an andererStelle gezeigt habe.10)

Es ist daher nicht ratsam, nach Schachts Methode vorzugehen undzunächst die Überlieferungen zu einzelnen Rechtsproblemen zu sammeln,ihre Texte zu vergleichen, nach inhaltlichen Kriterien chronologisch zuordnen und danach ihre Überliefererangaben und die Qualität der Samm-lungen zu beurteilen, in denen diese Texte enthalten sind. Im folgendenwird der umgekehrte Weg beschnitten und das Problem der Quellen, die füreine Rekonstruktion der Rechtslehren und -Überlieferungen -Zuhris zu-grundegelegt werden können, einer erneuten Prüfung unterzogen.

Während Schacht als älteste und am ehesten glaubwürdige Quelle für-Zuhris fiqh nur der Muwatta* des Mälik b. Anas (st. 179/795) in den bei-den besterhaltensten Rezensionen, denen des Yahyä b. Yahyä und desMuhammad aä-Saibäni, zur Verfügung stand, können wir heute auf weiterealte Textkorpora zurückgreifen. Genannt seien hier nur zwei, die wegen derMenge ihrer Zuhri-Texte und auf Grund ihres Alters — sie sind früher oderallenfalls zur gleichen Zeit wie Mäliks Muwatta? entstanden — von besonde-

8) Mälik, Muwafta' 29:30 (zitiert ist die Nummer des Buches und nach demDoppelpunkt die Nummer, unter der die Überlieferung in der gängigen Edition desM. F. 'Abdalbäqi steht).

9) Mälik, Muwatta? 29:55.10) Vgl. mein Buch: Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz. Ihre Entwicklung

in Mekka bis zur Mitte des 2./8. Jahrhunderts, Wiesbaden 1991 und den Aufsatz „TheMu$annaf of 'Abd cd-Razzäq al-San'ani as a source of authentic afrädUh of the firstIslamic century, in: Journal of Near Eastern Studies 50/1 (1991) (die englischeVersion meines Papers fur das „Colloquium on IJadith and Historiography", Oxford,September 1988).

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rer Bedeutung sind: die Überlieferungen des Ma'mar b. Räsid (st. 153/770)und des Ibn Öuraig (st. 150/767) im Mu$annaf des 'Abdarrazzäq a§-San'äni. Daß dies alte, echte Texttraditionen sind, die in schriftlich fixier-ten Werken dieser Gelehrten enthalten waren, von 'Abdarrazzäq im Unter-richt bei ihnen aufgenommen und zu einer neuen Kompilation zusammen-gestellt wurden, habe ich an anderer Stelle ausfuhrlich gezeigt.11)

Ma'mar und Ibn öuraig werden — wie Mälik — in der biographischenLiteratur als Schüler -Zuhris gefuhrt. Doch wie Schachts Beurteilung vonMäliks Zuhri-Material zeigt, ist dies allein kein Grund, alle Überlieferun-gen, die sie von ihm zu haben angeben, als echtes Zuhri-Material zu akzep-tieren. Um die Frage der Echtheit der Zuhri-Überlieferungen Ma'mars undIbn öuraigs zu entscheiden, sei im folgenden nicht Schachts Methodegewählt, von Hypothesen über die frühe Entwicklung der islamischenJurisprudenz, die auf -Säfi'is Traktaten und Gegebenheiten der 2. Hälftedes 2. islamischen Jahrhunderts und später beruhen, auszugehen. Statt-dessen werde ich die frühen Kompilationen, die — unter anderem — um-fangreiche -Zuhri zugeschriebene Texte enthalten, zunächst daraufhinuntersuchen, ob ihre Autoren als Fälscher der Herkunftsangaben des vonihnen präsentierten Materials in Frage kommen und in einem zweitenSchritt ihre Zuhri-Überlieferungen analysieren.

II

Die meisten Zuhri-Texte finden sich im Korpus des Ma'mar b. Rä§id,das sich auf Grund der asämd aus dem Mv^annafdes 'Abdarrrazzäq rekon-struieren läßt. Klassifiziert man die Gewährspersonen, von denen Ma'marRechtsmeinungen oder -Überlieferungen zu haben angibt, nach der Häufig-keit ihres Vorkommens, ergibt sich ein auffälliges Bild:

Am häufigsten nennt er den Medinenser -Zuhri (28°/o),12) gefolgt vondem Basrier Qatäda (25%). Viel weniger hat Ma'mar angeblich von demBasrier Ayyüb [b. Abi Tamima] (11%), noch weniger von dem JemenitenIbn Täwüs (5%), von den beiden Basriern Yahyä b. Abi Katir (3%) undal-IIasan [al-Ba§ri] (3%), dem Medinenser HiSäm b. 'Urwa (2%) und denKufiern Hammäd [b. Abi Sulaimän] (l%) und al-A'maS (l %) erhalten. Von

n) Siehe Anm. 10.12) Die Prozentzahlen sind gerundet und beruhen auf einer Stichprobe von den

1419 Texten Ma'mars, die in den beiden Büchern Kitäb an-nikäh und Kitäb at-taläqvon 'Abdarrazzäqs Mu$annaf, d.i. Bd. 6-7, Nr. 10243-14053, enthalten sind. DieseStichprobe ist für die meisten Bücher des Mu$annaf repräsentativ.

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mehr als 75 anderen Personen überliefert er nur sporadisch (unter 1%).Daneben findet sich eine relativ hohe Zahl (7%) von anonymen Überliefe-rungen, d. h. solchen in denen Ma(mar seine direkte Gewährsperson nichtnennt.

Diese Verteilung paßt nicht zu der Annahme, daß Ma'mar seine Über-lieferungsangaben generell fingiert hat, um eigene Rechtsauffassungenälteren Autoritäten zu unterschieben oder anonym zirkulierende Überlie-ferungen mit asänid zu versehen. Ein Fälscher mit solchen Motiven würdeentweder nach dem Zufallsprinzip oder systematischer vorgehen und alleseine Texte auf einige wenige bedeutende Gewährsleute zurückführen,nicht auf eine Hundertschaft von zum Teil kaum bekannten Personen. Ano-nyme Traditionen, lückenhafte asänid und die Existenz von Texten, dieMa'mars eigenen ra'y wiedergeben, passen ebenfalls nicht in das Bild, dasman sich von einem solchen Fälscher machen würde.

Wenn Ma'mar ein Fälscher von Überliefererangaben war, kann mansich auch fragen, was ihn, der aus Basra stammte und sich später im Jemenals Lehrer niederließ, dazu bewog, einen Medinenser zu einem seinerHauptgewährsleute zu machen, obwohl er ansonsten basrische Gelehrtebevorzugt.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Fälschungshypothese als wenigwahrscheinlich. Plausibler wird man die Verteilung der GewährsleuteMa'mars durch historische Umstände erklären können, etwa intensiveStudien zunächst in Basra bei Qatäda, gelegentlich auch bei anderenBasriern, und später in Medina bei -Zuhri, sporadisch bei anderen Medi-nensern. Zu den weniger umfangreichen Materialien anderer Zentren derRechtsgelehrsamkeit könnte er auf Reisen oder während seines Studien-aufenthaltes im Higäz durch pilgernde Gelehrte gekommen sein. Das Miß-trauen gegenüber der Fälschungshypothese verstärkt sich, wenn man dieTextbestände der beiden Hauptgewährsleute Ma'mars, -Zuhri und Qatäda,genauer untersucht und miteinander vergleicht:

Ma'mars Zuhri-Texte bestehen zu zwei Dritteln aus solchen, die dessenrayy wiedergeben, nur zu einem Drittel aus Überlieferungen, öiäroder a/&ä-dtt, in denen -Zuhri lediglich als Gewährsmann fungiert. In diesen Über-lieferungen dominieren vier medinensische täbi'ün: Sa'id b. al-Musayyab(19%), Sälim b. 'Abdalläh b. 'Umar und 'Urwa b. az-Zubair (je 13%) und<Ubaidalläh b. 'Abdalläh b. 'Utba (8%). Andere bekannte medinensischetäbi'ün wie Sulaimän b. Yasär, Abu Salama b. 'Abdarrahmän, Qäsim b.Muhammad, Abu Bakr b. 'Abdarrahmän oder syrische wie Qabisa b. Du'aibtauchen viel seltener auf. Bemerkenswert ist, daß von dreien der vierHauptgewährsleute -Zuhris so gut wie ausschließlich Fremdüberliefe-rungen stammen, nur die Ibn al-Musayyab-Texte geben etwa zu gleichen

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Teilen dessen ra*y und dessen Überlieferungen von anderen wieder. DasÜbergewicht der Gattung der Fremdüberlieferung bei -Zuhris Gewährsleu-ten ist in Ma'mars Material typisch. Dennoch ist der Gebrauch des isnädnicht die Regel. 40% aller Fremdüberlieferungen -Zuhris sind ohne Angabevon Gewährspersonen. Das gilt nicht nur für $aÄo6a-Traditionen, sondernauch für solche vom Propheten. Präzedenzfälle oder Rechtsauffassungender $ # werden doppelt so häufig erwähnt wie die des Propheten undfast dreimal so häufig wie die von täbi*ün. Unter den $ahäba steht cUmardeutlich im Vordergrund, gefolgt in einigem Abstand von seinem Sohn (Ab-dalläh, dann von 'Utmän, 'Ä'iSa, Ibn 'Abbäs und Zaid b. Täbit.

Ma'mars Qatäda-Texte bestehen ähnlich wie die dem -Zuhri zuge-schriebenen überwiegend aus Qatädas ra'y (62%) und nur zu einem gerin-geren Teil aus Fremdüberlieferungen (38%). Anders als bei -Zuhri domi-nieren in ihnen aber nur zwei täbi'ün: Vor allem der Basrier al-Hasan (31 %)und mit einigem Abstand der Medinenser Sa'id b. al-Musayyab (20%).Andere täbtfün wie die Kufier Ibrahim an-Naha'i und Suraih oder der Bas-rier Abu S-Sa'tä' [öäbir b. Zaid] tauchen eher selten auf. Ganz im Gegen-satz zu den vergleichbaren Zuhri-Überlieferungen geben die iä6i'tm-TexteQatädas überwiegend deren ra*y wieder; die al-Hasan zugeschriebenenbestehen zu 84% aus seinen Rechtsauffassungen, die auf Ibn al-Musayyabbezogenen enthalten in der untersuchten Stichprobe überhaupt keineFremdüberlieferung, während sich — wie erwähnt — bei -Zuhris Ibn al-Musayyab-Material ra*y und Fremdüberlieferungen die Waage halten.

Auffällig unterentwickelt im Vergleich zu den Zuhri-Texten ist in denenQatädas der Gebrauch des isnäd. Enthalten bei -Zuhri immerhin 60% derÜberlieferungen Angaben über deren Herkunft, sind es bei Qatäda nur12%. Anders ist in den Qatäda-Texten Ma'mars auch die Verteilung derangeführten Autoritäten: Es dominieren die älteren täbi'ünvor den $ah,äba.Im Unterschied zu den so&ä&a-Traditionen -Zuhris stehen bei Qatäda 'Aliund Ibn Mas'üd vor 'Umar in der Rangfolge der Erwähnungen. Mit weitemAbstand folgt Ibn 'Abbäs; andere Prophetengefährten sind nur sporadischerwähnt. Prophetentraditionen sind in Ma'mars Qatäda-Material auffälligselten, bei -Zuhri sind sie fünfmal häufiger. Schließlich ist noch eine Diver-genz in der Überlieferungsterminologie festzuhalten: Des öfteren gibtMa'mar den ra*y -Zuhris in Form eines responsum auf seine eigene Fragewieder, z.B.mit „Ich fragte -Zuhri über . . . Er sagte: . . ,13) Diese Textgat-tung kommt in Ma'mars Qatäda-Material nur ganz selten vor.14)

13) Vgl. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 10838.14) Z.B. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 10806, 10922. Bei -Zuhri ist diese Gattung

fünfmal häufiger.

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Die beschriebenen charakteristischen Unterschiede zwischen den Tex-ten der beiden wichtigsten Autoritäten Ma'mars für Rechtsmeinungen und-Überlieferungen verweisen die Idee — auf die man kommen könnte, wennman den Ansichten Schachts folgte —, Ma'mar hätte seine Herkunftsanga-ben fingiert, um seine Lehren nachträglich durch einen medinensischenund basrischen Eponym zu legitimieren, ins Reich der Unwahrscheinlich-keit.

Dies läßt sich durch weitere Indizien erhärten: Ma'mar verweist desöfteren15) darauf, daß -Zuhris und Qatädas Meinungen zu einem Rechts-problem übereinstimmen.16) Meist tut er das, indem er den Text mit »anaz-Zuhrl wa-Qatäda, qälä" (von -Zuhri und Qatäda, beide sagten)17) ein-fuhrt, teilweise aber auch in Form einer Anmerkung am Ende, etwa mit„wa-qälahü Qatäda(da,s sagte [auch] Qatäda)18) oder „'an Qatäda mitlahü"(von Qatäda das gleiche)19). Das bedeutet wohl, daß in den Fällen, in denener nur den Medinenser zitiert, ihm zu dem betreffenden Rechtsproblem vonQatäda entweder keine Äußerung bekannt war oder sie ihm nicht bemer-kenswert erschien oder so sehr divergierte, daß sie eines gesondertenTextes bedurfte und umgekehrt.

Wollte man dies als ein Fälschungskriterium ansehen und unterstellen,Ma'mar hätte auf diese Weise versucht, zusätzliche Autoritäten für seineRechtsauffassung zu kreieren, muß man sich fragen lassen, warum er diesdann nicht häufiger tat. Gegen solch eine Annahme spricht außerdem, daßMa'mar in einigen Fällen explizit darauf verweist, daß beide, -Zuhri undQatäda, eine entgegengesetzte oder zumindest differierende Meinung ver-traten, ohne zu verdeutlichen, welcher von beiden er selbst den Vorzuggibt. Dazu zwei Beispiele:

'Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri; der sagte: „Wenn der Mann von sei-ner Frau eine Scheidung kauft, so ist das hul€ (Loskaufscheidung)." Qatädasagte: „Es ist kein hui'"20)

'Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri und Qatäda; beide sagten: „IhreScheidungsgewalt (amruhä) ist in ihrer Hand, bis sie [über das Angebot der

15) Häufigkeit 18% bei -Zuhri, 22% bei Qatäda.16) Das kommt gelegentlich auch bei Überlieferungen vor, vgl. z.B. 'Abdarraz-

zäq, Jf^anna/10924, 12267.17) Vgl. z.B. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 10519.18) Vgl. z.B. «Abdarrazzäq, Mu^annaf 10681.19) Vgl. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 11110.20) 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 11756.

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Scheidung]21 entscheidet." Qatäda sagte [außerdem]: „Auch wenn ihrGatte mit ihr Geschlechtsverkehr hat (a$äbahä), bevor sie entscheidet."22

Im ersten Fall handelt es sich um gegensätzliche Auffassungen, imzweiten um eine Erweiterung oder Konkretisierung der sowohl -Zuhri alsauch Qatäda zugeschriebenen Meinung. Beide Male wird nicht klar, welchePosition Ma'mar selbst dazu einnimmt.23) Warum sollte Ma'mar solchedivergierenden Ansichten seinen Hauptgewährsleuten, von denen er vielhäufiger Übereinstimmung signalisiert, falschlich untergeschoben haben?Noch schwieriger ist solche eine Annahme angesichts von Texten zu hal-ten, in denen Ma'mar dem angeführten ra*y widerspricht:

'Abdarrazzäq von Ma'mar von Qatäda über einen Mann, der die Schei-dungsgewalt (amr) über seine Frau in ihre Hände legte. Er [Qatäda] sagte:„Wenn einer von beiden stirbt, bevor sie etwas entscheidet, beerben sieeinander nicht. Wenn er ihre Scheidungsgewalt in eines anderen Handlegte, und der, in dessen Hand ihre Scheidungsgewalt gelegt wurde, stirbt,bevor er etwas entschieden hat, ist sie ihm nicht mehr [zur Wiederheirat]erlaubt, bis sie einen anderen Mann geheiratet hat. Wenn einer von beidenstirbt, bevor er [d.h. der mit der Scheidungsgewalt betraute] etwas ent-schieden hat, beerben sie einander nicht." Ma'mar sagte: Ich hörte jeman-den sagen: „Wenn der, in dessen Hand ihre Scheidungsgewalt gelegtwurde, stirbt, bevor er etwas entschieden hat, so ist das nichts [d. h. recht-lich nicht als Scheidung zu betrachten]." Das sagt mir mehr zu alsdie Aussage Qatädas.24)

All die genannten Indizien sprechen gegen eine Fälschung oder Fiktionder Herkunftsangaben durch Ma'mar. Man wird folglich bis zum Beweisdes Gegenteils seine Zuhri- und Qatäda-Texte für authentisch, d. h. wirk-lich von den beiden genannten stammend, ansehen müssen. Der Versuch,dieser Konsequenz durch die Hypothese zu entgehen, ein Teil davon, z. B.die Fremdüberlieferungen, sei das Werk anonymer Traditionsfälscher —ein Argument Schachts25) —, ist nicht überzeugend. Sie müßten Zeitgenos-sen Ma'mars, also im zweiten Viertel des 2. Jahrhunderts H. tätig gewesensein und Zuhri- und Qatäda-Texte in Massen produziert haben. Solche„Fälscherwerkstätten" hätten nicht unentdeckt bleiben können, zumal

21) Ergänzungen in eckigen Klammern sind vom Verf. zum besseren Verständ-nis hinzugefügt.

22) 'Abdarrazzäq, Mu$annqf 11943.23) Aber auch solche Fälle gibt es sporadisch, vgl. z. B. 'Abdarrazzäq, Mu$annqf

10702.24) 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 11962 (Hervorhebung vom Verf.).25) Vgl. Schacht, Origins, S. 179.

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nicht einem langjährigen Schüler der beiden. Für Fälscher dieser Zeit istaußerdem der Gebrauch des isnäd in den Überlieferungen -Zuhris und be-sonders Qatädas zu bruchstückhaft.

Die Existenz der Zuhri- und Qatäda-Texte Ma'mars wird daher wiefolgt zu interpretieren sein: Ma'mar war längere Zeit Schüler der beiden.Die Menge der Texte und die gelegentlich genaue Differenzierung zwischenden Meinungen seiner Lehrer setzen mit Sicherheit schriftliche Aufzeich-nungen als Gedächtnisstütze voraus. Die Unterschiede zwischen den bei-den Überlieferungssträngen spiegeln einerseits unterschiedliche Rezep-tionsbedingungen — z. B. könnte die Tatsache, daß Ma'mar von Qatäda sel-ten responsa auf eigene Fragen mitteilt, von -Zuhri dagegen häufiger, sichdadurch erklären, daß Ma'mar, als er bei Qatäda hörte, noch sehr jung war,dagegen als Student bei -Zuhri nicht mehr zu den Anfangern zählte —,andererseits den jeweiligen persönlichen Entwicklungsstand des basri-schen und medinensischen/ogiÄ und die regionalen Eigenheiten des fiqh inden beiden Gelehrtenzentren — dies könnte z. B. den häufigeren Gebrauchdes isnäd bei -Zuhri oder das seltenere Vorkommen von Propheten-oÄödSibei Qatäda verständlich machen. So benutzt, erlauben diese Texte punk-tuelle Einblicke in die Lage der islamischen juristischen Reflexion und indie Art und Weise juristischer Artikulation im ersten Viertel des 2. Jahr-hunderts H.

Ma'mars Überlieferung von -Zuhri ist daher als eine brauchbare Quellefür die Rechtslehren des berühmten Medinensers anzusehen. Das schließtnicht aus, daß Ma'mar gelegentlich Fehler und Irrtümer bei der Konservie-rung und Weitertradierung unterlaufen sind.

Die bisherigen Schlußfolgerungen stützen sich allein auf die TexteMa'mars. Sie wurden aus methodischen Gründen bewußt von biographi-schen Traditionen über ihn freigehalten, da solche Nachrichten über isla-mische Gelehrte des 1. und 2. Jahrhunderts H. von nichtmuslimischenGelehrten vielfach pauschal als unzuverlässig eingestuft werden. Die überMa'mar erhaltenen biographischen Überlieferungen bestätigen aber weit-gehend unsere textimmanent gewonnenen Ergebnisse:

Ma'mar b. Rääid, ein maulä der al-Azd, wuchs in Basra auf, beganndort sein Studium nach seiner eigenen Aussage im Todesjahr des al-IJasanal-Ba§ri, d.h. 110/728-9, im Alter von 14 Jahren. Daß er ihn noch hörte,ist möglich, wird aber in den biographischen Nachrichten weder behauptetnoch bestritten. Auf jeden Fall studierte er dann — wiederum nach eigenemBekunden — bei Qatäda.26) Er verließ Basra, wo er eng mit Ayyüb b. Abi

*6) Zu Qatäda als Überlieferer nach biographischen Quellen vgl. G. Vitestam,„Qatäda b. Di'äma as-Sadüsi et la science du hadit, in: Ve Congr&s internationald'arabisants et d'islamisants. Actes, Bruxelles 1970, S. 489-498.

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Tamima befreundet war, vielleicht nach Qatädas Tod (117/735) oder frü-her und schloß sich dem -Zuhri an, als dessen bedeutendster Schüler erneben Mälik b. Anas angesehen wird. Besuchsweise kehrte er nach Basrazurück, nicht ohne dies zu Kontakten und zum Studium bei dortigenGelehrten zu nutzen, ließ sich aber zu einem unbekannten Zeitpunkt inSan<ä>, dem Gelehrtenzentrum des Jemen, nieder, wo er auch im Kreiseseiner Schüler — unter ihnen 'Abdarrazzäq — im Jahr 153/770 oder 154/771 (weniger wahrscheinliche Varianten 150 oder 152) im Alter von 57oder 58 Jahren starb.27)

Ma'mar zählt zu den frühen mu^annifün,2*) d.h. zu denen, die ihreÜberlieferungen nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet weitergaben.Seine mu^annaf-Werke scheinen keine große Verbreitung erlangt zu haben,denn ihre Existenz oder ihre Titel werden in den bibliographischenNachrichten — so weit ich sehe — nicht erwähnt. Erhalten ist von ihm aberein Kitäb al-öämi* in der Überlieferung seines Schülers <Abdarrazzäq, einWerk, das an dessen Musannaf angehängt ist.29) Ma'mars umfassenderesmu§annaf· Werk ist anscheinend nur in der Form erhalten, in der es 'Abdar-razzäq in seinen Mu$annaf eingearbeitet hat.

Die Bewertung der frühen islamischen Gelehrten durch die muslimi-schen Äodi^Kritiker und ntjfäi-Experten, die sich seit der zweiten Hälftedes 2. Jahrhunderts herausbildet, ist für die historische Forschung zwar invieler Hinsicht wertvoll und hilfreich, sie muß aber mit größter Vorsichtbehandelt werden, da sie eng und streng an späteren Normen der hadtt-Überlieferung orientiert ist, die bis zur Mitte des 2. islamischen Jahrhun-derts noch wenig befolgt wurden, schon gar nicht von den frühen fuqahä*,die überwiegend ihren ra*y lehrten. Dennoch ist bemerkenswert, daßMa'mars Überlieferung von -Zuhri von der Äadif-Kritik einhellig als sehrzuverlässig eingestuft wird.

27) Vgl. Ihn Sa'd, Tabaqät, Bd. 5, S. 397; -Buhäri, Ttfrih, Bd. 4/1, S. 378-379;-Dahabi, Tadkira, Bd. l, S. 190-191; Ibn Hagar, Tahdib, Bd. 10, S. 243-246. Diesist nur eine Auswahl. Weitere biographische Überlieferungen über Ma'mar findensich z. B. in Ibn 'Asäkirs Ta'rih Madlnat DimaSq und -Dahabls Siyar a'läm an-nubalä*— darauf wies mich freundlicherweise Dr. M. Lecker hin —, deren vollständige Edi-tionen mir nicht zugänglich waren.

28) Vgl. Ibn al-Madini, <Hal al-hadit, S. 17 ff.29) Als einer der ersten wies P. Sezgin in seinem Aufsatz „Hadis musannefatimn

mebdeiveMa'merb. Ra§id'in CamVi" in: Türkiyat 12 (1955), S. 115-134 auf dessenExistenz hin. M. J. Kister war einer der ersten, der ihn — noch vor seiner Edition —benutzte. Vgl. seinen Aufsatz „Haddithü 'an bani isrä*ila wa-lä haraja" in: IsraelOriental Studies 2 (1972), S. 215-239 (letzteren Hinweis verdanke ich Dr. AmikamElad).

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Der Fiqh des -Zuhri: die Quellenproblematik 11

III

Unter den ältesten Quellen für denfiqh des -Zuhri ist die Überlieferungdes Mekkaners Ibn Öuraig (st. 150/767) wegen ihres Umfangs an zweiterStelle zu nennen. Wie die Ma'mars ist sie im Mu$annaf des 'Abdarrazzäqenthalten und auf der Grundlage seiner Herkunftsangaben rekonstruier-bar. Da ich den Quellenwert dieser Überlieferung an anderer Stelle aus-führlich diskutiert habe,30) beschränke ich mich auf die wesentlichenPunkte, die zum Vergleich mit den anderen frühen Quellen und für dieZuhri-Texte von Bedeutung sind.

Die Ibn öuraig-Überlieferung im Mu$annaf des 'Abdarrazzäq steht anUmfang der des Ma'mar nur wenig nach und umfaßt über 5000 Einzel-texte.31) Während bei Ma'mar — wie wir gesehen haben — zwei Hauptauto-ritäten, von denen -Zuhri die eine ist, seine Überlieferung dominieren, istes bei Ibn Öuraig nur eine, der mekkanische faqih 'Affi b. Abi Rabäh, aufden fast 40% aller seiner Texte entfallen. Der Rest verteilt sich auf eineVielzahl von Gewährspersonen (weit über 100), unter denen jedoch fünfNamen des öfteren genannt werden: der Mekkaner <Amr b. Dinar (7%), derMedinenser Ibn Sihäb (6%), der Jemenit Ibn Täwüs (5%), der MekkanerAbu z-Zubair (4%) und der Iraker 'Abdalkarim [al-öazari] (3%).

Wie im Fall der Ma'mar-Überlieferung 'Abdarrazzäqs betrachte ich beiIbn öuraig den auffälligen Proporz seiner Bezugspersonen neben der Tat-sache, daß von ihm eigene Rechtsmeinungen und eine stattliche Anzahlanonymer Traditionen existieren, als Argumente gegen den Fälschungs-verdacht, d. h. gegen die Annahme, er habe seine eigenen und die zu seinerZeit in Mekka und anderswo gängigen Rechtsauffassungen und umlaufen-den ätärund afyädtt auf die vorhergehende Gelehrtengeneration zurückpro-jiziert. Es erscheint plausibler, die merkwürdige Häufigkeitsverteilung derGewährspersonen des Ibn öuraig historischen Bedingungen seiner Biogra-phie zuzuschreiben, etwa dem Umstand, daß 'Ata* vielleicht sein bedeu-tendster Lehrer war, bei dem er am längsten studierte und von dem erdaher am meisten übernahm.

Weitere Argumente gegen die Fälschungshypothese lassen sich auseinem Vergleich der Texte, die Ibn Öuraig verschiedenen Personen zu-schreibt, gewinnen. Als Beispiel seien seine Überlieferungen von 'Ata' b.Abi Rabäh und -Zuhri, den er im Unterschied zu Macmar immer nur Ibn£ihäb nennt, gegenübergestellt.

30) Vgl. H. Motzki, Die Anfänge, S. 70-87; 157-167; 209-212.31) Die folgenden Ausführungen beruhen auf der gleichen Textgrundlage wie

im vorangehenden Kapitel, siehe Anm. 12.

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12 Harald Motzki

Die 'Atä'-Texte geben zum größten Teil (80%) dessen rayy wieder.Lediglich ein Fünftel von ihnen enthält Fremdüberlieferungen, in denen<Atä> nur Gewährsmann ist. Die Formen, in denen Ibn öuraig 'Atä's ra*ypräsentiert, sind auffällig. Neben den üblichen dicta ist ein nahezu gleichhoher Anteil an responsa festzustellen, d.h. Antworten, die <Atä> aufFragen, meist des Ibn öuraig selbst, seltener von genannten oder anonymbleibenden Personen, gab.

Klassifiziert man seine öiärund ahädit nach den Autoritäten, auf die siesich beziehen, ergibt sich: Am häufigsten zitiert er $ahäba, viel seltener denPropheten, nur sporadisch eigene Zeitgenossen. Auffallig sind auch zahl-reiche Koranzitate. Unter den Prophetengefahrten dominiert eindeutig Ibn<Abbäs. Auf ihn verweist 'Ata' fast dreimal so oft wie auf den nächst häutigangeführten 'Umar b. al-Hattäb, auf diesen dreimal öfter als auf cAli oder'A'iSa. Selten tauchen öäbir b. 'Abdalläh, Abu Huraira, Ibn 'Umar u. a. auf.Zahlenmäßig werden die Propheten-ahädit von Berufungen 'Atä's auf Ibn€Abbäs weit übertroffen, aber der Prophet folgt vor allen übrigen $aJiäba.Gewährspersonen sind für die Gefahrtengeneration nur in Ausnahmefallengenannt. Von 'Atä's Verweisen auf den Propheten haben nur ein Vierteleinen — teilweise lückenhaften — isnäd.

Ibn öuraigs Überlieferung von -Zuhri besteht im krassen Gegensatz zuder von <Atä> überwiegend aus Fremdüberlieferungen, in denen -Zuhri nurGewährsperson ist (58%), und nur zu einem geringeren, aber dennochbeachtlichen Teil aus dessen ra*y. Letzterer hat in den meisten Fällen dieForm von dicta, selten von responsa, unter denen solche auf direkte FragenIbn öuraigs — ganz anders als bei 'Ata' — die Ausnahme bilden. Innerhalbder Fremdtraditionen dominiert als Gewährsmann 'Urwa b. az-Zubairdeutlich vor Abu Salama b. 'Abdarrahmän, Sälim b. 'Abdalläh b. 'Umar,<Ubaidalläh b. 'Abdalläh b. 'Utba, Sulaimän b. Yasär u. a.

Von den ätär und ahädit beziehen sich die meisten auf Autoritäten der$oAö6a-Generation, nur jeweils halb so viel auf täbi'ünoder den Propheten.Unter den Prophetengefährten ist 'Umar am häufigsten erwähnt, ihm fol-gen 'Utmän, Ibn (Umar und 'Ä'iäa, seltener Zaid b. Täbit, Abu Huraira,Ibn 'Abbäs und andere weniger berühmte §ahüba. Ordnet man die ein-zelnen Autoritäten nach ihrer Häufigkeit, steht — in deutlichem Unter-schied zu den 'Ata'-Texten — der Prophet an der Spitze aller Personen,auf deren Rechtspraxis oder -meinung verwiesen wird. Ihm folgt derKalif 'Umar erst mit einigem Abstand. Auffällig ist, daß die Kalifen, auchumayyadische wie ̂ bdalmalik und ^mar b. ^bdaraziz, stark vertretensind. Gut die Hälfte der Fremdüberlieferungen -Zuhris hat einen — nichtimmer einwandfreien — isnäd, die Prophetentraditionen haben ihn regel-

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Der Fiqh des -Zuhri: die Quellenproblematik 13

Der Vergleich zweier Textüberlieferungen des Ibn Öuraig, der des 'Ata'b. Abi Rabatt und der des Ibn Sihäb az-Zuhri, zeigt, daß sie derart unter-schiedlich in bezug auf Umfang, Anteil von raty, Textgattungen, ünäd-Gebrauch, bevorzugte Autoritäten u. a. sind, daß Ibn Öuraig als Fälscherbeider Textkomplexe, d.h. für ihre eigenmächtige Zusammenstellung undAusstattung mit Überlieferungsformeln und -ketten, ausscheidet. Daß erseine 'Ata'-Texte tatsächlich von diesem erworben hat, dafür spricht eineAnzahl weiterer Indizien, die ich an anderer Stelle detailliert beschriebenhabe,32) wie eigene Rechtsmeinungen des Ibn öuraig, seine Kommentarezu 'Ata*-Texten, bewußtes Abweichen von 'Atä's Auffassungen, gelegent-liche Überlieferung von ihm via dritte, die Mitteilung unterschiedlicherLösungen des gleichen Problems u. a. Ähnliche Kriterien lassen sich zumTeil auch für Ibn Öuraigs Ibn Sihäb-Überlieferung namhaft machen, z.B.die indirekte Überlieferung von ihm33) oder der Hinweis auf widersprüch-liche Aussagen Ibn Sihäbs.34) Schließlich ist auch schwer einzusehen,warum der Mekkaner Ibn öuraig, der sich überwiegend auf mekkanischeAutoritäten stützt, den rafy von und Traditionen mit einem medinensi-schen Gewährsmann fingiert haben sollte.

All das spricht dafür, daß er die Texte in der Regel tatsächlich — aufwelchem Weg auch immer — von den betreffenden Personen erhalten hat.Dieser Konsequenz kann man nur durch die Einführung imaginärer anony-mer Fälscher entgehen. Weil aber damit das Problem nur in den Bereichdes nicht mehr Überprüfbaren verlagert würde, kann dies nicht als wissen-schaftlich zulässige Erklärung der Unterschiede zwischen den beiden Text-korpora akzeptiert werden.

Für ihre jeweiligen Besonderheiten wird man stattdessen unterschied-liche Rezeptionsbedingungen seitens des Ibn Öuraig und verschiedeneindividuelle und/oder regionale Eigenheiten der Rechtsgelehrsamkeit'Ata* s und -Zuhris verantwortlich machen dürfen. So wird der hohe Anteilvon responsa in Ibn öuraigs 'Ata'-Überlieferung ein Spiegelbild des Unter-richts sein, in dem Ibn öuraig sein Rechtswissen von seinem Lehrer er-warb. Das geringe Vorkommen direkter Fragen Ibn öuraigs an Ibn Sihäbund nur sporadische Hinweise auf einen samä* von ihm könnten dagegenIndizien dafür sein, daß er nicht zu seinen regelmäßigen Hörern zählte undeinen Teil seiner Zuhri-Texte auf anderem, vielleicht schriftlichem Weg,erworben hat. Das Vorherrschen des ra*y, die hohe Frequenz von Ibn <Ab-bäs-Texten und das seltene Vorkommen von asänld könnte für die Rechts-

32) Vgl. H. Motzki, Die Anfänge, S. 70-85.33) Vgl. 'Abdarrazzäq, Mu§annaf 12498 (Ibn Öuraig - «AyyäS - Ibn Sihäb).34) Vgl. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 13632,

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gelehrsamkeit des 'Ata* und/oder für den mekkanischen fiqh am Anfangdes 2. Jahrhunderts H. generell typisch sein. Umgekehrt mag das Überwie-gen von Fremdüberlieferungen über den ra*y bei -Zuhri, seine häufigereAngabe von Gewährsleuten für seine Überlieferungen und die hervorra-gende Rolle des Propheten als Rechtsautorität für -Zuhri und/oder diemedinensische Jurisprudenz seiner Zeit charakteristisch sein. Eine solchehistorische Interpretation entbehrt in meinen Augen nicht einer gewissenPlausibilität und sie hat den Vorteil falsifizierbar zu sein. Bis zum Beweisdes Gegenteils können wir folglich davon ausgehen, daß Ibn öuraigs Texte,die er dem Ibn Sihäb az-Zuhri zuschreibt, tatsächlich von diesem stammen.

Die Schlußfolgerung und unsere Vermutungen, wie Ibn öuraig zu sei-nen Texten gekommen sein könnte, beruhen ausschließlich auf den vonihm in 'Abdarrazzäqs Musannaf erhaltenen Texten. Auf die Einbeziehungbiographischer Informationen über ihn wurde aus den schon erwähntenGründen zunächst verzichtet. Das sei jetzt nachgeholt:35)

<Abdalmalik b. 'Abdal'aziz b. öuraig, ein maulä des UmayyadenclansAI Hälid b. Asid, ist im Jahr 80/699 wahrscheinlich in Mekka geboren unddort aufgewachsen. Mit etwa 15 Jahren begann er bei <Atä> b. Abi Rabäh,dem damals fuhrenden mekkanischen Gelehrten, zu studieren. Er besuchtedessen Zirkel etwa 18 Jahre lang, trennte sich aber von ihm ein bis zweiJahre vor dessen Tod (l 15/733) und schloß sich dem etwas jüngeren mek-kanischen Gelehrten (Amr b. Dinar an, dessen Lehrsitzungen er siebenJahre lang frequentierte. Das entspricht dem Bild, das sich aus der Häufig-keitsverteilung der Gewährsleute im Textkorpus des Ibn öuraig ergab:'Ata' ist bei weitem am häufigsten zitiert, an zweiter Stelle folgt (Amr b.Dinar.36) In dieser Zeit hörte er wohl auch bei anderen Gelehrten, z. B. beidem Mekkaner Ibn Abi Mulaika (st. 117/735 oder 118/736) und bei demMedinenser Näfic (st. 118/736 oder 119/737), dem maulä des Ibn 'Umar,der sich von Zeit zu Zeit in Mekka aufhielt. All diese von seinen Schülern

3 ) Die biographischen Nachrichten über ihn wurden hauptsächlich den folgen-den Werken entnommen: Ibn Sa'd, ToJbaqät, Bd. 5, S. 361-362; Bd. 7/2, S. 163; $a-lifa b. gayyät, Tabaqät, S. 283; -Buhäri, TaV& Bd. 3/1, S. 422-423; Ibn Qutaiba,Ma'ärif, S. 167; Ibn Abi Ilätim, Taqdima, passim; ders., Öarh, Bd. 2/2, S. 356-359;Ibn Hibbän, MaSähir, Nr. 1146 u.a.; ders., Tiqät, Bd. 7, S. 93-94; Ibn an-Nadim,Fihrist, S. 316; -Bagdad!, Ta'nh, Bd. 10, S. 400-407; ders., Kifäya, S. 258, 320;-Siräzi, Tabaqät, S. 71; -Nawawi, Tahdib, Bd. 2, S. 297-298; Ibn gallikän, Wafayät,Bd. 2, S. 348; -Dahabi, Duwal, S. 79; ders., Mizän, Bd. 2, S. 151; ders., Tadkira,S. 169-171; Ibn ilagar, Tahdib, Bd. 6, S. 402-406. Zu einer detaillierten Analysedieser Texte vgl. H. Motzki, Die Anfänge, S. 239-254.

3e) Siehe oben S. 11.

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Der Fiqh des -Zuhri: die Quellenproblematik 15

überlieferten Nachrichten beruhen in der Regel auf seinen eigenen Aus-sagen. Er starb im Jahr 150/767.

Ibn öuraig ist einer der ersten, wenn nicht der erste Autor einer inBuchform gebrachten Kompilation des mit$annaf-Typ&9 die wahrscheinlichden Titel Kitäb as-Sunan hatte.37) Sie enthielt wohl größtenteils das, wassein Schüler 'Abdarrazzäq in seinem Mu^annafvon ihm überliefert. DiesesWerk wurde schon zu seinen Lebzeiten über Mekkas Grenzen hinausberühmt und motivierte vermutlich andere Gelehrte, wie z. B. M a'mar b.RäSid, Sufyän at-Tauri und Mälik b. Anas, zu ähnlichen Werken.

Ibn öuraig wird als hervorragender faqih, Koranrezitator und -exegetgelobt — seine Schüler haben aus seinen Koranvorlesungen ein Kitäb at-Tafsir zusammengestellt —,38) doch bei den Äodii-Kritikern ist er umstrit-ten. Schon jüngere Zeitgenossen wie Mälik oder Ibn Guraigs SchülerYafryä b. Sa'id al-Qattän hatten Vorbehalte gegenüber Teilen seiner Über-lieferung. Ausgenommen werden in der Regel seine Überlieferungen vonAta' b. Abi Rabäh, 'Amr b. Dinar, Ibn Abi Mulaika, NäfT u. a.39) Die Kritikrichtet sich im wesentlichen gegen bestimmte Formen der Textübernahme,die seit der Mitte des 2. Jahrhunderts H. zunehmend als inadäquat betrach-tet wurden, und dagegen, daß er diese nicht immer in der Überlieferungs-terminologie zum Ausdruck gebracht hat.40) Zu diesen Formen gehörte dieBenutzung schriftlicher Aufzeichnungen seiner Gewährsleute, die dieseihm überlassen hatten oder die Ibn öuraig selbst kopiert und für die er eineÜberlieferungserlaubnis erhalten hatte, ohne sie von dem Autor jedochselbst gehört oder ihm vorgelesen zu haben. Teilweise war seine Vorlagewohl nur eine Sammlung eines Schülers des betreffenden. Das war ein inder ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts H. verbreitetes und noch nicht allge-mein verpöntes Verfahren. Auf solche Weise war Ibn Öuraig auch zu seinenvon -Zuhri tradierten ahadlt gekommen, was er selbst zugegeben habensoll.41) Das entspricht dem Befund, der sich aus seinen Zuhri-Texten ermit-

37) Vgl. -Bagdädi, $, Bd. 10, S. 402; -Siräzi, Tabaqät, S. 71; IbnTahdib, Bd. 6, S. 404; Ibn Abi Hätim, Öarfy, Bd. 2/2, S. 357; Ibn an-Nadim, Fihrist,S. 316.

38) Vgl. Ibn Uanbal, , Bd. l, S. 349; -Bagdädi, 7Vn& Bd. 10, S. 404; Bd. 8,S. 237; -Dahabi, Tadkira, Bd. l, S. 170f. Ibn Abi Säum, Öarb, Bd. 2/2, S. 357.

3Ö) Vgl. Ibn Hagar, Tahdlb, Bd. 6, S. 406; Ibn Abi tlätim, Taqdima, S. 241;-Bagdädi, Ta'rib, Bd. 10, S. 406. Abu Ilaitama, <ßm, S. 117 (Nr. 34).

40) Vgl. -Bagdädi, Kifäya, S. 258, 320; ders., Ta'n&, Bd. 10, S. 404; Ibn Hagar,Tahdib, Bd. 6, S. 404, 405, 406; -Dahabi, Tadkira, Bd. l, S. 170.

41) Vgl. Ibn Abi Hätim, Taqdima, S. 245; -Dahabi, Tadkira, Bd. l, S. 170; Ibnr, Takdlb, Bd. 6, S. 405-406.

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16 Harald Motzki

teln ließ. In deutlichem Kontrast zu Ihn Öuraigs 'Ata'-Überlieferung findensich in der von -Zuhri kaum responsa auf Fragen Ihn Öuraigs selbst oderHinweise auf seinen samä*. Aber es gibt sie vereinzelt, wie den folgendenText:

'Abdarrazzäq von Ihn öuraig; der sagte: Mir überlieferte Ibn Öihäb — und[zwar] fragte ich ihn über einen Mann, der seiner Frau unter Schmer-zen (ß waßa*) [d.h. während einer Krankheit] dreifach die Scheidung gab:„Wie [ist es], muß sie ihre Wartezeit einhalten, wenn er stirbt, und beerbtsie ihn? Er [Ibn Öihäb] sagte: „'Utmän entschied über eine Frau des'Abdarrahmän [b. 'Auf], daß sie ihre Wartezeit einhalten müsse und daßsie ihn beerbe. Er ließ sie nach der Beendigung ihrer Wartezeit erben;'Abdarrahmän hatte lange Zeit Schmerzen gehabt."42)

Das zeigt, daß die biographischen Nachrichten über die Art, wie er-Zuhris ahüdlt erhielt, nicht verallgemeinert werden dürfen. Daß IbnÖuraig zu -Zuhri Kontakt hatte, ergibt sich auch aus der biographischenLiteratur, nur zählte er nicht zu seinen regelmäßigen Hörern. Das schließtnicht aus, daß er ihn, etwa bei einem Aufenthalt in Mekka anläßlich deshafifi, doch gelegentlich hören und befragen konnte. So lassen sich die ge-legentlichen responsa auf Fragen Ibn öuraigs erklären. Ihn wegen solchersingulären Widersprüche zwischen seinen Überlieferungsangaben und denbiographischen Nachrichten über ihn gleich als unzuverlässig oderFälscher zu bezeichnen, wäre ungerechtfertigt. Auch die Vorbehalte derkritischen ^aeföi-Gelehrten gegen seine Zuhri-Überlieferung wird man alsHistoriker nicht teilen können, denn auch wenn Ibn öuraig die Mehrzahlvon -Zuhris ahädlt — das schließt nicht eo ipso seinen ra'y ein! — nur schrift-lich erhalten hat, ohne sie zu hören oder vorzulesen, bedeutet das nicht,daß sie damit falsch oder unzuverlässig wären, sondern nur daß sie nichtdem hohen Standard der späteren muslimischen hadit-Kntik entsprechen.Wenn der Historiker sich nur auf Quellen berufen dürfte, die ihre Kriterienerfüllen, würde die Mehrzahl der Quellen, auf die sich die Islamhistorikerzu stützen pflegen, als unbrauchbar gelten müssen.

Die Auswertung der Nachrichten, die in der biographischen Literaturüber Ibn öuraig erhalten sind, fuhrt also im großen und ganzen zu einem

42) 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 12193. Es folgt noch eine Notiz über den Namender Frau, die aber wohl ursprünglich zur vorangehenden Überlieferung gehört. FürBeispiele von samä* vgl. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 10680, 13803. Zum Verständnisdes Sachverhalts sei angemerkt, daß die berichtete Entscheidung des Kalifen'Utmän den Versuch eines Mannes zunichte machte, der im Laufe einer Krankheit,deren tödlichen Ausgang er ahnte, sich von seiner Frau schied, um sie damit von sei-nem Erbe auszuschließen und so die koranischen Erbregeln zu umgehen.

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Der Fiqh des -Zuhri: die Quellenproblematik 17

ganz ähnlichen Bild, wie dem, das sich auf der Basis seiner Texte entwerfenließ. Das könnte zu der Vermutung Anlaß geben, daß die biographischenÜberlieferungen auf ähnliche Weise entstanden sein könnten, d.h. aus denTexten extrapoliert wären. Dafür gibt es jedoch kaum Anhaltspunkte;lediglich die späten umfangreichen Lehrer- und Schülerlisten, wie sie z.B.in Ibn IJagars Tahdlb at-tahdib zu finden sind, werden zum Teil auf dieseWeise entstanden sein.43) Es erscheint daher auch auf Grund der biographi-schen Nachrichten, die überwiegend auf Ibn öuraigs Schüler und derenSchüler zurückgehen, gerechtfertigt, seine Überlieferung von -Zuhri alsecht in dem Sinn zu bezeichnen, daß er sie tatsächlich von ihm erhaltenhat.

IV

An ihrem Umfang gemessen die kleinste, aber deshalb nicht zwangs-läufig weniger bedeutende alte Überlieferung von -Zuhri ist die des Mälikb. Anas in seinem Muwatta*.44) Im Prinzip ist der Muwattof ein mu$annaf-Werk ähnlich denen des Macmar und Ibn Öuraig, allerdings stärker alsdiese durch Anmerkungen Mäliks ergänzt. Untersucht man ihn nach derangeblichen Herkunft seiner Überlieferungen, ergibt sich folgendes Bild:Am häufigsten bezieht Mälik sich auf Ibn Sihäb [az-Zuhri] (21 %), der des-halb als sein Hauptgewährsmann bezeichnet werden kann. Mit einigemAbstand folgen in gleicher Frequenz Texte von Näfi', dem maulä des Ibn'Umar, und von Yahyä b. Sa'id al-Ansäri (jeweils 14%). Zu seinen seltene-ren Gewährsleuten gehören Rabi'a b. 'Abdarrahmän, 'Abdairahmän b. al-Qäsim, Hi§äm b. 'Urwa und (Abdalläh b. Abi Bakr (4-2%). Sie alle sindMedinenser. Eine große Zahl von Namen taucht nur sporadisch auf. Sehrviel umfangreicher als bei Ma'mar und Ibn öuraig ist in Mäliks Muwattofder Bestand an anonymen Überlieferungen (18%).45)

Getreu der bisher verfolgten Methode nehme ich diese charakteri-stische Verteilung der Gewährspersonen als ein erstes Indiz gegen einenmöglichen Fälschungsverdacht gegen Mälik. Wenn er die Herkunft seinerÜberlieferungen vertuschen oder_Jingieren oder besonders gewichtigen

43) Das im einzelnen zu zeigen, erfordert eine gesonderte Untersuchung. Ichgedenke, das an anderer Stelle im Detail zu belegen.

44) Zugrundegelegt ist und wird im folgenden die Rezension des Yafcyä b.Yahyä. Die kürzere Version des -Saibäni wird nur gelegentlich mit herangezogen.Als Stichprobe dienen — analog zu unserer Textauswahl aus dem Mu$annaf des«Abdarrazzäq — die drei „Bücher" Kitäb an-nikäk, Kitäb aHoläq und Kitäb ar-riffi.

45) Im Vergleich dazu: bei Ma'mar 6%, bei Ibn Öuraig 8%.2 Islam LXVIII, Heft l

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18 Harald Motzki

Gewährsleuten hätte zuschreiben wollen, muß man sich fragen, warum ereine so ungleiche Verteilung wählte, warum er nicht statt -Zuhri den älte-ren Näfic als Eponym bevorzugte, der nur genauso häufig zitiert wird, wieder eine Generation jüngere Yahyä b. Sa'id, und warum er eine so großeZahl von Überlieferungen ohne Gewährspersonen beläßt.

Ein Vergleich der Texte, die er seinen wichtigsten Informanten zu-schreibt, liefert weitere Hinweise. Wir beschränken uns auf eine Gegen-überstellung der Ibn Sihäb- und der Näfi'-Überlieferung:

Die auf Ibn Sihäb zurückgeführten Texte bestehen überwiegend ausFremdüberlieferungen, in denen er nur als Gewährsmann Mäliks für ältereAutoritäten erscheint (63%). Der Anteil an ra?y des -Zuhri ist aber den-noch beachtlich (37%), nur etwas mehr als die Hälfte der ra^-Überliefe-rungen hat die Form von responsa auf Fragen Mäliks oder trägt einensamä'-Vermerk. Nicht selten wird im Muwatta? der rayy -Zuhris auf eineArt und Weise angeführt, die eine indirekte Überlieferung, also über dieVermittlung anonymer Dritter, suggerieren könnte, z.B.:

„Mir überlieferte [Yahyä b. Yahyä] von Mälik, daß ihm zu Ohren kam(balagahü), daß Sa'id b. al-Musayyab, Sulaimän b. Yasär und Ibn Sihäb zusagen pflegten:"46)

Das kommt aber nur in kollektiven Zitaten vor, bei denen außer -Zuhrinoch ältere Autoritäten genannt werden. Anonyme Verweise Mäliks aufden ra'y medinensischer täbi'ündes ausgehenden 1. Jahrhunderts findensich in der Muwatta*-Rezension des Yahyä b. Yahyä in großer Zahl. Siesehen z.B. so aus:

„Mir überlieferte [Yahyä b. Yahyä] von Mälik daß ihm zu Ohren kam, daßal-Qäsim b. Muhammad . . ."47

Von Ibn Sihäb allein gibt es solche anonymen Traditionen aber — soweit ich sehe — nicht. Daher ist anzunehmen, daß der anonyme Verweis aufIbn Sihäb in kollektiven Zitaten eine ungenaue, kürzungsbedingte Zita-tionsform ist, die eigentlich wie folgt oder ähnlich lauten müßte:

„Mir überlieferte [Yafcyä b. Yahyä] von Mälik von Ibn Sihäb und daß ihmvon [den täbi'ün] X und zu Ohren kam, daß sie zu sagen pflegten: . . ."

Diese umständlichere, aber genauere Form des kollektiven Zitatskommt nur gelegentlich vor.48) Der anonyme indirekte Verweis Mäliks auf

4 ) Vgl. Mälik, Muwatta* 29:33.47) Vgl. Mälik, Muwatta* 28:19. Solche Überlieferungen fehlen durchweg in der

Rezension -Saibanis.48) Z.B. in Mälik, Muwatta* 28:40.

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Der Fiqh des -Zuhri: die Quellenproblematik 19

Ihn Sihäb in kollektiven Zitaten ist also nicht als wirklich indirekte Über-lieferung anzusehen. Solche Beispiele belegen daher nicht, daß Mälik einenGroßteil des ra'y des -Zuhri aus Quellen hat, die er verschweigt. Nur ganzsporadisch sind im Muwafta' echte indirekte Traditionen Mäliks von -Zuhrizu finden, d. h. solche, in denen Mälik über einen namentlich genanntenGewährsmann von -Zuhri tradiert.49) So selten sie auch sind, ihre Existenzist ein Indiz dafür, daß Mälik nicht der Ehrgeiz unterstellt werden kann,alle ihm bekannten Ibn Sihäb-Texte direkt auf ihn als seinen bedeutend-sten Lehrer zurückzufuhren und seine Informanten dafür zu unterdrücken.

Die öiärund ahädit beziehen sich überwiegend auf die $o/tö&a-Genera-tion, nur halb so oft auf den Propheten, am wenigsten auf täbi'ün. Aller-dings ist der Prophet von allen einzelnen Autoritäten am häufigstenerwähnt, doppelt so oft wie 'Umar oder 'Utmän, Ibn Sihäbs Favoriten unterden Prophetengefahrten. Dabei überwiegen die $oAä&a-Überlieferungenmit isnäd bei weitem solche ohne, während unter den Prophetentraditionenebensoviele ohne wie mit isnäd auftauchen und die iö&i'im-dicta sogar häu-figer anonym als direkt überliefert sind.

An diesen Befund kann man verschiedene Fragen knüpfen: Warumberuft sich Mälik, der via Ibn Sihäb überwiegend auf die $ahäba\ind auf denPropheten zurückgreift, überhaupt auf -Zuhris ra'y, wenn er seinen eige-nen fiqh fiktiv auf ältere Autoritäten stützen wollte? Ist es sinnvoll anzuneh-men, daß Mälik, der in den meisten Fällen seine Prophetentraditionen miteinem vollständigen isnäd versieht, für Prophetentraditionen sowohl voll-ständige asänid von -Zuhri als auch defektive, denen ein oder sogar zweiGlieder fehlen, erfunden hat?

Ein völlig anderes Bild als Mäliks Überlieferung von Ibn Sihäb bietenseine Näfi'-Texte. Sie beinhalten in der Regel keinen ra'y Näfi's,50) sondernbestehen fast durchweg aus Fremdtraditionen. Gut zwei Drittel davonbeziehen sich auf den rcfy oder das rechtsrelevante Verhalten des 'Abdal-läh b. 'Umar, der noch zur $aAö6a-Generation gerechnet wird, der Rest aufden Propheten, dessen Frauen oder einen Prophetengefahrten wie Zaid b.Täbit, nicht selten im Zusammenhang mit einem Mitglied der Familie'Umars oder Ibn TTmars. Gewährsperson ist überwiegend Ibn 'Umar, selte-ner dessen Frau §afiya bint Abi TTbaid, sein Sohn Sälim oder andereFamilienmitglieder. Für Propheten- und ^o^öfea-Traditionen, die nicht Ibn'Umar betreffen, werden in der Regel Gewährsleute genannt. Es finden sich

4Ö) Nicht in unserer Stichprobe, vgl. aber Mälik, Muwatia? 48:8 (über Yafryä b.Sa'id) und 51:3 (über Ziyäd b. Sa'd).

50) Vgl. aber Mälik, Muwattd* 3:56 (außerhalb unserer Stichprobe).

2* Islam LXVIII, Heft l

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kaum respOT&saNäfi's auf Fragen Mäliks51) oder Hinweise auf seinen samä*von ihm.

Man könnte nun ähnlich wie bei Ma'mar und Ibn Öuraig die Ursachenfür die frappierenden Unterschiede zwischen den beiden Textsträngenin unterschiedlichen historischen Gegebenheiten suchen. Zum Beispielkönnte die Tatsache, daß Mälik zwar von -Zuhri häufiger responsa auf seineeigenen Fragen und „Gehörtes" überliefert, von Näfi' jedoch kaum, darinbegründet sein, daß letzterer andere Untemchtsformen pflegte, etwa seineSchüler nur Abschreiben und Vorlesen ließ und Mälik fast nur an solchenSitzungen teilnahm, während Ibn Sihäb vielleicht zusätzlich Fragestundenoder Diskussionsrunden über Rechtsprobleme abhielt. Daß Mälik von-Zuhri reichlich dessen rayy mitteilt, von Näfi< aber so gut wie gar nicht,mag ähnliche Gründe haben oder — wahrscheinlicher — die Tatsachespiegeln, daß Näfi* keinen eigenen ra*y gelehrt hat, sondern sich in seinenSitzungen ausschließlich auf die Weitergabe oder Verbreitung von Überlie-ferungen beschränkte.

Der Unterschied zwischen Mäliks Überlieferungen von Ibn Sihäb undNäfi< ist auch J. Schacht aufgefallen. Doch er sah darin keinen Hinweis aufeine mögliche Echtheit beider Textüberlieferungen, sondern versuchte die-ses Problem durch die Annahme zu lösen, ein oder mehrere Fälscher hättenim Lauf der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts H. diese Texte erfunden undfalschlich den beiden zugeschrieben; Mälik habe sie — von Näfi< möglicher-weise in schriftlicher Form — im guten Glauben an ihre Echtheit übernom-men, ohne dies zu vermerken,52) das heißt — so muß man seine Argumenta-tion weiterfuhren — gegen die Regeln der späteren Äodii-Kunde, ein Verfah-ren, das Mälik, folgt man den biographischen Nachrichten, bei anderen,z.B. bei Ibn Öuraig, heftig kritisiert hat.53)

Schacht gibt mehrere Gründe für seine Aversion gegen den isnäd„Mälik-Näfi'-Ibn 'Umar" an, der später von den Muslimen als besonderszuverlässig betrachtet54) wurde: Erstens sei die Menge der Näfi'-Traditio-nen Mäliks zu groß für den beachtlichen Altersunterschied zwischen beiden- Näfi* starb 117, Mälik 179 H.55) Zweitens sei der isnäd „NäfT W Ibn

51) Vgl. die vorangehende Anmerkung.52) Vgl. Schacht, Origins, S. 177, 178f. Jüngst hat auch G. A. H. Juynboll

wieder ähnliche Vorbehalte gegenüber diesem isnäd geäußert: „Very many forgedtraditions supported by this isnäd probably originated during Malik's lifetime (90-179/708-95)." Vgl. Muslim Tradition. S. 143.

53) Siehe oben S. 15 und die biographischen Überlieferungen über Mälik bei IbnIlagar, Tahdib, Bd. 10, S. 6, 9.

54) Vgl. Ibn Hagar, Tahdib, Bd. 10, S. 6.5ß) Vgl. Schacht, Origins, S. 177.

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'Umar* ein „family isnäcT, und diese seien generell verdächtig odergefälscht. Drittens spiegeln die unter diesem isnäd laufenden Traditionenseiner Meinung nach ein sekundäres Stadium der Rechtsentwicklung:„Many Nafi< traditions represent unsuccessful attempts at influencing thedoctrine of the Medinese school." „[...] These traditions are later than theestablished Medinese doctrine."56)

Diese Argumente sind aber nicht überzeugend. Erstens war Mälik denbiographischen Nachrichten zufolge bei Näfi's Tod 23 oder 24 Jahre alt.57)Das ist sicher kein ungewöhnliches Alter für die Übernahme — etwa durchAbschreiben und Vorlesen von Texten — der im Muwafta? enthaltenenNäfi'-Überlieferung, die so umfangreich nicht ist. Zweitens ist nicht einseh-bar, daß Überlieferungen von Verwandten und Familienmitgliedern apriori als unzuverlässig gelten sollen; man könnte sich vielmehr vorstellen,daß sie gerade besonders zuverlässig sind, weil ein längerer Kontakt zwi-schen dem Überlieferer und seiner Gewährsperson bestand.58) Schachtsdrittes Argument beruht auf einem Zirkelschluß, nämlich auf Hypothesenüber die Lehre einer angeblichen „alten medinensischen Rechtsschule",die er auf Grund von Annahmen konstruiert hat, in die seine Vorurteileüber den Wert der asänld des 2. Jahrhunderts schon eingegangen sind.Schließlich kann man sich fragen, warum Mälik einerseits eine direkteÜberlieferung von Näfi< fingiert haben soll, wo er sich doch nicht scheut,gelegentlich von ihm via Dritte, etwa Näfi's Sohn Abu Bakr, zu zitieren.59)

Unser Vergleich der Textbestände von Mäliks bedeutendsten Gewährs-leuten fuhrt zu dem Schluß, daß wir bis zum Beweis des Gegenteils davonausgehen sollten, daß sowohl Mäliks Näfic-Überlieferung als auch seineTexte, die er dem -Zuhri zuschreibt, tatsächlich von den beiden stammen.

Dieses Ergebnis, das allein auf der Basis von Mäliks Muwatta? gewon-nen wurde, läßt sich auch dann halten, wenn man es mit den biographi-schen Nachrichten, die über Mälik erhalten sind, konfrontiert. J. Schachthat sich eingehend mit Mäliks Biographie befaßt.60) Er vertritt die Ansicht,

56) Op. cit., S. 177.57) Dazu siehe unten S. 22.58) Ähnlicher Meinung sind J. Robson, „The Isnäd in Muslim Tradition", in:

Transactions of the Glasgow University Oriental Society 15 (1953-54), S. 22 f. undM. M. Az[a]mi, Studies in Early ffadith Literature: with a critical Edition of someEarly Texts, 2. Aufl. Indianapolis 1978, S. 245f.; ders., On Schockt's Origins ofMuhammadan Jurisprudence, Riyad 1985, S. 171.

5Ö) Vgl. Mälik, Muwatta* 48:13, 51:1 (außerhalb unserer Stichprobe).) Vgl. J. Schacht, „Malik b. Anas", in: Enzyklopädie des Islam, 1. und (unver-

ändert) 2. (engl.) Aufl., Bd. VI, S. 262-265.

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daß über dessen Studiengang wenig Zuverlässiges bekannt ist. Er akzep-tiert lediglich die Überlieferung, daß Mälik bei Rabi'a b. Farrüh fiqh stu-dierte, obwohl dies erst in späteren Quellen belegt ist, während er — dasfolgt daraus — die Nachrichten — auch alte — über andere Lehrer Mäliks fürunglaubwürdig hält. Er betont, daß die Tatsache, daß Mälik Traditionenz. B. von -Zuhri und Näfi< überliefert, kein Beweis für ein Studium bei denbetreffenden Autoritäten sei.61)

Schacht hat sicher recht, wenn er der Inflation von Lehrer- und Schü-lernamen in den späteren Sammlungen mit Argwohn begegnet, da sie —zum Teil wenigstens — auf den zu ihrer Zeit im Umlauf befindlichen asänldberuhen. Aber die Überlieferungen über Mälik, die auf seine unmittelbarenSchüler zurückgehen, können nicht pauschal verworfen werden. Hier ließsich Schacht von seinen Vorurteilen über den Entwicklungsstand des isla-mischen fiqh im ersten Viertel des 2. Jahrhunderts leiten und schloß, dasnicht sein kann, was nicht sein darf. Deshalb sei seiner Darstellung vonMäliks Ausbildung noch einiges nachgetragen:

Nach Mäliks eigener Aussage, überliefert von seinem Schüler Yahyä b.Bukair, wurde er im Jahr 93/712 geboren.62) Dieses Datum ist allen ande-ren, die nicht so gut verbürgt sind, vorzuziehen. Das heißt, er war beim Toddes Näfi< 23 oder 24 Jahre alt. Der Iraker Su'ba [b. al-Iiaggäg], ein etwasälterer Zeitgenosse Mäliks, berichtet sogar, daß dieser, als er, Su'ba, einJahr nach Näfi's Tod nach Medina kam, schon einen eigenen Hörerkreis(halqa) hatte.63). Mäliks Schüler, z.B. Yahyä b. Sa'id al-Qattän, zählenihren Lehrer zu den bedeutendsten Überlieferern — und damit meinen sieSchüler — Näfi's. Auch die kritischen Äacföi-Gelehrten, wie 'Ali b. al-Madini,Yahyä b. Ma'in und Ahmad b. IJanbal, die zur Generation der Schüler vonMäliks Schülern gehören und ihre Informationen in der Regel auch dannvon ihren Lehrern haben werden, wenn sie das nicht ausdrücklich sagen,betrachten ihn als Studenten ($ähib) sowohl des Näfi< als auch des -Zuhriund diese als seine bedeutendsten Lehrer. Unter den Schülern des letzte-ren ziehen sie ihn allen anderen vor, wobei als weitere wichtige Studenten-Zuhris der etwas ältere Zeitgenosse Mäliks Ma'mar b. Rä§id und — mitEinschränkungen - der jüngere Ibn 'Uyaina genannt werden. Auf den letz-teren geht auch die Auskunft zurück, daß Mälik und Ma'mar von -ZuhriÜberlieferungen durch Abschreiben von Vorlagen und Vorlesen Cardan)

61) Op. cit., 2. Aufl., Bd. VI, S. 263.62) Vgl. -Dahabi, Tadkira, Bd. l, S. 212.e3) Vgl. op. cit., S. 208.

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übernahmen, während er es — wohl weil er bei ihm Novize war — nur inForm des Zuhörens (samä*) konnte.64)

In diesen Übereinstimmungen zwischen alten biographischen Überlie-ferungen über Mälik und dem Befund, der sich über seine Lehrer auf derGrundlage der Texte seines Muwatta? erheben läßt, sehe ich meine An-nahme bestätigt, daß wir bei Mäliks Zuhri-Überlieferung des Muwatta*grundsätzlich von ihrer Echtheit auszugehen und für eventuelle Fälschun-gen den Nachweis zu fuhren haben und nicht — wie Schacht behauptete —umgekehrt.

Wie wir gesehen haben, legt die Untersuchung der drei ältesten Quel-len, die umfangreiche Zuhri-Texte enthalten, die Folgerung nahe, daß dieZuhri-Überlieferung von allen dreien nicht — auch nicht teilweise — alsFälschungen der Kompilatoren der Sammlungen und/oder deren fiktiveZuschreibungen zu -Zuhri angesehen werden dürfen. Das bedeutet nicht,daß sie nicht Fehler und Irrtümer enthalten könnten. Wenn es richtig ist,daß Ma'mars und Ibn öuraigs Zuhri-Überlieferungen im Mu$annaf des<Abdarrazzäq und die Mäliks im Muwatta* unabhängig voneinander wirk-lich auf -Zuhri zurückgehen, müßten die drei Überlieferungsstränge wenig-stens teilweise ähnliche Materialien enthalten. Ob dies der Fall ist, wird imfolgenden zu prüfen sein.

Zunächst ist festzustellen, daß rein äußerlich Ähnlichkeiten und Unter-schiede zwischen den drei Überlieferungssträngen bestehen. Der Ma'marsist z. B. viel umfangreicher als die beiden anderen, aber dies muß nicht hei-ßen, daß sein Überschuß fingiert wäre. Als Ursachen könnte man sich den-ken, daß Mälik und Ibn Öuraig aus irgendwelchen Gründen nicht alles von-Zuhri mitteilten, was sie wußten, und/oder daß sie weniger von ihm erfah-ren hatten als Ma'mar, etwa weil sie nicht so lange wie er bei ihm studierthatten oder ähnliches. Auch die Tatsache, daß bei letzterem -Zuhris ra?yüberwiegt, bei den beiden anderen jedoch die Fremdüberlieferungen, kannähnliche Ursachen haben oder ein stärkeres Interesse Ma'mars am rofyspiegeln. Desgleichen wird man für die unterschiedliche Verteilung derGewährsleute -Zuhris in den Fremdüberlieferungen der drei Textsträngeplausible Erklärungen geben können. Dafür daß Ibn al-Musayyab und Sä-lim b. 'Abdalläh b. 'Umar bei Ma'mar verhältnismäßig häufig sind, bei denanderen dagegen weniger, kann man z.B. ins Feld fuhren, daß Ibn öuraig

64) Vgl. Ibn Uagar, Tahdlb, Bd. 10, S. 7-9.

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viele Ihn al-Musayyab-Überlieferungen von anderen Gewährsleuten, etwaYahyä b. Sa'id, tradiert und viele Ihn 'Umar-Traditionen von Näfi< undMüsä b. 'Uqba ('an Näfi') hat; ähnliches gilt für Mälik, der dariiberhinausfür die medinensischen täbi'ün oft seine Gewährsperson nicht nennt, abervieles, was er anonym z.B. von Ibn al-Musayyab berichtet, unter anderenvon -Zuhri haben wird.

Besser abgesicherte Schlußfolgerungen erlaubt eine vergleichendeUntersuchung der in den Texten der drei Überlieferungsstränge mitgeteil-ten Inhalte. Der besseren Übersicht wegen sei dabei zwischen -Zuhris ra*yund seinen Traditionen von anderen unterschieden. Die Frage, die es zu-nächst zu beantworten gilt, ist: Wie groß ist die Ähnlichkeit der ra'y- Äuße-rungen Ibn Sihäbs, die in den drei Überlieferungssträngen enthalten sind?

Vergleicht man die Zuhri-Überlieferung des Ibn Guraig mit der desMa'mar unter diesem Gesichtspunkt, kommt man zu dem Ergebnis, daßmehr als die Hälfte aller rafy-Texte des Ibn öuraig eine Entsprechung beiMa'mar haben. Davon ist die Mehrzahl sinngemäß gleich, d.h. unterschei-det sich nur durch eine andere Wortwahl, Zusätze oder Weglassungen;einige Texte sind völlig identisch, andere behandeln eine etwas andere Fra-gestellung zum gleichen Thema, in seltenen Fällen treten offene oderscheinbare Widersprüche auf. Dazu einige Beispiele zur Illustration:

Identische Zuhri-dicia der beiden hat 'Abdarrazzäq in seinem Mu^annafin der Weise kenntlich gemacht, daß er z. B. nach dem Text des Ma'mareinen neuen isnäd, also 'Abdarrazzäq W Ibn Guraig canlbn Sihäb, mit demZusatz „mitlahü" (das gleiche) anfuhrt.65)

Texte gleichen Inhalts, aber unterschiedlicher Formulierung sind z.B.die beiden folgenden:

a) <Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri: Es macht nichts, daß die freie[Frau] zu einer Sklavin hinzugeheiratet wird, [aber] die Sklavin darf nichtzu einer Freien hinzugeheiratet werden. Wenn [der Mann] die Sklavin zueiner Freien hinzuheiratet, wird er [der Ehemann] von der Sklavin ge-trennt (furriqa), und er wird bestraft. Wenn er eine Freie zu einer Sklavinhinzuheiratet und sie wußte, daß er [schon] mit einer Sklavin verheiratetist, so steht ihr das gleiche an Anteil (qisma) [an Nächten] und an Unter-halt zu. Wenn sie [jedoch] heiratete, ohne zu wissen, daß er mit einer Skla-vin verheiratet ist, so wird ihr die Wahl gegeben; wenn sie will, kann siesich von ihm trennen oder bei ihm bleiben.66)

b) 'Abdarrazzäq von Ibn Öuraig; der sagte: Mir überlieferte Ibn Sihäb überdie Freie, die zu der Sklavin hinzugeheiratet wird: Die sunna bezüglich der

) Vgl. <Abdarrazzäq,M^a7ina/12243, 12244; 13595, 13596, 13807, 13808.66) 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 13095.

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[Frau], mit der der Freie das tut, ist, daß der Freie, sofern er eine finan-zielle Möglichkeit (tül) für die [Heirat mit einer] Freie[n] findet, eine Skla-vin nicht heiraten darf.67) Wenn er keine finanzielle Möglichkeit findet, istihm die Ehe mit der Sklavin freigestellt. Wenn er zu ihr [dann] eine Freiehinzuheiratet, ist ihm das freigestellt, wenn die Freie wußte, daß er [schon]mit einer Sklavin verheiratet ist; wenn sie es nicht wußte, wird der Freiendie Wahl gegeben zwischen der Trennung von ihm und dem Bleiben bei ihmfür das gleiche, was der Sklavin an Anteil (qisma) [an Nächten] und anUnterhalt zusteht. Wenn er [jedoch] eine Sklavin zu ihr hinzuheiratet, wirdsie ihm weggenommen und er bestraft.68)

Solche Abweichungen, wie überhaupt die große Zahl nur inhaltlich,nicht wörtlich übereinstimmender Texte, zeigen, daß sie nicht durchAbschrift von Vorlagen, sondern aus Unterrichtsnotizen und/oder Auf-zeichnung im Anschluß an die Sitzungen entstanden sind. Ein solches Ver-fahren erscheint für den Rechtsunterricht, in dem Fragen gestellt undRechtsprobleme diskutiert, nicht ahädit vorgetragen oder vorgelesen wur-den, ganz normal. Die gelegentliche Hervorhebung verschiedenerGesichtspunkte eines Rechtssachverhaltes mag durch unterschiedlicheInteressen und Vorkenntnisse des einzelnen Schülers bedingt sein. Hinzukommt, daß die drei Überlieferer der Rechtsmeinungen -Zuhris wahr-scheinlich nicht alle zur gleichen Zeit bei ihm hörten, so daß die Ab-weichungen auch mit unterschiedlichen Darbietungen des Stoffes durch-Zuhri selbst zusammenhängen können.

Die seltenen Texte, in denen offen Widersprüche zutagetreten, sindnicht leicht zu erklären. Ein Beispiel:

a) 'Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri über den, der sich mit einem Tierbefriedigt (yayti al-bahimata). Er sagte: „Er wird hundertmal ausge-peitscht, gleich ob er muh$in [d.h. verheiratet ist oder war] ist (ah$ana)oder nicht."69)

b) 'Abdarrazzäq sagte: Ihn öuraig überlieferte uns; er sagte: Ibn Sihäbsagte über den Mann, der einem Herdentier beiwohnt (yaqa'u 'alä l-bahi-mati min cd-an'äm). Er sagte: „Darüber habe ich keine sunna gehört, aber

e7) Für diesen Satz gibt es auch eine gesonderte Überlieferung Ma'mars, vgl.«Abdarrazzäq, Mu$annaf 13081 (13080).

68) 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 13096.6Ö) 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 13498. Zum Begriff des ifaän vgl. H. Motzki,

„Wal-muh$anätu mina n-nisä'i ittä mä malakat aimänukum (Koran 4:24) und diekoranische Sexualethik":, in: Der Islam 63 (1986), S. 192-218 (mit weiterer Litera-tur).

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wir betrachten ihn wie den, der illegitimen Geschlechtsverkehr hat (az-zäni), gleich ob er muh$in ist (ah$ana) oder nicht."70)

Im letzten Text wird das Strafmaß nicht genau angegeben, aber nur derzäni, der nicht mufainist, wird ausgepeitscht, der muhsin jedoch gestei-nigt.71) Hier liegt offenbar ein Widerspruch zwischen beiden Texten vor.Wie er zustandegekommen ist, läßt sich nicht leicht sagen. Zu denken wäreentweder an einen Meinungswechsel -Zuhris, was keineswegs ungewöhn-lich wäre,72) oder an ein Mißverständnis eines der beiden Schüler.

Vergleicht man die Verweise Mäliks auf Ibn Sihäbs ra'y im Muwatta?mit Ma'mars und Ibn Guraigs raty-Überlieferungen von y^ jm Musannajdes <Abdarrazzäq, ergibt sich eine noch höhere Zahl von Übereinstimmun-gen (80%) als beim Vergleich zwischen Ma'mar und Ibn öuraig. Auch hiersind völlig identische Texte eher selten, die Mehrzahl ist nur sinngemäßgleich, auch hier gibt es vereinzelt Widersprüche. Die Ursachen für dieleichten und schweren Divergenzen werden die gleichen sein, wie obenerwähnt.

Ein Beispiel für gleiche und ähnliche Texte:

a) Mir überlieferte [Yahyä] von Mälik von Ibn Sihäb, daß er sagte: „JedeGeschiedene hat Anrecht auf eine Entschädigung (mufa)."™)

b) [Abdarrazzäq von]74) Ma'mar von -Zuhri; der sagte: „Jede Geschie-dene hat Anrecht auf eine Entschädigung."75)

c) Abdarrazzäq von Ibn Öuraig76) von Ibn Öihäb; der sagte: „Die Entschä-digung ist für die, die Geschlechtsverkehr gehabt hat, und iiir die, die ihnnicht gehabt hat, gleich." Er [will] sagen: Ihnen steht die Entschädigungzu.77)

70) Abdarrazzäq, Mu$annqf 13500.71) Vgl. unter anderem die Zuhri-Überlieferungen, die Abdarrazzäq unter der

Überschrift „Bäb ar-ratfm wal-ih$än" zusammengestellt hat; Abdarrazzäq, Mu$an-naf, Bd. 7, S. 315ff.

72) Zu ähnlichen Fällen bei Ata' b. Abi Rabäh vgl. H. Motzki, Die Anfänge,S. 85.

73) Mälik, Muwatta* 29:46.74) In der Handschrift wohl versehentlich ausgelassen.75) Abdarrazzäq, Mu$annaf 12238.7 ) Im Text steht Ma'mar, aber dies muß ein Fehler sein, da dieser nie Ibn

Sihäb, sondern immer -Zuhri im isnäd hat.77) Abdarrazzäq, Mu$annaf 12239.

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Ein Beispiel für widersprüchliche Texte:

a) Mir überlieferte Yafcyä von Mälik, daß er den Ibn Sihäb über dasAbschwören (ilä*) des Sklaven [von seiner Ehefrau] fragte. Der sagte: „Esist wie das Abschwören des Freien, es ist für ihn verpflichtend. DasAbschwören des Sklaven [umspannt aber nur] zwei Monate."78)

b) 'Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri; der sagte: „Das Abschwören desSklaven von der Sklavin [umspannt] vier Monate."79)

Da solche Widersprüche die Ausnahme sind, und die Mehrzahl derZuhri-dicia, die seinen ra*y mitteilen, inhaltlich übereinstimmt, ist das einstarkes Argument dafür, daß wir es in allen drei Quellensträngen mit ech-ten Überlieferungen von -Zuhris rcfy zu tun haben. Es ist ganz unwahr-scheinlich, daß alle drei Kompilatoren, der eine in $an<ä>, der zweite inMekka und der dritte in Medina wirkend, unabhängig voneinander sovieleeinander ähnliche Texte willkürlich dem -Zuhri unterschoben haben könn-ten. In einem solchen Fall müßten viel häufiger Kontradiktionen auftau-chen. Genauso unwahrscheinlich ist aber auch die Annahme, alle dreihätten ihr Material aus derselben „Fälscherwerkstatt" oder wären einemwandernden „frommen Betrüger", der Zuhri-Meinungen in Umlauf brachte,zum Opfer gefallen und hätten alle drei ihren Informanten unterdrückt. Dashatte Schacht, wenn er Mälik nicht direkt der pia fraus verdächtigte, füreinen Teil seiner Zuhri-Überlieferung angenommen. Abgesehen von denpraktischen Schwierigkeiten dieser Hypothese, könnte man in einem sol-chen Fall mehr wörtliche Übereinstimmung zwischen den Texten erwarten.

Schacht hätte sich vielleicht noch darauf verstehen können, dengesamten von Mälik überlieferten ra*y -Zuhris als echt anzuerkennen. Beidessen Fremdüberlieferungen jedoch wäre er kompromißlos geblieben,denn dies hätte seinen Vorstellungen von der Entwicklung der islamischenJurisprudenz widersprochen. Was läßt sich nun über -Zuhris oiärund a#ä-dit in den drei ältesten Quellentexten sagen? Ein intensiver Vergleich derzahlreichen Texte würde — wiewohl wünschenswert — den Rahmen einesAufsatzes sprengen. Er müßte in einer Synopse der inhaltlich vergleich-baren Überlieferungen bestehen, etwaige Abweichungen voneinander her-vorheben und Erklärungen dafür anbieten. Einige Ergebnisse einer solchenAnalyse seien jedoch schon mitgeteilt und anhand einiger Beispiele illu-striert.

Nimmt man Mäliks Muwatta? als Ausgangspunkt, ist festzustellen, daßzu der Mehrzahl seiner Überlieferungen (85%), in denen Ibn Sihäb

78) Mälik, Muwafta* 29, Kap. 7.79) 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 13190.

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Gewährsmann für Traditionen über vorangegangene Generationen ist,Paralleltexte bei Ma'mar und/oder Ibn Öuraig existieren. Daneben gibt eseine geringere Zahl von Texten, die nur von den beiden letzteren oder nurvon einem der drei mitgeteilt werden. Die Parallelität reicht von identi-schem Wortlaut über mehr oder weniger starke Abweichungen bis zu sehrentfernter inhaltlicher Übereinstimmung. Dabei ist kein Unterschied zwi-schen Traditionen, die sich auf die iö&i'im-Generation, die $afyäba oder denPropheten beziehen, auszumachen. Unter dem Gesichtspunkt literarischerGattungen finden sich unter diesen Texten kurze Rechtsmaximen ebensowie elaborierte Kasuistik und breit angelegte qi?a$.

Diese Sachverhalte sprechen gegen den Verdacht, daß die -ZuhrisNamen tragenden, in den verschiedenen Kompilationen enthaltenenFremdtraditionen nach seinem Tod entstanden sind, ihm fälschlich zuge-schrieben wurden und dann zufallig durch mündliche Verbreitung — münd-lich wegen der vielen Divergenzen zwischen den Textvarianten — zu denAutoren der drei Sammlungen gekommen sind. Dafür ist erstens derBestand an Zuhri-Traditionen zu umfangreich. Zweitens ist die Zeitzwischen -Zuhris Tod (124/742) und der „Veröffentlichung" der Werke derdrei Autoren zu kurz, denn sie werden sie nicht erst kurz vor ihrem Todzusammengestellt haben. Ibn öuraig starb aber schon 150/767, Ma'mar153/770, und der Iraker -Saibäni, der 189/805 starb, wird seine Muwatta'-Überlieferung als junger Student, die Überlieferung sagt mit 20 Jahren,80)bei Mälik erworben haben. Da er 132/750 geboren ist,81), war das Anfangder fünfziger Jahre des 2. Jahrhunderts H., so daß diese Zeit für alle dreiWerke als terminus ante quern ihrer Existenz anzusehen, ihr Abfassungs-termin aber sicher noch beträchtlich vorzudatieren ist. Wenn das so ist,läßt sich drittens schwer erklären, wie sie bei ihrer räumlichen Entfernungvoneinander (Jemen, Mekka, Medina) zu dieser Menge inhaltlich ähnli-cher, aber im Wortlaut oft voneinander abweichender Fälschungen gekom-men sein sollen, und es wäre merkwürdig, daß alle drei, als hätten sie sichzu dieser piafraus verabredet, ihre gemeinsame(n) Quelle(n) dafür unter-drückt hätten.

An zwei Beispielen und ihren Varianten seien wenigstens einige dervorkommenden Divergenzen und die daraus zu ziehenden Schlüsse demon-striert.

80) Vgl. das Vorwort des Herausgebers von -Saibänis Muwatta*-Rezension, <Ab-dalwahhäb 'Abdallatif, S. 23, der als Quellen auf -Dahabis Manäqib Abi Hanifa und-Bagdädis Ttfnh Bagdad verweist (Anm. 2).

81) Op. cit., S. 22.

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Der Piqh des -Zuhri: die Quellenproblematik 29

a) Mir überlieferte [Yahyä] von Mälik von Ibn Sihäb von Sa'id b. al-Musayyab und von Sulaimän b. Yasär, daß Tulaiha al-Asadiya {S82) dieTochter des Talha b. 'Ubaidalläh statt Tulaifca al-Asadiya} mit RuSaid at-Taqafi verheiratet war (känat tafyta). Der gab ihr die Scheidung, und sie hei-ratete in ihrer Wartezeit {S: Zusatz: den Abu Sa'id b. Munabbih oder denAbu 1-Guläs b. Munayya}. Da ließ 'Umar b. al-Qaftäb sie und ihren Mannmit dem Ochsenziemer (mifyfaqa) schlagen (<faraba), und er sprach dieTrennung voneinander aus (farraqa bainahumä). Dann sprach 'Umar b. al-iJatt-äb: „Wenn eine Frau (ayyumä mra*atin) in ihrer Wartezeit heiratetund wenn ihr Mann, der sie geheiratet hat, [noch] nicht mit ihr die Ehe voll-zogen hat (dahala bihä), werden beide getrennt (furriqa bainahumä); dannhat sie den Rest (baqiyata) ihrer Wartezeit von ihrem ersten Ehemann ein-zuhalten, dann kann der andere wieder um sie werben (käna fyäfibanmin al-fyuttäb). Wenn er [jedoch] mit ihr die Ehe [schon] vollzogen hat, werdenbeide getrennt (furriqa bainahumä); dann hat sie [zuerst] den Rest derWartezeit von ihrem ersten Mann, dann die Wartezeit von ihrem zweiteneinzuhalten (i'taddat), dann dürfen sie beide niemals mehr [in einer Ehe]zusammenkommen (lä yaßtami'äni) {S: lam yankahhä}."

Mälik sagte {S: qäla Mälik fehlt}: Ibn al-Musayyab sagte: „Ihr [der letzte-ren] steht ihre Brautgabe für das, was ihm an ihr {S: an ihrer Scheide}erlaubt war, zu."83)

In geschweiften Klammern sind die Abweichungen -§aibänis in seinerMuwatta? -Rezension angegeben. Es handelt sich um die Hinzufügung bzw.Veränderung von Namen und zwei Varianten im Wortlaut, die wie Präzisie-rungen oder Irrtümer aussehen. Die Weglassung oder der Wegfall derWorte „qäla Mälik" vor dem Ibn al-Musayyab-dicfam am Ende hat zurFolge, daß dieses als Bestandteil der Ibn Sihäb-Überlieferung aufgefaßtwird. Ursprünglich, und das entspricht einem Usus Mäliks in der Rezen-sion des Yahyä b. Yahyä, war die Anmerkung wohl anonym, was nichtheißt, daß sie nicht trotzdem von -Zuhri stammen könnte. Insgesamt ge-sehen ist die Übereinstimmung im Wortlaut so groß, daß bei der Rezeptiondes Textes von Mälik die schriftliche Aufzeichnung eine Rolle gespielthaben wird.

b) 'Abdarrazzäq von Ma(mar von -Zuhri von Ibn al-Musayyab, daß Tulaihabint <Ubaidalläh den RuSaid at-Taqafi in ihrer Wartezeit heiratete (naka·hat). Da ließ sie 'Umar mit der Peitsche (dirra) auspeitschen (falada). Erentschied (qa4ä): Wenn ein Mann (ayyumä rafrulin) eine Frau in ihrerWartezeit heiratet und mit ihr die Ehe vollzieht (a§äbahä), werden beide

82) Die Bemerkungen in den geschweiften Klammern mit dem Siglum S bezie-hen sich auf die riwäya -Saibänis.

83) Mälik, Muwatta* 28:27; ders., Muwattd* (S), Nr. 545.

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getrennt (yufarraqu bainahumä) ; dann dürfen beide nie mehr [zu einer Ehe]zusammenkommen (yafitami'äni) ; sie hat den Rest (baqiyata) der Warte-zeit von dem ersten [Ehemann] zu vollenden (tastakmilu), dann sich ihrerWartezeit von dem anderen zuzuwenden (tastaqbilu). Wenn er mit ihr[jedoch] die Ehe [noch] nicht vollzogen hat (lam yu$ibhä), werden beidegetrennt (yufarraqu bainahumä), bis sie den Rest ihrer Wartezeit von demersten vollendet hat (tastakmilu), dann kann er [wieder] um sie werben(yafypubuha ma'a l-

-Zuhri sagte: „Ich weiß nicht, wieviel [Schläge] jene Auspeitschung be-trug." Er sagte [weiter]: „'Abdalmalik ließ in jenem [Fall] jeden von beidenmit 40 Schlägen auspeitschen. Darüber wurde Qabisa b. Du'aib befragt.Der sagte: „Wenn ihr das verringert und jeweils mit 20 [Schlägen] aus-gepeitscht hättet, [wäre es besser gewesen]."84)

c) 'Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri von Sulaimän b. Yasär, daß'Umar b. al-Hattäb demjenigen, [den] sie in ihrer Wartezeit heiratete, ihreBrautgabe vollständig auferlegte, für das, was er an ihr beansprucht hat(istafcaqqa)', beide werden getrennt (yufarraqu bainahumä), beide dürfenniemals [mehr] einander heiraten (yatanäkahäni) und sie muß von beiden[Männern] die Wartezeit einhalten (ta'taddu)*5)

d) 'Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri, daß Sulaimän und Ibn al-Musayyab unterschiedlicher Meinung waren. -Zuhri sagte: [Ibn al-Musayyab sagte:86)] „Ihr steht ihre Brautgabe zu." Sulaimän sagte [dage-gen]: „Ihre Brautgabe geht an die Gemeinschaftskasse (bait -möZ)."87)

Der Vergleich des Muwatta* -Textes mit Ma'mars Version von Ibn al-Musayyab (Text b), die beide sicher auf eine gemeinsame Quelle zurückge-hen, bestätigt, daß unsere Annahme, bei einigen von -Saibänis Abweichun-gen von Yahyä handele es sich um Präzisionen oder Irrtümer, korrekt ist.Der ursprüngliche Name der Frau in -Zuhris Überlieferung war wohlTulaiha bint 'Ubaidalläh. ; „al-Asadiya" wird eine Präzisierung Yahyässein. -Saibäni oder einer der späteren Überlieferer könnte Talha stattTulaiha aus seinem Manuskript gelesen und den Text entsprechend „korri-giert" haben. Eine solche Unsicherheit über die Lesung einer unpunktier-ten schriftlichen Vorlage liegt wohl auch dem Zweifel über den korrektenNamen des zweiten Mannes —Ibn Munabbih oder Ibn Munayyah — zuGrunde, der nur bei -Saibäni auftaucht. Es ist aber auch möglich, daß-Saibänis „Ibnat Talha" eine „verunglückte" Reminiszens an ältere ihm

84) 'Abdairazzäq, Mu$annaf 10539.85) 'Abdarrazzäq, Mu§annaf 10544.8 ) Dieser Name ist offenbar verlorengegangen, ist aber sinngemäß zu ergän-

zen.87) <Abdarrazzäq, Mu$annaf 10538.

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vorliegende Überlieferungen ist, denn in einer von Ibn Öuraig überliefertenVersion des 'Abdalkarim [al-Öazari] (st. 127/745)88) wird sie „Tulaihabint 'Ubaidalläh, die Schwester des Tulaiha b. 'Ubaidalläh* genannt.89)Die Übereinstimmung zwischen Ma'mar und Yahyä in der Wendung„ya$tami*äni" zeigt, daß dies der ursprüngliche Wortlaut ist, nicht der des-Saibäm.

Ma'mars und Mäliks Version sind kaum durch Abschrift derselbenschriftlichen Vorlage entstanden. Dafür sind die Unterschiede nicht nur inder Wortwahl, sondern auch in der Reihenfolge der Argumente zu groß.Das heißt, entweder haben einer oder beide den Text in mündlicher Über-lieferung erhalten, was schriftliche Notizen zur Gedächtnisstütze nicht aus-schließt, oder -Zuhri hat die Überlieferung aus dem Gedächtnis nichtimmer im gleichen Wortlaut vorgetragen oder beides.

Ma'mar teilt das Urteil des Kalifen 'Umar in zwei sehr unterschied-lichen Versionen von zwei verschiedenen Gewährsleuten -Zuhris mit, Mälikdagegen von denselben Personen in einer einzigen und nennt beide imisnäd. Das läßt darauf schließen, daß der von Ma'mar repräsentierte Sach-verhalt der ursprünglichere ist und die gemeinsame Fassung entweder von-Zuhri zu einem späteren Zeitpunkt erstellt wurde oder — wahrscheinlicher— auf Mälik zurückgeht. Der hat wohl auch die Meinung des Sulaimän b.Yasär über den Empfanger der Brautgabe für die ungültige Ehe getilgt, dienicht mit seiner Ansicht und auch nicht mit der des Ibn Sihäb überein-stimmte, wie einer anderen Zuhri-Überlieferung zu entnehmen ist.90)

Die Fassung des Ibn öuraig sieht wie folgt aus:

e) 'Abdarrazzäq von Ibn öuraig; der sagte: Ibn Sihäb überlieferte mir von[<Ubaidalläh b.]91) «Abdalläh b. <Utba und Abu Salama b. Abdarrahmän,daß 'Umar b. al-Hattäb eine Frau, die in ihrer Wartezeit geheiratet hat,von ihrem Ehemann trennte (farraqa baina). Dann entschied er (qa4ä):„Wenn eine Frau (ayyumä mra'atin) in ihrer Wartezeit heiratet, ihrEhemann mit ihr die Ehe [jedoch noch] nicht vollzogen hat (lam yadfyul

88) Zu dieser Person und den damit verbundenen Identifizierungsproblemenvgl. H. Motzki, Die Anfänge, S. 202-204.

89) Vgl. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 10541. „Tulaiha b. TJbaidallah" könnte einVersehen statt „Talha b. 'Ubaidalläh" sein. Ibn Sa'd kennt aber auch einen fulaifcaal-Asadi.

90) Vgl. Abdarrazzäq, Mu$annaf 10551 (Ma'mar).91) Dieser Namensbestandteil ist wahrscheinlich durch Nachlässigkeit bei der

späteren Textüberlieferung oder bei der Edition ausgefallen. -Zuhri tradiert in derRegel nicht von dessen Vater.

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bihä), werden beide getrennt (yufarraqu bainahumä)', sie hat einzuhalten(ta€taddu), was von ihrer Wartezeit bleibt (mä baqiya)', wenn sie zu Endeist, kann der andere Mann [wieder] um sie werben (hataba fi l-huttäb)',wenn sie will, kann sie ihn heiraten, wenn sie nicht will, kann sie es lassen.Wenn er [jedoch] die Ehe mit ihr [schon] vollzogen hat (dahala bihä), wer-den beide getrennt (yufarraqu bainahumä), dann dürfen sie beide nie [mehrin einer Ehe] zusammenkommen (yaijtami'äni)', sie hat [außerdem] ihreWartezeit von dem ersten [Ehemann] zu erfüllen (tastakmilu), dann dieWartezeit von dem anderen einzuhalten (ta'taddu.)92)

In dieser Version des Ihn öuraig hat das dictum 'Umars größere Ähn-lichkeit im Aufbau und in der Wortwahl mit der Fassung Mäliks als dieVariante Ma'mars, obwohl auch kleinere Abweichungen festzustellen sind.Es fehlt aber der historische Vorspann, die Identifizierung des Falles, undes werden zwei andere Gewährsleute -Zuhris dafür genannt. Läßt das denSchluß zu, daß Ibn öuraig den ursprünglichen Text gekürzt und versehent-lich oder bewußt die Namen der Informanten -Zuhris ausgetauscht hat?Eine solche Folgerung ist nicht zwingend. Gegen eine vertuschte Gedächt-nislücke des Ibn öuraig spricht die schon erwähnte biographische Informa-tion, daß er einen Großteil seiner ahädit von -Zuhri weder gehört noch vor-gelesen, sondern nur schriftlich — vielleicht sogar nur in der Fassung einesZuhri-Schülers — mit einer Überlieferungserlaubnis -Zuhris bekam,93) unddaß er gelegentlich seine Gedächtnislücken kenntlich macht. Warum erabsichtlich andere Namen eingetragen haben soll, ist schwer einzusehen,es scheint zumindest nicht sein Usus gewesen zu sein, wie ich an andererStelle gezeigt habe.94)

Wenn -Zuhri — wie wir gesehen haben — zwei verschiedene Überliefe-rungen über 'Umars Urteil kannte, die des Ibn al-Musayyab und die desSulaimän b. Yasär, ist nicht auszuschließen, daß die Kenntnis davon nochweiter verbreitet war und daß er sie auch von den bei Ibn Öuraig genanntenMedinensern gehört hatte. Dafür spricht nicht zuletzt die Tatsache, daß dieGeschichte noch aus anderen Quellen bekannt ist. Ibn Öuraig überliefertsie z. B. außer von -Zuhri von dem Iraker 'Abdalkarim [al-Öazari], der zeit-weilig ein Schüler Ibn al-Musayyabs war, und von dem Mekkaner (Amr[b. Dinar], der ebenfalls Kontakt zu den medinensischen tabtfün hatte,jedoch ohne Gewährsperson. Ma'mar zitiert sie in Kurzform über denBasrier Ayyüb [b. Abi Tamima] von dessen Lehrer Abu Qiläba, und Sufyän

92) Abdarrazzäq, Mu$annaf 10540.93) Siehe oben S. 15.M) Vgl. H. Motzki, Die Anfänge, passim.

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at- Tauri tradiert einen Anklang an sie über Hammäd von Ibrahim [an-Nafca'i].95)

-Zuhri selbst ist wohl als Erfinder weiterer Gewährsleute auszuschlie-ßen, denn dann hätte er viel leichter alle vier in einem S&mmel-isnäd nen-nen können. Allenfalls könnte man unterstellen, daß er bei Vorträgen ausdem Gedächtnis sich an die eigentlichen oder von ihm früher genanntenÜberlieferer der Geschichte nicht mehr korrekt erinnern konnte. Aber einesolche Hypothese erscheint weniger plausibel als die Annahme mehrererabweichender Erzählungen über denselben Vorfall. Die Tatsache, daß Ibnöuraig andere Gewährsleute als Ma(mar und Mälik nennt, spricht in Ver-bindung mit dem Fehlen des historischen Hintergrundes in seinem Texteher dafür, daß er eine selbständige, von den Versionen Mäliks undMa'mars unabhängige Überlieferung -Zuhris mitteilt.

Als Fazit unseres Vergleichs der Parallelen und Varianten einer Zuhri-Überlieferung über einen Urteilsspruch des Kalifen 'Umar b. al-Qaftäb,enthalten in den drei ältesten Quellen mit umfangreichen Zuhri-Texten,können wir festhalten:

1. Diese Tradition stammt mit größter Wahrscheinlichkeit tatsächlichvon -Zuhri. Das heißt, die Geschichte war im ersten Viertel des 2. Jahrhun-derts H. schon im Umlauf.

2. Ibn Sihäb wird sie kaum erfunden oder anonym aufgegriffen und mitfiktiven Gewährsleuten versehen haben, da er dazu auch den ihtiläf seinerGewährsleute berichtet und seine Unwissenheit in der Frage zugibt, wiehoch die Bestrafung 'Umars gewesen war.96)

3. Die Geschichte stammt in Wirklichkeit schon aus der iöfti'tm-Gene-ration, d.h. aus dem letzten Viertel des 1. islamischen Jahrhunderts. Fürdiese Zeit ist sie aber vom inhaltlichen und juristischen Standpunkt ausbeachtlich hoch entwickelt. Sie enthält viele formale Bestandteile, die —folgt man Schachts Kriterien — als spät oder sekundär einzustufen wären:a. eine Einleitung mit gi$$a-Elementen und mit der Nennung der Namenbeteiligter Personen außer der Rechtsautorität, b. einen sehr langen undkomplexen Rechtssatz mit kasuistischer Struktur, der nicht nur für einenkonkreten Fall die Lösung bietet — hier eine in der Wartezeit erfolgteHeirat —, sondern auch schon einen Eventualfall des Problems unter

9 ) «Abdarrazzäq, Mu$annaf 10541,10542,10543. In den ersten beiden Textenerscheint „Ruäaid at-Taqafitt als Name des zweiten Ehemannes statt des ersten. Dasstimmt mit Ma'mars Version (siehe Text b) überein, und so wird wohl die Überliefe-rung von Ibn al-Musayyab gelautet haben. Mäliks Fassung beruht vermutlich aufeiner Verwechslung.

ö6) Vgl. die Fassung b) von Ma'mar auf S. 29 f.3 Islam LXVIII, Heft l

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besonderen Bedingungen mitreflektiert — die Heirat in der Wartezeit ohneHochzeit.

4. Das in Mäliks Version 47 Wörter umfassende dictum paßt nicht zuden kurzen „Rechtsmaximen", die Schacht an den Anfang der Entwicklungder islamischen Jurisprudenz stellt. Es gehört aber — wie wir gesehenhaben — in deren Anfange. Das zeigt, daß eine primär am matn der recht-lich relevanten Überlieferungen orientierte Rekonstruktion der islami-schen Rechtsentwicklung nicht zu sicheren Ergebnissen führt.

5. Wenn es stimmt, daß die Geschichte in abweichenden Versionenvon verschiedenen fuqahä* der iöfti^n-Generation überliefert wurde, wofüreiniges spricht, dann könnte sie einen historischen Kern haben, obwohlkeiner der Gewährsleute -Zuhris für diese Tradition das Kalifat 'Umarserlebt haben und schon gar nicht Zeuge solche Vorfalle gewesen sein wird.Als solch einen historischen Kern könnte man sich etwa das denken, wasdie Überlieferung, die -Zuhri von Sulaimän b. Yasär mitteilt (Version c),enthält, d. h. das reine Faktum und seine Lösung. Die Ausweitung auf denhypothetischen Fall einer nicht vollzogenen Ehe könnte eine Zutat aus derDiskussion der überliefernden/uga&a' sein. Ob der konkret benannte Vor-fall tatsächlich so vom zweiten Kalifen entschieden wurde, läßt sich nichtmit letzter Gewißheit sagen, da keine Augen- oder Ohrenzeugen dafürangegeben sind. Völlig auszuschließen ist dies jedoch nicht.

VI

Unsere Analyse der Tradition -Zuhris über 'Umar ist nur eines vonzahlreichen Beispielen, an denen sich zeigen läßt, daß sich ein Teil der$oÄä&a-Überlieferungen -Zuhris in das letzte Viertel oder die letzte Hälftedes 1. Jahrhunderts H. datieren läßt, was nach Schachts Theorie nicht seinkann. Wie verhält es sich aber mit seinen Propheten-aftöefäi, die nachSchacht im Prinzip einem noch jüngeren Stadium der Rechtsentwicklungangehören als die Gefahrtentraditionen. Auch diese Frage soll an einemBeispiel erörtert werden:

a) Yahyä überlieferte mir von Mälik von Ihn Sihäb, daß (annahü) { : wa}er über das Saugen des Erwachsenen (radä^at al-kabir) befragt wurde. Ersagte: 'Urwa b. az-Zubair überlieferte mir:

Abu Hudaifa b. 'Utba b. Rabi'a — ( : wa fehlt} er geholte zu den Gefährtendes Gesandten Gottes (Eulogie) {'A:97) wa-käna min a$häb ff. fehlt} und {S:

97) Die Zusätze in geschweiften Klammern mit dem Sigel verweisen aufAbweichungen der riwäya 'Abdarrazzäq 'an Mälik, das Sigel wieder auf -ÖaibänL

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wa fehlt} war bei Badr dabeigewesen {'A: wa-käna Badriyan statt wa-känaqad Sahida Badran} — hatte den Sälim adoptiert {'A: ia-kana1. statt taban-nä}9 der Sälim, maulä des Abu Hudaifa, genannt wurde, wie der GesandteGottes (Eulogie) den Zaid b. Bäri£a {'A: b. gärita fehlt} adoptiert hatte {'A:kannä statt tabannä} {S: kamä tabannä ff. fehlt}. Abu Hudaifa hatte denSälim {S: die beiden Namen fehlen}, den er als seinen Sohn betrachtete, mitder Tochter {'A: ibnat statt hint] seines Bruders, Fätima bint al-Walid b.'Utba b. Rabi'a {'A: b. Rabi'a fehlt} verheiratet. Sie gehörte damals {'A:yauma*idin kommt erst vor min affal} zu den ersten Emigrantinnen und zuden edelsten (min aftfal) unverheirateten Frauen der QuraiS. Als [nun] Gott(Eulogie) {S: ohne Eulogie; <A: *azza wa-fiatta statt ta'älä] in seinem Buch{S: kitäbihi fehlt} offenbarte, was er über Zaid b. Pärita {S: b. Häritafehlt; *A: dälika statt kitäbihi ff.} offenbarte und sagte {S/'A: fa-qälafehlt}: (Nennt sie nach ihren Vätern! Das ist bei Gott aufrichtiger. Wennihr [jedoch] ihre Väter nicht kennt, dann sollen sie eure Brüder im Glaubenund eure mawäli sein)98) {S: fa-in lam ta'lamü ff. fehlt; CA: al-äya statt huwaaqsafu ff.}, wurde jeder einzelne {S: o/tocf statt wäfyid} von jenen [Adoptiv-söhnen] {S: tubunniya statt min ultfika] wieder [genealogisch] {'A: Zusatz:siyyl] auf seinem Vater zurückgeführt, wenn sein Vater [aber] nichtbekannt war (S: lam yakun yu'lamu statt lam yu'lam], wurde er auf seinenPatron (maulä) (S/'A: mawällhi} zurückgeführt (rudda).

Sahla bint Suhail — sie war {S: wa-hiyafehlt] die Frau des Abu Hudaifa undgehörte zu den Banü 'Ämir b. Lu'ayy — kam zum Gesandten Gottes (Eulo-gie) {S: Zusatz,/? mä balaganä; 'A: ilä rasüli llahifehlt} und sagte: „Gesand-ter Gottes {S: yä rasüla lläh fehlt}! Wir betrachteten {CA: Zusatz: anna] Sä-lim als [unseren] Sohn (walad), und er pflegte bei mir einzutreten, [selbst]wenn ich in der Unterwäsche war (wa-anafutful); [nun] haben wir [aber]nur ein [gemeinsames] Haus (bait) [das weiterhin gemeinsam zu bewohnenunmöglich ist, seit er nicht mehr als ihr Sohn gilt]. Was {§: mä statt mädä}ist deine Meinung in seinem Fall {'A: §a*nihi fehlt}?" {CA: Zusatz: -Zuhrisagte:}

Der Gesandte Gottes (Eulogie) { : rasülu ttähi fehlt} sagte zu ihr (S/ :Zusatz: mä balaganä; €A: wa-Uahu a^lamu}: „Stille ihn fünfmal (fyamsra4a<ät).u So wurde er durch ihre Milch {S: bi-labanika au bi-labanihä] [fürsie] ehetabu (yahnimu) {S/(A: taharrama] und sie pflegte ihn als einen„Milchsohn" (ibnan min ar-radä'a) anzusehen [und damit konnte er bei ihrproblemlos ein- und ausgehen].

'̂iSa, die „Mutter der Gläubigen" {S/'A: umm al~mu'minin fehlt}, griff zu[jener Methode] bei denjenigen Männern, die sie gern bei sich eintreten las-sen wollte {CA: turidu statt tufribbu], und sie befahl [daher] ihrer Schwester{Ö/CA: uhtahä fehlt} Umm Kultüm bint Abi Bakr a§-?iddiq {S: bint Abi Bakra§-5iddiq fehlt; CA: ibnat statt bint, a^-giddiq fehlt} und den Töchtern ihres

98) Koran 33:5.

3* Islam LXVIII, Heft l

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Bruders, diejenigen Männer (S/'A: an fehlt} zu säugen {S/'A: Zusatz: lahä],die sie gern bei sich eintreten lassen wollte (S: ahbabna statt ahabbat, minar-rifiäl fehlt}.

Die übrigen Frauen des Propheten (Eulogie) lehnten es ab, daß irgend-jemand {'A: ahadun min an-näs fehlt} auf Grund jener [Art von] Saugen beiihnen eintrete. Sie sagten {§: Zusatz: zu 'Ä'iäa; 'A: toafehlt}: „Bei Gott nein(S/'A: läfehlt}! Wir betrachten das, was der Gesandte Gottes (Eulogie) {'A:nabi statt rasülu lläh, bihl folgt dem Subjekt, nicht dem Prädikat} der Sahlabint Suhail {'A: bint Suhail fehlt} befahl, nur als eine Erlaubnis seitens desGesandten Gottes (Eulogie) {S: min rasüli llah folgt erst am Ende desSatzes, Zusatz: lahä] : min rasüli ttähi fehlt} für das Saugen des Sälimallein {A: Ende des Textes}. Bei Gott nein {S: lä fehlt}! Mit dieser [Art von]Saugen darf bei uns niemand eintreten."

Das war die Praxis (*alä hädä käna) {S: Zusatz: ra'y] der Ehefrauen desPropheten {S: rasüli alläh statt an-nabi] (Eulogie) bezüglich des Saugensdes Erwachsenen.99)

In die Übersetzung der Fassung des Yahyä b. Yahyä wurden dieAbweichungen eingearbeitet, die dieser Mälik-Text in den Parallelversio-nen des -Saibäni in seiner Muwatta?-Rezension und des 'Abdarrazzäq 'anMälik im Mu$annqf aufweist. Die beiden Paralleltexte unterscheiden sichvon der Yahyä-Fassung durch zahlreiche Kürzungen, einige unwesentlicheZusätze und ein paar Abweichungen in den Verbalformen, die vermutlichauf Lesefehler zurückgehen, und in den Bezeichnungen des Propheten. DieVersion des Yahyä b. Yahyä scheint weitgehend den ursprünglicherenText zu bieten, hat aber an einigen Stellen Erweiterungen (z. B. vollständi-gere Namen), wie die Fälle zeigen, in denen -Saibäm und 'Abdarrazzäq inihren Abweichungen übereinstimmen. Dennoch sind alle drei Varianten soweitgehend identisch, daß sie auf der Grundlage schriftlicher Überlieferungvon ein und derselben Quelle — Mäliks Unterricht — entstanden sein dürf-ten. Ob die Abweichungen zwischen den drei Fassungen, z.B. die unter-schiedliche Länge des Koranzitates, auf die Schüler zurückgeht oder aufeine variierende Überlieferung Mäliks selbst, läßt sich nicht mit Sicherheitsagen.

Eine gravierende Abweichung 'Abdarrazzäqs, die in der Übersetzungdes Textes nicht vermerkt wurde, betrifft den isnäd. Während Yahyä dieÜberlieferung mit *an Mälik 'an Ihn Sihäb . . . fa-qäla: ahbaranl und -§ai-bäm mit ahbaranä Mälik, ahbaranä Ihn §ihäb . . . fa-qäla: cihbaranl aufTTrwa b. az-Zubair zurückfuhren, bringt ^bdarrazzäq den isnäd: W Mälik

") Mälik, Muwatta* 30:12; ders., Muwatta* (S), Nr. 627. 'Abdarrazzäq, Mu$an-naf 13886. Man hat sich dieses Stillen von Erwachsenen wohl in Form einer Bei-mischung von Muttermilch zu einer Speise oder einem Getränk vorzustellen.

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€an Ihn Sihäb W 'Urwa 'an 'Ä' i a. Daraus ist zu folgern, daß 'Abdarraz-zäq den isnäd Mäliks eigenmächtig vervollständigt hat. Aus welchemGrund könnte er das getan haben? Um der Überlieferung eine lückenloseÜberlieferkette zu geben? Dieses Motiv erscheint angesichts von Hunder-ten von Propheten- ahädi t mit defekten asänid in seinem Mu$annaf frag-würdig. Es ist auch schwer vorstellbar, daß 'Abdarrazzäq nicht aufgefallensein sollte, daß die gesamte Überlieferung in der von ihm präsentiertenForm unmöglich von 'Ä'iSa stammen kann, denn sie selbst taucht in ihr inder dritten Person auf.

Einen ersten Schlüssel zur Beantwortung der Frage nach dem Motivliefert die Analyse des Textes, der eine der kunstvollsten qi$a$ in der Zuhri-Überlieferung ist. Ich habe schon durch die Gliederung in Absätze, die derarabische Text nicht aufweist, zu verdeutlichen versucht, daß er aus vierin sich geschlossenen Erzählungen besteht: An die Geschichte von AbuiJudaifa und seinem Adoptivsohn Sälim, die eine Art Prolog zu der darauf-folgenden Story über Sahla und die fatwä des Propheten bildet, schließensich zwei Berichte über das Verhalten der Prophetenfrauen an; einerbetrifft nur 'Ä'iSa, der andere die übrigen Witwen des Propheten. DasGanze beschließt ein Satz, der noch einmal das Thema der Überlieferungbenennt.

Man wird daher bei der Frage nach der Autorschaft der Überlieferungzwischen dem Autor der Gesamtkomposition und der Herkunft der einzel-nen Bestandteile unterscheiden müssen. Ob die Verbindung der Einzeltra-ditionen zu einer Einheit von Mälik, -Zuhri oder schon von cUrwa stammt,läßt sich anhand des Mälik-Textes allein nicht entscheiden. Ein Vergleichmit anderen alten Versionen dieser Überlieferung führt weiter:

b) (Abdarrazzäq von Ma'mar von -Zuhri von (Urwa von €Ä'iSa; sie sagte:Sahla bint Suhail b. <Amr kam zum Propheten (Eulogie) und sagte: „Sälimpflegte nach Abu Hudaifa genannt zu werden (yud'a) und [nun] hat Gott(Eulogie) in seinem Buch geoffenbart: (Nennt sie nach ihren Vätern). Erpflegte bei mir einzutreten, während ich in der Unterwäsche (fuuul) war,[nun] leben wir [aber] in einer engen Wohnung (manzil)" Da sagte derProphet (Eulogie): „Stille den Sälim, [damit] du für ihn ehetabu bist

-Zuhri sagte: Einige Frauen des Propheten (Eulogie) sagten: „Wir wissennicht, ob dies [nicht] eine Erlaubnis nur (bä$$atan) für Sälim war."

-Zuhri sagte [außerdem]: 'Ä'iäa pflegte, bis sie starb, die Rechtsauskunftzu geben (tufti), daß das Stillen nach der Entwöhnung ehetabu macht.100)

10°) 'Abdarrazzäq, Mvjannaf 13S85.

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c) 'Abdarrazzäq überlieferte uns; er sagte: Ibn Öuraig überlieferte uns; ersagte: Ibn Sihäb überlieferte mir (ahbarani); er sagte: TJrwa überliefertemir von 'Ä'iäa: Abu Hudaifa adoptierte den Sälim — er war ein maulä einerFrau von den Ansär — wie der Prophet (Eulogie) den Zaid. Wenn jemand inder öähiliya einen Mann adoptierte, nannten die Leute ihn seinen Sohn,und er erbte von seinem Erbe, bis Gott (Eulogie) offenbarte: (Nennt sienach ihren Vätern . . . Wenn ihr ihre Väter [jedoch] nicht kennt, so seiensie eure Brüder im Glauben). Da wurden sie [genealogisch] auf ihre Väterzurückgeführt [und] wessen Vater unbekannt war, der [wurde] ein Klient(maulä) und ein Bruder im Glauben. Da kam Sahla [zum Propheten] undsagte: „Gesandter Gottes! Wir pflegten Sälim als [unseren] Sohn (walad)zu betrachten, der mit mir und Abu Hudaifa die Unterkunft teilte (ycfwi)und der mich in der Unterwäsche (fudul) sah. [Nun] hat Gott (Eulogie) ihnbetreffend geoffenbart, was dir bekannt ist." Da sagte der Prophet (Eulo-gie): „Stille ihn fünfmal (hams rada'ät)." [So] war er in der Stellung ihres„Milchsohnes".101)

Diese beiden Zuhri-Überlieferungen, die eine von Ma'mar, die anderevon Ibn öuraig, sind eindeutig Paralleltraditionen zum Text des Mälik,allerdings beschränkt sich die Version des Ibn öuraig auf eine Kurzfassungder Sahla-Story einschließlich ihrer Vorgeschichte und ignoriert die Reak-tionen der Prophetenfrauen darauf. Die Ähnlichkeit mit Mäliks Text ist nurinhaltlicher Art, obwohl zahlreiche Übereinstimmungen im Wortlaut nebenWidersprüchen vorkommen. Zum Beispiel gestanden nach Ma'mar dieProphetenfrauen außer 'Ä'isa in der Frage der Geltung der Propheten-fatwä ihre Unkenntnis, während sie deren universale Geltung in MäliksFassung vehement leugnen. Diese Abweichung ist einer ungenauen Aus-drucksweise zuzuschreiben, denn — wie wir noch sehen werden — kannteauch Ma'mar die negative Einstellung der anderen Prophetenfrauen. Ibnöuraig und Ma'mar stimmen gegen Mälik darin überein, daß sie die Sahla-Geschichte über 'Urwa auf 'Ä'isa zurückfuhren, was daher schon von -Zuhristammen wird. Es scheint so, als habe 'Abdarrazzäq in Kenntnis diesesSachverhaltes Mäliks isnäd ergänzt und nicht in erster Linie, um eine lük-kenlose Überliefererkette für den Propheten-Äodii zu fingieren.

In Ma'mars Version bezieht sich -Zuhri für seine Aussagen über dieRechtsmeinungen 'Ä'iäas — es ist nicht von entsprechenden Praktiken dieRede — und die der anderen Prophetenfrauen nicht explizit auf 'Urwa b. az-Zubair; daß er auch dafür die Quelle ist, könnte man allenfalls aus seinemisnäd für die Sahla-Geschichte schließen. Sicherheit dafür, daß zumindestdie Schilderung der Praktiken 'Ä'iäas, wie sie Mälik tradiert, tatsächlichvon 'Urwa stammt, läßt sich jedoch auf einem Umweg erhalten: Ibn öuraig,

101) 'Abdarrazzäq, Mu$annqf 13887.

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der — wie erwähnt — in seinem Text nichts über die 'Ä'iSa-Praxis verlautenläßt, berichtet von seinem Lehrer 'Affi b. Abi Rabäh:

Ich hörte 'Ata*, als er befragt wurde. Ein Mann sagte zu ihm: „Eine Fraugab mir von ihrer Milch zu trinken, nachdem ich ein erwachsener Manngeworden war. Darf ich sie heiraten?" ['Ata'] sagte: „Nein!" Ich sagte [zuihm]: „Das ist dein ra'yl" Er sagte: „Ja!a. 'At»' sagte [ergänzend]: „'Ä'iSapflegte das den Töchtern ihres Bruders zu befehlen (känat *Ä*i$a ta'murubi-dälika banäti

Letzteres ist offenkundig ein Verweis auf die Überlieferung über 'Ä'iäa,wie sie in Mäliks Fassung von Ibn Sihäbs 'Urwa-Tradition über die Stillungdes Erwachsenen enthalten ist. Da 'Urwa ein älterer Zeitgenosse des 'Ata*und sein Gewährsmann für andere Überlieferungen war, *Affi dagegennicht bei dem jüngeren -Zuhri hörte, wird 'Urwa sowohl 'Ata's als auch-Zuhris Quelle dafür gewesen sein.

War 'Urwa auch -Zuhris Quelle für die Meinung der übrigen Prophe-tenfrauen? Dies ist zwar nicht völlig auszuschließen, doch kann man esauf Grund einer separaten Zuhri-Tradition bezweifeln, die Ibn Sacd via-Wäqidi von Ma'mar mitteilt:

Mir überlieferte Muhammad b. 'Umar, mir überlieferte Ma'mar undMuhammad b. 'Abdalläh von -Zuhri von Abu 'Ubaida von Abdalläh b.Zam'a von seiner Mutter von Umm Salama; sie sagte: Die Ehefrauen desPropheten (Eulogie) lehnten es ab, das [was 'Ä'iSa tat] zu übernehmen. Siesagten: Dies ist nur eine Erlaubnis des Gesandten Gottes (Eulogie) fürSahla bint Suhail [allein]."103)

Danach hat -Zuhri die Überlieferung über die Meinung der anderenProphetenfrauen nicht von 'Urwa, sondern einem anderen Informanten,der sie letztlich auf die Frau des Propheten Umm Salama, eine alte Kontra-hentin 'Ä'iSas, zurückfuhrt. Wenn das zutrifft, hat Mälik diesen gesonder-ten isnäd — aus welchen Gründen auch immer — ausgelassen und alle Ein-zelbestandteile des Textes dem 'Urwa zugeschrieben. Dabei hat er auf dieErwähnung 'Ä'iäas im isnäd verzichtet, da sie weder für den Bericht überihre Praxis, der sie in der dritten Person nennt, noch für den über die ab-lehnende Haltung der anderen Prophetenfrauen, der eindeutig als Kritikan ihr zu verstehen ist, als unmittelbare Quelle in Frage kommt.

Ma'mars Version der Sahla-Geschichte macht schließlich deutlich, daßdie Zusammenstellung der Abu Hudaifa-Sälim-Sahla-Episode mit den Ver-

102) 'Abdarrazzäq, Mu$annqf 13883. Vgl. dazu auch H. Motzki, Die Anfänge,S. 112ff. und ders., „The Mu^annaf of 'Abd al-Razzäq", S. 15.

103) Ibn Sa'd, Tabaqät, Bd. 8, S. 198.

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haltensweisen oder Meinungen der Prophetenfrauen auf-Zuhri zurückgeht,denn hierin stimmt er mit Mälik überein.

Aus dem Vergleich der verschiedenen Varianten wird man folgern müs-sen, daß entweder -Zuhri die Überlieferungen, die das Problem der Stil-lung eines Erwachsenen betreffen, zu verschiedenen Zeiten in unterschied-lichen Versionen verbreitet hat, oder daß seine Schüler für die Abweichun-gen der Texte voneinander verantwortlich sind. Letzteres würde bedeuten,daß entweder Mälik -Zuhris Wortlaut — mit Ausnahme des isnäd — ambesten bewahrt hat, dann hätten Ma'mar und Ibn öuraig ihre Fassungengekürzt, was wohl am ehesten anzunehmen ist. Man könnte zwar aucherwägen, ob nicht -Zuhris Originalversion kurz war und Mälik sie aus-geschmückt hat, aber dies ist angesichts der Übereinstimmung von MäliksFassung mit der Bemerkung 'Atä's weniger wahrscheinlich. Wie dem auchsei, das entscheidende Ergebnis, das der Vergleich der Varianten diesesPropheten-^odii -Zuhris erbringt, ist, daß wir es mit einer echten Zuhri-Überlieferung zu tun haben.

Was ist aber von seiner Angabe zu halten, daß er die Sahla-Geschichteund die Information über 'Ä'iSas Einstellung und Praxis dazu von €Urwa b.az-Zubair (st. 99/718) habe? Dafür daß Ibn Sihäb die Überlieferung überdas Stillen von Erwachsenen nicht erfunden hat, spricht schon die Tat-sache, daß sie in einem ifytilaf endet, aus dem nicht hervorgeht, welchePosition der Autor vertritt. Wir wissen aber aus einer anderen alten Tradi-tion über -Zuhris ra'y, daß er solche Praktiken, wie sie in der Propheten-tradition und von 'Ä'iSa geschildert werden, ablehnte.104) Es ist schwer vor-stellbar, daß er einen hadit vom Propheten und eine entsprechende Rechts-meinung der (Ä*iSa, die seiner eigenen Auffassung völlig widersprachen,fingiert oder aus einer ihm wenig vertrauten Quelle akzeptiert hätte.105)Dazu kommt, daß auf Grund des erwähnten Hinweises des Mekkaners'AtÄ* auf 'Ä'iäas Praxis €Urwa als Quelle wahrscheinlich ist. Die Angabe-Zuhris, daß er die Überlieferung von 'Urwä hat, wird also zutreffen.

Auch bei €Urwa kann man sich fragen, ob er als Autor der Texte anzuse-hen ist oder ob er seine Informationen tatsächlich von 'Ä'iSa hat. Gegen dieAnnahme, daß er sie selbst erfunden hat, spricht, daß die in ihm ausgespro-

104) Vgl. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf 13908.105) Daß -Zuhri Überlieferungen tradierte, die seinen eigenen Rechtsauffas-

sungen zuwiderliefen, ist auch durch eine biographische Nachricht belegt, die sich ineinem biographischen Lexikon andalusischer 'idamä* findet (al-Humaidi: öadwatal-muqtabi&, Hg. Muhammad b. Täwit at-Tangi, Kairo o. J., S. 83f.) — diesen Hin-weis und eine Kopie der Textstelle verdanke ich Frau Dr. I. Fierro. Der isnäd gehtüber andalusische und ägyptische Tradenten via 'Abdarrazzäq auf Ma'mar zurück.

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ebene Wirksamkeit der Stillung eines Erwachsenen auch von ihm selbstund anderen medinensischen/i^goAä* seiner Generation wie dem führendenIbn al-Musayyab abgelehnt wurde.106) Es erscheint nicht sinnvoll zu unter-stellen, daß er falschlich ein hadit vom Propheten in die Welt setzte, dasseiner eigenen RechtsaufTassung derart deutlich widersprach. Das würdebedeuten, daß seine Angabe, daß 'Ä'iäa seine Quelle für die Geschichte warund diese danach handelte, wohl nicht aus der Luft gegriffen ist.107) Dasheißt, hier liegt eine sehr alte Prophetentradition vor. Wahrscheinlich istdieser l^adlt sogar echt und berichtet von einem tatsächlichen Vorfall ausdem Leben des Propheten, denn Umm Salama bestreitet dies nicht, was zuerwarten gewesen wäre, wenn 'Ä'iSa die ganze Geschichte selbst erfundenhätte.

Dieses Resultat entfernt sich weit von den Auffassungen Schachts zudiesem Typ von „legal tradition". Auf Grund ihrer Länge, ihrer kunstvollenKomposition mehrerer Einzelüberlieferungen, der vielen gi?$a-Elemente,der Namen und nicht zuletzt der Tatsache, daß es sich im Kern um einenPropheten-/MMii£ handelt, hätte er ihr kein derartiges Alter zugebilligt.Schacht hätte in diesem Text verschiedene Tendenzen am Werk gesehenund wie folgt argumentiert:

Die Überlieferung von der Praxis der 'Ä'iäa ist ein Produkt der „tradi-tionists", um die Doktrin der alten medinensischen Schule, die unter ande-ren dem Ibn al-Musayyab und dem 'Urwa b. az-Zubair fiktiv zugeschrie-ben wurde, und die wahrscheinlich auch -Zuhri vertrat, zu verändern.Dabei wird ein typisches Vorgehen der „traditionists" deutlich, nämlichihre „countertradition" gerade denen zu unterschieben, die von der„ancient school" als Vertreter der Gegenmeinung namhaft gemacht wur-den. Das heißt die Argumentation mit der Praxis der 'Ä'iSa muß jünger als-Zuhri sein. Die Vertreter der „ancient school", nun in der Defensive, ver-suchten die ^iSa-Tradition mit dem Verweis auf die ablehnende Haltungder übrigen Prophetenfrauen zu konterkarieren, worauf die „traditionists"ihr schwerstes Geschütz auffuhren und die Story der Sahla mit einer Pro-pheten-/aiwä produzierten, die folglich das jüngste Glied in der Kette derArgumentation ist. Die einzelnen Teile wurden schließlich zu einem Gan-zen zusammengefaßt, das Mälik vorfand, wenn er es nicht sogar selbst redi-

loe) Vgl. Malik, Muwatfa* 30:10, 11. «Abdarrazzäq, Mu$annaf 13900, 13904,13905.

l07) Dies legt auch eine Überlieferung des Ibn öuraig von seinem mekkani-schen Lehrer Ibn Abi Mulaika nahe, der angibt, die Sahla-Geschichte 'Ä'iSas von al-Qäsim b. Muhammad b. Abi Bakr gehört zu haben. Vgl. 'Abdarrazzäq, Mu$annaf13884.

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giert hat. All das muß sich — nach Schacht — zwischen -Zuhris Tod undMäliks Weitergabe seines Muwatta? abgespielt haben. Die Entstehung derProphetentradition über die Erwachsenenstillung wäre dementsprechendin die Zeit um die Mitte des 2. Jahrhunderts H. zu datieren.

So ausführlich, wie hier dargestellt, hat Schacht diese Tradition nichtbehandelt. Er hat nur Andeutungen in dieser Richtung gemacht.108) Aberwer mit seiner Denkweise vertraut ist, wird sie in den obigen Ausführun-gen wiedererkennen. Angesichts der Ergebnisse, die ein Vergleich der inden ältesten Quellen enthaltenen Überlieferungen von -Zuhri allgemeinund der Varianten zweier Beispiele, einer 'Umar- und einer Prophetenüber-lieferung, insbesondere erbracht hat, wird man Schachts Ansatz und seineDarstellung der Ursprünge der islamischen Jurisprudenz hinterfragenmüssen.

VII

Kehren wir für eine Zusammenfassung der Argumentation noch einmalzu unserem Ausgangspunkt zurück. Nach den maßgeblich durch die For-schungen Schachts geprägten Auffassungen über die Ursprünge der islami-schen Jurisprudenz ist die Zahl vertrauenswürdiger Überlieferungen von-Zuhri sehr gering und im wesentlichen auf die Angaben, die Mälik inseinem Muwatta? über seinen von ihm selbst gehörten rtfy macht, zubeschränken. Demgegenüber konnte gezeigt werden, daß es außer demMuwatta* noch weitere brauchbare Quellen für -Zuhris fiqh gibt. Ein Ver-gleich der in ihnen erhaltenen Texte kommt zu dem Ergebnis, daß seineRechtsgelehrsamkeit keineswegs nur aus ra*y bestand, sondern zu einemguten Teil auch Überlieferungen über Rechtsansichten und rechtsrelevan-tes Verhalten der vorangehenden Generationen, den Propheten einge-schlossen, umfaßte. Aus den umfangreichen Rechtstexten des -Zuhri, diein den von seinen Schülern kompilierten Quellen mitgeteilt werden, läßtsich ein umfassendes Bild von seiner Rechtsgelehrsamkeit, aber auch vomStand und von den Entwicklungstendenzen der medinensischen Jurispru-denz im ersten Viertel des 2. Jahrhunderts H. gewinnen und teilweise auchderen Vorstufen in der zweiten Hälfte des 1. islamischen Jahrhundertsrekonstruieren. Dies ist eine Forschungsaufgabe, die noch vor uns liegt.109)

108) Vgl. Schacht, Origin», S. 48, 246 f.109) Dieser Aufsatz wurde auf dem Fifth International Colloquium on: From

Jahiliyya to Islam — Aspects of Social, Cultural and Religious History in the Periodof Transition vom 1.-6. Juli 1990 in Jerusalem vorgestellt. Ich danke den dort an-wesenden Kollegen und Prof. Dr. A. Noth für ihre kritischen Anmerkungen undweiterführenden Hinweise.

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Der Fiqh des -Zuhri: dio Quellenproblematik 43

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